Markus Bickel ist mein Name, ich leite künftig das Team des Security.Table – und freue mich sehr, Ihnen gemeinsam mit meinem Team weiter exklusiv Analysen, Interviews und Debattenbeiträge zu Fragen nationaler und internationaler Sicherheitspolitik zu liefern.
Als Auslandskorrespondent unter anderem für die F.A.Z. war ich in den vergangenen beiden Jahrzehnten an einigen Konfliktherden stationiert, die für die Sicherheit Deutschlands und Europas von Belang sind: Sarajevo, Beirut, Kairo, Tel Aviv. Bitte schreiben Sie mir, worauf wir uns aus Ihrer Sicht stärker fokussieren könnten, thematisch wie regional, ich freue mich über Ihre Post: markus.bickel@table.media.
In Bergkarabach wächst derzeit erneut die Nervosität: Beobachter fürchten einen erneuten Waffengang zwischen Armenien und Aserbaidschan rund um die seit dem Ende der Sowjetunion immer wieder umkämpfte Region und eine weitere Ausweitung des Konflikts auf armenischen Boden. Lisa-Martina Klein hat das Spannungsgebiet im Osten Armeniens besucht, wo erst im vergangenen September Dutzende Menschen bei Gefechten ums Leben gekommen sind.
Nana Brink hat die stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grüne getroffen und dabei erfahren, dass nach der Lieferung von Kampfpanzern vielleicht auch Kampfjets an die Ukraine auf der Tagesordnung stehen könnten: “Ich halte nichts davon, immer wieder rote Linien zu ziehen, denn wir wissen nicht, wo wir in ein paar Monaten sein werden.”
Als jüngste Abgeordnete des Bundestags war die Grüne Agnieszka Brugger 2009 noch eher zurückhaltend, was Waffenlieferungen anbelangte – insbesondere in Krisengebiete. Dass die versierte Verteidigungspolitikerin diese Position angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine radikal geändert hat, liegt möglicherweise an ihrer persönlichen Geschichte: 1985 in Polen geboren, kam sie kurz vor dem Fall der Mauer mit ihren Eltern nach Deutschland, Umbrüche ist sie also gewöhnt.
Eine aufschlussreiche Lektüre wünscht
Es droht eine neue Eskalation im Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan. Das aserbaidschanische Verteidigungsministerium hat Armenien vergangene Woche mehrfach vorgeworfen, illegal Waffen, Munition sowie Treibstoff und Nahrungsmittel in die Region Bergkarabach zu schaffen und dort neue Straßen zu bauen, und so einen Krieg zu provozieren.
“Wir erklären, dass die militärisch-politische Führung [Armeniens] die volle Verantwortung für solche Provokationen und illegalen Aktivitäten von Armenien und deren mögliche Folgen für Menschenleben trägt”, heißt es in der Mitteilung.
Die Spannungen zwischen den beiden südkaukasischen Ländern sind so hoch wie seit September 2022 nicht mehr. Damals waren bei Raketen-Angriffen auf armenische Ortschaften Dutzende Menschen getötet worden. Der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev will einen Transport-Korridor zur aserbaidschanischen Exklave Nachitschewan schaffen, das südwestlich von Armenien liegt. Damit hätte das Land eine direkte Verbindung zum Verbündeten Türkei.
Seit vergangener Woche mehren sich die Meldungen über aserbaidschanische Angriffe auf armenische Landwirte und Ortschaften in Bergkarabach. Außerdem hat Aserbaidschan in den vergangenen Tagen seine Militärpräsenz im bergigen Gelände der Region und an der Grenze zu Armenien erhöht. Russische Friedenstruppen hätten zwar immer wieder eingegriffen und die Soldaten von weiteren Geländegewinnen abgehalten, erklärt Narek Sukiasyan, Politologe bei der Friedrich-Ebert-Stiftung in Armenien. “Die russischen Friedenstruppen werden Aserbaidschan allerdings kaum mit militärischer Stärke entgegentreten, da die beiden eine strategische Allianz verbindet, die die beiden kurz vor dem Ukraine-Krieg geschlossen haben.”
Die Region Bergkarabach ist seit Jahrzehnten umkämpft. Nach dem Zerfall der Sowjetunion Anfang der Neunzigerjahren wurde das Gebiet größtenteils von Armenien kontrolliert. 2007 erklärte Armeniens Regierung das Gebiet zur Republik Artsach, die von Aserbaidschan und der internationalen Gemeinschaft aber nicht anerkannt wird, denn Bergkarabach liegt völkerrechtlich auf aserbaidschanischem Boden. Immer wieder kommt es dort zu Auseinandersetzungen zwischen den Streitkräften beider Länder. Insgesamt kamen seit Beginn der Neunzigerjahre etwa 30.000 Menschen, darunter viele Zivilisten, ums Leben.
Im 44-tägigen Krieg um Bergkarabach von September bis November 2020 wurden rund 5000 Menschen getötet, zudem musste Armenien die Kontrolle über große Teile abgeben. Das von Russland vermittelte Waffenstillstandsabkommen wurde seither immer wieder gebrochen.
Heute leben etwa 120.000 ethnische Armenier in der Region Bergkarabach, deren humanitäre Situation immer prekärer wird: Seit mehr als 100 Tagen blockieren Demonstranten, die sich als Umweltaktivisten ausgeben, den Latschin-Korridor, den einzigen Zugang Armeniens zur Region Bergkarabach. Damit ist der Zugang zu Nahrungsmitteln und Medikamenten abgeschnitten.
Armenien wirft Aserbaidschan eine “langsame ethnische Säuberung” vor, da die Demonstranten von der aserbaidschanischen Regierung geschickt worden sein sollen. Der Internationale Gerichtshof hat am 22. Februar in einem Beschluss Aserbaidschan verpflichtet, “die Sicherheit von Personen, Fahrzeugen und Fracht, die sich entlang des Latchin-Korridors in beide Richtungen bewegen, zu garantieren”. Bislang ist das nicht geschehen.
Armeniens Premierminister Nikol Pashinyan (Partei Zivilvertrag), der sich seit der “Samtenen Revolution” 2018 um Reformprozesse hin zu einer Demokratie bemüht, betont seinerseits seine Bereitschaft zu Friedensgesprächen und Kompromissen, um den Konflikt zu deeskalieren. Auch deshalb, weil Armenien militärisch unterlegen und auf russische Friedenstruppen angewiesen ist, die allerdings aufgrund des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine immer schwächer werden.
Auf die zunehmenden Spannungen reagierten vergangene Woche auch die USA und der Iran. US-Außenminister Anthony Blinken telefonierte sowohl mit Aliyev als auch mit Pashinyan, um seine Unterstützung in den Friedensgesprächen anzubieten. Er betonte, dass es keine militärische Lösung gebe. Die USA haben seit dem Angriff im September ihre Bemühungen um die Beilegung des Konflikts erhöht und sprechen mit beiden Seiten.
