Table.Briefing: Security

Marine will Signal im Indo-Pazifik senden + „Unambitioniert“ – die Klimastrategie des BMVg

Liebe Leserin, lieber Leser,

es wird rauer vor der Küste Chinas: Die Drohgebärden Pekings sind unmissverständlich. Die Bundesregierung hat spätestens mit den Indo-Pazifik-Leitlinien des Auswärtigen Amtes 2020 ihre Interessen in der Region festgeschrieben – und hinterlegt sie dieses Jahr mit der bis dato größten Präsenz der Bundeswehr im Indo-Pazifik. Details zum gemeinsamen Indo-Pacific Deployment der Marine und Luftwaffe lesen Sie in meiner Analyse.

Die Konsequenzen der Erderwärmung bekommen auch die Teilstreitkräfte der Bundeswehr zu spüren und müssen sich bei Einsätzen künftig besser darauf einstellen. Verteidigungsministerium wie Bundeswehr müssen aber auch selbst an einer Reduzierung ihrer Emissionen arbeiten. Zu beiden Themen hat das Ministerium jüngst Strategien herausgegeben, die meine Kollegin Anouk Schlung analysiert hat.

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Lisa-Martina Klein
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Analyse

Indo-Pacific Deployment: Bundeswehrpräsenz als Signal an China und Nordkorea

Die kurzfristigen Einsätze der Marine und Luftwaffe – der scharfe Waffengang im Roten Meer und die Beteiligung an einer Luftbrücke in den Gazastreifen – gehen an die personelle und materielle Substanz. Dennoch hält die Bundeswehr an den seit einem Jahr laufenden Planungen für das bis dato größte Deployment in den Indo-Pazifik fest: Die Marine wird von Mai bis Dezember mit zwei Kriegsschiffen einmal um den Erdball fahren, die Luftwaffe stößt von Juni bis August mit 32 Flugzeugen im Indo-Pazifik dazu.

Im Fokus: die Wahrung der freien Schifffahrt in internationalen Gewässern im indo-pazifischen Raum, die Teilnahme an fünf großen Übungen, darunter die US-geführte Rim of the Pacific (RIMPAC) vor Hawaii, Rüstungsgespräche mit Partnern und die Überwachung der UN-Sanktionen gegen Nordkorea. Personalaufwand allein für die Marine: bis zu 430 Soldatinnen und Soldaten. 

Sigmund: Deutschland darf Staaten der Region nicht allein lassen

Die Angriffe der Huthi-Rebellen im Roten Meer auf die internationale Handelsschifffahrt und der Krieg in der Ukraine verleihen der Präsenz der Bundeswehr im indo-pazifischen Raum eine neue Brisanz: Im südchinesischen Meer tritt vor allem China militärisch aggressiv auf und beansprucht internationale Gewässer für sich – mit potenziell gravierenden Folgen für den Welthandel. Nordkoreanische Waffen finden trotz UN-Embargo ihren Weg in den Krieg Russlands gegen die Ukraine.

In den Leitlinien zum Indo-Pazifik sowie der Nationalen Sicherheitsstrategie signalisiert die Bundesregierung Bereitschaft, mehr Verantwortung in der Region zu übernehmen. Es sei wichtig zu zeigen, dass Deutschland die Staaten der Region nicht allein lasse, sagt Petra Sigmund, Leiterin der Abteilung für Asien und Pazifik im Auswärtigen Amt, beim Parlamentarischen Abend der Marine und Luftwaffe zum Indo-Pacific Deployment (IPD) vergangene Woche in Berlin. “Das ist noch wichtiger geworden seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, seitdem Partner aus Asien uns und die Ukraine unterstützen”, sagt Sigmund.

Bundeswehrpräsenz im Indo-Pazifik hoch angesehen

Für Länder wie etwa Singapur, Japan oder Malaysia zähle ausdrücklich das Engagement Deutschlands, die Größe der Flotte spiele dabei eine untergeordnete Rolle, sagt Marineinspekteur Vizeadmiral Jan Christian Kaack in Berlin. “Wir setzen uns mit diesem Deployment für freie und sichere Seewege und den Erhalt der regelbasierten internationalen Ordnung in der Region ein.” Die Marine sei damit ein guter Ausdruck für ein flexibles Instrument der Außen- und Sicherheitspolitik, und zwar in einem Spektrum von maritimer Verteidigungsdiplomatie über Übungen und Manöver mit Partnern bis hin zu gemeinsamen Operationen. “Und das fast acht Monate lang”, sagt Kaack. Und alles neben den Nato-Verpflichtungen und regulären Übungen.

Die Bundeswehr ist seit vier Jahren verstärkt im indo-pazifischen Raum präsent. 2021 fuhr die Fregatte “Bayern” von August bis Februar 2022 in den Indo-Pazifik, formell auf einer Auslandsausbildungsfahrt, allerdings mit diplomatischem und sicherheitspolitischem Auftrag. 2022 folgte dann erstmals die Luftwaffe, 2023 nahm das Heer zum ersten Mal an der Talisman Sabre-Übung in Australien teil. Das erneute Engagement der Luftwaffe im indo-pazifischen Raum werde von den asiatischen Staaten sehr begrüßt, sagt Luftwaffen-Inspekteur Ingo Gerhartz: “Als wir vor zwei Jahren erstmalig da waren, ist mir oft begegnet: Kommt ihr wieder oder ist das eine Eintagsfliege? Und das ist genau die Verstetigung dieses Vertrauens.”

Deployment mit vielen Aufträgen

Dieses Jahr fällt das IDP bedeutend größer aus. Am 7. Mai brechen die Fregatte “Baden-Württemberg” und der Einsatzgruppenversorger “Frankfurt am Main” von Wilhelmshaven respektive dem spanischen Rota auf – erst einmal gen Westen. 13 Hafenbesuche, viele verbunden mit Gesprächen mit der dortigen Industrie, soll es nach jetzigem Planungsstand geben. Angefangen an der kanadischen und US-amerikanischen Ostküste geht es dann durch den Panama-Kanal nach San Diego und nach Hawaii.

Dann erst erreichen die Schiffe den indo-pazifischen Raum und steuern unter anderem Japan, Südkorea, Indonesien, Singapur und Indien an. Auf dem Rückweg geht es zurück durch das Rote Meer, mit Stopps in Saudi-Arabien und Israel. Die Entscheidung, ob die Marineschiffe die Straße von Taiwan passieren werden, soll kurzfristig und je nach Sicherheitslage fallen – und wird eine politische sein.

Reedereien fordern Präsenz in der Straße von Taiwan

Wenn es nach den deutschen Reedern geht, sollen die Kriegsschiffe dort definitiv Präsenz zeigen: “So machen wir deutlich, dass wir wachsam sind und uns nichts gefallen lassen werden”, sagt Gaby Bornheim, Vorsitzende des Verbandes Deutscher Reeder, auf dem Parlamentarischen Abend. 90 Prozent des Welthandels gehe über den Seeweg, davon passierten Zweidrittel den indo-pazifischen Raum. Mehr als 2.000 Schiffe täglich transportierten Waren durch und ins südchinesische Meer. 60 Prozent des deutschen Im- und Exports werde ebenfalls über den Seeweg transportiert, sagt Bornheim. “Man muss sich immer wieder deutlich machen, wie entscheidend wir als Reedereien sind”, so Bornheim. 

Vom IPD erhofft sich Kaack auch einen gewissen “Werbeeffekt” für die Marine, um die angespannte Personallage der kleinsten Teilstreitkraft zu verbessern. Ein Social-Media-Team wird das Deployment begleiten. Soldatinnen und Soldaten sollen aber auch selbst auf ihren Social-Media-Kanälen posten, um “den Zauber der Marine” zu zeigen. Dass die chinesische Regierung die Posts für eigene Propaganda-Zwecke verwenden könnte, dagegen könne man wenig ausrichten, aber es gebe Gegenstrategien, sagt Kaack. 

