während Israel seine militärische Offensive in Rafah, der südlichen Stadt in Gaza, fortführt, bröckelt der Rückhalt der arabischen Partner. Markus Bickel erklärt die Hintergründe und wie die Bundesregierung reagiert, die sich wegen ihrer militärischen Unterstützung Israels Klagen vor mehreren Gerichten ausgesetzt sieht.
Viktor Funk beschreibt in seiner Analyse Experten, welche Aufgaben der neue russische Verteidigungsminister Andrej Beloussow übernehmen soll. Es scheint, als spiele die Wirtschaft eine wichtigere Rolle in seinem neuen Job als die militärische Planung.
Russlands Aggression führt auch hierzulande dazu, dass die Politik über eine Stärkung der Rüstungsindustrie diskutiert. So soll die Verteidigung des Landes und der Nato sichergestellt werden. In FDP- wie SPD-Bundestagsfraktionen wird derzeit an entsprechenden Positionspapieren gearbeitet, die diese Sitzungswoche weiter intern abgestimmt werden sollen. Und der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck sprach dazu am Montag bei der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. Gabriel Bub hat zugehört und berichtet, was das für das Rüstungsexportkontrollgesetz bedeutet.
Das militärische Vorgehen Israels in Rafah belastet zunehmend die Beziehungen mit Ägypten. Die Regierung in Kairo machte am Wochenende nicht nur die Regierung Ministerpräsident Benjamin Netanjahus für das vorläufige Scheitern der Verhandlungen zwischen Hamas und Israel verantwortlich, sondern kündigte außerdem an, sich der Klage Südafrikas anzuschließen, das gegen Israel wegen möglichen Genozids Klage vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag eingereicht hat. Die palästinensische Terrororganisation Hamas begrüßte den Schritt: “Wir begrüßen die Ankündigung der arabischen Schwesterrepublik Ägypten, dass sie sich der Klage der Republik Südafrikas anschließen will.”
Ägypten ist das erste arabische Land, das Frieden mit Israel schloss, und gilt als starker Unterstützer auch des militärischen Vorgehens der Israel Defence Forces (IDF) gegen die Hamas. Doch mit dem Einrücken israelischer Streitkräfte in die Grenzanlagen von Rafah vergangene Woche bröckelt nun diese Unterstützung – selbst wenn ein Abbruch der 1979 aufgenommenen diplomatischen Beziehungen zurzeit nicht im Raum stehe, wie Außenminister Samih Shoukry am Wochenende sagte. Das ägyptische Vorgehen vor dem IGH sei aber eine Reaktion auf die Militäroffensive in Rafah, so Shoukry: “Die Ankündigung der Intervention in diesem Fall erfolgt vor dem Hintergrund der Ausweitung des Umfangs und des Ausmaßes der israelischen Verstöße gegen die Zivilbevölkerung in Gaza.”
Südafrika hatte das Gericht in Den Haag vergangene Woche aufgefordert, einen Rückzug der israelischen Armee aus Rafah anzuordnen. Bereits im Januar hatten die Richter die Regierung in Jerusalem aufgefordert, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Sicherstellung der palästinensischen Bevölkerung mit humanitärer Hilfe zu gewährleisten.
Neben Katar und den USA ist Ägypten maßgeblich an den Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas beteiligt, die vergangene Woche vorerst scheiterten. Ein vorläufiger Verhandlungsentwurf sah gegen die Freilassung Dutzender von der Hamas im Oktober 2023 in den Gazastreifen entführter israelischer Geiseln eine zunächst sechswöchige Feuerpause und die Lieferung großer Mengen an Notlieferungen an die mehr als zwei Millionen Bewohner des palästinensischen Gebiets vor.
Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, sieht im ägyptischen Vorgehen daher den Versuch Kairos, “politisch Druck auf Israel auszuüben, weil es bei den Verhandlungen um einen Waffenstillstand und die Freilassung der Geiseln nicht vorangeht”. Gegenüber Table.Briefings sagte er: “Den Anfang vom Ende des Friedensvertrags aber bedeutet das nicht.” Mittelfristig gefährde Netanjahu durch sein Vorgehen jedoch das von ihm selbst ausgegebene Ziel, einen Frieden mit Saudi-Arabien zu schließen. “Die Idee, dass Israel im Dreieck mit den USA und Saudi-Arabien regional Stabilität und Sicherheit schafft, rückt dadurch weiter in die Ferne.”
Das Regime des ägyptischen Machthabers Abdelfattah al-Sisi sieht sich starkem innenpolitischen Druck ausgesetzt, die palästinensische Bevölkerung zu unterstützen. Mit der Einnahme des sogenannten Philadelphia-Korridors zwischen Rafah und der Sinai-Halbinsel verstieß die israelische Armee zudem gegen Vereinbarungen des Camp-David-Abkommens von 1979, das sicherheitspolitische Fragen zwischen Israel und Ägypten genau regelt.
Auch Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU im Bundestag, hält das Vorgehen der ägyptischen Regierung “angesichts des Drucks der Straße” vor allem für innenpolitisch motiviert. Zugleich sende es jedoch ein “Alarmsignal” an Netanjahu, dass er die Geduld der sunnitischen arabischen Staaten nicht zu sehr strapazieren dürfe. Noch sei jedoch nicht der Punkt erreicht, wo diese als Partner Israel wegbrächen.
Die Bundesregierung enthielt sich am Montag einer Bewertung des ägyptischen Vorgehens vor dem IGH. Ziel bleibe es, eine “nachhaltige Friedenslösung” zwischen Israel und den palästinensischen Behörden zu erreichen, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts gegenüber Table.Briefings, weshalb die Bundesregierung weiter eine Zweistaatenlösung unterstütze. Bei der Abstimmung über die Anerkennung Palästinas als eigenständiger Staat in der UN-Generalversammlung hatte Deutschland sich vergangene Woche jedoch enthalten.