Auch der Iran warnt Aliyev vor einer Eskalation. Der stellvertretende iranische Außenminister Ali Bagheri Kani reiste vergangene Woche zu einem zweitägigen Arbeitsbesuch nach Jerewan, um zu beraten, wie die Stabilität in der Region erhalten werden könne. Der Iran steht traditionell auf der Seite Armeniens, verfügt aber nicht über großen Einfluss in der Region. “Dass es in den vergangenen Tagen der Eskalation noch nicht zu einem Großangriff auf Armenien gekommen ist, ist zum Teil dem internationalen Druck aus den USA und dem Iran geschuldet, deren Interessen aus unterschiedlichen Gründen deckungsgleich sind. Doch ihre Möglichkeiten sind begrenzt, keiner von ihnen wird sich militärisch engagieren”, so Sukiasyan.
China Strategie 2023. 3 Stunden, 3 Sessions, 30 Köpfe aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft. Table.Media beleuchtet am 25. April China als Wettbewerber, Rivale und Partner. Die Digital-Konferenz schafft mitten in der aktuellen Debatte Orientierung für Entscheiderinnen und Entscheider.
Die israelische Armeeführung geht auf demonstrierende Reservisten zu. Nach der Entlassung des Verteidigungsministers Joav Galants haben am Montag in Jerusalem abermals tausende Menschen vor der Knesset demonstriert, um die von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu geplante Schwächung der Justiz zu stoppen. Oppositionsführer Jair Lapid bezeichnete Benjamin Netanjahu auf Twitter als “Sicherheitsbedrohung für den Staat Israel”.
Unter den Demonstranten, die seit Wochen gegen das Vorhaben des Kabinetts auf die Straße gehen, sind zahlreiche Reservisten. Diese drohen damit, ihren Dienst zu verweigern, sollte die rechtsreligiöse Koalition in Jerusalem ihr Vorhaben durchsetzen, ihren Einfluss auf die Judikative des Landes auszuweiten. Die sogenannte Justizreform soll nicht mehr zeitnah, sondern erst zur Parlamentspause Ende Juli umgesetzt werden.
Darauf haben sich der Minister für Nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, und Netanjahu am Montag geeinigt. “Ich habe entschieden, die zweite und dritte Lesung in dieser Sitzungsperiode auszusetzen”, sagte Netanjahu am Montag in Jerusalem. Das Gesetzesvorhaben wird damit frühestens Ende April im Parlament zur Abstimmung vorgelegt. Ben-Gvir hatte jüngst noch vehement dafür geworben, ungeachtet der Proteste die Pläne voranzutreiben. Er drohte sogar mit dem eigenen Rücktritt.
Verteidigungsminister Galant hatte sich am Tag vor seiner Entlassung durch Netanjahu besorgt darüber geäußert, dass die Spaltung der Gesellschaft die Moral des Militärs beeinträchtige und Israels Feinde in der Region ermutige. “Ich sehe, wie die Quelle unserer Stärke ausgehöhlt wird”, sagte Galant am Samstag. Israels Generalstabschef Herzi Halevi äußerte am Sonntag ebenfalls Sorge über den Zusammenhalt der Israel Defence Forces (IDF). “Sie treten in einer für die Sicherheit schwierigen Zeit an, in der es viele Herausforderungen gibt”, sagte Halevi vor neuen Rekruten und verwies auf die Bedrohungen durch den Iran, die libanesische Hisbollah, Syrien und palästinensische Terroristen im Gazastreifen und im Westjordanland.
Das israelische Militär kündigte an, dass alle IDF-Befehlshaber in den kommenden Tagen “Gespräche mit ihren Untergebenen, den ständigen und den Reserveangehörigen, führen werden, um den Zusammenhalt der IDF zu stärken und ihre Kompetenz zu erhalten”, hieß es in einer Mitteilung von Sonntag.
Da vor allem die israelische Luftwaffe auf Reservisten angewiesen ist, um einsatzfähig zu bleiben, wächst seit Wochen die Sorge um den Zusammenhalt der israelischen Armee. Israels Generalkonsul in New York, Asaf Zamir, gab nach dem Beschluss Netanjahus am Sonntag seinen Rücktritt bekannt. “Die heute getroffene, gefährliche Entscheidung, den Verteidigungsminister zu feuern, hat mich davon überzeugt, dass ich diese Regierung nicht länger vertreten kann”, schrieb Zamir am Sonntag auf Twitter.
Galant hatte vergangene Woche als erster Minister aus Netanjahus Kabinett eine Aussetzung der Justizreform gefordert, gegen die seit Jahresbeginn Hunderttausende mobil machen. Galant gehört wie Netanjahu dem nationalkonservativen Likud an, der gemeinsam mit rechtsreligiösen und rechtsextremen Parteien die seit Ende Dezember 2022 im Amt befindliche Regierung bildet. In der Knesset verfügt die Regierungskoalition über 64 der 120 Sitze. Zwei Likud-Abgeordnete begrüßten am Wochenende den Schritt Galants, auf die Opposition zuzugehen. mrb
Nur sechs Abgeordnete haben dagegen gestimmt, 182 waren dafür: Nach mehrfachen Verschiebungen ratifizierte das ungarische Parlament am Montag mit überwältigender Mehrheit das Nato-Beitrittsprotokoll für Finnland. Noch vor der Türkei hat Ungarn somit den Weg für Finnlands Nato-Mitgliedschaft frei gemacht.
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan hatte Mitte März dem finnischen Beitritt zugestimmt. Damit könnte das türkische Parlament das finnische Beitrittsprotokoll noch bis Mitte April ratifizieren; dann sind wegen der türkischen Parlamentswahlen am 14. Mai die Sitzungen ausgesetzt. Ungarn und die Türkei sind die beiden einzigen Nato-Staaten, die eine Mitgliedschaft von Finnland und Schweden bislang blockiert hatten. Die ursprüngliche Absicht der beiden nordischen Staaten, “Hand in Hand” in die Nato zu gehen, wird damit aufgegeben.
“Natürlich ist das keine perfekte Situation, aber wir verstehen unseren finnischen Nachbarn”, äußerte sich Hans Wallmark, Vorsitzender der schwedischen Delegation bei der Parlamentarischen Versammlung der Nato. Ein vorzeitiger Beitritt Finnland bedeute in jedem Fall mehr Sicherheit für die gesamte Region. Allerdings müssten die Türkei und Ungarn dem Beitritt Schwedens “spätestens bis zum Nato-Gipfel” im Juli in Vilnius zustimmen. Es könne nicht sein, dass Schweden ein “weißer Fleck” auf der Karte bleibe. Der finnische Präsident Sauli Niinistö erklärte bei seinem Besuch in Ankara Ende Mitte März: “Eine finnische Nato-Mitgliedschaft ist ohne Schweden nicht komplett.”
Eine Einschätzung, die auch die finnische Politikwissenschaftlerin Minna Ålander vom Finish Institut of International Affairs teilt. Dass die Beitritte nacheinander erfolgen, sei “nicht entscheidend”. Wichtig sei, dass die Türkei am Ende zustimme. Für die finnische Regierungskoalition um die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Sanna Marin ist die Nato-Mitgliedschaft mit wahlentscheidend. Am 2. April wird in Finnland ein neues Parlament gewählt. Marins Regierungskoalition aus Linken, Grünen und Liberalen gilt als zerstritten. Das Thema Sicherheit ist eines der wenigen, das alle Regierungsparteien eint. nana
Die ukrainischen Streitkräfte haben aus Deutschland 18 moderne Kampfpanzer Leopard 2A6 für die Abwehr des russischen Angriffs auf ihr Land erhalten. Das bestätigte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Montag in Rotterdam bei einer Pressekonferenz mit dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte. Zusätzlich kamen Munitions- und Ersatzteilpaketen sowie zwei Bergepanzer “Büffel” in der Ukraine an.
