deutsche Taurus-Marschflugkörper an Großbritannien und britische Storm Shadow in die Ukraine? Selbst Verteidigungsminister Boris Pistorius wundert sich über die Debatte. Technisch wäre so ein Ringtausch möglich, erläutert Thomas Wiegold und verweist dabei auf einen weiteren interessanten Punkt: Die Briten wären die Gewinner eines solchen Tausches.
Nicht nur diese Waffen-Debatte bringt das Gemüt der Sozialdemokraten in Wallungen. Pistorius hat mit dem Begriff “kriegstüchtig” so manchen politischen Freund herausgefordert. Vor der Europadelegiertenkonferenz der SPD am Sonntag zeigt Nana Brink, wie die Genossen es inzwischen mit der Kriegstüchtigkeit halten.
Und die gesamte Gesellschaft? Noch muss Deutschland viel dafür tun, um handlungsfähig zu sein, sollte das gesamte Land, sollte die Nato, militärisch herausgefordert werden. Lisa-Martina Klein, Thomas Wiegold und Anouk Schlung zeigen die Baustellen auf. Nur so viel vorab: Es sind viele, aber es tut sich auch was.
Eine gute Lektüre wünscht Ihnen
Verteidigungsminister Boris Pistorius ist nicht der Erste, der seiner Partei in Sachen Sprachgebrauch etwas zumutet. Vor gut anderthalb Jahren, im Juni 2022, sprach der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil in seiner “Tiergartenrede” davon, Deutschland müsse eine Führungsmacht werden. Er meinte damit: auch militärisch. Das Wort “Kriegstüchtigkeit” hätte gut in Klingbeils Rede gepasst. Es war wohl noch zu früh.
Der Tabubruch gelang erst Pistorius. “Es geht um die Seele der Friedenspartei”, sagt ein hochrangiges Parteimitglied, aber nur anonym. “Der Begriff passt nicht zur DNA der SPD.” Deshalb geht SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich öffentlich auf Distanz zu dem Begriff und seinem Urheber: “In der Bundesrepublik haben wir bislang zu Recht immer von Verteidigungsfähigkeit gesprochen”. SPD-Außenpolitiker Michael Roth hingegen erklärt, Boris Pistorius stelle sich den bitteren Realitäten in der Welt. “Deutschland hat über Jahre seine Wehrhaftigkeit vernachlässigt und dafür zahlen wir jetzt einen Preis.”
Nur einer äußert sich nicht zu dem Begriff: Bundeskanzler Olaf Scholz. Vielleicht auch deshalb, weil die Diskussion darüber, was Kriegstüchtigkeit bedeuten soll – oder auf keinen Fall bedeuten darf – gerade erst begonnen hat. Eine Debatte, die nicht nur in der SPD geführt wird. “Die Sozialdemokraten fremdeln natürlich mit dem Begriff, gerade heute, wie übrigens auch die Union und ein Großteil der deutschen Gesellschaft”, analysiert der Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sprach von einer “echt unglücklichen Metapher”: Deutschland beziehungsweise die Bundeswehr sollten verteidigungsbereit sein, aber nicht “kriegstüchtig” werden. “Die Deutschen wollen aus der eigenen historischen Erfahrung mit Krieg nichts zu tun haben”, erklärt von Lucke diese Bereitschaft zur Realitätsverdrängung, wie er es nennt. Viele Politiker, nicht nur der linke Flügel der SPD, wüssten zudem, dass sie mit Aufklärung über die reale Lage in der Ukraine bei der Bevölkerung nicht punkten könnten.
Das Wort “Krieg” in dem Begriff “Kriegstüchtigkeit” ruft denn auch die schärfsten Kritiker von Verteidigungsminister Pistorius auf den Plan. Der SPD-Linke Ralf Stegner geht noch einen Schritt weiter als SPD-Fraktionschef Mützenich: “Kriegstüchtigkeit führt uns in eine bestimmte Richtung, nämlich in Richtung Aufrüstung, in Richtung einer Enttabuisierung von Krieg. Ich bevorzuge Verteidigungs- und Bündnisfähigkeit.” Ihn befremde, dass in den letzten zwei Jahren hauptsächlich über Waffen gesprochen worden ist. Der Krieg in der Ukraine, so Außenpolitiker Stegner, könne “militärisch nicht gewonnen werden”.
Aber es sind nicht nur die älteren Genossen, die den Begriff am liebsten aus dem Sprachgebrauch der SPD tilgen wollen. Für den jungen Bundestagsabgeordneten Jan Dieren steckt “zu viel Krieg in dem Begriff und nicht der Vorsatz, wie man ihn verhindern könne”. Als stellvertretender Vorsitzender des Forums Demokratische Linke 21 brachte er auf dem SPD-Parteitag im Dezember einen Antrag ein, das 2-Prozent-Ziel der Nato aus dem außenpolitischen Leitantrag zu streichen. Begründung: Es dürfe keinen Automatismus geben, sondern der Bundestag müsse immer neu entscheiden. Der Antrag wurde knapp abgelehnt. Laut Politikwissenschaftler von Lucke dürfe man diese “Friedenssehnsucht der Friedenspartei SPD nicht unterschätzen”.
Verteidigungsminister Pistorius allerdings zeigt sich von aller Kritik unbeirrt. In den Verteidigungspolitischen Richtlinien (VPR), die er Mitte November vorgestellt hat, ist alleine sechsmal von “Kriegstüchtigkeit” die Rede. Die VPR lassen keinen Zweifel daran, was Pistorius damit meint: “Die neue Qualität der Bedrohung unserer Sicherheit und die brutale Realität des Krieges in der Ukraine verdeutlichen, dass wir unsere Strukturen und Prozesse am Szenario des Kampfes gegen einen mindestens ebenbürtigen Gegner ausrichten müssen: Wir wollen diese Auseinandersetzung nicht nur gewinnen, sondern wir müssen. Dies gibt den Takt vor.”
Michael Roth, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, wehrt sich denn auch gegen den Vorwurf aus den eigenen Reihen, ein Kriegstreiber zu sein. Der SPD-Politiker zählt zu den vehementesten Befürwortern von Waffenlieferungen an die Ukraine, kritisierte dabei auch schon mal die Bundesregierung für ihr Zögern. “Ich bin kein Waffen-Nerd, aber ich bin lernfähig.” Deshalb ermuntere er auch seine Partei, jetzt die richtigen Lehren aus den Versäumnissen der Vergangenheit zu ziehen.
Scharf kritisiert Roth in der parteiinternen Debatte um die “Kriegstüchtigkeit” die Vereinnahmung von Willy Brandt. Es sei eine “unredliche Simplifizierung der Brandt’schen Ostpolitik”, zu behaupten, Brandt hätte den Begriff “Kriegstüchtigkeit” abgelehnt. Gerade Brandt wie auch Helmut Schmidt hätten gewusst, dass sozialdemokratische Friedenspolitik nicht nur auf Dialog und Ausgleich, sondern auch auf militärischer Stärke und Abschreckung basiere. Auf dem Parteitag im Dezember wurde Roth nicht mehr in den Parteivorstand gewählt.
Für die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Katarina Barley, ist die Debatte um den Begriff “Kriegstüchtigkeit” denn auch eine “sehr deutsche”, die gerade in Polen oder im Baltikum nicht verstanden werde. “Als Sozialdemokratin zucke ich natürlich auch bei dem Wort Krieg, aber wir müssen für alle Szenarien gewappnet sein.” Barley, die am Sonntag in Berlin beim Europa-Parteitag der SPD aller Voraussicht nach als Spitzenkandidatin aufgestellt wird, betont: “Wir müssen diese Diskussion über unsere Wehrhaftigkeit dringend führen, auch im Interesse der Sicherheit in Europa.”
