Table.Briefing: Security

Israels riskante Strategie + Multiple Krisen am Horn von Afrika

Liebe Leserin, lieber Leser,

ob die israelische Regierung mit der Bombardierung des Südlibanons die Bedrohung aus dem Norden beseitigen kann, ist fraglich. Markus Bickel hat in Jerusalem mit der Knesset-Abgeordneten Aida Touma-Sleiman gesprochen, die das Vorgehen ihrer Regierung als “mörderisch” bezeichnet. Fast ein Jahr nach dem Überfall der Hamas auf Gemeinden im Süden Israels droht nun ein zweiter Krieg, obwohl die USA auf eine Deeskalation drängen. In der Analyse lesen Sie, was der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit der Ausweitung der Kampfzone erreichen will.

Währenddessen bemüht sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bei der UN-Vollversammlung in New York um Unterstützung für seinen Friedensplan für die Ukraine. Entscheidend wird sein, wie stark er China einbinden kann. Mehr dazu in den News.

Und Frieden zu schaffen, ist meist schwieriger als ihn zu erhalten. Noch ist das am Horn von Afrika möglich. Dort schwelen mehrere Konflikte, unter anderem zwischen Ägypten und Äthiopien um einen Staudamm. Merga Yonas Bula sortiert die komplexe Gemengelage, in die sich diverse Vermittler einbringen.

Eine aufschlussreiche Lektüre wünscht  

Ihr
Gabriel Bub
Bild von Gabriel  Bub

Analyse

Hunderte Tote im Libanon: Wie Israel die Hisbollah zum Rückzug von der Grenze zwingen will

Nach dem heftigsten Bombardement Libanons seit fast zwei Jahrzehnten hat Israels Militärführung am Montag eine Ausweitung des Krieges gegen die Hisbollah angekündigt. Nach eigenen Angaben griffen die Israel Defense Forces (IDF) bei rund 650 Einsätzen 1.100 Ziele im Libanon an, darunter auch Ortschaften in der Bekaa-Ebene, einer Hochburg der Hisbollah an der Grenze zu Syrien. Das libanesische Gesundheitsministerium bezifferte die Zahl der Toten bei Angriffen auf den Süden des Landes am Montag auf 492; mehr als 1.600 Menschen seien verwundet worden.

Die Hisbollah schoss am Montag Raketen und Drohnen so tief in den Norden Israels ab wie seit Beginn der militärischen Auseinandersetzung am 8. Oktober 2023 nicht – allein am Montag sollen es 165 gewesen sein, die bis nach Haifa und Akko reichten. Auch im von Israel besetzten Westjordanland schlugen Raketen ein. Mit dem Beschuss reagierte die von Generalsekretär Hassan Nasrallah geführte “Partei Gottes” auf die Tötung ihres Kommandeurs Ibrahim Aqil am vergangenen Freitag. Aqil war einer der Gründungsmitglieder der Anfang der 1980er Jahre von Iran im Libanon aufgebauten Schiitenorganisation.

Ausweitung der Kampfzone

Neben Aqil, auf den die USA wegen seiner Beteiligung am Anschlag auf die US-Botschaft in Beirut 1983 ein Kopfgeld von sieben Millionen US-Dollar ausgesetzt hatten, sollen laut IDF sechs weitere Kommandeure der Radwan-Eliteeinheiten bei dem Angriff auf Hochhäuser im Süden Beiruts umgekommen sein; die Hisbollah gab die Zahl ihrer getöteten Kämpfer mit 16 an. 

Verbunden mit den Opfern, die die Israel zugeschriebenen Attacken auf Pager und Walkie-Talkies der Hisbollah am Dienstag und Mittwoch im ganzen Land verursachten, kamen so in einer Woche auf libanesischer Seite fast 600 Menschen um – so viele wie nie seit Oktober vergangenen Jahres, als die Hisbollah begann, Israel zu beschießen, um die Hamas im Gazastreifen zu unterstützen. Die libanesischen Verluste während des 33-Tage-Krieges mit Israel im Sommer 2006 werden auf 1.200 beziffert, darunter sollen 250 Hisbollah-Kämpfer gewesen sein.

Massenflucht aus dem Süden Libanons

Inwieweit mit dem Massenbombardement das strategische Ziel der Regierung Benjamin Netanjahus, die Bedrohung Israels aus dem Norden zu beenden, erreicht werden kann, ist fraglich. Die Knesset-Abgeordnete Aida Touma-Sleiman von der linken Hadash-Partei bezeichnete das Vorgehen der Regierung als “mörderisch”: “Israel begeht nicht nur Massaker an Zivilisten im Libanon, Netanjahu ist außerdem unfähig, seine eigene Bevölkerung im Norden des Landes zu schützen”, sagte sie im Gespräch mit Table.Briefings in Jerusalem.

Auf israelischer Seite beträgt die Zahl der aus Gemeinden entlang der 130 Kilometer langen Grenze zu Libanon evakuierten Bewohner seit Herbst 2023 rund 60.000, auf libanesischer 100.000. Am Montag verließen Zehntausende Libanesen ihre Wohnungen und Häuser im Süden des Landes. In den Gegenden südlich des Flusses Litani verfügt die Hisbollah in Dutzenden Orten über Hunderte Waffenlager und Abschussrampen. Seit Ende des Krieges mit Israel im August 2006 konnte sie ihr Raketenarsenal hier entscheidend erweitern, sodass es inzwischen 140.000 Geschosse groß sein soll, darunter befinden sich weitreichende Systeme, die bislang nicht zum Einsatz kamen, aber Tel Aviv erreichen könnten.

Das israelische Militär schloss am Montag einen Bodeneinsatz im Libanon nicht aus – was eine weitere Eskalation des Konflikts mit sich bringen würde. Auf die Frage, ob dies dennoch eine Option sei, antwortet Militärsprecher Daniel Hagari, man werde alles tun, was nötig sei, damit die Menschen im Norden Israels sicher in ihre evakuierten Häuser zurückkehren könnten.

Hisbollah verteidigt “Staat im Staat” gegen Entwaffnung

Kurz vor dem ersten Jahrestag des Überfalls der palästinensischen Hamas auf Gemeinden und Kibbuzim im Süden des Landes droht ein zweiter Krieg – auch wenn US-Verteidigungsminister Loyd Austin im Gespräch mit seinem israelischen Kollegen Yoav Gallant auf Deeskalation drängte. Gallant erklärte am Montagabend: “Was die Hisbollah in zwanzig Jahren seit dem zweiten Libanonkrieg aufgebaut hat, wird von den israelischen Streitkräften zerstört.” Ein Pentagon-Sprecher erklärte, die USA würden ihre Truppenpräsenz im Nahen Osten um ein kleines Kontingent aufstocken.

Doch offenbar ist Netanjahu bereit, eine weitere Eskalation in Kauf zu nehmen, um den Rückzug der Hisbollah aus dem Grenzgebiet zu Israel zu erreichen. Die vom UN-Sicherheitsrat im August 2006 verabschiedete Resolution 1701 sah den Rückzug der Hisbollah aus einem vierzig Kilometer breiten Korridor südlich des Flusses Litani und deren Entwaffnung vor. Doch weder die libanesische Regierung noch die UN-Libanon-Schutztruppe Unifil hat diesen Schritt gewagt; zu mächtig ist die auch als “Staat im Staat” bezeichnete Hisbollah.

Hisbollah verliert mehr Kämpfer seit Oktober 2023 als im Krieg 2006

Nach 18 Jahren relativer Ruhe zwischen Israel und der Hisbollah ist nun eine neue Phase angebrochen, die Erinnerungen an den Krieg von 2006 weckt: Fast doppelt so hoch wie damals ist die Anzahl der Opfer der Schiitenorganisation seit vergangenem Oktober – 500 Kämpfer hat sie nach eigenen Angaben verloren. Mit der Intensivierung der Angriffe solle die Hisbollah zum Rückzug aus dem Grenzgebiet zu Israel gezwungen werden, hieß es am Montag aus Militärkreisen in Jerusalem. Netanjahu sagte am Montag nach einer Lagebeurteilung im Militärhauptquartier in Tel Aviv: “Wir haben versprochen, das Sicherheitsgleichgewicht, die Machtbalance im Norden zu verändern – genau das tun wir.” Israel habe “komplizierte Tage” vor sich.

  • Benjamin Netanjahu
  • Drohnen
  • Israel
  • Libanon
  • Nahost
Translation missing.

