wie geht es weiter nach dem Tod des iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi? Manche hatten ihn bereits als nächsten Obersten Führer des Iran gesehen, womit der als Hardliner geltende Präsident auch Oberster Befehlshaber der Armee gewesen wäre.
Nach den Cyberattacken auf Emailkonten der SPD-Parteizentrale und deutsche Unternehmen hat die Bundesregierung im April scharf reagiert – groß ist die Angst vor Wahlmanipulation durch Hacker wie in den USA. Wilhelmine Preußen erklärt, welche Werkzeuge die EU in der Hand hat, um die Europawahl vor Angriffen zu schützen.
Heute bricht Verteidigungsminister Boris Pistorius zu einem zweitägigen Besuch ins Baltikum auf. Dort ist auch ein Treffen mit den Verteidigungsministern der drei baltischen Staaten geplant. Thema: die Stärkung der Nato-Ostflanke sowie weitere Unterstützung der Ukraine.
Einen guten Start in die kurze Woche wünscht Ihnen
Die Reaktion der Bundesregierung und ihrer internationalen Verbündeten auf die Hackerangriffe im vergangenen Jahr gegen die SPD und Unternehmen war scharf. Und es könnten noch weitere Maßnahmen folgen – fraglich ist, wie viel sie nützen.
Die Aussagen des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell legen nahe, dass die Mitgliedstaaten auch Sanktionen gegen russische Akteure in dem Zusammenhang nicht ausschließen. Er kündigte Anfang Mai an, dass Europa das “gesamte Spektrum an Maßnahmen nutzen wird, um auf Russlands bösartiges Verhalten im Cyberspace” zu reagieren. Damit sollten weitere russische Operationen abgeschreckt und verhindert werden.
“Falls den Regierungsstellen entsprechende Informationen vorliegen, wäre denkbar, dass entweder Einzelpersonen oder Gruppen, die an der Spionageoperation gegen die SPD beteiligt waren, sanktioniert werden”, erläutert Alexandra Paulus, Cybersicherheitsexpertin der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Das könnte beispielsweise bedeuten, dass Konten eingefroren oder Einreiserestriktionen gegen Personen oder Einrichtungen verhängt werden, die im Zusammenhang mit der Cyberoperation stehen. “Die Hoffnung ist, dass es langfristig zu Rekrutierungsproblemen auf russischer Seite führt”, so Paulus.
Die EU-Mitgliedstaaten haben 2019 einen Rahmen (bekannt als Cyber Diplomacy Toolbox) angenommen. Dieser ermöglicht es der EU, Sanktionen zur Verhinderung von oder Reaktion auf Cyberangriffe, die eine externe Bedrohung für die EU oder ihre Mitgliedstaaten darstellen, zu verhängen. Das soll die EU ermächtigen, eine gemeinsame, koordinierte diplomatische Gegenreaktion auf schwerwiegende Cybervorfälle unterhalb der Schwelle eines bewaffneten Konflikts zu zeigen.
2020 kam dieses Sanktionsregime erstmalig zum Einsatz – Jahre nach den zugehörigen Cybervorfällen, namentlich der Bundestag-Hack 2015, WannaCry, NotPetya (beide 2017), der Angriff auf die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OVCW) und die Operation Cloud Hopper. Trotz dieser neuen Instrumente steigt die Zahl der Cyberangriffe von Jahr zu Jahr.
“Es gibt wenig Indizien, dass wir dem Problem Herr geworden sind”, so auch Matthias Schulze im Rahmen einer Veranstaltung des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH). Er leitet dort den Forschungsschwerpunkt “Internationale Cybersicherheit”. Auch deswegen würden jetzt viele Staaten anfangen über eigene, auch offensive, Cyberoperationen nachzudenken.
Dass es tatsächlich zu entsprechenden Sanktionen kommt, ist bislang nicht abzusehen. Weder das Bundesministerium des Inneren, noch das Auswärtige Amt wollte sich über die öffentlichen Statements hinaus zu weiteren Maßnahmen äußern. Mehrere EU-Diplomaten in Brüssel erklärten gegenüber Table.Briefings, dass es derzeit keine konkreten Verhandlungen zu derartigen Sanktionsvorbereitungen gibt. In der Praxis sind diese Sanktionen schwer zu realisieren, auch weil es der Einstimmigkeit der Mitgliedstaaten bedarf.
Dass dennoch eine so konzertierte und vergleichsweise schnelle Reaktion der EU-Staaten und auch der Nato zustande gekommen ist, zeigt, wie besorgt die westlichen Staaten vor allem im Kontext des Superwahljahres sind. 2024 finden nicht nur wichtige Landtagswahlen in Deutschland, sondern auch die Europawahl und die Wahlen in den USA statt
Das Ausspähen ausländischer Regierungen und Unternehmen ist normalerweise gängige Praxis und ist im Gegensatz zu kinetischen Cyberangriffen, Angriffen mit direkten oder indirekten physischen Schäden, völkerrechtlich akzeptiert. Es ist nicht Teil der freiwilligen Normen, auf die sich die VN-Mitgliedstaaten 2015 geeinigt haben. Vor dem Hintergrund sind die öffentliche Zuschreibung der Operationen der Gruppe APT28, die vom russischen Geheimdienst GRU geführt wird, und die anschließende Einbestellung des russischen Botschafters durch die Bundesregierung bereits als harte diplomatische Mittel zu sehen.
Aus Sicht der Expertin Paulus zeigt das, dass die Bundesregierung “Angst vor dem 2016 USA Moment” habe. Damals wurden E-Mails der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton öffentlich gemacht, was mutmaßlich den Wahlkampf enorm beeinflusst hat. “Auch wenn jetzt erst einmal ,nur’ spioniert wurde, ist die Frage: Was macht man dann damit?”, so Paulus.
