Table.Briefing: Security

Israelis im Kaukasus attackiert + Geiseln in Gaza in Gefahr + Taurus braucht langes Training

Liebe Leserin, lieber Leser,

auch wenn Ministerpräsident Benjamin Netanjahu das Wort Bodenoffensive meidet, hat mit dem Einrücken von Panzern und israelischer Infanterie in den Gazastreifen die zweite Phase des Kriegs begonnen. Gestern Abend teilte das israelische Militär mit, dass es die von der Hamas entführte Soldatin Ori Megidish bei einem Bodeneinsatz befreit habe. Bereits beim Terrorüberfall der Hamas vor drei Wochen ums Leben kam die Deutsch-Israelin Shani Louk, das erfuhr ihre Mutter nun vom israelischen Militär. Bislang war Ricarda Louk davon ausgegangen, dass ihre Tochter mit mehr als 230 anderen Geiseln am 7. Oktober von der Hamas in den Gazastreifen entführt worden sei.

Ich habe den Historiker Michael Wolffsohn gefragt, ob die israelische Armee für die Sicherheit der Geiseln garantieren könne. “Leider nein. Entsetzlich”, lautet die Antwort des 1947 in Tel Aviv geborenen Publizisten. Das Interview mit dem langjährigen Inhaber des Lehrstuhls für Neuere Geschichte an der Universität der Bundeswehr in München lesen Sie hier. “Seit dreitausend Jahren ist jüdisches Leben Existenz auf Widerruf”, lautet Wolffsohns bitteres Fazit.

Zu antisemitischen Ausschreitungen wegen des Vorgehens Israels kam es auch im mehrheitlich muslimisch besiedelten Dagestan – der Präsident der russischen Kaukasus-Republik, Sergej Melikow, sprach am Montag von einem Destabilisierungsversuch. Viktor Funk analysiert, inwieweit Wladimir Putin die antiisraelischen Proteste als Ventil willkommen sein könnten, um vom Krieg gegen die Ukraine abzulenken. Da Dagestan sehr viele junge Männer für den Feldzug abstellt, könnten weitere Proteste aber auch Putins Stabilität untergraben.

Last, but not least wirft Lisa-Martina Klein einen Blick auf das Kompetenzhickhack beim Schutz Kritischer Infrastruktur in Ost- und Nordsee. Lesen Sie dazu auch ihr Portrait von Stephan Haisch, der gestern von Verteidigungsminister Boris Pistorius zum Konteradmiral befördert wurde – auch um in Rostock den Aufbau des künftigen Ostsee-Hauptquartiers der Nato zu managen.  

Ihr
Markus Bickel
Bild von Markus  Bickel

Analyse

Unruhen in Dagestan machen Moskau nervös

Der antisemitische Überfall auf den Flughafen der dagestanischen Hauptstadt Machatschkala hat Moskau nervös gemacht: Für Montagabend hatte Präsident Wladimir Putin ein Krisentreffen mit Premierminister, Vertretern von Sicherheitsorganen und hochrangigen Politikern einberufen und dort den Westen für die Angriffe verantwortlich gemacht. Die Ereignisse seien “durch die Hände westlicher Geheimdienste” inspiriert worden, sagte er bei der Sitzung, die teilweise im Staatsfernsehen übertragen wurde. Verteidigungsminister Sergei Schoigu war dafür früher als geplant aus Peking abgereist. Dort hatte er am 10. Xiangshan-Militärforum teilgenommen.

150 Beteiligte des Überfalls auf den Flughafen Uitasch am Sonntagabend sind identifiziert, 60 bereits festgenommen worden, berichteten russische Medien am Montag. Mehr als zwanzig Menschen seien verletzt worden. Eine aggressive Gruppe überwiegend junger Männer hatte am Sonntagabend das Flughafengelände gestürmt, weil sie dort Juden vermuteten. Angeblich seien diese mit einem Flugzeug aus Tel Aviv angereist. Die überwiegend muslimische Bevölkerung Dagestans unterstützt in dem aktuellen Konflikt in Israel die Palästinenser. Proteste gegen den Krieg wurden zwar teilweise unterbunden, doch in den sozialen Medien kocht die Stimmung hoch.

Die Schuldigen für den Gewaltausbruch in Dagestan sind für die Verantwortlichen in Moskau und in Machatschkala indes schon klar: “Kräfte von außen”, “der Westen”. Kremlsprecher Dmitri Peskow, der Präsident der Republik Dagestan, Sergej Melikow, und auch der Vorsteher der Russisch-Orthodoxen Kirche, Patriarch Kirill, sehen fremde Kräfte am Werk, die eine “Spaltung der Gesellschaft” anstreben.

Putin beschwört Einheit

Dass der Krieg im Nahen Osten auch gesellschaftliche Verwerfungen in Russland provozieren könnte, ahnte Putin früh. Vor sechs Tagen lud er zu einem interreligiösen Treffen im Kreml Vertreter verschiedener Glaubensrichtungen ein. In seiner Rede betonte er die Einheit des Volkes: “Wir sind ein Volk, wir haben eine Heimat.” Das Mantra-artige Beschwören des Zusammenhalts kann allerdings nicht über den alltäglichen Antisemitismus in Russland hinwegtäuschen. Darauf wies auch der israelische Botschafter in Russland, Alexander Ben Zvi, vor wenigen Tagen im privaten, russischsprachigen Internetsender TV RTVi hin.

Dabei hatte der Antisemitismus nach dem Zerfall der Sowjetunion zwar zunächst abgenommen, ehe er mit dem repressiver werdenden System wieder zunahm. Mehr als eine Million Juden haben Russland seit dem Zerfall der Sowjetunion verlassen. Im Nordkaukasus, wo sie seit dem 6. Jahrhundert lebten, sind nur noch wenige Hundert Menschen jüdischen Glaubens geblieben.

Und auch sie könnten bald auswandern, sagte der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Dagestan, Ovadia Isakov, noch am Sonntag. Er bezifferte die Zahl der Juden in Dagestan auf etwa 800 Familien. Laut dem russischen Portal Podjom erklärte Isakov den Vorfall vom Sonntagabend damit, dass Israel “den Informationskrieg verloren hat”. Soziale Medien wie Instagram würden Desinformationen verbreiten.

Islamisten aus Dagestan schlossen sich dem IS im Irak an

Doch Antisemitismus allein ist für das, was in Machatschkala passiert ist, keine ausreichende Erklärung. Dagestan gehört seit Jahrzehnten zu den Problemregionen Russlands. Zwar erlebte Dagestan nicht einen Krieg wie das benachbarte Tschetschenien, bis auf einen kurzen Einmarsch tschetschenischer Kämpfer 1999. Doch dem Kampf gegen Moskau hatten sich im zweiten Tschetschenien-Krieg immer wieder auch radikale Muslime aus Dagestan angeschlossen.

Aus Dagestan, Tschetschenien und ehemaligen zentralasiatischen Sowjetrepubliken zogen zudem Hunderte Männer in die Kriege in Syrien und im Irak, teils aufseiten des Islamischen Staats (IS). Damals habe der Exodus radikaler Kräfte vielleicht sogar zur Beruhigung der Region beigetragen, heißt es in einer Analyse der Jamestown Foundation. Zugleich entstanden gefährliche internationale Netzwerke.

Viele Freiwillige für den Krieg in der Ukraine, aber auch Proteste

Vor gut einem Jahr stand Dagestan schon einmal im Fokus ausländischer Medien, als es dort zu den größten Protesten gegen die Mobilmachung Präsident Putins im Zuge seines Krieges gegen die Ukraine kam. Seitdem schürt unter anderem ein Telegram-Kanal Stimmung gegen Moskau. Diese heizte er nach Beginn des Krieges im Gazastreifen mit antiisraelischen Parolen an. Auch wenn der Kanal Utro Dagestana (Der Morgen Dagestans) nun im Visier der Ermittler steht, dürfte sein Einfluss mit gut 65.000 Abonnenten überschaubar gewesen sein.

