Olaf Scholz gab gestern den Tempomacher. “Ich hoffe, dass es nicht noch einmal zehn Jahre braucht, bis alle sechs Staaten endlich zu EU-Mitgliedern geworden sind”, sagte er beim Westbalkangipfel im Kanzleramt. Ob sie das allerdings schaffen, bezweifeln Experten – schließlich sind schon zwei Jahrzehnte ins Land gegangen, seitdem die EU 2003 Albanien, Serbien, Bosnien-Herzegowina, dem Kosovo, Montenegro und Nordmazedonien die Mitgliedschaft in Aussicht stellte. Nicht nur in den Exkriegshauptstädten Pristina und Sarajevo wächst daher die Sorge, dass die Ukraine auf die Überholspur genommen wird – ein Vierteljahrhundert nach Ende der Kriege in Kosovo und Bosnien.
Immer noch erschwerten Konflikte der Vergangenheit die Zusammenarbeit heute, sagte Scholz vor den versammelten Staats- und Regierungschefs. Das gilt in Europa für die Staaten des früheren Jugoslawiens – und in Ostafrika für den Sudan. Dort haben sich die einstigen Bündnispartner, Armeechef Abdel Fatah al-Burhan und der Chef der paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF), Mohammed Hamdan Dagalo alias Hemedti, so entzweit, dass anderthalb Jahre nach Kriegsbeginn im April 2023 Millionen Sudanesen an Hunger leiden. Gabriel Bub und David Renk haben mit der Sudan-Expertin Jawhratelkmal Kanu vom United States Institute for Peace über die Rolle gesprochen, die die Zivilgesellschaft zur Beendigung des Konflikts spielen könnte.
Im Sudan haben sich laut lokalen Medienberichten die Kämpfe zwischen sudanesischer Armee (SAF) und Rapid Support Forces (RSF) intensiviert. Demnach fokussierten sich die Kämpfe zuletzt auf die sudanesische Hauptstadt Khartum. Ende September hatte die von Ex-Machthaber General Abdel Fattah Abdelrahman Burhan geführte SAF eine Offensive gestartet, um die Stadt von den RSF zurückzuerobern. Auch in anderen Landesteilen tobt der Krieg zwischen den beiden Militärblöcken weiter – besonders in den fünf Darfur-Provinzen im Westen des Landes, die als Hochburgen der paramilitärischen RSF gelten, die von Burhans Ex-Verbündetem, Mohammed Hamdan Daglo alias Hemeti, geführt werden.
Im August scheiterten Vermittlungsgespräche, die die USA in Genf organisiert hatten. Die SAF hatte ihre Teilnahme verweigert – Beobachtern zufolge wenig überraschend, da die USA sich aus einer Logik westlicher Interessen heraus positioniert hatten. Der Sudan-Konflikt kann allerdings nicht ohne die verschiedenen Interessen der Regionalmächte betrachtet werden. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die in den Konflikt involvierten Staaten wie die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten, Saudi-Arabien, Iran, die Türkei, aber auch Russland ihre Unterstützung für eine der beiden Gruppen kurzfristig einstellen werden.
International müsste der Druck auf die Konfliktparteien zunehmen, fordert SPD-Außenpolitikerin Derya Türk-Nachbaur im Gespräch mit Table.Briefings: “Die großen Mächte müssen geschlossen auftreten und die Differenzen im UN-Sicherheitsrat beilegen. Gezielte Sanktionen gegen die Konfliktparteien müssen verhängt werden.”
Mit Russland Kompromisse zu schließen, ist derzeit allerdings schwierig. Schließlich pflegt Präsident Wladimir Putin gute Beziehungen zur SAF. Diese soll mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow im Juni den Bau einer russischen Militärbasis am Roten Meer vereinbart haben. Im Gegenzug dürfte die SAF auf russische Waffenlieferungen setzen.
Gewicht im Sudan hätten Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. “Ich wünsche mir, dass sie das wirklich einsetzen”, sagt Türk-Nachbaur. Von deutscher Seite sei eine starke Unterstützung für regionale Organisationen wie die Afrikanische Union oder die Intergovernmental Authority on Development (IGAD), der neben dem Sudan sieben weitere nordostafrikanische Länder angehören, entscheidend, “um eine glaubwürdige Vermittlung auch zu unterstützen”, so Türk-Nachbaur.
Mangelnde Bereitschaft der kriegsführenden Generäle zu Verhandlungen sieht auch Jawhratelkmal Kanu, Sudan-Expertin am United States Institute for Peace. “Die Zivilbevölkerung wird in den von der RSF kontrollierten Gebieten weiterhin belagert, während die SAF ihre Luftangriffe fortgesetzt hat. Berichten zufolge werden alle Anstrengungen unternommen, um die Kämpfer wiederzubewaffnen und zu mobilisieren, damit sie sich auf eine weitere Runde kostspieliger, brutaler Gewalt vorbereiten können”, schreibt Kanu in einer Analyse für das United States Institute of Peace.
Über elf Millionen Sudanesen sind schätzungsweise auf der Flucht. Die Menschen würden von einem Kampfgebiet ins nächste fliehen, müssten teilweise 3.000 Kilometer zu Fuß zurücklegen, sagt Aida Elsayed, Generalsekretärin des sudanesischen Roten Halbmonds. Medikamente fehlten, Krankheiten brächen aus. Einen Cholera-Ausbruch im vergangenen Jahr hätte man noch kontrollieren können. “Mit den Fluchtbewegungen kann man ihn nicht oder nur kaum mehr kontrollieren”, sagt Elsayed.
In den Flüchtlingslagern sei die Situation instabil, die Menschen erhielten nur unregelmäßig Essen oder Unterstützung in ihrer Basisversorgung. Hygiene und die Versorgung mit Wasser seien nicht ausreichend. Und ein Großteil der Bevölkerung ist traumatisiert. “Die Bilder, die Kinder malen, sind schrecklich. Sie zeigen viel Blut und tote Körper”, sagt Elsayed. Auch Krisen in Nachbarländern sorgen für Destabilisierung. Sudanesen, die nach Äthiopien geflohen sind, kämen wieder zurück ins Land, weil Äthiopien keine Aufnahmekapazitäten mehr habe. “Sie erzählen schreckliche Geschichten über ihre Fluchterlebnisse.”
Weil Bauern vertrieben werden, können sie ihre Äcker nicht mehr bewirtschaften. “Die Hungersnot ist alarmierend”, berichtet Elsayed weiter. Hilfslieferungen kämen nicht immer durch, weil der Regen Straßen überschwemme oder weil Kämpfe ausbrächen. Andere Hilfskonvois seien überfallen worden. Frauen werden gezielt angegriffen. Einige seien als Sklavinnen in afrikanische Nachbarländer verkauft worden. Tausende würden vergewaltigt.
Elsayed hat Zweifel, dass ein sofortiger Friedensschluss zwischen RSF und SAF die Konflikte sofort beenden würde. Weil verlassene Häuser nun von anderen bewohnt würden, könnten viele Sudanesen nicht in ihre Häuser zurückkehren. Auch das erschwert eine Rückkehr zu Frieden im Land.
Steht Israel strategisch besser da als vor dem Terrorüberfall der Hamas vor einem Jahr?
Das vergangene Jahr war für Israel wichtig, um sich auf den großen Krieg vorzubereiten. Der Krieg in Gaza war im militärischen Sinne ein kleiner Krieg, der ja auch geografisch sehr begrenzt war. Trotz der Brutalität und des Blutvergießens am 7. Oktober hat es die Armee nicht vor sehr hohe Herausforderungen gestellt, dort zu kämpfen. Das hat ihr ein Jahr Zeit gegeben, die Munitions- und Waffendepots für den großen Krieg gegen Iran und die Hisbollah aufzustocken. Viele junge Soldaten, die noch vor einem Jahr über keine Erfahrung verfügten, sind jetzt sehr kampferprobt.
