die Ukraine meldete am Donnerstag erneut den Beschuss ziviler Wohnhäuser durch russische Raketen und Drohnen. Nichts braucht das Land derzeit so sehr wie bessere Luftverteidigung. Doch zusätzliche Unterstützung aus Deutschland ist kurzfristig nicht in Sicht. Denn nach dem Streit über weitere drei Milliarden Euro für die Ukraine-Hilfe wird es höchstwahrscheinlich heute keine Entscheidung darüber mehr im Bundestag geben – zumindest laut der Tagesordnung vom Donnerstagabend. Dafür steht aber das Artikelgesetz zur Abstimmung an, der unter anderem die Bedingungen für die Brigade Litauen regelt.
Russland hat nach 2015, als besonders viele Menschen in Europa Schutz vor Krieg und Hunger suchten, über soziale Medien und über einzelne Parteien Einfluss auf die Politik in der EU genommen. Nur drei Wochen vor der Bundestagswahl steigt das Risiko weiter, dass Moskau in der aufgeheizten Stimmung in der Deutschland rund um das Thema Migration wieder mitmischen will. Wie genau – das zeigen Wilhelmine Preußen und Anouk Schlung in ihrer Analyse.
Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr gehören inzwischen zum festen Teil des sogenannten Internationalen Krisenmanagements. Regelmäßig erteilt das deutsche Parlament ihnen dafür das Mandat, beschließt neue oder verlängert bestehende Missionen. Welche das sind, wo sie sind und was genau die Aufgabe ist – diesen Überblick liefert Ihnen Thomas Wiegold.
Empfehlen möchten wir Ihnen auch unsere Standpunkt-Serie zur Zeitenwende. Ausgewiesene Expertinnen und Experten prüfen hier kritisch, ob die Zeitenwende in ihrem Fachgebiet endlich angekommen ist. Heute geht es um die digitale Zukunft der Bundeswehr.
Eine interessante Lektüre wünscht Ihnen
Spionage, Sabotage, Cyberattacken – vor den Bundestagswahlen warnen die deutschen Nachrichtendienste vor ausländischen Einflussversuchen, vor allem aus Russland. Immer deutlicher wird: Es geht in erster Linie um Informationsmanipulation in den sozialen Netzwerken. Die Trennlinien zwischen Sicherheits- und Gesellschaftspolitik verschwimmen zunehmend.
Moskau wolle Unsicherheiten und Spaltungslinien in der deutschen Gesellschaft erzeugen oder vertiefen, die Bereitschaft für die Unterstützung der Ukraine mindern und so Einfluss nehmen auf politische Entscheidungen, schreibt das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in einer Infobroschüre zur Bundestagswahl. Die Nachrichtendienste betonen immer wieder: Es gibt kaum ein Land, das sich für diese Einflussnahme so sehr lohnt wie Europas größte Wirtschaftsmacht Deutschland.
Die technische Sicherheit der Bundestagswahl selbst ist aus Sicht der Behörden weniger in Gefahr, denn sie wird nach wie vor analog, also im Wahllokal oder per Briefwahl, durchgeführt.
Stattdessen geht es um russische Einflussoperationen wie “Storm-1516“, die in den vergangenen drei Monaten insgesamt 100 Fake-Nachrichtenseiten einrichtete. Das Ziel: Politikerinnen und Politiker diskreditieren. Im Fokus der Kampagne waren, wie das investigative Medienunternehmen Correctiv berichtete, die Grünen-Politiker Robert Habeck und Annalena Baerbock. Zunehmend richten sich die Kampagnen aber auch gegen Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz. Ziel ist es dabei immer, bereits bestehende Debatten zu Reizthemen wie Migration oder Wehrpflicht weiter zu verschärfen, die Gesellschaft zu spalten und den Westen zu schwächen.
In der Vergangenheit hatte Russland gezielt versucht, Einfluss auf die Migrationsdebatte zu nehmen, indem Migranten über die Moskau-Minsk-Route an die europäischen Grenzen gelenkt wurden, um westliche Staaten unter Druck zu setzen. Das ist vor der Bundestagswahl offenbar nicht das Mittel der Wahl. Bislang habe man keine Veränderungen bei der Visa-Vergabe erkennen können, heißt es aus Sicherheitskreisen.
Die Einflussnahme auf Debatten über die sozialen Netzwerke steht derzeit klar im Vordergrund. Mit der “Zentralen Stelle zur Erkennung ausländischer Informationsmanipulation” (ZEAM) hat die Bundesregierung im Juni eine Einheit zur Früherkennung ausländischer Einflussnahme und Manipulationskampagnen geschaffen. Die im Bundesinnenministerium angesiedelte Stelle beschäftigt sich derzeit fast ausschließlich mit dem Schutz der Bundestagswahlen. Hier arbeiten zehn Personen aus Kanzleramt, Auswärtigem Amt, Bundesjustizministerium und Bundespresseamt mithilfe von etwa 15 externen Beratern daran, ausländische Einflussversuche einzudämmen.
In erster Linie geht es dabei um die Sensibilisierung für ausländische Einflussnahmen. Zielgruppe sind sowohl Pressesprecher, Parlamentarier, Staatssekretäre und Minister als auch die gesamte Gesellschaft. Auch diejenigen, die für die Botschaft der Bundesregierung schwer zu erreichen und das Säen von Unsicherheit aus Moskau empfänglich sind, sollen aufgeklärt werden. Keine einfache Aufgabe. Ein Bürgerrat zum Thema Desinformation im vergangenen Jahr wird als Erfolg verbucht, über die Arbeit mit Influencern wird nachgedacht. Vertreter zuständiger Stellen betonen aber auch, dass noch entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen fehlen, um die Handlungsfähigkeit gegen Informationsmanipulation und andere Einflussversuche zu stärken. So bleibt auch den Mitarbeitern der ZEAM der Zugang zu Schnittstellen der Anbieter verwehrt.
Zwar gilt vielen der Digital Services Act (DSA), das EU-Gesetzeswerk, das insbesondere den größten Anbietern von Kommunikationsplattformen in Europa Vorschriften macht, als Heilsbringer. Doch Beobachter bemängeln hier die mangelhafte Durchsetzung der Regeln.
Rund drei Wochen vor der Wahl sind Parlamentarier besorgt. “Dass Russland den Willen hat, auf demokratische Wahlen Einfluss zu nehmen, hat es bei den kürzlich erfolgten Wahlen in Rumänien und Georgien erneut unter Beweis gestellt”, sagt Sebastian Hartmann, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, zu Table.Briefings. Die Präsidentschaftswahlen 2024 wurden in Rumänien wegen Manipulationsvorwürfen gegen Russland und Tiktok sogar gerichtlich für ungültig erklärt.
Auch der Innenexperte der Grünen, Konstantin von Notz, betont, dass hybride Angriffe auf die Infrastruktur “längst an der Tagesordnung” seien und sogar voraussichtlich weiter zunehmen würden. “Wir müssen uns als Gesellschaft dringend sehr viel resilienter gegen hybride Angriffe aufstellen.”
Klar ist allen: Mit der Wahl werden die Einflussversuche und Angriffe sicherlich nicht enden. Wenn fest steht, wer die neue Regierung stellt, dürften die Manipulationsversuche sogar noch gezielter werden.
Vor der anstehenden Neuwahl des Bundestags haben die Abgeordneten am Donnerstag vier Auslandseinsätze der Bundeswehr verlängert. Die Missionen im Mittelmeer, im Roten Meer und im Südsudan hätten sonst im Frühjahr und damit möglicherweise vor einer neuen Regierungsbildung beendet werden müssen, weil die Mandatierung durch das Parlament ausgelaufen wäre. Nach dem Ende der großen Auslandseinsätze in Afghanistan und Mali sind weiterhin rund 1.000 deutsche Soldaten und Soldatinnen in neun Missionen des sogenannten Internationalen Krisenmanagements engagiert. Die inzwischen im Fokus stehenden Einsätze wie an der Nato-Ostflanke in Litauen sind dabei jedoch nicht mitgerechnet.