Es muss noch nicht einmal das schlimmste Szenario eintreten: Auch ohne einen Angriff Russlands auf Nato-Gebiet, wie ihn Verteidigungsminister Boris Pistorius langfristig nicht ausschließt, könnte die Bedrohung für das Bündnis ständig wachsen.
Etwa, wenn russische Truppen am Rand eines Mitgliedstaats aufmarschieren und weit entfernt in Deutschland Anschläge auf die kritische Infrastruktur zunehmen. Oder immer mehr Desinformationen ohne direkt erkennbaren Urheber die politische Situation destabilisieren. Die militärische Präsenz der Nato, auch der Bundeswehr, an der Ostflanke der Allianz, ist dabei nur ein Teil der Abschreckung – die Frage wird sein: Wie stellt sich Deutschland an der Heimatfront darauf ein?
Einen Plan haben, in der Hoffnung, ihn nie ausführen zu müssen, so fasste es General André Bodemann, Befehlshaber des Territorialen Führungskommandos (TFK) am Donnerstag auf einem Symposium in Berlin zusammen, was seit einem Jahr unter seiner Weisung ausgearbeitet wird: der Operationsplan Deutschland, kurz OPLAN DEU.
Der Plan, dessen erster Entwurf im März vorliegen und fortlaufend weitergeschrieben werden soll, wird aus zwei Säulen bestehen
Klar ist: Landesverteidigung ist gesamtstaatliche und gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Im Krisen- und Kriegsfall wird die Bundeswehr wesentlich auf die Unterstützung ziviler Akteure aus Bund, Ländern, Blaulichtorganisationen, aber auch Wirtschaftsunternehmen – vor allem aus dem kritischen Sektor -angewiesen sein.
Denn: “Wir haben einen substantiellen Beitrag vorne an der Ostflanke in Litauen, das heißt auch, am Ende habe ich für den Operationsplan Deutschland nicht so viele Kräfte, wie ich mir das wünschen würde”, sagte Bodemann. Dem Heimatschutz käme daher eine besondere Rolle zu. “Im Operationsplan Deutschland werden wir genau ableiten, wie viel Heimatschutz wir brauchen. Sechs Regimenter bauen wir auf, aber wir werden mehr brauchen.”
Für die gesamtstaatliche Verteidigung müssen bereits im Frieden Vorbereitungen anlaufen, die über Jahrzehnte zurückgebaut oder nie aufgebaut wurden: Straßen, Schienen und Brücken müssen ertüchtigt werden, Häfen gesichert, Heimatschutzregimenter aufgebaut und verteidigungsrelevante Infrastrukturen identifiziert werden, um im Ernstfall handlungsfähig zu sein.
Eine wesentliche Verantwortung für den Eigenschutz werden auch Wirtschaftsunternehmen, vor allem aus dem Energiesektor, tragen. Ihr Ausfall hätte Kaskadeneffekte auf alle anderen Bereiche und deren Funktionsfähigkeit – Abschreckung durch Resilienz.
Eines der größten Probleme dabei sind die Einstellungen zur Aufgabe einer gesamtgesellschaftlichen Verteidigung und die Strukturen in den deutschen Behörden. Ein “krasses Ungleichgewicht” zwischen den Plänen für die militärische Verteidigung und ihr “Hochfahren” in einer Krisensituation und den entsprechenden zivilen Planungen beklagte Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU), früher Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK): “Wir haben keine Zivilschutzbehörde, die anderen 15 Bundesländer auch nicht.” Und während im Bundesfinanzministerium die Bedeutung von Streitkräften und ihrer finanziellen Ausstattung inzwischen angekommen sei, gelte das für den zivilen Bereich noch lange nicht: “Aber jetzt kommt das Bundesinnenministerium auch noch mit Krieg”, so Schuster.
Dabei geht es noch nicht mal nur ums Geld. Wer reagiert auf erkennbare Desinformationskampagnen in einer Krisenreaktion, wer ist in der Lage, dem Versuch einer Destabilisierung der Gesellschaft sehr schnell zu begegnen? “In Berlin herrscht der Glaube, das macht das Bundespresseamt”, beklagt Schuster bitter. Aber schon der Versuch, ein gemeinsames Lagebild in einer Krise zu bekommen, wird nicht von allen Bundesländern geteilt. Und eben dann auch nicht die Informationen über einen Anschlag oder eine Havarie, die es ermöglichen könnten, ein Muster festzustellen.
So bleibt für die Bundeswehr, die Bundesregierung und die Bundesländer noch ein weiter Weg, eine gemeinsame handlungsfähige Krisenreaktion vorzubereiten. Der OPLAN Deutschland, das sagt auch der federführende Generalleutnant Bodemann, ist dabei nur die Vorleistung der Streitkräfte für die militärische Seite. Funktionieren kann das nur, wenn auch die zivilen Behörden mitziehen. Mit Anouk Schlung
In der innenpolitischen Debatte über die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern aus Deutschland an die Ukraine wirkt ein möglicher Ringtausch mit Großbritannien wie ein möglicher Ausweg aus einer weiteren Koalitionskrise. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur gibt es darüber hinaus auch Überlegungen, Frankreich Taurus aus Beständen der Bundeswehr zu liefern. Auch wenn bislang noch völlig offen ist, ob es dazu kommt: Technisch machbar scheint dieser Umweg durchaus.
Kern der Überlegungen, die durch das Handelsblatt und die Deutsche Presse-Agentur an die Öffentlichkeit kamen, ist ein Umweg-Geschäft: Statt wie von der Ukraine gewünscht die weit reichenden Marschflugkörper zu liefern, würde Deutschland der britische Royal Air Force dieses Waffensystem abgeben – während im Gegenzug die Briten weitere ihrer Storm Shadow-Marschflugkörper an die Ukraine liefern. Eine Bestätigung für solche Pläne gibt es bislang nicht, und selbst Verteidigungsminister Boris Pistorius sagte der Bild: “Ich weiß nichts von diesem Angebot. Wenn es dazu Gespräche gibt, dann nicht in meinem Haus.”
Gewinner bei einem solchen Ringtausch wären die britischen Streitkräfte: Sie würden damit ein Waffensystem erhalten, dass leistungsfähiger ist als ihre bislang eingesetzten Marschflugkörper. Und eine Integration des Taurus an die Eurofighter der Royal Air Force könnte vergleichsweise einfach geschehen. Die bereits an den britischen Kampfjets genutzten Storm Shadow sind nach Angaben von Experten dem Taurus sehr ähnlich, sodass die so genannte Integration der Marschflugkörper an die Flugzeuge in vergleichsweise kurzer Zeit möglich wäre.
Die Bundeswehr dagegen kann den Taurus-Marschflugkörper bislang nur an ihren älteren Tornado-Kampfjets einsetzen, die in den nächsten Jahren schrittweise durch die US-Jets des Typs F-35 ersetzt werden sollen. Am Eurofighter der Luftwaffe und damit an den meisten deutschen Kampfjets ist der Taurus bislang nicht integriert. Zwar gab es bereits vor zehn Jahren die ersten “Trageversuche”, die belegten, dass ein deutscher Eurofighter auch mit diesem Marschflugkörper unter dem Rumpf starten, fliegen und landen kann. Die technischen Voraussetzungen, dass der Taurus von dieser Maschine abgefeuert werden kann, wurden allerdings bislang nicht geschaffen.