Horn von Afrika: Die zahlreichen Konflikte drohen, außer Kontrolle zu geraten

Die Spannungen am Horn von Afrika, die Äthiopien mit dem Bau des Great Ethiopian Renaissance Dam (GERD) ausgelöst hat, haben in den vergangenen Wochen zugenommen. Am 8. September sagte der äthiopische Premierminister Abiy Ahmed: “Jeder, der in Äthiopien einmarschieren will, sollte nicht nur einmal, sondern zehnmal darüber nachdenken, denn wir Äthiopier wissen sehr gut, wie wir uns verteidigen können.” Namentlich nannte Abiy Ägypten nicht, die Botschaft dürfte in Kairo allerdings angekommen sein. Seit Jahren sorgt das Projekt für Spannungen mit dem nordafrikanischen Land. Ägypten fürchtet, dass durch den Damm der Wasserspiegel des Nils massiv sinken könnte.

Ein weiterer Konfliktpunkt in der Region ist die Annäherung Äthiopiens an die Republik Somaliland, die sich vor mehr als 30 Jahren einseitig als unabhängig von Somalia erklärte. Die Unterzeichnung einer Absichtserklärung zwischen Äthiopien und Somaliland über den Zugang zu ihrer 20 Kilometer langen Küstenlinie für 50 Jahre ist in den Augen Somalias inakzeptabel. Denn die Regierung in Mogadischu betrachtet Somaliland nach wie vor als Teil ihres Staatsgebiets.

Soldaten aus Ägypten statt aus Äthiopien

Für die Regierung von Somaliland ist das Abkommen “abgeschlossen“. Man warte auf “eine formelle rechtliche Vereinbarung”. Somalia warnte seinerseits, dass es im Falle einer Fortsetzung der Vereinbarung rund 10.000 äthiopische Soldaten, die das Land im Kampf gegen Al-Shabab unterstützen, des Landes verweisen werde.

Da die Mission der Soldaten Ende des Jahres ausläuft, hat Somalia ägyptische Soldaten als Ersatz angefordert. Dies verärgerte Äthiopien. Denn so könnte der langjährige Feind – Ägypten – militärisch näher an seine Grenze heranrücken. Und damit schließt sich noch nicht der Kreis der zahlreichen Konflikte, die am Horn von Afrika ineinander verwoben sind.

Äthiopien und Somaliland beharren auf Vereinbarung

Die Drohung aus Mogadischu hat Äthiopien und Somaliland zumindest offiziell nicht beeindruckt. Beide Regierungen machten deutlich, dass es keinen Rückschritt bei der Umsetzung der Vereinbarung geben werde. Äthiopien bezeichnete den Zugang zum Meer als eine “existenzielle” Frage. Neben der Anerkennung seiner Souveränität hat Äthiopien Somaliland auch versprochen, an großen Geldgeschäften beteiligt zu werden, zum Beispiel an Ethiopian Airlines.

Somalia seinerseits verschärfte die Spannungen. In einem Gespräch mit lokalen Medien ließ sich der somalische Außenminister Ahmed Moalim Fiqi mit den Worten zitieren: “Die Möglichkeit, mit Rebellen, die gegen das äthiopische Regime kämpfen, in Kontakt zu treten, ist eine Option, die Somalia offensteht, wenn es so weiter macht.”

Kontakte zwischen Eritrea und Ägypten

Eritrea hatte Ende vergangenen Jahres Äthiopiens Bitte um Zugang zum Meer heruntergespielt. Am 14. September empfing die eritreische Regierung eine ägyptische Delegation. Eritreas Informationsminister Yemane G. Meskel schrieb daraufhin: “Die beiden Seiten stellten kategorisch fest, dass Ägypten keine Agenda der regionalen Destabilisierung und Einmischung verfolgt.”

In einem Ton, der auf Äthiopien abzuzielen scheint, fügte er hinzu: “Diese Tatsachen falsch zu deuten, um mit ungerechtfertigten Erklärungen und Anschuldigungen einiger Kreise hausieren zu gehen, ist daher hohl und dient nur dazu, ihre strategischen Fehler zu rationalisieren.”

Obwohl der sich anbahnende Konflikt Auswirkungen auf die geopolitischen Interessen der internationalen Gemeinschaft haben wird, gibt es bisher außer Gesprächen allerdings keine konkreten Maßnahmen.

Blinken und Steinmeier in Ägypten

Während seines Besuchs in Ägypten am 18. September erklärte der US-Außenminister Antony Blinken: “[Der ägyptische] Präsident el-Sisi und ich haben auch über den existenziellen Charakter von Ägyptens wachsendem Wasserbedarf und die Bedeutung des Nils für das ägyptische Volk gesprochen.”

Der ägyptische Außenminister Badr Abdelatty sprach sich seinerseits dafür aus, dass es “ein verbindliches rechtliches Abkommen für den Betrieb” des GERD geben sollte. Er betonte außerdem, wie wichtig es sei, die “Souveränität” Somalias zu wahren. Die ägyptische Regierung bezeichnet den Bau des GERD weiterhin als “illegal“. Ägypten ist zu fast 100 Prozent von Wüste bedeckt. Deshalb ist der Zugang zum Nil-Wasser eine Existenzfrage für den gesamten Staat.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte Ägypten vom 10. bis 12. September ebenfalls mit einer Wirtschaftsdelegation besucht. Während eines gemeinsamen Pressestatements wies el-Sisi auf das GERD-Projekt hin und die möglichen weitreichenden Folgen für Ägypten. Weder Steinmeier noch die Bundesregierung haben jedoch bisher eine offizielle Stellungnahme zum Streit im Horn von Afrika abgegeben.

Auch die Türkei will vermitteln

Die Türkei wiederum war Gastgeber zweier Vermittlungsrunden zwischen Äthiopien und Somalia. Die dritte Runde, die für den 17. September geplant war, wurde Berichten zufolge auf “unbestimmte” Zeit verschoben. Der türkische Außenminister Hakan Fidan sagte am 19. September, dass seine Regierung plane, die Regierungen der beiden Länder getrennt zu treffen. Dennoch sind die Fortschritte der Vermittler minimal. Gleichzeitig droht die Situation ohne entschiedene Vermittlungsinitiativen weiter außer Kontrolle zu geraten.

  • Ägypten
  • Äthiopien
  • Energiepolitik
  • Wasser
Translation missing.

News

Wie weit ist die Weltraumsicherheitsstrategie?

Bis Deutschland eine Weltraumsicherheitsstrategie hat, könnte es noch ein wenig dauern. Das zeigte eine Anhörung, die am Montag im Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages stattfand.

Vor allem in der Opposition hatte man ursprünglich gehofft, dass bei der öffentlichen Befragung von Sachverständigen inklusive Ministeriumsvertretern, die vom SPD-Abgeordneten Kevin Leiser initiiert wurde, bereits ein paar Details zu der Strategie bekannt werden würden. Schon im Vorfeld war aber klar: Noch gibt es mehr Fragen als Antworten.

Leiser zeigte sich im Gespräch mit Table.Briefings im Anschluss an die Anhörung dennoch zufrieden: “So hat das Parlament auch gesagt, das Thema ist uns wichtig.” Die Erwartungen wurden bereits im Vorhinein gedämpft: Es gehe mehr darum, die Aufmerksamkeit des Parlaments, aber auch der Öffentlichkeit auf das All zu lenken.

Mehrfach haben das Auswärtige Amt (AA) und das Bundesverteidigungsministerium (BMVg) die Veröffentlichung der gemeinsamen Weltraumsicherheitsstrategie, quasi das militärische Gegenstück zur zivilen Raumfahrtstrategie, verschoben. Jetzt geht das Gerücht um, dass es im Umfeld der Münchner Sicherheitskonferenz 2025 dazu kommen soll.

Reibereien zwischen Weltraumkommando und Kommando CIR

Welche Kapazitäten braucht Deutschland oder die EU, um den Zugang zum Weltraum zu sichern, wie können Angriffe auf eigene Satellitensysteme abgeschreckt werden und welche Rolle spielen dabei private Akteure? Alles Fragen, die die Strategie beantworten soll. Antworten konnte zumindest der Vertreter aus dem Verteidigungsministerium, Michael Kniepen, aus der Politikabteilung zuständig für Strategiefragen, kaum liefern. Klar wurde aber, Sicherheit im Weltraum kostet Geld. Von einem “moderaten zweistelligen Milliardenbetrag”, sprach der Inspekteur Cyber- und Informationsraum (CIR), Vizeadmiral Thomas Daum, auf Nachfrage des Abgeordneten Alexander Müller von der FDP.