Die vier jetzt verlängerten Auslandseinsätze gehören zu den kleineren Missionen. Sie wurden nicht wie üblich für ein Jahr, sondern nur bis zum Herbst 2025 fortgeschrieben. Der neue Bundestag wird sich dann wieder damit beschäftigen müssen:
Die von der Europäischen Union geführte “militärische Krisenbewältigungsoperation im Mittelmeer” der European Naval Forces Mediterranean (EUNAVFOR MED) Irini soll in erster Linie das UN-Waffenembargo gegen Libyen überwachen. Als “Nebenaufgabe” sind im Mandat Maßnahmen zur Verhinderung der illegalen Ausfuhr von Erdöl aus Libyen und zur “Zerschlagung des Geschäftsmodells von Schleuser- und Menschenhändlernetzen” genannt.
Militärisch beteiligt sich die Bundeswehr an der Mission aktuell nur mit Stabspersonal; zur Seeraumüberwachung stellt Deutschland ein ziviles Flugzeug zur Verfügung. Das Mandat (Bundestagsdrucksache 20/14047) läuft bis Ende November.
Der EU-Einsatz im Roten Meer ist die jüngste Auslandsmission der Bundeswehr. Seit dem Engagement mit der Fregatte “Hessen” im Frühjahr 2024 ist die Bundeswehr nur noch in geringer Stärke beteiligt. Dafür wird neben Stabspersonal auch das gleiche zivile Flugzeug zur Seeraumüberwachung eingesetzt, das im Wechsel auch für die Mission Irini im Mittelmeer genutzt wird. Von der EU und in Zusammenarbeit der von den USA geführten “Operation Prosperity Guardian” sollen Handelsschiffe vor den Angriffen der Huthi-Milizen im Jemen geschützt werden. Die hatten im November 2023 damit begonnen, als Unterstützung für die Hamas im Krieg mit Israel westliche Handelsschiffe auf dem Seeweg zum für den internationalen Handel wichtigen Suezkanal anzugreifen. Das jetzt verlängerte Mandat (Bundestagsdrucksache 20/14044) ist bis Ende Oktober befristet.
Die Maritime Sicherheitsoperation Sea Guardian (MSO SG) ist eine umfassende Überwachungsoperation der Nato für das Mittelmeer. Sie beinhaltet weitreichende Befugnisse bis hin zur Beschlagnahme und Umleitung von Schiffen und soll als Frühwarnsystem vor allem gegen Terroraktivitäten dienen. Im Regelfall unterstellt die Bundeswehr Marineeinheiten auf dem Weg durch das Mittelmeer oder in anderen Missionen in der Region dieser Operation, sodass die Zahl der eingesetzten Soldaten schwankt. Das jetzt verlängerte Bundeswehrmandat (Bundestagsdrucksache 20/14046) gilt bis Ende November.
Die UN-Mission im Südsudan soll eine friedliche Entwicklung vor dem Hintergrund innerer Spannungen im Land sicherstellen. Für die militärische Beobachtermission können bis zu 50 deutsche Soldaten und Soldatinnen eingesetzt werden, sowohl im Stab in der Hauptstadt Juba als auch als Beobachter in verschiedenen Teilen des Landes. Meist sind es höchstens 15. Das Mandat des Bundestags (Bundestagsdrucksache 20/14045) gilt bis Ende Oktober.
Fünf weitere Auslandsmissionen, darunter die beiden größten im Kosovo und im Irak, waren entweder bereits 2025 verlängert worden oder bedürfen keiner jährlichen erneuten Mandatierung durch das Parlament:
Der Einsatz im Kosovo, der mit dem Einmarsch der Nato in die damalige serbische Unruheprovinz 1999 begonnen wurde, ist der älteste Auslandseinsatz der Bundeswehr. Nachdem der deutsche Anteil in den vergangenen Jahren auf Anteile am Stab und Beratergruppen heruntergefahren worden war, wurde im Frühjahr 2024 wieder eine Kompanie vor allem mit Infanterie in das Land verlegt, um mit Patrouillen und Checkpoints ein mögliches Aufflackern der Gewalt zwischen Serben und Kosovaren einzudämmen. Inzwischen sind an der Nato-geführten Kosovo Force wieder knapp 300 Bundeswehrsoldaten beteiligt.
Das Mandat des Bundestags für diese Mission wurde zuletzt im Juni 2024 erneuert (Bundestagsdrucksache 20/11565) und beruht weiterhin vor allem auf der Resolution 1244 (1999) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 10. Juni 1999.
Die Beteiligung der Bundeswehr an der US-geführten internationalen Koalition für den Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat ist der einzige Auslandseinsatz deutscher Streitkräfte in einer Koalition jenseits des Rahmens von UN, Nato oder EU. Der Fokus des Einsatzes wechselte inzwischen von der Bekämpfung des IS zur – militärischen – Ertüchtigung des Irak.
Aktuell beteiligen sich deutsche Soldaten vor allem mit einem Tankflugzeug, stationiert in Al Azraq/Jordanien, an der internationalen “Operation Inherent Resolve” (OIR). In Erbil im Nordirak sind weitere deutsche Soldatinnen und Soldaten als Teil einer Beratermission stationiert. Parallel läuft eine Nato-Mission im Irak (NMI), an der die Bundeswehr bei der Beratung irakischer Institutionen für die Ausbildung von Soldaten beteiligt ist. Das Mandat (Bundestagsdrucksache 20/12893) ist bis Januar 2026 befristet.
Bereits seit 2006 beteiligt sich die Bundeswehr an der “United Nations Interim Forces in Lebanon” (UNIFIL), die die Grenzlinie zwischen Israel und dem Libanon überwachen soll. Die Deutsche Marine baute damals mit der “Maritime Task Force” (MTF) die erste UN-Mission zur See auf, aktuell wird diese Task-Force mit Schiffen aus fünf Nationen auch von einem deutschen Flottillenadmiral geführt.
Der Einsatz der Bundeswehr findet zwar überwiegend auf einem der jeweils vor der Küste eingesetzten Kriegsschiffe statt, mit dem deutschen Personal an Land im UNIFIL-Hauptquartier in Nakura im Libanon ist aber auch die Bundeswehr von den Auseinandersetzungen zwischen Israel und der libanesischen Hizbollah-Miliz betroffen. Aktuell sind knapp 200 Soldaten in dieser Mission eingesetzt. Der Bundestag hatte im vergangenen Jahr das Mandat (Bundestagsdrucksache 20/11411) bis Juni dieses Jahres verlängert.
Die Lage auf dem Balkan nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und zunehmende Besorgnis über einen russischen Einfluss führten dazu, dass die Bundeswehr im Sommer 2022 wieder nach Bosnien-Herzegowina zurückkehrte, nachdem Deutschland bereits aus dieser Mission ausgeschieden war. Die Bundeswehr soll vor allem einen Beitrag zur Stabilisierung der Strukturen und zum Erhalt des Friedensabkommens von Dayton aus dem Jahr 1995 leisten. Das aktuelle Mandat (Drucksache 20/11413) gilt bis Ende Juni.
Seit 1991 soll die UN-Mission “Mission des Nations Unies pour l’Organisation d’un Référendum au Sahara Occidental” (MINURSO) ein Referendum zur Zukunft der ehemaligen spanischen Kolonie West-Sahara umsetzen. Spätestens seit der Unterstützung von US-Präsident Donald Trump bereits in seiner ersten Amtszeit für Marokkos Gebietsansprüche auf die Westsahara scheint allerdings jegliche Aussicht auf ein solches Referendum unwahrscheinlich. Die Beobachtermission läuft allerdings weiter – mit vier Bundeswehroffizieren. Die Entsendung der deutschen Soldaten gilt nicht als mandatierungspflichtiger Einsatz, sodass er nur vom Bundeskabinett und nicht vom Parlament beschlossen wurde.