Im vergangenen Jahr wurden die Proteste gegen die Mobilmachung schnell unterdrückt. Hintergrund waren die vielen toten dagestanischen Freiwilligen und die überdurchschnittlich hohe Zahl der Einberufenen. Nach einer Auswertung des unabhängigen russischen Portals istories.media wurden aus Dagestan überdurchschnittlich viele Männer für den Krieg rekrutiert. Die Sterblichkeitsrate für Männer aus Dagestan hatte sich deshalb um 105 Prozent erhöht.

Auch die Nachbarregionen Tschetschenien und Inguschetien gehören zu denen mit der höchsten Geburtenrate, der jüngsten Bevölkerung und der höchsten Arbeitslosigkeit in Russland. In Dagestan liegt die Arbeitslosigkeit bei 11,6 Prozent – im russischen Durchschnitt bei 3,7 Prozent. Die prekäre soziale Lage hat am Anfang des russischen Krieges in der Ukraine sogar dazu geführt, dass Schmiergelder gezahlt wurden, damit jemand für den lukrativ erscheinenden Krieg eingezogen wurde.    

Die Machthaber in Moskau und in Machatschkala schreiben die Verantwortung für die Ausschreitungen zwar undefinierten, äußeren Feinden zu. Doch wie die russische Politologin Jekaterina Schulmann auf ihrem Telegram-Kanal schrieb, zeigt der Vorfall, dass die Sicherheitsstrukturen einmal wieder – wie am 24. Juni bei der Meuterei des inzwischen ums Leben gekommenen Milizenführer Jewgenij Prigoschin– versagt hätten. Schulmann erwartet nun eine harte Reaktion des Kremls.

  • Geopolitik
  • Russland

Kompetenzgerangel schwächt Schutz Kritischer Infrastruktur im Meer

Ob es ein Unfall oder ein Angriff war, der die estnisch-finnische Gaspipeline Balticconnector und zwei Telekommunikationskabel Anfang Oktober in der Ostsee beschädigte, wird sich wohl erst in den kommenden Wochen endgültig klären lassen. Der Vorfall zeigt aber erneut, wie verletzlich Kritische Infrastruktur im Meer ist.

Die Debatte über deren Schutz in Deutschland nimmt spätestens seit den Sprengungen der Nord-Stream-Pipelines im September 2022 an Fahrt auf. Einen Monat danach wurde der Gemeinsame Koordinierungsstab Kritische Infrastruktur (GEKKIS) im Bundesinnenministerium (BMI) gegründet. Noch dieses Jahr soll das Gesetz zur Umsetzung der Critical Entity Resilience-Richtlinie und zur Stärkung der Resilienz kritischer Anlagen (Kritis-Dachgesetz) verabschiedet werden. Darin werden nach dem Vorbild des digitalen Schutzes kritischer Infrastrukturen Sektoren identifiziert und Mindeststandards nach dem All-Gefahren-Ansatz für den physischen Schutz festgelegt, die die Betreiber einhalten müssen. 

Maritime Infrastruktur schwer zu schützen

Allerdings, so die Klage der Betreiber aus der Offshore-Branche, würde die “besondere Umweltumgebung” von Anlagen Hunderte Kilometer weit draußen auf dem Wasser oder in den Tiefen des Meeres nicht ausreichend berücksichtigt. Während sie um ein Kraftwerk an Land einen Zaun ziehen könnten, um Unbefugte am Betreten zu hindern, sei dies um einen Windpark oder an einer Stromtrasse nicht möglich. Allenfalls lassen sich Überwachungskameras und Sensoren anbringen, um wenigstens ein Lagebild darüber zu erstellen, wer in einen Windpark eindringt. Verhindern können sie es nicht.

Außerhalb des deutschen Küstenmeeres wirkt die Bundespolizei per Patrouillenfahrten beim Schutz von Kritischer Infrastruktur zwar mit. Gegen einen militärischen Gegner vorgehen kann aber nur die Marine, die im Inneren nur auf Amtshilfeantrag handeln darf. 

Zuständigkeiten nicht ausreichend geklärt

Die Betreiber sehen deshalb den Bund, insbesondere das BMI, in einer größeren Verantwortung. Man dürfe nicht auf ein “One-size-fits-all”-Gesetz setzen und ihnen allein den Schutz der Anlagen aufbürden. Denn sollte es vor der Küste Deutschlands zu einem Unfall oder Angriff auf Maritime Kritische Infrastruktur kommen, müssen auch Meldeketten, Zuständigkeiten und Reaktionsabläufe zwischen Betreibern und staatlichen Behörden geklärt sein. Doch das sind sie nicht.

Ein Problem, das immer wieder genannt wird: Wer ist wann wo zuständig und hat im Ernstfall die nötigen Fähigkeiten? Unterschieden wird etwa nach Küstenmeer (in der Zuständigkeit verschiedene Bundesländer), Ausschließlicher Wirtschaftszone (AWZ), und Hoher See, oder zwischen einem Unfall auf einer fest mit dem Boden verankerten Infrastruktur oder einer Gefahr durch ein in einen Windpark treibendes Schiff. 

Das federführende Innenministerium sieht im geplanten Kritis-Dachgesetz das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) als erste Anlaufstelle für Vorfallsmeldungen aller Betreiber Kritischer Infrastruktur vor. Diese Meldungen sollen einen Überblick über Störungen gewährleisten und relevante Vorkommnisse zur Warnung weitergeben. Dass lange Meldeketten bei dem vorliegenden Zuständigkeitsdschungel in der Praxis funktionieren werden, bezweifeln aber einige Betreiber. 

BMVg fordert Klärung von Kompetenzwirrwarr

Es gibt noch einen weiteren Treiber in der Debatte: das Verteidigungsministerium. Der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Jan Christian Kaack, sowie Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) drängen auf eine Klärung dieses Kompetenzwirrwarrs. “Was wir nicht gebrauchen können, ist nicht zu wissen, was wir tun dürfen, wenn wir es tun müssen”, brachte Pistorius es kürzlich auf den Punkt. “Wenn es knallt, müssen wir es eh machen”, ist Kaacks Fazit. 

Um Ressortstreitigkeiten zu vermeiden, könnte ein Koordinierungsstab für die Maritime Kritische Infrastruktur im Bundeskanzleramt angesiedelt werden. Gebraucht wird darüber hinaus aber auch ein umfassendes Lagebild über den Seeraum. Nur: Wer soll es machen?

Kaack hält eine Stärkung des Maritimen Sicherheitszentrums (MSZ) in Cuxhaven für sinnvoll. Das MSZ fällt in den Geschäftsbereich des Verkehrsministeriums und versammelt Vertreter relevanter Behörden, wie die Bundespolizei, die Wasserschutzpolizeien der fünf Küstenländer, das Havariekommando und die Deutsche Marine unter einem Dach. “Ich denke, bei uns wird es aufgrund der Besonderheiten des Föderalismus dazu kommen, dass das Maritime Sicherheitszentrum in Cuxhaven die offenen Daten von Industrie und Instituten sammeln wird. Wir werden darauf Zugriff haben, unsere Daten dazu werfen und in die Analyse geben”, sagt er der Deutschen Presseagentur im September.

Bislang, sagt ein Betreiber, sei das Zentrum personell nicht ausgelegt für Großschadenslagen. Es sei nicht gewährleistet, dass Meldungen dort überhaupt bearbeitet werden und es könne Tage dauern, bis jemand die Kapazitäten hätte, auszurücken. Dazu komme, dass aufgrund fehlender gemeinsamer Übungen der richtige Umgang mit Offshore-Infrastruktur nicht bekannt und verinnerlicht sei. Dies müsse sich dringend ändern.