Mehr als sieben Monate nach dem Terrorüberfall der Hamas auf Israel rückt eine diplomatische Lösung des Konflikts so immer mehr in die Ferne. Denn nicht nur Ägypten als längster Friedenspartner Israels, auch die Vereinigten Arabischen Emirate, das 2020 diplomatische Beziehungen mit Jerusalem aufnahm, gehen angesichts des militärischen Vorgehens in Rafah auf Distanz zur Regierung in Jerusalem. “Die VAE betonen, dass der israelische Premierminister keine rechtliche Befugnis zu diesem Schritt hat”, schrieb Abdullah Bin Zayed auf der Plattform X, nachdem Netanjahu für die Emirate eine Rolle bei einer Nachkriegsverwaltung zugesprochen hatte. Sein Land lehne es ab, “in einen Plan hineingezogen zu werden, der darauf abzielt, die israelische Präsenz im Gazastreifen zu decken.”
Ein kompetenter Manager, ein hoch qualifizierter Wirtschaftswissenschaftler, Kreml-treu und bisher frei von großen Skandalen – so wird der baldige russische Verteidigungsminister Andrej Beloussow von Russlandexperten beschrieben. “Mit dieser personellen Entscheidung zeigt Putin, dass er Kompetenz sehr hoch gewichtet. Bei Beloussow geht es nicht darum, Machtgleichgewicht zwischen verschiedenen politischen Gruppen herzustellen, sondern dessen Fähigkeiten zu nutzen”, erläutert Alexey Yusupov, Leiter des Russland-Programms der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES).
Beloussow, bisher Vize-Regierungschef, soll auf Vorschlag des russischen Präsidenten Wladimir Putin nach zwölf Jahren Sergej Schoigu ablösen. Schoigu fällt weich. Er wird Sekretär des Nationalen Sicherheitsrats. Er löst wiederum Nikolai Patruschew ab, einen Hardliner und alten Gefährten Putins. Patruschew wird zwar auch weiterhin eine wichtige Rolle spielen, doch welche – das verriet Kreml-Sprecher Dmitri Peskow noch nicht.
Dass ein Technokrat und Wirtschaftsexperte das Verteidigungsministerium übernimmt, weist auf mehrere Punkte hin, sagen Russlandfachleute wie Yusupov, die ehemalige Analystin der russischen Zentralbank, Alekandra Prokopenko, oder Andrej Kolesnikow (Carnegie Endowment for International Peace):
Beloussow ist ein Anhänger eines stark regulierenden Staats und fordert schon lange, dass Russland sich insbesondere in der Hochtechnologie von anderen Staaten unabhängiger machen solle. Nach Februar 2022 forderte er westliche Konzerne auf, weiter in Russland zu investieren, und drohte gar mit Strafen, wenn sie sich zurückzögen. Heute steht Beloussow, der schon die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim unterstützte, auf Sanktionslisten vieler Staaten, sowie der EU.
Mit Beloussow folgt Putin seiner Logik der vergangenen zwei Jahre, wie Kreml-Sprecher Peskow die Nominierung erläuterte: “Heute gewinnt auf dem Schlachtfeld derjenige, der innovativer ist und Neuerungen schneller implementieren kann.” Beloussow soll also gewährleisten, dass Innovationen, Industrie, Nutzung der Innovationen im Militär sowie gesamtgesellschaftliche wirtschaftliche Entwicklung besser verzahnt werden – und zwar unter dem Primat des Kriegs. Wie im vergangenen Jahr soll die Rüstungsbranche dem Land auch gute Wirtschaftszahlen bescheren – nicht zuletzt, weil diese Branche auf lukrative Kooperationen im Ausland setzt.
Und dann vertraut Putin Beloussow noch aus einem weiteren Grund die neue Aufgabe an: Es geht um sehr viel Geld. Nach Peskows Darstellung mache das Budget des Verteidigungsministeriums sowie anderer Sicherheitsbehörden rund 6,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Dieser Umfang sei nicht kritisch, er liege unter dem sowjetischen BIP Mitte der 1980er-Jahre, als es 7,4 Prozent umfasst habe. Die jetzige Summe sei aber so hoch, dass sie “besondere Entscheidungen erfordert”, so Peskow. Dem Kreml ist klar, dass riesige Summen aus diesem Betrag verschwanden; Beloussow soll das verhindern, erläutert Russland-Kenner Yusupov im Gespräch mit Table.Briefings.
Die Nominierung von Beloussow als neuer Verteidigungsminister erfolgt vor dem Hintergrund leichter Geländegewinne für russische Truppen im Nordosten der Ukraine. Putins Kriegskurs bleibt nicht nur bestehen, sondern wird auch für die Zukunft abgesichert. In seinen ersten Äußerungen nach der Nominierung zeigte Beloussow am Montag, dass er sich sogleich um die Belange von Kriegsteilnehmern – oder wie er es ausdrückte, “Teilnehmern an der militärischen Sonderoperation” – kümmern und für sie erleichterten Zugang zur medizinischen Versorgung und zum Wohnraum erreichen wolle.
Frauen stellen “DAS Potenzial für die Personalgewinnung dar”. Zu diesem Schluss kommt ein Bericht des Verteidigungsministeriums, der Table.Briefings vorliegt. Darin wird angemahnt, dass “Chancengerechtigkeit und Geschlechtergleichstellung als strategische Daueraufgabe in allen Verantwortungsbereichen des Bundesministeriums der Verteidigung wahrzunehmen sind”.