Luftwaffe führt Übung auf US-amerikanischem Boden aus

Die Luftwaffe wird von Juni bis August mit insgesamt 32 Flugzeugen teilnehmen, darunter zwölf Tornados, acht Eurofighter und vier A400M Truppentransporter. Sie fliegt dabei zusammen mit Frankreich und Spanien. “Wir gehen mit drei Nationen Holding Hands in diesen Raum. Das hat auch eine rüstungspolitische Komponente, das FCAS-Projekt. Wichtiger ist mir aber die Message: Wir gehen mit einem europäischen Gesicht in diesen Raum”, sagt Gerhartz. 

In Alaska wird die Luftwaffe die Übung “Arctic Defender” führen, die laut Gerhartz eine Dimension “fast von der Air Defender 2023” hat. Danach steuert seine Flotte Japan und Australien an. Ein Teil wird dort an der Übung “Pitch Black” teilnehmen und danach erstmalig für eine Übung auch Indien anfliegen. Der andere Teil nimmt zusammen mit der Marine an der Übung RIMPAC rund um Hawaii teil.

  • Bundeswehr
  • Indopazifik
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Mit diesen Strategien will die Bundeswehr gegen den Klimawandel vorgehen

Die Bundeswehr soll sich in ihrer operativen Planung und ihren internen Strukturen stärker auf die Auswirkungen des Klimawandels vorbereiten. Denn die Auswirkungen der Erderwärmung beeinflussen nach Sicht der Militärplaner nicht nur die politische und wirtschaftliche Stabilität, Krisen und Konflikte, sondern auch die Handlungsfähigkeit der Bundeswehr. Das sind die zentralen Aussagen der StrategieVerteidigung und Klimawandel“, die das Verteidigungsministerium (BMVg) im März veröffentlichte.

Sie ergänzt damit die Nachhaltigkeits- und Klimaschutzstrategie des Ministeriums, die bereits Ende 2023 vorgestellt wurde. Kritiker monieren allerdings, dass bisher unklar bleibt, wie diese Konzepte umgesetzt werden sollen.

Zwei Strategien zum Umgang mit der Klimakrise

Die aktuelle Strategie zu “Verteidigung und Klimawandel” formuliert Empfehlungen für insgesamt acht Handlungsfelder:

  • Technologie und Forschung
  • Planung und Entwicklung militärischer Fähigkeiten
  • Einsätze der Bundeswehr
  • Früherkennung und Vorausschau
  • Befähigung zivilen und militärischen Personals
  • Verteidigungswichtige Infrastruktur
  • Hilfeleistungen der Bundeswehr im In- und Ausland
  • Zusammenarbeit auf nationaler und internationaler Ebene

Die Strategie formuliert darüber hinaus das Ziel, die Fähigkeiten der Bundeswehr für Hilfseinsätze im Inland im Falle von Naturkatastrophen oder Extremwetterereignissen zu verbessern. Außerdem sollen Soldatinnen und Soldaten lernen, wie sie trotz der Auswirkungen des Klimawandels effektiv ihre Arbeit machen können. Zudem, so die Strategie, müsse militärische und verteidigungsrelevante Infrastruktur resilient gegenüber den Folgen des Klimawandels gestaltet werden. 

Wie diese Handlungsempfehlungen umgesetzt werden sollen, ist bisher allerdings nicht präzise definiert. Das stehe noch aus, betont das BMVg: “Jedes Handlungsfeld soll mithilfe interner Aktionspläne, die bis Ende dieses Jahres erarbeitet werden sollen, konkret umgesetzt werden.”

Thomas Erndl (CSU), Mitglied im Unterausschuss Internationale Klima- und Energiepolitik, kritisiert, es fehle ein klarer zeitlicher Rahmen zur Umsetzung und einer konkreten Bereitstellung von Haushaltsmitteln dafür.

Kosten der Umsetzung unklar

Laut Jochen Luhmann, Senior Expert am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie, mangele es dem Papier vor allem an langfristigen Perspektiven – zum Beispiel im Bereich Infrastruktur: “Da ist jetziges Handeln unverzichtbar, jede spätere Spontaneität käme zu spät”, erklärt er gegenüber Table.Briefings.

Luhmann fordert einen Blick, der über Deutschland hinausgeht: Regionen, wo sich deutsche Truppen im Falle der Bündnisverteidigung bewegen oder Auslandseinsätze in anderen Klimazonen. “Dort können andere Wetter- und Klimabedingungen herrschen. Hier muss das BMVg genauer definieren, wie es sich und die Bundeswehr rüsten will.”

Und auch Erndl sagt: “Der Bereich Technologie, Forschung und Entwicklung ist zwar prominent platziert. Jedoch sind die Handlungs- und Zielvorgaben unspezifisch und vor allem unambitioniert.”

Vorgängerpapier: Vor allem Immobilen im Blick 

Die Nachhaltigkeits- und Klimaschutzstrategie, die das BMVg im November veröffentlichte, formuliert, wie die Bundeswehr selbst und vor allem ihre Verwaltung klima- und umweltschützender agieren könnte.

Luhmann findet, auch dieses Papier fokussiere nicht genug auf die militärischen Aspekte, sondern weiche auf zivile Bereiche aus. “Damit lenkt das BMVg von der eigentlichen Aufgabe ab – und verschiebt die Investitionslasten auf einen späteren Zeitpunkt.” 

Greenpeace: “Ambitionslosigkeit der Bundeswehr” 

Das BMVg sieht in seiner Nachhaltigkeitsstrategie Handlungsbedarf vor allem bei Infrastruktur und Mobilität: Um im Inland ab 2045 den gesamten Gebäudebestand der Bundeswehr klimaneutral zu betreiben, seien

  • besserer Wärmeschutz,
  • energetische Sanierungen,
  • mehr erneuerbare Energien
  • und nicht zuletzt Verzicht auf fossile Brennstoffe nötig.
  • Außerdem sollen mehr emissionsarme und -freie Dienstfahrzeuge angeschafft werden. 

Alexander Lurz, Friedensexperte bei Greenpeace, hätte sich mehr erhofft. Der Bericht sei “ein trauriger Ausdruck der Ambitionslosigkeit der Bundeswehr, bei der Reduzierung der CO₂-Emissionen wirklich voranzukommen”, sagt Lurz zu Table.Briefings. So gebe es vor allem beim nicht direkt militärischen Bereich ein “enormes Potenzial zur Einsparung von CO₂-Emissionen“. Laut Lurz “könnten die Fahrzeuge, die nicht im eigentlichen militärischen Einsatz sind, ambitioniert durch Elektrofahrzeuge ersetzt werden. Hier scheint sich aber gar nichts mehr zu tun.” Auch Luhmann fordert: “Um die Klimaziele zu erreichen, müssen Kampffahrzeuge bereits jetzt emissionsfrei-ready eingekauft werden.” 

Zu diesem Zweck will das BMVg synthetische Kraftstoffe einsetzen. Speziell für die Fahrzeuge der Truppe, bei denen ein Elektroantrieb nicht infrage kommt. Der FDP-Abgeordnete Nils Gründer begrüßt diese Entwicklung und betont im Gespräch mit Table.Briefings: “Neben der Klimaneutralität von eFuels verschaffen sie uns einen strategischen Vorteil, da sie uns unabhängig von Rohstoffimporten machen.”

Viele Ziele, unklare Umsetzung 

Die beiden Papiere, die den verteidigungspolitischen Richtlinien untergeordnet sind, sollen gemeinsam helfen, die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen und der Bundesregierung zu erfüllen.

Dazu brauche es aber nicht nur Handlungsempfehlungen, sondern konkrete Umsetzungspläne, findet Luhmann. “Für mich sind die Papiere eher organisatorische Aufschläge von Strategien”, resümiert er. Und Erndl zieht das Fazit: “Ein weiterer Papiertiger, der wieder nur weitere Dokumente und Strategien ankündigt, bringt weder der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr noch im Kampf gegen den Klimawandel etwas.”