Doch auch ein Lagebild beantwortet die Frage nicht, wer rausfährt, wenn es knallt. Die Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit verschwimmen angesichts hybrider Kriegsführung. Davon, der Bundeswehr per Grundgesetzänderung im Inneren mehr Handlungsspielraum zu geben, oder von einem Seesicherheitsgesetz analog zum Luftsicherheitsgesetz, wie es auch der Marinebund kürzlich forderte, will man aber nicht konkret sprechen.

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News

Bodenoffensive: “Häuserkämpfe müssen unbedingt minimiert werden”

Der Historiker Michael Wolffsohn hält die Bodenoffensive der israelischen Armee im Gazastreifen für “prinzipiell unverzichtbar”. Im Interview mit Table.Media sagte er: “Nur eine bedingungslose Kapitulation von Hamas und Islamischem Dschihad wird ein Ende der Terrorherrschaft nach innen und außen ermöglichen.” Zugleich müssten die Luftangriffe intensiviert und dem Norden des Gazastreifens “jegliche Zufuhr abgeschnitten” werden. “Dann ist die Bodenoffensive kein großes militärisches Problem mehr. Auch kein moralisches, denn Israel fordert seit bereits zwei Wochen lang die Zivilbevölkerung im Nord-Gazastreifen auf, diesen Richtung Süden zu verlassen”, so Wolffsohn, der bis 2012 als Professor an der Universität der Bundeswehr in München Neuere Geschichte lehrte. Um eigene und zivile Opfer gering zu halten, sei für die israelische Armee eines jedoch wichtig zu beachten, sagte er: “Häuserkämpfe müssen unbedingt minimiert werden.”

Militärische Unterstützung aus Deutschland hält Wolffsohn für wenig hilfreich, um Israel im Krieg gegen die Hamas zu unterstützen. “Das sind doch alles nur Politiker-Worte, ohne Realitätsbezug”, zumal angesichts “der maroden, weil seit Jahrzehnten vernachlässigten Bundeswehr und ihren beschränkten Beständen”. Zuletzt hatten Ampel- ebenso wie Oppositionspolitiker für eine stärkere Ausstattung der Israel Defense Forces (IDF) durch die Bundeswehr geworben.  

Für die Zukunft des Gazastreifens nach dem Ende des Kriegs schlägt Wolffsohn eine ausländische Interimsherrschaft vor: “Wie in Deutschland nach 1945 wäre eine multinational gesteuerte Übergangszeit sinnvoll. Die würde es ermöglichen, eine eigenständige, verantwortungsvolle und -fähige einheimische Führung heranzuziehen”, so Wolffsohn. Weder Vereinte Nationen noch die Palästinensische Autonomiebehörde (PA), die das Westjordanland verwaltet, seien für diese Aufgabe geeignet. “Die einzig realistische Lösung ist eine Mischung aus bundesstaatlichen und staatenbündischen Strukturen zwischen Israel, Palästinensern, Jordanien und Ägypten.” mrb

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Taurus erst Monate nach Lieferung in der Ukraine einsetzbar

Selbst im Falle eines grünen Lichts durch Bundeskanzler Olaf Scholz wären Marschflugkörper vom Typ Taurus frühestens 2024 in der Ukraine einsetzbar. Das machte der Geschäftsführer des Taurus-Produzenten, Joachim Knopf, vor internationalen Pressevertretern am Firmensitz von MBDA Deutschland in Schrobenhausen deutlich. So würden “sicher mehrere Monate vergehen” bis ukrainisches Personal so geschult sei, dass es die Marschflugkörper vom Typ Taurus KEPD 350 auch einsetzen könnte, sagte Knopf. Zudem würde es etliche Monate dauern, bis die von der ukrainischen Armee eingesetzten Kampfflugzeuge so umgerüstet seien, dass die Taurus installiert werden könnten.

Anfang Oktober war bekannt geworden, dass Bundeskanzler Scholz eine Lieferung von Taurus an die Ukraine ablehnt – anders als zuvor Großbritannien und Frankreich. Britische Marschflugkörper vom Typ Storm Shadow und die französische Scalp sind bereits vor Monaten an Suchoi SU-24-Bomber der ukrainischen Streitkräfte montiert worden. Die Bundeswehr hält bislang ihre Tornados für einen Einsatz des Marschflugkörpers bereit; am Eurofighter soll er künftig auch genutzt werden können. Spanien hat den Taurus in den Kampfjet F-18 und Südkorea in das US-Modell F-15K integriert.

Der Marschflugköper Taurus wird in einem Joint Venture des europäischen Lenkwaffenkonzerns MBDA und der schwedischen Saab Dynamics gemeinsam produziert; entwickelt wurde der ähnlich wie Scalp und Storm Shadow als bunkerbrechende Waffe einsetzbare Lenkflugkörper vor rund zwanzig Jahren. Knopf bezifferte die Reichweite von Taurus auf “mehr als 500 Kilometer”. Kritiker einer Lieferung an die Ukraine heben hervor, dass dadurch mehr Ziele auf der von Russland besetzten Krim und russischem Gebiet angegriffen werden könnten. Knopf stellte klar, dass sich durch Programmierung ausschließen lasse, dass ukrainische Kräfte politische Vorgaben für die Verwendung missachteten. mrb

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  • Russland
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Kriegsparteien im Sudan nehmen Waffenstillstands-Gespräche wieder auf

Die Bürgerkriegsparteien haben im Sudan nach vier Monaten Unterbrechung wieder Gespräche über einen Waffenstillstand aufgenommen. Das teilte das US-Außenministerium am Sonntag mit. Die Gespräche seien unter Vermittlung der USA, Saudi-Arabiens, und der ostafrikanischen Regionalorganisation Intergovernmental Authority on Development (IGAD) gemeinsam mit der Afrikanischen Union arrangiert worden.

Die wiederaufgenommenen Gespräche sollen auch die Lieferung humanitärer Hilfe erleichtern und dauerhafte Friedensverhandlungen auf den Weg bringen, teilte Matthew Miller, Sprecher des US-Außenministeriums, mit.

Die von Mohamed Hamdan Dagalo, genannt Hemedti, geführten Rapid Support Forces und die Armee unter dem Kommando von Abdel Fattah al-Burhan bekämpfen sich seit April dieses Jahres. Rund sechs Millionen Menschen wurden seitdem vertrieben, Tausende getötet. Vergangene Woche hatten die RSF noch die strategisch wichtige Stadt Nyala eingenommen, wie beide Kriegsparteien bestätigten.

Die USA und Saudi-Arabien, die in dem Konflikt vermitteln, hatten die Gespräche im Juni ausgesetzt, nachdem ausgehandelte Feuerpausen mehrfach verletzt wurden. Im Mai hatte die Militärjunta den deutschen UN-Sondergesandten in Khartum, Volker Perthes, zur unerwünschten Person erklärt. Perthes wurde jetzt von UN-Generalsekretär António Guterres mit der Erarbeitung des Strategic Review der Irak-Mission beauftragt (siehe Personalie in dieser Ausgabe). bub

  • Igad

Zentralrat der Juden für bessere Ausstattung von Sicherheitsbehörden

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, würde eine bessere Ausstattung von Sicherheitsbehörden begrüßen. Wenn dadurch “mehr Personal für den Schutz jüdischer Einrichtungen, für die Auflösung von israelfeindlichen Kundgebungen oder für die Zerschlagung antisemitischer Netzwerke vorhanden ist, dann wäre das klug und wichtig”, sagte er Table.Media. Zudem betonte Schuster, dass es aus seiner Sicht “nicht am Willen, sondern am Personal” mangele.

Nachdem die Gewerkschaft der Polizei (GdP) Mitte Oktober ein “Sondervermögen Innere Sicherheit” gefordert hatte, hatte sich Bundesfinanzminister Christian Lindner am Sonntagabend dagegen ausgesprochen. In der ARD sagte er, dass die Sicherheitsbehörden in den vergangenen Jahren bereits gestärkt worden seien. Beim Schutz jüdischer Einrichtungen mahnte der Finanzminister eine bessere Zusammenarbeit von Bund und Ländern an.