Nach dem tödlichen Hubschrauberabsturz von Präsident Ebrahim Raisi und Außenminister Hossein Amir Abdollahian ist das Regime in Teheran um Ruhe bemüht. Nach dem Tod Raisis werde man ohne “die geringste Störung” weiterarbeiten, teilte das Kabinett am Montag mit, Revolutionsführer Ali Khamenei ordnete fünf Tage Staatstrauer an.
Die Interimsnachfolge Raisis übernahm Mohammad Mokhber; laut Verfassung muss er in den kommenden fünfzig Tagen die Neuwahl des Staatsoberhaupts in die Wege leiten. Ali Bagheri Kani ist neuer Außenminister; in der Vergangenheit fungierte er unter anderem als Irans Chefunterhändler bei den Beratungen über ein Atomabkommen mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA).
Der Tod des iranischen Staatsoberhaupts trifft die Islamische Republik in einer Zeit innerer und regionaler Unruhen. Neben Massenprotesten gegen die reaktionäre Führung um Religionsführer Khamenei waren im Januar bei einem Anschlag der Terrororganisation Islamischer Staat in Kerman mehr als achtzig Menschen getötet worden.
Im April griff die iranische Luftwaffe Israel mit mehr als 300 Drohnen und Marschflugkörpern an – eine Zäsur im Nahostkonflikt, wo die beiden Staaten seit Jahrzehnten einen Schattenkrieg gegeneinander führten, eine direkte Konfrontation jedoch vermieden.
Israel erwartet Medienberichten zufolge keine großen Änderungen in der Außenpolitik des Erzfeindes gegenüber dem eigenen Land. Unter Berufung auf namentlich nicht genannte Regierungsvertreter hieß es zudem, dass Israel nichts mit dem Vorfall zu tun habe.
Ein möglicher Absturzgrund: Irans Luftwaffe gilt als stark veraltet, ihre Modernisierung kommt angesichts scharfer internationaler Sanktionen kaum voran, Ersatzteile sind schwer zu beschaffen. Viele Flugzeuge und Helikopter stammen noch aus der Zeit vor der Islamischen Revolution von 1979, als das Land enge Beziehungen zu den USA unterhielt. Immer wieder kommt es zu folgenschweren Unfällen und Abstürzen.
Raisi galt als potenzieller Nachfolger des 85 Jahre alten Khamenei – eine Rolle, die Raisis bisherigem Stellvertreter Mokhber nicht zugetraut wird. Vor seiner Ernennung zum Vizepräsidenten 2021 war der 68 Jahre alte Mokhber an leitenden Stellen in Wirtschaftskonglomeraten tätig, die direkt Revolutionsführer Khamenei unterstellt sind.
Russland verliert mit Raisi einen engen Partner. 2022 war Raisi gemeinsam mit hochrangigen Sicherheitsoffiziellen nach Moskau gereist, um den Verkauf von Shahed-Drohnen und ballistischen Flugkörpern an Russland abzuwickeln. Die russische Armee nutzt diese im Krieg gegen die Ukraine. Präsident Wladimir Putin bezeichnete den Tod Raisis am Montag als “unersetzlichen Verlust”.
Auch Chinas Staatschef Xi Jinping brachte am Montag in einer offiziellen Beileidsbotschaft seine tiefe Trauer zum Ausdruck. Raisi habe seit seinem Amtsantritt einen wichtigen Beitrag zur Festigung und zum Ausbau der umfassenden strategischen Partnerschaft zwischen China und Iran geleistet, schrieb Xi. Raisi verfolgte in seiner Zeit als Präsident eine “Look East”-Politik: Unter seiner Präsidentschaft verschlechterten sich Irans Beziehungen zum Westen, während die Bindung an China – und auch Russland – deutlich verstärkt wurden. In Peking nahm man das freudig zur Kenntnis, lobte Teheran als “Freund” und “strategischen Partner”. Eine ausführliche Analyse zum iranisch-chinesischen Verhältnis lesen Sie hier. mrb/rad/dpa
Das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) fordert die Bundesregierung auf, die Anträge auf Haftbefehl gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und Hamas-Führer Jahia Sinwar zu unterstützen. Das sagte Andreas Schüller, Programmleiter Völkerstraftaten beim ECCHR gegenüber Table.Briefings. Die Bundesregierung solle so agieren, “wie sie es auch in anderen Fällen in der Vergangenheit als zweitgrößter Geldgeber des Internationalen Strafgerichtshof immer getan hat”.
Am Montag hatte der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag, Karim Khan, Haftbefehle gegen Netanjahu, den israelischen Verteidigungsminister Joav Galant sowie Hamas-Anführer Sinwar, den Militärchef der Terrororganisation, Mohammed Deif, sowie den Leiter des Hamas-Politbüros, Ismail Haniyah beantragt. Es gehe um mutmaßliche Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, teilte Khan in einer am Montag veröffentlichten Erklärung mit. Konkret wirft er Netanjahu und Galant darin unter anderem das Aushungern von Zivilisten als Kriegsmittel vor.
Dass der Gerichtshof sich “nicht dem israelischen und auch nicht dem massiven US-amerikanischen Druck” gebeugt habe und seine Ermittlungen auch mit Haftbefehlen fortzuführen beabsichtige, könne “nicht hoch genug bewertet werden”, sagte Schüller. Die Anträge seien deshalb “ein bedeutsamer juristischer Schritt” und bedeuteten eine “Stärkung des internationalen Rechts”.