Der Anteil an Frauen in der Bundeswehr hat sich allerdings in den vergangenen Jahren nicht nennenswert erhöht. Momentan liegt er bei 13,43 Prozent gegenüber 10,89 Prozent im Jahr 2015. Stand Dezember 2023 dienten 24.380 Soldatinnen in der Bundeswehr. Ihre Repräsentanz in den unterschiedlichen Bereichen unterscheidet sich allerdings erheblich (siehe Grafik). Während ihr Anteil im Sanitätsdienst 41,5 Prozent beträgt, liegt er im Heer bei nur 7,6 und bei der Marine bei 11,2 Prozent. Nach dem Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz sollen Soldatinnen in allen militärischen Laufbahnen mit zwanzig Prozent und im Sanitätsdienst mit fünfzig Prozent vertreten sein.
Die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl (SPD), kritisierte gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, die Bundeswehr verfehle “ihre selbst gesteckten Ziele und das seit Jahren”. Im zivilen Bereich des Bundesverteidigungsministeriums (BMVg) sind knapp 40 Prozent Frauen als Beamtinnen oder Arbeitnehmerinnen tätig – ein Anstieg von zwei Prozent seit 2015. In Führungspositionen arbeiten rund 35 Prozent. Die Quote von Frauen in militärischen Führungspositionen im Ministerium selbst liegt nur bei zwei Prozent. Nach dem Gleichstellungsindex in den obersten Bundesbehörden belegt das Verteidigungsministerium dabei den drittletzten Platz.
Da “weibliche Vorbilder einen positiven Einfluss auf Interessentinnen” haben, so der Bericht, solle der Frauenanteil bei der Karriereberatung bis Ende 2026 auf dreißig Prozent erhöht werden. Überdies soll der “Arbeitgeber Bundeswehr weiblichen (Nachwuchs-)Führungskräften eine besondere Förderung” zukommen lassen. Vorgesehen sind dafür spezielle Mentoring-Programme und sogenannte Masterclasses “Women in Leadership”, sowie Einzel- und Gruppencoachings. nana
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat ein Rüstungsexportkontrollgesetz angekündigt, in dem Waffenlieferungen als geostrategisches Instrument genutzt werden sollen. Die neuen Eckpunkte, auf die sich die Regierung bereits verständigt habe, sähen vor, “mehr zu produzieren und klare Linien für den Export – auch in weitere Länder – zu organisieren, inklusive einer stärkeren europäischen Kooperation, die ja dringend geboten ist“, sagte Habeck am Montag beim sicherheitspolitischen Gespräch der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (Baks).
Neben Exporten an Partnernationen, also Nato-Mitgliedern oder ihnen gleichgestellte Staaten, sollen Exporte in Länder erleichtert werden, die “nicht zwingend auf unserem Wertefundament stehen, die sich aber von der Abhängigkeit von Russland lösen wollen“. Habeck nannte Indien als Beispiel.
Um bilaterale Partnerschaften zu vertiefen, könne man “so viele Wasserstoffverträge machen, wie du willst”, sagte Habeck, aber am Ende laute die Frage: “Liefert ihr uns Panzer oder Flugzeuge?”
Dennoch stehe Habeck Exporten in Länder, “denen wir eigentlich diese Waffen nicht liefern wollen würden”, denen man aber liefern müsse, “um die industrielle Produktion in Europa oder in Deutschland hochzuhalten”, skeptisch gegenüber.
Seit sein Ministerium im Oktober 2022 einen Eckpunkteentwurf veröffentlicht hat, lässt der Referentenentwurf auf sich warten. Anfragen von Table.Briefings zum Stand des Gesetzes beantwortete Habecks Ministerium damit, dass das Gesetz laufend der veränderten Sicherheitslage angepasst würde. Der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Thomas Hitschler, forderte gegenüber Table.Briefings jüngst ein Gesetz, das “Teil des sicherheitspolitischen Werkzeugkoffers sein kann”.
Insbesondere bei internationalen Rüstungsprojekten wie der Produktion des Eurofighter-Kampfjets oder weiter in der Zukunft liegenden Vorhaben wie dem Future Combat Air System gibt es Uneinigkeit zwischen den beteiligten Partnernationen über die Exportpolitik. Über Bestellungen nur in den Produktionsländern würden die Fabrikationen zu Minusgeschäften. Frankreich und Großbritannien drängen auf eine großzügigere deutsche Exportpolitik. bub
The Economist: Why are Arab armed forces so ineffective? Die sechs Länder des Golfkooperationsrates, dazu Ägypten und Jordanien geben 120 Milliarden Dollar im Jahr für ihre Streitkräfte aus. Das Geld werde aber nicht sinnvoll ausgegeben, sagen Experten. So würden Kampfjets gekauft und die Marine vernachlässigt und realitätsferne Übungen durchgeführt.
Podcast: Wohin mit Abraham? – Armin Laschet. Der frühere CDU-Kanzlerkandidat und Vorsitzende des Abraham Accord Institute erklärt im Gespräch mit Daniel Gerlach die Friedensinitiative, die zwischen Israel und vier arabischen Staaten geschlossen wurde.
Alleyesonwagner: Mediterranean Sea Objective for the African Corps. Was die russische Wagner-Miliz in Libyen angefangen hat, das setzt das russische Militär nun fort, zeigt der Bericht freier Rechercheure: Russlands baut eigene militärische Standorte aus, geht dafür Kooperationen mit Warlords ein und nutzt das Land für Verbindungen nach Niger und in den Sudan. Damit baut es Druck auf die EU und Nato-Staaten aus dem südlichen Mittelmeer auf.
Zeit Online: “Wir befinden uns in einer Phase der Eskalation.” Der russische Geheimdienstexperte Andrej Soldatow spricht über die neue Aggressivität russischer Dienste und warnt vor deren Unterschätzung. Ihr neues Selbstbewusstsein schöpfen sie auch aus einer großen Fehlertoleranz des Präsidenten Putin.