Mitte März hatten die Besatzungen der Panzer ihre Ausbildung auf dem Leopard mit einem Gefechtsschießen abgeschlossen. Über den Transport der Panzer hatten Regierungsstellen wie bei anderen Waffensystemen aus Gründen der Geheimhaltung und Sicherheit nichts öffentlich mitgeteilt. Zuerst hatte das Nachrichtenmagazin “Spiegel” über die Ankunft der Panzer berichtet.
Die Bundesregierung hatte am 25. Januar nach längerem innenpolitischen Ringen das Ziel ausgegeben, “rasch zwei Panzer-Bataillone mit Leopard-2-Panzern für die Ukraine zusammenzustellen”. Diese sind in der Ukraine üblicherweise mit jeweils 31 Panzern ausgestattet. Beteiligt an der Initiative sind vor allem Polen sowie Norwegen, Kanada und Spanien. Polen hat der Ukraine im Februar die ersten vier westlichen Kampfpanzer des älteren Typs Leopard 2A4 geliefert. Deutschland stellt der Ukraine die 18 Leopard 2A6, Portugal weitere drei der Waffensysteme.
Experten gehen fest davon aus, dass der Leopard 2 im Gefecht gegen russische Panzertruppen deutlich überlegen ist. Ein Grund ist, dass er eine stabilisierte Waffenanlage hat und damit auch aus laufender Fahrt heraus schießen kann, der von den russischen Streitkräften vielfach eingesetzte T-72 für den Schuss aber stehen muss.
Militärexperten haben wiederholt auf die zentrale Rolle verwiesen, die Kampfpanzer und das Zusammenwirken mit Schützenpanzern bei der Rückeroberung von besetzten Gebieten haben. Mit überlegener Feuerkraft und seiner Feuerleitanlage ist der Leopard in der unmittelbaren Konfrontation mit dem Gegner auf Sicht “duellfähig”. dpa/klm
Noch abhängiger von Moskau, aber sicherer auf seinem Thron: Für den belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko ist die persönliche Macht offenbar wichtiger als die Souveränität des Landes. Als Putins “atomares Kämpferlein” bezeichnet ihn deshalb der belarussische Oppositionelle Pawel Latuschka. Gegenüber Table.Media sagte er: “Die Stationierung von Atomwaffen führt zu mehr Militärangehörigen aus Russland auf dem Territorium von Belarus und verschafft Russland unter dem Vorwand, die Atomwaffen zu schützen, die Möglichkeit, zu jedem Zeitpunkt mit seinen Truppen einzumarschieren.”
Im vergangenen August hatte das belarussische Außenministerium noch erklärt, dass Belarus keine Absicht habe, seinen “atomwaffenfreien Status” zu ändern. Jegliche Verdächtigungen solcher Art entbehrten einer Grundlage. Nun könnte sich das nach den Worten des russischen Präsidenten Wladimir Putin ändern – angeblich auf Bitten von Lukaschenko.
Der ehemalige Kulturminister von Belarus, Pawel Latuschka, vermutet, dass Präsident Lukaschenko mit den Atomwaffen auch nach außen seine Position stärken will. Belarus befindet sich unter Sanktionen der EU und der USA, die bisher jedoch nicht so hart wie gegen Russland ausfallen. Gründe für die Sanktionen sind die Niederschlagungen der demokratischen Bewegung im Sommer 2020 und die Beteiligung am russischen Krieg gegen die Ukraine.
Zum Ende der Sowjetunion sollen sich 3.200 atomare Sprengköpfe für Raketen in Belarus, der Ukraine und Kasachstan befunden haben. Nach dem Zerfall der Sowjetunion verzichteten die drei neuen, unabhängigen Staaten auf eigene Atomwaffen (Budapester Memorandum). Mithilfe der USA und Großbritanniens wurden diese Waffen nach Russland gebracht, wo sie im Rahmen der Verträge START I, START II und New START reduziert wurden. Derzeit bröckelt der bis 2026 gültige New START-Vertrag, weil Russland seine Mitwirkung im Februar einseitig ausgesetzt hat.
Im Juni 2022 verwies das schwedische Friedensforschungsinstitut Sipri darauf, dass die Atommächte ihre Abrüstungsbemühungen beendet hätten und ihre Arsenale modernisierten. Russland verfüge derzeit über 4477 militärisch nutzbare Atomsprengköpfe, die USA über 3708. vf
Russische Ermittler erhöhen den Druck auf Soldaten, die sich dem Krieg verweigern. Vor Gerichten wächst die Zahl entsprechender Fälle. Allein seit der Mobilmachung vom 21. September 2022 sind bei russischen Militärgerichten 536 Fälle registriert worden, in 247 von ihnen sind Urteile gefallen. Zwei Drittel erhalten Bewährungsstrafe und sollen wieder an die Front geschickt werden. Diese Daten ermittelte die russische Exil-Redaktion Meduza.
Es gibt auch Urteile mit langen Strafen, wie etwa den Fall des ehemaligen Majors Michail Schilin. Der ehemalige Angehörige einer Sonderwachmannschaft wurde zu 6,5 Jahren Strafkolonie verurteilt, weil er im vergangenen September mit seiner Familie nach Kasachstan floh und dort um politisches Asyl bat. Auf einen Antrag Russlands wurde er ausgeliefert und vor Gericht gestellt.
“Ja, zu uns kommen Soldaten, die nicht in die Ukraine wollen”, bestätigt eine Beraterin für Verweigerer den Bericht von Meduza. Die Frau möchte anonym bleiben, sie hilft gemeinsam mit anderen Aktivistinnen in einer russischen Metropole Soldaten und deren Familienangehörigen und berät, wie sie dem Kriegsdienst entkommen können. Nach ihren Worten seien es “recht viele Soldaten”, die derzeit um Beratung anfragen. “Es sind Reservisten und auch aktive Soldaten.”
Die Mobilmachung in Russland dauert an. Für ein offizielles Ende muss ein Gesetz erlassen werden, das bisher fehlt. Das russische Verteidigungsministerium erstellt derzeit zudem eine digitale Datenbank mit allen wehrpflichtigen Männern. vf
EVN Report – What Armenia’s UN Votes Tell Us About Its Foreign Policy: Armenien gehört zu den Ländern, die sich bei allen UN-Abstimmungen zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine enthalten haben. In seiner Analyse zeigt Hovhannes Nazaretyan, warum eine Enthaltung bereits viel Mut gegenüber Russland beweise.
Dekoder – Wie groß ist die Wirtschaftskrise in Belarus? Die Wirtschaftsleistung schrumpft, die Emigration wächst, die Repressionen nehmen zu – die Menschen in Belarus zahlen einen hohen Preis für die indirekte Beteiligung des Landes am russischen Krieg. Auf Dekoder erläutern Fachleute, wie westliche Sanktionen Minsk treffen und wie sich das Regime anpasst.
