Table.Briefing: Security

Israels Optionen gegen Iran + Wie Indien seinen Einfluss ausweitet

Liebe Leserin, lieber Leser,

in Nahost ist der regionale Flächenbrand, vor dem nach dem Terrorüberfall der Hamas vor einem Jahr viele warnten, inzwischen Realität: Israelische Spezialkräfte sind in den Libanon einmarschiert, eine ganze Division steht bereit, in den kommenden Tagen über die Blaue Linie zwischen den beiden Staaten nachzurücken. In welcher Weise die Israel Defense Forces (IDF) auf die jüngsten Luftschläge aus dem Iran militärisch reagieren könnten, lesen Sie in meiner Analyse.

In dieser Ausgabe lesen Sie außerdem, welch hohen Preis Russland für die Eroberung der strategisch wichtigen ukrainischen Gemeinde Wuhledar zahlen musste. Welche diplomatischen Möglichkeiten Indien besitzt, in dem Konflikt zu vermitteln, beschreibt der außenpolitische Berater der Regierungspartei BJP, Vijay Chauthaiwale. Jonathan Lehrer hat ihn im Rahmen unserer Zusammenarbeit mit der Berlin Pulse Express Edition der Körber Stiftung gesprochen.

Ein Hinweis noch in eigener Sache: Am kommenden Montag, den 7. Oktober, erscheinen wir mit einer Sonderausgabe anlässlich des ersten Jahrestags des Hamas-Überfalls auf Israel. Unter anderem haben wir bei Außen- und Sicherheitspolitikern der Bundestagsfraktionen nachgefragt, ob die Bundesregierung dem Diktum Angela Merkels seitdem nachgekommen ist, dass Israels Sicherheit zu schützen deutsche Staatsräson sei.

Ein gutes Wochenende Ihnen,

Ihr
Markus Bickel
Bild von Markus  Bickel

Analyse

Wie Israel seine Angriffe gegen die Achse des Widerstands ausweitet

Angriff auf das Herz Beiruts: Schäden eines israelischen Luftangriffs auf den Innenstadtbezirk Baschura am 3. Oktober.

Iran und seine Verbündeten verstärken ihre Angriffe auf Israel. Nach dem Beschuss mit rund 180 ballistischen Raketen aus Iran am Dienstag feuerten die jemenitischen Houthi-Rebellen am Donnerstag zwei Drohnen Richtung Israel. Die Hisbollah beschoss den Norden Israels mit mehr als hundert Raketen und lieferte sich schwere Gefechte mit israelischen Soldaten – ungeachtet der Tötung ihres Generalsekretärs Hassan Nasrallah vergangenen Freitag und der massiven Schläge, die Israel zuletzt gegen zahlreiche Militärkommandeure, Kommunikationsinfrastruktur, sowie Waffenlager und Abschussvorrichtungen der Schiitenmiliz durchgeführt hatte.

Israel wiederum griff am Donnerstag zum zweiten Mal in einer Woche Ziele im Zentrum Beiruts an; neun Menschen wurden bei dem Angriff auf ein Gebäude nahe des libanesischen Parlaments getötet. “Mit Angriffen in ganz Libanon, auch im Herzen von Beirut, und Übergriffen entlang der Blauen Linie, erreicht die Gewalt gefährliche Ausmaße”, sagte die UN-Sonderkoordinatorin für den Libanon, Jeanine Hennis-Plasschaert. Israelische Soldaten hatten am Dienstag die 1978 gezogene Demarkationslinie überquert. Ziel sei eine “begrenzte Bodenoperation”, heißt es seitens der israelischen Regierung – und die Zerschlagung der militärischen Fähigkeiten der Hisbollah, um die Rückkehr von 60.000 Israelis in ihre Wohnungen im Norden des Landes zu ermöglichen.

Libanesische Regierung will UN-Resolution 1701 erfüllen

Mehr als 1,2 Millionen Libanesen sind seit Beginn der israelischen Offensive gegen die Hisbollah vor zwei Wochen innerhalb des Landes auf der Flucht – Tausende haben den Libanon zudem Richtung Syrien verlassen. Der geschäftsführende Ministerpräsident, Nadschib Mikati, erklärte am Mittwoch die Bereitschaft seiner Regierung, Einheiten der libanesischen Armee in das rund dreißig Kilometer tiefe Gebiet zwischen Blauer Linie und dem Fluss Litani zu entsenden. Das sieht auch die im August 2006 verabschiedete UN-Resolution 1701 vor, die den Rückzug der Hisbollah aus dem Grenzgebiet zum Ziel hatte. Israel versucht das nun auf militärischem Weg durchzusetzen; am Donnerstag forderte sie die Bewohner von mehr als zwanzig libanesischen Gemeinden auf, sich in Sicherheit zu begeben.  

Der Krieg zwischen Israel und der von Iran aufgebauten Hisbollah begann vor einem Jahr, als Nasrallah zur Unterstützung der palästinensischen Hamas im Gazastreifen den Beschuss von Zielen in Israel anordnete. Seitdem sind auf libanesischer Seite 1974 Menschen getötet worden, die meisten von ihnen seit Mitte September, teilte das Gesundheitsministerium in Beirut am Donnerstag mit. Am Mittwoch meldete die israelische Armee den Tod von acht Soldaten im Südlibanon – die Hisbollah behauptete, drei Merkava-Panzer zerstört zu haben.  

Netanjahu: “Wer uns angreift, den greifen wir an”

Israels Premierminister Benjamin Netanjahu sagte am Donnerstag in einem Kondolenzvideo: “Wir befinden uns auf dem Höhepunkt eines schwierigen Krieges gegen die iranische Achse des Bösen, die uns vernichten will.” Zuvor hatte er klargestellt, dass Israel sich “an die Regeln” halte, “die wir aufgestellt haben: Wer uns angreift, den greifen wir an.” Das gelte “in Gaza, im Libanon, im Jemen und in Syrien – und es gilt auch im Iran.”

In israelischen Sicherheitskreisen wird derzeit beraten, auf welche Weise man auf den iranischen Angriff von Dienstag reagieren will, bei dem, anders als noch im April, mehrere ballistische Raketen in Israel einschlugen, unter anderem auf dem Luftwaffenstützpunkt in Nabatim. Erdölförderanlagen und Einrichtungen der Revolutionsgarden gelten ebenso als potenzielle Ziele wie die iranischen Atomanlagen. US-Präsident Joe Biden hat jedoch deutlich gemacht, dass sich Washington an einem solchen Angriff nicht beteiligen werde. Ohne Unterstützung des US-Militärs dürften tief unter der Erde gelegene Anreicherungsanlagen wie die in Natans, dem Herzstück des iranischen Atomprogramms, nur schwer zu zerstören sein.

Israel feiert am heutigen Freitag das jüdische Neujahrsfest Rosh Hashana. Ein Jahr nach dem Terrorüberfall der Hamas spürt Netanjahu Aufwind für seinen harten Kurs gegen die Hisbollah und Iran. Sein früherer Koalitionspartner, Expremier Naftali Bennet, schrieb auf der Plattform X: “Israel hat jetzt die größte Chance seit fünfzig Jahren, das Gesicht des Nahen Ostens zu verändern.” Das iranische Atomprogramm und zentrale Energieanlagen müssten zerstört werden, um “dieses Terrorregime tödlich zu verletzen”.

Willsch fordert stärkere Unterstützung Israels durch Bundesregierung

Während Vereinte Nationen und Europäische Union für ein Ende der Eskalation in Nahost warben, sprach sich der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch für stärkere militärische Unterstützung Israels durch die Bundesregierung aus. Im Gespräch mit Table.Briefings bekundete er sein Erstaunen darüber, dass Ampel-Politiker zwar ihre “unverbrüchliche Solidarität” mit Israel beteuerten, die Lieferung von Munition, Zündern, Stellvorrichtungen, Flug- und Sprengkörpern aber offenbar stagniere.

Das gehe aus der Antwort auf eine Anfrage an die Bundesregierung hervor, in der er diese nach dem Umfang deutscher Rüstungsexporte an Israel 2024 befragt habe. Diese habe demnach bei 14,5 Millionen Euro bis zum 17. September gelegen. Durch Nicht-Beantwortung der Frage, ob Anträge zum Waffenexport nach Israel abgelehnt oder verzögert bearbeitet würden, sei die Gelegenheit verpasst worden, umlaufenden Berichten über einen Exportstopp der Bundesregierung “kraftvoll entgegenzutreten”, so Willsch.