  • Klima & Umwelt
  • Klimawandel
  • Nachhaltigkeit
  • Nachhaltigkeitsstrategie
  • Verteidigungsministerium

News

UN-Sicherheitsrat fordert erstmalig Waffenruhe im Gazastreifen

Fast sechs Monate nach Kriegsbeginn hat der Weltsicherheitsrat erstmals eine “sofortige Waffenruhe” im Gazastreifen gefordert. Zudem verlangt das mächtigste Gremium der Vereinten Nationen die umgehende und bedingungslose Freilassung aller von der islamistischen Hamas festgehaltenen Geiseln. Die Vetomacht USA enthielt sich bei der Abstimmung am Montag und ermöglichte damit die Annahme der Resolution. Die 14 übrigen Mitglieder des Gremiums stimmten dafür. Durch den völkerrechtlich bindenden Beschluss steigt der internationale Druck auf die Konfliktparteien Israel und die Hamas weiter.

Als Reaktion sagte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die geplante Reise zweier seiner Abgesandten nach Washington wie angedroht kurzfristig ab – ein weiterer Tiefpunkt im Verhältnis zwischen Israel und seinem wichtigsten Verbündeten. Die Hamas dankte dem Sicherheitsrat für die Verabschiedung der Resolution.

Bemühungen um eine Forderung des Weltsicherheitsrats nach einer Waffenruhe waren bislang vor allem am Widerstand der Vetomacht USA gescheitert. Seit Kriegsbeginn im Oktober vergangenen Jahres hatte Washington sich gegen eine Waffenruhe gewandt und drei Vetos gegen entsprechende Resolutionen eingesetzt. Allenfalls forderten US-Vertreter kürzere “Feuerpausen”. 

Streit um Hilfslieferungen

Angesichts der steigenden Zahl ziviler Opfer und einer drohenden Hungersnot in Teilen des abgeriegelten Küstenstreifens verstärkten die USA zuletzt aber den Druck auf Israel. Auch US-Präsident Joe Biden äußerte sich zunehmend kritisch, etwa mit Blick auf die von Israel geplante Bodenoffensive in der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens. Dort haben Hunderttausende Binnenflüchtlinge Schutz vor den Kämpfen gesucht.

Der nun angenommene knappe Resolutionstext konzentriert sich auf die Forderung nach “einer von allen Seiten respektierten sofortigen Waffenruhe für den (islamischen Fastenmonat) Ramadan”. Dies solle zu einer “dauerhaften und nachhaltigen Waffenruhe” führen, hieß es in dem Text. Zudem fordert die Beschlussvorlage die sofortige und bedingungslose Freilassung aller Geiseln und betonte die “große Sorge angesichts der katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen”. Die Hilfslieferungen für die Zivilbevölkerung müssten ausgebaut werden. 

In einem Briefing am Montag erklärte der Pressesprecher der israelischen Armee, Daniel Hagari, dass die Verteilung der Hilfsgüter eine “komplexe Operation” sei und ein logistisches Problem für das israelische Militär darstelle. Unterstützung und kreative Ideen von internationalen Organisationen bei der Lösung des Problems seien “willkommen”, so Hagari.

Das Uno-Palästinenserhilfswerk UNRWA hatte Israel wiederum zuvor beschuldigt, Lebensmittellieferungen ihrer Organisation in den Norden des Gazastreifens untersagt zu haben.

Deutschland unterstützt UNRWA mit 45 Millionen Euro

Deutschland unterstützt UNRWA mit 45 Millionen Euro. Das Geld werde für die regionale Arbeit der Organisation in Jordanien, Libanon, Syrien und im Westjordanland zur Verfügung gestellt, teilten das Auswärtige Amt und das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) am Montag in Berlin mit. Die Beiträge seien Teil der regelmäßigen regionalen Unterstützung für UNRWA. 

Weiterhin offen ist nach Angaben des Auswärtigen Amts, ob die eingefrorene Unterstützung von UNRWA für den Gazastreifen wieder aufgenommen werde. Hier laufe die Überprüfung noch.

UNRWA war in die Schlagzeilen geraten, weil Israel einem Dutzend der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorwirft, an den Terrorakten der islamistischen Hamas vom 7. Oktober mit mehr als 1.200 Toten beteiligt gewesen zu sein. dpa/wp

  • Gaza-Krieg
  • USA
  • Vereinte Nationen

Französische Rüstungsindustrie begrüßt MGCS-Fortschritte

Die Einigung beim Main Ground Combat System (MGCS), die Verteidigungsminister Boris Pistorius am Freitag als “historischen Moment” bezeichnete, kommt gut an bei der französischen Rüstungsindustrie. Nach französischen Medienberichten soll der Panzerhersteller Nexter aus der Nähe von Lyon gemeinsam mit Rheinmetall den Turm und die Kanone des Panzers fertigen.

Damit habe der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu den Deutschen bei seinem Besuch in Berlin einen “wichtigen Kompromiss” abgetrotzt. Deutschland habe sich seit über einem Jahr zögerlich gezeigt, als es darum ging, Nexter Platz in dem Projekt einzuräumen. Insbesondere die Herstellung des Panzerturms und der Kanone hatten für Streit gesorgt. Ein Sprecher von Nexter gab sich gegenüber Table.Briefings zufrieden mit den Fortschritten. Die Einigung sei gut für Nexter und gut für die französische Rüstungsindustrie.

Zu dem Projekt, an dem Deutschland und Frankreich je hälftig, aber unter deutschem Lead beteiligt sind, wie Pistorius am Freitag nochmals betonte, war Rheinmetall erst später hinzugekommen. Zuvor waren die Aufgaben unter Nexter und dem deutschen Hersteller Krauss-Maffei Wegmann (KMW) verteilt worden, die in der niederländischen Holding KNDS vereint sind.

Das MGCS, dessen Inbetriebnahme ursprünglich für Mitte der 2030er-Jahre geplant war, solle “2040 plus X” einsatzbereit sein, sagte Pistorius am Freitag. Das System soll in acht Themenfeldern, genannt “Säulen”, entstehen.

Das Projekt war wegen der verschiedenen industriellen Interessen nur schleppend vorangekommen. Am 26. April will Pistorius nun nach Paris reisen und dort ein Memorandum of Understanding unterschreiben, in dem die Details geregelt werden. bub

  • Frankreich
  • MGCS
  • Rüstung

Bundeswehrreform: Ärzte warnen vor Abwertung des Sanitätsdienstes

Ärzteverbände und chirurgische Fachgesellschaften auf Bundes- und Landesebene warnen vor dem Hintergrund der geplanten Strukturreform der Bundeswehr vor einer Abwertung des Sanitätsdienstes. Sie befürchten, deshalb in Zukunft schwerer medizinisches Fachpersonal für die Bundeswehr zu finden. Außerdem sehen sie die Gefahr einer Verschlechterung der Zusammenarbeit mit dem zivilen Gesundheitswesen und bei der Ausbildung.

Die Strukturreform sieht vor, dass die bisherigen Kommandos des Zentralen Sanitätsdienstes und der Streitkräftebasis in einen Unterstützungsbereich integriert werden sollen. Feinausplanungen folgten noch, steht in dem Papier, das Pistorius nach Ostern offiziell vorstellen will. 

Zahlreiche Vereinigungen, darunter die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Landesärztekammern und chirurgische Fachgesellschaften haben sich in den vergangenen Wochen gegen die Umstrukturierung ausgesprochen.

Der Sanitätsdienst der Bundeswehr sei in seiner jetzigen Struktur wegen seiner hohen Qualität der Aufgaben­erfüllung national und international anerkannt und hochgeschätzt. Es wäre fatal, die Eigenständig­keit und Fachlichkeit des Sanitätsdienstes aufzugeben, sagte Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV, dem Ärzteblatt.