Die Bundeswehr hat im vergangenen Jahr fast ein Drittel mehr Bewerbungen verzeichnet, allerdings überwiegend für zivile Arbeitsplätze. Die Zahl der Frauen, die sich für eine Tätigkeit bei den Streitkräften interessierten, stieg sogar fast um die Hälfte – aber auch da vor allem im zivilen Bereich und nicht für einen Dienstposten als Soldatin.
Nach den Zahlen des Verteidigungsministeriums bewarben sich im vergangenen Jahr 139.547 Personen bei der Bundeswehr; im Jahr zuvor waren es nur rund 105.600 gewesen. Fast 50.000 Bewerbungen kamen von Frauen, ebenfalls eine deutliche Steigerung im Vergleich zu den rund 33.700 des Vorjahres.
Grund sei die “gute Imagepositionierung der Bundeswehr als Arbeitgeberin”, betonte eine Ministeriumssprecherin und erklärte die Maßnahmen der Task Force Personal wirken: Man spreche mehr mit Interessierten, habe mehr Bewerbungen und binde mehr Personal.
Es handle sich um “den höchsten Frauenanteil an den Bewerbungen seit 2020”, erklärte das Ministerium. Aber ob Männer oder Frauen, die meisten Bewerber und Bewerberinnen bei der Bundeswehr im vergangenen Jahr wollten nicht Soldat oder Soldatin werden: Für den militärischen Bereich interessierten sich nur 51.200 der fast 140.000 Bewerbungen. Dagegen zielten 88.347 Menschen auf eine Anstellung im zivilen Bereich. Noch geringer sah es beim Frauenanteil aus: 8.193 Frauen wollten in Uniform dienen, dagegen 41.400 auf zivilen Dienstposten.
Die Bundeswehr hofft dennoch darauf, mit den Bewerbern für militärische Posten zumindest einen weiteren Rückgang ihrer Personalstärke vermeiden zu können. Nach den jüngsten veröffentlichten Zahlen von Ende November vergangenen Jahres dienen gut 181.000 Soldaten und Soldatinnen in den Streitkräften. Angepeilt ist offiziell ein Umfang von 203.000. Absehbar dürfte jedoch mit neuen Forderungen der Nato die erforderliche Personalstärke der Bundeswehr deutlich darüber liegen. wp/tw
Eine Rekordsumme von 89 Milliarden Euro hat die Europäische Investitionsbank (EIB) im vergangenen Jahr investiert. Sechzig Prozent davon wurden in klimarelevante Projekte investiert. Das meldete die EIB gestern bei der Präsentation ihres Jahresberichts. Dual-Use-Finanzierungen im Bereich Sicherheit und Verteidigung wurden im vergangenen Jahr zwar verdoppelt, bleiben aber mit einer Milliarde Euro relativ niedrig.
EIB-Präsidentin Nadia Calviño sagte, dass sich der Betrag für Dual-Use-Finanzierungen 2025 verdoppeln dürfte. Der limitierende Faktor sei aber nicht die Zurückhaltung der EIB, sondern ein Mangel an Nachfrage für Dual-Use-Finanzierungen aus der Privatwirtschaft. Die EIB habe acht Milliarden Euro für Dual-Use zur Verfügung gestellt, wovon aber nur eine Milliarde benutzt wurde.
Im vergangenen Jahr habe die EIB eine Roadshow in den Mitgliedstaaten gemacht, um mehr Projekte im Dual-Use-Bereich zu ermutigen, sagte die EIB-Präsidentin. Fragen zu einer Erweiterung des EIB-Mandats auf Verteidigungsprojekte, die bisher nicht von der EIB finanziert werden können, wich Calviño aus. Sie erinnerte daran, dass sie um eine solide Finanzierung bemüht sei – eine Anspielung auf die Sorgen, dass eine Finanzierung von Verteidigungsinvestitionen das Kreditrating der Bank beeinträchtigen könnte. “Wir sind kein Verteidigungsministerium”, sagte Calviño.
Auch EIB-Vizepräsidentin Nicola Beer (FDP) hatte am Mittwoch daran erinnert, dass die EIB nicht im Alleingang für die Aufrüstung Europas sorgen könne. Das Problem liege vor allem daran, dass die Rüstungsindustrie nicht genügend Bestellungen erhalte. Ohne gesicherte Nachfrage wolle die Industrie keine Investitionen tätigen. Wenn die Verteidigungsminister ihre Bestellmengen erhöhten, so würde die Industrie auch in Produktionskapazitäten investieren. Um diesen Finanzbedarf zu stemmen, hätten auch normale Geschäftsbanken genügend Liquidität, so Beer. jaa
Zwei Wochen nach Beginn der Waffenruhe im Gazastreifen ist am Donnerstag mit Zakaria Zubeidi der prominenteste palästinensische Häftling von Israel freigelassen worden. Anders als die meisten der 110 am Abend nach Ramallah gebrachten Gefangenen darf er aus Sicherheitsgründen wahrscheinlich nicht im Westjordanland bleiben, sondern könnte von einem Golfstaat aufgenommen werden. Die Hamas ließ am Donnerstag drei israelische und fünf thailändische Geiseln aus dem Gazastreifen frei.
Das am 19. Januar zwischen Israel und der palästinensischen Hamas in Kraft getretene Abkommen tritt im März in eine zweite Phase, über deren Modalitäten nach Freilassung weiterer Geiseln aus Hamas-Gewalt kommende Woche verhandelt werden soll. Unter den am Donnerstag freigelassenen israelischen Frauen war mit Agam Berger auch eine Soldatin, die am 7. Oktober 2023 aus Nahal Oz entführt worden war, einem Stützpunkt der Israel Defence Forces (IDF) am Rande des Gazastreifens, sowie zwei Deutsch-Israelis.
Während der Zweiten Intifada von 2000 bis 2005 war der 1976 in Dschenin im Westjordanland geborene Zaharia Zubeidi einer der Anführer der Al-Aqsa-Märtyrerbrigaden in Dschenin, dem bewaffneten Arm der Fatah. 2021 war er gemeinsam mit drei anderen Insassen aus einem israelischen Gefängnis ausgebrochen, dann jedoch wieder gefasst worden. Wegen seiner Rolle während der Schlacht um Dschenin 2002 gilt er vielen Palästinensern als Held, in Israel wurde er wegen mehrerer Terrortaten verurteilt.
Drei weitere israelische Geiseln sollen nach aktuellem Stand am Samstag freigelassen werden. Nach israelischen Angaben befinden sich noch etwa 80 Geiseln in der Hand von islamistischen Terrorgruppen im Gazastreifen. mrb
The Barents Observer: Two mysterious tankers are sailing north to aid sanctioned gas fleet. Die “North Light” und “North Moon” sollen neben vier weiteren Tankern Teil der sogenannten “Schattenflotte” sein, die sanktionierte russische Waren auf internationalen Märkte bringt. Beide könnten auf dem Weg zur Ob-Bucht seien, wo Russland LNG-Projekte betreibt.
Kyiv Independent: Trump must call Putin’s bluff on Ukraine talks. Auch wenn der Kreml von Verhandlungen “ohne Vorbedingungen” spricht, wird von der Ukraine erwartet, keine Sicherheitsgarantien zu unterschreiben. Damit die Ukraine mit einem bestmöglichen Ergebnis aus Verhandlungen herausgeht, ist eine geschlossene Unterstützung der USA und Europas wichtig.
Foreign Affairs: Israel, Trump, and the Gaza Deal. Mit dem beschlossenen Waffenstillstandsabkommen befindet sich Israels Premier Netanjahu in einem Dilemma: Er steht zwischen seinen rechtsextremen Koalitionspartnern und dem Druck seitens US-Präsident Donald Trump. Mit der Implementierung der zweiten Phase des Abkommens könnte die israelische Regierung zusammenbrechen.