Eines kann man Hannah Neumann nicht nachsagen: dass sie keine Stellung bezieht. Meistens macht sie das mit einem Lächeln. Um dann mit genau demselben Lächeln knallhart zu argumentieren. Zum Beispiel für eine gemeinsame europäische Verteidigungsindustrie. “Wir müssten die nationalen Verteidigungsbudgets zusammenlegen, um das zu kaufen, was wir brauchen”.
Ende März hat die EU-Kommission erstmals eine Strategie dafür verabschiedet und mit einem Finanzierungsprogramm in Höhe von 1,5 Milliarden Euro für die Jahre 2025 bis 2027 ausgestattet. Abgesehen davon, dass die grüne Verteidigungsexpertin dieses Budget für “Peanuts” hält: Bislang seien die Anstrengungen für eine gemeinsame Beschaffung über das Stadium von “Sonntagsreden” nicht hinausgekommen. “Wenn die Staaten es ernst meinen, müssten sie nationale Zuständigkeiten an die EU abgeben.” Dann lächelt Hannah Neumann wieder: “Wir sind da nicht viel weitergekommen.”
Manche in der Partei sagen, Neumann gehöre deshalb zum Flügel der “Falken”. Wer es böse mit ihr meint, hält sie für eine “Kriegstreiberin”. Ein Begriff, der sie aufregt – und auch kränkt, denn sie hat schließlich mit den Themen Menschenrechte und Gleichstellung ihre politische Karriere begonnen. 2013 war das, als Büroleiterin von Tom Koenigs und Omid Nouripour in der Bundestagsfraktion der Grünen. Ihre eigene Kandidatur für den Bundestag 2017 scheiterte, aber 2019 schafft sie es über die grüne Liste ins Europaparlament.
Dort macht sie 2020 Furore mit der Aktion #SHEcurity. Der Index listet erstmals die weltweite Beteiligung von Frauen im Bereich Frieden und Sicherheit auf. Und er zeigt, dass der Weg in die Gleichberechtigung ein langer sein wird. Nur rund 23 Prozent aller Botschafter sind weiblich. Die Beteiligung von Frauen in Führungspositionen bei EU-Missionen lag 2022 bei 26 Prozent.
Aufgewachsen ist die 40-jährige promovierte Friedens- und Konfliktforscherin in einem kleinen Ort in der Nähe von Speyer, um dann mit gerade einmal 18 Jahren “rüber zu machen in den Osten”. An der kleinen Universität im thüringischen Ilmenau lernt sie ihren Mann kennen. Und bleibt dem Osten treu, “weil es dort auch schon vor 15 Jahren okay war, als junge Mutter zu arbeiten, und es die Strukturen dafür gab”. Mit ihrem Mann und den drei Teenager-Kindern lebt sie jetzt in Berlin-Lichtenberg und Greifswald.
Oder in Brüssel und Straßburg, als “Europäerin”, denn die Pendlerin mag das Ossi-Wessi-Gerede nicht. “Ich bin da zu Hause, wo mein Handy den WLAN-Code schon kennt”. Das Wandeln zwischen den Welten ist für Neumann immer auch ein “Realitäts-Check”. Ihre wachen braunen Augen blitzen, wenn sie von den Diskussionen an der Basis erzählt. Oft begegne ihr da das “Kriegstreiber”-Etikett, das man ihr anheften will, gerade im Osten.
Dann ist sie in ihrem Element, klar, aber leidenschaftlich. “Ich würde auch lieber über Abrüstung sprechen, aber solange das System Putin an der Macht ist, müssen wir leider erst einmal aufrüsten”. Der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine habe alles verändert. Europa müsse lernen, sich selbst zu verteidigen – und die Abhängigkeit von den USA überwinden.
Vielen in der grünen Partei geht das zu weit. Neumann weiß das. Und lässt sich nicht beirren. Erst jüngst hat sie eine flammende Rede im Europaparlament gehalten, über die Notwendigkeit einer gemeinsamen europäischen Beschaffung. Dazu müsse man strategisch “zusammen” entscheiden – auch im Hinblick auf die Unterstützung der Ukraine – wer was zuerst bekommen soll. Und wer vielleicht erst später. Allein bei diesem Gedanken fielen manche Planer in den Verteidigungsministerien in “Ohnmacht, wenn ich das sage”.
Aber sie sagt auch das: “Wir müssen aufhören, auf dem Markt zu konkurrieren, das steigert nur die Gewinne der Rüstungsindustrie.” Also wenn das keine grüne Aussage ist, dann wisse sie auch nicht, was grün ist. Neumann kandidiert für eine zweite Wahlperiode. Sie steht auf Platz 5 der Europawahlliste der Grünen – eine Wiederwahl ist also gesichert. Nana Brink
Markus Woelke ist seit Mai Vizepräsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (Baks). Der 51-Jährige war 25 Jahre für das Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Abteilungsleiter Politik an der deutschen Botschaft in Rom. Im Rahmen seiner Tätigkeiten im Auswärtigen Amt war er unter anderem auch mit der Weiterentwicklung des Akademiekonzeptes der Baks befasst. Aus Woelkes Sicht müssten die Aufgaben hinsichtlich der Zeitenwende immer auch im europäischen Kontext und im Kontext der Nato umgesetzt werden. Das wolle er in seiner neuen Position immer “mitdenken” und in der Baks “stärker verankern.” Die Ämter des Vizepräsidenten und des Präsidenten der Baks werden im gegenseitigen Wechsel durch das Auswärtige Amt und das Bundesministerium der Verteidigung besetzt.