Die Landesärztekammer Hessen hatte Pistorius kürzlich in einer Resolution aufgefordert, den Zentralen Sanitätsdienst als eigenständigen Organisationsbereich unter einer ärztlichen Leitung weiterzuführen. Sie fordert außerdem, einen Generalarzt (Chief Medical Officer) im Verteidigungsministerium zu verorten, als Bindeglied zwischen der zivilen und militärischen Gesundheitsversorgung. Dies könnte laut Reformpapier so kommen. klm

  • Bundeswehr

Presseschau

DGAP: Frankreichs “Pivot to Europe”. Frankreich verlegt seinen sicherheitspolitischen Fokus zurück nach Europa. Doch der französische Führungsanspruch in Europa kollidiere mit globalen Ambitionen vergangener Zeiten, schreibt Jacob Ross. Deutschland könnte Frankreich helfen, Europas Zeitenwende anzuführen. Der deutschen Debatte würde es guttun, mit Frankreich den Blick auf den Indopazifik und Westafrika zu richten.

Financial Times: Iran-Saudi ties prove an unlikely Middle East safety valve. Die Beziehungen zwischen Iran und Saudi-Arabien haben dazu beigetragen, einen größeren Flächenbrand in der Region zu verhindern – gleichzeitig wurden kaum substanzielle Fragen geklärt, und die Annäherung blieb begrenzt, schreibt die FT. Für die USA bedeuten die Beziehungen dagegen einen zusätzlichen Kommunikationskanal in der Region.

The New York Times: Collecting the Dead Russia Left Behind. Dieser Text porträtiert Zivilisten wie Oleksii Yukov, die ihr Leben riskieren, um an der russisch-ukrainischen Front die Überreste toter Soldaten einzusammeln. “Auf fünf oder sechs Leichen von ukrainischen Soldaten kommen fast 80 russische Leichen”, sagt Yukov – ein trauriges Symbol für die Bereitschaft Russlands, Tausende von Soldaten, oft weit weg von den privilegiertesten Teilen der Gesellschaft, zu opfern.

Le Monde diplomatique: Sudan – Vom Krieg zerrissen. Der fast ein Jahr andauernde Konflikt droht fern vom Auge der Öffentlichkeit die gesamte Region zu destabilisieren. Sieben Millionen Menschen sind auf der Flucht – innerhalb des Sudan wie auch in Richtung Europa. Dieser Artikel skizziert die Vorgeschichte des Krieges, die andauernde wirtschaftliche und soziale Krise des Sudan und die Rolle des Westens.

Washington Post: Two years after start of Ukraine war, Russian titanium keeps flowing to West. Europäische Firmen stehen nach wie vor in großer Abhängigkeit von russischem Titan. Das Ausmaß zeigt diese Recherche der Washington Post. Im Zentrum steht der russische Konzern VSMPO-Avisma, der bislang weder durch die EU noch die USA sanktioniert wurde.

Standpunkt

Ali Al-Dailami: Weniger Auslandseinsätze können Bundeswehr attraktiver machen

Ali Al-Dailami
Ali Al-Dailami vom Bündnis Sarah Wagenknecht spricht sich gegen eine Wehrpflicht aus.

Eine Wiedereinführung der alten Wehrpflicht darf es nicht geben. Deren Aussetzung 2011 habe ich begrüßt und trete seither für die vollständige Abschaffung ein. Dass die Debatte um die Wiedereinführung der Wehrpflicht des Öfteren vom Verteidigungsminister oder der Wehrbeauftragten angestoßen wird, ist dem Personalmangel in der Bundeswehr geschuldet. So wird das selbst gesteckte Ziel, die Zahl der Soldatinnen und Soldaten bis 2031 von heute rund 181.000 auf 203.000 zu erhöhen, voraussichtlich nicht erreicht werden. Denn jährlich scheiden rund 20.000 Soldatinnen und Soldaten aus Verpflichtungs- oder Altersgründen aus, und diese Zahl kann durch Neurekrutierungen nicht ausgeglichen werden. Im Gegenteil: 2023 ist die Bundeswehr unterm Strich gar um 1.500 Soldatinnen und Soldaten geschrumpft.

Rekrutierung von Minderjährigen ist keine Lösung

Um den stagnierenden Zahlen entgegenzuwirken, greift die Bundeswehr verstärkt auf die Rekrutierung von Minderjährigen zurück. So wurden im vergangenen Jahr 1.996 unter 18-Jährige für den Dienst an der Waffe rekrutiert. Dies entspricht einem Anteil von 10,6 Prozent aller Rekrutinnen und Rekruten, was aus der Antwort der Bundesregierung auf meine schriftliche Frage vom Januar hervorgeht. Noch nie seit Aussetzung der Wehrpflicht war der Anteil minderjähriger Rekruten so hoch. Über 150 Staaten haben sich verpflichtet, auf die Rekrutierung Minderjähriger zu verzichten, doch Deutschland ignoriert selbst eine Rüge seitens der UN hartnäckig. Und dies, obwohl hinlänglich bekannt ist, dass bei jungen Rekrutinnen und Rekruten ein erhöhtes Verletzungsrisiko besteht, und psychische Traumata, Mobbing und Selbstverletzungen deutlich öfter auftreten als bei Erwachsenen. Dieser Umgang mit einer schutzbedürftigen Gruppe ist unverantwortlich. Heranwachsende dürfen nicht zur Kompensation des Personalmangels herangezogen werden. Auch der Vorstoß von Boris Pistorius hinsichtlich einer gezielten Rekrutierung von Menschen ohne deutschen Pass halte ich für falsch.

Weniger Auslandseinsätze – mehr Ausstattung

Die Bundeswehr blickt auf eine verheerende Geschichte von 30 Jahren gescheiterter Auslandseinsätze zurück. Die jüngsten Einsätze in Afghanistan oder Mali stehen nicht für Stabilität, Sicherheit und Frieden, sondern für Chaos, Krieg und dauerhafte Unsicherheit für die dort lebenden Menschen. Um die Bundeswehr als Arbeitgeber attraktiv zu machen, bedarf es eines Paradigmenwechsels in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik, nämlich einer Rückkehr zu Diplomatie und Verhandlungen. Und eine Rückbesinnung auf den verfassungsgemäßen Auftrag der Bundeswehr – die Landesverteidigung – und keine weiteren waghalsigen Einsätze.

Verteidigungsminister Pistorius hat keine Antworten auf die Frage, warum die aufwendigen Werbekampagnen der Bundeswehr ins Leere laufen und es nicht gelingt, die Bundeswehr als seriösen Arbeitgeber in unserer Gesellschaft zu verankern. Dafür bedarf es einer soliden Ausstattung für die Soldatinnen und Soldaten statt der Plünderung der eigenen Bestände für Waffenlieferungen in Kriegsgebiete. Das Prestigeprojekt des Verteidigungsministers, 5.000 Soldatinnen und Soldaten dauerhaft in eigens dafür errichteten Garnisonsstädten in Litauen stationieren zu wollen, trägt zur Verschärfung der ohnehin angespannten Personalsituation im Inland bei. Nicht ohne Grund hat der Generalinspekteur des Heeres, Alfons Mais, mit Verweis auf die mangelnde Ausstattung des Heeres im Inland Zweifel geäußert, ob dieses Projekt ohne Milliardeninvestitionen zu stemmen sei.

Ob es letztlich gelingt, mehr Menschen für die Bundeswehr zu gewinnen, hängt einerseits von deren Stellung in der Gesellschaft ab. Andererseits bedarf es für die Steigerung der Attraktivität der Bundeswehr nicht nur einer Verbesserung der Rahmenbedingungen, wozu eine bessere Bezahlung gehört, sondern auch grundlegender Reformen innerhalb der verkrusteten Strukturen des Beschaffungswesens.

Ali Al-Dailami ist Mitglied im Verteidigungsausschuss und Abgeordneter Bundestagsfraktion Bündnis Sarah Wagenknecht.