Sollte es tatsächlich zu dem Ringtausch mit Taurus und Storm Shadow kommen, wären damit britische Eurofighter eher mit einem deutschen Marschflugkörper unter dem Rumpf unterwegs als die Bundeswehr. Die müsste sich auch überlegen, wie sie dafür Ersatz bekommt – und ob sie künftig mehr auf die F-35 auch für den Einsatz eines solchen Waffensystems setzt und dafür auch (mehr) solche Waffen in den USA bestellt. tw
Der US-Botschafter in der Türkei, Jeff Flake erwartet, dass der Verkauf von F-16-Kampfjets an Ankara kurz bevor steht. Wie er der Nachrichtenagentur Reuters sagte, gehe er davon aus, “dass der Kongress über den Verkauf der F-16 informiert wird, sobald diese Information in Washington angekommen ist”. Das türkische Parlament hatte am Dienstag dem Beitritt Schweden zugestimmt. Jetzt muss der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan das Gesetz noch unterzeichnen.
Sowohl Erdogan als auch Mitglieder des US-Kongresses hatten die Unterstützung der Türkei für die schwedische Nato-Bewerbung zur Bedingung für den Verkauf gemacht. Demnach sollen mit der Zustimmung des Kongresses Lockheed Martin-Flugzeuge und Modernisierungspakete im Wert von 20 Milliarden Dollar an die Türkei geliefert werden.
Zwanzig Monate lang hatte die Türkei einen Nato-Beitritt Schwedens blockiert. Wenn auch Ungarn seine Blockade aufgibt, könnte Schweden schon vor der Feier zum 75. Bestehen der Nato im April als 32. Mitglied in das Militärbündnis aufgenommen werden. Finnland ist bereits seit April 2023 Nato-Mitglied.
Nach anfänglichem Zögern hatte US-Präsident Joe Biden den Verkauf von 40 F-16-Kampfjets an die Türkei befürwortet. Im Kongress, der bei Waffenlieferungen ein Mitspracherecht hat, war der Verkauf ebenfalls auf Widerstand gestoßen.
Nicht bekannt wurde, wie mit einer Forderung im US-Kongress umgegangen werden soll. Demnach soll Ankara verpflichtet werden, die Kampfjets nicht gegen den Nato-Partner Griechenland einzusetzen. Griechenland äußerte vergangenes Jahr Bedenken, dass türkische F-16 den andauernden Seestreit in der Ägäis verstärken könnten. Mögliche Überflüge würden die griechische Souveränität infrage stellen. Auch besteht die Sorge, dass die Türkei mit den F-16 Angriffe auf Stellungen der Kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) in Syrien fliegen könnte, die von den USA unterstützt werden.
Präsident Biden schickte am Mittwoch einen Brief an verschiedene Ausschüsse des Kongresses, in dem er sie über seine Absicht informierte, das formale Notifizierungsverfahren für den F-16-Verkauf einzuleiten, sobald Ankara den NATO-Beitrittsprozess Schwedens abgeschlossen hat. Reuters/nana
Die USA und der Irak beginnen nach Angaben der Regierung in Bagdad Gespräche über einen Abzug der verbliebenen amerikanischen Soldaten aus dem arabischen Land. Zunächst werde ein Komitee aus Militärs die operativen Bedürfnisse und Effektivität der irakischen Sicherheitskräfte bewerten, teilte das Außenministerium am Donnerstag mit. Auf dieser Grundlage werde dann entschieden, wie schnell die Truppen abgezogen und die Koalition abgewickelt würden. Der Vorgang dürfte Vertretern beider Staaten zufolge mehrere Monate, wenn nicht länger dauern. Ein Abzug der US-Truppen stehe nicht unmittelbar bevor.
Die USA waren 2003 in den Irak einmarschiert und hatten den Machthaber Saddam Hussein gestürzt. Es folgten jahrelange Konflikte; ein erster Abzug der US-amerikanischen Streitkräfte 2011 wurde zurückgenommen, nachdem die Extremisten-Miliz Islamischer Staat (IS) erstarkte. Die USA befürchten nun, dass ein zu schneller Abzug der verbliebenen 2500 Soldaten zu einer Rückkehr des IS führen oder den Iran auf den Plan rufen könnte.
Der irakische Ministerpräsident Mohammed Schia al-Sudani hatte nach der Tötung eines Milizen-Führers in Bagdad bei einem US-Drohnen-Angriff Anfang Januar erklärt, der US-Einsatz müsse beendet werden. Grundsätzlich sieht die Regierung in Bagdad den IS als besiegt und die Arbeit der Koalition als beendet an. Die US-Einrichtungen im Irak werden seit dem Beginn des Gaza-Krieges fast täglich von pro-iranischen Milizen angegriffen. Reuters
Das Bundeskabinett hat am Mittwoch beschlossen, dass die Bundeswehr ein weiteres Jahr an der Mittelmeer-Mission Sea Guardian und an der UN-Mission Unmiss im Südsudan teilnehmen soll. Das teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Mittwoch mit. Beide Mandate sollen bis zum 31. März 2025 verlängert werden. Die Personalobergrenzen sollen bei beiden Missionen unverändert bleiben. Für die Sea Guardian können maximal 550 Soldatinnen und Soldaten entsandt werden, für die Unmiss höchstens 50. Der Bundestag muss noch zustimmen.
Die Bundeswehr beteiligt sich seit 2016 an der Nato-Operation Sea Guardian, bei der sie im Mittelmeer Terrorismus und Waffenschmuggel eindämmen soll. Sie darf verdächtige Schiffe durchsuchen und bei Zweifeln beschlagnahmen. Im vergangenen Jahr seien 23 Schiffe kontrolliert worden, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Mittwoch.
Bei der UN-Mission Unmiss, an der sich die Bundeswehr seit 2011 beteiligt, will die Bundeswehr zum Schutz der Zivilbevölkerung in Südsudan beitragen und die Umsetzung des Friedensabkommens von 2018 unterstützen. Die Bundeswehrkräfte agieren als Militärbeobachter oder im Stab des UN-Hauptquartiers in der Hauptstadt Dschuba. bub
Chinas Exportwirtschaft ist von den Huthi-Attacken auf Frachtschiffe im Roten Meer betroffen, doch Peking will sich den USA und der EU im Kampf gegen die Angriffe nicht anschließen. Eine Beteiligung an der Anti-Huthi-Allianz lehnt China ab: “Wir glauben, dass relevante Parteien, insbesondere große Länder mit Einfluss, eine konstruktive und verantwortungsvolle Rolle bei der Gewährleistung der Sicherheit der Schifffahrtswege im Roten Meer spielen müssen.”
Peking nutzt die Krise im Roten Meer und den Krieg im Gazastreifen, um sein eigenes Ansehen und seine diplomatische Position zu stärken und nimmt damit kurzfristige wirtschaftliche Probleme in Kauf.
Zudem gibt es eine Landalternative für das Frachtgut aus China, die Seidenstraße über die Schienen. Eric Olander, Mitbegründer der Initiative China Global South Project, verweist auf Chinas Belt and Road Initiative: China habe im vergangenen Jahrzehnt Milliarden ausgegeben, um drei Eisenbahnstrecken zu bauen, die chinesische Industriezentren mit Europa verbinden. Olander ist überzeugt: Diese Bahnverbindungen sind nun gefragter.