Reibereien verspricht auch die Frage nach den Zuständigkeiten. Das Weltraumkommando, das der Luftwaffe unterstellt ist, und das CIR, in dessen Verantwortung derzeit alle bundeswehreigenen Satelliten sind, beanspruchen beide Verantwortungshoheit. Dass Generalmajor Michael Traut, Kommandeur des Weltraumkommandos der Bundeswehr im Gegensatz zu Daum nicht eingeladen wurde, stieß auch unter Fachpolitikern und Sachverständigen auf Unverständnis.

“Ich glaube, wichtig ist, dass eine Klarheit der Führung und der Befehlskette herrscht”, so Leiser. Zu Auswahl stehe, dass das CIR den Hut aufhat, die Luftwaffe oder eine eigene Teilstreitkraft entstehe. Für alle drei gebe es gute Argumente. wp

  • Bundestag
  • Bundeswehr
  • Münchner Sicherheitskonferenz
  • Münchner Sicherheitskonferenz 2025
  • Weltall
  • Weltraum

UN-Versammlung: Selenskyj wirbt für seinen Friedensplan

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird bis Mittwoch in den USA bei Vertretern vieler Staaten um Unterstützung kämpfen. Er nutzte am Montagabend den UN-Zukunftsgipfel, um für Solidarität zu werben. Im Zentrum seiner Bemühungen steht ein von der Ukraine ausgearbeiteter Friedensplan, den Russland allerdings ablehnt. Moskau will erreichen, dass Kiew die von den russischen Truppen besetzten Gebiete abtritt. Selenskyj will seinen Plan sowohl der aktuellen US-Regierung als auch den Präsidentschaftskandidaten Kamala Harris und Donald Trump vorstellen. Auch eine Rede von ihm auf der Vollversammlung der UN wird erwartet.

Für den Friedensplan Kiews entscheidend wird sein, wie sich China positioniert. Moskau will, dass China und eventuell auch Brasilien sowie Indien eine größere Rolle bei der Ausarbeitung des Plans spielen. Russlands Präsident Wladimir Putin hat diese drei Länder als die Staaten genannt, mit denen Moskau zum “Ukraine-Konflikt” (Putin) spreche. Selenskyj hat die diplomatischen Beziehungen zu diesen Staaten intensiviert.

Die Vorschläge zur Reform der UN sind sehr vage

Der Zukunftspakt der Vereinten Nationen, den die UN verabschiedet haben, will die Institution der UN reformieren. Das Weltgremium soll fit gemacht werden für die multilaterale Zusammenarbeit im 21. Jahrhundert. Wie sehr die Diskussionen im Vorfeld von der aktuellen Geopolitik geprägt waren, zeigte sich auch in der Generalversammlung. Vor Annahme des Textes mussten die Mitgliedstaaten über eine von Russland, Belarus, Nicaragua, Iran, Nordkorea und Syrien geforderte Ergänzung abstimmen, die das gesamte Dokument für nichtig erklärt hätte. 143 Länder wandten sich dagegen, 15 enthielten sich. 

Deutschland hatte die Verhandlungen in den letzten Monaten zusammen mit Namibia geleitet. Zentral im Zukunftspakt sind Nachhaltigkeits- und Klimaziele, deren Umsetzung beschleunigt werden solle. Große, schnell sichtbare Veränderungen dürfte das 56-seitige Dokument jedoch nicht bewirken. Die als “Actions” bezeichneten Absichtserklärungen sind meist vage gehalten. Vorschläge zur Reform der globalen Finanzarchitektur etwa, die zentral für zahlreiche hoch verschuldete Staaten des Südens ist, wurden abgeschwächt. Mehr dazu lesen Sie in einer Analyse bei ESG.Table. vf/maw

  • Donald Trump
  • Geopolitik
  • Trump 2024
  • Ukraine
  • Ukraine-Krieg
  • Vereinte Nationen
  • Wladimir Putin

US-Präsidentschaftswahlen: Wie US-Amerikaner ihre Außenpolitik bewerten

Außenpolitische Themen spielen bei den US-Präsidentschaftswahlen am 5. November eine größere Rolle als bei vergangenen Wahlen. Laut einer Analyse des Politikwissenschaftlers Bruce Stokes vom German Marshall Fund in Washington steht das Thema Außenpolitik an vierter Stelle, nach den Themen Wirtschaft und Gesundheitspolitik. Aber während zu Beginn der 2000er Jahre noch zwei Drittel aller Amerikaner mit der Außenpolitik der Regierung zufrieden waren, bewerten heute nur noch ein Drittel der Wähler die Rolle Amerikas als “zufriedenstellend”.

Vor allem die Einstellung bei republikanischen Wählerinnen und Wählern, die früher traditionell eine starke Position Amerikas in der Welt befürwortet haben, hat sich seit der Präsidentschaft Donald Trumps massiv geändert. Nur noch 61 Prozent der republikanischen Wählerschaft glaubt, dass die USA eine große Rolle in der Welt spielen sollte.  Und mehr als 77 Prozent der Republikaner denken, dass die USA sich weniger in globale Auseinandersetzungen einmischen sollten, – gegenüber 33 Prozent bei den demokratischen Wählern. Die sichtbare Spaltung zwischen den politischen Lagern zeichnet sich auch bei der Frage ab, ob die USA die Interessen ihrer Alliierten berücksichtigen sollten.

Während fast 80 Prozent aller registrierten Demokraten dem zustimmen, halten nur 40 Prozent der Republikaner das für wichtig. Umgekehrt sehen 80 Prozent der Republikaner die USA nach wie vor als die größte militärische Supermacht. Dreimal so viele Republikaner (42 Prozent) wie Demokraten (14 Prozent) befürworten eine Verringerung oder Beendigung des Engagements der USA in der Nato. Doch fast viermal so viele Demokraten (27 Prozent) wie Republikaner (7 Prozent) wollen das amerikanische Engagement für das Verteidigungsbündnis verstärken.

Auch die Unterstützung der USA für Israel sehen überparteilich viele Wählerinnen und Wähler kritisch. Nur noch 42 Prozent der Amerikaner halten das militärische Vorgehen Israels im Gaza-Streifen für richtig. nana

  • Donald Trump
  • Geopolitik
  • Trump 2024
  • USA

Warum Deutschland verwundete Soldaten aus Niger ausfliegt

Auch nach dem Abzug der Bundeswehr aus Niger hält Deutschland an zugesagter Unterstützung für den Sahel-Staat fest. Zehn nigrische Soldaten, die bei Gefechten mit Jihadisten verwundet wurden, flog die Bundeswehr zur medizinischen Behandlung nach Deutschland aus.

Die Soldaten aus Niger seien in der vergangenen Woche mit einem medizinischen Evakuierungsflug der Luftwaffe nach Deutschland gebracht worden, sagte eine Sprecherin des deutschen Verteidigungsministeriums auf Anfrage von Table.Briefings. Die Verwundeten sollten in Bundeswehrkrankenhäusern im Inland behandelt werden. Die Regierung in Niamey hatte nach Angaben des Ministeriums um diese Unterstützung gebeten.

Die Bundeswehr hatte Ende August ihren Lufttransportstützpunkt in der nigrischen Hauptstadt geschlossen, nachdem Verhandlungen zwischen Deutschland und der Militärregierung über eine Weiterführung der deutschen Stationierung gescheitert waren. Der Stützpunkt war ursprünglich für die Versorgung der deutschen Blauhelmtruppen im benachbarten Mali eingerichtet worden. Nach dem von der malischen Militärregierung durchgesetzten Abzug der UN-Mission MINUSMA hatte die Bundeswehr geplant, die Basis in Niger für mögliche Evakuierungseinsätze in Westafrika weiter zu betreiben.

Bereits vor dem Abzug hatte das nigrische Verteidigungsministerium “aufgrund der langjährigen Militärkooperation mit der Bundeswehr zur Stärkung der Fähigkeiten im Antiterrorkampf” um die Behandlung von einzelnen verwundeten Soldaten in Deutschland gebeten, heißt es in einem Ministeriumspapier. Auf diese Weise könne die militärische Kooperation “niederschwellig” fortgesetzt werden. Mit der Ankündigung der Räumung des Lufttransportstützpunkts hatte das deutsche Ministerium im Juli zugesagt: “Versehrte und verwundete nigrische Soldaten sollen in Bundeswehrkrankenhäusern behandelt werden.” tw

  • Boris Pistorius
  • Bundeswehr
  • Niger
  • Sahel

Must-Reads

Semafor: Biden: Quad security alliance ‘here to stay’ as US seeks to counter China. Die USA, Australien, Indien und Japan einigten sich an diesem Wochenende darauf, ihre sicherheitspolitische und militärische Zusammenarbeit auszubauen, insbesondere in den für den Handel wichtigen Wasserstraßen Asiens. Die Staats- und Regierungschefs der Länder erklärten, dass sie “ernsthaft besorgt” über die Eskalationen Chinas im pazifischen Raum seien.