Der Krieg in Gaza dauert länger als alle Kriege, die Israel seit 1948 geführt hat. Wie lange wird der Krieg im Libanon dauern?
Keine Ahnung, wirklich nicht. Das kann in Tagen, Wochen oder Monate bemessen sein. Aber ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, dass es zu einer diplomatischen Lösung kommen kann, auch sehr kurzfristig. Schließlich sind die Bedingungen, unter denen Iran den Krieg führt, nicht gerade günstig – wer soll seitens der Hisbollah denn noch strategische Entscheidungen treffen, jetzt, wo sie ihre ganze Führung verloren hat?
Drei Jahre vor dem Terrorüberfall der Hamas schloss Israel die sogenannten Abraham-Abkommen mit Bahrein und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Hat dieses Bündnis Israel geholfen?
Es gibt nur zwei ausländische Airlines, die das ganze letzte Jahr über nach Israel flogen – die der Vereinigten Arabischen Emirate, mit manchmal fünf oder sechs Flügen am Tag. Das ist ein klares politisches Zeichen: Wir setzen weiter auf diesen Kurs der Normalisierung mit Israel. Deshalb sind die Abraham-Abkommen ein sehr wichtiger Teil der israelischen Außenpolitik.
Wird sich Saudi-Arabien den Abkommen anschließen?
Da bin ich sehr optimistisch – schließlich ist es der Hamas nicht gelungen, den politischen Prozess der Annäherung zwischen den Golfstaaten und Israel durch ihren Terrorangriff zu stoppen. Im Gegenteil, die Saudis haben jetzt vielleicht noch mehr Angst als vor einem Jahr: Sie sehen, wozu das Regime in Teheran in der Lage ist, und die daraus entstehende politische Notwendigkeit, die Annäherung mit Israel hinter den Kulissen weiter zu verstärken.
Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed Bin Salman verlangt für eine Anerkennung Israels die Umsetzung der Zweistaatenlösung.
Ich finde eine solche Festlegung zum jetzigen Zeitpunkt schwierig, auch wenn ich glaube, dass man daran grundsätzlich festhalten muss. Allerdings muss auch die Frage erlaubt sein, von welchen zwei Staaten wir reden, bislang waren es ja eher drei.
Sie meinen neben Israel das Westjordanland und Gaza?
Ja, genau. Im Westjordanland hat die von der Fatah dominierte Palästinensische Autonomiebehörde das Sagen, in Gaza die Hamas. Deshalb wäre es zu früh, hier auf eine politische Lösung zu drängen.
Lässt sich ein Waffenstillstand zwischen den Israel Defense Forces (IDF) und der Hamas in Gaza ohne internationale Friedenstruppen überhaupt durchsetzen?
Zuerst müsste eine internationale Friedenskonferenz stattfinden, die zu organisieren Aufgabe von EU und UN wäre. Ich bin sehr enttäuscht, dass es dazu bislang keine Initiativen gegeben hat, auch wenn ich natürlich verstehen kann, dass nicht viele Politiker es riskieren wollen, weil die Chancen auf Erfolg eher gering sind. Dass es an internationalen Initiativen fehlt, diesen Konflikt multilateral zu moderieren, ist dennoch ein Armutszeugnis für die Diplomatie.
Liegt das an der Schwäche der USA?
Das hat nichts mit den USA zu tun, sondern mit den Europäern.
Die spielen doch seit zwanzig Jahren politisch keine Rolle mehr in Nahost.
Das sehe ich anders. Die EU ist der größte Geldgeber der Palästinensischen Autonomiebehörde – und der Hamas. Warum sie ihrer politischen Verantwortung nicht gerecht wird, kann ich mir nicht erklären – schließlich sind sie die einzigen, die internationale Friedensbemühungen anführen könnten, die USA sind dazu zu sehr mit sich selbst beschäftigt.
Welche Rolle könnten die Vereinten Arabischen Emirate spielen?
Eine wichtige, aber sie werden eine Friedenskonferenz nicht leiten, sondern bestenfalls teilnehmen. Es liegt an der EU, die erste Schritt zu machen.
Im Zuge des Libanon-Kriegs 1982 musste Verteidigungsminister Ariel Scharon sein Amt aufgeben, auch Premierminister Menachem Begin trat 1983 zurück. Könnte der neuerliche Einmarsch im Libanon das Ende der Regierung Benjamin Netanjahus einleiten?
Ich glaube, dass es viel zu früh ist, um diese Frage zu beantworten. Ich erinnere mich gut an das Jahr 1982, ich war damals 16 Jahre alt, und zunächst sah es wie eine sehr kurze militärische Operation aus. Dass diese Dinge eine eigene Dynamik entwickeln, sehen wir jetzt ja auch in Gaza. Wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass der Krieg so lange dauern würde? Das heißt aber nicht, dass es zu spät für Diplomatie ist; dafür ist es nie zu spät.
Wäre das mit Blick auf den Libanon aus Ihrer Sicht die Umsetzung von UN-Resolution 1701 von 2006, die die Entwaffnung der Hisbollah und ihren Rückzug nördlich des Litani vorsieht?
Jede Resolution gilt so lange, bis die nächste Resolution kommt – oder es kommt der nächste Krieg. Es ist nicht zu spät für eine neue Resolution, eine neue Initiative. Aber die kann nur aus Europa kommen, Washington wird das nicht übernehmen.
Der Politologe Shlomo Shpiro hat den Paterson-Lehrstuhl für Sicherheit und Nachrichtendienste an der Bar-Ilan-Universität in Israel inne. Nach dem Kosovo-Krieg leitete er ein Projekt zur Verbesserung der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit zwischen der Nato und den Mittelmeerländern. Von 2009 bis 2012 war er Koordinator von Safe-Comms, das die EU-Strategie für Krisenkommunikation bei Terrorismus entwickelte.
Israels Streitkräfte hätten im Libanon mit dem Beschuss von Positionen der UN-Friedenstruppe (Unifil) eine gefährliche weitere rote Linie überschritten, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nach dem Treffen der EU-Außenminister in Brüssel. Die Minister hätten ihre volle Unterstützung für die Uno-Mission ausgesprochen, und niemand sei für einen Abzug der Blauhelme, wie es von Israel gefordert werde.
Die Mitgliedstaaten tun sich sonst schwer mit gemeinsamen Erklärungen zum Nahostkonflikt, doch diesmal klappte es, wenn auch mit Verzögerung. So hatte Tschechien eine Erklärung Ende vergangener Woche noch blockiert. Der Angriff gegen Unifil, bei dem mehrere Blauhelmsoldaten verletzt wurden, stelle einen schweren Verstoß gegen internationales Recht dar und sei “völlig inakzeptabel”, heißt es in der Erklärung. Diese Angriffe müssten sofort aufhören. Nicht auf der Agenda des Treffens war die Forderung einzelner Mitgliedstaaten nach einem Waffenembargo gegen Israel.
Beschlossen wurden hingegen neue Sanktionen gegen den Iran wegen der Lieferung ballistischer Raketen an Russland. Laut US-Angaben geht es um Kurzstreckenraketen vom Typ Fath-360 mit einer Reichweite von etwa 120 Kilometern. Die Sanktionen treffen unter anderem die Fluggesellschaft Iran Air, weil sie an der Lieferung von Waffen und Technologie beteiligt sein soll.