Aktuell stellt Peking Überlegungen an, die einer kühlen Machtpolitik folgen – und zumindest kurzfristig erfolgreich sind. Denn tatsächlich haben die Huthi-Kämpfer erklärt, dass sie chinesische Schiffe, die durch das Rote Meer fahren, nicht angreifen werden. Die Folge: Wie Daten von Lloyd’s List zeigen, hat der chinesische Frachtverkehr in der Region seit Ende Dezember stetig zugenommen. Eine ausführliche Analyse lesen Sie hier. rad
CNN: How much aid Gaza needs to survive – A visual guide. Die humanitäre Lage im Gazastreifen ist katastrophal. Mehr als drei Monate nach Beginn des Kriegs haben internationale Geldgeber nur vier Fünftel der für die Ernährungssicherheit erforderlichen Soforthilfe und ein Viertel der für Unterkünfte, Wasser und sanitäre Einrichtungen benötigten Mittel bereitgestellt. Die UN-Agentur, die mehr als die Hälfte der Zivilbevölkerung im Gazastreifen versorgt, steht kurz vor dem Zusammenbruch.
Le Figaro: Wie Frankreich die deutsche Armee finanziert. Ein Kommentar, der gut zeigt, wie negativ manche die französisch-deutschen Beziehungen im Nachbarland bewerten. Die Kernthese ist, dass Deutschland alte Waffen an die Ukraine abgebe und sich aus der europäischen Friedensfazilität bediene, um seine Streitkräfte zu modernisieren. Das also auch mit französischem Geld tue. Fazit: “Jeder für sich. Die [europäische] Union ist ein Wettkampf.”
Dekoder: Endgültig kapituliert? – Ein Text zum Speichern, eine Übersicht, die verschiedene Protestgruppen in und außerhalb Russlands vorstellt und auf die Frage im Titel eine differenzierte Antwort bietet. Vor allem wird auch klar, welche Instrumente das Putin-Regime anwendet, um Widerstand zu verhindern.
Frankoviel: Möglichst abwehrbereit – Frankreichs Atomwaffen, die Ostflanke und Macrons “Wiederbewaffnung”: Diese Folge des Frankreich-Podcasts blickt zurück auf die vor fünf Jahren im Aachener Vertrag vereinbarte Militärkooperation der Nachbarländer. Gast ist Jacob Ross, Frankreich-Experte der DGAP.
Die Europaflagge und die Bundesflagge haben in Sandra Weesers Büro einen prominenten Platz hinter ihrem Schreibtisch. Die französische Trikolore dagegen liegt Din-A4-groß zusammengefaltet auf dem Gästesessel, sodass man sich als Besucher fast draufsetzt. Die deutsch-französischen Beziehungen sind schlecht, Weeser will das ändern.
Sandra Weeser leitet die Arbeitsgruppe Außen- und Sicherheitspolitik in der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung (DFPV). 2019 gegründet, setzt sich die DFPV aus 100 Mitgliedern zusammen – fünfzig Abgeordneten des Bundestages sowie fünfzig der Assemblée nationale – und tagt mindestens zweimal jährlich, jeweils zur Hälfte in Frankreich und Deutschland. Weeser ist außerdem Vorsitzende des Bauausschusses und kandidiert am Sonntag für Listenplatz 6 auf der FDP-Bundesliste für die Europawahl.
Als Weeser 2017 in den Bundestag einzog, wurde sie Obfrau im Ausschuss für Wirtschaft und Energie und dort Berichterstatterin für Rüstungsexporte. Von ihrem Wahlkreis Neuwied-Altenkirchen in Rheinland-Pfalz ist es nicht weit bis nach Frankreich, und 2019 nahm sie zusätzlich zur deutschen Staatsbürgerschaft auch die ihres französischen Mannes an.
Das hat sie mit ihrem Pendant auf französischer Seite gemeinsam. Sabine Thillaye, mit der sie die Arbeitsgruppe leitet, ist in Remscheid geboren und verheiratet mit einem Franzosen. Die beiden seien “tatsächlich ein recht interessantes Match”, sagt Weeser. “Wir kennen als Deutsch-Französinnen beide Kulturen und Debatten sehr gut, als ,Brückenbauerinnen’ sollten wir das noch viel stärker ausnutzen.”
Zum Beispiel, indem sie die DFPV in der öffentlichen Wahrnehmung besser präsentieren.
Bei den Feierlichkeiten zum Geburtstag des Elysée-Vertrages und der Unterzeichnung des Aachener Vertrages 2023 habe sie sich “schon sehr geärgert”. Medienwände beschriftet mit “Deutscher Bundestag” und “Assemblée Nationale” wurden aufgebaut. “Und wer gibt die Interviews davor, und wer wird in allen Medien ausgespielt?”, fragt Weeser. “Das sind Kanzler Scholz und Präsident Macron”, klagt sie. “Dass wir häufig in den Schatten der Exekutive fallen, ist eine Unverschämtheit der Legislative gegenüber.”
Die AG Außen- und Sicherheitspolitik der DFPV hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Umsetzung des strategischen Kompasses der EU “mit Blick auf den deutsch-französischen Beitrag (…) und die Stärkung des europäischen Pfeilers der Nato zu begleiten”. Sie biete eine Plattform, sagt Weeser, auf der man “wirklich auch mal die sensibleren Dinge besprechen kann, ohne dass das dann direkt öffentlich breitgetreten wird oder in irgendwelchen Eklats endet”.
Die Abgeordneten treffen sich etwa einmal im Monat – meist digital – und wollen bis zum Sommer Handlungsempfehlungen für die nächsten Schritte bei den gemeinsamen Rüstungsprojekten an die Parlamente geben. “Aber wenn wir bis zum Sommer alles durcharbeiten wollen, werden wir uns noch häufiger treffen”, sagt Weeser.
Viel zu tun gibt es. Zum Beispiel beim deutsch-französischen Flugzeugprojekt Future Combat Air System (FCAS). “Da gibt es viel Geruckel, da ist auch etwas Sand im Getriebe.” Deshalb brauche es “das klare Signal, dass beide Länder ein großes Interesse an der Fertigstellung des Projekts haben.” Dennoch hält sie die Beziehungen für nicht so schlecht, wie sie dargestellt werden. Scholz’ “Fischbrötchen-Charmeoffensive”, als der Bundeskanzler beim Treffen mit Macron Hamburger Spezialitäten servieren ließ, “hat ja auch ein bisschen was gebracht, aber da ist noch Luft nach oben”. Gabriel Bub
Nach einer außerordentlichen Sitzung hat der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) am Donnerstag einen neuen Hauptgeschäftsführer bestimmt. Gerardo Walle, ehemals Vize-Präsident des BDLI, langjähriger Geschäftsführer und jetzt Mitglied des Aufsichtsrates bei Diehl Aerospace, wird die Geschäfte zunächst bis Ende Juli führen. Anfang Juni findet bei Berlin die Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) statt, eines der wichtigsten Branchentreffen.
Gerardo Walle folgt dem in der Branche bekannten Alexander “Sascha” Reinhardt, der das Amt Anfang der Woche überraschend niedergelegt hat. Der frühere Cheflobbyist des europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns Airbus hatte um seine Entlassung gebeten. Nähere Gründe wurden nicht genannt. Reinhard hatte den Posten erst seit Juni 2023 inne. Es wird in Branchenkreisen spekuliert, dass er zu Airbus zurückgeht.