Wirtschaftswoche: Alarmstufe Light für die Bundeswehr. Der Bundeswehr mangelt es an Soldaten für höhere Gefahrenstufen. Nach den Verdachtsfällen von Sabotage in zwei Kasernen soll ein Light-Alarm eingeführt werden. Bei akuten Bedrohungen kennt die Bundeswehr bisher vier Gefährdungsstufen: Alpha (keine Gefahr), Bravo (Bedrohungsverdacht), Charlie (bevorstehende Gefahr) und Delta (Lage). Doch für höhere Stufen sind in vielen deutschen Kasernen derzeit nicht genügend Soldaten vorhanden.

NDR: “Northern Coasts” – Nato übt analoge Kommunikation. Während der Übung “Northern Coasts” proben Marineschiffe aus neun Nato-Staaten in der Ostsee den Ernstfall und treffen dabei unverzüglich auf die russische Marine. Die digitale Kommunikation der Nato-Schiffe wird wiederholt gestört, weshalb die Nato auf Flaggen- und Lichtsignale ausweichen muss.

The Bell: Is Russia’s economy addicted to military spending? Unabhängig davon, ob der Krieg in der Ukraine mit einem dauerhaften Frieden oder einem fragilen Waffenstillstand endet, wird Russland seine Streitkräfte wieder aufbauen müssen. “Laut Experten könnte der Kreml bis zu acht Jahre benötigen, um sein Militär vollständig wiederherzustellen. Und auch ohne Krieg müssten die Militärausgaben hoch bleiben.”

Idowa: Stoltenberg: “Die Nato ist nicht in Stein gemeißelt” Der scheidende Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte in seiner Abschiedsrede, dass die Nato “nicht in Stein gemeißelt” sei, sondern das Ergebnis bewusster Entscheidungen und politischen Willens. Die Nato sei stark und geeint. Die Staaten müssten bereit sein, den Preis für den Frieden zu zahlen und sich darüber im Klaren sein, dass Freiheit wichtiger ist als Freihandel.

Standpunkt

Debatte über Migration – losgelöst von der Realität

Judith Kohlenberger forscht am Institut für Sozialpolitik der Wirtschaftsuniversität Wien zu Kulturwissenschaften und Migration.

Beginnen wir ausnahmsweise mit Fakten statt mit Stimmung. Deutschland ist sicherer als vor 30 Jahren. Die Zahl der Gewalttaten ist seit den 1990ern deutlich gesunken. Die Integration der 2015 ins Land gekommenen Geflüchteten läuft gut: Ihre Erwerbsquote liegt bei 64 Prozent und hat mittlerweile fast das Niveau regulärer Migranten erreicht. Unter geflüchteten Männern liegt die Erwerbsquote sogar über jener der männlichen Gesamtbevölkerung. Viele Syrer, die nach 2015 kamen, beantragen nun die deutsche Staatsbürgerschaft. Sie engagieren sich in Vereinen und halten das Land in niedrig entlohnten, mitunter schmutzigen und gefährlichen, aber systemerhaltenden Berufen am Laufen; ihre Kinder wachsen als neue Deutsche auf.

Über all das sprechen wir aber nicht. Gesprochen wird über Grenzkontrollen, Abschiebungen, Aussetzung des Asylrechts, Zurückweisungen an der Grenze, Unterwanderung des zentralen europäischen Prinzips der Personenfreizügigkeit. Über Abschottung, Abschreckung und Auslagerung. Ob nach Ruanda, in die Türkei oder auf eine ferne Insel ist da schon fast sekundär. Seit 2015 wenden wir stur das immer gleiche asylpolitische Rezept an und lassen uns die Stichworte von Rechtsaußen vorgeben. Diese neue Härte hat uns aber erwiesenermaßen weder niedrigere Asylantragszahlen noch eine zerschlagene Schlepperindustrie oder weniger Tote im Mittelmeer gebracht, und sie hat ganz sicher nicht die Rechtsstaatlichkeit, die Aufnahmebereitschaft und die politische Mitte in Deutschland gestärkt. Im Gegenteil.

Wie hilft die “neue Härte” gegen Propaganda auf TikTok?

Auch jetzt wird der aktuelle Unterbietungswettbewerb in Sachen Asylverschärfung das steigende Problem des IS-Terrors nicht lösen. Zentrale Fragen, etwa wie man islamistische Radikalisierung innerhalb Europas von bereits länger aufhältigen Menschen wirksam verhindert beziehungsweise bekämpft, sind bis dato außen vor geblieben. Das ist nicht nur politisch ignorant, sondern auch höchst gefährlich. Während wir Scheindebatten über Schutzsuchende führen, von denen wesentlich mehr vor dem IS geflohen sind als sich diesem angeschlossen haben, nehmen islamistische Kräfte im analogen und vor allem virtuellen Raum weiterhin ungehindert auf Jugendliche Einfluss und fluten ihre Propaganda direkt in die Kinderzimmer.

Eine Antwort auf die Frage, wie Deutschlands “neue Härte” gegen Flüchtlinge auch nur einen einzigen Radikalisierungsversuch auf TikTok verhindern wird, bleiben Regierungsverantwortliche wie auch Opposition bislang schuldig – auch, weil sie nie gestellt wird. In der seit dem Terrorangriff in Solingen und den Wahlerfolgen der AfD in Thüringen, Sachsen und nun auch Brandenburg hochgedrehten Eskalationsspirale tragen Medien eine Mitverantwortung. Gerade dann, wenn sich die Migrationsrhetorik immer weiter von der Realität zu entkoppeln droht.

Fremdenfeindlichkeit lockt keine Fachkräfte an

Fernab der sicherheitspolitischen Aspekte täten wir gut daran, auch all die anderen Effekte von Migration in den Blick zu nehmen. Denn sie betrifft Wohlfahrtsstaat und Wirtschaft ebenso wie Wohnen, Bildung, Wohlstand, Pensions- und Gesundheitssystem – nicht zuletzt vor dem Hintergrund des rapide voranschreitenden demografischen Wandels. Dass der seine Folgen vorrangig und zuallererst im Osten zeigt, der neben niedrigen Geburtenraten mit Abwanderung zu kämpfen hat, ist angesichts jüngster Wahlergebnisse besonders pikant. Ein fremdenfeindliches Klima wird der Anwerbung von Fach- und Arbeitskräften wohl kaum zuträglich sein, und die werden in den Kitas und Krankenhäusern genauso gesucht wie im öffentlichen Nahverkehr.

Wer nun meint, dass man eben die “richtigen” Migranten anziehen, aber die unerwünschten (sprich: Flüchtlinge) abschrecken müsse, der sei auf internationale Studien verwiesen. Die zeigen, dass Ressentiments gegen eine bestimme Gruppe von Ausländern auch von jenen gehört werden, die vielleicht gar nicht gemeint waren. Und ob jemand als Flüchtling oder Fachkraft nach Deutschland gekommen ist, ist von außen nicht erkennbar – Opfer von rassistischen Äußerungen oder gar tätlichen Angriffen können beide werden. Genauso aber können beide, unabhängig von ihrem Einreiseweg, zu Beitragenden im System werden; zu jenen, die nicht nur Wohnungen belegen, sondern sie bauen, und Arzttermine nicht wahrnehmen, sondern anbieten. Das braucht bei Menschen mit traumatischer Fluchterfahrung womöglich etwas mehr Zeit, aber dass es gelingen kann, zeigen die eingangs zitierten Zahlen. Für ein sicheres, wohlhabendes, sozial stabiles Deutschland in einem geeinten Europa sollten wir auch darüber sprechen.

Judith Kohlenberger ist Kulturwissenschaftlerin und Migrationsforscherin am Institut für Sozialpolitik der Wirtschaftsuniversität Wien (WU). Soeben ist ihr neues Buch “Grenzen der Gewalt. Wie Außengrenzen ins Innere wirken” im leykam Verlag erschienen. Darin geht die Autorin der Frage nach, wie die zunehmende Härte gegen Geflüchtete sich auch auf die Gesellschaften in Europa auswirkt.