Die Airline, die als einzige noch direkte Linienflüge etwa von Frankfurt, Hamburg oder Wien anbot, darf in der EU künftig keine Tickets mehr verkaufen. Neu gelistet werden insgesamt je sieben Personen und Entitäten. Darunter ein Forschungszentrum sowie unter anderem Verantwortliche der Luft- und Raumfahrtindustrie. Es gebe ganz klare Belege dafür, dass der Iran ballistische Raketen geliefert habe, sagte Europa-Staatssekretärin Anna Lührmann. Sie vertrat Außenministerin Annalena Baerbock, die wegen eines privaten Termins nicht anreisen konnte.
Auf der Agenda stand auch ein Vorschlag von Josep Borrell, wie die Blockade Ungarns bei der Friedensfazilität umgangen werden könnte: “Wir sind fast am Ziel”, sagte der EU-Chefdiplomat nach den Beratungen. Die Idee: Beiträge der Mitgliedstaaten für die Friedensfazilität wären nicht mehr obligatorisch, sondern würden formell für freiwillig erklärt. Ungarn müsste also nicht zahlen, könnte aber das gemeinsame Instrument zur Unterstützung der Ukraine auch nicht länger blockieren.
Borrell sagte, er glaube nicht, dass neben Ungarn auch andere Mitgliedstaaten nicht zahlen würden, sollten die Beiträge freiwillig sein. Dem Außenminister der Ukraine habe er versprochen, vor Ende seiner Amtszeit nach Kiew zu kommen – aber erst, wenn die Blockade der Friedensfazilität überwunden sei. sti
Der Streit um deutsche Rüstungsexporte an Israel geht weiter. “Die Gefahr bleibt bestehen, dass mit deutschen Waffen in Gaza Völkerrecht gebrochen wird”, sagte Andreas Schüller vom European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) zu Table.Briefings. Um zu verhindern, dass das weiter geschehe, habe das ECCHR am Freitag vor dem Berliner Verwaltungsgericht Widerspruch gegen etwaige Ausfuhrgenehmigungen eingelegt.
De facto hat der geheim tagende Bundessicherheitsrat seit dem Frühjahr keine Waffenlieferungen mehr an Israel genehmigt. Die Gesamtexporte beliefen sich bis Ende September auf 15,5 Millionen Euro; 2023 lieferte Deutschland noch Rüstungsgüter im Wert von 326,5 Millionen Euro an Israel. Dennoch hatte Bundeskanzler Olaf Scholz den Vorwurf von Oppositionsführer Friedrich Merz, einen Rüstungsexportstopp verhängt zu haben, vergangene Woche im Bundestag mit den Worten zurückgewiesen, “wir haben Waffen geliefert, und wir werden Waffen liefern”. Die Bundesregierung habe Entscheidungen getroffen, die “sicherstellen, dass es demnächst weitere Lieferungen geben wird”, so Scholz.
Die Bild machte am Montag in einem Bericht die von den Grünen Annalena Baerbock und Robert Habeck geführten Ministerien für Wirtschaft und Klimaschutz sowie Auswärtiges dafür verantwortlich, dass Deutschland keine Waffen an Israel mehr liefere. AA-Sprecher Sebastian Fischer wies den Vorwurf am Montag in der Regierungspressekonferenz als “Räuberpistole” zurück: “Es hat zu keinem Zeitpunkt einen Rüstungsexportstopp nach Israel gegeben.”
Die Bundesregierung musste zuletzt sowohl vor dem Verwaltungsgericht Berlin wie vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag Auskünfte über ihre Rüstungsexportpolitik gegenüber Israel erteilen. Nicaragua wirft Deutschland vor, durch die militärische Unterstützung Beihilfe zum Völkermord an der Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu leisten. “Es geht nicht nur um Völkermord, sondern auch um Kriegsverbrechen”, so Schüller vom ECCHR. Die Bundesregierung versuche sich hier “im magischen Sprechen nach dem Motto: Weil nicht sein kann, was nicht sein darf.” mrb
Weder bei der Nato in Brüssel noch im Verteidigungsausschuss in Berlin hält man die Umsetzung der in der vergangenen Woche bekannt gewordenen Minimum Capability Requirements (MCR) des Bündnisses durch Deutschland für machbar. Die Bundesregierung müsse die Frage beantworten, inwiefern die bisher geplanten Investitionen “richtig priorisiert” seien, forderte der CDU-Verteidigungspolitiker Florian Hahn gegenüber Table. Briefings. “Die Nato-Pläne zeigen, dass vor allem eine Stärkung der Landstreitkräfte und Investitionen in die Luftverteidigung nötig sind”, so Hahn.
Die Tageszeitung Welt hatte vergangene Woche aus geheimen Plänen der Nato berichtet, die den Aufbau von fünf oder sechs weiteren Kampfbrigaden bis 2031 vorsehen. Allein zwei Brigaden würden einen Mehrbedarf von circa 10.000 Soldaten und Soldatinnen bedeuten. Mitte 2024 dienten rund 184.000 in der Bundeswehr, die Zahl soll bis 2031 auf 203.000 erhöht werden. “Das wird bei Weitem für die Nato-Anforderungen nicht reichen”, erfuhr Table.Briefings aus Sicherheitskreisen in Brüssel. Die konkreten Anforderungen an die Mitgliedstaaten sollen im November offiziell übermittelt werden.
Nach den bereits 2021 aufgestellten Plänen sollte Deutschland acht Brigaden stellen – eine neunte ist im Aufbau, eine zehnte bis 2031 eingeplant. Auf dem Nato-Gipfel in Vilnius im Sommer 2023 hatten sich die Nato-Staaten auf veränderte Verteidigungspläne – das sogenannte New Force Model (NFM) – geeinigt. Danach hatte der Nato-Oberbefehlshaber, US-General Christopher Cavoli, die MCR ausarbeiten lassen. Diese sehen eine Erhöhung der Kampftruppenbrigaden von 82 auf 131 vor. Für die Bundeswehr, die knapp zehn Prozent der Fähigkeiten für die Nato stellt, ist das eine Herausforderung, die Insider für “nicht machbar” einschätzen. nana/wp
Am Montag hat China ein groß angelegtes Militärmanöver rund um Taiwan abgehalten. Laut dem chinesischen Staatsfernsehen umfasste das Manöver Übungen zur Blockade der Insel und zur schnellen Überwältigung der taiwanischen Streitkräfte.
Kampfflugzeuge, die mit scharfen Raketen ausgestattet waren, probten den Angriff auf taiwanische Häfen und Militäreinrichtungen. Zwischen 5 Uhr und 16:30 Uhr zählte Taiwans Verteidigungsministerium 125 chinesische Flugzeuge in der Nähe der Insel, 90 davon überquerten die Medianlinie der Taiwanstraße und drangen in die Luftabwehridentifikationszone (ADIZ) der Insel ein – ein neuer Rekord. Vier Schiffsverbände der chinesischen Küstenwache umrundeten außerdem erstmals die Hauptinsel Taiwan. Für Analysten eine bedeutende strategische Weiterentwicklung.
Gegen 18 Uhr Ortszeit erklärte China das Manöver überraschend für beendet. Das chinesische Verteidigungsministerium betonte allerdings, dass weitere folgen könnten. “Die Aktionen der Volksbefreiungsarmee werden weiter vorangetrieben, bis das Taiwan-Problem vollständig gelöst ist”, hieß es in einer Erklärung des Ministeriums.
Das taiwanische Präsidialamt betonte, dass China die Realität der Existenz der Republik China (Taiwan) anerkennen und die Entscheidung der taiwanischen Bevölkerung für einen demokratischen und freien Lebensstil respektieren solle. Präsident Lai habe bereits am Morgen ein Treffen des Nationalen Sicherheitsrates einberufen, um die Lage zu bewerten.