  • Benjamin Netanjahu
  • Drohnen
  • Iran
  • Israel
  • Joe Biden
  • Libanon
  • Naher Osten
  • Nahost
  • Vereinte Nationen
Translation missing.

Außenpolitiker Chauthaiwale: “Indiens Einfluss in der Welt ist enorm gewachsen”

Vijay Chauthaiwale weist Kritik an Indiens Regierungspartei aus der westlichen Presse zurück.

Herr Chauthaiwale, Kamala Harris könnte die erste indisch-stämmige US-Amerikanerin werden, die zur Präsidentin der Vereinigten Staaten gewählt wird. Wie würden Inderinnen und Inder auf der ganzen Welt und insbesondere innerhalb der indischen Diaspora darauf reagieren?

Gefühlsmäßig würden sich die Menschen freuen, eine Person indischer Herkunft im Weißen Haus zu sehen. Vor allem in Tamilnadu, der Heimat von Harris’ Mutter, ist die Begeisterung groß. Aber die indische Diaspora ist nicht homogen. Das sieht man auch daran, dass sie in beiden Parteien in den USA vertreten ist. Wir Inder sind im Allgemeinen neutral gegenüber der Innenpolitik der USA.

Sie haben keine Präferenz?

Nein. Wir kommen mit jedem klar. Und unsere Beziehungen zu den USA werden weiterwachsen, egal wer gewinnt. Denn es gibt viele gemeinsame strategische Interessen, bei denen wir uns mit Washington abstimmen. Insbesondere die Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich.

Auch Indien hat in diesem Jahr gewählt. Hat Ihre regierende Bharatiya Janata Party (BJP) Stimmen verloren, weil sie die Polarisierung zwischen Hindus und Muslimen weiter geschürt hat?

Wenn es in ganz Indien eine Anti-BJP-Stimmung gäbe, hätten wir landesweit verloren. So war es aber nicht. Wir haben unseren Stimmenanteil in den südlichen Bundesstaaten erhöht und erstmals das Parlament von Odisha gewonnen.

Warum hat die BJP dann Stimmen verloren?

In einigen Fällen hat sich das Kastensystem zu unseren Ungunsten ausgewirkt, in anderen war es das Narrativ der Oppositionsparteien. Es wird in der Partei gerade viel über die Gründe nachgedacht, aber ich bin fest davon überzeugt, dass wir auch die nächsten Wahlen gewinnen werden.

In einer kürzlich von Pew Research durchgeführten Umfrage geben 85 Prozent der indischen Befragten an, dass sie einen starken Führer oder sogar das Militär in der Regierung befürworten. Woher kommt das?

Indien ist eine Demokratie, und wer auch immer das Land führt, wird demokratisch gewählt. Aber ja, in Indien mag man starke Führungsfiguren, vor allem, wenn es große Herausforderungen zu bewältigen gibt. Die Menschen wollen, dass Dinge umgesetzt werden.

Ist Modi also die Antwort auf diesen Wunsch nach einer starken Führung?

Bevor Narendra Modi kam, fehlte es überall an Entscheidungswillen. Es gab Premierminister Manmohan Singh, der die verfassungsmäßige Autorität dazu gehabt hätte, und Sonia Gandhi, die als Präsidentin der Indischen Kongresspartei ihr eigenes Parallelkabinett führte. Das Ergebnis war massive Korruption und Ineffizienz. Auch deshalb haben sich die Menschen für Modi als Alternative entschieden.

Nach der Verhaftung einiger wichtiger Oppositionsführer im Vorfeld der Wahlen gibt es Befürchtungen, dass die Demokratie in Indien ausgehöhlt wird. Wie reagieren Sie darauf?

Nur sehr wenige Menschen wurden verhaftet, und ihre Verfahren liefen schon seit etwa einem Jahr. Wir haben unabhängige Gerichte und eine Wahlkommission, die entscheiden müssen, wie es weitergeht. Was in den westlichen Medien geschrieben wurde, war: “Wenn die BJP gewinnt, dann wird es Manipulation gewesen sein. Wenn die Opposition mehr Sitze bekommt, dann ist alles in Ordnung”. Das ist Heuchelei!

In unserer Umfrage The Berlin Pulse zeigt sich, dass die meisten Deutschen das Gefühl haben, Deutschland habe international an Einfluss verloren. Wie ist es um den internationalen Einfluss Indiens bestellt?

Indiens Einfluss in der Welt ist insgesamt enorm gewachsen. Inder reisen heute um die Welt und merken, dass sie anders behandelt werden als noch vor 15 Jahren. Vor allem die Tatsache, dass Indien Konfrontationen aus dem Weg geht, hat dazu beigetragen, dass sich das Image des Landes verbessert hat.

Im Juli umarmte Premierminister Modi den russischen Präsidenten Wladimir Putin, kurz nachdem ein russischer Militärschlag ein ukrainisches Kinderkrankenhaus getroffen hatte. Zumindest in Europa hat das der indischen Reputation nicht geholfen.

Sehen Sie, die UdSSR hat uns im indisch-pakistanischen Krieg von 1971 zur Seite gestanden, als es sonst niemand tat. Heute kommt ein Großteil unserer Rüstungsgüter aus Russland und die indisch-russische Partnerschaft hat uns wirtschaftlich geholfen, zum Beispiel durch die Kontrolle des Ölpreises. Gleichzeitig hat Premierminister Modi immer wieder deutlich gemacht, dass wir nicht in einer Ära des Krieges leben. Er hat das auch direkt zu Präsident Putin gesagt – und er ist auch in die Ukraine gereist und hat die gleiche Botschaft dort wiederholt.

Können wir von Indien erwarten, dass es als Vermittler zwischen Russland und der Ukraine auftritt?

Indien ist bereit, jede Rolle zu spielen, aber es ist immer eine politische Entscheidung, und alle Beteiligten müssen es so wollen. In diesem Fall sind das die Ukraine, die westlichen Länder, die USA und China.

Interview: Julia Ganter und Leona Harting, Körber-Stiftung

Dr. Vijay Chauthaiwale leitet die Abteilung für auswärtige Angelegenheiten der regierenden Bharatiya Janata Party (BJP).

  • Demokratie
  • Diaspora
  • Geopolitik
  • Indien
  • Wladimir Putin

News

Litauen startet Crowdfunding für die Verteidigung

Litauen will angesichts der Bedrohung durch Russland seine Verteidigungsausgaben auf mehr als drei Prozent der Wirtschaftsleistung erhöhen und hofft dafür auch auf freiwillige Spenden aus der Bevölkerung. Zum 1. Oktober startete das baltische Land einen Verteidigungsfonds, in den neben Steuergeldern auch Zahlungen von Privatpersonen und Unternehmen fließen sollen. Zusätzlich sind Staatsanleihen vorgesehen, mit denen Rüstungsvorhaben finanziert werden sollen und die mit zwei Prozent verzinst werden.

Zu den Projekten, die die Verteidigungsfähigkeit des Landes erhöhen sollen, gehört neben der Aufstellung einer Heeresdivision und der Ausstattung mit Kampfpanzern voraussichtlich aus deutscher Produktion auch die Infrastruktur für die geplante dauerhafte Stationierung einer Bundeswehr-Kampfbrigade.

Abgaben auf Alkohol und Tabak werden erhöht

Der Fonds, den das litauische Parlament im Juni gebilligt hatte, “wird es uns ermöglichen, die Umsetzung von Verteidigungsinitiativen zu beschleunigen, die derzeit von größter Bedeutung sind und über die der Nationale Verteidigungsrat auf höchster Ebene entschieden hat”, sagte Verteidigungsminister Laurynas Kasčiūnas. Um das Ziel einer NATO-Quote von drei Prozent zu erreichen, wurden auch Unternehmenssteuern sowie Abgaben auf Tabak und Alkohol erhöht.