  • Kitas
  • Migration
  • Migrationspolitik

Security.Table Redaktion

SECURITY.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    ob die israelische Regierung mit der Bombardierung des Südlibanons die Bedrohung aus dem Norden beseitigen kann, ist fraglich. Markus Bickel hat in Jerusalem mit der Knesset-Abgeordneten Aida Touma-Sleiman gesprochen, die das Vorgehen ihrer Regierung als “mörderisch” bezeichnet. Fast ein Jahr nach dem Überfall der Hamas auf Gemeinden im Süden Israels droht nun ein zweiter Krieg, obwohl die USA auf eine Deeskalation drängen. In der Analyse lesen Sie, was der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit der Ausweitung der Kampfzone erreichen will.

    Währenddessen bemüht sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bei der UN-Vollversammlung in New York um Unterstützung für seinen Friedensplan für die Ukraine. Entscheidend wird sein, wie stark er China einbinden kann. Mehr dazu in den News.

    Und Frieden zu schaffen, ist meist schwieriger als ihn zu erhalten. Noch ist das am Horn von Afrika möglich. Dort schwelen mehrere Konflikte, unter anderem zwischen Ägypten und Äthiopien um einen Staudamm. Merga Yonas Bula sortiert die komplexe Gemengelage, in die sich diverse Vermittler einbringen.

    Eine aufschlussreiche Lektüre wünscht  

    Ihr
    Gabriel Bub
    Bild von Gabriel  Bub

    Analyse

    Hunderte Tote im Libanon: Wie Israel die Hisbollah zum Rückzug von der Grenze zwingen will

    Nach dem heftigsten Bombardement Libanons seit fast zwei Jahrzehnten hat Israels Militärführung am Montag eine Ausweitung des Krieges gegen die Hisbollah angekündigt. Nach eigenen Angaben griffen die Israel Defense Forces (IDF) bei rund 650 Einsätzen 1.100 Ziele im Libanon an, darunter auch Ortschaften in der Bekaa-Ebene, einer Hochburg der Hisbollah an der Grenze zu Syrien. Das libanesische Gesundheitsministerium bezifferte die Zahl der Toten bei Angriffen auf den Süden des Landes am Montag auf 492; mehr als 1.600 Menschen seien verwundet worden.

    Die Hisbollah schoss am Montag Raketen und Drohnen so tief in den Norden Israels ab wie seit Beginn der militärischen Auseinandersetzung am 8. Oktober 2023 nicht – allein am Montag sollen es 165 gewesen sein, die bis nach Haifa und Akko reichten. Auch im von Israel besetzten Westjordanland schlugen Raketen ein. Mit dem Beschuss reagierte die von Generalsekretär Hassan Nasrallah geführte “Partei Gottes” auf die Tötung ihres Kommandeurs Ibrahim Aqil am vergangenen Freitag. Aqil war einer der Gründungsmitglieder der Anfang der 1980er Jahre von Iran im Libanon aufgebauten Schiitenorganisation.

    Ausweitung der Kampfzone

    Neben Aqil, auf den die USA wegen seiner Beteiligung am Anschlag auf die US-Botschaft in Beirut 1983 ein Kopfgeld von sieben Millionen US-Dollar ausgesetzt hatten, sollen laut IDF sechs weitere Kommandeure der Radwan-Eliteeinheiten bei dem Angriff auf Hochhäuser im Süden Beiruts umgekommen sein; die Hisbollah gab die Zahl ihrer getöteten Kämpfer mit 16 an. 

    Verbunden mit den Opfern, die die Israel zugeschriebenen Attacken auf Pager und Walkie-Talkies der Hisbollah am Dienstag und Mittwoch im ganzen Land verursachten, kamen so in einer Woche auf libanesischer Seite fast 600 Menschen um – so viele wie nie seit Oktober vergangenen Jahres, als die Hisbollah begann, Israel zu beschießen, um die Hamas im Gazastreifen zu unterstützen. Die libanesischen Verluste während des 33-Tage-Krieges mit Israel im Sommer 2006 werden auf 1.200 beziffert, darunter sollen 250 Hisbollah-Kämpfer gewesen sein.

    Massenflucht aus dem Süden Libanons

    Inwieweit mit dem Massenbombardement das strategische Ziel der Regierung Benjamin Netanjahus, die Bedrohung Israels aus dem Norden zu beenden, erreicht werden kann, ist fraglich. Die Knesset-Abgeordnete Aida Touma-Sleiman von der linken Hadash-Partei bezeichnete das Vorgehen der Regierung als “mörderisch”: “Israel begeht nicht nur Massaker an Zivilisten im Libanon, Netanjahu ist außerdem unfähig, seine eigene Bevölkerung im Norden des Landes zu schützen”, sagte sie im Gespräch mit Table.Briefings in Jerusalem.

    Auf israelischer Seite beträgt die Zahl der aus Gemeinden entlang der 130 Kilometer langen Grenze zu Libanon evakuierten Bewohner seit Herbst 2023 rund 60.000, auf libanesischer 100.000. Am Montag verließen Zehntausende Libanesen ihre Wohnungen und Häuser im Süden des Landes. In den Gegenden südlich des Flusses Litani verfügt die Hisbollah in Dutzenden Orten über Hunderte Waffenlager und Abschussrampen. Seit Ende des Krieges mit Israel im August 2006 konnte sie ihr Raketenarsenal hier entscheidend erweitern, sodass es inzwischen 140.000 Geschosse groß sein soll, darunter befinden sich weitreichende Systeme, die bislang nicht zum Einsatz kamen, aber Tel Aviv erreichen könnten.

    Das israelische Militär schloss am Montag einen Bodeneinsatz im Libanon nicht aus – was eine weitere Eskalation des Konflikts mit sich bringen würde. Auf die Frage, ob dies dennoch eine Option sei, antwortet Militärsprecher Daniel Hagari, man werde alles tun, was nötig sei, damit die Menschen im Norden Israels sicher in ihre evakuierten Häuser zurückkehren könnten.

    Hisbollah verteidigt “Staat im Staat” gegen Entwaffnung

    Kurz vor dem ersten Jahrestag des Überfalls der palästinensischen Hamas auf Gemeinden und Kibbuzim im Süden des Landes droht ein zweiter Krieg – auch wenn US-Verteidigungsminister Loyd Austin im Gespräch mit seinem israelischen Kollegen Yoav Gallant auf Deeskalation drängte. Gallant erklärte am Montagabend: “Was die Hisbollah in zwanzig Jahren seit dem zweiten Libanonkrieg aufgebaut hat, wird von den israelischen Streitkräften zerstört.” Ein Pentagon-Sprecher erklärte, die USA würden ihre Truppenpräsenz im Nahen Osten um ein kleines Kontingent aufstocken.

    Doch offenbar ist Netanjahu bereit, eine weitere Eskalation in Kauf zu nehmen, um den Rückzug der Hisbollah aus dem Grenzgebiet zu Israel zu erreichen. Die vom UN-Sicherheitsrat im August 2006 verabschiedete Resolution 1701 sah den Rückzug der Hisbollah aus einem vierzig Kilometer breiten Korridor südlich des Flusses Litani und deren Entwaffnung vor. Doch weder die libanesische Regierung noch die UN-Libanon-Schutztruppe Unifil hat diesen Schritt gewagt; zu mächtig ist die auch als “Staat im Staat” bezeichnete Hisbollah.

    Hisbollah verliert mehr Kämpfer seit Oktober 2023 als im Krieg 2006

    Nach 18 Jahren relativer Ruhe zwischen Israel und der Hisbollah ist nun eine neue Phase angebrochen, die Erinnerungen an den Krieg von 2006 weckt: Fast doppelt so hoch wie damals ist die Anzahl der Opfer der Schiitenorganisation seit vergangenem Oktober – 500 Kämpfer hat sie nach eigenen Angaben verloren. Mit der Intensivierung der Angriffe solle die Hisbollah zum Rückzug aus dem Grenzgebiet zu Israel gezwungen werden, hieß es am Montag aus Militärkreisen in Jerusalem. Netanjahu sagte am Montag nach einer Lagebeurteilung im Militärhauptquartier in Tel Aviv: “Wir haben versprochen, das Sicherheitsgleichgewicht, die Machtbalance im Norden zu verändern – genau das tun wir.” Israel habe “komplizierte Tage” vor sich.

    • Benjamin Netanjahu
    • Drohnen
    • Israel
    • Libanon
    • Nahost
    Translation missing.