Der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, drückte die ernste Besorgnis der USA über die chinesischen Militärübungen in der Taiwanstraße aus. Die USA riefen China dazu auf, Zurückhaltung zu üben und Maßnahmen zu vermeiden, die den Frieden und die Stabilität in der Region weiter gefährden könnten.
In einem Statement betonte die EU, dass Frieden und Stabilität in der Region von strategischer Bedeutung für die regionale und globale Sicherheit seien. Zudem habe die EU ein direktes Interesse an der Wahrung des Status quo in der Taiwanstraße und lehne jede einseitige Änderung durch Gewalt oder Zwang ab. Sie rief alle Parteien dazu auf, Zurückhaltung zu üben und jegliche Eskalation zu vermeiden. Die ganze Analyse zum Manöver lesen Sie im China.Table. fpe
Internationale Politik: Wider die Selbstgefälligkeit. Die Unterstützer der Ukraine haben es versäumt zu erklären, wie sie den Frieden durch Stärkung der Ukraine im Kampf gegen Russland erreichen wollen. Dieses Vakuum nutzen Populisten wie die AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht, während gleichzeitig die Unterstützung der Ukraine in der Bevölkerung schwindet.
Foreign Policy: Iran’s Israel Strategy Has Already Changed. Der seit Jahrzehnten anhaltende Krieg zwischen dem Iran und Israel hat in den vergangenen Monaten seinen Charakter grundlegend verändert. Besorgniserregend dabei ist, dass der Iran seinen Einfluss auf die arabische Straße ausweiten konnte. Der Nahe Osten wird wieder ins Zentrum der strategischen Überlegungen der USA rücken.
Le Monde: Ukrainian drones provide support for northern Mali’s rebels. Seit diesem Sommer setzen Kämpfer in Mali Drohnen gegen die malische Armee und ihre russischen Wagner-Hilfstruppen ein. Sie profitieren dabei von diskreter, aber entschlossener Unterstützung aus Kiew. Anfang Oktober warfen kleine Drohnen Sprengladungen auf das Armeelager in Goundam in der Region Timbuktu, wo die Wagner-Truppen stationiert sind. Mindestens neun Söldner der russischen Gruppe sollen getötet worden sein.
Wall Street Journal: Why Lasers Could be Kryptonite for Drones. Nach Jahrzehnten kostspieliger und problematischer Entwicklung setzen immer mehr Länder Laser für militärische Zwecke ein. Aufgrund ihres hohen Energiebedarfs, ihrer begrenzten Reichweite und ihrer Probleme bei schlechtem Wetter dürfte die Rolle der Laser in absehbarer Zukunft begrenzt bleiben. Doch Militärs sagen, die neuen Waffen könnten sich als effektives Mittel zum Abschießen von Drohnen erweisen.
New York Times: What International Law Says About Israel’s Invasion of Lebanon. Die Frage, ob sich Israel, das sich auf dem Territorium des Libanons gegen Angriffe der Hisbollah wehrt, im Rahmen des Völkerrechts bewegt, ist schwer zu beantworten. Entscheidend ist, ob die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt, was nicht eindeutig zu beantworten ist. Experten meinen jedoch, dass Israel ein größeres Recht hat, im Libanon gegen die islamischen Terroristen zu kämpfen, als der Westen vor zehn Jahren gegen den IS in Syrien und im Irak.
Die Verteidigungsminister treffen sich am 17. und 18. Oktober in Brüssel. Wie immer lädt der deutsche Nato-Botschafter Geza von Geyr vorab zum Hintergrundgespräch in seine Botschafterresidenz direkt am großen Bois de la Cambre in Brüssel ein.
Seit 2023 ist der 62-jährige Deutschlands ständiger Vertreter bei der Nato und damit das Sprachrohr der Ampel-Regierung im mittlerweile 32-Mitglieder starken Bündnis. Von Geyr führt die deutschen Verhandlungen in Vorbereitung auf die Treffen der Staats- und Regierungschefs und formuliert gemeinsam mit seinen Counterparts im Bündnis Gipfelerklärungen vor, die dann von der politischen Ebene oft nur noch abgesegnet werden.
Er lädt gerne Journalisten in die Botschafterresidenz ein, nimmt sich – im Gegensatz zu seinem Vorgänger Rüdiger König – Zeit für Fragen und Small Talk, und doch wissen alle: Wirklich brisante Informationen werden hier nicht ausgeplaudert. Wie kaum ein anderer kennt er die Pläne, die Schwächen, Streitpunkte und Probleme im Bündnis – darüber sprechen will er trotzdem wenig.
Den Nato-Gipfel in Washington verbuchte er als eindeutigen Erfolg und betonte im Gespräch mit Table.Briefings am Rande des Treffens im Juli, dass der Beschluss, die Unterstützung für die Ukraine in diesem “hohen Maße” zu halten und fortzusetzen, ein “sehr starkes Signal der Verlässlichkeit nicht nur an die Ukraine, sondern auch an den russischen Aggressor” sendet. Die “Zeitenwende der Allianz” würde in Moskau “Eindruck” machen.
Von den Alleingängen des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, den Sorgen um die zukünftige US-amerikanische Führungsrolle und den Unmut der Ukrainer hinter den Kulissen, dass nach wie vor keine konkrete Einladung in das Bündnis ausgesprochen wurde, ist weniger die Rede.
Drei Monate nach diesem Jubiläumsgipfel geht es nun um die Umsetzung der Ergebnisse des Gipfels, den von Geyr als “Zwischenetappe” bezeichnete. Die Fähigkeitslücken treten immer deutlicher zutage. Beim Treffen der Verteidigungsminister jetzt im Oktober wird es darum gehen, “die große Aufgabe der Allianz, ihre militärische Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit, mit Tempo voranzubringen”, sagte der deutsche Nato-Botschafter zu Table.Briefings. Dabei nutzt der Spitzendiplomat die Gelegenheit, die wachsende deutsche Verantwortung hervorzuheben. Es gehe auch um die “weitere, fokussierte und effiziente” Unterstützung der Ukraine, das Nato-Kommando in Wiesbaden (NSATU) spiele hier eine besondere Rolle.
Auch auf dem Papier erfüllt der gebürtige Münchner jedes Kriterium für seine Rolle als deutsche Stimme bei der Nato. Aus seiner Zeit als Referent für Außenbeziehungen bei der Europäischen Kommission kennt er die multilaterale Arbeit und die Mechanismen der europäischen Hauptstadt. Sicherheitspolitische Erfahrung sammelte er seit dem Start seiner diplomatischen Laufbahn im Jahr 1991 ausreichend: Als Politischer Direktor des Bundesverteidigungsministeriums hat er die deutsche Verteidigungspolitik von 2014 bis Sommer 2019 mitbestimmt, bevor er schließlich als Botschafter nach Moskau entsandt wurde. Vor allem mit Blick auf seine Jahre in Russland dürfte seine Stimme in Brüssel ernst genommen werden.
Dass die Fähigkeitslücken groß sind und die Herausforderungen ebenso, darüber spricht auch von Geyr. Es komme darauf an, “stark, nachhaltig und konsequent in unsere Streitkräfte zu investieren und in alle Bereiche, die mit Sicherheit zu tun haben”. Und zwar, ergänzt er: bei allen Alliierten, “auch bei uns”.