The New York Times – Restoring a Giant Plane: Ukrainian Resilience or Folly? In den ersten Tagen nach Kriegsbeginn wurde die Mryia, das größte Cargo-Flugzeug der Welt, bei einem russischen Angriff zerstört. Noch während der Krieg weitergeht, bauen Ingenieure an einem neuen riesigen Cargo-Jet. Mryia heißt “Der Traum” – doch den einer neuen Mryia haben nicht alle.
Al Jazeera – US air strikes ‘kill 11’ in Syria after drone kills contractor: Nach dem tödlichen Angriff auf eine US-Basis nahe der nordsyrischen Stadt Hassakah hat die US-amerikanische Luftwaffe am Wochenende Stellungen iranischer Milizen in Syrien angegriffen. Mit der Weiterentwicklung der iranischen Drohnen-Flotte nimmt die Gefahr für die US-Truppen in Syrien zu.
Der Spiegel – “Entscheidend ist die Zeitenwende in den Köpfen”: Der neue Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, will vor allem die Prozesse in der Bundeswehr verändern. Die Truppe müsse schneller reagieren können, die Jahre des Downsizing abhaken und die Verwaltung neu denken. Im Interview mit dem Spiegel betont Breuer, dass die Bundeswehr die Landes- und Bündnisverteidigung wieder priorisieren müsse.
Sie ist eine der Ersten, die sich als prominente Grüne in der Panzerdebatte etwas traut. Anfang des Jahres – als sich noch viele in ihrer Partei zieren – erklärte Agnieszka Brugger gegenüber Table.Media: “Wer der Lieferung von Mardern zustimmen kann, kann auch Leopard-Panzer liefern.” Wer die grüne Vize-Fraktionschefin und ihre pazifistische Grundeinstellung kennt, weiß, dass hinter diesem Satz ein langer Lernprozess liegt.
Der allerdings hat nicht erst mit Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine begonnen: “Auch wenn ich immer noch extrem kritisch bei Rüstungsexporten bin. An einer Stelle habe ich nun meine Meinung geändert: Wenn ein verbündeter, demokratischer und friedliebender Staat von einem anderen bedroht ist, sollten wir Waffen nicht erst liefern, nachdem der Angriff erfolgt ist, sondern deutlich früher.”
Waffenlieferungen? In ein Krisengebiet? Brugger, seit 2009 Mitglied des Bundestages, ist sich bewusst, was sie vielen Mitgliedern ihrer Partei da zumutet. Auch in ihrem Wahlkreis Ravensburg im “grünen Ländle” Baden-Württemberg, wo viele den Idealen der Friedensbewegung der 80er Jahre anhängen. Dann erklärt sie – gern auch laut und emotional -, warum Waffenlieferungen notwendig sind. Übrigens auch, wenn der Krieg einmal zu Ende sein wird. Am Ende steht dann meistens der Satz: “Links und vernünftig sein, schließt sich nicht aus.”
Wieder so eine Äußerung, die zeigt, dass die Aufteilung der grünen Welt in “Fundis” und “Realos” heute nicht mehr funktioniert. Bei Brugger, die seit zehn Jahren im Verteidigungsausschuss sitzt, hat er vielleicht noch nie funktioniert. Schon 2013, mit 28 Jahren, ist sie Sprecherin ihrer Partei für Sicherheitspolitik und Abrüstung. Da fordert sie noch mit Verve den Abzug der US-Atomwaffen von deutschem Boden und spricht sich gegen die Bewaffnung von Drohnen aus. Beide Positionen – siehe Koalitionsvertrag – haben die Grünen kassiert. Ganz vorne mit dabei: Agnieszka Brugger.
Aber sie ist schon damals keine, die sich versteckt. Ihr Markenzeichen: Knallrote Haare und Lippenpiercing. Gern auch Kleider und hohe Absätze. Es dauert nur ein paar Jahre, da kennt man sie in der Bundeswehr. Aber nicht wegen ihres Outfits, sondern weil sie präsent ist und sich akribisch in alle Belange der Armee einarbeitet. Sie gilt – auch beim politischen Gegner – als eine der versiertesten Verteidigungspolitikerinnen ihrer Partei.
Dass Brugger, geboren 1985 im polnischen Legnica, ihre Haltung gegenüber Waffenlieferungen so rigoros geändert hat, liegt vielleicht auch an ihrer Herkunft. Mit ihren Eltern ist sie kurz vor dem Mauerfall 1989 nach Deutschland gekommen. Sie ist in Dortmund aufgewachsen, hat hier 2004 ihr Abitur auf einer katholischen Schule gemacht. Mit neunzehn wird sie Mitglied der Grünen, weil “Selbstbestimmung und Friedenspolitik” ihr wichtig sind. Mit 24 zieht sie als damals jüngste Abgeordnete in den Bundestag ein. “Ich musste viel lernen”, bekennt sie heute. Was sie nicht verloren hat, so resümiert sie heute, sei ihr Bauchgefühl: “In Bezug auf Russland habe ich nie zu den Tauben gezählt.”
Überhaupt geht sie gern ihren eignen Weg. Sie bekennt sich bei aller Kritik an der Kirche zu ihrem katholischen Glauben, heiratet in Weiß und nimmt sich das Recht heraus, den Namen ihres Mannes anzunehmen. In ihrer Jugend meldet sie sich in einem Box-Club an, besteht und zieht andere Mädchen nach sich. “Mein erster frauenpolitischer Erfolg.”
Ihr – vorerst – letzter: Auf ihr massives Drängen hin stand die Forderung nach einer “Feminist Foreign Policy” im Koalitionsvertrag, dort allerdings noch in der englischen Version. Darauf hatte die FDP bestanden. Das “F-Wort” hat viele FDP-Granden in Erregung versetzt, nicht zuletzt den designierten neuen deutschen Botschafter in Moskau, Vize-Fraktionschef Alexander Graf Lambsdorff. Hinter vorgehaltener Hand fiel das Wort “Gedöns”.
Für Brugger sind die Leitlinien zur Feministischen Außenpolitik, die Außenministerin Annalena Baerbock Anfang März veröffentlicht, ein “Meilenstein”. Denn es gehe nicht nur um Frauen, sondern um alle benachteiligten Gruppen. “Niemand muss Angst vor feministischer Außenpolitik haben”, erklärt Brugger mit einem Seitenhieb auf den Koalitionspartner. Ihr Wunsch allerdings, als Ampel einen gemeinsamen Antrag zur Feministischen Außenpolitik (FA) im Parlament zu verabschieden, ist erst einmal gescheitert. Aber das schreckt die gewiefte Taktikerin nicht ab: “Wir als Ampel-Koalition sollten im Bundestag ein gemeinsames Verständnis von FA entwickeln. Dafür gehe ich auch mit meinem lieben Kollegen Alexander Graf Lambsdorff einen trinken.”
Noch ein letztes Wort zu Waffenlieferungen, vielleicht auch von Kampfjets in die Ukraine. Und für alle, die Agnieszka Brugger noch nicht verstanden haben: “Ich halte nichts davon, immer wieder rote Linien zu ziehen, denn wir wissen nicht, wo wir in ein paar Monaten sein werden.” Nana Brink
Markus Bickel ist mein Name, ich leite künftig das Team des Security.Table – und freue mich sehr, Ihnen gemeinsam mit meinem Team weiter exklusiv Analysen, Interviews und Debattenbeiträge zu Fragen nationaler und internationaler Sicherheitspolitik zu liefern.