New York Times: Lebanon Faces a Colossal Disposal Task – Clearing War Debris. Nach dem Waffenstillstand bleibt für Libanon offen, wie riesige Mengen an Bauschutt beseitigt werden sollen. Nach Schätzungen haben israelischen Angriffe 350 Millionen Kubikfuß Schutt hinterlassen.
Reuters: How transgender troops prepared to fight Trump’s new policy. Donald Trump hat eine Durchführungsverordnung unterzeichnet, die Transpersonen im Militär einschränken soll. Nur wenige Stunden später reichten sechs Transsoldaten gemeinsam mit der LGBTQ-Rechtsgruppe GLAD und dem National Center for Lesbian Rights (NCLR) eine Klage ein.
Innerhalb kürzester Zeit wurden aus dem Ukrainekrieg wichtige Erkenntnisse über die Anforderungen an moderne militärische Systeme und die Notwendigkeit ihrer kontinuierlichen Weiterentwicklung gewonnen. Diese Erkenntnisse gilt es auf die eigenen System- und Komponentenentwicklungen zu übertragen.
Nur so kann die Anpassungsfähigkeit und Vernetzungsfähigkeit der Streitkräfte gesichert werden. Das ist Grundlage für eine moderne, resiliente und zukunftsfähige Verteidigungsarchitektur. Zwei Forderungen sind für die Umsetzung dabei zentral.
Die Entwicklung zukünftiger militärischer Systeme muss diese zwei Forderungen berücksichtigen. Aber auch bestehende Systeme müssen, soweit wirtschaftlich und sinnvoll möglich, angepasst werden können.Als Lösungsansatz wurde das Paradigma “Software Defined Defence” konzipiert, das es nun anzuwenden und praktisch umzusetzen gilt.
Die Designer militärischer Systeme müssen deren Architektur mit einer hohen Flexibilität ausstatten. Dies gelingt nur, wenn die jeweiligen Ebenen beziehungsweise Schichten der Architektur weitestgehend voneinander entkoppelt sind. Zusätzlich muss die Architektur so aufgebaut sein, dass sie mit einer großen Menge Daten umgehen kann, sich bei Bedarf anpassen lässt (z. B. durch Cloud-Lösungen) und Interoperabilität ermöglicht.
Für das bessere Verständnis kann man hier eine Analogie zu den Smartphone-Herstellern ziehen. Neben der tief in die Betriebssysteme integrierten Telefonfunktion (embedded) werden über die Middleware-Schicht (vgl. iOS, Android) standardisierte Schnittstellen für funktionale Software – den sogenannten Apps – zur Verfügung gestellt und der Datenaustausch zwischen den Applikationen und die Ansteuerung der Kommunikationsmedien realisiert.
Um unsere zwei Hauptforderungen zu erfüllen, muss also zukünftig neben der systemspezifischen Software eine zusätzliche einheitliche Laufzeitumgebung vom Bund zur Verfügung gestellt oder zumindest im Rahmen von Anforderungen definiert werden. Diese ermöglicht es, dass Anwendungen über standardisierte Schnittstellen und Middleware mit den darunterliegenden Systemen kommunizieren. Neue Funktionalitäten können auch nachträglich zur Verfügung gestellt sowie ein Austausch von Daten unter Nutzung der Kommunikationssysteme der Waffensysteme mit anderen Systemen und der Cloud durchgeführt werden.
Neben diesen konzeptionellen beziehungsweise technischen Grundlagen bedarf es eines vernetzten Ökosystems aus Nutzenden, Industrie sowie Forschung und Lehre als essenzielle Grundlage. Dieses Ökosystem fordert Umdenken in vielen Bereichen (Beschaffung, Vertragsmodelle, Wertschöpfungsketten, Verantwortlichkeiten etc.).
Das BMVg hat mit der Entwicklung der sogenannten Clusterlogik und mit Umsetzung der Digitalisierungsplattform Bundeswehr als Laufzeitumgebung die Grundlagen für eine solche zukünftige Architektur gelegt. Diese serviceorientierte Architektur orientiert sich an der Nato Consultation, Command and Control (C3) Taxonomie und erfüllt die zu Beginn aufgestellten Hauptforderungen an eine zukünftig tragfähige Systemarchitektur militärischer Systeme inklusive Interoperabilität.
Vergleichbar zur zivilen Welt der Smartphones soll auch diese Architektur standardisierte Schnittstellen für die funktionalen Softwareanteile zur Verfügung stellen, quasi im Sinne eines App-Stores Bundeswehr. Über die darunterliegende Middleware-Schicht soll dann zukünftig der Datenaustausch untereinander und zur Cloud realisiert werden.
Die Umsetzung des SDD-Paradigmas wird im Strategischen Industriedialog zwischen BMVg und Industrie vorangetrieben. Der Grundstein wurde mit dem gemeinsam veröffentlichten Positionspapier SDD im November 2023 gelegt. Getrieben durch die Erkenntnisse des Kriegs in der Ukraine, wird in Kooperation zwischen Amtsseite und Industrie an den zur Umsetzung notwendigen Details gearbeitet. Der Erfolg der Zeitenwende wird auch von einer konsequenten Umsetzung des Paradigmas SDD abhängen.
Peter Obermark ist beim Bundesverband der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) Vorstand des Ausschusses Digitale Konvergenz und Expertenkreisleiter Software Defined Defence im Strategischen Industriedialog (SSID) des BMVg mit der Industrie. Er war viele Jahre Offizier in der Deutschen Marine.
Eva Ziegler ist Referentin Cyber/IT beim BDSV und betreut den Ausschuss Digitale Konvergenz und den Gesprächskreis 4 zu Innovation Cyber/IT im Strategischen Industriedialog zwischen Amtsseite und Industrie. Davor forschte und lehrte sie zu Politischer Ökonomie in der Sicherheitspolitik an der LMU München und wurde durch ein Promotionsstipendium der Konrad-Adenauer-Stiftung gefördert.
Wenn sich seine Zeitenwende-Rede am 27. Februar zum dritten Mal jährt, wird Olaf Scholz aller Voraussicht nach nicht mehr lange Bundeskanzler sein. Die sicherheits- und verteidigungspolitischen Anforderungen jedoch, die er unter dem stehenden Applaus auch von Friedrich Merz im Bundestag skizzierte, werden sich nicht erledigt haben. Im Gegenteil: Ohne erheblichen Aufwuchs im Verteidigungsetat und ohne engere Koordinierung mit europäischen Partnern bei Beschaffung und Entwicklung neuer Militärtechnik wird die Abschreckung von Russland nicht gelingen.
Der Berliner Journalist Christian Schweppe hat das Auf und Ab in der von Scholz vor drei Jahren losgetretenen Debatte minutiös nachgezeichnet. Höhere Verteidigungsausgaben rund um das Sondervermögen Bundeswehr, die Stärkung des europäischen Pfeilers der Nato und die Entsendung robuster Brigaden an die Ostflanke des Bündnisses gehören dazu. Nah dran an Entscheidungsträgern ebenso wie an Kritikern des Kanzlers ist ihm so eine spannende Politreportage jener sicherheitspolitischen Umbruchphase gelungen, die durch Aufstieg und Fall der Ampel-Koalition markiert ist.
Einziger Wermutstropfen: Im Untertitel nimmt der Autor das Fazit seiner Recherchen in gewisser Weise vorweg. “Anatomie eines Scheiterns” lautet das Ergebnis seiner vielen Gespräche mit Verteidigungspolitikern, Soldaten und Mitarbeitern der Rüstungsindustrie nach gut 1.000 Tagen Zeitenwende. Inwieweit das Urteil auch noch gilt, wenn der heutige Oppositionsführer Merz möglicherweise über die deutsche Sicherheits- und Verteidigungsstrategie entscheidet, werden die kommenden Monate zeigen. mrb
Christian Schweppe: Zeiten ohne Wende. Anatomie eines Scheiterns., C.H.Beck, München 2024, 351 Seiten, 26 Euro.
die Ukraine meldete am Donnerstag erneut den Beschuss ziviler Wohnhäuser durch russische Raketen und Drohnen. Nichts braucht das Land derzeit so sehr wie bessere Luftverteidigung. Doch zusätzliche Unterstützung aus Deutschland ist kurzfristig nicht in Sicht. Denn nach dem Streit über weitere drei Milliarden Euro für die Ukraine-Hilfe wird es höchstwahrscheinlich heute keine Entscheidung darüber mehr im Bundestag geben – zumindest laut der Tagesordnung vom Donnerstagabend. Dafür steht aber das Artikelgesetz zur Abstimmung an, der unter anderem die Bedingungen für die Brigade Litauen regelt.