Auf den Gipfeln selbst ist er ein Beobachter von der Seitenlinie, die finalen Entscheidungen liegen nicht mehr in seiner Hand, wenn die Verteidigungsminister Boris Pistorius, Sébastien Lecornu und Lloyd Austin am kommenden Donnerstag an einem Tisch sitzen. Seine Arbeit beginnt dann wieder, wenn der Gipfel endet. Wilhelmine Preußen
Olaf Scholz gab gestern den Tempomacher. “Ich hoffe, dass es nicht noch einmal zehn Jahre braucht, bis alle sechs Staaten endlich zu EU-Mitgliedern geworden sind”, sagte er beim Westbalkangipfel im Kanzleramt. Ob sie das allerdings schaffen, bezweifeln Experten – schließlich sind schon zwei Jahrzehnte ins Land gegangen, seitdem die EU 2003 Albanien, Serbien, Bosnien-Herzegowina, dem Kosovo, Montenegro und Nordmazedonien die Mitgliedschaft in Aussicht stellte. Nicht nur in den Exkriegshauptstädten Pristina und Sarajevo wächst daher die Sorge, dass die Ukraine auf die Überholspur genommen wird – ein Vierteljahrhundert nach Ende der Kriege in Kosovo und Bosnien.
Immer noch erschwerten Konflikte der Vergangenheit die Zusammenarbeit heute, sagte Scholz vor den versammelten Staats- und Regierungschefs. Das gilt in Europa für die Staaten des früheren Jugoslawiens – und in Ostafrika für den Sudan. Dort haben sich die einstigen Bündnispartner, Armeechef Abdel Fatah al-Burhan und der Chef der paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF), Mohammed Hamdan Dagalo alias Hemedti, so entzweit, dass anderthalb Jahre nach Kriegsbeginn im April 2023 Millionen Sudanesen an Hunger leiden. Gabriel Bub und David Renk haben mit der Sudan-Expertin Jawhratelkmal Kanu vom United States Institute for Peace über die Rolle gesprochen, die die Zivilgesellschaft zur Beendigung des Konflikts spielen könnte.
Im Sudan haben sich laut lokalen Medienberichten die Kämpfe zwischen sudanesischer Armee (SAF) und Rapid Support Forces (RSF) intensiviert. Demnach fokussierten sich die Kämpfe zuletzt auf die sudanesische Hauptstadt Khartum. Ende September hatte die von Ex-Machthaber General Abdel Fattah Abdelrahman Burhan geführte SAF eine Offensive gestartet, um die Stadt von den RSF zurückzuerobern. Auch in anderen Landesteilen tobt der Krieg zwischen den beiden Militärblöcken weiter – besonders in den fünf Darfur-Provinzen im Westen des Landes, die als Hochburgen der paramilitärischen RSF gelten, die von Burhans Ex-Verbündetem, Mohammed Hamdan Daglo alias Hemeti, geführt werden.
Im August scheiterten Vermittlungsgespräche, die die USA in Genf organisiert hatten. Die SAF hatte ihre Teilnahme verweigert – Beobachtern zufolge wenig überraschend, da die USA sich aus einer Logik westlicher Interessen heraus positioniert hatten. Der Sudan-Konflikt kann allerdings nicht ohne die verschiedenen Interessen der Regionalmächte betrachtet werden. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die in den Konflikt involvierten Staaten wie die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten, Saudi-Arabien, Iran, die Türkei, aber auch Russland ihre Unterstützung für eine der beiden Gruppen kurzfristig einstellen werden.
International müsste der Druck auf die Konfliktparteien zunehmen, fordert SPD-Außenpolitikerin Derya Türk-Nachbaur im Gespräch mit Table.Briefings: “Die großen Mächte müssen geschlossen auftreten und die Differenzen im UN-Sicherheitsrat beilegen. Gezielte Sanktionen gegen die Konfliktparteien müssen verhängt werden.”
Mit Russland Kompromisse zu schließen, ist derzeit allerdings schwierig. Schließlich pflegt Präsident Wladimir Putin gute Beziehungen zur SAF. Diese soll mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow im Juni den Bau einer russischen Militärbasis am Roten Meer vereinbart haben. Im Gegenzug dürfte die SAF auf russische Waffenlieferungen setzen.
Gewicht im Sudan hätten Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. “Ich wünsche mir, dass sie das wirklich einsetzen”, sagt Türk-Nachbaur. Von deutscher Seite sei eine starke Unterstützung für regionale Organisationen wie die Afrikanische Union oder die Intergovernmental Authority on Development (IGAD), der neben dem Sudan sieben weitere nordostafrikanische Länder angehören, entscheidend, “um eine glaubwürdige Vermittlung auch zu unterstützen”, so Türk-Nachbaur.
Mangelnde Bereitschaft der kriegsführenden Generäle zu Verhandlungen sieht auch Jawhratelkmal Kanu, Sudan-Expertin am United States Institute for Peace. “Die Zivilbevölkerung wird in den von der RSF kontrollierten Gebieten weiterhin belagert, während die SAF ihre Luftangriffe fortgesetzt hat. Berichten zufolge werden alle Anstrengungen unternommen, um die Kämpfer wiederzubewaffnen und zu mobilisieren, damit sie sich auf eine weitere Runde kostspieliger, brutaler Gewalt vorbereiten können”, schreibt Kanu in einer Analyse für das United States Institute of Peace.
Über elf Millionen Sudanesen sind schätzungsweise auf der Flucht. Die Menschen würden von einem Kampfgebiet ins nächste fliehen, müssten teilweise 3.000 Kilometer zu Fuß zurücklegen, sagt Aida Elsayed, Generalsekretärin des sudanesischen Roten Halbmonds. Medikamente fehlten, Krankheiten brächen aus. Einen Cholera-Ausbruch im vergangenen Jahr hätte man noch kontrollieren können. “Mit den Fluchtbewegungen kann man ihn nicht oder nur kaum mehr kontrollieren”, sagt Elsayed.
In den Flüchtlingslagern sei die Situation instabil, die Menschen erhielten nur unregelmäßig Essen oder Unterstützung in ihrer Basisversorgung. Hygiene und die Versorgung mit Wasser seien nicht ausreichend. Und ein Großteil der Bevölkerung ist traumatisiert. “Die Bilder, die Kinder malen, sind schrecklich. Sie zeigen viel Blut und tote Körper”, sagt Elsayed. Auch Krisen in Nachbarländern sorgen für Destabilisierung. Sudanesen, die nach Äthiopien geflohen sind, kämen wieder zurück ins Land, weil Äthiopien keine Aufnahmekapazitäten mehr habe. “Sie erzählen schreckliche Geschichten über ihre Fluchterlebnisse.”
Weil Bauern vertrieben werden, können sie ihre Äcker nicht mehr bewirtschaften. “Die Hungersnot ist alarmierend”, berichtet Elsayed weiter. Hilfslieferungen kämen nicht immer durch, weil der Regen Straßen überschwemme oder weil Kämpfe ausbrächen. Andere Hilfskonvois seien überfallen worden. Frauen werden gezielt angegriffen. Einige seien als Sklavinnen in afrikanische Nachbarländer verkauft worden. Tausende würden vergewaltigt.
Elsayed hat Zweifel, dass ein sofortiger Friedensschluss zwischen RSF und SAF die Konflikte sofort beenden würde. Weil verlassene Häuser nun von anderen bewohnt würden, könnten viele Sudanesen nicht in ihre Häuser zurückkehren. Auch das erschwert eine Rückkehr zu Frieden im Land.
Steht Israel strategisch besser da als vor dem Terrorüberfall der Hamas vor einem Jahr?
Das vergangene Jahr war für Israel wichtig, um sich auf den großen Krieg vorzubereiten. Der Krieg in Gaza war im militärischen Sinne ein kleiner Krieg, der ja auch geografisch sehr begrenzt war. Trotz der Brutalität und des Blutvergießens am 7. Oktober hat es die Armee nicht vor sehr hohe Herausforderungen gestellt, dort zu kämpfen. Das hat ihr ein Jahr Zeit gegeben, die Munitions- und Waffendepots für den großen Krieg gegen Iran und die Hisbollah aufzustocken. Viele junge Soldaten, die noch vor einem Jahr über keine Erfahrung verfügten, sind jetzt sehr kampferprobt.