Als Auslandskorrespondent unter anderem für die F.A.Z. war ich in den vergangenen beiden Jahrzehnten an einigen Konfliktherden stationiert, die für die Sicherheit Deutschlands und Europas von Belang sind: Sarajevo, Beirut, Kairo, Tel Aviv. Bitte schreiben Sie mir, worauf wir uns aus Ihrer Sicht stärker fokussieren könnten, thematisch wie regional, ich freue mich über Ihre Post: markus.bickel@table.media.
In Bergkarabach wächst derzeit erneut die Nervosität: Beobachter fürchten einen erneuten Waffengang zwischen Armenien und Aserbaidschan rund um die seit dem Ende der Sowjetunion immer wieder umkämpfte Region und eine weitere Ausweitung des Konflikts auf armenischen Boden. Lisa-Martina Klein hat das Spannungsgebiet im Osten Armeniens besucht, wo erst im vergangenen September Dutzende Menschen bei Gefechten ums Leben gekommen sind.
Nana Brink hat die stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grüne getroffen und dabei erfahren, dass nach der Lieferung von Kampfpanzern vielleicht auch Kampfjets an die Ukraine auf der Tagesordnung stehen könnten: “Ich halte nichts davon, immer wieder rote Linien zu ziehen, denn wir wissen nicht, wo wir in ein paar Monaten sein werden.”
Als jüngste Abgeordnete des Bundestags war die Grüne Agnieszka Brugger 2009 noch eher zurückhaltend, was Waffenlieferungen anbelangte – insbesondere in Krisengebiete. Dass die versierte Verteidigungspolitikerin diese Position angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine radikal geändert hat, liegt möglicherweise an ihrer persönlichen Geschichte: 1985 in Polen geboren, kam sie kurz vor dem Fall der Mauer mit ihren Eltern nach Deutschland, Umbrüche ist sie also gewöhnt.
Eine aufschlussreiche Lektüre wünscht
Es droht eine neue Eskalation im Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan. Das aserbaidschanische Verteidigungsministerium hat Armenien vergangene Woche mehrfach vorgeworfen, illegal Waffen, Munition sowie Treibstoff und Nahrungsmittel in die Region Bergkarabach zu schaffen und dort neue Straßen zu bauen, und so einen Krieg zu provozieren.
“Wir erklären, dass die militärisch-politische Führung [Armeniens] die volle Verantwortung für solche Provokationen und illegalen Aktivitäten von Armenien und deren mögliche Folgen für Menschenleben trägt”, heißt es in der Mitteilung.
Die Spannungen zwischen den beiden südkaukasischen Ländern sind so hoch wie seit September 2022 nicht mehr. Damals waren bei Raketen-Angriffen auf armenische Ortschaften Dutzende Menschen getötet worden. Der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev will einen Transport-Korridor zur aserbaidschanischen Exklave Nachitschewan schaffen, das südwestlich von Armenien liegt. Damit hätte das Land eine direkte Verbindung zum Verbündeten Türkei.
Seit vergangener Woche mehren sich die Meldungen über aserbaidschanische Angriffe auf armenische Landwirte und Ortschaften in Bergkarabach. Außerdem hat Aserbaidschan in den vergangenen Tagen seine Militärpräsenz im bergigen Gelände der Region und an der Grenze zu Armenien erhöht. Russische Friedenstruppen hätten zwar immer wieder eingegriffen und die Soldaten von weiteren Geländegewinnen abgehalten, erklärt Narek Sukiasyan, Politologe bei der Friedrich-Ebert-Stiftung in Armenien. “Die russischen Friedenstruppen werden Aserbaidschan allerdings kaum mit militärischer Stärke entgegentreten, da die beiden eine strategische Allianz verbindet, die die beiden kurz vor dem Ukraine-Krieg geschlossen haben.”
Die Region Bergkarabach ist seit Jahrzehnten umkämpft. Nach dem Zerfall der Sowjetunion Anfang der Neunzigerjahren wurde das Gebiet größtenteils von Armenien kontrolliert. 2007 erklärte Armeniens Regierung das Gebiet zur Republik Artsach, die von Aserbaidschan und der internationalen Gemeinschaft aber nicht anerkannt wird, denn Bergkarabach liegt völkerrechtlich auf aserbaidschanischem Boden. Immer wieder kommt es dort zu Auseinandersetzungen zwischen den Streitkräften beider Länder. Insgesamt kamen seit Beginn der Neunzigerjahre etwa 30.000 Menschen, darunter viele Zivilisten, ums Leben.
Im 44-tägigen Krieg um Bergkarabach von September bis November 2020 wurden rund 5000 Menschen getötet, zudem musste Armenien die Kontrolle über große Teile abgeben. Das von Russland vermittelte Waffenstillstandsabkommen wurde seither immer wieder gebrochen.
Heute leben etwa 120.000 ethnische Armenier in der Region Bergkarabach, deren humanitäre Situation immer prekärer wird: Seit mehr als 100 Tagen blockieren Demonstranten, die sich als Umweltaktivisten ausgeben, den Latschin-Korridor, den einzigen Zugang Armeniens zur Region Bergkarabach. Damit ist der Zugang zu Nahrungsmitteln und Medikamenten abgeschnitten.
Armenien wirft Aserbaidschan eine “langsame ethnische Säuberung” vor, da die Demonstranten von der aserbaidschanischen Regierung geschickt worden sein sollen. Der Internationale Gerichtshof hat am 22. Februar in einem Beschluss Aserbaidschan verpflichtet, “die Sicherheit von Personen, Fahrzeugen und Fracht, die sich entlang des Latchin-Korridors in beide Richtungen bewegen, zu garantieren”. Bislang ist das nicht geschehen.
Armeniens Premierminister Nikol Pashinyan (Partei Zivilvertrag), der sich seit der “Samtenen Revolution” 2018 um Reformprozesse hin zu einer Demokratie bemüht, betont seinerseits seine Bereitschaft zu Friedensgesprächen und Kompromissen, um den Konflikt zu deeskalieren. Auch deshalb, weil Armenien militärisch unterlegen und auf russische Friedenstruppen angewiesen ist, die allerdings aufgrund des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine immer schwächer werden.
Auf die zunehmenden Spannungen reagierten vergangene Woche auch die USA und der Iran. US-Außenminister Anthony Blinken telefonierte sowohl mit Aliyev als auch mit Pashinyan, um seine Unterstützung in den Friedensgesprächen anzubieten. Er betonte, dass es keine militärische Lösung gebe. Die USA haben seit dem Angriff im September ihre Bemühungen um die Beilegung des Konflikts erhöht und sprechen mit beiden Seiten.