Die GdP hatte Mitte Oktober in einem an Olaf Scholz gerichteten Brief gemahnt, dass Terrorismusbekämpfung und die Vorkehrungen zur Abwehr hybrider Angriffe in Deutschland unterfinanziert seien. Wenige Tage später zeigten sich auch die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic, und der stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Konstantin von Notz, offen gegenüber der Idee eines Sondervermögens Innere Sicherheit. Gerade jetzt müsse man den Fokus auf das veränderte Demonstrationsgeschehen und den notwendigen Schutz jüdischer und israelischer Einrichtungen legen. “Alle Beteiligten sind aufgefordert, intensiv zu prüfen, inwieweit die Vorlage eines ‘Sondervermögens Innere Sicherheit’ möglich ist”, so die beiden Grünen-Politiker. asc

  • Die Grünen
  • Olaf Scholz
  • Sicherheit

Presseschau

Frankfurter Allgemeine Zeitung: “Russland will eine Verschärfung des Nahostkonflikts”. Janis Sarts ist Direktor des Nato-Kompetenzzentrums für Strategische Kommunikation. Im Interview spricht er über Desinformation im Krieg der Hamas, Lehren aus der Ukraine – und Moskaus Propaganda auf der Plattform X.

Die Zeit: Wie verhandelt man mit Terroristen, Herr Baskin? Seit 18 Jahren steht Gershon Baskin im direkten Kontakt mit der Hamas – er ist einer der wenigen Menschen, der mit hochrangigen Akteuren auf beiden Seiten sprechen kann. Im Interview erklärt der Vermittler, welche Rolle die USA, Katar, Ägypten und der Iran in den aktuellen Verhandlungen spielen und warum es eines Waffenstillstands bedarf.

ZDF: Die Figuren hinter Putin im russischen Machtsystem. Die Dokumentation legt den Blick auf die Menschen hinter dem Autokraten. Wladimir Putin Es geht um Politiker, Diplomaten und Kriegsherren, um Oligarchen, Geheimdienstler, Propagandisten und Apparatschiks, um Menschen mit viel Geld und großer Macht – die aber letztendlich doch immer nur auf Putin zuläuft.

La Tribune: Exportations d’armes – la France va-t-elle se jeter dans le piège allemand? Die französische Groupe Vauban wettert in diesem Gastbeitrag gegen die deutsche Rüstungs-Exportpolitik. Das Fazit: “Deutschland ist kein verlässlicher Partner.” Interessanter Standpunkt, der die Sorgen der französischen Sicherheitsindustrie vor einem deutschen Rüstungsexportkontrollgesetz eindringlich verdeutlicht.

Heads

Stephan Haisch – Zwei Sterne und vier Hüte

Stephan Haisch ist Kommandeur des DEU MARFOR in Rostock.

“Hier bin ich zu Hause”, sagt Konteradmiral Stephan Haisch mit einem breiten Lächeln. Er meint die Hohe See, aber auch das amerikanische Amphibienschiff Mesa Verde, von dem aus er im September das Großmanöver Northern Coasts vor der Küste Rigas beobachtet. Für Kriegsschiffe brennt er, seit er in der Grundschulzeit von einem Freund ein Modellbauschiff bekam – den amerikanischen Flugzeugträger Yorktown. 

Um seine Begeisterung für Schiffe mit der für Betriebswirtschaft zu kombinieren, trat Haisch 1986 in die Marine ein. Dort durchlief er seine Offizierslaufbahn an der Marineschule Mürwik, auf dem Segelschulschiff Gorch Fock und dem Schulschiff Deutschland. Von 1987 bis 1991 studierte er Wirtschafts- und Organisationswissenschaften und absolvierte von 2001 bis 2003 den Generalstabslehrgang an der Führungsakademie der Bundeswehr. Nach verschiedenen Verwendungen, unter anderem im Verteidigungsministerium, beim Flottenkommando in Glücksburg und beim Bundesamt für Personalmanagement in Köln, leitete er von 2015 bis 2017 als Chef des Stabes und stellvertretender Kommandeur die Einsatzflottille 1 in Kiel. 

Führungsfähig auch aus der Distanz

Inzwischen hat Haisch, 1967 in Geislingen an der Steige geboren, mehr als 100 Modellbauschiffe – und seit dem gestrigen Montag den Ärmelstreifen eines Konteradmirals. Die Beförderung zum Zwei-Sterne-Admiral durch Verteidigungsminister Boris Pistorius folgte seiner Ernennung zum Kommandeur des militärischen maritimen Führungsstabs German Maritime Forces Staff (DEU MARFOR) im Marinekommando in Rostock im September. 

Diesen multinationalen Führungsstab kennt wohl niemand besser als Haisch, der ihn als stellvertretender Befehlshaber seit April 2019 aufgebaut und geführt hat. “Das Ziel war von Anfang an klar, aber den Weg dahin in großen Teilen selbst bestimmen und gestalten zu können, war eine riesige Chance für mich. Erfahrung und ein Netzwerk mit den Kameraden im Ausland haben da geholfen”, sagt Haisch. 

Aus dem DEU MARFOR heraus plant, unterstützt und führt der Stab maritime Manöver der Marine, teilweise zusammen mit anderen Ländern, in der Ostsee. Das jüngste Beispiel: eben jene Übung Northern Coasts mit 14 teilnehmenden Nationen. Nicht vor Ort, sondern in der “Zentrale” in Rostock zu sein, sei ihm nicht leicht gefallen, sagt er. Aber damit habe Deutschland bewiesen, dass es aus der Distanz führen könne.

DEU MARFOR könnte als Nato-Headquarters für die Ostsee dienen

Vergleichbar ist der Stab mit den Maritime-Forces-Einsatzstäben in Großbritannien, Frankreich und Italien, die ebenfalls von Zwei-Sterne-Admiralen geführt werden. Zukünftig, so hofft Haisch, wird das DEU MARFOR als Nato-Headquarters für die Ostsee dienen. “Wir haben diesen Stab seit 2019 mit viel Engagement und Expertise aufgebaut, darin sehr viele Fähigkeiten und Kapazitäten etabliert und ihn sichtbar gemacht, sodass nun ein solides Angebot auf dem Tisch liegt.” Die Entscheidung der Nato steht noch aus. 

Das DEU MARFOR ist für Haisch aber nun nur noch einer von vier Hüten, die er aufhat. Gleichzeitig ist er Leiter der Abteilung Maritime Operationen mit ihren verschiedenen Teilbereichen und Kommandeur der Einsatzkräfte der Marine. Zusätzlich koordiniert er als “Submarine Operating Authority” U-Boote der Marine in der Ost- und Teilen der Nordsee. 

Bis sein Nachfolger als Stellvertretender Befehlshaber für das DEU MARFOR im Einsatz ist, bleibt fürs Rausfahren aufs Meer wenig Zeit. Haisch nimmt es gelassen – und genießt die Tage umso mehr, an denen er Schiffsstahl unter den Füßen hat. Lisa-Martina Klein

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Personalie

Volker Perthes hat die Leitung des Unabhängigen Strategischen Reviews der Hilfsmission der Vereinten Nationen für den Irak (Unami) übernommen. Fünf Monate nachdem die Militärjunta in Sudan den deutschen UN-Diplomaten zur unerwünschten Person erklärte, wurde Perthes von UN-Generalsekretär António Guterres mit der Erarbeitung des Strategic Review der Irak-Mission beauftragt. Anfang November reist der 65 Jahre alte Politologe zum Amtsantritt nach Bagdad, zudem sind monatliche Besuche im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York vorgesehen. Perthes war von 2021 bis zum Beginn des Kriegs im Sudan als Sondergesandter von Guterres in Khartum tätig. Von 2015 bis 2018 beriet er den UN-Sondergesandten für Syrien in Genf und leitete dort die Waffenstillstands-Taskforce der Internationalen Syrien-Unterstützungsgruppe. Vor seiner diplomatischen Laufbahn war Perthes von 2005 bis 2020 Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Das Mandat für die Erarbeitung des Strategic Review der UN-Mission im Irak läuft bis März 2024; bis dahin soll Perthes dem Abschlussbericht dem UN-Sicherheitsrat vorlegen. mrb

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    Ich habe den Historiker Michael Wolffsohn gefragt, ob die israelische Armee für die Sicherheit der Geiseln garantieren könne. “Leider nein. Entsetzlich”, lautet die Antwort des 1947 in Tel Aviv geborenen Publizisten. Das Interview mit dem langjährigen Inhaber des Lehrstuhls für Neuere Geschichte an der Universität der Bundeswehr in München lesen Sie hier. “Seit dreitausend Jahren ist jüdisches Leben Existenz auf Widerruf”, lautet Wolffsohns bitteres Fazit.