    Horn von Afrika: Die zahlreichen Konflikte drohen, außer Kontrolle zu geraten

    Die Spannungen am Horn von Afrika, die Äthiopien mit dem Bau des Great Ethiopian Renaissance Dam (GERD) ausgelöst hat, haben in den vergangenen Wochen zugenommen. Am 8. September sagte der äthiopische Premierminister Abiy Ahmed: “Jeder, der in Äthiopien einmarschieren will, sollte nicht nur einmal, sondern zehnmal darüber nachdenken, denn wir Äthiopier wissen sehr gut, wie wir uns verteidigen können.” Namentlich nannte Abiy Ägypten nicht, die Botschaft dürfte in Kairo allerdings angekommen sein. Seit Jahren sorgt das Projekt für Spannungen mit dem nordafrikanischen Land. Ägypten fürchtet, dass durch den Damm der Wasserspiegel des Nils massiv sinken könnte.

    Ein weiterer Konfliktpunkt in der Region ist die Annäherung Äthiopiens an die Republik Somaliland, die sich vor mehr als 30 Jahren einseitig als unabhängig von Somalia erklärte. Die Unterzeichnung einer Absichtserklärung zwischen Äthiopien und Somaliland über den Zugang zu ihrer 20 Kilometer langen Küstenlinie für 50 Jahre ist in den Augen Somalias inakzeptabel. Denn die Regierung in Mogadischu betrachtet Somaliland nach wie vor als Teil ihres Staatsgebiets.

    Soldaten aus Ägypten statt aus Äthiopien

    Für die Regierung von Somaliland ist das Abkommen “abgeschlossen“. Man warte auf “eine formelle rechtliche Vereinbarung”. Somalia warnte seinerseits, dass es im Falle einer Fortsetzung der Vereinbarung rund 10.000 äthiopische Soldaten, die das Land im Kampf gegen Al-Shabab unterstützen, des Landes verweisen werde.

    Da die Mission der Soldaten Ende des Jahres ausläuft, hat Somalia ägyptische Soldaten als Ersatz angefordert. Dies verärgerte Äthiopien. Denn so könnte der langjährige Feind – Ägypten – militärisch näher an seine Grenze heranrücken. Und damit schließt sich noch nicht der Kreis der zahlreichen Konflikte, die am Horn von Afrika ineinander verwoben sind.

    Äthiopien und Somaliland beharren auf Vereinbarung

    Die Drohung aus Mogadischu hat Äthiopien und Somaliland zumindest offiziell nicht beeindruckt. Beide Regierungen machten deutlich, dass es keinen Rückschritt bei der Umsetzung der Vereinbarung geben werde. Äthiopien bezeichnete den Zugang zum Meer als eine “existenzielle” Frage. Neben der Anerkennung seiner Souveränität hat Äthiopien Somaliland auch versprochen, an großen Geldgeschäften beteiligt zu werden, zum Beispiel an Ethiopian Airlines.

    Somalia seinerseits verschärfte die Spannungen. In einem Gespräch mit lokalen Medien ließ sich der somalische Außenminister Ahmed Moalim Fiqi mit den Worten zitieren: “Die Möglichkeit, mit Rebellen, die gegen das äthiopische Regime kämpfen, in Kontakt zu treten, ist eine Option, die Somalia offensteht, wenn es so weiter macht.”

    Kontakte zwischen Eritrea und Ägypten

    Eritrea hatte Ende vergangenen Jahres Äthiopiens Bitte um Zugang zum Meer heruntergespielt. Am 14. September empfing die eritreische Regierung eine ägyptische Delegation. Eritreas Informationsminister Yemane G. Meskel schrieb daraufhin: “Die beiden Seiten stellten kategorisch fest, dass Ägypten keine Agenda der regionalen Destabilisierung und Einmischung verfolgt.”

    In einem Ton, der auf Äthiopien abzuzielen scheint, fügte er hinzu: “Diese Tatsachen falsch zu deuten, um mit ungerechtfertigten Erklärungen und Anschuldigungen einiger Kreise hausieren zu gehen, ist daher hohl und dient nur dazu, ihre strategischen Fehler zu rationalisieren.”

    Obwohl der sich anbahnende Konflikt Auswirkungen auf die geopolitischen Interessen der internationalen Gemeinschaft haben wird, gibt es bisher außer Gesprächen allerdings keine konkreten Maßnahmen.

    Blinken und Steinmeier in Ägypten

    Während seines Besuchs in Ägypten am 18. September erklärte der US-Außenminister Antony Blinken: “[Der ägyptische] Präsident el-Sisi und ich haben auch über den existenziellen Charakter von Ägyptens wachsendem Wasserbedarf und die Bedeutung des Nils für das ägyptische Volk gesprochen.”

    Der ägyptische Außenminister Badr Abdelatty sprach sich seinerseits dafür aus, dass es “ein verbindliches rechtliches Abkommen für den Betrieb” des GERD geben sollte. Er betonte außerdem, wie wichtig es sei, die “Souveränität” Somalias zu wahren. Die ägyptische Regierung bezeichnet den Bau des GERD weiterhin als “illegal“. Ägypten ist zu fast 100 Prozent von Wüste bedeckt. Deshalb ist der Zugang zum Nil-Wasser eine Existenzfrage für den gesamten Staat.

    Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte Ägypten vom 10. bis 12. September ebenfalls mit einer Wirtschaftsdelegation besucht. Während eines gemeinsamen Pressestatements wies el-Sisi auf das GERD-Projekt hin und die möglichen weitreichenden Folgen für Ägypten. Weder Steinmeier noch die Bundesregierung haben jedoch bisher eine offizielle Stellungnahme zum Streit im Horn von Afrika abgegeben.

    Auch die Türkei will vermitteln

    Die Türkei wiederum war Gastgeber zweier Vermittlungsrunden zwischen Äthiopien und Somalia. Die dritte Runde, die für den 17. September geplant war, wurde Berichten zufolge auf “unbestimmte” Zeit verschoben. Der türkische Außenminister Hakan Fidan sagte am 19. September, dass seine Regierung plane, die Regierungen der beiden Länder getrennt zu treffen. Dennoch sind die Fortschritte der Vermittler minimal. Gleichzeitig droht die Situation ohne entschiedene Vermittlungsinitiativen weiter außer Kontrolle zu geraten.

    • Ägypten
    • Äthiopien
    • Energiepolitik
    • Wasser
    Translation missing.

    News

    Wie weit ist die Weltraumsicherheitsstrategie?

    Bis Deutschland eine Weltraumsicherheitsstrategie hat, könnte es noch ein wenig dauern. Das zeigte eine Anhörung, die am Montag im Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages stattfand.

    Vor allem in der Opposition hatte man ursprünglich gehofft, dass bei der öffentlichen Befragung von Sachverständigen inklusive Ministeriumsvertretern, die vom SPD-Abgeordneten Kevin Leiser initiiert wurde, bereits ein paar Details zu der Strategie bekannt werden würden. Schon im Vorfeld war aber klar: Noch gibt es mehr Fragen als Antworten.

    Leiser zeigte sich im Gespräch mit Table.Briefings im Anschluss an die Anhörung dennoch zufrieden: “So hat das Parlament auch gesagt, das Thema ist uns wichtig.” Die Erwartungen wurden bereits im Vorhinein gedämpft: Es gehe mehr darum, die Aufmerksamkeit des Parlaments, aber auch der Öffentlichkeit auf das All zu lenken.

    Mehrfach haben das Auswärtige Amt (AA) und das Bundesverteidigungsministerium (BMVg) die Veröffentlichung der gemeinsamen Weltraumsicherheitsstrategie, quasi das militärische Gegenstück zur zivilen Raumfahrtstrategie, verschoben. Jetzt geht das Gerücht um, dass es im Umfeld der Münchner Sicherheitskonferenz 2025 dazu kommen soll.

    Reibereien zwischen Weltraumkommando und Kommando CIR

    Welche Kapazitäten braucht Deutschland oder die EU, um den Zugang zum Weltraum zu sichern, wie können Angriffe auf eigene Satellitensysteme abgeschreckt werden und welche Rolle spielen dabei private Akteure? Alles Fragen, die die Strategie beantworten soll. Antworten konnte zumindest der Vertreter aus dem Verteidigungsministerium, Michael Kniepen, aus der Politikabteilung zuständig für Strategiefragen, kaum liefern. Klar wurde aber, Sicherheit im Weltraum kostet Geld. Von einem “moderaten zweistelligen Milliardenbetrag”, sprach der Inspekteur Cyber- und Informationsraum (CIR), Vizeadmiral Thomas Daum, auf Nachfrage des Abgeordneten Alexander Müller von der FDP.