Das Auswärtige Amt kritisierte am Montagabend, dass mit der gleichzeitigen Beantragung der Haftbefehle für einen Hamas-Führer und israelische Amtsträger “der unzutreffende Eindruck einer Gleichsetzung” entstanden sei. Das Gericht habe unterschiedliche Sachverhalte zu bewerten. Die Hamas-Führer verantworteten “ein barbarisches Massaker, bei dem am 7. Oktober in Israel Männer, Frauen und Kinder auf brutalste Weise gezielt ermordet, vergewaltigt und verschleppt wurden.” Sie halte weiterhin Geiseln “unter unsäglichen Bedingungen” gefangen, greife Israel mit Raketen an und missbrauche die Zivilbevölkerung in Gaza “als menschliche Schutzschilde.” Die israelische Regierung habe das Recht und die Pflicht, ihre Bevölkerung davor zu schützen. Klar sei, “dass dabei das humanitäre Völkerrecht mit all seinen Verpflichtungen gilt.”
Die Richter des Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag müssen nun entscheiden, ob die Haftbefehle tatsächlich ausgestellt werden. mrb/bub/fk
Verteidigungsminister Boris Pistorius bricht am heutigen Dienstag zu einer zweitägigen militärpolitischen Reise ins Baltikum auf. Auf dem Programm für Dienstag stehen zwei kurze Truppenbesuche in Lettland und Litauen, dazu Gespräche mit allen drei baltischen Verteidigungsministern.
Groß angekündigt war die Reise nicht. Aus Kreisen des Verteidigungsministeriums ist zu hören, dass es neben der Stärkung der Ostflanke auch um weitere Militärhilfen für die Ukraine gehen soll. Die baltischen Staaten plädieren seit längerem dafür, dass die Nato-Mitglieder sich verpflichten, 0,25 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für die Ukraine bereitzustellen. Am Sonntag hatte die “Bild am Sonntag” gemeldet, dass Pistorius die Militärhilfe im laufenden Haushalt noch einmal aufstocken wolle und sein Ministerium einen Mehrbedarf von 3,8 Milliarden Euro angemeldet habe. Das Verteidigungsministerium bestätigte dies auf Anfrage von Table.Briefings nicht.
Siemtje Möller, Parlamentarische Staatssekretärin im Verteidigungsministerin, schrieb am Montag nach einem Treffen der Ukraine Defence Contact Group allerdings in einem LinkedIn-Post, dass Deutschland inzwischen Militärhilfen in Höhe von insgesamt 28 Milliarden Euro für die Unterstützung der Ukraine bereitgestellt habe. “Diese Mittel wollen wir noch im laufenden Haushaltsjahr aufstocken”, schrieb sie.
Pistorius wird gegen 12.30 Uhr für einen kurzen Besuch bei der deutschen Truppe auf dem Militärflughafen im lettischen Lielvārde erwartet, bestätigte ein Sprecher der Luftwaffe. Seit März sind die Eurofighter der Luftwaffe für die Nato-Mission “enhanced Air Policing” in Lettland stationiert, da auf dem eigentlichen Standort im estnischen Ämari die Start- und Landebahnen erneuert werden müssen.
In Lielvārde wird er auch seinen lettischen Amtskollegen Andris Sprūds treffen. Wie Table.Briefings aus Kreisen des Verteidigungsministeriums erfuhr, wird Pistorius eine gute Nachricht für Sprūds im Gepäck haben: Deutschland will zum 1. September dieses Jahres nun auch in Lettland einen eigenen Militärattachéstab aufbauen. Damit werden alle drei baltischen Staaten einen eigenen Verteidigungsattaché haben, denn zum 1. September 2023 hatte bereits Estland einen eigenen Attaché bekommen. Davor war der finnische Attaché für Estland zuständig.
Im Anschluss fliegt Pistorius mit Sprūds nach Litauen. In Palanga an der Ostseeküste wird Pistorius ebenfalls deutschen Soldaten einen kurzen Besuch abstatten, die im Rahmen der Übung Quadriga vor Ort sind. Dort stoßen dann der litauische Verteidigungsminister Laurynas Kasčiūnas sowie der estnische Amtskollege Hanno Pevkur für Gespräche mit Pistorius hinzu. klm
Paris hat mehr Sicherheitskräfte in sein Überseegebiet Neukaledonien geschickt, um die gewaltvollen Proteste unter Kontrolle zu bekommen, die vor mehr als einer Woche begonnen hatten. Am Sonntag hatte der französische Innenminister Gérald Darmanin auf X verkündet, dass dank 700 zusätzlicher Sicherheitskräfte und 350 weiterer, die am Montag eintreffen sollten, die Räumung der sechzig Kilometer langen Straße, die den Flughafen La Tontouta mit der Hauptstadt Nouméa verbindet, ein Erfolg gewesen sei.
Die Straße war von Protestierenden mit Barrikaden blockiert worden. Australien und Neuseeland drängen auf eine Wiederöffnung des Flughafens, um ihre Staatsangehörigen evakuieren zu können. Am Montag sagte der Leiter der neukaledonischen Industrie- und Handelskammer, dass bis Donnerstagmorgen keine kommerziellen Flüge von dort starten würden.
Bei den Unruhen auf der Pazifikinsel, die seit einer Woche andauern, sind nach Angaben von örtlichen Behörden bislang sechs Menschen getötet worden. Die Ausschreitungen sind eine Reaktion auf eine Reform, die vorsieht, dass Franzosen, die seit mindestens zehn Jahren dort leben, das Wahlrecht erhalten. Unabhängigkeitsbefürworter befürchten einen Einflussverlust der Kanaken genannten Einwohner Neukaledoniens.