Der Krieg in Gaza dauert länger als alle Kriege, die Israel seit 1948 geführt hat. Wie lange wird der Krieg im Libanon dauern?
Keine Ahnung, wirklich nicht. Das kann in Tagen, Wochen oder Monate bemessen sein. Aber ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, dass es zu einer diplomatischen Lösung kommen kann, auch sehr kurzfristig. Schließlich sind die Bedingungen, unter denen Iran den Krieg führt, nicht gerade günstig – wer soll seitens der Hisbollah denn noch strategische Entscheidungen treffen, jetzt, wo sie ihre ganze Führung verloren hat?
Drei Jahre vor dem Terrorüberfall der Hamas schloss Israel die sogenannten Abraham-Abkommen mit Bahrein und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Hat dieses Bündnis Israel geholfen?
Es gibt nur zwei ausländische Airlines, die das ganze letzte Jahr über nach Israel flogen – die der Vereinigten Arabischen Emirate, mit manchmal fünf oder sechs Flügen am Tag. Das ist ein klares politisches Zeichen: Wir setzen weiter auf diesen Kurs der Normalisierung mit Israel. Deshalb sind die Abraham-Abkommen ein sehr wichtiger Teil der israelischen Außenpolitik.
Wird sich Saudi-Arabien den Abkommen anschließen?
Da bin ich sehr optimistisch – schließlich ist es der Hamas nicht gelungen, den politischen Prozess der Annäherung zwischen den Golfstaaten und Israel durch ihren Terrorangriff zu stoppen. Im Gegenteil, die Saudis haben jetzt vielleicht noch mehr Angst als vor einem Jahr: Sie sehen, wozu das Regime in Teheran in der Lage ist, und die daraus entstehende politische Notwendigkeit, die Annäherung mit Israel hinter den Kulissen weiter zu verstärken.
Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed Bin Salman verlangt für eine Anerkennung Israels die Umsetzung der Zweistaatenlösung.
Ich finde eine solche Festlegung zum jetzigen Zeitpunkt schwierig, auch wenn ich glaube, dass man daran grundsätzlich festhalten muss. Allerdings muss auch die Frage erlaubt sein, von welchen zwei Staaten wir reden, bislang waren es ja eher drei.
Sie meinen neben Israel das Westjordanland und Gaza?
Ja, genau. Im Westjordanland hat die von der Fatah dominierte Palästinensische Autonomiebehörde das Sagen, in Gaza die Hamas. Deshalb wäre es zu früh, hier auf eine politische Lösung zu drängen.
Lässt sich ein Waffenstillstand zwischen den Israel Defense Forces (IDF) und der Hamas in Gaza ohne internationale Friedenstruppen überhaupt durchsetzen?
Zuerst müsste eine internationale Friedenskonferenz stattfinden, die zu organisieren Aufgabe von EU und UN wäre. Ich bin sehr enttäuscht, dass es dazu bislang keine Initiativen gegeben hat, auch wenn ich natürlich verstehen kann, dass nicht viele Politiker es riskieren wollen, weil die Chancen auf Erfolg eher gering sind. Dass es an internationalen Initiativen fehlt, diesen Konflikt multilateral zu moderieren, ist dennoch ein Armutszeugnis für die Diplomatie.
Liegt das an der Schwäche der USA?
Das hat nichts mit den USA zu tun, sondern mit den Europäern.
Die spielen doch seit zwanzig Jahren politisch keine Rolle mehr in Nahost.
Das sehe ich anders. Die EU ist der größte Geldgeber der Palästinensischen Autonomiebehörde – und der Hamas. Warum sie ihrer politischen Verantwortung nicht gerecht wird, kann ich mir nicht erklären – schließlich sind sie die einzigen, die internationale Friedensbemühungen anführen könnten, die USA sind dazu zu sehr mit sich selbst beschäftigt.
Welche Rolle könnten die Vereinten Arabischen Emirate spielen?
Eine wichtige, aber sie werden eine Friedenskonferenz nicht leiten, sondern bestenfalls teilnehmen. Es liegt an der EU, die erste Schritt zu machen.
Im Zuge des Libanon-Kriegs 1982 musste Verteidigungsminister Ariel Scharon sein Amt aufgeben, auch Premierminister Menachem Begin trat 1983 zurück. Könnte der neuerliche Einmarsch im Libanon das Ende der Regierung Benjamin Netanjahus einleiten?
Ich glaube, dass es viel zu früh ist, um diese Frage zu beantworten. Ich erinnere mich gut an das Jahr 1982, ich war damals 16 Jahre alt, und zunächst sah es wie eine sehr kurze militärische Operation aus. Dass diese Dinge eine eigene Dynamik entwickeln, sehen wir jetzt ja auch in Gaza. Wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass der Krieg so lange dauern würde? Das heißt aber nicht, dass es zu spät für Diplomatie ist; dafür ist es nie zu spät.
Wäre das mit Blick auf den Libanon aus Ihrer Sicht die Umsetzung von UN-Resolution 1701 von 2006, die die Entwaffnung der Hisbollah und ihren Rückzug nördlich des Litani vorsieht?
Jede Resolution gilt so lange, bis die nächste Resolution kommt – oder es kommt der nächste Krieg. Es ist nicht zu spät für eine neue Resolution, eine neue Initiative. Aber die kann nur aus Europa kommen, Washington wird das nicht übernehmen.
Der Politologe Shlomo Shpiro hat den Paterson-Lehrstuhl für Sicherheit und Nachrichtendienste an der Bar-Ilan-Universität in Israel inne. Nach dem Kosovo-Krieg leitete er ein Projekt zur Verbesserung der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit zwischen der Nato und den Mittelmeerländern. Von 2009 bis 2012 war er Koordinator von Safe-Comms, das die EU-Strategie für Krisenkommunikation bei Terrorismus entwickelte.
Israels Streitkräfte hätten im Libanon mit dem Beschuss von Positionen der UN-Friedenstruppe (Unifil) eine gefährliche weitere rote Linie überschritten, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nach dem Treffen der EU-Außenminister in Brüssel. Die Minister hätten ihre volle Unterstützung für die Uno-Mission ausgesprochen, und niemand sei für einen Abzug der Blauhelme, wie es von Israel gefordert werde.
Die Mitgliedstaaten tun sich sonst schwer mit gemeinsamen Erklärungen zum Nahostkonflikt, doch diesmal klappte es, wenn auch mit Verzögerung. So hatte Tschechien eine Erklärung Ende vergangener Woche noch blockiert. Der Angriff gegen Unifil, bei dem mehrere Blauhelmsoldaten verletzt wurden, stelle einen schweren Verstoß gegen internationales Recht dar und sei “völlig inakzeptabel”, heißt es in der Erklärung. Diese Angriffe müssten sofort aufhören. Nicht auf der Agenda des Treffens war die Forderung einzelner Mitgliedstaaten nach einem Waffenembargo gegen Israel.
Beschlossen wurden hingegen neue Sanktionen gegen den Iran wegen der Lieferung ballistischer Raketen an Russland. Laut US-Angaben geht es um Kurzstreckenraketen vom Typ Fath-360 mit einer Reichweite von etwa 120 Kilometern. Die Sanktionen treffen unter anderem die Fluggesellschaft Iran Air, weil sie an der Lieferung von Waffen und Technologie beteiligt sein soll.