    Zu antisemitischen Ausschreitungen wegen des Vorgehens Israels kam es auch im mehrheitlich muslimisch besiedelten Dagestan – der Präsident der russischen Kaukasus-Republik, Sergej Melikow, sprach am Montag von einem Destabilisierungsversuch. Viktor Funk analysiert, inwieweit Wladimir Putin die antiisraelischen Proteste als Ventil willkommen sein könnten, um vom Krieg gegen die Ukraine abzulenken. Da Dagestan sehr viele junge Männer für den Feldzug abstellt, könnten weitere Proteste aber auch Putins Stabilität untergraben.

    Last, but not least wirft Lisa-Martina Klein einen Blick auf das Kompetenzhickhack beim Schutz Kritischer Infrastruktur in Ost- und Nordsee. Lesen Sie dazu auch ihr Portrait von Stephan Haisch, der gestern von Verteidigungsminister Boris Pistorius zum Konteradmiral befördert wurde – auch um in Rostock den Aufbau des künftigen Ostsee-Hauptquartiers der Nato zu managen.  

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    Markus Bickel
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    Unruhen in Dagestan machen Moskau nervös

    Der antisemitische Überfall auf den Flughafen der dagestanischen Hauptstadt Machatschkala hat Moskau nervös gemacht: Für Montagabend hatte Präsident Wladimir Putin ein Krisentreffen mit Premierminister, Vertretern von Sicherheitsorganen und hochrangigen Politikern einberufen und dort den Westen für die Angriffe verantwortlich gemacht. Die Ereignisse seien “durch die Hände westlicher Geheimdienste” inspiriert worden, sagte er bei der Sitzung, die teilweise im Staatsfernsehen übertragen wurde. Verteidigungsminister Sergei Schoigu war dafür früher als geplant aus Peking abgereist. Dort hatte er am 10. Xiangshan-Militärforum teilgenommen.

    150 Beteiligte des Überfalls auf den Flughafen Uitasch am Sonntagabend sind identifiziert, 60 bereits festgenommen worden, berichteten russische Medien am Montag. Mehr als zwanzig Menschen seien verletzt worden. Eine aggressive Gruppe überwiegend junger Männer hatte am Sonntagabend das Flughafengelände gestürmt, weil sie dort Juden vermuteten. Angeblich seien diese mit einem Flugzeug aus Tel Aviv angereist. Die überwiegend muslimische Bevölkerung Dagestans unterstützt in dem aktuellen Konflikt in Israel die Palästinenser. Proteste gegen den Krieg wurden zwar teilweise unterbunden, doch in den sozialen Medien kocht die Stimmung hoch.

    Die Schuldigen für den Gewaltausbruch in Dagestan sind für die Verantwortlichen in Moskau und in Machatschkala indes schon klar: “Kräfte von außen”, “der Westen”. Kremlsprecher Dmitri Peskow, der Präsident der Republik Dagestan, Sergej Melikow, und auch der Vorsteher der Russisch-Orthodoxen Kirche, Patriarch Kirill, sehen fremde Kräfte am Werk, die eine “Spaltung der Gesellschaft” anstreben.

    Putin beschwört Einheit

    Dass der Krieg im Nahen Osten auch gesellschaftliche Verwerfungen in Russland provozieren könnte, ahnte Putin früh. Vor sechs Tagen lud er zu einem interreligiösen Treffen im Kreml Vertreter verschiedener Glaubensrichtungen ein. In seiner Rede betonte er die Einheit des Volkes: “Wir sind ein Volk, wir haben eine Heimat.” Das Mantra-artige Beschwören des Zusammenhalts kann allerdings nicht über den alltäglichen Antisemitismus in Russland hinwegtäuschen. Darauf wies auch der israelische Botschafter in Russland, Alexander Ben Zvi, vor wenigen Tagen im privaten, russischsprachigen Internetsender TV RTVi hin.

    Dabei hatte der Antisemitismus nach dem Zerfall der Sowjetunion zwar zunächst abgenommen, ehe er mit dem repressiver werdenden System wieder zunahm. Mehr als eine Million Juden haben Russland seit dem Zerfall der Sowjetunion verlassen. Im Nordkaukasus, wo sie seit dem 6. Jahrhundert lebten, sind nur noch wenige Hundert Menschen jüdischen Glaubens geblieben.

    Und auch sie könnten bald auswandern, sagte der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Dagestan, Ovadia Isakov, noch am Sonntag. Er bezifferte die Zahl der Juden in Dagestan auf etwa 800 Familien. Laut dem russischen Portal Podjom erklärte Isakov den Vorfall vom Sonntagabend damit, dass Israel “den Informationskrieg verloren hat”. Soziale Medien wie Instagram würden Desinformationen verbreiten.

    Islamisten aus Dagestan schlossen sich dem IS im Irak an

    Doch Antisemitismus allein ist für das, was in Machatschkala passiert ist, keine ausreichende Erklärung. Dagestan gehört seit Jahrzehnten zu den Problemregionen Russlands. Zwar erlebte Dagestan nicht einen Krieg wie das benachbarte Tschetschenien, bis auf einen kurzen Einmarsch tschetschenischer Kämpfer 1999. Doch dem Kampf gegen Moskau hatten sich im zweiten Tschetschenien-Krieg immer wieder auch radikale Muslime aus Dagestan angeschlossen.

    Aus Dagestan, Tschetschenien und ehemaligen zentralasiatischen Sowjetrepubliken zogen zudem Hunderte Männer in die Kriege in Syrien und im Irak, teils aufseiten des Islamischen Staats (IS). Damals habe der Exodus radikaler Kräfte vielleicht sogar zur Beruhigung der Region beigetragen, heißt es in einer Analyse der Jamestown Foundation. Zugleich entstanden gefährliche internationale Netzwerke.

    Viele Freiwillige für den Krieg in der Ukraine, aber auch Proteste

    Vor gut einem Jahr stand Dagestan schon einmal im Fokus ausländischer Medien, als es dort zu den größten Protesten gegen die Mobilmachung Präsident Putins im Zuge seines Krieges gegen die Ukraine kam. Seitdem schürt unter anderem ein Telegram-Kanal Stimmung gegen Moskau. Diese heizte er nach Beginn des Krieges im Gazastreifen mit antiisraelischen Parolen an. Auch wenn der Kanal Utro Dagestana (Der Morgen Dagestans) nun im Visier der Ermittler steht, dürfte sein Einfluss mit gut 65.000 Abonnenten überschaubar gewesen sein.

    Im vergangenen Jahr wurden die Proteste gegen die Mobilmachung schnell unterdrückt. Hintergrund waren die vielen toten dagestanischen Freiwilligen und die überdurchschnittlich hohe Zahl der Einberufenen. Nach einer Auswertung des unabhängigen russischen Portals istories.media wurden aus Dagestan überdurchschnittlich viele Männer für den Krieg rekrutiert. Die Sterblichkeitsrate für Männer aus Dagestan hatte sich deshalb um 105 Prozent erhöht.