Für Frankreich hat Neukaledonien auch einen geostrategischen Wert. Im Juli war Präsident Emmanuel Macron mit Teilen seines Kabinetts in die Region gereist und hatte versprochen, dort 200 weitere Soldaten zu stationieren und 150 Millionen Euro in einen Marinestützpunkt investieren zu wollen. Frankreich will im Indopazifik zeigen, dass es ein dritter Pol neben den USA und China sein kann. In Neukaledonien wird zudem ein Viertel des weltweiten Nickel-Vorkommens vermutet, das zum Beispiel in der Produktion von Autobatterien verwendet wird.
In seinen früheren Gebieten schlagen Frankreich Dekolonisierungsbewegungen entgegen. Mali hatten die französischen Truppen nach einem gescheiterten Einsatz 2022 verlassen, in Niger waren antifranzösische Ressentiments 2023 Grund für den französischen Rückzug. bub
CSIS: NATO and Economic Security: A Political Oxymoron or Inevitability? Die Rolle der Nato ist nach wie vor auf Landesverteidigung und Abschreckung fokussiert – angesichts der zunehmenden “hybriden Kriegsführung” könnte sich das als Schwäche erweisen. Beispielsweise könne die Nato sich Themen wie der Widerstandsfähigkeit der Lieferkette von kritischen Mineralien annehmen.
The Atlantic: Who Would Benefit From Ebrahim Raisi’s Death? In Teheran dürfte nach dem Tod von Ebrahim Raisi ein heftiger Machtkampf ausbrechen, schreibt der Iran-Experte Arash Azizi. Raisis Passivität habe Herausforderer unter den Hardlinern ermutigt.
New York Times: The Unpunished – How Extremists Took Over Israel. Basierend auf zahlreichen Interviews unter anderem mit Vertretern der israelischen Armee, der Geheimdienste und ehemaligen Premierministern, sowie internen Dokumenten, legt diese Recherche die wachsende Gewalt extremistischer israelischer Siedler im Westjordanland dar – und das Versagen der israelischen Strafverfolgungsbehörden.
Lange bevor der Begriff Desinformation in den Google Trends auftauchte, musste sich Hendrik Sittig damit bereits auseinandersetzen. Der 48-Jährige leitet das Medienprogramm der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Subsahara-Afrika. Bis vor kurzem leitete er ein ähnliches Programm für Südosteuropa, mit Hauptsitz in Sofia, Bulgarien. Sowohl in Südosteuropa als auch im südlichen Afrika war und ist seine wichtigste Aufgabe die Vernetzung lokaler Journalistinnen und Journalisten. Doch insbesondere wegen Russlands Desinformationspolitik in diesen Regionen ist auch dieses Thema stets präsent in seinem Arbeitsalltag.
Da ist es ein besonderer Pluspunkt, dass Sittig sich auch mit Russland auskennt – er war als Journalist und auch als ehemaliger Leiter eines Journalismusprogramms der KAS in Moskau.
“Nach Februar 2022 ist das Thema Desinformation geradezu explodiert”, erzählt Sittig während eines Video-Telefonats. Damals, als die russische Armee einen Großangriff auf die Ukraine begann, war er noch in Sofia. “Russland ist uns in diesem Bereich zwei Schritte voraus”, ergänzt er. “Sie können das, sie sind damit schon viel länger dabei.” Besonders in den sozialen Medien wie auf X habe die Zahl gefälschter Accounts und Kommentare, die die Sichtweise Russlands unterstützten, zugenommen.
Russland hat in Südafrika eine starke diplomatische Präsenz und pflegt zur regierenden Partei ANC seit der Zeit der Sowjetunion sehr enge Beziehungen. Bei wirtschaftlichem Engagement kann Moskau zwar mit Europa und den USA nicht mithalten, doch von der ehemaligen Unterstützung des Anti-Apartheid-Kampfes profitiert der Kreml immer noch. Persönliche Verbindungen spielen dabei eine große Rolle.
Aktuell überlagere aber der Gaza-Krieg das Thema Ukraine, sagt Sittig. Er ist in der ehemaligen DDR geboren, hat in Leipzig Journalismus und Psychologie studiert. Danach ging’s “raus in die Welt und was mit Medien machen”, lacht er. Das ist für Sittig aber nicht nur eine Phrase. Sein Hintergrund und seine Erfahrungen sensibilisieren ihn für die unterschiedlichen Blickwinkel auf ein und dasselbe Ereignis. “Es ist sehr, sehr spannend zu sehen, wie im Globalen Süden bestimmte Konflikte betrachtet werden“, erläutert er. In Südafrika sei beispielsweise die Überzeugung verbreitet, dass Russland einen gerechten Krieg führe.
Das Medienprojekt der KAS hilft dann seinerseits bei einem Perspektivwechsel und ermöglichte etwa drei afrikanischen Journalisten eine Reise in die Ukraine, um mit eigenen Augen zu sehen, was da geschieht. Sittig verweist darauf, dass sein Kollege Christoph Plate, der jetzt wiederum in Sofia das Medienprogramm leitet, die Reise der afrikanischen Journalisten in die Ukraine initiiert hatte.
Sittig, der mit seiner Frau und zwei jüngeren Söhnen nach Johannesburg gezogen ist, merkt nun selbst stärker als zuvor, dass die Berichterstattung über den gesamten afrikanischen Kontinent in deutschen Medien “eher negativ ist”. Aufklärung sei auch bei deutschen Journalistinnen und Journalisten nötig, sagt er. Seine Aufgabe sei deshalb, eine Brückenfunktion einzunehmen, Menschen zusammenzubringen und diese Menschen die unterschiedlichen Perspektiven kennenlernen zu lassen. Viktor Funk
wie geht es weiter nach dem Tod des iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi? Manche hatten ihn bereits als nächsten Obersten Führer des Iran gesehen, womit der als Hardliner geltende Präsident auch Oberster Befehlshaber der Armee gewesen wäre.