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während Israel seine militärische Offensive in Rafah, der südlichen Stadt in Gaza, fortführt, bröckelt der Rückhalt der arabischen Partner. Markus Bickel erklärt die Hintergründe und wie die Bundesregierung reagiert, die sich wegen ihrer militärischen Unterstützung Israels Klagen vor mehreren Gerichten ausgesetzt sieht.
Viktor Funk beschreibt in seiner Analyse Experten, welche Aufgaben der neue russische Verteidigungsminister Andrej Beloussow übernehmen soll. Es scheint, als spiele die Wirtschaft eine wichtigere Rolle in seinem neuen Job als die militärische Planung.
Russlands Aggression führt auch hierzulande dazu, dass die Politik über eine Stärkung der Rüstungsindustrie diskutiert. So soll die Verteidigung des Landes und der Nato sichergestellt werden. In FDP- wie SPD-Bundestagsfraktionen wird derzeit an entsprechenden Positionspapieren gearbeitet, die diese Sitzungswoche weiter intern abgestimmt werden sollen. Und der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck sprach dazu am Montag bei der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. Gabriel Bub hat zugehört und berichtet, was das für das Rüstungsexportkontrollgesetz bedeutet.
Das militärische Vorgehen Israels in Rafah belastet zunehmend die Beziehungen mit Ägypten. Die Regierung in Kairo machte am Wochenende nicht nur die Regierung Ministerpräsident Benjamin Netanjahus für das vorläufige Scheitern der Verhandlungen zwischen Hamas und Israel verantwortlich, sondern kündigte außerdem an, sich der Klage Südafrikas anzuschließen, das gegen Israel wegen möglichen Genozids Klage vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag eingereicht hat. Die palästinensische Terrororganisation Hamas begrüßte den Schritt: “Wir begrüßen die Ankündigung der arabischen Schwesterrepublik Ägypten, dass sie sich der Klage der Republik Südafrikas anschließen will.”
Ägypten ist das erste arabische Land, das Frieden mit Israel schloss, und gilt als starker Unterstützer auch des militärischen Vorgehens der Israel Defence Forces (IDF) gegen die Hamas. Doch mit dem Einrücken israelischer Streitkräfte in die Grenzanlagen von Rafah vergangene Woche bröckelt nun diese Unterstützung – selbst wenn ein Abbruch der 1979 aufgenommenen diplomatischen Beziehungen zurzeit nicht im Raum stehe, wie Außenminister Samih Shoukry am Wochenende sagte. Das ägyptische Vorgehen vor dem IGH sei aber eine Reaktion auf die Militäroffensive in Rafah, so Shoukry: “Die Ankündigung der Intervention in diesem Fall erfolgt vor dem Hintergrund der Ausweitung des Umfangs und des Ausmaßes der israelischen Verstöße gegen die Zivilbevölkerung in Gaza.”
Südafrika hatte das Gericht in Den Haag vergangene Woche aufgefordert, einen Rückzug der israelischen Armee aus Rafah anzuordnen. Bereits im Januar hatten die Richter die Regierung in Jerusalem aufgefordert, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Sicherstellung der palästinensischen Bevölkerung mit humanitärer Hilfe zu gewährleisten.
Neben Katar und den USA ist Ägypten maßgeblich an den Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas beteiligt, die vergangene Woche vorerst scheiterten. Ein vorläufiger Verhandlungsentwurf sah gegen die Freilassung Dutzender von der Hamas im Oktober 2023 in den Gazastreifen entführter israelischer Geiseln eine zunächst sechswöchige Feuerpause und die Lieferung großer Mengen an Notlieferungen an die mehr als zwei Millionen Bewohner des palästinensischen Gebiets vor.
Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, sieht im ägyptischen Vorgehen daher den Versuch Kairos, “politisch Druck auf Israel auszuüben, weil es bei den Verhandlungen um einen Waffenstillstand und die Freilassung der Geiseln nicht vorangeht”. Gegenüber Table.Briefings sagte er: “Den Anfang vom Ende des Friedensvertrags aber bedeutet das nicht.” Mittelfristig gefährde Netanjahu durch sein Vorgehen jedoch das von ihm selbst ausgegebene Ziel, einen Frieden mit Saudi-Arabien zu schließen. “Die Idee, dass Israel im Dreieck mit den USA und Saudi-Arabien regional Stabilität und Sicherheit schafft, rückt dadurch weiter in die Ferne.”
Das Regime des ägyptischen Machthabers Abdelfattah al-Sisi sieht sich starkem innenpolitischen Druck ausgesetzt, die palästinensische Bevölkerung zu unterstützen. Mit der Einnahme des sogenannten Philadelphia-Korridors zwischen Rafah und der Sinai-Halbinsel verstieß die israelische Armee zudem gegen Vereinbarungen des Camp-David-Abkommens von 1979, das sicherheitspolitische Fragen zwischen Israel und Ägypten genau regelt.
Auch Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU im Bundestag, hält das Vorgehen der ägyptischen Regierung “angesichts des Drucks der Straße” vor allem für innenpolitisch motiviert. Zugleich sende es jedoch ein “Alarmsignal” an Netanjahu, dass er die Geduld der sunnitischen arabischen Staaten nicht zu sehr strapazieren dürfe. Noch sei jedoch nicht der Punkt erreicht, wo diese als Partner Israel wegbrächen.
Die Bundesregierung enthielt sich am Montag einer Bewertung des ägyptischen Vorgehens vor dem IGH. Ziel bleibe es, eine “nachhaltige Friedenslösung” zwischen Israel und den palästinensischen Behörden zu erreichen, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts gegenüber Table.Briefings, weshalb die Bundesregierung weiter eine Zweistaatenlösung unterstütze. Bei der Abstimmung über die Anerkennung Palästinas als eigenständiger Staat in der UN-Generalversammlung hatte Deutschland sich vergangene Woche jedoch enthalten.