  • Auslandseinsätze
  • Deutschland zu Diensten
  • Wehrbeauftragte
  • Wehrpflicht

Personalien

Vor fast elf Jahren war Inka von Puttkamer eine der ersten Kommandantinnen eines Kriegsschiffs der Deutschen Marine. Am Mittwoch tritt die 41-Jährige als erste Frau den Kommandeurposten bei einem Kampfverband der Marine an und übernimmt die Führung des 3. Minensuchgeschwaders in Kiel.

Von Puttkamer, inzwischen Fregattenkapitän, hatte im Juni 2013 als Kapitänleutnant das Kommando über das Minenjagdboot “Homburg” übernommen. Sie gehört zu den ersten Soldatinnen, die 2001 nach der Öffnung der Bundeswehr für Frauen über den Sanitätsdienst hinaus zu den Streitkräften kamen. Ihre seemännischen Erfahrungen machte die Tochter eines Marineoffiziers – nach dem obligatorischen Aufenthalt auf dem Segelschulschiff “Gorch Fock” – auf einem Minensuchboot, auf dem sie von 2007 bis 2010 als Wachoffizier fuhr. Das Minensuchgeschwader, das sie jetzt als Kommandeurin übernimmt, hatte sie zuvor bereits stellvertretend geführt, bevor sie zum Nato-Marinekommando Allied Maritime Command in Northwood bei London ging. tw

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Security.Table Redaktion

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    Im Fokus: die Wahrung der freien Schifffahrt in internationalen Gewässern im indo-pazifischen Raum, die Teilnahme an fünf großen Übungen, darunter die US-geführte Rim of the Pacific (RIMPAC) vor Hawaii, Rüstungsgespräche mit Partnern und die Überwachung der UN-Sanktionen gegen Nordkorea. Personalaufwand allein für die Marine: bis zu 430 Soldatinnen und Soldaten. 

    Sigmund: Deutschland darf Staaten der Region nicht allein lassen

    Die Angriffe der Huthi-Rebellen im Roten Meer auf die internationale Handelsschifffahrt und der Krieg in der Ukraine verleihen der Präsenz der Bundeswehr im indo-pazifischen Raum eine neue Brisanz: Im südchinesischen Meer tritt vor allem China militärisch aggressiv auf und beansprucht internationale Gewässer für sich – mit potenziell gravierenden Folgen für den Welthandel. Nordkoreanische Waffen finden trotz UN-Embargo ihren Weg in den Krieg Russlands gegen die Ukraine.

    In den Leitlinien zum Indo-Pazifik sowie der Nationalen Sicherheitsstrategie signalisiert die Bundesregierung Bereitschaft, mehr Verantwortung in der Region zu übernehmen. Es sei wichtig zu zeigen, dass Deutschland die Staaten der Region nicht allein lasse, sagt Petra Sigmund, Leiterin der Abteilung für Asien und Pazifik im Auswärtigen Amt, beim Parlamentarischen Abend der Marine und Luftwaffe zum Indo-Pacific Deployment (IPD) vergangene Woche in Berlin. “Das ist noch wichtiger geworden seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, seitdem Partner aus Asien uns und die Ukraine unterstützen”, sagt Sigmund.

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    Die Bundeswehr ist seit vier Jahren verstärkt im indo-pazifischen Raum präsent. 2021 fuhr die Fregatte “Bayern” von August bis Februar 2022 in den Indo-Pazifik, formell auf einer Auslandsausbildungsfahrt, allerdings mit diplomatischem und sicherheitspolitischem Auftrag. 2022 folgte dann erstmals die Luftwaffe, 2023 nahm das Heer zum ersten Mal an der Talisman Sabre-Übung in Australien teil. Das erneute Engagement der Luftwaffe im indo-pazifischen Raum werde von den asiatischen Staaten sehr begrüßt, sagt Luftwaffen-Inspekteur Ingo Gerhartz: “Als wir vor zwei Jahren erstmalig da waren, ist mir oft begegnet: Kommt ihr wieder oder ist das eine Eintagsfliege? Und das ist genau die Verstetigung dieses Vertrauens.”

    Deployment mit vielen Aufträgen

    Dieses Jahr fällt das IDP bedeutend größer aus. Am 7. Mai brechen die Fregatte “Baden-Württemberg” und der Einsatzgruppenversorger “Frankfurt am Main” von Wilhelmshaven respektive dem spanischen Rota auf – erst einmal gen Westen. 13 Hafenbesuche, viele verbunden mit Gesprächen mit der dortigen Industrie, soll es nach jetzigem Planungsstand geben. Angefangen an der kanadischen und US-amerikanischen Ostküste geht es dann durch den Panama-Kanal nach San Diego und nach Hawaii.

    Dann erst erreichen die Schiffe den indo-pazifischen Raum und steuern unter anderem Japan, Südkorea, Indonesien, Singapur und Indien an. Auf dem Rückweg geht es zurück durch das Rote Meer, mit Stopps in Saudi-Arabien und Israel. Die Entscheidung, ob die Marineschiffe die Straße von Taiwan passieren werden, soll kurzfristig und je nach Sicherheitslage fallen – und wird eine politische sein.

    Reedereien fordern Präsenz in der Straße von Taiwan

    Wenn es nach den deutschen Reedern geht, sollen die Kriegsschiffe dort definitiv Präsenz zeigen: “So machen wir deutlich, dass wir wachsam sind und uns nichts gefallen lassen werden”, sagt Gaby Bornheim, Vorsitzende des Verbandes Deutscher Reeder, auf dem Parlamentarischen Abend. 90 Prozent des Welthandels gehe über den Seeweg, davon passierten Zweidrittel den indo-pazifischen Raum. Mehr als 2.000 Schiffe täglich transportierten Waren durch und ins südchinesische Meer. 60 Prozent des deutschen Im- und Exports werde ebenfalls über den Seeweg transportiert, sagt Bornheim. “Man muss sich immer wieder deutlich machen, wie entscheidend wir als Reedereien sind”, so Bornheim. 

    Vom IPD erhofft sich Kaack auch einen gewissen “Werbeeffekt” für die Marine, um die angespannte Personallage der kleinsten Teilstreitkraft zu verbessern. Ein Social-Media-Team wird das Deployment begleiten. Soldatinnen und Soldaten sollen aber auch selbst auf ihren Social-Media-Kanälen posten, um “den Zauber der Marine” zu zeigen. Dass die chinesische Regierung die Posts für eigene Propaganda-Zwecke verwenden könnte, dagegen könne man wenig ausrichten, aber es gebe Gegenstrategien, sagt Kaack. 

    Luftwaffe führt Übung auf US-amerikanischem Boden aus

    Die Luftwaffe wird von Juni bis August mit insgesamt 32 Flugzeugen teilnehmen, darunter zwölf Tornados, acht Eurofighter und vier A400M Truppentransporter. Sie fliegt dabei zusammen mit Frankreich und Spanien. “Wir gehen mit drei Nationen Holding Hands in diesen Raum. Das hat auch eine rüstungspolitische Komponente, das FCAS-Projekt. Wichtiger ist mir aber die Message: Wir gehen mit einem europäischen Gesicht in diesen Raum”, sagt Gerhartz. 

    In Alaska wird die Luftwaffe die Übung “Arctic Defender” führen, die laut Gerhartz eine Dimension “fast von der Air Defender 2023” hat. Danach steuert seine Flotte Japan und Australien an. Ein Teil wird dort an der Übung “Pitch Black” teilnehmen und danach erstmalig für eine Übung auch Indien anfliegen. Der andere Teil nimmt zusammen mit der Marine an der Übung RIMPAC rund um Hawaii teil.