Auch der Iran warnt Aliyev vor einer Eskalation. Der stellvertretende iranische Außenminister Ali Bagheri Kani reiste vergangene Woche zu einem zweitägigen Arbeitsbesuch nach Jerewan, um zu beraten, wie die Stabilität in der Region erhalten werden könne. Der Iran steht traditionell auf der Seite Armeniens, verfügt aber nicht über großen Einfluss in der Region. “Dass es in den vergangenen Tagen der Eskalation noch nicht zu einem Großangriff auf Armenien gekommen ist, ist zum Teil dem internationalen Druck aus den USA und dem Iran geschuldet, deren Interessen aus unterschiedlichen Gründen deckungsgleich sind. Doch ihre Möglichkeiten sind begrenzt, keiner von ihnen wird sich militärisch engagieren”, so Sukiasyan.
China Strategie 2023. 3 Stunden, 3 Sessions, 30 Köpfe aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft. Table.Media beleuchtet am 25. April China als Wettbewerber, Rivale und Partner. Die Digital-Konferenz schafft mitten in der aktuellen Debatte Orientierung für Entscheiderinnen und Entscheider.
Die israelische Armeeführung geht auf demonstrierende Reservisten zu. Nach der Entlassung des Verteidigungsministers Joav Galants haben am Montag in Jerusalem abermals tausende Menschen vor der Knesset demonstriert, um die von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu geplante Schwächung der Justiz zu stoppen. Oppositionsführer Jair Lapid bezeichnete Benjamin Netanjahu auf Twitter als “Sicherheitsbedrohung für den Staat Israel”.
Unter den Demonstranten, die seit Wochen gegen das Vorhaben des Kabinetts auf die Straße gehen, sind zahlreiche Reservisten. Diese drohen damit, ihren Dienst zu verweigern, sollte die rechtsreligiöse Koalition in Jerusalem ihr Vorhaben durchsetzen, ihren Einfluss auf die Judikative des Landes auszuweiten. Die sogenannte Justizreform soll nicht mehr zeitnah, sondern erst zur Parlamentspause Ende Juli umgesetzt werden.
Darauf haben sich der Minister für Nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, und Netanjahu am Montag geeinigt. “Ich habe entschieden, die zweite und dritte Lesung in dieser Sitzungsperiode auszusetzen”, sagte Netanjahu am Montag in Jerusalem. Das Gesetzesvorhaben wird damit frühestens Ende April im Parlament zur Abstimmung vorgelegt. Ben-Gvir hatte jüngst noch vehement dafür geworben, ungeachtet der Proteste die Pläne voranzutreiben. Er drohte sogar mit dem eigenen Rücktritt.
Verteidigungsminister Galant hatte sich am Tag vor seiner Entlassung durch Netanjahu besorgt darüber geäußert, dass die Spaltung der Gesellschaft die Moral des Militärs beeinträchtige und Israels Feinde in der Region ermutige. “Ich sehe, wie die Quelle unserer Stärke ausgehöhlt wird”, sagte Galant am Samstag. Israels Generalstabschef Herzi Halevi äußerte am Sonntag ebenfalls Sorge über den Zusammenhalt der Israel Defence Forces (IDF). “Sie treten in einer für die Sicherheit schwierigen Zeit an, in der es viele Herausforderungen gibt”, sagte Halevi vor neuen Rekruten und verwies auf die Bedrohungen durch den Iran, die libanesische Hisbollah, Syrien und palästinensische Terroristen im Gazastreifen und im Westjordanland.
Das israelische Militär kündigte an, dass alle IDF-Befehlshaber in den kommenden Tagen “Gespräche mit ihren Untergebenen, den ständigen und den Reserveangehörigen, führen werden, um den Zusammenhalt der IDF zu stärken und ihre Kompetenz zu erhalten”, hieß es in einer Mitteilung von Sonntag.
Da vor allem die israelische Luftwaffe auf Reservisten angewiesen ist, um einsatzfähig zu bleiben, wächst seit Wochen die Sorge um den Zusammenhalt der israelischen Armee. Israels Generalkonsul in New York, Asaf Zamir, gab nach dem Beschluss Netanjahus am Sonntag seinen Rücktritt bekannt. “Die heute getroffene, gefährliche Entscheidung, den Verteidigungsminister zu feuern, hat mich davon überzeugt, dass ich diese Regierung nicht länger vertreten kann”, schrieb Zamir am Sonntag auf Twitter.
Galant hatte vergangene Woche als erster Minister aus Netanjahus Kabinett eine Aussetzung der Justizreform gefordert, gegen die seit Jahresbeginn Hunderttausende mobil machen. Galant gehört wie Netanjahu dem nationalkonservativen Likud an, der gemeinsam mit rechtsreligiösen und rechtsextremen Parteien die seit Ende Dezember 2022 im Amt befindliche Regierung bildet. In der Knesset verfügt die Regierungskoalition über 64 der 120 Sitze. Zwei Likud-Abgeordnete begrüßten am Wochenende den Schritt Galants, auf die Opposition zuzugehen. mrb
Nur sechs Abgeordnete haben dagegen gestimmt, 182 waren dafür: Nach mehrfachen Verschiebungen ratifizierte das ungarische Parlament am Montag mit überwältigender Mehrheit das Nato-Beitrittsprotokoll für Finnland. Noch vor der Türkei hat Ungarn somit den Weg für Finnlands Nato-Mitgliedschaft frei gemacht.
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan hatte Mitte März dem finnischen Beitritt zugestimmt. Damit könnte das türkische Parlament das finnische Beitrittsprotokoll noch bis Mitte April ratifizieren; dann sind wegen der türkischen Parlamentswahlen am 14. Mai die Sitzungen ausgesetzt. Ungarn und die Türkei sind die beiden einzigen Nato-Staaten, die eine Mitgliedschaft von Finnland und Schweden bislang blockiert hatten. Die ursprüngliche Absicht der beiden nordischen Staaten, “Hand in Hand” in die Nato zu gehen, wird damit aufgegeben.
“Natürlich ist das keine perfekte Situation, aber wir verstehen unseren finnischen Nachbarn”, äußerte sich Hans Wallmark, Vorsitzender der schwedischen Delegation bei der Parlamentarischen Versammlung der Nato. Ein vorzeitiger Beitritt Finnland bedeute in jedem Fall mehr Sicherheit für die gesamte Region. Allerdings müssten die Türkei und Ungarn dem Beitritt Schwedens “spätestens bis zum Nato-Gipfel” im Juli in Vilnius zustimmen. Es könne nicht sein, dass Schweden ein “weißer Fleck” auf der Karte bleibe. Der finnische Präsident Sauli Niinistö erklärte bei seinem Besuch in Ankara Ende Mitte März: “Eine finnische Nato-Mitgliedschaft ist ohne Schweden nicht komplett.”
Eine Einschätzung, die auch die finnische Politikwissenschaftlerin Minna Ålander vom Finish Institut of International Affairs teilt. Dass die Beitritte nacheinander erfolgen, sei “nicht entscheidend”. Wichtig sei, dass die Türkei am Ende zustimme. Für die finnische Regierungskoalition um die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Sanna Marin ist die Nato-Mitgliedschaft mit wahlentscheidend. Am 2. April wird in Finnland ein neues Parlament gewählt. Marins Regierungskoalition aus Linken, Grünen und Liberalen gilt als zerstritten. Das Thema Sicherheit ist eines der wenigen, das alle Regierungsparteien eint. nana
Die ukrainischen Streitkräfte haben aus Deutschland 18 moderne Kampfpanzer Leopard 2A6 für die Abwehr des russischen Angriffs auf ihr Land erhalten. Das bestätigte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Montag in Rotterdam bei einer Pressekonferenz mit dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte. Zusätzlich kamen Munitions- und Ersatzteilpaketen sowie zwei Bergepanzer “Büffel” in der Ukraine an.