Für die freiwilligen Spenden setzt das ohnehin digital-affine Land auf die typischen Instrumente des Crowdfunding. Per Klick sind Einzelspenden ab fünf Euro per Kreditkarte möglich, ebenso der Bankeinzug und demnächst der Kauf der Staatsanleihen. Mit dem Aufruf an die Bevölkerung, die Verteidigung des Landes zu unterstützen, knüpft die litauische Regierung auch an ein Vorbild aus der Zeit der Unabhängigkeitsbewegung in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren an: Die Sąjūdis-Bewegung sammelte damals ebenfalls Spenden für ein von der Sowjetunion unabhängiges Litauen. (tw)

  • Litauen

Fall Wuhledars: Wie Russland mit neuer Taktik Gelände gewinnt

Weniger im Fokus der westlichen Öffentlichkeit, aber von ähnlicher Bedeutung wie die ukrainische Stadt Bachmut ist Wuhledar: Mehr als zwei Jahre lang haben ukrainische Truppen die Stadt gehalten, bevor sie sie in dieser Woche aufgeben und sich zurückziehen mussten. Der Preis, den die russische Armee für die Eroberung zahlt, ist hoch. Doch genau das ist – von Anfang an – ein Vorteil des Regimes von Wladimir Putin. Er ist nicht nur bereit, sehr viele Männer sterben zu lassen, sondern sieht sich auch keinerlei ernstzunehmendem gesellschaftlichem Widerstand dagegen ausgesetzt.

Russlands Überlegenheit bei Personal und Munition sowie der Ausbau der Drohnenproduktion erzielen Erfolge an der Front. In Wuhledar zeigt sich zudem, was die russische Armeeführung gelernt hat: Laut Washington Post setzt sie auf sehr kleine Gruppen, die nacheinander ukrainische Positionen angreifen. Die Verluste sind sehr hoch, doch die Bereitschaft, in diese Selbstmordaktionen hineinzurennen, offenbar auch. Zudem sind die Gruppen teils gut ausgebildet und besser bewaffnet als noch vor einigen Monaten. Kombiniert mit Artillerieüberlegenheit (zeitweise 10:1) und immer mehr “Vögelchen” – Drohnen – steigt der Druck auf die Verteidiger. Ein weiterer Faktor, der den russischen Truppen im Donbass in die Hände gespielt haben könnte, war der Abzug erfahrener ukrainischer Soldaten für die Kursk-Operation.

Russlands Militärbudget erneut erhöht

Wuhledar galt als ein wichtiger Verteidigungsposten. Die Stadt liegt in einer Steppenebene, leicht erhöht. Der Rückzug der ukrainischen Truppen dürfte nach Nord-West erfolgen, wieder auf leicht höhere Positionen. Für die Angreifer verbessert sich jedoch die Versorgungssituation, weil eine Straße in Richtung Norden unter ihre Kontrolle kommt. Russland dürfte die Taktik beibehalten. Und obwohl es schwieriger wird, neues Personal zu finden, kommt noch genügend Nachschub.

Insgesamt steigen die geplanten Militär- und Sicherheitsausgaben in Russland erheblich – mehr als 31 Prozent des Staatsbudgets 2025 könnten es sein, zumindest ist dieser Anteil als geheim eingestuft. Mit sehr hohen Einmalzahlungen und hohen Monatsgehältern gelingt es der russischen Armee bisher, genügend Freiwillige anzuwerben.  

Aktuell endet der zwölfmonatige Wehrdienst in Russland, der im Herbst 2023 begonnen hatte. Damals traten 130.000 junge Männer den Wehrdienst an. Die nun ausgebildeten, jungen Soldaten werden mit hohen Geldprämien und Löhnen als Berufssoldaten angeworben. Einmal den Vertrag unterzeichnet, können sie an die Front kommandiert werden.

Zusätzlich sollen mehr als 20.000 Männer, denen ein Gerichtsverfahren droht, für den Krieg rekrutiert werden. Das ist eine Personengruppe, gegen die Ermittlungsverfahren abgeschlossen, aber die Gerichtsverfahren noch nicht gestartet sind. Sie befinden sich in Gefängnissen und warten auf die Verfahren. Bisher waren sie nicht im Fokus der Anwerber, das soll sich ändern. Ein neues Gesetz soll ihnen ermöglichen, Verträge mit dem Verteidigungsministerium einzugehen. vf    

  • ETS 2
  • Russland
  • Ukraine
  • Ukraine-Krieg
  • Wladimir Putin

Ukraine: Diese Unterstützung erhält der Energiesektor für den Winter

Die Ukraine soll vor dem Winter mehr Geld für den kriegsgebeutelten Energiesektor erhalten. Sowohl das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) als auch die EU und die G7 und ihre Partnerstaaten (“G7+-Gruppe”) beschlossen zuletzt neue Hilfspakete. Die ukrainische Energieinfrastruktur zählt zu den Hauptzielen von Putins Angriffskrieg. Aktuell sind 80 Prozent der Wärmekraftwerke und mehr als ein Drittel der Wasserkraftwerke zerstört. Das ukrainische Energieministerium rechnet daher im kommenden Winter mit vermehrten Stromabschaltungen – für die ukrainische Bevölkerung eine immense Herausforderung.

Angesichts dessen beschloss der Haushaltsausschuss des Bundestags vergangene Woche ein Winterpaket für die Ukraine. Mit über 70 Millionen Euro wird das BMZ Städten und Kommunen in der Ukraine kleinere Blockheizkraftwerke, Kesselanlagen, Generatoren und Solaranlagen finanzieren. Insgesamt erhält das Land, in dessen Energiesektor bereits rund zwei Milliarden Euro EU-Hilfen flossen, vor dem Winter weitere EU-Förderung im Umfang von 160 Millionen Euro. Für die Unterstützung werde erstmals auf eingefrorene russische Vermögenswerte in der EU zugegriffen. Und auch die G7+-Gruppe sicherte dem Land am Rande der 79. Generalversammlung der Vereinten Nationen ihre Unterstützung zu.

Ukrainisches Energiesystem nachhaltig wiederaufbauen und dekarbonisieren 

Das Team von “Green Deal Ukraina” forscht derweil konkret in Richtung einer langfristigen, sicheren Energieinfrastruktur. Das im Sommer 2023 gestartete Projekt unter Federführung des Helmholtz-Zentrums Berlin sowie der Thinktanks Forum Energii aus Polen, Dixi Group und Eco Action aus der Ukraine, will bis 2027 in Kiew einen unabhängigen Thinktank einrichten. Der soll die Ukraine bei energie- und klimapolitischen Entscheidungen beraten. Ziel des Projekts Green Deal Ukraina ist es, das ukrainische Energiesystem nachhaltig wiederaufzubauen und zu dekarbonisieren.

Um diese Kernziele zu erreichen, modellierte das Team in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Berlin den voraussichtlichen Mangel an Elektrizität für den Zeitraum Juni 2024 bis Mai 2025. Um die erwarteten Stromengpässe zu verhindern, formulierte es politische Maßnahmen: Neben der Reparatur der beschädigten Infrastrukturen müsse die Ukraine verstärkt in erneuerbare Energien investieren und auf kleine Gaskraftwerke und Stromeinfuhren aus der EU setzen. 

Energieaktionsplan empfiehlt Back-up-Optionen zum Heizen 

Die bisher gesammelten Daten von “Green Deal Ukraina” flossen in den Ende September veröffentlichten “Energieaktionsplan” für die Ukraine und ihre Partner. Die Internationale Energieagentur (IEA) definiert darin zehn konkrete Handlungsfelder, um den Energiesektor für den anstehenden Winter zu wappnen. Die Autorinnen und Autoren raten unter anderem, die physische und digitale Sicherheit der kritischen Energieinfrastruktur zu verbessern und Stromübertragungskapazitäten mit der Europäischen Union auszubauen. Für den Winter empfiehlt das Papier Back-up-Optionen zum Heizen – etwa “Flüssiggas-Heizungen, Holz- und Kohleöfen sowie entsprechende Brennstoffreserven”. Langfristiges Ziel sei ein “modernes, marktorientiertes, widerstandsfähiges und nachhaltiges ukrainisches Energiesystem, das gut in das EU-System integriert ist”. asc

  • BMZ
  • Daten
  • Energiewende
  • Erneuerbare Energien
  • Green Deal
  • Russland
  • Ukraine
  • Ukraine-Krieg

Must-Reads

Europe.Table: Ukraine – An diesen Hürden hängen die Beitrittsgespräche. Drei Monate nach dem Start der Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine häufen sich die Probleme. Es gibt Streit über den Rechtsstaat, Ärger mit Polen und Unmut über Präsident Selenskyj. Brüssel stellt sich auf eine längere Hängepartie ein.