    • Bundeswehr
    • Indopazifik
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    Mit diesen Strategien will die Bundeswehr gegen den Klimawandel vorgehen

    Die Bundeswehr soll sich in ihrer operativen Planung und ihren internen Strukturen stärker auf die Auswirkungen des Klimawandels vorbereiten. Denn die Auswirkungen der Erderwärmung beeinflussen nach Sicht der Militärplaner nicht nur die politische und wirtschaftliche Stabilität, Krisen und Konflikte, sondern auch die Handlungsfähigkeit der Bundeswehr. Das sind die zentralen Aussagen der StrategieVerteidigung und Klimawandel“, die das Verteidigungsministerium (BMVg) im März veröffentlichte.

    Sie ergänzt damit die Nachhaltigkeits- und Klimaschutzstrategie des Ministeriums, die bereits Ende 2023 vorgestellt wurde. Kritiker monieren allerdings, dass bisher unklar bleibt, wie diese Konzepte umgesetzt werden sollen.

    Zwei Strategien zum Umgang mit der Klimakrise

    Die aktuelle Strategie zu “Verteidigung und Klimawandel” formuliert Empfehlungen für insgesamt acht Handlungsfelder:

    • Technologie und Forschung
    • Planung und Entwicklung militärischer Fähigkeiten
    • Einsätze der Bundeswehr
    • Früherkennung und Vorausschau
    • Befähigung zivilen und militärischen Personals
    • Verteidigungswichtige Infrastruktur
    • Hilfeleistungen der Bundeswehr im In- und Ausland
    • Zusammenarbeit auf nationaler und internationaler Ebene

    Die Strategie formuliert darüber hinaus das Ziel, die Fähigkeiten der Bundeswehr für Hilfseinsätze im Inland im Falle von Naturkatastrophen oder Extremwetterereignissen zu verbessern. Außerdem sollen Soldatinnen und Soldaten lernen, wie sie trotz der Auswirkungen des Klimawandels effektiv ihre Arbeit machen können. Zudem, so die Strategie, müsse militärische und verteidigungsrelevante Infrastruktur resilient gegenüber den Folgen des Klimawandels gestaltet werden. 

    Wie diese Handlungsempfehlungen umgesetzt werden sollen, ist bisher allerdings nicht präzise definiert. Das stehe noch aus, betont das BMVg: “Jedes Handlungsfeld soll mithilfe interner Aktionspläne, die bis Ende dieses Jahres erarbeitet werden sollen, konkret umgesetzt werden.”

    Thomas Erndl (CSU), Mitglied im Unterausschuss Internationale Klima- und Energiepolitik, kritisiert, es fehle ein klarer zeitlicher Rahmen zur Umsetzung und einer konkreten Bereitstellung von Haushaltsmitteln dafür.

    Kosten der Umsetzung unklar

    Laut Jochen Luhmann, Senior Expert am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie, mangele es dem Papier vor allem an langfristigen Perspektiven – zum Beispiel im Bereich Infrastruktur: “Da ist jetziges Handeln unverzichtbar, jede spätere Spontaneität käme zu spät”, erklärt er gegenüber Table.Briefings.

    Luhmann fordert einen Blick, der über Deutschland hinausgeht: Regionen, wo sich deutsche Truppen im Falle der Bündnisverteidigung bewegen oder Auslandseinsätze in anderen Klimazonen. “Dort können andere Wetter- und Klimabedingungen herrschen. Hier muss das BMVg genauer definieren, wie es sich und die Bundeswehr rüsten will.”

    Und auch Erndl sagt: “Der Bereich Technologie, Forschung und Entwicklung ist zwar prominent platziert. Jedoch sind die Handlungs- und Zielvorgaben unspezifisch und vor allem unambitioniert.”

    Vorgängerpapier: Vor allem Immobilen im Blick 

    Die Nachhaltigkeits- und Klimaschutzstrategie, die das BMVg im November veröffentlichte, formuliert, wie die Bundeswehr selbst und vor allem ihre Verwaltung klima- und umweltschützender agieren könnte.

    Luhmann findet, auch dieses Papier fokussiere nicht genug auf die militärischen Aspekte, sondern weiche auf zivile Bereiche aus. “Damit lenkt das BMVg von der eigentlichen Aufgabe ab – und verschiebt die Investitionslasten auf einen späteren Zeitpunkt.” 

    Greenpeace: “Ambitionslosigkeit der Bundeswehr” 

    Das BMVg sieht in seiner Nachhaltigkeitsstrategie Handlungsbedarf vor allem bei Infrastruktur und Mobilität: Um im Inland ab 2045 den gesamten Gebäudebestand der Bundeswehr klimaneutral zu betreiben, seien

    • besserer Wärmeschutz,
    • energetische Sanierungen,
    • mehr erneuerbare Energien
    • und nicht zuletzt Verzicht auf fossile Brennstoffe nötig.
    • Außerdem sollen mehr emissionsarme und -freie Dienstfahrzeuge angeschafft werden. 

    Alexander Lurz, Friedensexperte bei Greenpeace, hätte sich mehr erhofft. Der Bericht sei “ein trauriger Ausdruck der Ambitionslosigkeit der Bundeswehr, bei der Reduzierung der CO₂-Emissionen wirklich voranzukommen”, sagt Lurz zu Table.Briefings. So gebe es vor allem beim nicht direkt militärischen Bereich ein “enormes Potenzial zur Einsparung von CO₂-Emissionen“. Laut Lurz “könnten die Fahrzeuge, die nicht im eigentlichen militärischen Einsatz sind, ambitioniert durch Elektrofahrzeuge ersetzt werden. Hier scheint sich aber gar nichts mehr zu tun.” Auch Luhmann fordert: “Um die Klimaziele zu erreichen, müssen Kampffahrzeuge bereits jetzt emissionsfrei-ready eingekauft werden.” 

    Zu diesem Zweck will das BMVg synthetische Kraftstoffe einsetzen. Speziell für die Fahrzeuge der Truppe, bei denen ein Elektroantrieb nicht infrage kommt. Der FDP-Abgeordnete Nils Gründer begrüßt diese Entwicklung und betont im Gespräch mit Table.Briefings: “Neben der Klimaneutralität von eFuels verschaffen sie uns einen strategischen Vorteil, da sie uns unabhängig von Rohstoffimporten machen.”

    Viele Ziele, unklare Umsetzung 

    Die beiden Papiere, die den verteidigungspolitischen Richtlinien untergeordnet sind, sollen gemeinsam helfen, die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen und der Bundesregierung zu erfüllen.

    Dazu brauche es aber nicht nur Handlungsempfehlungen, sondern konkrete Umsetzungspläne, findet Luhmann. “Für mich sind die Papiere eher organisatorische Aufschläge von Strategien”, resümiert er. Und Erndl zieht das Fazit: “Ein weiterer Papiertiger, der wieder nur weitere Dokumente und Strategien ankündigt, bringt weder der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr noch im Kampf gegen den Klimawandel etwas.”

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    UN-Sicherheitsrat fordert erstmalig Waffenruhe im Gazastreifen

    Fast sechs Monate nach Kriegsbeginn hat der Weltsicherheitsrat erstmals eine “sofortige Waffenruhe” im Gazastreifen gefordert. Zudem verlangt das mächtigste Gremium der Vereinten Nationen die umgehende und bedingungslose Freilassung aller von der islamistischen Hamas festgehaltenen Geiseln. Die Vetomacht USA enthielt sich bei der Abstimmung am Montag und ermöglichte damit die Annahme der Resolution. Die 14 übrigen Mitglieder des Gremiums stimmten dafür. Durch den völkerrechtlich bindenden Beschluss steigt der internationale Druck auf die Konfliktparteien Israel und die Hamas weiter.

    Als Reaktion sagte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die geplante Reise zweier seiner Abgesandten nach Washington wie angedroht kurzfristig ab – ein weiterer Tiefpunkt im Verhältnis zwischen Israel und seinem wichtigsten Verbündeten. Die Hamas dankte dem Sicherheitsrat für die Verabschiedung der Resolution.