Nach den Cyberattacken auf Emailkonten der SPD-Parteizentrale und deutsche Unternehmen hat die Bundesregierung im April scharf reagiert – groß ist die Angst vor Wahlmanipulation durch Hacker wie in den USA. Wilhelmine Preußen erklärt, welche Werkzeuge die EU in der Hand hat, um die Europawahl vor Angriffen zu schützen.
Heute bricht Verteidigungsminister Boris Pistorius zu einem zweitägigen Besuch ins Baltikum auf. Dort ist auch ein Treffen mit den Verteidigungsministern der drei baltischen Staaten geplant. Thema: die Stärkung der Nato-Ostflanke sowie weitere Unterstützung der Ukraine.
Einen guten Start in die kurze Woche wünscht Ihnen
Die Reaktion der Bundesregierung und ihrer internationalen Verbündeten auf die Hackerangriffe im vergangenen Jahr gegen die SPD und Unternehmen war scharf. Und es könnten noch weitere Maßnahmen folgen – fraglich ist, wie viel sie nützen.
Die Aussagen des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell legen nahe, dass die Mitgliedstaaten auch Sanktionen gegen russische Akteure in dem Zusammenhang nicht ausschließen. Er kündigte Anfang Mai an, dass Europa das “gesamte Spektrum an Maßnahmen nutzen wird, um auf Russlands bösartiges Verhalten im Cyberspace” zu reagieren. Damit sollten weitere russische Operationen abgeschreckt und verhindert werden.
“Falls den Regierungsstellen entsprechende Informationen vorliegen, wäre denkbar, dass entweder Einzelpersonen oder Gruppen, die an der Spionageoperation gegen die SPD beteiligt waren, sanktioniert werden”, erläutert Alexandra Paulus, Cybersicherheitsexpertin der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Das könnte beispielsweise bedeuten, dass Konten eingefroren oder Einreiserestriktionen gegen Personen oder Einrichtungen verhängt werden, die im Zusammenhang mit der Cyberoperation stehen. “Die Hoffnung ist, dass es langfristig zu Rekrutierungsproblemen auf russischer Seite führt”, so Paulus.
Die EU-Mitgliedstaaten haben 2019 einen Rahmen (bekannt als Cyber Diplomacy Toolbox) angenommen. Dieser ermöglicht es der EU, Sanktionen zur Verhinderung von oder Reaktion auf Cyberangriffe, die eine externe Bedrohung für die EU oder ihre Mitgliedstaaten darstellen, zu verhängen. Das soll die EU ermächtigen, eine gemeinsame, koordinierte diplomatische Gegenreaktion auf schwerwiegende Cybervorfälle unterhalb der Schwelle eines bewaffneten Konflikts zu zeigen.
2020 kam dieses Sanktionsregime erstmalig zum Einsatz – Jahre nach den zugehörigen Cybervorfällen, namentlich der Bundestag-Hack 2015, WannaCry, NotPetya (beide 2017), der Angriff auf die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OVCW) und die Operation Cloud Hopper. Trotz dieser neuen Instrumente steigt die Zahl der Cyberangriffe von Jahr zu Jahr.
“Es gibt wenig Indizien, dass wir dem Problem Herr geworden sind”, so auch Matthias Schulze im Rahmen einer Veranstaltung des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH). Er leitet dort den Forschungsschwerpunkt “Internationale Cybersicherheit”. Auch deswegen würden jetzt viele Staaten anfangen über eigene, auch offensive, Cyberoperationen nachzudenken.
Dass es tatsächlich zu entsprechenden Sanktionen kommt, ist bislang nicht abzusehen. Weder das Bundesministerium des Inneren, noch das Auswärtige Amt wollte sich über die öffentlichen Statements hinaus zu weiteren Maßnahmen äußern. Mehrere EU-Diplomaten in Brüssel erklärten gegenüber Table.Briefings, dass es derzeit keine konkreten Verhandlungen zu derartigen Sanktionsvorbereitungen gibt. In der Praxis sind diese Sanktionen schwer zu realisieren, auch weil es der Einstimmigkeit der Mitgliedstaaten bedarf.
Dass dennoch eine so konzertierte und vergleichsweise schnelle Reaktion der EU-Staaten und auch der Nato zustande gekommen ist, zeigt, wie besorgt die westlichen Staaten vor allem im Kontext des Superwahljahres sind. 2024 finden nicht nur wichtige Landtagswahlen in Deutschland, sondern auch die Europawahl und die Wahlen in den USA statt
Das Ausspähen ausländischer Regierungen und Unternehmen ist normalerweise gängige Praxis und ist im Gegensatz zu kinetischen Cyberangriffen, Angriffen mit direkten oder indirekten physischen Schäden, völkerrechtlich akzeptiert. Es ist nicht Teil der freiwilligen Normen, auf die sich die VN-Mitgliedstaaten 2015 geeinigt haben. Vor dem Hintergrund sind die öffentliche Zuschreibung der Operationen der Gruppe APT28, die vom russischen Geheimdienst GRU geführt wird, und die anschließende Einbestellung des russischen Botschafters durch die Bundesregierung bereits als harte diplomatische Mittel zu sehen.
Aus Sicht der Expertin Paulus zeigt das, dass die Bundesregierung “Angst vor dem 2016 USA Moment” habe. Damals wurden E-Mails der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton öffentlich gemacht, was mutmaßlich den Wahlkampf enorm beeinflusst hat. “Auch wenn jetzt erst einmal ,nur’ spioniert wurde, ist die Frage: Was macht man dann damit?”, so Paulus.