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deutsche Taurus-Marschflugkörper an Großbritannien und britische Storm Shadow in die Ukraine? Selbst Verteidigungsminister Boris Pistorius wundert sich über die Debatte. Technisch wäre so ein Ringtausch möglich, erläutert Thomas Wiegold und verweist dabei auf einen weiteren interessanten Punkt: Die Briten wären die Gewinner eines solchen Tausches.
Nicht nur diese Waffen-Debatte bringt das Gemüt der Sozialdemokraten in Wallungen. Pistorius hat mit dem Begriff “kriegstüchtig” so manchen politischen Freund herausgefordert. Vor der Europadelegiertenkonferenz der SPD am Sonntag zeigt Nana Brink, wie die Genossen es inzwischen mit der Kriegstüchtigkeit halten.
Und die gesamte Gesellschaft? Noch muss Deutschland viel dafür tun, um handlungsfähig zu sein, sollte das gesamte Land, sollte die Nato, militärisch herausgefordert werden. Lisa-Martina Klein, Thomas Wiegold und Anouk Schlung zeigen die Baustellen auf. Nur so viel vorab: Es sind viele, aber es tut sich auch was.
Eine gute Lektüre wünscht Ihnen
Verteidigungsminister Boris Pistorius ist nicht der Erste, der seiner Partei in Sachen Sprachgebrauch etwas zumutet. Vor gut anderthalb Jahren, im Juni 2022, sprach der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil in seiner “Tiergartenrede” davon, Deutschland müsse eine Führungsmacht werden. Er meinte damit: auch militärisch. Das Wort “Kriegstüchtigkeit” hätte gut in Klingbeils Rede gepasst. Es war wohl noch zu früh.
Der Tabubruch gelang erst Pistorius. “Es geht um die Seele der Friedenspartei”, sagt ein hochrangiges Parteimitglied, aber nur anonym. “Der Begriff passt nicht zur DNA der SPD.” Deshalb geht SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich öffentlich auf Distanz zu dem Begriff und seinem Urheber: “In der Bundesrepublik haben wir bislang zu Recht immer von Verteidigungsfähigkeit gesprochen”. SPD-Außenpolitiker Michael Roth hingegen erklärt, Boris Pistorius stelle sich den bitteren Realitäten in der Welt. “Deutschland hat über Jahre seine Wehrhaftigkeit vernachlässigt und dafür zahlen wir jetzt einen Preis.”
Nur einer äußert sich nicht zu dem Begriff: Bundeskanzler Olaf Scholz. Vielleicht auch deshalb, weil die Diskussion darüber, was Kriegstüchtigkeit bedeuten soll – oder auf keinen Fall bedeuten darf – gerade erst begonnen hat. Eine Debatte, die nicht nur in der SPD geführt wird. “Die Sozialdemokraten fremdeln natürlich mit dem Begriff, gerade heute, wie übrigens auch die Union und ein Großteil der deutschen Gesellschaft”, analysiert der Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sprach von einer “echt unglücklichen Metapher”: Deutschland beziehungsweise die Bundeswehr sollten verteidigungsbereit sein, aber nicht “kriegstüchtig” werden. “Die Deutschen wollen aus der eigenen historischen Erfahrung mit Krieg nichts zu tun haben”, erklärt von Lucke diese Bereitschaft zur Realitätsverdrängung, wie er es nennt. Viele Politiker, nicht nur der linke Flügel der SPD, wüssten zudem, dass sie mit Aufklärung über die reale Lage in der Ukraine bei der Bevölkerung nicht punkten könnten.
Das Wort “Krieg” in dem Begriff “Kriegstüchtigkeit” ruft denn auch die schärfsten Kritiker von Verteidigungsminister Pistorius auf den Plan. Der SPD-Linke Ralf Stegner geht noch einen Schritt weiter als SPD-Fraktionschef Mützenich: “Kriegstüchtigkeit führt uns in eine bestimmte Richtung, nämlich in Richtung Aufrüstung, in Richtung einer Enttabuisierung von Krieg. Ich bevorzuge Verteidigungs- und Bündnisfähigkeit.” Ihn befremde, dass in den letzten zwei Jahren hauptsächlich über Waffen gesprochen worden ist. Der Krieg in der Ukraine, so Außenpolitiker Stegner, könne “militärisch nicht gewonnen werden”.
Aber es sind nicht nur die älteren Genossen, die den Begriff am liebsten aus dem Sprachgebrauch der SPD tilgen wollen. Für den jungen Bundestagsabgeordneten Jan Dieren steckt “zu viel Krieg in dem Begriff und nicht der Vorsatz, wie man ihn verhindern könne”. Als stellvertretender Vorsitzender des Forums Demokratische Linke 21 brachte er auf dem SPD-Parteitag im Dezember einen Antrag ein, das 2-Prozent-Ziel der Nato aus dem außenpolitischen Leitantrag zu streichen. Begründung: Es dürfe keinen Automatismus geben, sondern der Bundestag müsse immer neu entscheiden. Der Antrag wurde knapp abgelehnt. Laut Politikwissenschaftler von Lucke dürfe man diese “Friedenssehnsucht der Friedenspartei SPD nicht unterschätzen”.
Verteidigungsminister Pistorius allerdings zeigt sich von aller Kritik unbeirrt. In den Verteidigungspolitischen Richtlinien (VPR), die er Mitte November vorgestellt hat, ist alleine sechsmal von “Kriegstüchtigkeit” die Rede. Die VPR lassen keinen Zweifel daran, was Pistorius damit meint: “Die neue Qualität der Bedrohung unserer Sicherheit und die brutale Realität des Krieges in der Ukraine verdeutlichen, dass wir unsere Strukturen und Prozesse am Szenario des Kampfes gegen einen mindestens ebenbürtigen Gegner ausrichten müssen: Wir wollen diese Auseinandersetzung nicht nur gewinnen, sondern wir müssen. Dies gibt den Takt vor.”
Michael Roth, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, wehrt sich denn auch gegen den Vorwurf aus den eigenen Reihen, ein Kriegstreiber zu sein. Der SPD-Politiker zählt zu den vehementesten Befürwortern von Waffenlieferungen an die Ukraine, kritisierte dabei auch schon mal die Bundesregierung für ihr Zögern. “Ich bin kein Waffen-Nerd, aber ich bin lernfähig.” Deshalb ermuntere er auch seine Partei, jetzt die richtigen Lehren aus den Versäumnissen der Vergangenheit zu ziehen.
Scharf kritisiert Roth in der parteiinternen Debatte um die “Kriegstüchtigkeit” die Vereinnahmung von Willy Brandt. Es sei eine “unredliche Simplifizierung der Brandt’schen Ostpolitik”, zu behaupten, Brandt hätte den Begriff “Kriegstüchtigkeit” abgelehnt. Gerade Brandt wie auch Helmut Schmidt hätten gewusst, dass sozialdemokratische Friedenspolitik nicht nur auf Dialog und Ausgleich, sondern auch auf militärischer Stärke und Abschreckung basiere. Auf dem Parteitag im Dezember wurde Roth nicht mehr in den Parteivorstand gewählt.
Für die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Katarina Barley, ist die Debatte um den Begriff “Kriegstüchtigkeit” denn auch eine “sehr deutsche”, die gerade in Polen oder im Baltikum nicht verstanden werde. “Als Sozialdemokratin zucke ich natürlich auch bei dem Wort Krieg, aber wir müssen für alle Szenarien gewappnet sein.” Barley, die am Sonntag in Berlin beim Europa-Parteitag der SPD aller Voraussicht nach als Spitzenkandidatin aufgestellt wird, betont: “Wir müssen diese Diskussion über unsere Wehrhaftigkeit dringend führen, auch im Interesse der Sicherheit in Europa.”