Foreign Affairs: China Is Ready for War. Es ist nicht nur Chinas Produktionsvolumen, das seinen militärischen Aufstieg vorantreibt. Peking hat auch die Forschungs-, Entwicklungs- und Beschaffungsprozesse für Waffensysteme optimiert, sodass die Volksbefreiungsarmee fortschrittliche Plattformen in komplexen Bereichen wie trägergestützter Luftfahrt, Hyperschalltechnologie und Antriebssystemen herstellen kann. Die US-Rüstungsindustrie kann derweil nicht mithalten, schreibt Verteidigungsforscher Seth G. Jones.

Stiftung Wissenschaft und Politik: Sudan’s Transition to War and the Limits of the UN’s Good Offices. Eine der wichtigsten Lehren, die die Vereinten Nationen und ihre Mitgliedsstaaten aus dem Engagement im Sudan ziehen können, ist, dass übermäßiger Enthusiasmus nach einem erfolgreichen Umsturz dazu führen kann, die Stärke und Entschlossenheit gegnerischer ziviler, “paraziviler” und militärischer Akteure zu unterschätzen.

China.Table: Japan – Wie realistisch die “asiatische Nato” ist: Im Wahlkampf propagierte der neue japanische Ministerpräsident Shigeru Ishiba die Idee einer asiatischen Nato. Dieser Text beschreibt, wie es um die tatsächliche Umsetzung des Vorschlags steht und welche Rolle die Diversität der asiatischen Länder und ihrer Sicherheitslage dabei spielt.

Europäische Sicherheit & Technik: In Sachsen und Thüringen über Außenpolitik verhandeln? Das Bündnis Sahra Wagenknecht fordert nach ihren Erfolgen bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg, dass in Koalitionsverträgen ein Stopp der militärischen Unterstützung der Ukraine und der Stationierung US-amerikanischer Raketen verankert werde. Es ist neu in der deutschen Politik, dass eine Partei ein außen- und sicherheitspolitisches Thema in das Zentrum ihrer Wahlkampagne für ein Landesparlament rückt.

Heads

Slawomir Pichor – Mittler zwischen Ukraine und Moldau

Slawomir Pichor an der Grenze zwischen der Ukraine und Moldau, September 2024.

Wenn es um Russlands Angriffskrieg geht, geht es stets um die Politik und die Kämpfe, die zwischen der Ukraine und Russland stattfinden. Seltener geht es um die andere Seite der Ukraine, darum, was zwischen ihr und dem Rest Europas passiert. 

Slawomir Pichor hat diesen Zwischenraum im Blick, genauer gesagt die Grenze zwischen der Ukraine und der Republik Moldau. Er ist Leiter der European Union Border Assistance Mission to Moldova and Ukraine (Eubam). Die 2005 gestartete EU-Mission soll den Grenzübertritt von Personen und Waren zwischen der Ukraine und Moldau effizienter machen, die Kapazitäten der Zoll- und Grenzbehörden verbessern und grenzüberschreitende Kriminalität minimieren. Außerdem soll das Missionsteam im Konflikt zwischen Moldau und dem international nicht anerkannten Transnistrien vermitteln, indem es gemeinsame Transportkorridore und -richtlinien schafft, sowie freien Personen- und Warenverkehr garantiert. 

Flucht und Blockaden stellen Eubam vor Herausforderungen 

Pichor wurde 1964 in Pultusk, einer Stadt im Nordosten Polens, 70 Kilometer von Warschau entfernt, geboren. Er studierte öffentliche Verwaltung und Außenhandel in Warschau und Verkehrswesen in Radom, bevor seine Karriere im Grenz- und Zollschutz begann. Von 2002 bis 2015 hatte er leitende Rollen in der Zollbehörde seines Heimatlands inne. Ab 2010 übernahm er Positionen im Management von Eubam, als stellvertretender Missionsleiter und als Leiter des Eubam-Büros in Moldaus Hauptstadt Chișinău.  

Russlands Vollinvasion hat auch Pichors Arbeit verändert: Allein in den ersten sechs Monaten des Krieges flohen 600.000 Menschen nach Moldau. Und Russlands Blockade des Hafens von Odessa behinderte über Monate ukrainische Exporte. Diese wurden stattdessen durch neun alternative Logistikrouten, sogenannte Solidaritätskorridore, geleitet. 

Virtuelle Warteschlangen und Schutz von Infrastruktur

Einer davon ging über den Grenzpunkt Reni-Giurgiulesti. Am Dreiländereck zwischen Rumänien, Moldau und der Ukraine, knapp oberhalb des Donautals, reihen sich hier mehrere Grenzübergänge aneinander. Für Menschen, die diese überqueren wollten, bedeutete das sechs Kontrollen auf einer Strecke von gerade einmal zwei Kilometern. 2022, in den besonders kritischen Monaten, mussten Menschen hier mitunter bis zu zwei Wochen warten, berichtet Pichor. 

Infolgedessen wurde die Arbeit von Eubam immer wichtiger. Gemeinsam mit Rumänien implementierten Pichor und sein Team virtuelle Warteschlangen und regten Baumaßnahmen an, die die Kapazitäten der Grenzpunkte einander angleichen sollten. “Der Krieg erzeugte, beschleunigte, erzwang die Veränderungen. Und es ist schon viel passiert, aber es braucht noch mehr”, sagt Pichor und spricht von Prozessen und Technologien, die effizienter werden, Infrastrukturen und Straßen, die ausgebaut werden müssten, und ukrainischen Donauhäfen, die weiteren Schutz vor Angriffen bräuchten. Vorerst kann Pichor bis November 2025 planen, bis dann läuft das derzeitige Mandat der Mission aus. Ob es verlängert werden wird, hängt von vielen Faktoren ab – nicht zuletzt davon, wie Russlands Krieg in der Ukraine weitergehen wird. Anouk Schlung

  • EU-Beitritt
  • Moldau
  • Rumänien
  • Ukraine
  • Zoll

Dessert

Das Buch “Klarheit im Denken” bietet kein Life-Coaching, sondern einen Überblick über strukturierte Analysetechniken (SATs), um in Zeiten permanenter Informationsüberflutung die besseren Entscheidungen zu treffen. Denn in einer Welt, die durch Fragmentierung, schwelende Interessen- und Zielkonflikte und damit zunehmende Ungewissheit geprägt ist, wird klares Denken nicht nur zu einem Wettbewerbsvorteil, sondern zu einer existentiellen Notwendigkeit, schreiben die Autoren.

Wie unterscheiden wir aber “richtige” von “falschen” Informationen? Wie Wahrnehmung von Wahrheit? Was ist ein starkes Signal aus der Zukunft, was nur belangloses Hintergrundrauschen? Die Autoren argumentieren, dass klares Denken erlernt werden kann und stellen verschiedene Methoden vor, die in unterschiedlichen Kontexten, wie Geheimdiensten, dem Militär, in Unternehmen, bei Strafverfolgungsbehörden, aber auch bei strategischen Politikformulierungen, angewendet werden können.

Das Werk ist praxisorientiert: Es stellt Techniken zur Exploration, zur Diagnose, zum Reframing, zur Vorausschau und schlussendlich zur Entscheidungsunterstützung vor. Und es kombiniert theoretische Grundlagen mit Fallstudien, darunter zur Ermordung von Olof Palme und einem Cyber-Angriff auf die Berliner Infrastruktur. Dieses Buch dient als Leitfaden für Fachleute und Interessierte und ist Teil der Serie “Sicherheit, Strategie & Innovation”, die, aufbauend auf einem erweiterten Sicherheitsbegriff, drängende sicherheitspolitische Fragestellungen inter- oder transdisziplinär thematisiert. klm

Ole Donner, Oliver Gnad, Randolph H. Pherson (Hrsg): Klarheit im Denken: Theorie und Praxis strategischer Vorausschau und strukturierter Analysetechnik. Springer Verlag. E-Book 12,99 Euro, gedruckt: 59,99 Euro.