    Auch die Nachbarregionen Tschetschenien und Inguschetien gehören zu denen mit der höchsten Geburtenrate, der jüngsten Bevölkerung und der höchsten Arbeitslosigkeit in Russland. In Dagestan liegt die Arbeitslosigkeit bei 11,6 Prozent – im russischen Durchschnitt bei 3,7 Prozent. Die prekäre soziale Lage hat am Anfang des russischen Krieges in der Ukraine sogar dazu geführt, dass Schmiergelder gezahlt wurden, damit jemand für den lukrativ erscheinenden Krieg eingezogen wurde.    

    Die Machthaber in Moskau und in Machatschkala schreiben die Verantwortung für die Ausschreitungen zwar undefinierten, äußeren Feinden zu. Doch wie die russische Politologin Jekaterina Schulmann auf ihrem Telegram-Kanal schrieb, zeigt der Vorfall, dass die Sicherheitsstrukturen einmal wieder – wie am 24. Juni bei der Meuterei des inzwischen ums Leben gekommenen Milizenführer Jewgenij Prigoschin– versagt hätten. Schulmann erwartet nun eine harte Reaktion des Kremls.

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    Kompetenzgerangel schwächt Schutz Kritischer Infrastruktur im Meer

    Ob es ein Unfall oder ein Angriff war, der die estnisch-finnische Gaspipeline Balticconnector und zwei Telekommunikationskabel Anfang Oktober in der Ostsee beschädigte, wird sich wohl erst in den kommenden Wochen endgültig klären lassen. Der Vorfall zeigt aber erneut, wie verletzlich Kritische Infrastruktur im Meer ist.

    Die Debatte über deren Schutz in Deutschland nimmt spätestens seit den Sprengungen der Nord-Stream-Pipelines im September 2022 an Fahrt auf. Einen Monat danach wurde der Gemeinsame Koordinierungsstab Kritische Infrastruktur (GEKKIS) im Bundesinnenministerium (BMI) gegründet. Noch dieses Jahr soll das Gesetz zur Umsetzung der Critical Entity Resilience-Richtlinie und zur Stärkung der Resilienz kritischer Anlagen (Kritis-Dachgesetz) verabschiedet werden. Darin werden nach dem Vorbild des digitalen Schutzes kritischer Infrastrukturen Sektoren identifiziert und Mindeststandards nach dem All-Gefahren-Ansatz für den physischen Schutz festgelegt, die die Betreiber einhalten müssen. 

    Maritime Infrastruktur schwer zu schützen

    Allerdings, so die Klage der Betreiber aus der Offshore-Branche, würde die “besondere Umweltumgebung” von Anlagen Hunderte Kilometer weit draußen auf dem Wasser oder in den Tiefen des Meeres nicht ausreichend berücksichtigt. Während sie um ein Kraftwerk an Land einen Zaun ziehen könnten, um Unbefugte am Betreten zu hindern, sei dies um einen Windpark oder an einer Stromtrasse nicht möglich. Allenfalls lassen sich Überwachungskameras und Sensoren anbringen, um wenigstens ein Lagebild darüber zu erstellen, wer in einen Windpark eindringt. Verhindern können sie es nicht.

    Außerhalb des deutschen Küstenmeeres wirkt die Bundespolizei per Patrouillenfahrten beim Schutz von Kritischer Infrastruktur zwar mit. Gegen einen militärischen Gegner vorgehen kann aber nur die Marine, die im Inneren nur auf Amtshilfeantrag handeln darf. 

    Zuständigkeiten nicht ausreichend geklärt

    Die Betreiber sehen deshalb den Bund, insbesondere das BMI, in einer größeren Verantwortung. Man dürfe nicht auf ein “One-size-fits-all”-Gesetz setzen und ihnen allein den Schutz der Anlagen aufbürden. Denn sollte es vor der Küste Deutschlands zu einem Unfall oder Angriff auf Maritime Kritische Infrastruktur kommen, müssen auch Meldeketten, Zuständigkeiten und Reaktionsabläufe zwischen Betreibern und staatlichen Behörden geklärt sein. Doch das sind sie nicht.

    Ein Problem, das immer wieder genannt wird: Wer ist wann wo zuständig und hat im Ernstfall die nötigen Fähigkeiten? Unterschieden wird etwa nach Küstenmeer (in der Zuständigkeit verschiedene Bundesländer), Ausschließlicher Wirtschaftszone (AWZ), und Hoher See, oder zwischen einem Unfall auf einer fest mit dem Boden verankerten Infrastruktur oder einer Gefahr durch ein in einen Windpark treibendes Schiff. 

    Das federführende Innenministerium sieht im geplanten Kritis-Dachgesetz das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) als erste Anlaufstelle für Vorfallsmeldungen aller Betreiber Kritischer Infrastruktur vor. Diese Meldungen sollen einen Überblick über Störungen gewährleisten und relevante Vorkommnisse zur Warnung weitergeben. Dass lange Meldeketten bei dem vorliegenden Zuständigkeitsdschungel in der Praxis funktionieren werden, bezweifeln aber einige Betreiber. 

    BMVg fordert Klärung von Kompetenzwirrwarr

    Es gibt noch einen weiteren Treiber in der Debatte: das Verteidigungsministerium. Der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Jan Christian Kaack, sowie Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) drängen auf eine Klärung dieses Kompetenzwirrwarrs. “Was wir nicht gebrauchen können, ist nicht zu wissen, was wir tun dürfen, wenn wir es tun müssen”, brachte Pistorius es kürzlich auf den Punkt. “Wenn es knallt, müssen wir es eh machen”, ist Kaacks Fazit. 

    Um Ressortstreitigkeiten zu vermeiden, könnte ein Koordinierungsstab für die Maritime Kritische Infrastruktur im Bundeskanzleramt angesiedelt werden. Gebraucht wird darüber hinaus aber auch ein umfassendes Lagebild über den Seeraum. Nur: Wer soll es machen?

    Kaack hält eine Stärkung des Maritimen Sicherheitszentrums (MSZ) in Cuxhaven für sinnvoll. Das MSZ fällt in den Geschäftsbereich des Verkehrsministeriums und versammelt Vertreter relevanter Behörden, wie die Bundespolizei, die Wasserschutzpolizeien der fünf Küstenländer, das Havariekommando und die Deutsche Marine unter einem Dach. “Ich denke, bei uns wird es aufgrund der Besonderheiten des Föderalismus dazu kommen, dass das Maritime Sicherheitszentrum in Cuxhaven die offenen Daten von Industrie und Instituten sammeln wird. Wir werden darauf Zugriff haben, unsere Daten dazu werfen und in die Analyse geben”, sagt er der Deutschen Presseagentur im September.

    Bislang, sagt ein Betreiber, sei das Zentrum personell nicht ausgelegt für Großschadenslagen. Es sei nicht gewährleistet, dass Meldungen dort überhaupt bearbeitet werden und es könne Tage dauern, bis jemand die Kapazitäten hätte, auszurücken. Dazu komme, dass aufgrund fehlender gemeinsamer Übungen der richtige Umgang mit Offshore-Infrastruktur nicht bekannt und verinnerlicht sei. Dies müsse sich dringend ändern.

    Doch auch ein Lagebild beantwortet die Frage nicht, wer rausfährt, wenn es knallt. Die Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit verschwimmen angesichts hybrider Kriegsführung. Davon, der Bundeswehr per Grundgesetzänderung im Inneren mehr Handlungsspielraum zu geben, oder von einem Seesicherheitsgesetz analog zum Luftsicherheitsgesetz, wie es auch der Marinebund kürzlich forderte, will man aber nicht konkret sprechen.