Mitte März hatten die Besatzungen der Panzer ihre Ausbildung auf dem Leopard mit einem Gefechtsschießen abgeschlossen. Über den Transport der Panzer hatten Regierungsstellen wie bei anderen Waffensystemen aus Gründen der Geheimhaltung und Sicherheit nichts öffentlich mitgeteilt. Zuerst hatte das Nachrichtenmagazin “Spiegel” über die Ankunft der Panzer berichtet.
Die Bundesregierung hatte am 25. Januar nach längerem innenpolitischen Ringen das Ziel ausgegeben, “rasch zwei Panzer-Bataillone mit Leopard-2-Panzern für die Ukraine zusammenzustellen”. Diese sind in der Ukraine üblicherweise mit jeweils 31 Panzern ausgestattet. Beteiligt an der Initiative sind vor allem Polen sowie Norwegen, Kanada und Spanien. Polen hat der Ukraine im Februar die ersten vier westlichen Kampfpanzer des älteren Typs Leopard 2A4 geliefert. Deutschland stellt der Ukraine die 18 Leopard 2A6, Portugal weitere drei der Waffensysteme.
Experten gehen fest davon aus, dass der Leopard 2 im Gefecht gegen russische Panzertruppen deutlich überlegen ist. Ein Grund ist, dass er eine stabilisierte Waffenanlage hat und damit auch aus laufender Fahrt heraus schießen kann, der von den russischen Streitkräften vielfach eingesetzte T-72 für den Schuss aber stehen muss.
Militärexperten haben wiederholt auf die zentrale Rolle verwiesen, die Kampfpanzer und das Zusammenwirken mit Schützenpanzern bei der Rückeroberung von besetzten Gebieten haben. Mit überlegener Feuerkraft und seiner Feuerleitanlage ist der Leopard in der unmittelbaren Konfrontation mit dem Gegner auf Sicht “duellfähig”. dpa/klm
Noch abhängiger von Moskau, aber sicherer auf seinem Thron: Für den belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko ist die persönliche Macht offenbar wichtiger als die Souveränität des Landes. Als Putins “atomares Kämpferlein” bezeichnet ihn deshalb der belarussische Oppositionelle Pawel Latuschka. Gegenüber Table.Media sagte er: “Die Stationierung von Atomwaffen führt zu mehr Militärangehörigen aus Russland auf dem Territorium von Belarus und verschafft Russland unter dem Vorwand, die Atomwaffen zu schützen, die Möglichkeit, zu jedem Zeitpunkt mit seinen Truppen einzumarschieren.”
Im vergangenen August hatte das belarussische Außenministerium noch erklärt, dass Belarus keine Absicht habe, seinen “atomwaffenfreien Status” zu ändern. Jegliche Verdächtigungen solcher Art entbehrten einer Grundlage. Nun könnte sich das nach den Worten des russischen Präsidenten Wladimir Putin ändern – angeblich auf Bitten von Lukaschenko.
Der ehemalige Kulturminister von Belarus, Pawel Latuschka, vermutet, dass Präsident Lukaschenko mit den Atomwaffen auch nach außen seine Position stärken will. Belarus befindet sich unter Sanktionen der EU und der USA, die bisher jedoch nicht so hart wie gegen Russland ausfallen. Gründe für die Sanktionen sind die Niederschlagungen der demokratischen Bewegung im Sommer 2020 und die Beteiligung am russischen Krieg gegen die Ukraine.
Zum Ende der Sowjetunion sollen sich 3.200 atomare Sprengköpfe für Raketen in Belarus, der Ukraine und Kasachstan befunden haben. Nach dem Zerfall der Sowjetunion verzichteten die drei neuen, unabhängigen Staaten auf eigene Atomwaffen (Budapester Memorandum). Mithilfe der USA und Großbritanniens wurden diese Waffen nach Russland gebracht, wo sie im Rahmen der Verträge START I, START II und New START reduziert wurden. Derzeit bröckelt der bis 2026 gültige New START-Vertrag, weil Russland seine Mitwirkung im Februar einseitig ausgesetzt hat.
Im Juni 2022 verwies das schwedische Friedensforschungsinstitut Sipri darauf, dass die Atommächte ihre Abrüstungsbemühungen beendet hätten und ihre Arsenale modernisierten. Russland verfüge derzeit über 4477 militärisch nutzbare Atomsprengköpfe, die USA über 3708. vf
Russische Ermittler erhöhen den Druck auf Soldaten, die sich dem Krieg verweigern. Vor Gerichten wächst die Zahl entsprechender Fälle. Allein seit der Mobilmachung vom 21. September 2022 sind bei russischen Militärgerichten 536 Fälle registriert worden, in 247 von ihnen sind Urteile gefallen. Zwei Drittel erhalten Bewährungsstrafe und sollen wieder an die Front geschickt werden. Diese Daten ermittelte die russische Exil-Redaktion Meduza.
Es gibt auch Urteile mit langen Strafen, wie etwa den Fall des ehemaligen Majors Michail Schilin. Der ehemalige Angehörige einer Sonderwachmannschaft wurde zu 6,5 Jahren Strafkolonie verurteilt, weil er im vergangenen September mit seiner Familie nach Kasachstan floh und dort um politisches Asyl bat. Auf einen Antrag Russlands wurde er ausgeliefert und vor Gericht gestellt.
“Ja, zu uns kommen Soldaten, die nicht in die Ukraine wollen”, bestätigt eine Beraterin für Verweigerer den Bericht von Meduza. Die Frau möchte anonym bleiben, sie hilft gemeinsam mit anderen Aktivistinnen in einer russischen Metropole Soldaten und deren Familienangehörigen und berät, wie sie dem Kriegsdienst entkommen können. Nach ihren Worten seien es “recht viele Soldaten”, die derzeit um Beratung anfragen. “Es sind Reservisten und auch aktive Soldaten.”
Die Mobilmachung in Russland dauert an. Für ein offizielles Ende muss ein Gesetz erlassen werden, das bisher fehlt. Das russische Verteidigungsministerium erstellt derzeit zudem eine digitale Datenbank mit allen wehrpflichtigen Männern. vf
EVN Report – What Armenia’s UN Votes Tell Us About Its Foreign Policy: Armenien gehört zu den Ländern, die sich bei allen UN-Abstimmungen zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine enthalten haben. In seiner Analyse zeigt Hovhannes Nazaretyan, warum eine Enthaltung bereits viel Mut gegenüber Russland beweise.
Dekoder – Wie groß ist die Wirtschaftskrise in Belarus? Die Wirtschaftsleistung schrumpft, die Emigration wächst, die Repressionen nehmen zu – die Menschen in Belarus zahlen einen hohen Preis für die indirekte Beteiligung des Landes am russischen Krieg. Auf Dekoder erläutern Fachleute, wie westliche Sanktionen Minsk treffen und wie sich das Regime anpasst.