Russland hat nach 2015, als besonders viele Menschen in Europa Schutz vor Krieg und Hunger suchten, über soziale Medien und über einzelne Parteien Einfluss auf die Politik in der EU genommen. Nur drei Wochen vor der Bundestagswahl steigt das Risiko weiter, dass Moskau in der aufgeheizten Stimmung in der Deutschland rund um das Thema Migration wieder mitmischen will. Wie genau – das zeigen Wilhelmine Preußen und Anouk Schlung in ihrer Analyse.
Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr gehören inzwischen zum festen Teil des sogenannten Internationalen Krisenmanagements. Regelmäßig erteilt das deutsche Parlament ihnen dafür das Mandat, beschließt neue oder verlängert bestehende Missionen. Welche das sind, wo sie sind und was genau die Aufgabe ist – diesen Überblick liefert Ihnen Thomas Wiegold.
Empfehlen möchten wir Ihnen auch unsere Standpunkt-Serie zur Zeitenwende. Ausgewiesene Expertinnen und Experten prüfen hier kritisch, ob die Zeitenwende in ihrem Fachgebiet endlich angekommen ist. Heute geht es um die digitale Zukunft der Bundeswehr.
Eine interessante Lektüre wünscht Ihnen
Spionage, Sabotage, Cyberattacken – vor den Bundestagswahlen warnen die deutschen Nachrichtendienste vor ausländischen Einflussversuchen, vor allem aus Russland. Immer deutlicher wird: Es geht in erster Linie um Informationsmanipulation in den sozialen Netzwerken. Die Trennlinien zwischen Sicherheits- und Gesellschaftspolitik verschwimmen zunehmend.
Moskau wolle Unsicherheiten und Spaltungslinien in der deutschen Gesellschaft erzeugen oder vertiefen, die Bereitschaft für die Unterstützung der Ukraine mindern und so Einfluss nehmen auf politische Entscheidungen, schreibt das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in einer Infobroschüre zur Bundestagswahl. Die Nachrichtendienste betonen immer wieder: Es gibt kaum ein Land, das sich für diese Einflussnahme so sehr lohnt wie Europas größte Wirtschaftsmacht Deutschland.
Die technische Sicherheit der Bundestagswahl selbst ist aus Sicht der Behörden weniger in Gefahr, denn sie wird nach wie vor analog, also im Wahllokal oder per Briefwahl, durchgeführt.
Stattdessen geht es um russische Einflussoperationen wie “Storm-1516“, die in den vergangenen drei Monaten insgesamt 100 Fake-Nachrichtenseiten einrichtete. Das Ziel: Politikerinnen und Politiker diskreditieren. Im Fokus der Kampagne waren, wie das investigative Medienunternehmen Correctiv berichtete, die Grünen-Politiker Robert Habeck und Annalena Baerbock. Zunehmend richten sich die Kampagnen aber auch gegen Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz. Ziel ist es dabei immer, bereits bestehende Debatten zu Reizthemen wie Migration oder Wehrpflicht weiter zu verschärfen, die Gesellschaft zu spalten und den Westen zu schwächen.
In der Vergangenheit hatte Russland gezielt versucht, Einfluss auf die Migrationsdebatte zu nehmen, indem Migranten über die Moskau-Minsk-Route an die europäischen Grenzen gelenkt wurden, um westliche Staaten unter Druck zu setzen. Das ist vor der Bundestagswahl offenbar nicht das Mittel der Wahl. Bislang habe man keine Veränderungen bei der Visa-Vergabe erkennen können, heißt es aus Sicherheitskreisen.
Die Einflussnahme auf Debatten über die sozialen Netzwerke steht derzeit klar im Vordergrund. Mit der “Zentralen Stelle zur Erkennung ausländischer Informationsmanipulation” (ZEAM) hat die Bundesregierung im Juni eine Einheit zur Früherkennung ausländischer Einflussnahme und Manipulationskampagnen geschaffen. Die im Bundesinnenministerium angesiedelte Stelle beschäftigt sich derzeit fast ausschließlich mit dem Schutz der Bundestagswahlen. Hier arbeiten zehn Personen aus Kanzleramt, Auswärtigem Amt, Bundesjustizministerium und Bundespresseamt mithilfe von etwa 15 externen Beratern daran, ausländische Einflussversuche einzudämmen.
In erster Linie geht es dabei um die Sensibilisierung für ausländische Einflussnahmen. Zielgruppe sind sowohl Pressesprecher, Parlamentarier, Staatssekretäre und Minister als auch die gesamte Gesellschaft. Auch diejenigen, die für die Botschaft der Bundesregierung schwer zu erreichen und das Säen von Unsicherheit aus Moskau empfänglich sind, sollen aufgeklärt werden. Keine einfache Aufgabe. Ein Bürgerrat zum Thema Desinformation im vergangenen Jahr wird als Erfolg verbucht, über die Arbeit mit Influencern wird nachgedacht. Vertreter zuständiger Stellen betonen aber auch, dass noch entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen fehlen, um die Handlungsfähigkeit gegen Informationsmanipulation und andere Einflussversuche zu stärken. So bleibt auch den Mitarbeitern der ZEAM der Zugang zu Schnittstellen der Anbieter verwehrt.
Zwar gilt vielen der Digital Services Act (DSA), das EU-Gesetzeswerk, das insbesondere den größten Anbietern von Kommunikationsplattformen in Europa Vorschriften macht, als Heilsbringer. Doch Beobachter bemängeln hier die mangelhafte Durchsetzung der Regeln.
Rund drei Wochen vor der Wahl sind Parlamentarier besorgt. “Dass Russland den Willen hat, auf demokratische Wahlen Einfluss zu nehmen, hat es bei den kürzlich erfolgten Wahlen in Rumänien und Georgien erneut unter Beweis gestellt”, sagt Sebastian Hartmann, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, zu Table.Briefings. Die Präsidentschaftswahlen 2024 wurden in Rumänien wegen Manipulationsvorwürfen gegen Russland und Tiktok sogar gerichtlich für ungültig erklärt.
Auch der Innenexperte der Grünen, Konstantin von Notz, betont, dass hybride Angriffe auf die Infrastruktur “längst an der Tagesordnung” seien und sogar voraussichtlich weiter zunehmen würden. “Wir müssen uns als Gesellschaft dringend sehr viel resilienter gegen hybride Angriffe aufstellen.”
Klar ist allen: Mit der Wahl werden die Einflussversuche und Angriffe sicherlich nicht enden. Wenn fest steht, wer die neue Regierung stellt, dürften die Manipulationsversuche sogar noch gezielter werden.
Vor der anstehenden Neuwahl des Bundestags haben die Abgeordneten am Donnerstag vier Auslandseinsätze der Bundeswehr verlängert. Die Missionen im Mittelmeer, im Roten Meer und im Südsudan hätten sonst im Frühjahr und damit möglicherweise vor einer neuen Regierungsbildung beendet werden müssen, weil die Mandatierung durch das Parlament ausgelaufen wäre. Nach dem Ende der großen Auslandseinsätze in Afghanistan und Mali sind weiterhin rund 1.000 deutsche Soldaten und Soldatinnen in neun Missionen des sogenannten Internationalen Krisenmanagements engagiert. Die inzwischen im Fokus stehenden Einsätze wie an der Nato-Ostflanke in Litauen sind dabei jedoch nicht mitgerechnet.