Security.Table Redaktion

SECURITY.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    in Nahost ist der regionale Flächenbrand, vor dem nach dem Terrorüberfall der Hamas vor einem Jahr viele warnten, inzwischen Realität: Israelische Spezialkräfte sind in den Libanon einmarschiert, eine ganze Division steht bereit, in den kommenden Tagen über die Blaue Linie zwischen den beiden Staaten nachzurücken. In welcher Weise die Israel Defense Forces (IDF) auf die jüngsten Luftschläge aus dem Iran militärisch reagieren könnten, lesen Sie in meiner Analyse.

    In dieser Ausgabe lesen Sie außerdem, welch hohen Preis Russland für die Eroberung der strategisch wichtigen ukrainischen Gemeinde Wuhledar zahlen musste. Welche diplomatischen Möglichkeiten Indien besitzt, in dem Konflikt zu vermitteln, beschreibt der außenpolitische Berater der Regierungspartei BJP, Vijay Chauthaiwale. Jonathan Lehrer hat ihn im Rahmen unserer Zusammenarbeit mit der Berlin Pulse Express Edition der Körber Stiftung gesprochen.

    Ein Hinweis noch in eigener Sache: Am kommenden Montag, den 7. Oktober, erscheinen wir mit einer Sonderausgabe anlässlich des ersten Jahrestags des Hamas-Überfalls auf Israel. Unter anderem haben wir bei Außen- und Sicherheitspolitikern der Bundestagsfraktionen nachgefragt, ob die Bundesregierung dem Diktum Angela Merkels seitdem nachgekommen ist, dass Israels Sicherheit zu schützen deutsche Staatsräson sei.

    Ein gutes Wochenende Ihnen,

    Ihr
    Markus Bickel
    Bild von Markus  Bickel

    Analyse

    Wie Israel seine Angriffe gegen die Achse des Widerstands ausweitet

    Angriff auf das Herz Beiruts: Schäden eines israelischen Luftangriffs auf den Innenstadtbezirk Baschura am 3. Oktober.

    Iran und seine Verbündeten verstärken ihre Angriffe auf Israel. Nach dem Beschuss mit rund 180 ballistischen Raketen aus Iran am Dienstag feuerten die jemenitischen Houthi-Rebellen am Donnerstag zwei Drohnen Richtung Israel. Die Hisbollah beschoss den Norden Israels mit mehr als hundert Raketen und lieferte sich schwere Gefechte mit israelischen Soldaten – ungeachtet der Tötung ihres Generalsekretärs Hassan Nasrallah vergangenen Freitag und der massiven Schläge, die Israel zuletzt gegen zahlreiche Militärkommandeure, Kommunikationsinfrastruktur, sowie Waffenlager und Abschussvorrichtungen der Schiitenmiliz durchgeführt hatte.

    Israel wiederum griff am Donnerstag zum zweiten Mal in einer Woche Ziele im Zentrum Beiruts an; neun Menschen wurden bei dem Angriff auf ein Gebäude nahe des libanesischen Parlaments getötet. “Mit Angriffen in ganz Libanon, auch im Herzen von Beirut, und Übergriffen entlang der Blauen Linie, erreicht die Gewalt gefährliche Ausmaße”, sagte die UN-Sonderkoordinatorin für den Libanon, Jeanine Hennis-Plasschaert. Israelische Soldaten hatten am Dienstag die 1978 gezogene Demarkationslinie überquert. Ziel sei eine “begrenzte Bodenoperation”, heißt es seitens der israelischen Regierung – und die Zerschlagung der militärischen Fähigkeiten der Hisbollah, um die Rückkehr von 60.000 Israelis in ihre Wohnungen im Norden des Landes zu ermöglichen.

    Libanesische Regierung will UN-Resolution 1701 erfüllen

    Mehr als 1,2 Millionen Libanesen sind seit Beginn der israelischen Offensive gegen die Hisbollah vor zwei Wochen innerhalb des Landes auf der Flucht – Tausende haben den Libanon zudem Richtung Syrien verlassen. Der geschäftsführende Ministerpräsident, Nadschib Mikati, erklärte am Mittwoch die Bereitschaft seiner Regierung, Einheiten der libanesischen Armee in das rund dreißig Kilometer tiefe Gebiet zwischen Blauer Linie und dem Fluss Litani zu entsenden. Das sieht auch die im August 2006 verabschiedete UN-Resolution 1701 vor, die den Rückzug der Hisbollah aus dem Grenzgebiet zum Ziel hatte. Israel versucht das nun auf militärischem Weg durchzusetzen; am Donnerstag forderte sie die Bewohner von mehr als zwanzig libanesischen Gemeinden auf, sich in Sicherheit zu begeben.  

    Der Krieg zwischen Israel und der von Iran aufgebauten Hisbollah begann vor einem Jahr, als Nasrallah zur Unterstützung der palästinensischen Hamas im Gazastreifen den Beschuss von Zielen in Israel anordnete. Seitdem sind auf libanesischer Seite 1974 Menschen getötet worden, die meisten von ihnen seit Mitte September, teilte das Gesundheitsministerium in Beirut am Donnerstag mit. Am Mittwoch meldete die israelische Armee den Tod von acht Soldaten im Südlibanon – die Hisbollah behauptete, drei Merkava-Panzer zerstört zu haben.  

    Netanjahu: “Wer uns angreift, den greifen wir an”

    Israels Premierminister Benjamin Netanjahu sagte am Donnerstag in einem Kondolenzvideo: “Wir befinden uns auf dem Höhepunkt eines schwierigen Krieges gegen die iranische Achse des Bösen, die uns vernichten will.” Zuvor hatte er klargestellt, dass Israel sich “an die Regeln” halte, “die wir aufgestellt haben: Wer uns angreift, den greifen wir an.” Das gelte “in Gaza, im Libanon, im Jemen und in Syrien – und es gilt auch im Iran.”

    In israelischen Sicherheitskreisen wird derzeit beraten, auf welche Weise man auf den iranischen Angriff von Dienstag reagieren will, bei dem, anders als noch im April, mehrere ballistische Raketen in Israel einschlugen, unter anderem auf dem Luftwaffenstützpunkt in Nabatim. Erdölförderanlagen und Einrichtungen der Revolutionsgarden gelten ebenso als potenzielle Ziele wie die iranischen Atomanlagen. US-Präsident Joe Biden hat jedoch deutlich gemacht, dass sich Washington an einem solchen Angriff nicht beteiligen werde. Ohne Unterstützung des US-Militärs dürften tief unter der Erde gelegene Anreicherungsanlagen wie die in Natans, dem Herzstück des iranischen Atomprogramms, nur schwer zu zerstören sein.

    Israel feiert am heutigen Freitag das jüdische Neujahrsfest Rosh Hashana. Ein Jahr nach dem Terrorüberfall der Hamas spürt Netanjahu Aufwind für seinen harten Kurs gegen die Hisbollah und Iran. Sein früherer Koalitionspartner, Expremier Naftali Bennet, schrieb auf der Plattform X: “Israel hat jetzt die größte Chance seit fünfzig Jahren, das Gesicht des Nahen Ostens zu verändern.” Das iranische Atomprogramm und zentrale Energieanlagen müssten zerstört werden, um “dieses Terrorregime tödlich zu verletzen”.

    Willsch fordert stärkere Unterstützung Israels durch Bundesregierung

    Während Vereinte Nationen und Europäische Union für ein Ende der Eskalation in Nahost warben, sprach sich der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch für stärkere militärische Unterstützung Israels durch die Bundesregierung aus. Im Gespräch mit Table.Briefings bekundete er sein Erstaunen darüber, dass Ampel-Politiker zwar ihre “unverbrüchliche Solidarität” mit Israel beteuerten, die Lieferung von Munition, Zündern, Stellvorrichtungen, Flug- und Sprengkörpern aber offenbar stagniere.

    Das gehe aus der Antwort auf eine Anfrage an die Bundesregierung hervor, in der er diese nach dem Umfang deutscher Rüstungsexporte an Israel 2024 befragt habe. Diese habe demnach bei 14,5 Millionen Euro bis zum 17. September gelegen. Durch Nicht-Beantwortung der Frage, ob Anträge zum Waffenexport nach Israel abgelehnt oder verzögert bearbeitet würden, sei die Gelegenheit verpasst worden, umlaufenden Berichten über einen Exportstopp der Bundesregierung “kraftvoll entgegenzutreten”, so Willsch.