Mehr als sieben Monate nach dem Terrorüberfall der Hamas auf Israel rückt eine diplomatische Lösung des Konflikts so immer mehr in die Ferne. Denn nicht nur Ägypten als längster Friedenspartner Israels, auch die Vereinigten Arabischen Emirate, das 2020 diplomatische Beziehungen mit Jerusalem aufnahm, gehen angesichts des militärischen Vorgehens in Rafah auf Distanz zur Regierung in Jerusalem. “Die VAE betonen, dass der israelische Premierminister keine rechtliche Befugnis zu diesem Schritt hat”, schrieb Abdullah Bin Zayed auf der Plattform X, nachdem Netanjahu für die Emirate eine Rolle bei einer Nachkriegsverwaltung zugesprochen hatte. Sein Land lehne es ab, “in einen Plan hineingezogen zu werden, der darauf abzielt, die israelische Präsenz im Gazastreifen zu decken.”
Ein kompetenter Manager, ein hoch qualifizierter Wirtschaftswissenschaftler, Kreml-treu und bisher frei von großen Skandalen – so wird der baldige russische Verteidigungsminister Andrej Beloussow von Russlandexperten beschrieben. “Mit dieser personellen Entscheidung zeigt Putin, dass er Kompetenz sehr hoch gewichtet. Bei Beloussow geht es nicht darum, Machtgleichgewicht zwischen verschiedenen politischen Gruppen herzustellen, sondern dessen Fähigkeiten zu nutzen”, erläutert Alexey Yusupov, Leiter des Russland-Programms der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES).
Beloussow, bisher Vize-Regierungschef, soll auf Vorschlag des russischen Präsidenten Wladimir Putin nach zwölf Jahren Sergej Schoigu ablösen. Schoigu fällt weich. Er wird Sekretär des Nationalen Sicherheitsrats. Er löst wiederum Nikolai Patruschew ab, einen Hardliner und alten Gefährten Putins. Patruschew wird zwar auch weiterhin eine wichtige Rolle spielen, doch welche – das verriet Kreml-Sprecher Dmitri Peskow noch nicht.
Dass ein Technokrat und Wirtschaftsexperte das Verteidigungsministerium übernimmt, weist auf mehrere Punkte hin, sagen Russlandfachleute wie Yusupov, die ehemalige Analystin der russischen Zentralbank, Alekandra Prokopenko, oder Andrej Kolesnikow (Carnegie Endowment for International Peace):
Beloussow ist ein Anhänger eines stark regulierenden Staats und fordert schon lange, dass Russland sich insbesondere in der Hochtechnologie von anderen Staaten unabhängiger machen solle. Nach Februar 2022 forderte er westliche Konzerne auf, weiter in Russland zu investieren, und drohte gar mit Strafen, wenn sie sich zurückzögen. Heute steht Beloussow, der schon die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim unterstützte, auf Sanktionslisten vieler Staaten, sowie der EU.
Mit Beloussow folgt Putin seiner Logik der vergangenen zwei Jahre, wie Kreml-Sprecher Peskow die Nominierung erläuterte: “Heute gewinnt auf dem Schlachtfeld derjenige, der innovativer ist und Neuerungen schneller implementieren kann.” Beloussow soll also gewährleisten, dass Innovationen, Industrie, Nutzung der Innovationen im Militär sowie gesamtgesellschaftliche wirtschaftliche Entwicklung besser verzahnt werden – und zwar unter dem Primat des Kriegs. Wie im vergangenen Jahr soll die Rüstungsbranche dem Land auch gute Wirtschaftszahlen bescheren – nicht zuletzt, weil diese Branche auf lukrative Kooperationen im Ausland setzt.
Und dann vertraut Putin Beloussow noch aus einem weiteren Grund die neue Aufgabe an: Es geht um sehr viel Geld. Nach Peskows Darstellung mache das Budget des Verteidigungsministeriums sowie anderer Sicherheitsbehörden rund 6,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Dieser Umfang sei nicht kritisch, er liege unter dem sowjetischen BIP Mitte der 1980er-Jahre, als es 7,4 Prozent umfasst habe. Die jetzige Summe sei aber so hoch, dass sie “besondere Entscheidungen erfordert”, so Peskow. Dem Kreml ist klar, dass riesige Summen aus diesem Betrag verschwanden; Beloussow soll das verhindern, erläutert Russland-Kenner Yusupov im Gespräch mit Table.Briefings.
Die Nominierung von Beloussow als neuer Verteidigungsminister erfolgt vor dem Hintergrund leichter Geländegewinne für russische Truppen im Nordosten der Ukraine. Putins Kriegskurs bleibt nicht nur bestehen, sondern wird auch für die Zukunft abgesichert. In seinen ersten Äußerungen nach der Nominierung zeigte Beloussow am Montag, dass er sich sogleich um die Belange von Kriegsteilnehmern – oder wie er es ausdrückte, “Teilnehmern an der militärischen Sonderoperation” – kümmern und für sie erleichterten Zugang zur medizinischen Versorgung und zum Wohnraum erreichen wolle.
Frauen stellen “DAS Potenzial für die Personalgewinnung dar”. Zu diesem Schluss kommt ein Bericht des Verteidigungsministeriums, der Table.Briefings vorliegt. Darin wird angemahnt, dass “Chancengerechtigkeit und Geschlechtergleichstellung als strategische Daueraufgabe in allen Verantwortungsbereichen des Bundesministeriums der Verteidigung wahrzunehmen sind”.