Die vier jetzt verlängerten Auslandseinsätze gehören zu den kleineren Missionen. Sie wurden nicht wie üblich für ein Jahr, sondern nur bis zum Herbst 2025 fortgeschrieben. Der neue Bundestag wird sich dann wieder damit beschäftigen müssen:
Die von der Europäischen Union geführte “militärische Krisenbewältigungsoperation im Mittelmeer” der European Naval Forces Mediterranean (EUNAVFOR MED) Irini soll in erster Linie das UN-Waffenembargo gegen Libyen überwachen. Als “Nebenaufgabe” sind im Mandat Maßnahmen zur Verhinderung der illegalen Ausfuhr von Erdöl aus Libyen und zur “Zerschlagung des Geschäftsmodells von Schleuser- und Menschenhändlernetzen” genannt.
Militärisch beteiligt sich die Bundeswehr an der Mission aktuell nur mit Stabspersonal; zur Seeraumüberwachung stellt Deutschland ein ziviles Flugzeug zur Verfügung. Das Mandat (Bundestagsdrucksache 20/14047) läuft bis Ende November.
Der EU-Einsatz im Roten Meer ist die jüngste Auslandsmission der Bundeswehr. Seit dem Engagement mit der Fregatte “Hessen” im Frühjahr 2024 ist die Bundeswehr nur noch in geringer Stärke beteiligt. Dafür wird neben Stabspersonal auch das gleiche zivile Flugzeug zur Seeraumüberwachung eingesetzt, das im Wechsel auch für die Mission Irini im Mittelmeer genutzt wird. Von der EU und in Zusammenarbeit der von den USA geführten “Operation Prosperity Guardian” sollen Handelsschiffe vor den Angriffen der Huthi-Milizen im Jemen geschützt werden. Die hatten im November 2023 damit begonnen, als Unterstützung für die Hamas im Krieg mit Israel westliche Handelsschiffe auf dem Seeweg zum für den internationalen Handel wichtigen Suezkanal anzugreifen. Das jetzt verlängerte Mandat (Bundestagsdrucksache 20/14044) ist bis Ende Oktober befristet.
Die Maritime Sicherheitsoperation Sea Guardian (MSO SG) ist eine umfassende Überwachungsoperation der Nato für das Mittelmeer. Sie beinhaltet weitreichende Befugnisse bis hin zur Beschlagnahme und Umleitung von Schiffen und soll als Frühwarnsystem vor allem gegen Terroraktivitäten dienen. Im Regelfall unterstellt die Bundeswehr Marineeinheiten auf dem Weg durch das Mittelmeer oder in anderen Missionen in der Region dieser Operation, sodass die Zahl der eingesetzten Soldaten schwankt. Das jetzt verlängerte Bundeswehrmandat (Bundestagsdrucksache 20/14046) gilt bis Ende November.
Die UN-Mission im Südsudan soll eine friedliche Entwicklung vor dem Hintergrund innerer Spannungen im Land sicherstellen. Für die militärische Beobachtermission können bis zu 50 deutsche Soldaten und Soldatinnen eingesetzt werden, sowohl im Stab in der Hauptstadt Juba als auch als Beobachter in verschiedenen Teilen des Landes. Meist sind es höchstens 15. Das Mandat des Bundestags (Bundestagsdrucksache 20/14045) gilt bis Ende Oktober.
Fünf weitere Auslandsmissionen, darunter die beiden größten im Kosovo und im Irak, waren entweder bereits 2025 verlängert worden oder bedürfen keiner jährlichen erneuten Mandatierung durch das Parlament:
Der Einsatz im Kosovo, der mit dem Einmarsch der Nato in die damalige serbische Unruheprovinz 1999 begonnen wurde, ist der älteste Auslandseinsatz der Bundeswehr. Nachdem der deutsche Anteil in den vergangenen Jahren auf Anteile am Stab und Beratergruppen heruntergefahren worden war, wurde im Frühjahr 2024 wieder eine Kompanie vor allem mit Infanterie in das Land verlegt, um mit Patrouillen und Checkpoints ein mögliches Aufflackern der Gewalt zwischen Serben und Kosovaren einzudämmen. Inzwischen sind an der Nato-geführten Kosovo Force wieder knapp 300 Bundeswehrsoldaten beteiligt.
Das Mandat des Bundestags für diese Mission wurde zuletzt im Juni 2024 erneuert (Bundestagsdrucksache 20/11565) und beruht weiterhin vor allem auf der Resolution 1244 (1999) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 10. Juni 1999.
Die Beteiligung der Bundeswehr an der US-geführten internationalen Koalition für den Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat ist der einzige Auslandseinsatz deutscher Streitkräfte in einer Koalition jenseits des Rahmens von UN, Nato oder EU. Der Fokus des Einsatzes wechselte inzwischen von der Bekämpfung des IS zur – militärischen – Ertüchtigung des Irak.
Aktuell beteiligen sich deutsche Soldaten vor allem mit einem Tankflugzeug, stationiert in Al Azraq/Jordanien, an der internationalen “Operation Inherent Resolve” (OIR). In Erbil im Nordirak sind weitere deutsche Soldatinnen und Soldaten als Teil einer Beratermission stationiert. Parallel läuft eine Nato-Mission im Irak (NMI), an der die Bundeswehr bei der Beratung irakischer Institutionen für die Ausbildung von Soldaten beteiligt ist. Das Mandat (Bundestagsdrucksache 20/12893) ist bis Januar 2026 befristet.
Bereits seit 2006 beteiligt sich die Bundeswehr an der “United Nations Interim Forces in Lebanon” (UNIFIL), die die Grenzlinie zwischen Israel und dem Libanon überwachen soll. Die Deutsche Marine baute damals mit der “Maritime Task Force” (MTF) die erste UN-Mission zur See auf, aktuell wird diese Task-Force mit Schiffen aus fünf Nationen auch von einem deutschen Flottillenadmiral geführt.
Der Einsatz der Bundeswehr findet zwar überwiegend auf einem der jeweils vor der Küste eingesetzten Kriegsschiffe statt, mit dem deutschen Personal an Land im UNIFIL-Hauptquartier in Nakura im Libanon ist aber auch die Bundeswehr von den Auseinandersetzungen zwischen Israel und der libanesischen Hizbollah-Miliz betroffen. Aktuell sind knapp 200 Soldaten in dieser Mission eingesetzt. Der Bundestag hatte im vergangenen Jahr das Mandat (Bundestagsdrucksache 20/11411) bis Juni dieses Jahres verlängert.
Die Lage auf dem Balkan nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und zunehmende Besorgnis über einen russischen Einfluss führten dazu, dass die Bundeswehr im Sommer 2022 wieder nach Bosnien-Herzegowina zurückkehrte, nachdem Deutschland bereits aus dieser Mission ausgeschieden war. Die Bundeswehr soll vor allem einen Beitrag zur Stabilisierung der Strukturen und zum Erhalt des Friedensabkommens von Dayton aus dem Jahr 1995 leisten. Das aktuelle Mandat (Drucksache 20/11413) gilt bis Ende Juni.
Seit 1991 soll die UN-Mission “Mission des Nations Unies pour l’Organisation d’un Référendum au Sahara Occidental” (MINURSO) ein Referendum zur Zukunft der ehemaligen spanischen Kolonie West-Sahara umsetzen. Spätestens seit der Unterstützung von US-Präsident Donald Trump bereits in seiner ersten Amtszeit für Marokkos Gebietsansprüche auf die Westsahara scheint allerdings jegliche Aussicht auf ein solches Referendum unwahrscheinlich. Die Beobachtermission läuft allerdings weiter – mit vier Bundeswehroffizieren. Die Entsendung der deutschen Soldaten gilt nicht als mandatierungspflichtiger Einsatz, sodass er nur vom Bundeskabinett und nicht vom Parlament beschlossen wurde.