Nach dem tödlichen Hubschrauberabsturz von Präsident Ebrahim Raisi und Außenminister Hossein Amir Abdollahian ist das Regime in Teheran um Ruhe bemüht. Nach dem Tod Raisis werde man ohne “die geringste Störung” weiterarbeiten, teilte das Kabinett am Montag mit, Revolutionsführer Ali Khamenei ordnete fünf Tage Staatstrauer an.
Die Interimsnachfolge Raisis übernahm Mohammad Mokhber; laut Verfassung muss er in den kommenden fünfzig Tagen die Neuwahl des Staatsoberhaupts in die Wege leiten. Ali Bagheri Kani ist neuer Außenminister; in der Vergangenheit fungierte er unter anderem als Irans Chefunterhändler bei den Beratungen über ein Atomabkommen mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA).
Der Tod des iranischen Staatsoberhaupts trifft die Islamische Republik in einer Zeit innerer und regionaler Unruhen. Neben Massenprotesten gegen die reaktionäre Führung um Religionsführer Khamenei waren im Januar bei einem Anschlag der Terrororganisation Islamischer Staat in Kerman mehr als achtzig Menschen getötet worden.
Im April griff die iranische Luftwaffe Israel mit mehr als 300 Drohnen und Marschflugkörpern an – eine Zäsur im Nahostkonflikt, wo die beiden Staaten seit Jahrzehnten einen Schattenkrieg gegeneinander führten, eine direkte Konfrontation jedoch vermieden.
Israel erwartet Medienberichten zufolge keine großen Änderungen in der Außenpolitik des Erzfeindes gegenüber dem eigenen Land. Unter Berufung auf namentlich nicht genannte Regierungsvertreter hieß es zudem, dass Israel nichts mit dem Vorfall zu tun habe.
Ein möglicher Absturzgrund: Irans Luftwaffe gilt als stark veraltet, ihre Modernisierung kommt angesichts scharfer internationaler Sanktionen kaum voran, Ersatzteile sind schwer zu beschaffen. Viele Flugzeuge und Helikopter stammen noch aus der Zeit vor der Islamischen Revolution von 1979, als das Land enge Beziehungen zu den USA unterhielt. Immer wieder kommt es zu folgenschweren Unfällen und Abstürzen.
Raisi galt als potenzieller Nachfolger des 85 Jahre alten Khamenei – eine Rolle, die Raisis bisherigem Stellvertreter Mokhber nicht zugetraut wird. Vor seiner Ernennung zum Vizepräsidenten 2021 war der 68 Jahre alte Mokhber an leitenden Stellen in Wirtschaftskonglomeraten tätig, die direkt Revolutionsführer Khamenei unterstellt sind.
Russland verliert mit Raisi einen engen Partner. 2022 war Raisi gemeinsam mit hochrangigen Sicherheitsoffiziellen nach Moskau gereist, um den Verkauf von Shahed-Drohnen und ballistischen Flugkörpern an Russland abzuwickeln. Die russische Armee nutzt diese im Krieg gegen die Ukraine. Präsident Wladimir Putin bezeichnete den Tod Raisis am Montag als “unersetzlichen Verlust”.
Auch Chinas Staatschef Xi Jinping brachte am Montag in einer offiziellen Beileidsbotschaft seine tiefe Trauer zum Ausdruck. Raisi habe seit seinem Amtsantritt einen wichtigen Beitrag zur Festigung und zum Ausbau der umfassenden strategischen Partnerschaft zwischen China und Iran geleistet, schrieb Xi. Raisi verfolgte in seiner Zeit als Präsident eine “Look East”-Politik: Unter seiner Präsidentschaft verschlechterten sich Irans Beziehungen zum Westen, während die Bindung an China – und auch Russland – deutlich verstärkt wurden. In Peking nahm man das freudig zur Kenntnis, lobte Teheran als “Freund” und “strategischen Partner”. Eine ausführliche Analyse zum iranisch-chinesischen Verhältnis lesen Sie hier. mrb/rad/dpa
Das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) fordert die Bundesregierung auf, die Anträge auf Haftbefehl gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und Hamas-Führer Jahia Sinwar zu unterstützen. Das sagte Andreas Schüller, Programmleiter Völkerstraftaten beim ECCHR gegenüber Table.Briefings. Die Bundesregierung solle so agieren, “wie sie es auch in anderen Fällen in der Vergangenheit als zweitgrößter Geldgeber des Internationalen Strafgerichtshof immer getan hat”.
Am Montag hatte der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag, Karim Khan, Haftbefehle gegen Netanjahu, den israelischen Verteidigungsminister Joav Galant sowie Hamas-Anführer Sinwar, den Militärchef der Terrororganisation, Mohammed Deif, sowie den Leiter des Hamas-Politbüros, Ismail Haniyah beantragt. Es gehe um mutmaßliche Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, teilte Khan in einer am Montag veröffentlichten Erklärung mit. Konkret wirft er Netanjahu und Galant darin unter anderem das Aushungern von Zivilisten als Kriegsmittel vor.
Dass der Gerichtshof sich “nicht dem israelischen und auch nicht dem massiven US-amerikanischen Druck” gebeugt habe und seine Ermittlungen auch mit Haftbefehlen fortzuführen beabsichtige, könne “nicht hoch genug bewertet werden”, sagte Schüller. Die Anträge seien deshalb “ein bedeutsamer juristischer Schritt” und bedeuteten eine “Stärkung des internationalen Rechts”.