Der Anteil an Frauen in der Bundeswehr hat sich allerdings in den vergangenen Jahren nicht nennenswert erhöht. Momentan liegt er bei 13,43 Prozent gegenüber 10,89 Prozent im Jahr 2015. Stand Dezember 2023 dienten 24.380 Soldatinnen in der Bundeswehr. Ihre Repräsentanz in den unterschiedlichen Bereichen unterscheidet sich allerdings erheblich (siehe Grafik). Während ihr Anteil im Sanitätsdienst 41,5 Prozent beträgt, liegt er im Heer bei nur 7,6 und bei der Marine bei 11,2 Prozent. Nach dem Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz sollen Soldatinnen in allen militärischen Laufbahnen mit zwanzig Prozent und im Sanitätsdienst mit fünfzig Prozent vertreten sein.
Die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl (SPD), kritisierte gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, die Bundeswehr verfehle “ihre selbst gesteckten Ziele und das seit Jahren”. Im zivilen Bereich des Bundesverteidigungsministeriums (BMVg) sind knapp 40 Prozent Frauen als Beamtinnen oder Arbeitnehmerinnen tätig – ein Anstieg von zwei Prozent seit 2015. In Führungspositionen arbeiten rund 35 Prozent. Die Quote von Frauen in militärischen Führungspositionen im Ministerium selbst liegt nur bei zwei Prozent. Nach dem Gleichstellungsindex in den obersten Bundesbehörden belegt das Verteidigungsministerium dabei den drittletzten Platz.
Da “weibliche Vorbilder einen positiven Einfluss auf Interessentinnen” haben, so der Bericht, solle der Frauenanteil bei der Karriereberatung bis Ende 2026 auf dreißig Prozent erhöht werden. Überdies soll der “Arbeitgeber Bundeswehr weiblichen (Nachwuchs-)Führungskräften eine besondere Förderung” zukommen lassen. Vorgesehen sind dafür spezielle Mentoring-Programme und sogenannte Masterclasses “Women in Leadership”, sowie Einzel- und Gruppencoachings. nana
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat ein Rüstungsexportkontrollgesetz angekündigt, in dem Waffenlieferungen als geostrategisches Instrument genutzt werden sollen. Die neuen Eckpunkte, auf die sich die Regierung bereits verständigt habe, sähen vor, “mehr zu produzieren und klare Linien für den Export – auch in weitere Länder – zu organisieren, inklusive einer stärkeren europäischen Kooperation, die ja dringend geboten ist“, sagte Habeck am Montag beim sicherheitspolitischen Gespräch der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (Baks).
Neben Exporten an Partnernationen, also Nato-Mitgliedern oder ihnen gleichgestellte Staaten, sollen Exporte in Länder erleichtert werden, die “nicht zwingend auf unserem Wertefundament stehen, die sich aber von der Abhängigkeit von Russland lösen wollen“. Habeck nannte Indien als Beispiel.
Um bilaterale Partnerschaften zu vertiefen, könne man “so viele Wasserstoffverträge machen, wie du willst”, sagte Habeck, aber am Ende laute die Frage: “Liefert ihr uns Panzer oder Flugzeuge?”
Dennoch stehe Habeck Exporten in Länder, “denen wir eigentlich diese Waffen nicht liefern wollen würden”, denen man aber liefern müsse, “um die industrielle Produktion in Europa oder in Deutschland hochzuhalten”, skeptisch gegenüber.
Seit sein Ministerium im Oktober 2022 einen Eckpunkteentwurf veröffentlicht hat, lässt der Referentenentwurf auf sich warten. Anfragen von Table.Briefings zum Stand des Gesetzes beantwortete Habecks Ministerium damit, dass das Gesetz laufend der veränderten Sicherheitslage angepasst würde. Der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Thomas Hitschler, forderte gegenüber Table.Briefings jüngst ein Gesetz, das “Teil des sicherheitspolitischen Werkzeugkoffers sein kann”.
Insbesondere bei internationalen Rüstungsprojekten wie der Produktion des Eurofighter-Kampfjets oder weiter in der Zukunft liegenden Vorhaben wie dem Future Combat Air System gibt es Uneinigkeit zwischen den beteiligten Partnernationen über die Exportpolitik. Über Bestellungen nur in den Produktionsländern würden die Fabrikationen zu Minusgeschäften. Frankreich und Großbritannien drängen auf eine großzügigere deutsche Exportpolitik. bub
The Economist: Why are Arab armed forces so ineffective? Die sechs Länder des Golfkooperationsrates, dazu Ägypten und Jordanien geben 120 Milliarden Dollar im Jahr für ihre Streitkräfte aus. Das Geld werde aber nicht sinnvoll ausgegeben, sagen Experten. So würden Kampfjets gekauft und die Marine vernachlässigt und realitätsferne Übungen durchgeführt.
Podcast: Wohin mit Abraham? – Armin Laschet. Der frühere CDU-Kanzlerkandidat und Vorsitzende des Abraham Accord Institute erklärt im Gespräch mit Daniel Gerlach die Friedensinitiative, die zwischen Israel und vier arabischen Staaten geschlossen wurde.
Alleyesonwagner: Mediterranean Sea Objective for the African Corps. Was die russische Wagner-Miliz in Libyen angefangen hat, das setzt das russische Militär nun fort, zeigt der Bericht freier Rechercheure: Russlands baut eigene militärische Standorte aus, geht dafür Kooperationen mit Warlords ein und nutzt das Land für Verbindungen nach Niger und in den Sudan. Damit baut es Druck auf die EU und Nato-Staaten aus dem südlichen Mittelmeer auf.
Zeit Online: “Wir befinden uns in einer Phase der Eskalation.” Der russische Geheimdienstexperte Andrej Soldatow spricht über die neue Aggressivität russischer Dienste und warnt vor deren Unterschätzung. Ihr neues Selbstbewusstsein schöpfen sie auch aus einer großen Fehlertoleranz des Präsidenten Putin.