    Bemühungen um eine Forderung des Weltsicherheitsrats nach einer Waffenruhe waren bislang vor allem am Widerstand der Vetomacht USA gescheitert. Seit Kriegsbeginn im Oktober vergangenen Jahres hatte Washington sich gegen eine Waffenruhe gewandt und drei Vetos gegen entsprechende Resolutionen eingesetzt. Allenfalls forderten US-Vertreter kürzere “Feuerpausen”. 

    Streit um Hilfslieferungen

    Angesichts der steigenden Zahl ziviler Opfer und einer drohenden Hungersnot in Teilen des abgeriegelten Küstenstreifens verstärkten die USA zuletzt aber den Druck auf Israel. Auch US-Präsident Joe Biden äußerte sich zunehmend kritisch, etwa mit Blick auf die von Israel geplante Bodenoffensive in der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens. Dort haben Hunderttausende Binnenflüchtlinge Schutz vor den Kämpfen gesucht.

    Der nun angenommene knappe Resolutionstext konzentriert sich auf die Forderung nach “einer von allen Seiten respektierten sofortigen Waffenruhe für den (islamischen Fastenmonat) Ramadan”. Dies solle zu einer “dauerhaften und nachhaltigen Waffenruhe” führen, hieß es in dem Text. Zudem fordert die Beschlussvorlage die sofortige und bedingungslose Freilassung aller Geiseln und betonte die “große Sorge angesichts der katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen”. Die Hilfslieferungen für die Zivilbevölkerung müssten ausgebaut werden. 

    In einem Briefing am Montag erklärte der Pressesprecher der israelischen Armee, Daniel Hagari, dass die Verteilung der Hilfsgüter eine “komplexe Operation” sei und ein logistisches Problem für das israelische Militär darstelle. Unterstützung und kreative Ideen von internationalen Organisationen bei der Lösung des Problems seien “willkommen”, so Hagari.

    Das Uno-Palästinenserhilfswerk UNRWA hatte Israel wiederum zuvor beschuldigt, Lebensmittellieferungen ihrer Organisation in den Norden des Gazastreifens untersagt zu haben.

    Deutschland unterstützt UNRWA mit 45 Millionen Euro

    Deutschland unterstützt UNRWA mit 45 Millionen Euro. Das Geld werde für die regionale Arbeit der Organisation in Jordanien, Libanon, Syrien und im Westjordanland zur Verfügung gestellt, teilten das Auswärtige Amt und das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) am Montag in Berlin mit. Die Beiträge seien Teil der regelmäßigen regionalen Unterstützung für UNRWA. 

    Weiterhin offen ist nach Angaben des Auswärtigen Amts, ob die eingefrorene Unterstützung von UNRWA für den Gazastreifen wieder aufgenommen werde. Hier laufe die Überprüfung noch.

    UNRWA war in die Schlagzeilen geraten, weil Israel einem Dutzend der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorwirft, an den Terrorakten der islamistischen Hamas vom 7. Oktober mit mehr als 1.200 Toten beteiligt gewesen zu sein. dpa/wp

    • Gaza-Krieg
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    • Vereinte Nationen

    Französische Rüstungsindustrie begrüßt MGCS-Fortschritte

    Die Einigung beim Main Ground Combat System (MGCS), die Verteidigungsminister Boris Pistorius am Freitag als “historischen Moment” bezeichnete, kommt gut an bei der französischen Rüstungsindustrie. Nach französischen Medienberichten soll der Panzerhersteller Nexter aus der Nähe von Lyon gemeinsam mit Rheinmetall den Turm und die Kanone des Panzers fertigen.

    Damit habe der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu den Deutschen bei seinem Besuch in Berlin einen “wichtigen Kompromiss” abgetrotzt. Deutschland habe sich seit über einem Jahr zögerlich gezeigt, als es darum ging, Nexter Platz in dem Projekt einzuräumen. Insbesondere die Herstellung des Panzerturms und der Kanone hatten für Streit gesorgt. Ein Sprecher von Nexter gab sich gegenüber Table.Briefings zufrieden mit den Fortschritten. Die Einigung sei gut für Nexter und gut für die französische Rüstungsindustrie.

    Zu dem Projekt, an dem Deutschland und Frankreich je hälftig, aber unter deutschem Lead beteiligt sind, wie Pistorius am Freitag nochmals betonte, war Rheinmetall erst später hinzugekommen. Zuvor waren die Aufgaben unter Nexter und dem deutschen Hersteller Krauss-Maffei Wegmann (KMW) verteilt worden, die in der niederländischen Holding KNDS vereint sind.

    Das MGCS, dessen Inbetriebnahme ursprünglich für Mitte der 2030er-Jahre geplant war, solle “2040 plus X” einsatzbereit sein, sagte Pistorius am Freitag. Das System soll in acht Themenfeldern, genannt “Säulen”, entstehen.

    Das Projekt war wegen der verschiedenen industriellen Interessen nur schleppend vorangekommen. Am 26. April will Pistorius nun nach Paris reisen und dort ein Memorandum of Understanding unterschreiben, in dem die Details geregelt werden. bub

    • Frankreich
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    • Rüstung

    Bundeswehrreform: Ärzte warnen vor Abwertung des Sanitätsdienstes

    Ärzteverbände und chirurgische Fachgesellschaften auf Bundes- und Landesebene warnen vor dem Hintergrund der geplanten Strukturreform der Bundeswehr vor einer Abwertung des Sanitätsdienstes. Sie befürchten, deshalb in Zukunft schwerer medizinisches Fachpersonal für die Bundeswehr zu finden. Außerdem sehen sie die Gefahr einer Verschlechterung der Zusammenarbeit mit dem zivilen Gesundheitswesen und bei der Ausbildung.

    Die Strukturreform sieht vor, dass die bisherigen Kommandos des Zentralen Sanitätsdienstes und der Streitkräftebasis in einen Unterstützungsbereich integriert werden sollen. Feinausplanungen folgten noch, steht in dem Papier, das Pistorius nach Ostern offiziell vorstellen will. 

    Zahlreiche Vereinigungen, darunter die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Landesärztekammern und chirurgische Fachgesellschaften haben sich in den vergangenen Wochen gegen die Umstrukturierung ausgesprochen.

    Der Sanitätsdienst der Bundeswehr sei in seiner jetzigen Struktur wegen seiner hohen Qualität der Aufgaben­erfüllung national und international anerkannt und hochgeschätzt. Es wäre fatal, die Eigenständig­keit und Fachlichkeit des Sanitätsdienstes aufzugeben, sagte Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV, dem Ärzteblatt.

    Die Landesärztekammer Hessen hatte Pistorius kürzlich in einer Resolution aufgefordert, den Zentralen Sanitätsdienst als eigenständigen Organisationsbereich unter einer ärztlichen Leitung weiterzuführen. Sie fordert außerdem, einen Generalarzt (Chief Medical Officer) im Verteidigungsministerium zu verorten, als Bindeglied zwischen der zivilen und militärischen Gesundheitsversorgung. Dies könnte laut Reformpapier so kommen. klm

    • Bundeswehr

    Presseschau

    DGAP: Frankreichs “Pivot to Europe”. Frankreich verlegt seinen sicherheitspolitischen Fokus zurück nach Europa. Doch der französische Führungsanspruch in Europa kollidiere mit globalen Ambitionen vergangener Zeiten, schreibt Jacob Ross. Deutschland könnte Frankreich helfen, Europas Zeitenwende anzuführen. Der deutschen Debatte würde es guttun, mit Frankreich den Blick auf den Indopazifik und Westafrika zu richten.

    Financial Times: Iran-Saudi ties prove an unlikely Middle East safety valve. Die Beziehungen zwischen Iran und Saudi-Arabien haben dazu beigetragen, einen größeren Flächenbrand in der Region zu verhindern – gleichzeitig wurden kaum substanzielle Fragen geklärt, und die Annäherung blieb begrenzt, schreibt die FT. Für die USA bedeuten die Beziehungen dagegen einen zusätzlichen Kommunikationskanal in der Region.