    • Benjamin Netanjahu
    • Drohnen
    • Iran
    • Israel
    • Joe Biden
    • Libanon
    • Naher Osten
    • Nahost
    • Vereinte Nationen
    Translation missing.

    Außenpolitiker Chauthaiwale: “Indiens Einfluss in der Welt ist enorm gewachsen”

    Vijay Chauthaiwale weist Kritik an Indiens Regierungspartei aus der westlichen Presse zurück.

    Herr Chauthaiwale, Kamala Harris könnte die erste indisch-stämmige US-Amerikanerin werden, die zur Präsidentin der Vereinigten Staaten gewählt wird. Wie würden Inderinnen und Inder auf der ganzen Welt und insbesondere innerhalb der indischen Diaspora darauf reagieren?

    Gefühlsmäßig würden sich die Menschen freuen, eine Person indischer Herkunft im Weißen Haus zu sehen. Vor allem in Tamilnadu, der Heimat von Harris’ Mutter, ist die Begeisterung groß. Aber die indische Diaspora ist nicht homogen. Das sieht man auch daran, dass sie in beiden Parteien in den USA vertreten ist. Wir Inder sind im Allgemeinen neutral gegenüber der Innenpolitik der USA.

    Sie haben keine Präferenz?

    Nein. Wir kommen mit jedem klar. Und unsere Beziehungen zu den USA werden weiterwachsen, egal wer gewinnt. Denn es gibt viele gemeinsame strategische Interessen, bei denen wir uns mit Washington abstimmen. Insbesondere die Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich.

    Auch Indien hat in diesem Jahr gewählt. Hat Ihre regierende Bharatiya Janata Party (BJP) Stimmen verloren, weil sie die Polarisierung zwischen Hindus und Muslimen weiter geschürt hat?

    Wenn es in ganz Indien eine Anti-BJP-Stimmung gäbe, hätten wir landesweit verloren. So war es aber nicht. Wir haben unseren Stimmenanteil in den südlichen Bundesstaaten erhöht und erstmals das Parlament von Odisha gewonnen.

    Warum hat die BJP dann Stimmen verloren?

    In einigen Fällen hat sich das Kastensystem zu unseren Ungunsten ausgewirkt, in anderen war es das Narrativ der Oppositionsparteien. Es wird in der Partei gerade viel über die Gründe nachgedacht, aber ich bin fest davon überzeugt, dass wir auch die nächsten Wahlen gewinnen werden.

    In einer kürzlich von Pew Research durchgeführten Umfrage geben 85 Prozent der indischen Befragten an, dass sie einen starken Führer oder sogar das Militär in der Regierung befürworten. Woher kommt das?

    Indien ist eine Demokratie, und wer auch immer das Land führt, wird demokratisch gewählt. Aber ja, in Indien mag man starke Führungsfiguren, vor allem, wenn es große Herausforderungen zu bewältigen gibt. Die Menschen wollen, dass Dinge umgesetzt werden.

    Ist Modi also die Antwort auf diesen Wunsch nach einer starken Führung?

    Bevor Narendra Modi kam, fehlte es überall an Entscheidungswillen. Es gab Premierminister Manmohan Singh, der die verfassungsmäßige Autorität dazu gehabt hätte, und Sonia Gandhi, die als Präsidentin der Indischen Kongresspartei ihr eigenes Parallelkabinett führte. Das Ergebnis war massive Korruption und Ineffizienz. Auch deshalb haben sich die Menschen für Modi als Alternative entschieden.

    Nach der Verhaftung einiger wichtiger Oppositionsführer im Vorfeld der Wahlen gibt es Befürchtungen, dass die Demokratie in Indien ausgehöhlt wird. Wie reagieren Sie darauf?

    Nur sehr wenige Menschen wurden verhaftet, und ihre Verfahren liefen schon seit etwa einem Jahr. Wir haben unabhängige Gerichte und eine Wahlkommission, die entscheiden müssen, wie es weitergeht. Was in den westlichen Medien geschrieben wurde, war: “Wenn die BJP gewinnt, dann wird es Manipulation gewesen sein. Wenn die Opposition mehr Sitze bekommt, dann ist alles in Ordnung”. Das ist Heuchelei!

    In unserer Umfrage The Berlin Pulse zeigt sich, dass die meisten Deutschen das Gefühl haben, Deutschland habe international an Einfluss verloren. Wie ist es um den internationalen Einfluss Indiens bestellt?

    Indiens Einfluss in der Welt ist insgesamt enorm gewachsen. Inder reisen heute um die Welt und merken, dass sie anders behandelt werden als noch vor 15 Jahren. Vor allem die Tatsache, dass Indien Konfrontationen aus dem Weg geht, hat dazu beigetragen, dass sich das Image des Landes verbessert hat.

    Im Juli umarmte Premierminister Modi den russischen Präsidenten Wladimir Putin, kurz nachdem ein russischer Militärschlag ein ukrainisches Kinderkrankenhaus getroffen hatte. Zumindest in Europa hat das der indischen Reputation nicht geholfen.

    Sehen Sie, die UdSSR hat uns im indisch-pakistanischen Krieg von 1971 zur Seite gestanden, als es sonst niemand tat. Heute kommt ein Großteil unserer Rüstungsgüter aus Russland und die indisch-russische Partnerschaft hat uns wirtschaftlich geholfen, zum Beispiel durch die Kontrolle des Ölpreises. Gleichzeitig hat Premierminister Modi immer wieder deutlich gemacht, dass wir nicht in einer Ära des Krieges leben. Er hat das auch direkt zu Präsident Putin gesagt – und er ist auch in die Ukraine gereist und hat die gleiche Botschaft dort wiederholt.

    Können wir von Indien erwarten, dass es als Vermittler zwischen Russland und der Ukraine auftritt?

    Indien ist bereit, jede Rolle zu spielen, aber es ist immer eine politische Entscheidung, und alle Beteiligten müssen es so wollen. In diesem Fall sind das die Ukraine, die westlichen Länder, die USA und China.

    Interview: Julia Ganter und Leona Harting, Körber-Stiftung

    Dr. Vijay Chauthaiwale leitet die Abteilung für auswärtige Angelegenheiten der regierenden Bharatiya Janata Party (BJP).

    • Demokratie
    • Diaspora
    • Geopolitik
    • Indien
    • Wladimir Putin

    News

    Litauen startet Crowdfunding für die Verteidigung

    Litauen will angesichts der Bedrohung durch Russland seine Verteidigungsausgaben auf mehr als drei Prozent der Wirtschaftsleistung erhöhen und hofft dafür auch auf freiwillige Spenden aus der Bevölkerung. Zum 1. Oktober startete das baltische Land einen Verteidigungsfonds, in den neben Steuergeldern auch Zahlungen von Privatpersonen und Unternehmen fließen sollen. Zusätzlich sind Staatsanleihen vorgesehen, mit denen Rüstungsvorhaben finanziert werden sollen und die mit zwei Prozent verzinst werden.

    Zu den Projekten, die die Verteidigungsfähigkeit des Landes erhöhen sollen, gehört neben der Aufstellung einer Heeresdivision und der Ausstattung mit Kampfpanzern voraussichtlich aus deutscher Produktion auch die Infrastruktur für die geplante dauerhafte Stationierung einer Bundeswehr-Kampfbrigade.

    Abgaben auf Alkohol und Tabak werden erhöht

    Der Fonds, den das litauische Parlament im Juni gebilligt hatte, “wird es uns ermöglichen, die Umsetzung von Verteidigungsinitiativen zu beschleunigen, die derzeit von größter Bedeutung sind und über die der Nationale Verteidigungsrat auf höchster Ebene entschieden hat”, sagte Verteidigungsminister Laurynas Kasčiūnas. Um das Ziel einer NATO-Quote von drei Prozent zu erreichen, wurden auch Unternehmenssteuern sowie Abgaben auf Tabak und Alkohol erhöht.