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    Bodenoffensive: “Häuserkämpfe müssen unbedingt minimiert werden”

    Der Historiker Michael Wolffsohn hält die Bodenoffensive der israelischen Armee im Gazastreifen für “prinzipiell unverzichtbar”. Im Interview mit Table.Media sagte er: “Nur eine bedingungslose Kapitulation von Hamas und Islamischem Dschihad wird ein Ende der Terrorherrschaft nach innen und außen ermöglichen.” Zugleich müssten die Luftangriffe intensiviert und dem Norden des Gazastreifens “jegliche Zufuhr abgeschnitten” werden. “Dann ist die Bodenoffensive kein großes militärisches Problem mehr. Auch kein moralisches, denn Israel fordert seit bereits zwei Wochen lang die Zivilbevölkerung im Nord-Gazastreifen auf, diesen Richtung Süden zu verlassen”, so Wolffsohn, der bis 2012 als Professor an der Universität der Bundeswehr in München Neuere Geschichte lehrte. Um eigene und zivile Opfer gering zu halten, sei für die israelische Armee eines jedoch wichtig zu beachten, sagte er: “Häuserkämpfe müssen unbedingt minimiert werden.”

    Militärische Unterstützung aus Deutschland hält Wolffsohn für wenig hilfreich, um Israel im Krieg gegen die Hamas zu unterstützen. “Das sind doch alles nur Politiker-Worte, ohne Realitätsbezug”, zumal angesichts “der maroden, weil seit Jahrzehnten vernachlässigten Bundeswehr und ihren beschränkten Beständen”. Zuletzt hatten Ampel- ebenso wie Oppositionspolitiker für eine stärkere Ausstattung der Israel Defense Forces (IDF) durch die Bundeswehr geworben.  

    Für die Zukunft des Gazastreifens nach dem Ende des Kriegs schlägt Wolffsohn eine ausländische Interimsherrschaft vor: “Wie in Deutschland nach 1945 wäre eine multinational gesteuerte Übergangszeit sinnvoll. Die würde es ermöglichen, eine eigenständige, verantwortungsvolle und -fähige einheimische Führung heranzuziehen”, so Wolffsohn. Weder Vereinte Nationen noch die Palästinensische Autonomiebehörde (PA), die das Westjordanland verwaltet, seien für diese Aufgabe geeignet. “Die einzig realistische Lösung ist eine Mischung aus bundesstaatlichen und staatenbündischen Strukturen zwischen Israel, Palästinensern, Jordanien und Ägypten.” mrb

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    Taurus erst Monate nach Lieferung in der Ukraine einsetzbar

    Selbst im Falle eines grünen Lichts durch Bundeskanzler Olaf Scholz wären Marschflugkörper vom Typ Taurus frühestens 2024 in der Ukraine einsetzbar. Das machte der Geschäftsführer des Taurus-Produzenten, Joachim Knopf, vor internationalen Pressevertretern am Firmensitz von MBDA Deutschland in Schrobenhausen deutlich. So würden “sicher mehrere Monate vergehen” bis ukrainisches Personal so geschult sei, dass es die Marschflugkörper vom Typ Taurus KEPD 350 auch einsetzen könnte, sagte Knopf. Zudem würde es etliche Monate dauern, bis die von der ukrainischen Armee eingesetzten Kampfflugzeuge so umgerüstet seien, dass die Taurus installiert werden könnten.

    Anfang Oktober war bekannt geworden, dass Bundeskanzler Scholz eine Lieferung von Taurus an die Ukraine ablehnt – anders als zuvor Großbritannien und Frankreich. Britische Marschflugkörper vom Typ Storm Shadow und die französische Scalp sind bereits vor Monaten an Suchoi SU-24-Bomber der ukrainischen Streitkräfte montiert worden. Die Bundeswehr hält bislang ihre Tornados für einen Einsatz des Marschflugkörpers bereit; am Eurofighter soll er künftig auch genutzt werden können. Spanien hat den Taurus in den Kampfjet F-18 und Südkorea in das US-Modell F-15K integriert.

    Der Marschflugköper Taurus wird in einem Joint Venture des europäischen Lenkwaffenkonzerns MBDA und der schwedischen Saab Dynamics gemeinsam produziert; entwickelt wurde der ähnlich wie Scalp und Storm Shadow als bunkerbrechende Waffe einsetzbare Lenkflugkörper vor rund zwanzig Jahren. Knopf bezifferte die Reichweite von Taurus auf “mehr als 500 Kilometer”. Kritiker einer Lieferung an die Ukraine heben hervor, dass dadurch mehr Ziele auf der von Russland besetzten Krim und russischem Gebiet angegriffen werden könnten. Knopf stellte klar, dass sich durch Programmierung ausschließen lasse, dass ukrainische Kräfte politische Vorgaben für die Verwendung missachteten. mrb

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    Kriegsparteien im Sudan nehmen Waffenstillstands-Gespräche wieder auf

    Die Bürgerkriegsparteien haben im Sudan nach vier Monaten Unterbrechung wieder Gespräche über einen Waffenstillstand aufgenommen. Das teilte das US-Außenministerium am Sonntag mit. Die Gespräche seien unter Vermittlung der USA, Saudi-Arabiens, und der ostafrikanischen Regionalorganisation Intergovernmental Authority on Development (IGAD) gemeinsam mit der Afrikanischen Union arrangiert worden.

    Die wiederaufgenommenen Gespräche sollen auch die Lieferung humanitärer Hilfe erleichtern und dauerhafte Friedensverhandlungen auf den Weg bringen, teilte Matthew Miller, Sprecher des US-Außenministeriums, mit.

    Die von Mohamed Hamdan Dagalo, genannt Hemedti, geführten Rapid Support Forces und die Armee unter dem Kommando von Abdel Fattah al-Burhan bekämpfen sich seit April dieses Jahres. Rund sechs Millionen Menschen wurden seitdem vertrieben, Tausende getötet. Vergangene Woche hatten die RSF noch die strategisch wichtige Stadt Nyala eingenommen, wie beide Kriegsparteien bestätigten.

    Die USA und Saudi-Arabien, die in dem Konflikt vermitteln, hatten die Gespräche im Juni ausgesetzt, nachdem ausgehandelte Feuerpausen mehrfach verletzt wurden. Im Mai hatte die Militärjunta den deutschen UN-Sondergesandten in Khartum, Volker Perthes, zur unerwünschten Person erklärt. Perthes wurde jetzt von UN-Generalsekretär António Guterres mit der Erarbeitung des Strategic Review der Irak-Mission beauftragt (siehe Personalie in dieser Ausgabe). bub

    • Igad

    Zentralrat der Juden für bessere Ausstattung von Sicherheitsbehörden

    Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, würde eine bessere Ausstattung von Sicherheitsbehörden begrüßen. Wenn dadurch “mehr Personal für den Schutz jüdischer Einrichtungen, für die Auflösung von israelfeindlichen Kundgebungen oder für die Zerschlagung antisemitischer Netzwerke vorhanden ist, dann wäre das klug und wichtig”, sagte er Table.Media. Zudem betonte Schuster, dass es aus seiner Sicht “nicht am Willen, sondern am Personal” mangele.

    Nachdem die Gewerkschaft der Polizei (GdP) Mitte Oktober ein “Sondervermögen Innere Sicherheit” gefordert hatte, hatte sich Bundesfinanzminister Christian Lindner am Sonntagabend dagegen ausgesprochen. In der ARD sagte er, dass die Sicherheitsbehörden in den vergangenen Jahren bereits gestärkt worden seien. Beim Schutz jüdischer Einrichtungen mahnte der Finanzminister eine bessere Zusammenarbeit von Bund und Ländern an.