    The New York Times: Collecting the Dead Russia Left Behind. Dieser Text porträtiert Zivilisten wie Oleksii Yukov, die ihr Leben riskieren, um an der russisch-ukrainischen Front die Überreste toter Soldaten einzusammeln. “Auf fünf oder sechs Leichen von ukrainischen Soldaten kommen fast 80 russische Leichen”, sagt Yukov – ein trauriges Symbol für die Bereitschaft Russlands, Tausende von Soldaten, oft weit weg von den privilegiertesten Teilen der Gesellschaft, zu opfern.

    Le Monde diplomatique: Sudan – Vom Krieg zerrissen. Der fast ein Jahr andauernde Konflikt droht fern vom Auge der Öffentlichkeit die gesamte Region zu destabilisieren. Sieben Millionen Menschen sind auf der Flucht – innerhalb des Sudan wie auch in Richtung Europa. Dieser Artikel skizziert die Vorgeschichte des Krieges, die andauernde wirtschaftliche und soziale Krise des Sudan und die Rolle des Westens.

    Washington Post: Two years after start of Ukraine war, Russian titanium keeps flowing to West. Europäische Firmen stehen nach wie vor in großer Abhängigkeit von russischem Titan. Das Ausmaß zeigt diese Recherche der Washington Post. Im Zentrum steht der russische Konzern VSMPO-Avisma, der bislang weder durch die EU noch die USA sanktioniert wurde.

    Standpunkt

    Ali Al-Dailami: Weniger Auslandseinsätze können Bundeswehr attraktiver machen

    Ali Al-Dailami
    Ali Al-Dailami vom Bündnis Sarah Wagenknecht spricht sich gegen eine Wehrpflicht aus.

    Eine Wiedereinführung der alten Wehrpflicht darf es nicht geben. Deren Aussetzung 2011 habe ich begrüßt und trete seither für die vollständige Abschaffung ein. Dass die Debatte um die Wiedereinführung der Wehrpflicht des Öfteren vom Verteidigungsminister oder der Wehrbeauftragten angestoßen wird, ist dem Personalmangel in der Bundeswehr geschuldet. So wird das selbst gesteckte Ziel, die Zahl der Soldatinnen und Soldaten bis 2031 von heute rund 181.000 auf 203.000 zu erhöhen, voraussichtlich nicht erreicht werden. Denn jährlich scheiden rund 20.000 Soldatinnen und Soldaten aus Verpflichtungs- oder Altersgründen aus, und diese Zahl kann durch Neurekrutierungen nicht ausgeglichen werden. Im Gegenteil: 2023 ist die Bundeswehr unterm Strich gar um 1.500 Soldatinnen und Soldaten geschrumpft.

    Rekrutierung von Minderjährigen ist keine Lösung

    Um den stagnierenden Zahlen entgegenzuwirken, greift die Bundeswehr verstärkt auf die Rekrutierung von Minderjährigen zurück. So wurden im vergangenen Jahr 1.996 unter 18-Jährige für den Dienst an der Waffe rekrutiert. Dies entspricht einem Anteil von 10,6 Prozent aller Rekrutinnen und Rekruten, was aus der Antwort der Bundesregierung auf meine schriftliche Frage vom Januar hervorgeht. Noch nie seit Aussetzung der Wehrpflicht war der Anteil minderjähriger Rekruten so hoch. Über 150 Staaten haben sich verpflichtet, auf die Rekrutierung Minderjähriger zu verzichten, doch Deutschland ignoriert selbst eine Rüge seitens der UN hartnäckig. Und dies, obwohl hinlänglich bekannt ist, dass bei jungen Rekrutinnen und Rekruten ein erhöhtes Verletzungsrisiko besteht, und psychische Traumata, Mobbing und Selbstverletzungen deutlich öfter auftreten als bei Erwachsenen. Dieser Umgang mit einer schutzbedürftigen Gruppe ist unverantwortlich. Heranwachsende dürfen nicht zur Kompensation des Personalmangels herangezogen werden. Auch der Vorstoß von Boris Pistorius hinsichtlich einer gezielten Rekrutierung von Menschen ohne deutschen Pass halte ich für falsch.

    Weniger Auslandseinsätze – mehr Ausstattung

    Die Bundeswehr blickt auf eine verheerende Geschichte von 30 Jahren gescheiterter Auslandseinsätze zurück. Die jüngsten Einsätze in Afghanistan oder Mali stehen nicht für Stabilität, Sicherheit und Frieden, sondern für Chaos, Krieg und dauerhafte Unsicherheit für die dort lebenden Menschen. Um die Bundeswehr als Arbeitgeber attraktiv zu machen, bedarf es eines Paradigmenwechsels in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik, nämlich einer Rückkehr zu Diplomatie und Verhandlungen. Und eine Rückbesinnung auf den verfassungsgemäßen Auftrag der Bundeswehr – die Landesverteidigung – und keine weiteren waghalsigen Einsätze.

    Verteidigungsminister Pistorius hat keine Antworten auf die Frage, warum die aufwendigen Werbekampagnen der Bundeswehr ins Leere laufen und es nicht gelingt, die Bundeswehr als seriösen Arbeitgeber in unserer Gesellschaft zu verankern. Dafür bedarf es einer soliden Ausstattung für die Soldatinnen und Soldaten statt der Plünderung der eigenen Bestände für Waffenlieferungen in Kriegsgebiete. Das Prestigeprojekt des Verteidigungsministers, 5.000 Soldatinnen und Soldaten dauerhaft in eigens dafür errichteten Garnisonsstädten in Litauen stationieren zu wollen, trägt zur Verschärfung der ohnehin angespannten Personalsituation im Inland bei. Nicht ohne Grund hat der Generalinspekteur des Heeres, Alfons Mais, mit Verweis auf die mangelnde Ausstattung des Heeres im Inland Zweifel geäußert, ob dieses Projekt ohne Milliardeninvestitionen zu stemmen sei.

    Ob es letztlich gelingt, mehr Menschen für die Bundeswehr zu gewinnen, hängt einerseits von deren Stellung in der Gesellschaft ab. Andererseits bedarf es für die Steigerung der Attraktivität der Bundeswehr nicht nur einer Verbesserung der Rahmenbedingungen, wozu eine bessere Bezahlung gehört, sondern auch grundlegender Reformen innerhalb der verkrusteten Strukturen des Beschaffungswesens.

    Ali Al-Dailami ist Mitglied im Verteidigungsausschuss und Abgeordneter Bundestagsfraktion Bündnis Sarah Wagenknecht.

    • Auslandseinsätze
    • Deutschland zu Diensten
    • Wehrbeauftragte
    • Wehrpflicht

    Personalien

    Vor fast elf Jahren war Inka von Puttkamer eine der ersten Kommandantinnen eines Kriegsschiffs der Deutschen Marine. Am Mittwoch tritt die 41-Jährige als erste Frau den Kommandeurposten bei einem Kampfverband der Marine an und übernimmt die Führung des 3. Minensuchgeschwaders in Kiel.

    Von Puttkamer, inzwischen Fregattenkapitän, hatte im Juni 2013 als Kapitänleutnant das Kommando über das Minenjagdboot “Homburg” übernommen. Sie gehört zu den ersten Soldatinnen, die 2001 nach der Öffnung der Bundeswehr für Frauen über den Sanitätsdienst hinaus zu den Streitkräften kamen. Ihre seemännischen Erfahrungen machte die Tochter eines Marineoffiziers – nach dem obligatorischen Aufenthalt auf dem Segelschulschiff “Gorch Fock” – auf einem Minensuchboot, auf dem sie von 2007 bis 2010 als Wachoffizier fuhr. Das Minensuchgeschwader, das sie jetzt als Kommandeurin übernimmt, hatte sie zuvor bereits stellvertretend geführt, bevor sie zum Nato-Marinekommando Allied Maritime Command in Northwood bei London ging. tw

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