Eines kann man Hannah Neumann nicht nachsagen: dass sie keine Stellung bezieht. Meistens macht sie das mit einem Lächeln. Um dann mit genau demselben Lächeln knallhart zu argumentieren. Zum Beispiel für eine gemeinsame europäische Verteidigungsindustrie. “Wir müssten die nationalen Verteidigungsbudgets zusammenlegen, um das zu kaufen, was wir brauchen”.
Ende März hat die EU-Kommission erstmals eine Strategie dafür verabschiedet und mit einem Finanzierungsprogramm in Höhe von 1,5 Milliarden Euro für die Jahre 2025 bis 2027 ausgestattet. Abgesehen davon, dass die grüne Verteidigungsexpertin dieses Budget für “Peanuts” hält: Bislang seien die Anstrengungen für eine gemeinsame Beschaffung über das Stadium von “Sonntagsreden” nicht hinausgekommen. “Wenn die Staaten es ernst meinen, müssten sie nationale Zuständigkeiten an die EU abgeben.” Dann lächelt Hannah Neumann wieder: “Wir sind da nicht viel weitergekommen.”
Manche in der Partei sagen, Neumann gehöre deshalb zum Flügel der “Falken”. Wer es böse mit ihr meint, hält sie für eine “Kriegstreiberin”. Ein Begriff, der sie aufregt – und auch kränkt, denn sie hat schließlich mit den Themen Menschenrechte und Gleichstellung ihre politische Karriere begonnen. 2013 war das, als Büroleiterin von Tom Koenigs und Omid Nouripour in der Bundestagsfraktion der Grünen. Ihre eigene Kandidatur für den Bundestag 2017 scheiterte, aber 2019 schafft sie es über die grüne Liste ins Europaparlament.
Dort macht sie 2020 Furore mit der Aktion #SHEcurity. Der Index listet erstmals die weltweite Beteiligung von Frauen im Bereich Frieden und Sicherheit auf. Und er zeigt, dass der Weg in die Gleichberechtigung ein langer sein wird. Nur rund 23 Prozent aller Botschafter sind weiblich. Die Beteiligung von Frauen in Führungspositionen bei EU-Missionen lag 2022 bei 26 Prozent.
Aufgewachsen ist die 40-jährige promovierte Friedens- und Konfliktforscherin in einem kleinen Ort in der Nähe von Speyer, um dann mit gerade einmal 18 Jahren “rüber zu machen in den Osten”. An der kleinen Universität im thüringischen Ilmenau lernt sie ihren Mann kennen. Und bleibt dem Osten treu, “weil es dort auch schon vor 15 Jahren okay war, als junge Mutter zu arbeiten, und es die Strukturen dafür gab”. Mit ihrem Mann und den drei Teenager-Kindern lebt sie jetzt in Berlin-Lichtenberg und Greifswald.
Oder in Brüssel und Straßburg, als “Europäerin”, denn die Pendlerin mag das Ossi-Wessi-Gerede nicht. “Ich bin da zu Hause, wo mein Handy den WLAN-Code schon kennt”. Das Wandeln zwischen den Welten ist für Neumann immer auch ein “Realitäts-Check”. Ihre wachen braunen Augen blitzen, wenn sie von den Diskussionen an der Basis erzählt. Oft begegne ihr da das “Kriegstreiber”-Etikett, das man ihr anheften will, gerade im Osten.
Dann ist sie in ihrem Element, klar, aber leidenschaftlich. “Ich würde auch lieber über Abrüstung sprechen, aber solange das System Putin an der Macht ist, müssen wir leider erst einmal aufrüsten”. Der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine habe alles verändert. Europa müsse lernen, sich selbst zu verteidigen – und die Abhängigkeit von den USA überwinden.
Vielen in der grünen Partei geht das zu weit. Neumann weiß das. Und lässt sich nicht beirren. Erst jüngst hat sie eine flammende Rede im Europaparlament gehalten, über die Notwendigkeit einer gemeinsamen europäischen Beschaffung. Dazu müsse man strategisch “zusammen” entscheiden – auch im Hinblick auf die Unterstützung der Ukraine – wer was zuerst bekommen soll. Und wer vielleicht erst später. Allein bei diesem Gedanken fielen manche Planer in den Verteidigungsministerien in “Ohnmacht, wenn ich das sage”.
Aber sie sagt auch das: “Wir müssen aufhören, auf dem Markt zu konkurrieren, das steigert nur die Gewinne der Rüstungsindustrie.” Also wenn das keine grüne Aussage ist, dann wisse sie auch nicht, was grün ist. Neumann kandidiert für eine zweite Wahlperiode. Sie steht auf Platz 5 der Europawahlliste der Grünen – eine Wiederwahl ist also gesichert. Nana Brink
Markus Woelke ist seit Mai Vizepräsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (Baks). Der 51-Jährige war 25 Jahre für das Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Abteilungsleiter Politik an der deutschen Botschaft in Rom. Im Rahmen seiner Tätigkeiten im Auswärtigen Amt war er unter anderem auch mit der Weiterentwicklung des Akademiekonzeptes der Baks befasst. Aus Woelkes Sicht müssten die Aufgaben hinsichtlich der Zeitenwende immer auch im europäischen Kontext und im Kontext der Nato umgesetzt werden. Das wolle er in seiner neuen Position immer “mitdenken” und in der Baks “stärker verankern.” Die Ämter des Vizepräsidenten und des Präsidenten der Baks werden im gegenseitigen Wechsel durch das Auswärtige Amt und das Bundesministerium der Verteidigung besetzt.
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