    Für die freiwilligen Spenden setzt das ohnehin digital-affine Land auf die typischen Instrumente des Crowdfunding. Per Klick sind Einzelspenden ab fünf Euro per Kreditkarte möglich, ebenso der Bankeinzug und demnächst der Kauf der Staatsanleihen. Mit dem Aufruf an die Bevölkerung, die Verteidigung des Landes zu unterstützen, knüpft die litauische Regierung auch an ein Vorbild aus der Zeit der Unabhängigkeitsbewegung in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren an: Die Sąjūdis-Bewegung sammelte damals ebenfalls Spenden für ein von der Sowjetunion unabhängiges Litauen. (tw)

    • Litauen

    Fall Wuhledars: Wie Russland mit neuer Taktik Gelände gewinnt

    Weniger im Fokus der westlichen Öffentlichkeit, aber von ähnlicher Bedeutung wie die ukrainische Stadt Bachmut ist Wuhledar: Mehr als zwei Jahre lang haben ukrainische Truppen die Stadt gehalten, bevor sie sie in dieser Woche aufgeben und sich zurückziehen mussten. Der Preis, den die russische Armee für die Eroberung zahlt, ist hoch. Doch genau das ist – von Anfang an – ein Vorteil des Regimes von Wladimir Putin. Er ist nicht nur bereit, sehr viele Männer sterben zu lassen, sondern sieht sich auch keinerlei ernstzunehmendem gesellschaftlichem Widerstand dagegen ausgesetzt.

    Russlands Überlegenheit bei Personal und Munition sowie der Ausbau der Drohnenproduktion erzielen Erfolge an der Front. In Wuhledar zeigt sich zudem, was die russische Armeeführung gelernt hat: Laut Washington Post setzt sie auf sehr kleine Gruppen, die nacheinander ukrainische Positionen angreifen. Die Verluste sind sehr hoch, doch die Bereitschaft, in diese Selbstmordaktionen hineinzurennen, offenbar auch. Zudem sind die Gruppen teils gut ausgebildet und besser bewaffnet als noch vor einigen Monaten. Kombiniert mit Artillerieüberlegenheit (zeitweise 10:1) und immer mehr “Vögelchen” – Drohnen – steigt der Druck auf die Verteidiger. Ein weiterer Faktor, der den russischen Truppen im Donbass in die Hände gespielt haben könnte, war der Abzug erfahrener ukrainischer Soldaten für die Kursk-Operation.

    Russlands Militärbudget erneut erhöht

    Wuhledar galt als ein wichtiger Verteidigungsposten. Die Stadt liegt in einer Steppenebene, leicht erhöht. Der Rückzug der ukrainischen Truppen dürfte nach Nord-West erfolgen, wieder auf leicht höhere Positionen. Für die Angreifer verbessert sich jedoch die Versorgungssituation, weil eine Straße in Richtung Norden unter ihre Kontrolle kommt. Russland dürfte die Taktik beibehalten. Und obwohl es schwieriger wird, neues Personal zu finden, kommt noch genügend Nachschub.

    Insgesamt steigen die geplanten Militär- und Sicherheitsausgaben in Russland erheblich – mehr als 31 Prozent des Staatsbudgets 2025 könnten es sein, zumindest ist dieser Anteil als geheim eingestuft. Mit sehr hohen Einmalzahlungen und hohen Monatsgehältern gelingt es der russischen Armee bisher, genügend Freiwillige anzuwerben.  

    Aktuell endet der zwölfmonatige Wehrdienst in Russland, der im Herbst 2023 begonnen hatte. Damals traten 130.000 junge Männer den Wehrdienst an. Die nun ausgebildeten, jungen Soldaten werden mit hohen Geldprämien und Löhnen als Berufssoldaten angeworben. Einmal den Vertrag unterzeichnet, können sie an die Front kommandiert werden.

    Zusätzlich sollen mehr als 20.000 Männer, denen ein Gerichtsverfahren droht, für den Krieg rekrutiert werden. Das ist eine Personengruppe, gegen die Ermittlungsverfahren abgeschlossen, aber die Gerichtsverfahren noch nicht gestartet sind. Sie befinden sich in Gefängnissen und warten auf die Verfahren. Bisher waren sie nicht im Fokus der Anwerber, das soll sich ändern. Ein neues Gesetz soll ihnen ermöglichen, Verträge mit dem Verteidigungsministerium einzugehen. vf    

    • ETS 2
    • Russland
    • Ukraine
    • Ukraine-Krieg
    • Wladimir Putin

    Ukraine: Diese Unterstützung erhält der Energiesektor für den Winter

    Die Ukraine soll vor dem Winter mehr Geld für den kriegsgebeutelten Energiesektor erhalten. Sowohl das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) als auch die EU und die G7 und ihre Partnerstaaten (“G7+-Gruppe”) beschlossen zuletzt neue Hilfspakete. Die ukrainische Energieinfrastruktur zählt zu den Hauptzielen von Putins Angriffskrieg. Aktuell sind 80 Prozent der Wärmekraftwerke und mehr als ein Drittel der Wasserkraftwerke zerstört. Das ukrainische Energieministerium rechnet daher im kommenden Winter mit vermehrten Stromabschaltungen – für die ukrainische Bevölkerung eine immense Herausforderung.

    Angesichts dessen beschloss der Haushaltsausschuss des Bundestags vergangene Woche ein Winterpaket für die Ukraine. Mit über 70 Millionen Euro wird das BMZ Städten und Kommunen in der Ukraine kleinere Blockheizkraftwerke, Kesselanlagen, Generatoren und Solaranlagen finanzieren. Insgesamt erhält das Land, in dessen Energiesektor bereits rund zwei Milliarden Euro EU-Hilfen flossen, vor dem Winter weitere EU-Förderung im Umfang von 160 Millionen Euro. Für die Unterstützung werde erstmals auf eingefrorene russische Vermögenswerte in der EU zugegriffen. Und auch die G7+-Gruppe sicherte dem Land am Rande der 79. Generalversammlung der Vereinten Nationen ihre Unterstützung zu.

    Ukrainisches Energiesystem nachhaltig wiederaufbauen und dekarbonisieren 

    Das Team von “Green Deal Ukraina” forscht derweil konkret in Richtung einer langfristigen, sicheren Energieinfrastruktur. Das im Sommer 2023 gestartete Projekt unter Federführung des Helmholtz-Zentrums Berlin sowie der Thinktanks Forum Energii aus Polen, Dixi Group und Eco Action aus der Ukraine, will bis 2027 in Kiew einen unabhängigen Thinktank einrichten. Der soll die Ukraine bei energie- und klimapolitischen Entscheidungen beraten. Ziel des Projekts Green Deal Ukraina ist es, das ukrainische Energiesystem nachhaltig wiederaufzubauen und zu dekarbonisieren.

    Um diese Kernziele zu erreichen, modellierte das Team in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Berlin den voraussichtlichen Mangel an Elektrizität für den Zeitraum Juni 2024 bis Mai 2025. Um die erwarteten Stromengpässe zu verhindern, formulierte es politische Maßnahmen: Neben der Reparatur der beschädigten Infrastrukturen müsse die Ukraine verstärkt in erneuerbare Energien investieren und auf kleine Gaskraftwerke und Stromeinfuhren aus der EU setzen. 

    Energieaktionsplan empfiehlt Back-up-Optionen zum Heizen 

    Die bisher gesammelten Daten von “Green Deal Ukraina” flossen in den Ende September veröffentlichten “Energieaktionsplan” für die Ukraine und ihre Partner. Die Internationale Energieagentur (IEA) definiert darin zehn konkrete Handlungsfelder, um den Energiesektor für den anstehenden Winter zu wappnen. Die Autorinnen und Autoren raten unter anderem, die physische und digitale Sicherheit der kritischen Energieinfrastruktur zu verbessern und Stromübertragungskapazitäten mit der Europäischen Union auszubauen. Für den Winter empfiehlt das Papier Back-up-Optionen zum Heizen – etwa “Flüssiggas-Heizungen, Holz- und Kohleöfen sowie entsprechende Brennstoffreserven”. Langfristiges Ziel sei ein “modernes, marktorientiertes, widerstandsfähiges und nachhaltiges ukrainisches Energiesystem, das gut in das EU-System integriert ist”. asc

    • BMZ
    • Daten
    • Energiewende
    • Erneuerbare Energien
    • Green Deal
    • Russland
    • Ukraine
    • Ukraine-Krieg

    Must-Reads

    Europe.Table: Ukraine – An diesen Hürden hängen die Beitrittsgespräche. Drei Monate nach dem Start der Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine häufen sich die Probleme. Es gibt Streit über den Rechtsstaat, Ärger mit Polen und Unmut über Präsident Selenskyj. Brüssel stellt sich auf eine längere Hängepartie ein.