Die Bundeswehr hat im vergangenen Jahr fast ein Drittel mehr Bewerbungen verzeichnet, allerdings überwiegend für zivile Arbeitsplätze. Die Zahl der Frauen, die sich für eine Tätigkeit bei den Streitkräften interessierten, stieg sogar fast um die Hälfte – aber auch da vor allem im zivilen Bereich und nicht für einen Dienstposten als Soldatin.
Nach den Zahlen des Verteidigungsministeriums bewarben sich im vergangenen Jahr 139.547 Personen bei der Bundeswehr; im Jahr zuvor waren es nur rund 105.600 gewesen. Fast 50.000 Bewerbungen kamen von Frauen, ebenfalls eine deutliche Steigerung im Vergleich zu den rund 33.700 des Vorjahres.
Grund sei die “gute Imagepositionierung der Bundeswehr als Arbeitgeberin”, betonte eine Ministeriumssprecherin und erklärte die Maßnahmen der Task Force Personal wirken: Man spreche mehr mit Interessierten, habe mehr Bewerbungen und binde mehr Personal.
Es handle sich um “den höchsten Frauenanteil an den Bewerbungen seit 2020”, erklärte das Ministerium. Aber ob Männer oder Frauen, die meisten Bewerber und Bewerberinnen bei der Bundeswehr im vergangenen Jahr wollten nicht Soldat oder Soldatin werden: Für den militärischen Bereich interessierten sich nur 51.200 der fast 140.000 Bewerbungen. Dagegen zielten 88.347 Menschen auf eine Anstellung im zivilen Bereich. Noch geringer sah es beim Frauenanteil aus: 8.193 Frauen wollten in Uniform dienen, dagegen 41.400 auf zivilen Dienstposten.
Die Bundeswehr hofft dennoch darauf, mit den Bewerbern für militärische Posten zumindest einen weiteren Rückgang ihrer Personalstärke vermeiden zu können. Nach den jüngsten veröffentlichten Zahlen von Ende November vergangenen Jahres dienen gut 181.000 Soldaten und Soldatinnen in den Streitkräften. Angepeilt ist offiziell ein Umfang von 203.000. Absehbar dürfte jedoch mit neuen Forderungen der Nato die erforderliche Personalstärke der Bundeswehr deutlich darüber liegen. wp/tw
Eine Rekordsumme von 89 Milliarden Euro hat die Europäische Investitionsbank (EIB) im vergangenen Jahr investiert. Sechzig Prozent davon wurden in klimarelevante Projekte investiert. Das meldete die EIB gestern bei der Präsentation ihres Jahresberichts. Dual-Use-Finanzierungen im Bereich Sicherheit und Verteidigung wurden im vergangenen Jahr zwar verdoppelt, bleiben aber mit einer Milliarde Euro relativ niedrig.
EIB-Präsidentin Nadia Calviño sagte, dass sich der Betrag für Dual-Use-Finanzierungen 2025 verdoppeln dürfte. Der limitierende Faktor sei aber nicht die Zurückhaltung der EIB, sondern ein Mangel an Nachfrage für Dual-Use-Finanzierungen aus der Privatwirtschaft. Die EIB habe acht Milliarden Euro für Dual-Use zur Verfügung gestellt, wovon aber nur eine Milliarde benutzt wurde.
Im vergangenen Jahr habe die EIB eine Roadshow in den Mitgliedstaaten gemacht, um mehr Projekte im Dual-Use-Bereich zu ermutigen, sagte die EIB-Präsidentin. Fragen zu einer Erweiterung des EIB-Mandats auf Verteidigungsprojekte, die bisher nicht von der EIB finanziert werden können, wich Calviño aus. Sie erinnerte daran, dass sie um eine solide Finanzierung bemüht sei – eine Anspielung auf die Sorgen, dass eine Finanzierung von Verteidigungsinvestitionen das Kreditrating der Bank beeinträchtigen könnte. “Wir sind kein Verteidigungsministerium”, sagte Calviño.
Auch EIB-Vizepräsidentin Nicola Beer (FDP) hatte am Mittwoch daran erinnert, dass die EIB nicht im Alleingang für die Aufrüstung Europas sorgen könne. Das Problem liege vor allem daran, dass die Rüstungsindustrie nicht genügend Bestellungen erhalte. Ohne gesicherte Nachfrage wolle die Industrie keine Investitionen tätigen. Wenn die Verteidigungsminister ihre Bestellmengen erhöhten, so würde die Industrie auch in Produktionskapazitäten investieren. Um diesen Finanzbedarf zu stemmen, hätten auch normale Geschäftsbanken genügend Liquidität, so Beer. jaa
Zwei Wochen nach Beginn der Waffenruhe im Gazastreifen ist am Donnerstag mit Zakaria Zubeidi der prominenteste palästinensische Häftling von Israel freigelassen worden. Anders als die meisten der 110 am Abend nach Ramallah gebrachten Gefangenen darf er aus Sicherheitsgründen wahrscheinlich nicht im Westjordanland bleiben, sondern könnte von einem Golfstaat aufgenommen werden. Die Hamas ließ am Donnerstag drei israelische und fünf thailändische Geiseln aus dem Gazastreifen frei.
Das am 19. Januar zwischen Israel und der palästinensischen Hamas in Kraft getretene Abkommen tritt im März in eine zweite Phase, über deren Modalitäten nach Freilassung weiterer Geiseln aus Hamas-Gewalt kommende Woche verhandelt werden soll. Unter den am Donnerstag freigelassenen israelischen Frauen war mit Agam Berger auch eine Soldatin, die am 7. Oktober 2023 aus Nahal Oz entführt worden war, einem Stützpunkt der Israel Defence Forces (IDF) am Rande des Gazastreifens, sowie zwei Deutsch-Israelis.
Während der Zweiten Intifada von 2000 bis 2005 war der 1976 in Dschenin im Westjordanland geborene Zaharia Zubeidi einer der Anführer der Al-Aqsa-Märtyrerbrigaden in Dschenin, dem bewaffneten Arm der Fatah. 2021 war er gemeinsam mit drei anderen Insassen aus einem israelischen Gefängnis ausgebrochen, dann jedoch wieder gefasst worden. Wegen seiner Rolle während der Schlacht um Dschenin 2002 gilt er vielen Palästinensern als Held, in Israel wurde er wegen mehrerer Terrortaten verurteilt.
Drei weitere israelische Geiseln sollen nach aktuellem Stand am Samstag freigelassen werden. Nach israelischen Angaben befinden sich noch etwa 80 Geiseln in der Hand von islamistischen Terrorgruppen im Gazastreifen. mrb
The Barents Observer: Two mysterious tankers are sailing north to aid sanctioned gas fleet. Die “North Light” und “North Moon” sollen neben vier weiteren Tankern Teil der sogenannten “Schattenflotte” sein, die sanktionierte russische Waren auf internationalen Märkte bringt. Beide könnten auf dem Weg zur Ob-Bucht seien, wo Russland LNG-Projekte betreibt.
Kyiv Independent: Trump must call Putin’s bluff on Ukraine talks. Auch wenn der Kreml von Verhandlungen “ohne Vorbedingungen” spricht, wird von der Ukraine erwartet, keine Sicherheitsgarantien zu unterschreiben. Damit die Ukraine mit einem bestmöglichen Ergebnis aus Verhandlungen herausgeht, ist eine geschlossene Unterstützung der USA und Europas wichtig.
Foreign Affairs: Israel, Trump, and the Gaza Deal. Mit dem beschlossenen Waffenstillstandsabkommen befindet sich Israels Premier Netanjahu in einem Dilemma: Er steht zwischen seinen rechtsextremen Koalitionspartnern und dem Druck seitens US-Präsident Donald Trump. Mit der Implementierung der zweiten Phase des Abkommens könnte die israelische Regierung zusammenbrechen.