Die Airline, die als einzige noch direkte Linienflüge etwa von Frankfurt, Hamburg oder Wien anbot, darf in der EU künftig keine Tickets mehr verkaufen. Neu gelistet werden insgesamt je sieben Personen und Entitäten. Darunter ein Forschungszentrum sowie unter anderem Verantwortliche der Luft- und Raumfahrtindustrie. Es gebe ganz klare Belege dafür, dass der Iran ballistische Raketen geliefert habe, sagte Europa-Staatssekretärin Anna Lührmann. Sie vertrat Außenministerin Annalena Baerbock, die wegen eines privaten Termins nicht anreisen konnte.
Auf der Agenda stand auch ein Vorschlag von Josep Borrell, wie die Blockade Ungarns bei der Friedensfazilität umgangen werden könnte: “Wir sind fast am Ziel”, sagte der EU-Chefdiplomat nach den Beratungen. Die Idee: Beiträge der Mitgliedstaaten für die Friedensfazilität wären nicht mehr obligatorisch, sondern würden formell für freiwillig erklärt. Ungarn müsste also nicht zahlen, könnte aber das gemeinsame Instrument zur Unterstützung der Ukraine auch nicht länger blockieren.
Borrell sagte, er glaube nicht, dass neben Ungarn auch andere Mitgliedstaaten nicht zahlen würden, sollten die Beiträge freiwillig sein. Dem Außenminister der Ukraine habe er versprochen, vor Ende seiner Amtszeit nach Kiew zu kommen – aber erst, wenn die Blockade der Friedensfazilität überwunden sei. sti
Der Streit um deutsche Rüstungsexporte an Israel geht weiter. “Die Gefahr bleibt bestehen, dass mit deutschen Waffen in Gaza Völkerrecht gebrochen wird”, sagte Andreas Schüller vom European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) zu Table.Briefings. Um zu verhindern, dass das weiter geschehe, habe das ECCHR am Freitag vor dem Berliner Verwaltungsgericht Widerspruch gegen etwaige Ausfuhrgenehmigungen eingelegt.
De facto hat der geheim tagende Bundessicherheitsrat seit dem Frühjahr keine Waffenlieferungen mehr an Israel genehmigt. Die Gesamtexporte beliefen sich bis Ende September auf 15,5 Millionen Euro; 2023 lieferte Deutschland noch Rüstungsgüter im Wert von 326,5 Millionen Euro an Israel. Dennoch hatte Bundeskanzler Olaf Scholz den Vorwurf von Oppositionsführer Friedrich Merz, einen Rüstungsexportstopp verhängt zu haben, vergangene Woche im Bundestag mit den Worten zurückgewiesen, “wir haben Waffen geliefert, und wir werden Waffen liefern”. Die Bundesregierung habe Entscheidungen getroffen, die “sicherstellen, dass es demnächst weitere Lieferungen geben wird”, so Scholz.
Die Bild machte am Montag in einem Bericht die von den Grünen Annalena Baerbock und Robert Habeck geführten Ministerien für Wirtschaft und Klimaschutz sowie Auswärtiges dafür verantwortlich, dass Deutschland keine Waffen an Israel mehr liefere. AA-Sprecher Sebastian Fischer wies den Vorwurf am Montag in der Regierungspressekonferenz als “Räuberpistole” zurück: “Es hat zu keinem Zeitpunkt einen Rüstungsexportstopp nach Israel gegeben.”
Die Bundesregierung musste zuletzt sowohl vor dem Verwaltungsgericht Berlin wie vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag Auskünfte über ihre Rüstungsexportpolitik gegenüber Israel erteilen. Nicaragua wirft Deutschland vor, durch die militärische Unterstützung Beihilfe zum Völkermord an der Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu leisten. “Es geht nicht nur um Völkermord, sondern auch um Kriegsverbrechen”, so Schüller vom ECCHR. Die Bundesregierung versuche sich hier “im magischen Sprechen nach dem Motto: Weil nicht sein kann, was nicht sein darf.” mrb
Weder bei der Nato in Brüssel noch im Verteidigungsausschuss in Berlin hält man die Umsetzung der in der vergangenen Woche bekannt gewordenen Minimum Capability Requirements (MCR) des Bündnisses durch Deutschland für machbar. Die Bundesregierung müsse die Frage beantworten, inwiefern die bisher geplanten Investitionen “richtig priorisiert” seien, forderte der CDU-Verteidigungspolitiker Florian Hahn gegenüber Table. Briefings. “Die Nato-Pläne zeigen, dass vor allem eine Stärkung der Landstreitkräfte und Investitionen in die Luftverteidigung nötig sind”, so Hahn.
Die Tageszeitung Welt hatte vergangene Woche aus geheimen Plänen der Nato berichtet, die den Aufbau von fünf oder sechs weiteren Kampfbrigaden bis 2031 vorsehen. Allein zwei Brigaden würden einen Mehrbedarf von circa 10.000 Soldaten und Soldatinnen bedeuten. Mitte 2024 dienten rund 184.000 in der Bundeswehr, die Zahl soll bis 2031 auf 203.000 erhöht werden. “Das wird bei Weitem für die Nato-Anforderungen nicht reichen”, erfuhr Table.Briefings aus Sicherheitskreisen in Brüssel. Die konkreten Anforderungen an die Mitgliedstaaten sollen im November offiziell übermittelt werden.
Nach den bereits 2021 aufgestellten Plänen sollte Deutschland acht Brigaden stellen – eine neunte ist im Aufbau, eine zehnte bis 2031 eingeplant. Auf dem Nato-Gipfel in Vilnius im Sommer 2023 hatten sich die Nato-Staaten auf veränderte Verteidigungspläne – das sogenannte New Force Model (NFM) – geeinigt. Danach hatte der Nato-Oberbefehlshaber, US-General Christopher Cavoli, die MCR ausarbeiten lassen. Diese sehen eine Erhöhung der Kampftruppenbrigaden von 82 auf 131 vor. Für die Bundeswehr, die knapp zehn Prozent der Fähigkeiten für die Nato stellt, ist das eine Herausforderung, die Insider für “nicht machbar” einschätzen. nana/wp
Am Montag hat China ein groß angelegtes Militärmanöver rund um Taiwan abgehalten. Laut dem chinesischen Staatsfernsehen umfasste das Manöver Übungen zur Blockade der Insel und zur schnellen Überwältigung der taiwanischen Streitkräfte.
Kampfflugzeuge, die mit scharfen Raketen ausgestattet waren, probten den Angriff auf taiwanische Häfen und Militäreinrichtungen. Zwischen 5 Uhr und 16:30 Uhr zählte Taiwans Verteidigungsministerium 125 chinesische Flugzeuge in der Nähe der Insel, 90 davon überquerten die Medianlinie der Taiwanstraße und drangen in die Luftabwehridentifikationszone (ADIZ) der Insel ein – ein neuer Rekord. Vier Schiffsverbände der chinesischen Küstenwache umrundeten außerdem erstmals die Hauptinsel Taiwan. Für Analysten eine bedeutende strategische Weiterentwicklung.
Gegen 18 Uhr Ortszeit erklärte China das Manöver überraschend für beendet. Das chinesische Verteidigungsministerium betonte allerdings, dass weitere folgen könnten. “Die Aktionen der Volksbefreiungsarmee werden weiter vorangetrieben, bis das Taiwan-Problem vollständig gelöst ist”, hieß es in einer Erklärung des Ministeriums.
Das taiwanische Präsidialamt betonte, dass China die Realität der Existenz der Republik China (Taiwan) anerkennen und die Entscheidung der taiwanischen Bevölkerung für einen demokratischen und freien Lebensstil respektieren solle. Präsident Lai habe bereits am Morgen ein Treffen des Nationalen Sicherheitsrates einberufen, um die Lage zu bewerten.