Das Auswärtige Amt kritisierte am Montagabend, dass mit der gleichzeitigen Beantragung der Haftbefehle für einen Hamas-Führer und israelische Amtsträger “der unzutreffende Eindruck einer Gleichsetzung” entstanden sei. Das Gericht habe unterschiedliche Sachverhalte zu bewerten. Die Hamas-Führer verantworteten “ein barbarisches Massaker, bei dem am 7. Oktober in Israel Männer, Frauen und Kinder auf brutalste Weise gezielt ermordet, vergewaltigt und verschleppt wurden.” Sie halte weiterhin Geiseln “unter unsäglichen Bedingungen” gefangen, greife Israel mit Raketen an und missbrauche die Zivilbevölkerung in Gaza “als menschliche Schutzschilde.” Die israelische Regierung habe das Recht und die Pflicht, ihre Bevölkerung davor zu schützen. Klar sei, “dass dabei das humanitäre Völkerrecht mit all seinen Verpflichtungen gilt.”
Die Richter des Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag müssen nun entscheiden, ob die Haftbefehle tatsächlich ausgestellt werden. mrb/bub/fk
Verteidigungsminister Boris Pistorius bricht am heutigen Dienstag zu einer zweitägigen militärpolitischen Reise ins Baltikum auf. Auf dem Programm für Dienstag stehen zwei kurze Truppenbesuche in Lettland und Litauen, dazu Gespräche mit allen drei baltischen Verteidigungsministern.
Groß angekündigt war die Reise nicht. Aus Kreisen des Verteidigungsministeriums ist zu hören, dass es neben der Stärkung der Ostflanke auch um weitere Militärhilfen für die Ukraine gehen soll. Die baltischen Staaten plädieren seit längerem dafür, dass die Nato-Mitglieder sich verpflichten, 0,25 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für die Ukraine bereitzustellen. Am Sonntag hatte die “Bild am Sonntag” gemeldet, dass Pistorius die Militärhilfe im laufenden Haushalt noch einmal aufstocken wolle und sein Ministerium einen Mehrbedarf von 3,8 Milliarden Euro angemeldet habe. Das Verteidigungsministerium bestätigte dies auf Anfrage von Table.Briefings nicht.
Siemtje Möller, Parlamentarische Staatssekretärin im Verteidigungsministerin, schrieb am Montag nach einem Treffen der Ukraine Defence Contact Group allerdings in einem LinkedIn-Post, dass Deutschland inzwischen Militärhilfen in Höhe von insgesamt 28 Milliarden Euro für die Unterstützung der Ukraine bereitgestellt habe. “Diese Mittel wollen wir noch im laufenden Haushaltsjahr aufstocken”, schrieb sie.
Pistorius wird gegen 12.30 Uhr für einen kurzen Besuch bei der deutschen Truppe auf dem Militärflughafen im lettischen Lielvārde erwartet, bestätigte ein Sprecher der Luftwaffe. Seit März sind die Eurofighter der Luftwaffe für die Nato-Mission “enhanced Air Policing” in Lettland stationiert, da auf dem eigentlichen Standort im estnischen Ämari die Start- und Landebahnen erneuert werden müssen.
In Lielvārde wird er auch seinen lettischen Amtskollegen Andris Sprūds treffen. Wie Table.Briefings aus Kreisen des Verteidigungsministeriums erfuhr, wird Pistorius eine gute Nachricht für Sprūds im Gepäck haben: Deutschland will zum 1. September dieses Jahres nun auch in Lettland einen eigenen Militärattachéstab aufbauen. Damit werden alle drei baltischen Staaten einen eigenen Verteidigungsattaché haben, denn zum 1. September 2023 hatte bereits Estland einen eigenen Attaché bekommen. Davor war der finnische Attaché für Estland zuständig.
Im Anschluss fliegt Pistorius mit Sprūds nach Litauen. In Palanga an der Ostseeküste wird Pistorius ebenfalls deutschen Soldaten einen kurzen Besuch abstatten, die im Rahmen der Übung Quadriga vor Ort sind. Dort stoßen dann der litauische Verteidigungsminister Laurynas Kasčiūnas sowie der estnische Amtskollege Hanno Pevkur für Gespräche mit Pistorius hinzu. klm
Paris hat mehr Sicherheitskräfte in sein Überseegebiet Neukaledonien geschickt, um die gewaltvollen Proteste unter Kontrolle zu bekommen, die vor mehr als einer Woche begonnen hatten. Am Sonntag hatte der französische Innenminister Gérald Darmanin auf X verkündet, dass dank 700 zusätzlicher Sicherheitskräfte und 350 weiterer, die am Montag eintreffen sollten, die Räumung der sechzig Kilometer langen Straße, die den Flughafen La Tontouta mit der Hauptstadt Nouméa verbindet, ein Erfolg gewesen sei.
Die Straße war von Protestierenden mit Barrikaden blockiert worden. Australien und Neuseeland drängen auf eine Wiederöffnung des Flughafens, um ihre Staatsangehörigen evakuieren zu können. Am Montag sagte der Leiter der neukaledonischen Industrie- und Handelskammer, dass bis Donnerstagmorgen keine kommerziellen Flüge von dort starten würden.
Bei den Unruhen auf der Pazifikinsel, die seit einer Woche andauern, sind nach Angaben von örtlichen Behörden bislang sechs Menschen getötet worden. Die Ausschreitungen sind eine Reaktion auf eine Reform, die vorsieht, dass Franzosen, die seit mindestens zehn Jahren dort leben, das Wahlrecht erhalten. Unabhängigkeitsbefürworter befürchten einen Einflussverlust der Kanaken genannten Einwohner Neukaledoniens.