Es muss noch nicht einmal das schlimmste Szenario eintreten: Auch ohne einen Angriff Russlands auf Nato-Gebiet, wie ihn Verteidigungsminister Boris Pistorius langfristig nicht ausschließt, könnte die Bedrohung für das Bündnis ständig wachsen.
Etwa, wenn russische Truppen am Rand eines Mitgliedstaats aufmarschieren und weit entfernt in Deutschland Anschläge auf die kritische Infrastruktur zunehmen. Oder immer mehr Desinformationen ohne direkt erkennbaren Urheber die politische Situation destabilisieren. Die militärische Präsenz der Nato, auch der Bundeswehr, an der Ostflanke der Allianz, ist dabei nur ein Teil der Abschreckung – die Frage wird sein: Wie stellt sich Deutschland an der Heimatfront darauf ein?
Einen Plan haben, in der Hoffnung, ihn nie ausführen zu müssen, so fasste es General André Bodemann, Befehlshaber des Territorialen Führungskommandos (TFK) am Donnerstag auf einem Symposium in Berlin zusammen, was seit einem Jahr unter seiner Weisung ausgearbeitet wird: der Operationsplan Deutschland, kurz OPLAN DEU.
Der Plan, dessen erster Entwurf im März vorliegen und fortlaufend weitergeschrieben werden soll, wird aus zwei Säulen bestehen
Klar ist: Landesverteidigung ist gesamtstaatliche und gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Im Krisen- und Kriegsfall wird die Bundeswehr wesentlich auf die Unterstützung ziviler Akteure aus Bund, Ländern, Blaulichtorganisationen, aber auch Wirtschaftsunternehmen – vor allem aus dem kritischen Sektor -angewiesen sein.
Denn: “Wir haben einen substantiellen Beitrag vorne an der Ostflanke in Litauen, das heißt auch, am Ende habe ich für den Operationsplan Deutschland nicht so viele Kräfte, wie ich mir das wünschen würde”, sagte Bodemann. Dem Heimatschutz käme daher eine besondere Rolle zu. “Im Operationsplan Deutschland werden wir genau ableiten, wie viel Heimatschutz wir brauchen. Sechs Regimenter bauen wir auf, aber wir werden mehr brauchen.”
Für die gesamtstaatliche Verteidigung müssen bereits im Frieden Vorbereitungen anlaufen, die über Jahrzehnte zurückgebaut oder nie aufgebaut wurden: Straßen, Schienen und Brücken müssen ertüchtigt werden, Häfen gesichert, Heimatschutzregimenter aufgebaut und verteidigungsrelevante Infrastrukturen identifiziert werden, um im Ernstfall handlungsfähig zu sein.
Eine wesentliche Verantwortung für den Eigenschutz werden auch Wirtschaftsunternehmen, vor allem aus dem Energiesektor, tragen. Ihr Ausfall hätte Kaskadeneffekte auf alle anderen Bereiche und deren Funktionsfähigkeit – Abschreckung durch Resilienz.
Eines der größten Probleme dabei sind die Einstellungen zur Aufgabe einer gesamtgesellschaftlichen Verteidigung und die Strukturen in den deutschen Behörden. Ein “krasses Ungleichgewicht” zwischen den Plänen für die militärische Verteidigung und ihr “Hochfahren” in einer Krisensituation und den entsprechenden zivilen Planungen beklagte Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU), früher Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK): “Wir haben keine Zivilschutzbehörde, die anderen 15 Bundesländer auch nicht.” Und während im Bundesfinanzministerium die Bedeutung von Streitkräften und ihrer finanziellen Ausstattung inzwischen angekommen sei, gelte das für den zivilen Bereich noch lange nicht: “Aber jetzt kommt das Bundesinnenministerium auch noch mit Krieg”, so Schuster.
Dabei geht es noch nicht mal nur ums Geld. Wer reagiert auf erkennbare Desinformationskampagnen in einer Krisenreaktion, wer ist in der Lage, dem Versuch einer Destabilisierung der Gesellschaft sehr schnell zu begegnen? “In Berlin herrscht der Glaube, das macht das Bundespresseamt”, beklagt Schuster bitter. Aber schon der Versuch, ein gemeinsames Lagebild in einer Krise zu bekommen, wird nicht von allen Bundesländern geteilt. Und eben dann auch nicht die Informationen über einen Anschlag oder eine Havarie, die es ermöglichen könnten, ein Muster festzustellen.
So bleibt für die Bundeswehr, die Bundesregierung und die Bundesländer noch ein weiter Weg, eine gemeinsame handlungsfähige Krisenreaktion vorzubereiten. Der OPLAN Deutschland, das sagt auch der federführende Generalleutnant Bodemann, ist dabei nur die Vorleistung der Streitkräfte für die militärische Seite. Funktionieren kann das nur, wenn auch die zivilen Behörden mitziehen. Mit Anouk Schlung
In der innenpolitischen Debatte über die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern aus Deutschland an die Ukraine wirkt ein möglicher Ringtausch mit Großbritannien wie ein möglicher Ausweg aus einer weiteren Koalitionskrise. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur gibt es darüber hinaus auch Überlegungen, Frankreich Taurus aus Beständen der Bundeswehr zu liefern. Auch wenn bislang noch völlig offen ist, ob es dazu kommt: Technisch machbar scheint dieser Umweg durchaus.
Kern der Überlegungen, die durch das Handelsblatt und die Deutsche Presse-Agentur an die Öffentlichkeit kamen, ist ein Umweg-Geschäft: Statt wie von der Ukraine gewünscht die weit reichenden Marschflugkörper zu liefern, würde Deutschland der britische Royal Air Force dieses Waffensystem abgeben – während im Gegenzug die Briten weitere ihrer Storm Shadow-Marschflugkörper an die Ukraine liefern. Eine Bestätigung für solche Pläne gibt es bislang nicht, und selbst Verteidigungsminister Boris Pistorius sagte der Bild: “Ich weiß nichts von diesem Angebot. Wenn es dazu Gespräche gibt, dann nicht in meinem Haus.”
Gewinner bei einem solchen Ringtausch wären die britischen Streitkräfte: Sie würden damit ein Waffensystem erhalten, dass leistungsfähiger ist als ihre bislang eingesetzten Marschflugkörper. Und eine Integration des Taurus an die Eurofighter der Royal Air Force könnte vergleichsweise einfach geschehen. Die bereits an den britischen Kampfjets genutzten Storm Shadow sind nach Angaben von Experten dem Taurus sehr ähnlich, sodass die so genannte Integration der Marschflugkörper an die Flugzeuge in vergleichsweise kurzer Zeit möglich wäre.
Die Bundeswehr dagegen kann den Taurus-Marschflugkörper bislang nur an ihren älteren Tornado-Kampfjets einsetzen, die in den nächsten Jahren schrittweise durch die US-Jets des Typs F-35 ersetzt werden sollen. Am Eurofighter der Luftwaffe und damit an den meisten deutschen Kampfjets ist der Taurus bislang nicht integriert. Zwar gab es bereits vor zehn Jahren die ersten “Trageversuche”, die belegten, dass ein deutscher Eurofighter auch mit diesem Marschflugkörper unter dem Rumpf starten, fliegen und landen kann. Die technischen Voraussetzungen, dass der Taurus von dieser Maschine abgefeuert werden kann, wurden allerdings bislang nicht geschaffen.