    Reibereien verspricht auch die Frage nach den Zuständigkeiten. Das Weltraumkommando, das der Luftwaffe unterstellt ist, und das CIR, in dessen Verantwortung derzeit alle bundeswehreigenen Satelliten sind, beanspruchen beide Verantwortungshoheit. Dass Generalmajor Michael Traut, Kommandeur des Weltraumkommandos der Bundeswehr im Gegensatz zu Daum nicht eingeladen wurde, stieß auch unter Fachpolitikern und Sachverständigen auf Unverständnis.

    “Ich glaube, wichtig ist, dass eine Klarheit der Führung und der Befehlskette herrscht”, so Leiser. Zu Auswahl stehe, dass das CIR den Hut aufhat, die Luftwaffe oder eine eigene Teilstreitkraft entstehe. Für alle drei gebe es gute Argumente. wp

    • Bundestag
    • Bundeswehr
    • Münchner Sicherheitskonferenz
    • Münchner Sicherheitskonferenz 2025
    • Weltall
    • Weltraum

    UN-Versammlung: Selenskyj wirbt für seinen Friedensplan

    Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird bis Mittwoch in den USA bei Vertretern vieler Staaten um Unterstützung kämpfen. Er nutzte am Montagabend den UN-Zukunftsgipfel, um für Solidarität zu werben. Im Zentrum seiner Bemühungen steht ein von der Ukraine ausgearbeiteter Friedensplan, den Russland allerdings ablehnt. Moskau will erreichen, dass Kiew die von den russischen Truppen besetzten Gebiete abtritt. Selenskyj will seinen Plan sowohl der aktuellen US-Regierung als auch den Präsidentschaftskandidaten Kamala Harris und Donald Trump vorstellen. Auch eine Rede von ihm auf der Vollversammlung der UN wird erwartet.

    Für den Friedensplan Kiews entscheidend wird sein, wie sich China positioniert. Moskau will, dass China und eventuell auch Brasilien sowie Indien eine größere Rolle bei der Ausarbeitung des Plans spielen. Russlands Präsident Wladimir Putin hat diese drei Länder als die Staaten genannt, mit denen Moskau zum “Ukraine-Konflikt” (Putin) spreche. Selenskyj hat die diplomatischen Beziehungen zu diesen Staaten intensiviert.

    Die Vorschläge zur Reform der UN sind sehr vage

    Der Zukunftspakt der Vereinten Nationen, den die UN verabschiedet haben, will die Institution der UN reformieren. Das Weltgremium soll fit gemacht werden für die multilaterale Zusammenarbeit im 21. Jahrhundert. Wie sehr die Diskussionen im Vorfeld von der aktuellen Geopolitik geprägt waren, zeigte sich auch in der Generalversammlung. Vor Annahme des Textes mussten die Mitgliedstaaten über eine von Russland, Belarus, Nicaragua, Iran, Nordkorea und Syrien geforderte Ergänzung abstimmen, die das gesamte Dokument für nichtig erklärt hätte. 143 Länder wandten sich dagegen, 15 enthielten sich. 

    Deutschland hatte die Verhandlungen in den letzten Monaten zusammen mit Namibia geleitet. Zentral im Zukunftspakt sind Nachhaltigkeits- und Klimaziele, deren Umsetzung beschleunigt werden solle. Große, schnell sichtbare Veränderungen dürfte das 56-seitige Dokument jedoch nicht bewirken. Die als “Actions” bezeichneten Absichtserklärungen sind meist vage gehalten. Vorschläge zur Reform der globalen Finanzarchitektur etwa, die zentral für zahlreiche hoch verschuldete Staaten des Südens ist, wurden abgeschwächt. Mehr dazu lesen Sie in einer Analyse bei ESG.Table. vf/maw

    • Donald Trump
    • Geopolitik
    • Trump 2024
    • Ukraine
    • Ukraine-Krieg
    • Vereinte Nationen
    • Wladimir Putin

    US-Präsidentschaftswahlen: Wie US-Amerikaner ihre Außenpolitik bewerten

    Außenpolitische Themen spielen bei den US-Präsidentschaftswahlen am 5. November eine größere Rolle als bei vergangenen Wahlen. Laut einer Analyse des Politikwissenschaftlers Bruce Stokes vom German Marshall Fund in Washington steht das Thema Außenpolitik an vierter Stelle, nach den Themen Wirtschaft und Gesundheitspolitik. Aber während zu Beginn der 2000er Jahre noch zwei Drittel aller Amerikaner mit der Außenpolitik der Regierung zufrieden waren, bewerten heute nur noch ein Drittel der Wähler die Rolle Amerikas als “zufriedenstellend”.

    Vor allem die Einstellung bei republikanischen Wählerinnen und Wählern, die früher traditionell eine starke Position Amerikas in der Welt befürwortet haben, hat sich seit der Präsidentschaft Donald Trumps massiv geändert. Nur noch 61 Prozent der republikanischen Wählerschaft glaubt, dass die USA eine große Rolle in der Welt spielen sollte.  Und mehr als 77 Prozent der Republikaner denken, dass die USA sich weniger in globale Auseinandersetzungen einmischen sollten, – gegenüber 33 Prozent bei den demokratischen Wählern. Die sichtbare Spaltung zwischen den politischen Lagern zeichnet sich auch bei der Frage ab, ob die USA die Interessen ihrer Alliierten berücksichtigen sollten.

    Während fast 80 Prozent aller registrierten Demokraten dem zustimmen, halten nur 40 Prozent der Republikaner das für wichtig. Umgekehrt sehen 80 Prozent der Republikaner die USA nach wie vor als die größte militärische Supermacht. Dreimal so viele Republikaner (42 Prozent) wie Demokraten (14 Prozent) befürworten eine Verringerung oder Beendigung des Engagements der USA in der Nato. Doch fast viermal so viele Demokraten (27 Prozent) wie Republikaner (7 Prozent) wollen das amerikanische Engagement für das Verteidigungsbündnis verstärken.

    Auch die Unterstützung der USA für Israel sehen überparteilich viele Wählerinnen und Wähler kritisch. Nur noch 42 Prozent der Amerikaner halten das militärische Vorgehen Israels im Gaza-Streifen für richtig. nana

    • Donald Trump
    • Geopolitik
    • Trump 2024
    • USA

    Warum Deutschland verwundete Soldaten aus Niger ausfliegt

    Auch nach dem Abzug der Bundeswehr aus Niger hält Deutschland an zugesagter Unterstützung für den Sahel-Staat fest. Zehn nigrische Soldaten, die bei Gefechten mit Jihadisten verwundet wurden, flog die Bundeswehr zur medizinischen Behandlung nach Deutschland aus.

    Die Soldaten aus Niger seien in der vergangenen Woche mit einem medizinischen Evakuierungsflug der Luftwaffe nach Deutschland gebracht worden, sagte eine Sprecherin des deutschen Verteidigungsministeriums auf Anfrage von Table.Briefings. Die Verwundeten sollten in Bundeswehrkrankenhäusern im Inland behandelt werden. Die Regierung in Niamey hatte nach Angaben des Ministeriums um diese Unterstützung gebeten.

    Die Bundeswehr hatte Ende August ihren Lufttransportstützpunkt in der nigrischen Hauptstadt geschlossen, nachdem Verhandlungen zwischen Deutschland und der Militärregierung über eine Weiterführung der deutschen Stationierung gescheitert waren. Der Stützpunkt war ursprünglich für die Versorgung der deutschen Blauhelmtruppen im benachbarten Mali eingerichtet worden. Nach dem von der malischen Militärregierung durchgesetzten Abzug der UN-Mission MINUSMA hatte die Bundeswehr geplant, die Basis in Niger für mögliche Evakuierungseinsätze in Westafrika weiter zu betreiben.

    Bereits vor dem Abzug hatte das nigrische Verteidigungsministerium “aufgrund der langjährigen Militärkooperation mit der Bundeswehr zur Stärkung der Fähigkeiten im Antiterrorkampf” um die Behandlung von einzelnen verwundeten Soldaten in Deutschland gebeten, heißt es in einem Ministeriumspapier. Auf diese Weise könne die militärische Kooperation “niederschwellig” fortgesetzt werden. Mit der Ankündigung der Räumung des Lufttransportstützpunkts hatte das deutsche Ministerium im Juli zugesagt: “Versehrte und verwundete nigrische Soldaten sollen in Bundeswehrkrankenhäusern behandelt werden.” tw

    • Boris Pistorius
    • Bundeswehr
    • Niger
    • Sahel

    Must-Reads

    Semafor: Biden: Quad security alliance ‘here to stay’ as US seeks to counter China. Die USA, Australien, Indien und Japan einigten sich an diesem Wochenende darauf, ihre sicherheitspolitische und militärische Zusammenarbeit auszubauen, insbesondere in den für den Handel wichtigen Wasserstraßen Asiens. Die Staats- und Regierungschefs der Länder erklärten, dass sie “ernsthaft besorgt” über die Eskalationen Chinas im pazifischen Raum seien.