The New York Times – Restoring a Giant Plane: Ukrainian Resilience or Folly? In den ersten Tagen nach Kriegsbeginn wurde die Mryia, das größte Cargo-Flugzeug der Welt, bei einem russischen Angriff zerstört. Noch während der Krieg weitergeht, bauen Ingenieure an einem neuen riesigen Cargo-Jet. Mryia heißt “Der Traum” – doch den einer neuen Mryia haben nicht alle.
Al Jazeera – US air strikes ‘kill 11’ in Syria after drone kills contractor: Nach dem tödlichen Angriff auf eine US-Basis nahe der nordsyrischen Stadt Hassakah hat die US-amerikanische Luftwaffe am Wochenende Stellungen iranischer Milizen in Syrien angegriffen. Mit der Weiterentwicklung der iranischen Drohnen-Flotte nimmt die Gefahr für die US-Truppen in Syrien zu.
Der Spiegel – “Entscheidend ist die Zeitenwende in den Köpfen”: Der neue Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, will vor allem die Prozesse in der Bundeswehr verändern. Die Truppe müsse schneller reagieren können, die Jahre des Downsizing abhaken und die Verwaltung neu denken. Im Interview mit dem Spiegel betont Breuer, dass die Bundeswehr die Landes- und Bündnisverteidigung wieder priorisieren müsse.
Sie ist eine der Ersten, die sich als prominente Grüne in der Panzerdebatte etwas traut. Anfang des Jahres – als sich noch viele in ihrer Partei zieren – erklärte Agnieszka Brugger gegenüber Table.Media: “Wer der Lieferung von Mardern zustimmen kann, kann auch Leopard-Panzer liefern.” Wer die grüne Vize-Fraktionschefin und ihre pazifistische Grundeinstellung kennt, weiß, dass hinter diesem Satz ein langer Lernprozess liegt.
Der allerdings hat nicht erst mit Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine begonnen: “Auch wenn ich immer noch extrem kritisch bei Rüstungsexporten bin. An einer Stelle habe ich nun meine Meinung geändert: Wenn ein verbündeter, demokratischer und friedliebender Staat von einem anderen bedroht ist, sollten wir Waffen nicht erst liefern, nachdem der Angriff erfolgt ist, sondern deutlich früher.”
Waffenlieferungen? In ein Krisengebiet? Brugger, seit 2009 Mitglied des Bundestages, ist sich bewusst, was sie vielen Mitgliedern ihrer Partei da zumutet. Auch in ihrem Wahlkreis Ravensburg im “grünen Ländle” Baden-Württemberg, wo viele den Idealen der Friedensbewegung der 80er Jahre anhängen. Dann erklärt sie – gern auch laut und emotional -, warum Waffenlieferungen notwendig sind. Übrigens auch, wenn der Krieg einmal zu Ende sein wird. Am Ende steht dann meistens der Satz: “Links und vernünftig sein, schließt sich nicht aus.”
Wieder so eine Äußerung, die zeigt, dass die Aufteilung der grünen Welt in “Fundis” und “Realos” heute nicht mehr funktioniert. Bei Brugger, die seit zehn Jahren im Verteidigungsausschuss sitzt, hat er vielleicht noch nie funktioniert. Schon 2013, mit 28 Jahren, ist sie Sprecherin ihrer Partei für Sicherheitspolitik und Abrüstung. Da fordert sie noch mit Verve den Abzug der US-Atomwaffen von deutschem Boden und spricht sich gegen die Bewaffnung von Drohnen aus. Beide Positionen – siehe Koalitionsvertrag – haben die Grünen kassiert. Ganz vorne mit dabei: Agnieszka Brugger.
Aber sie ist schon damals keine, die sich versteckt. Ihr Markenzeichen: Knallrote Haare und Lippenpiercing. Gern auch Kleider und hohe Absätze. Es dauert nur ein paar Jahre, da kennt man sie in der Bundeswehr. Aber nicht wegen ihres Outfits, sondern weil sie präsent ist und sich akribisch in alle Belange der Armee einarbeitet. Sie gilt – auch beim politischen Gegner – als eine der versiertesten Verteidigungspolitikerinnen ihrer Partei.
Dass Brugger, geboren 1985 im polnischen Legnica, ihre Haltung gegenüber Waffenlieferungen so rigoros geändert hat, liegt vielleicht auch an ihrer Herkunft. Mit ihren Eltern ist sie kurz vor dem Mauerfall 1989 nach Deutschland gekommen. Sie ist in Dortmund aufgewachsen, hat hier 2004 ihr Abitur auf einer katholischen Schule gemacht. Mit neunzehn wird sie Mitglied der Grünen, weil “Selbstbestimmung und Friedenspolitik” ihr wichtig sind. Mit 24 zieht sie als damals jüngste Abgeordnete in den Bundestag ein. “Ich musste viel lernen”, bekennt sie heute. Was sie nicht verloren hat, so resümiert sie heute, sei ihr Bauchgefühl: “In Bezug auf Russland habe ich nie zu den Tauben gezählt.”
Überhaupt geht sie gern ihren eignen Weg. Sie bekennt sich bei aller Kritik an der Kirche zu ihrem katholischen Glauben, heiratet in Weiß und nimmt sich das Recht heraus, den Namen ihres Mannes anzunehmen. In ihrer Jugend meldet sie sich in einem Box-Club an, besteht und zieht andere Mädchen nach sich. “Mein erster frauenpolitischer Erfolg.”
Ihr – vorerst – letzter: Auf ihr massives Drängen hin stand die Forderung nach einer “Feminist Foreign Policy” im Koalitionsvertrag, dort allerdings noch in der englischen Version. Darauf hatte die FDP bestanden. Das “F-Wort” hat viele FDP-Granden in Erregung versetzt, nicht zuletzt den designierten neuen deutschen Botschafter in Moskau, Vize-Fraktionschef Alexander Graf Lambsdorff. Hinter vorgehaltener Hand fiel das Wort “Gedöns”.
Für Brugger sind die Leitlinien zur Feministischen Außenpolitik, die Außenministerin Annalena Baerbock Anfang März veröffentlicht, ein “Meilenstein”. Denn es gehe nicht nur um Frauen, sondern um alle benachteiligten Gruppen. “Niemand muss Angst vor feministischer Außenpolitik haben”, erklärt Brugger mit einem Seitenhieb auf den Koalitionspartner. Ihr Wunsch allerdings, als Ampel einen gemeinsamen Antrag zur Feministischen Außenpolitik (FA) im Parlament zu verabschieden, ist erst einmal gescheitert. Aber das schreckt die gewiefte Taktikerin nicht ab: “Wir als Ampel-Koalition sollten im Bundestag ein gemeinsames Verständnis von FA entwickeln. Dafür gehe ich auch mit meinem lieben Kollegen Alexander Graf Lambsdorff einen trinken.”
Noch ein letztes Wort zu Waffenlieferungen, vielleicht auch von Kampfjets in die Ukraine. Und für alle, die Agnieszka Brugger noch nicht verstanden haben: “Ich halte nichts davon, immer wieder rote Linien zu ziehen, denn wir wissen nicht, wo wir in ein paar Monaten sein werden.” Nana Brink