    Die GdP hatte Mitte Oktober in einem an Olaf Scholz gerichteten Brief gemahnt, dass Terrorismusbekämpfung und die Vorkehrungen zur Abwehr hybrider Angriffe in Deutschland unterfinanziert seien. Wenige Tage später zeigten sich auch die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic, und der stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Konstantin von Notz, offen gegenüber der Idee eines Sondervermögens Innere Sicherheit. Gerade jetzt müsse man den Fokus auf das veränderte Demonstrationsgeschehen und den notwendigen Schutz jüdischer und israelischer Einrichtungen legen. “Alle Beteiligten sind aufgefordert, intensiv zu prüfen, inwieweit die Vorlage eines ‘Sondervermögens Innere Sicherheit’ möglich ist”, so die beiden Grünen-Politiker. asc

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    Presseschau

    Frankfurter Allgemeine Zeitung: “Russland will eine Verschärfung des Nahostkonflikts”. Janis Sarts ist Direktor des Nato-Kompetenzzentrums für Strategische Kommunikation. Im Interview spricht er über Desinformation im Krieg der Hamas, Lehren aus der Ukraine – und Moskaus Propaganda auf der Plattform X.

    Die Zeit: Wie verhandelt man mit Terroristen, Herr Baskin? Seit 18 Jahren steht Gershon Baskin im direkten Kontakt mit der Hamas – er ist einer der wenigen Menschen, der mit hochrangigen Akteuren auf beiden Seiten sprechen kann. Im Interview erklärt der Vermittler, welche Rolle die USA, Katar, Ägypten und der Iran in den aktuellen Verhandlungen spielen und warum es eines Waffenstillstands bedarf.

    ZDF: Die Figuren hinter Putin im russischen Machtsystem. Die Dokumentation legt den Blick auf die Menschen hinter dem Autokraten. Wladimir Putin Es geht um Politiker, Diplomaten und Kriegsherren, um Oligarchen, Geheimdienstler, Propagandisten und Apparatschiks, um Menschen mit viel Geld und großer Macht – die aber letztendlich doch immer nur auf Putin zuläuft.

    La Tribune: Exportations d’armes – la France va-t-elle se jeter dans le piège allemand? Die französische Groupe Vauban wettert in diesem Gastbeitrag gegen die deutsche Rüstungs-Exportpolitik. Das Fazit: “Deutschland ist kein verlässlicher Partner.” Interessanter Standpunkt, der die Sorgen der französischen Sicherheitsindustrie vor einem deutschen Rüstungsexportkontrollgesetz eindringlich verdeutlicht.

    Heads

    Stephan Haisch – Zwei Sterne und vier Hüte

    Stephan Haisch ist Kommandeur des DEU MARFOR in Rostock.

    “Hier bin ich zu Hause”, sagt Konteradmiral Stephan Haisch mit einem breiten Lächeln. Er meint die Hohe See, aber auch das amerikanische Amphibienschiff Mesa Verde, von dem aus er im September das Großmanöver Northern Coasts vor der Küste Rigas beobachtet. Für Kriegsschiffe brennt er, seit er in der Grundschulzeit von einem Freund ein Modellbauschiff bekam – den amerikanischen Flugzeugträger Yorktown. 

    Um seine Begeisterung für Schiffe mit der für Betriebswirtschaft zu kombinieren, trat Haisch 1986 in die Marine ein. Dort durchlief er seine Offizierslaufbahn an der Marineschule Mürwik, auf dem Segelschulschiff Gorch Fock und dem Schulschiff Deutschland. Von 1987 bis 1991 studierte er Wirtschafts- und Organisationswissenschaften und absolvierte von 2001 bis 2003 den Generalstabslehrgang an der Führungsakademie der Bundeswehr. Nach verschiedenen Verwendungen, unter anderem im Verteidigungsministerium, beim Flottenkommando in Glücksburg und beim Bundesamt für Personalmanagement in Köln, leitete er von 2015 bis 2017 als Chef des Stabes und stellvertretender Kommandeur die Einsatzflottille 1 in Kiel. 

    Führungsfähig auch aus der Distanz

    Inzwischen hat Haisch, 1967 in Geislingen an der Steige geboren, mehr als 100 Modellbauschiffe – und seit dem gestrigen Montag den Ärmelstreifen eines Konteradmirals. Die Beförderung zum Zwei-Sterne-Admiral durch Verteidigungsminister Boris Pistorius folgte seiner Ernennung zum Kommandeur des militärischen maritimen Führungsstabs German Maritime Forces Staff (DEU MARFOR) im Marinekommando in Rostock im September. 

    Diesen multinationalen Führungsstab kennt wohl niemand besser als Haisch, der ihn als stellvertretender Befehlshaber seit April 2019 aufgebaut und geführt hat. “Das Ziel war von Anfang an klar, aber den Weg dahin in großen Teilen selbst bestimmen und gestalten zu können, war eine riesige Chance für mich. Erfahrung und ein Netzwerk mit den Kameraden im Ausland haben da geholfen”, sagt Haisch. 

    Aus dem DEU MARFOR heraus plant, unterstützt und führt der Stab maritime Manöver der Marine, teilweise zusammen mit anderen Ländern, in der Ostsee. Das jüngste Beispiel: eben jene Übung Northern Coasts mit 14 teilnehmenden Nationen. Nicht vor Ort, sondern in der “Zentrale” in Rostock zu sein, sei ihm nicht leicht gefallen, sagt er. Aber damit habe Deutschland bewiesen, dass es aus der Distanz führen könne.

    DEU MARFOR könnte als Nato-Headquarters für die Ostsee dienen

    Vergleichbar ist der Stab mit den Maritime-Forces-Einsatzstäben in Großbritannien, Frankreich und Italien, die ebenfalls von Zwei-Sterne-Admiralen geführt werden. Zukünftig, so hofft Haisch, wird das DEU MARFOR als Nato-Headquarters für die Ostsee dienen. “Wir haben diesen Stab seit 2019 mit viel Engagement und Expertise aufgebaut, darin sehr viele Fähigkeiten und Kapazitäten etabliert und ihn sichtbar gemacht, sodass nun ein solides Angebot auf dem Tisch liegt.” Die Entscheidung der Nato steht noch aus. 

    Das DEU MARFOR ist für Haisch aber nun nur noch einer von vier Hüten, die er aufhat. Gleichzeitig ist er Leiter der Abteilung Maritime Operationen mit ihren verschiedenen Teilbereichen und Kommandeur der Einsatzkräfte der Marine. Zusätzlich koordiniert er als “Submarine Operating Authority” U-Boote der Marine in der Ost- und Teilen der Nordsee. 

    Bis sein Nachfolger als Stellvertretender Befehlshaber für das DEU MARFOR im Einsatz ist, bleibt fürs Rausfahren aufs Meer wenig Zeit. Haisch nimmt es gelassen – und genießt die Tage umso mehr, an denen er Schiffsstahl unter den Füßen hat. Lisa-Martina Klein

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    Personalie

    Volker Perthes hat die Leitung des Unabhängigen Strategischen Reviews der Hilfsmission der Vereinten Nationen für den Irak (Unami) übernommen. Fünf Monate nachdem die Militärjunta in Sudan den deutschen UN-Diplomaten zur unerwünschten Person erklärte, wurde Perthes von UN-Generalsekretär António Guterres mit der Erarbeitung des Strategic Review der Irak-Mission beauftragt. Anfang November reist der 65 Jahre alte Politologe zum Amtsantritt nach Bagdad, zudem sind monatliche Besuche im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York vorgesehen. Perthes war von 2021 bis zum Beginn des Kriegs im Sudan als Sondergesandter von Guterres in Khartum tätig. Von 2015 bis 2018 beriet er den UN-Sondergesandten für Syrien in Genf und leitete dort die Waffenstillstands-Taskforce der Internationalen Syrien-Unterstützungsgruppe. Vor seiner diplomatischen Laufbahn war Perthes von 2005 bis 2020 Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Das Mandat für die Erarbeitung des Strategic Review der UN-Mission im Irak läuft bis März 2024; bis dahin soll Perthes dem Abschlussbericht dem UN-Sicherheitsrat vorlegen. mrb

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