    Wirtschaftswoche: Alarmstufe Light für die Bundeswehr. Der Bundeswehr mangelt es an Soldaten für höhere Gefahrenstufen. Nach den Verdachtsfällen von Sabotage in zwei Kasernen soll ein Light-Alarm eingeführt werden. Bei akuten Bedrohungen kennt die Bundeswehr bisher vier Gefährdungsstufen: Alpha (keine Gefahr), Bravo (Bedrohungsverdacht), Charlie (bevorstehende Gefahr) und Delta (Lage). Doch für höhere Stufen sind in vielen deutschen Kasernen derzeit nicht genügend Soldaten vorhanden.

    NDR: “Northern Coasts” – Nato übt analoge Kommunikation. Während der Übung “Northern Coasts” proben Marineschiffe aus neun Nato-Staaten in der Ostsee den Ernstfall und treffen dabei unverzüglich auf die russische Marine. Die digitale Kommunikation der Nato-Schiffe wird wiederholt gestört, weshalb die Nato auf Flaggen- und Lichtsignale ausweichen muss.

    The Bell: Is Russia’s economy addicted to military spending? Unabhängig davon, ob der Krieg in der Ukraine mit einem dauerhaften Frieden oder einem fragilen Waffenstillstand endet, wird Russland seine Streitkräfte wieder aufbauen müssen. “Laut Experten könnte der Kreml bis zu acht Jahre benötigen, um sein Militär vollständig wiederherzustellen. Und auch ohne Krieg müssten die Militärausgaben hoch bleiben.”

    Idowa: Stoltenberg: “Die Nato ist nicht in Stein gemeißelt” Der scheidende Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte in seiner Abschiedsrede, dass die Nato “nicht in Stein gemeißelt” sei, sondern das Ergebnis bewusster Entscheidungen und politischen Willens. Die Nato sei stark und geeint. Die Staaten müssten bereit sein, den Preis für den Frieden zu zahlen und sich darüber im Klaren sein, dass Freiheit wichtiger ist als Freihandel.

    Standpunkt

    Debatte über Migration – losgelöst von der Realität

    Judith Kohlenberger forscht am Institut für Sozialpolitik der Wirtschaftsuniversität Wien zu Kulturwissenschaften und Migration.

    Beginnen wir ausnahmsweise mit Fakten statt mit Stimmung. Deutschland ist sicherer als vor 30 Jahren. Die Zahl der Gewalttaten ist seit den 1990ern deutlich gesunken. Die Integration der 2015 ins Land gekommenen Geflüchteten läuft gut: Ihre Erwerbsquote liegt bei 64 Prozent und hat mittlerweile fast das Niveau regulärer Migranten erreicht. Unter geflüchteten Männern liegt die Erwerbsquote sogar über jener der männlichen Gesamtbevölkerung. Viele Syrer, die nach 2015 kamen, beantragen nun die deutsche Staatsbürgerschaft. Sie engagieren sich in Vereinen und halten das Land in niedrig entlohnten, mitunter schmutzigen und gefährlichen, aber systemerhaltenden Berufen am Laufen; ihre Kinder wachsen als neue Deutsche auf.

    Über all das sprechen wir aber nicht. Gesprochen wird über Grenzkontrollen, Abschiebungen, Aussetzung des Asylrechts, Zurückweisungen an der Grenze, Unterwanderung des zentralen europäischen Prinzips der Personenfreizügigkeit. Über Abschottung, Abschreckung und Auslagerung. Ob nach Ruanda, in die Türkei oder auf eine ferne Insel ist da schon fast sekundär. Seit 2015 wenden wir stur das immer gleiche asylpolitische Rezept an und lassen uns die Stichworte von Rechtsaußen vorgeben. Diese neue Härte hat uns aber erwiesenermaßen weder niedrigere Asylantragszahlen noch eine zerschlagene Schlepperindustrie oder weniger Tote im Mittelmeer gebracht, und sie hat ganz sicher nicht die Rechtsstaatlichkeit, die Aufnahmebereitschaft und die politische Mitte in Deutschland gestärkt. Im Gegenteil.

    Wie hilft die “neue Härte” gegen Propaganda auf TikTok?

    Auch jetzt wird der aktuelle Unterbietungswettbewerb in Sachen Asylverschärfung das steigende Problem des IS-Terrors nicht lösen. Zentrale Fragen, etwa wie man islamistische Radikalisierung innerhalb Europas von bereits länger aufhältigen Menschen wirksam verhindert beziehungsweise bekämpft, sind bis dato außen vor geblieben. Das ist nicht nur politisch ignorant, sondern auch höchst gefährlich. Während wir Scheindebatten über Schutzsuchende führen, von denen wesentlich mehr vor dem IS geflohen sind als sich diesem angeschlossen haben, nehmen islamistische Kräfte im analogen und vor allem virtuellen Raum weiterhin ungehindert auf Jugendliche Einfluss und fluten ihre Propaganda direkt in die Kinderzimmer.

    Eine Antwort auf die Frage, wie Deutschlands “neue Härte” gegen Flüchtlinge auch nur einen einzigen Radikalisierungsversuch auf TikTok verhindern wird, bleiben Regierungsverantwortliche wie auch Opposition bislang schuldig – auch, weil sie nie gestellt wird. In der seit dem Terrorangriff in Solingen und den Wahlerfolgen der AfD in Thüringen, Sachsen und nun auch Brandenburg hochgedrehten Eskalationsspirale tragen Medien eine Mitverantwortung. Gerade dann, wenn sich die Migrationsrhetorik immer weiter von der Realität zu entkoppeln droht.

    Fremdenfeindlichkeit lockt keine Fachkräfte an

    Fernab der sicherheitspolitischen Aspekte täten wir gut daran, auch all die anderen Effekte von Migration in den Blick zu nehmen. Denn sie betrifft Wohlfahrtsstaat und Wirtschaft ebenso wie Wohnen, Bildung, Wohlstand, Pensions- und Gesundheitssystem – nicht zuletzt vor dem Hintergrund des rapide voranschreitenden demografischen Wandels. Dass der seine Folgen vorrangig und zuallererst im Osten zeigt, der neben niedrigen Geburtenraten mit Abwanderung zu kämpfen hat, ist angesichts jüngster Wahlergebnisse besonders pikant. Ein fremdenfeindliches Klima wird der Anwerbung von Fach- und Arbeitskräften wohl kaum zuträglich sein, und die werden in den Kitas und Krankenhäusern genauso gesucht wie im öffentlichen Nahverkehr.

    Wer nun meint, dass man eben die “richtigen” Migranten anziehen, aber die unerwünschten (sprich: Flüchtlinge) abschrecken müsse, der sei auf internationale Studien verwiesen. Die zeigen, dass Ressentiments gegen eine bestimme Gruppe von Ausländern auch von jenen gehört werden, die vielleicht gar nicht gemeint waren. Und ob jemand als Flüchtling oder Fachkraft nach Deutschland gekommen ist, ist von außen nicht erkennbar – Opfer von rassistischen Äußerungen oder gar tätlichen Angriffen können beide werden. Genauso aber können beide, unabhängig von ihrem Einreiseweg, zu Beitragenden im System werden; zu jenen, die nicht nur Wohnungen belegen, sondern sie bauen, und Arzttermine nicht wahrnehmen, sondern anbieten. Das braucht bei Menschen mit traumatischer Fluchterfahrung womöglich etwas mehr Zeit, aber dass es gelingen kann, zeigen die eingangs zitierten Zahlen. Für ein sicheres, wohlhabendes, sozial stabiles Deutschland in einem geeinten Europa sollten wir auch darüber sprechen.

    Judith Kohlenberger ist Kulturwissenschaftlerin und Migrationsforscherin am Institut für Sozialpolitik der Wirtschaftsuniversität Wien (WU). Soeben ist ihr neues Buch “Grenzen der Gewalt. Wie Außengrenzen ins Innere wirken” im leykam Verlag erschienen. Darin geht die Autorin der Frage nach, wie die zunehmende Härte gegen Geflüchtete sich auch auf die Gesellschaften in Europa auswirkt.

    • Kitas
    • Migration
    • Migrationspolitik

    Security.Table Redaktion

    SECURITY.TABLE REDAKTION

    Licenses:

      Jetzt kostenlos anmelden und sofort weiterlesen

      Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

      Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

      Anmelden und weiterlesen