Sollte es tatsächlich zu dem Ringtausch mit Taurus und Storm Shadow kommen, wären damit britische Eurofighter eher mit einem deutschen Marschflugkörper unter dem Rumpf unterwegs als die Bundeswehr. Die müsste sich auch überlegen, wie sie dafür Ersatz bekommt – und ob sie künftig mehr auf die F-35 auch für den Einsatz eines solchen Waffensystems setzt und dafür auch (mehr) solche Waffen in den USA bestellt. tw
Der US-Botschafter in der Türkei, Jeff Flake erwartet, dass der Verkauf von F-16-Kampfjets an Ankara kurz bevor steht. Wie er der Nachrichtenagentur Reuters sagte, gehe er davon aus, “dass der Kongress über den Verkauf der F-16 informiert wird, sobald diese Information in Washington angekommen ist”. Das türkische Parlament hatte am Dienstag dem Beitritt Schweden zugestimmt. Jetzt muss der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan das Gesetz noch unterzeichnen.
Sowohl Erdogan als auch Mitglieder des US-Kongresses hatten die Unterstützung der Türkei für die schwedische Nato-Bewerbung zur Bedingung für den Verkauf gemacht. Demnach sollen mit der Zustimmung des Kongresses Lockheed Martin-Flugzeuge und Modernisierungspakete im Wert von 20 Milliarden Dollar an die Türkei geliefert werden.
Zwanzig Monate lang hatte die Türkei einen Nato-Beitritt Schwedens blockiert. Wenn auch Ungarn seine Blockade aufgibt, könnte Schweden schon vor der Feier zum 75. Bestehen der Nato im April als 32. Mitglied in das Militärbündnis aufgenommen werden. Finnland ist bereits seit April 2023 Nato-Mitglied.
Nach anfänglichem Zögern hatte US-Präsident Joe Biden den Verkauf von 40 F-16-Kampfjets an die Türkei befürwortet. Im Kongress, der bei Waffenlieferungen ein Mitspracherecht hat, war der Verkauf ebenfalls auf Widerstand gestoßen.
Nicht bekannt wurde, wie mit einer Forderung im US-Kongress umgegangen werden soll. Demnach soll Ankara verpflichtet werden, die Kampfjets nicht gegen den Nato-Partner Griechenland einzusetzen. Griechenland äußerte vergangenes Jahr Bedenken, dass türkische F-16 den andauernden Seestreit in der Ägäis verstärken könnten. Mögliche Überflüge würden die griechische Souveränität infrage stellen. Auch besteht die Sorge, dass die Türkei mit den F-16 Angriffe auf Stellungen der Kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) in Syrien fliegen könnte, die von den USA unterstützt werden.
Präsident Biden schickte am Mittwoch einen Brief an verschiedene Ausschüsse des Kongresses, in dem er sie über seine Absicht informierte, das formale Notifizierungsverfahren für den F-16-Verkauf einzuleiten, sobald Ankara den NATO-Beitrittsprozess Schwedens abgeschlossen hat. Reuters/nana
Die USA und der Irak beginnen nach Angaben der Regierung in Bagdad Gespräche über einen Abzug der verbliebenen amerikanischen Soldaten aus dem arabischen Land. Zunächst werde ein Komitee aus Militärs die operativen Bedürfnisse und Effektivität der irakischen Sicherheitskräfte bewerten, teilte das Außenministerium am Donnerstag mit. Auf dieser Grundlage werde dann entschieden, wie schnell die Truppen abgezogen und die Koalition abgewickelt würden. Der Vorgang dürfte Vertretern beider Staaten zufolge mehrere Monate, wenn nicht länger dauern. Ein Abzug der US-Truppen stehe nicht unmittelbar bevor.
Die USA waren 2003 in den Irak einmarschiert und hatten den Machthaber Saddam Hussein gestürzt. Es folgten jahrelange Konflikte; ein erster Abzug der US-amerikanischen Streitkräfte 2011 wurde zurückgenommen, nachdem die Extremisten-Miliz Islamischer Staat (IS) erstarkte. Die USA befürchten nun, dass ein zu schneller Abzug der verbliebenen 2500 Soldaten zu einer Rückkehr des IS führen oder den Iran auf den Plan rufen könnte.
Der irakische Ministerpräsident Mohammed Schia al-Sudani hatte nach der Tötung eines Milizen-Führers in Bagdad bei einem US-Drohnen-Angriff Anfang Januar erklärt, der US-Einsatz müsse beendet werden. Grundsätzlich sieht die Regierung in Bagdad den IS als besiegt und die Arbeit der Koalition als beendet an. Die US-Einrichtungen im Irak werden seit dem Beginn des Gaza-Krieges fast täglich von pro-iranischen Milizen angegriffen. Reuters
Das Bundeskabinett hat am Mittwoch beschlossen, dass die Bundeswehr ein weiteres Jahr an der Mittelmeer-Mission Sea Guardian und an der UN-Mission Unmiss im Südsudan teilnehmen soll. Das teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Mittwoch mit. Beide Mandate sollen bis zum 31. März 2025 verlängert werden. Die Personalobergrenzen sollen bei beiden Missionen unverändert bleiben. Für die Sea Guardian können maximal 550 Soldatinnen und Soldaten entsandt werden, für die Unmiss höchstens 50. Der Bundestag muss noch zustimmen.
Die Bundeswehr beteiligt sich seit 2016 an der Nato-Operation Sea Guardian, bei der sie im Mittelmeer Terrorismus und Waffenschmuggel eindämmen soll. Sie darf verdächtige Schiffe durchsuchen und bei Zweifeln beschlagnahmen. Im vergangenen Jahr seien 23 Schiffe kontrolliert worden, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Mittwoch.
Bei der UN-Mission Unmiss, an der sich die Bundeswehr seit 2011 beteiligt, will die Bundeswehr zum Schutz der Zivilbevölkerung in Südsudan beitragen und die Umsetzung des Friedensabkommens von 2018 unterstützen. Die Bundeswehrkräfte agieren als Militärbeobachter oder im Stab des UN-Hauptquartiers in der Hauptstadt Dschuba. bub
Chinas Exportwirtschaft ist von den Huthi-Attacken auf Frachtschiffe im Roten Meer betroffen, doch Peking will sich den USA und der EU im Kampf gegen die Angriffe nicht anschließen. Eine Beteiligung an der Anti-Huthi-Allianz lehnt China ab: “Wir glauben, dass relevante Parteien, insbesondere große Länder mit Einfluss, eine konstruktive und verantwortungsvolle Rolle bei der Gewährleistung der Sicherheit der Schifffahrtswege im Roten Meer spielen müssen.”
Peking nutzt die Krise im Roten Meer und den Krieg im Gazastreifen, um sein eigenes Ansehen und seine diplomatische Position zu stärken und nimmt damit kurzfristige wirtschaftliche Probleme in Kauf.
Zudem gibt es eine Landalternative für das Frachtgut aus China, die Seidenstraße über die Schienen. Eric Olander, Mitbegründer der Initiative China Global South Project, verweist auf Chinas Belt and Road Initiative: China habe im vergangenen Jahrzehnt Milliarden ausgegeben, um drei Eisenbahnstrecken zu bauen, die chinesische Industriezentren mit Europa verbinden. Olander ist überzeugt: Diese Bahnverbindungen sind nun gefragter.