Für Frankreich hat Neukaledonien auch einen geostrategischen Wert. Im Juli war Präsident Emmanuel Macron mit Teilen seines Kabinetts in die Region gereist und hatte versprochen, dort 200 weitere Soldaten zu stationieren und 150 Millionen Euro in einen Marinestützpunkt investieren zu wollen. Frankreich will im Indopazifik zeigen, dass es ein dritter Pol neben den USA und China sein kann. In Neukaledonien wird zudem ein Viertel des weltweiten Nickel-Vorkommens vermutet, das zum Beispiel in der Produktion von Autobatterien verwendet wird.
In seinen früheren Gebieten schlagen Frankreich Dekolonisierungsbewegungen entgegen. Mali hatten die französischen Truppen nach einem gescheiterten Einsatz 2022 verlassen, in Niger waren antifranzösische Ressentiments 2023 Grund für den französischen Rückzug. bub
CSIS: NATO and Economic Security: A Political Oxymoron or Inevitability? Die Rolle der Nato ist nach wie vor auf Landesverteidigung und Abschreckung fokussiert – angesichts der zunehmenden “hybriden Kriegsführung” könnte sich das als Schwäche erweisen. Beispielsweise könne die Nato sich Themen wie der Widerstandsfähigkeit der Lieferkette von kritischen Mineralien annehmen.
The Atlantic: Who Would Benefit From Ebrahim Raisi’s Death? In Teheran dürfte nach dem Tod von Ebrahim Raisi ein heftiger Machtkampf ausbrechen, schreibt der Iran-Experte Arash Azizi. Raisis Passivität habe Herausforderer unter den Hardlinern ermutigt.
New York Times: The Unpunished – How Extremists Took Over Israel. Basierend auf zahlreichen Interviews unter anderem mit Vertretern der israelischen Armee, der Geheimdienste und ehemaligen Premierministern, sowie internen Dokumenten, legt diese Recherche die wachsende Gewalt extremistischer israelischer Siedler im Westjordanland dar – und das Versagen der israelischen Strafverfolgungsbehörden.
Lange bevor der Begriff Desinformation in den Google Trends auftauchte, musste sich Hendrik Sittig damit bereits auseinandersetzen. Der 48-Jährige leitet das Medienprogramm der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Subsahara-Afrika. Bis vor kurzem leitete er ein ähnliches Programm für Südosteuropa, mit Hauptsitz in Sofia, Bulgarien. Sowohl in Südosteuropa als auch im südlichen Afrika war und ist seine wichtigste Aufgabe die Vernetzung lokaler Journalistinnen und Journalisten. Doch insbesondere wegen Russlands Desinformationspolitik in diesen Regionen ist auch dieses Thema stets präsent in seinem Arbeitsalltag.
Da ist es ein besonderer Pluspunkt, dass Sittig sich auch mit Russland auskennt – er war als Journalist und auch als ehemaliger Leiter eines Journalismusprogramms der KAS in Moskau.
“Nach Februar 2022 ist das Thema Desinformation geradezu explodiert”, erzählt Sittig während eines Video-Telefonats. Damals, als die russische Armee einen Großangriff auf die Ukraine begann, war er noch in Sofia. “Russland ist uns in diesem Bereich zwei Schritte voraus”, ergänzt er. “Sie können das, sie sind damit schon viel länger dabei.” Besonders in den sozialen Medien wie auf X habe die Zahl gefälschter Accounts und Kommentare, die die Sichtweise Russlands unterstützten, zugenommen.
Russland hat in Südafrika eine starke diplomatische Präsenz und pflegt zur regierenden Partei ANC seit der Zeit der Sowjetunion sehr enge Beziehungen. Bei wirtschaftlichem Engagement kann Moskau zwar mit Europa und den USA nicht mithalten, doch von der ehemaligen Unterstützung des Anti-Apartheid-Kampfes profitiert der Kreml immer noch. Persönliche Verbindungen spielen dabei eine große Rolle.
Aktuell überlagere aber der Gaza-Krieg das Thema Ukraine, sagt Sittig. Er ist in der ehemaligen DDR geboren, hat in Leipzig Journalismus und Psychologie studiert. Danach ging’s “raus in die Welt und was mit Medien machen”, lacht er. Das ist für Sittig aber nicht nur eine Phrase. Sein Hintergrund und seine Erfahrungen sensibilisieren ihn für die unterschiedlichen Blickwinkel auf ein und dasselbe Ereignis. “Es ist sehr, sehr spannend zu sehen, wie im Globalen Süden bestimmte Konflikte betrachtet werden“, erläutert er. In Südafrika sei beispielsweise die Überzeugung verbreitet, dass Russland einen gerechten Krieg führe.
Das Medienprojekt der KAS hilft dann seinerseits bei einem Perspektivwechsel und ermöglichte etwa drei afrikanischen Journalisten eine Reise in die Ukraine, um mit eigenen Augen zu sehen, was da geschieht. Sittig verweist darauf, dass sein Kollege Christoph Plate, der jetzt wiederum in Sofia das Medienprogramm leitet, die Reise der afrikanischen Journalisten in die Ukraine initiiert hatte.
Sittig, der mit seiner Frau und zwei jüngeren Söhnen nach Johannesburg gezogen ist, merkt nun selbst stärker als zuvor, dass die Berichterstattung über den gesamten afrikanischen Kontinent in deutschen Medien “eher negativ ist”. Aufklärung sei auch bei deutschen Journalistinnen und Journalisten nötig, sagt er. Seine Aufgabe sei deshalb, eine Brückenfunktion einzunehmen, Menschen zusammenzubringen und diese Menschen die unterschiedlichen Perspektiven kennenlernen zu lassen. Viktor Funk