Der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, drückte die ernste Besorgnis der USA über die chinesischen Militärübungen in der Taiwanstraße aus. Die USA riefen China dazu auf, Zurückhaltung zu üben und Maßnahmen zu vermeiden, die den Frieden und die Stabilität in der Region weiter gefährden könnten.
In einem Statement betonte die EU, dass Frieden und Stabilität in der Region von strategischer Bedeutung für die regionale und globale Sicherheit seien. Zudem habe die EU ein direktes Interesse an der Wahrung des Status quo in der Taiwanstraße und lehne jede einseitige Änderung durch Gewalt oder Zwang ab. Sie rief alle Parteien dazu auf, Zurückhaltung zu üben und jegliche Eskalation zu vermeiden. Die ganze Analyse zum Manöver lesen Sie im China.Table. fpe
Internationale Politik: Wider die Selbstgefälligkeit. Die Unterstützer der Ukraine haben es versäumt zu erklären, wie sie den Frieden durch Stärkung der Ukraine im Kampf gegen Russland erreichen wollen. Dieses Vakuum nutzen Populisten wie die AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht, während gleichzeitig die Unterstützung der Ukraine in der Bevölkerung schwindet.
Foreign Policy: Iran’s Israel Strategy Has Already Changed. Der seit Jahrzehnten anhaltende Krieg zwischen dem Iran und Israel hat in den vergangenen Monaten seinen Charakter grundlegend verändert. Besorgniserregend dabei ist, dass der Iran seinen Einfluss auf die arabische Straße ausweiten konnte. Der Nahe Osten wird wieder ins Zentrum der strategischen Überlegungen der USA rücken.
Le Monde: Ukrainian drones provide support for northern Mali’s rebels. Seit diesem Sommer setzen Kämpfer in Mali Drohnen gegen die malische Armee und ihre russischen Wagner-Hilfstruppen ein. Sie profitieren dabei von diskreter, aber entschlossener Unterstützung aus Kiew. Anfang Oktober warfen kleine Drohnen Sprengladungen auf das Armeelager in Goundam in der Region Timbuktu, wo die Wagner-Truppen stationiert sind. Mindestens neun Söldner der russischen Gruppe sollen getötet worden sein.
Wall Street Journal: Why Lasers Could be Kryptonite for Drones. Nach Jahrzehnten kostspieliger und problematischer Entwicklung setzen immer mehr Länder Laser für militärische Zwecke ein. Aufgrund ihres hohen Energiebedarfs, ihrer begrenzten Reichweite und ihrer Probleme bei schlechtem Wetter dürfte die Rolle der Laser in absehbarer Zukunft begrenzt bleiben. Doch Militärs sagen, die neuen Waffen könnten sich als effektives Mittel zum Abschießen von Drohnen erweisen.
New York Times: What International Law Says About Israel’s Invasion of Lebanon. Die Frage, ob sich Israel, das sich auf dem Territorium des Libanons gegen Angriffe der Hisbollah wehrt, im Rahmen des Völkerrechts bewegt, ist schwer zu beantworten. Entscheidend ist, ob die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt, was nicht eindeutig zu beantworten ist. Experten meinen jedoch, dass Israel ein größeres Recht hat, im Libanon gegen die islamischen Terroristen zu kämpfen, als der Westen vor zehn Jahren gegen den IS in Syrien und im Irak.
Die Verteidigungsminister treffen sich am 17. und 18. Oktober in Brüssel. Wie immer lädt der deutsche Nato-Botschafter Geza von Geyr vorab zum Hintergrundgespräch in seine Botschafterresidenz direkt am großen Bois de la Cambre in Brüssel ein.
Seit 2023 ist der 62-jährige Deutschlands ständiger Vertreter bei der Nato und damit das Sprachrohr der Ampel-Regierung im mittlerweile 32-Mitglieder starken Bündnis. Von Geyr führt die deutschen Verhandlungen in Vorbereitung auf die Treffen der Staats- und Regierungschefs und formuliert gemeinsam mit seinen Counterparts im Bündnis Gipfelerklärungen vor, die dann von der politischen Ebene oft nur noch abgesegnet werden.
Er lädt gerne Journalisten in die Botschafterresidenz ein, nimmt sich – im Gegensatz zu seinem Vorgänger Rüdiger König – Zeit für Fragen und Small Talk, und doch wissen alle: Wirklich brisante Informationen werden hier nicht ausgeplaudert. Wie kaum ein anderer kennt er die Pläne, die Schwächen, Streitpunkte und Probleme im Bündnis – darüber sprechen will er trotzdem wenig.
Den Nato-Gipfel in Washington verbuchte er als eindeutigen Erfolg und betonte im Gespräch mit Table.Briefings am Rande des Treffens im Juli, dass der Beschluss, die Unterstützung für die Ukraine in diesem “hohen Maße” zu halten und fortzusetzen, ein “sehr starkes Signal der Verlässlichkeit nicht nur an die Ukraine, sondern auch an den russischen Aggressor” sendet. Die “Zeitenwende der Allianz” würde in Moskau “Eindruck” machen.
Von den Alleingängen des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, den Sorgen um die zukünftige US-amerikanische Führungsrolle und den Unmut der Ukrainer hinter den Kulissen, dass nach wie vor keine konkrete Einladung in das Bündnis ausgesprochen wurde, ist weniger die Rede.
Drei Monate nach diesem Jubiläumsgipfel geht es nun um die Umsetzung der Ergebnisse des Gipfels, den von Geyr als “Zwischenetappe” bezeichnete. Die Fähigkeitslücken treten immer deutlicher zutage. Beim Treffen der Verteidigungsminister jetzt im Oktober wird es darum gehen, “die große Aufgabe der Allianz, ihre militärische Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit, mit Tempo voranzubringen”, sagte der deutsche Nato-Botschafter zu Table.Briefings. Dabei nutzt der Spitzendiplomat die Gelegenheit, die wachsende deutsche Verantwortung hervorzuheben. Es gehe auch um die “weitere, fokussierte und effiziente” Unterstützung der Ukraine, das Nato-Kommando in Wiesbaden (NSATU) spiele hier eine besondere Rolle.
Auch auf dem Papier erfüllt der gebürtige Münchner jedes Kriterium für seine Rolle als deutsche Stimme bei der Nato. Aus seiner Zeit als Referent für Außenbeziehungen bei der Europäischen Kommission kennt er die multilaterale Arbeit und die Mechanismen der europäischen Hauptstadt. Sicherheitspolitische Erfahrung sammelte er seit dem Start seiner diplomatischen Laufbahn im Jahr 1991 ausreichend: Als Politischer Direktor des Bundesverteidigungsministeriums hat er die deutsche Verteidigungspolitik von 2014 bis Sommer 2019 mitbestimmt, bevor er schließlich als Botschafter nach Moskau entsandt wurde. Vor allem mit Blick auf seine Jahre in Russland dürfte seine Stimme in Brüssel ernst genommen werden.
Dass die Fähigkeitslücken groß sind und die Herausforderungen ebenso, darüber spricht auch von Geyr. Es komme darauf an, “stark, nachhaltig und konsequent in unsere Streitkräfte zu investieren und in alle Bereiche, die mit Sicherheit zu tun haben”. Und zwar, ergänzt er: bei allen Alliierten, “auch bei uns”.
Auf den Gipfeln selbst ist er ein Beobachter von der Seitenlinie, die finalen Entscheidungen liegen nicht mehr in seiner Hand, wenn die Verteidigungsminister Boris Pistorius, Sébastien Lecornu und Lloyd Austin am kommenden Donnerstag an einem Tisch sitzen. Seine Arbeit beginnt dann wieder, wenn der Gipfel endet. Wilhelmine Preußen