New York Times: Lebanon Faces a Colossal Disposal Task – Clearing War Debris. Nach dem Waffenstillstand bleibt für Libanon offen, wie riesige Mengen an Bauschutt beseitigt werden sollen. Nach Schätzungen haben israelischen Angriffe 350 Millionen Kubikfuß Schutt hinterlassen.
Reuters: How transgender troops prepared to fight Trump’s new policy. Donald Trump hat eine Durchführungsverordnung unterzeichnet, die Transpersonen im Militär einschränken soll. Nur wenige Stunden später reichten sechs Transsoldaten gemeinsam mit der LGBTQ-Rechtsgruppe GLAD und dem National Center for Lesbian Rights (NCLR) eine Klage ein.
Innerhalb kürzester Zeit wurden aus dem Ukrainekrieg wichtige Erkenntnisse über die Anforderungen an moderne militärische Systeme und die Notwendigkeit ihrer kontinuierlichen Weiterentwicklung gewonnen. Diese Erkenntnisse gilt es auf die eigenen System- und Komponentenentwicklungen zu übertragen.
Nur so kann die Anpassungsfähigkeit und Vernetzungsfähigkeit der Streitkräfte gesichert werden. Das ist Grundlage für eine moderne, resiliente und zukunftsfähige Verteidigungsarchitektur. Zwei Forderungen sind für die Umsetzung dabei zentral.
Die Entwicklung zukünftiger militärischer Systeme muss diese zwei Forderungen berücksichtigen. Aber auch bestehende Systeme müssen, soweit wirtschaftlich und sinnvoll möglich, angepasst werden können.Als Lösungsansatz wurde das Paradigma “Software Defined Defence” konzipiert, das es nun anzuwenden und praktisch umzusetzen gilt.
Die Designer militärischer Systeme müssen deren Architektur mit einer hohen Flexibilität ausstatten. Dies gelingt nur, wenn die jeweiligen Ebenen beziehungsweise Schichten der Architektur weitestgehend voneinander entkoppelt sind. Zusätzlich muss die Architektur so aufgebaut sein, dass sie mit einer großen Menge Daten umgehen kann, sich bei Bedarf anpassen lässt (z. B. durch Cloud-Lösungen) und Interoperabilität ermöglicht.
Für das bessere Verständnis kann man hier eine Analogie zu den Smartphone-Herstellern ziehen. Neben der tief in die Betriebssysteme integrierten Telefonfunktion (embedded) werden über die Middleware-Schicht (vgl. iOS, Android) standardisierte Schnittstellen für funktionale Software – den sogenannten Apps – zur Verfügung gestellt und der Datenaustausch zwischen den Applikationen und die Ansteuerung der Kommunikationsmedien realisiert.
Um unsere zwei Hauptforderungen zu erfüllen, muss also zukünftig neben der systemspezifischen Software eine zusätzliche einheitliche Laufzeitumgebung vom Bund zur Verfügung gestellt oder zumindest im Rahmen von Anforderungen definiert werden. Diese ermöglicht es, dass Anwendungen über standardisierte Schnittstellen und Middleware mit den darunterliegenden Systemen kommunizieren. Neue Funktionalitäten können auch nachträglich zur Verfügung gestellt sowie ein Austausch von Daten unter Nutzung der Kommunikationssysteme der Waffensysteme mit anderen Systemen und der Cloud durchgeführt werden.
Neben diesen konzeptionellen beziehungsweise technischen Grundlagen bedarf es eines vernetzten Ökosystems aus Nutzenden, Industrie sowie Forschung und Lehre als essenzielle Grundlage. Dieses Ökosystem fordert Umdenken in vielen Bereichen (Beschaffung, Vertragsmodelle, Wertschöpfungsketten, Verantwortlichkeiten etc.).
Das BMVg hat mit der Entwicklung der sogenannten Clusterlogik und mit Umsetzung der Digitalisierungsplattform Bundeswehr als Laufzeitumgebung die Grundlagen für eine solche zukünftige Architektur gelegt. Diese serviceorientierte Architektur orientiert sich an der Nato Consultation, Command and Control (C3) Taxonomie und erfüllt die zu Beginn aufgestellten Hauptforderungen an eine zukünftig tragfähige Systemarchitektur militärischer Systeme inklusive Interoperabilität.
Vergleichbar zur zivilen Welt der Smartphones soll auch diese Architektur standardisierte Schnittstellen für die funktionalen Softwareanteile zur Verfügung stellen, quasi im Sinne eines App-Stores Bundeswehr. Über die darunterliegende Middleware-Schicht soll dann zukünftig der Datenaustausch untereinander und zur Cloud realisiert werden.
Die Umsetzung des SDD-Paradigmas wird im Strategischen Industriedialog zwischen BMVg und Industrie vorangetrieben. Der Grundstein wurde mit dem gemeinsam veröffentlichten Positionspapier SDD im November 2023 gelegt. Getrieben durch die Erkenntnisse des Kriegs in der Ukraine, wird in Kooperation zwischen Amtsseite und Industrie an den zur Umsetzung notwendigen Details gearbeitet. Der Erfolg der Zeitenwende wird auch von einer konsequenten Umsetzung des Paradigmas SDD abhängen.
Peter Obermark ist beim Bundesverband der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) Vorstand des Ausschusses Digitale Konvergenz und Expertenkreisleiter Software Defined Defence im Strategischen Industriedialog (SSID) des BMVg mit der Industrie. Er war viele Jahre Offizier in der Deutschen Marine.
Eva Ziegler ist Referentin Cyber/IT beim BDSV und betreut den Ausschuss Digitale Konvergenz und den Gesprächskreis 4 zu Innovation Cyber/IT im Strategischen Industriedialog zwischen Amtsseite und Industrie. Davor forschte und lehrte sie zu Politischer Ökonomie in der Sicherheitspolitik an der LMU München und wurde durch ein Promotionsstipendium der Konrad-Adenauer-Stiftung gefördert.
Wenn sich seine Zeitenwende-Rede am 27. Februar zum dritten Mal jährt, wird Olaf Scholz aller Voraussicht nach nicht mehr lange Bundeskanzler sein. Die sicherheits- und verteidigungspolitischen Anforderungen jedoch, die er unter dem stehenden Applaus auch von Friedrich Merz im Bundestag skizzierte, werden sich nicht erledigt haben. Im Gegenteil: Ohne erheblichen Aufwuchs im Verteidigungsetat und ohne engere Koordinierung mit europäischen Partnern bei Beschaffung und Entwicklung neuer Militärtechnik wird die Abschreckung von Russland nicht gelingen.
Der Berliner Journalist Christian Schweppe hat das Auf und Ab in der von Scholz vor drei Jahren losgetretenen Debatte minutiös nachgezeichnet. Höhere Verteidigungsausgaben rund um das Sondervermögen Bundeswehr, die Stärkung des europäischen Pfeilers der Nato und die Entsendung robuster Brigaden an die Ostflanke des Bündnisses gehören dazu. Nah dran an Entscheidungsträgern ebenso wie an Kritikern des Kanzlers ist ihm so eine spannende Politreportage jener sicherheitspolitischen Umbruchphase gelungen, die durch Aufstieg und Fall der Ampel-Koalition markiert ist.
Einziger Wermutstropfen: Im Untertitel nimmt der Autor das Fazit seiner Recherchen in gewisser Weise vorweg. “Anatomie eines Scheiterns” lautet das Ergebnis seiner vielen Gespräche mit Verteidigungspolitikern, Soldaten und Mitarbeitern der Rüstungsindustrie nach gut 1.000 Tagen Zeitenwende. Inwieweit das Urteil auch noch gilt, wenn der heutige Oppositionsführer Merz möglicherweise über die deutsche Sicherheits- und Verteidigungsstrategie entscheidet, werden die kommenden Monate zeigen. mrb
Christian Schweppe: Zeiten ohne Wende. Anatomie eines Scheiterns., C.H.Beck, München 2024, 351 Seiten, 26 Euro.