Aktuell stellt Peking Überlegungen an, die einer kühlen Machtpolitik folgen – und zumindest kurzfristig erfolgreich sind. Denn tatsächlich haben die Huthi-Kämpfer erklärt, dass sie chinesische Schiffe, die durch das Rote Meer fahren, nicht angreifen werden. Die Folge: Wie Daten von Lloyd’s List zeigen, hat der chinesische Frachtverkehr in der Region seit Ende Dezember stetig zugenommen. Eine ausführliche Analyse lesen Sie hier. rad
CNN: How much aid Gaza needs to survive – A visual guide. Die humanitäre Lage im Gazastreifen ist katastrophal. Mehr als drei Monate nach Beginn des Kriegs haben internationale Geldgeber nur vier Fünftel der für die Ernährungssicherheit erforderlichen Soforthilfe und ein Viertel der für Unterkünfte, Wasser und sanitäre Einrichtungen benötigten Mittel bereitgestellt. Die UN-Agentur, die mehr als die Hälfte der Zivilbevölkerung im Gazastreifen versorgt, steht kurz vor dem Zusammenbruch.
Le Figaro: Wie Frankreich die deutsche Armee finanziert. Ein Kommentar, der gut zeigt, wie negativ manche die französisch-deutschen Beziehungen im Nachbarland bewerten. Die Kernthese ist, dass Deutschland alte Waffen an die Ukraine abgebe und sich aus der europäischen Friedensfazilität bediene, um seine Streitkräfte zu modernisieren. Das also auch mit französischem Geld tue. Fazit: “Jeder für sich. Die [europäische] Union ist ein Wettkampf.”
Dekoder: Endgültig kapituliert? – Ein Text zum Speichern, eine Übersicht, die verschiedene Protestgruppen in und außerhalb Russlands vorstellt und auf die Frage im Titel eine differenzierte Antwort bietet. Vor allem wird auch klar, welche Instrumente das Putin-Regime anwendet, um Widerstand zu verhindern.
Frankoviel: Möglichst abwehrbereit – Frankreichs Atomwaffen, die Ostflanke und Macrons “Wiederbewaffnung”: Diese Folge des Frankreich-Podcasts blickt zurück auf die vor fünf Jahren im Aachener Vertrag vereinbarte Militärkooperation der Nachbarländer. Gast ist Jacob Ross, Frankreich-Experte der DGAP.
Die Europaflagge und die Bundesflagge haben in Sandra Weesers Büro einen prominenten Platz hinter ihrem Schreibtisch. Die französische Trikolore dagegen liegt Din-A4-groß zusammengefaltet auf dem Gästesessel, sodass man sich als Besucher fast draufsetzt. Die deutsch-französischen Beziehungen sind schlecht, Weeser will das ändern.
Sandra Weeser leitet die Arbeitsgruppe Außen- und Sicherheitspolitik in der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung (DFPV). 2019 gegründet, setzt sich die DFPV aus 100 Mitgliedern zusammen – fünfzig Abgeordneten des Bundestages sowie fünfzig der Assemblée nationale – und tagt mindestens zweimal jährlich, jeweils zur Hälfte in Frankreich und Deutschland. Weeser ist außerdem Vorsitzende des Bauausschusses und kandidiert am Sonntag für Listenplatz 6 auf der FDP-Bundesliste für die Europawahl.
Als Weeser 2017 in den Bundestag einzog, wurde sie Obfrau im Ausschuss für Wirtschaft und Energie und dort Berichterstatterin für Rüstungsexporte. Von ihrem Wahlkreis Neuwied-Altenkirchen in Rheinland-Pfalz ist es nicht weit bis nach Frankreich, und 2019 nahm sie zusätzlich zur deutschen Staatsbürgerschaft auch die ihres französischen Mannes an.
Das hat sie mit ihrem Pendant auf französischer Seite gemeinsam. Sabine Thillaye, mit der sie die Arbeitsgruppe leitet, ist in Remscheid geboren und verheiratet mit einem Franzosen. Die beiden seien “tatsächlich ein recht interessantes Match”, sagt Weeser. “Wir kennen als Deutsch-Französinnen beide Kulturen und Debatten sehr gut, als ,Brückenbauerinnen’ sollten wir das noch viel stärker ausnutzen.”
Zum Beispiel, indem sie die DFPV in der öffentlichen Wahrnehmung besser präsentieren.
Bei den Feierlichkeiten zum Geburtstag des Elysée-Vertrages und der Unterzeichnung des Aachener Vertrages 2023 habe sie sich “schon sehr geärgert”. Medienwände beschriftet mit “Deutscher Bundestag” und “Assemblée Nationale” wurden aufgebaut. “Und wer gibt die Interviews davor, und wer wird in allen Medien ausgespielt?”, fragt Weeser. “Das sind Kanzler Scholz und Präsident Macron”, klagt sie. “Dass wir häufig in den Schatten der Exekutive fallen, ist eine Unverschämtheit der Legislative gegenüber.”
Die AG Außen- und Sicherheitspolitik der DFPV hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Umsetzung des strategischen Kompasses der EU “mit Blick auf den deutsch-französischen Beitrag (…) und die Stärkung des europäischen Pfeilers der Nato zu begleiten”. Sie biete eine Plattform, sagt Weeser, auf der man “wirklich auch mal die sensibleren Dinge besprechen kann, ohne dass das dann direkt öffentlich breitgetreten wird oder in irgendwelchen Eklats endet”.
Die Abgeordneten treffen sich etwa einmal im Monat – meist digital – und wollen bis zum Sommer Handlungsempfehlungen für die nächsten Schritte bei den gemeinsamen Rüstungsprojekten an die Parlamente geben. “Aber wenn wir bis zum Sommer alles durcharbeiten wollen, werden wir uns noch häufiger treffen”, sagt Weeser.
Viel zu tun gibt es. Zum Beispiel beim deutsch-französischen Flugzeugprojekt Future Combat Air System (FCAS). “Da gibt es viel Geruckel, da ist auch etwas Sand im Getriebe.” Deshalb brauche es “das klare Signal, dass beide Länder ein großes Interesse an der Fertigstellung des Projekts haben.” Dennoch hält sie die Beziehungen für nicht so schlecht, wie sie dargestellt werden. Scholz’ “Fischbrötchen-Charmeoffensive”, als der Bundeskanzler beim Treffen mit Macron Hamburger Spezialitäten servieren ließ, “hat ja auch ein bisschen was gebracht, aber da ist noch Luft nach oben”. Gabriel Bub
Nach einer außerordentlichen Sitzung hat der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) am Donnerstag einen neuen Hauptgeschäftsführer bestimmt. Gerardo Walle, ehemals Vize-Präsident des BDLI, langjähriger Geschäftsführer und jetzt Mitglied des Aufsichtsrates bei Diehl Aerospace, wird die Geschäfte zunächst bis Ende Juli führen. Anfang Juni findet bei Berlin die Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) statt, eines der wichtigsten Branchentreffen.
Gerardo Walle folgt dem in der Branche bekannten Alexander “Sascha” Reinhardt, der das Amt Anfang der Woche überraschend niedergelegt hat. Der frühere Cheflobbyist des europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns Airbus hatte um seine Entlassung gebeten. Nähere Gründe wurden nicht genannt. Reinhard hatte den Posten erst seit Juni 2023 inne. Es wird in Branchenkreisen spekuliert, dass er zu Airbus zurückgeht.
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