    Foreign Affairs: China Is Ready for War. Es ist nicht nur Chinas Produktionsvolumen, das seinen militärischen Aufstieg vorantreibt. Peking hat auch die Forschungs-, Entwicklungs- und Beschaffungsprozesse für Waffensysteme optimiert, sodass die Volksbefreiungsarmee fortschrittliche Plattformen in komplexen Bereichen wie trägergestützter Luftfahrt, Hyperschalltechnologie und Antriebssystemen herstellen kann. Die US-Rüstungsindustrie kann derweil nicht mithalten, schreibt Verteidigungsforscher Seth G. Jones.

    Stiftung Wissenschaft und Politik: Sudan’s Transition to War and the Limits of the UN’s Good Offices. Eine der wichtigsten Lehren, die die Vereinten Nationen und ihre Mitgliedsstaaten aus dem Engagement im Sudan ziehen können, ist, dass übermäßiger Enthusiasmus nach einem erfolgreichen Umsturz dazu führen kann, die Stärke und Entschlossenheit gegnerischer ziviler, “paraziviler” und militärischer Akteure zu unterschätzen.

    China.Table: Japan – Wie realistisch die “asiatische Nato” ist: Im Wahlkampf propagierte der neue japanische Ministerpräsident Shigeru Ishiba die Idee einer asiatischen Nato. Dieser Text beschreibt, wie es um die tatsächliche Umsetzung des Vorschlags steht und welche Rolle die Diversität der asiatischen Länder und ihrer Sicherheitslage dabei spielt.

    Europäische Sicherheit & Technik: In Sachsen und Thüringen über Außenpolitik verhandeln? Das Bündnis Sahra Wagenknecht fordert nach ihren Erfolgen bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg, dass in Koalitionsverträgen ein Stopp der militärischen Unterstützung der Ukraine und der Stationierung US-amerikanischer Raketen verankert werde. Es ist neu in der deutschen Politik, dass eine Partei ein außen- und sicherheitspolitisches Thema in das Zentrum ihrer Wahlkampagne für ein Landesparlament rückt.

    Heads

    Slawomir Pichor – Mittler zwischen Ukraine und Moldau

    Slawomir Pichor an der Grenze zwischen der Ukraine und Moldau, September 2024.

    Wenn es um Russlands Angriffskrieg geht, geht es stets um die Politik und die Kämpfe, die zwischen der Ukraine und Russland stattfinden. Seltener geht es um die andere Seite der Ukraine, darum, was zwischen ihr und dem Rest Europas passiert. 

    Slawomir Pichor hat diesen Zwischenraum im Blick, genauer gesagt die Grenze zwischen der Ukraine und der Republik Moldau. Er ist Leiter der European Union Border Assistance Mission to Moldova and Ukraine (Eubam). Die 2005 gestartete EU-Mission soll den Grenzübertritt von Personen und Waren zwischen der Ukraine und Moldau effizienter machen, die Kapazitäten der Zoll- und Grenzbehörden verbessern und grenzüberschreitende Kriminalität minimieren. Außerdem soll das Missionsteam im Konflikt zwischen Moldau und dem international nicht anerkannten Transnistrien vermitteln, indem es gemeinsame Transportkorridore und -richtlinien schafft, sowie freien Personen- und Warenverkehr garantiert. 

    Flucht und Blockaden stellen Eubam vor Herausforderungen 

    Pichor wurde 1964 in Pultusk, einer Stadt im Nordosten Polens, 70 Kilometer von Warschau entfernt, geboren. Er studierte öffentliche Verwaltung und Außenhandel in Warschau und Verkehrswesen in Radom, bevor seine Karriere im Grenz- und Zollschutz begann. Von 2002 bis 2015 hatte er leitende Rollen in der Zollbehörde seines Heimatlands inne. Ab 2010 übernahm er Positionen im Management von Eubam, als stellvertretender Missionsleiter und als Leiter des Eubam-Büros in Moldaus Hauptstadt Chișinău.  

    Russlands Vollinvasion hat auch Pichors Arbeit verändert: Allein in den ersten sechs Monaten des Krieges flohen 600.000 Menschen nach Moldau. Und Russlands Blockade des Hafens von Odessa behinderte über Monate ukrainische Exporte. Diese wurden stattdessen durch neun alternative Logistikrouten, sogenannte Solidaritätskorridore, geleitet. 

    Virtuelle Warteschlangen und Schutz von Infrastruktur

    Einer davon ging über den Grenzpunkt Reni-Giurgiulesti. Am Dreiländereck zwischen Rumänien, Moldau und der Ukraine, knapp oberhalb des Donautals, reihen sich hier mehrere Grenzübergänge aneinander. Für Menschen, die diese überqueren wollten, bedeutete das sechs Kontrollen auf einer Strecke von gerade einmal zwei Kilometern. 2022, in den besonders kritischen Monaten, mussten Menschen hier mitunter bis zu zwei Wochen warten, berichtet Pichor. 

    Infolgedessen wurde die Arbeit von Eubam immer wichtiger. Gemeinsam mit Rumänien implementierten Pichor und sein Team virtuelle Warteschlangen und regten Baumaßnahmen an, die die Kapazitäten der Grenzpunkte einander angleichen sollten. “Der Krieg erzeugte, beschleunigte, erzwang die Veränderungen. Und es ist schon viel passiert, aber es braucht noch mehr”, sagt Pichor und spricht von Prozessen und Technologien, die effizienter werden, Infrastrukturen und Straßen, die ausgebaut werden müssten, und ukrainischen Donauhäfen, die weiteren Schutz vor Angriffen bräuchten. Vorerst kann Pichor bis November 2025 planen, bis dann läuft das derzeitige Mandat der Mission aus. Ob es verlängert werden wird, hängt von vielen Faktoren ab – nicht zuletzt davon, wie Russlands Krieg in der Ukraine weitergehen wird. Anouk Schlung

    • EU-Beitritt
    • Moldau
    • Rumänien
    • Ukraine
    • Zoll

    Dessert

    Das Buch “Klarheit im Denken” bietet kein Life-Coaching, sondern einen Überblick über strukturierte Analysetechniken (SATs), um in Zeiten permanenter Informationsüberflutung die besseren Entscheidungen zu treffen. Denn in einer Welt, die durch Fragmentierung, schwelende Interessen- und Zielkonflikte und damit zunehmende Ungewissheit geprägt ist, wird klares Denken nicht nur zu einem Wettbewerbsvorteil, sondern zu einer existentiellen Notwendigkeit, schreiben die Autoren.

    Wie unterscheiden wir aber “richtige” von “falschen” Informationen? Wie Wahrnehmung von Wahrheit? Was ist ein starkes Signal aus der Zukunft, was nur belangloses Hintergrundrauschen? Die Autoren argumentieren, dass klares Denken erlernt werden kann und stellen verschiedene Methoden vor, die in unterschiedlichen Kontexten, wie Geheimdiensten, dem Militär, in Unternehmen, bei Strafverfolgungsbehörden, aber auch bei strategischen Politikformulierungen, angewendet werden können.

    Das Werk ist praxisorientiert: Es stellt Techniken zur Exploration, zur Diagnose, zum Reframing, zur Vorausschau und schlussendlich zur Entscheidungsunterstützung vor. Und es kombiniert theoretische Grundlagen mit Fallstudien, darunter zur Ermordung von Olof Palme und einem Cyber-Angriff auf die Berliner Infrastruktur. Dieses Buch dient als Leitfaden für Fachleute und Interessierte und ist Teil der Serie “Sicherheit, Strategie & Innovation”, die, aufbauend auf einem erweiterten Sicherheitsbegriff, drängende sicherheitspolitische Fragestellungen inter- oder transdisziplinär thematisiert. klm

    Ole Donner, Oliver Gnad, Randolph H. Pherson (Hrsg): Klarheit im Denken: Theorie und Praxis strategischer Vorausschau und strukturierter Analysetechnik. Springer Verlag. E-Book 12,99 Euro, gedruckt: 59,99 Euro.

    Security.Table Redaktion

    SECURITY.TABLE REDAKTION

    Licenses:

      Jetzt kostenlos anmelden und sofort weiterlesen

      Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

      Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

      Anmelden und weiterlesen