68 Tage. So lange warten die rund 120.000 ethnischen Armenier in der Region Bergkarabach bereits auf lebensnotwendige Medikamente, Babynahrung und Treibstoff. Aserbaidschanische Soldaten blockieren die einzige Zufahrtsstraße und lassen nicht einmal mehr Hilfskonvois des Roten Kreuzes passieren. Doch den Begriff “Genozid” tat Regierungssprecher Steffen Hebestreit in der Bundespressekonferenz gestern Vormittag als einen “Kampfbegriff” ab, “der hier nicht hingehört”. In meiner Analyse lesen Sie, warum dieser Begriff durchaus berechtigt sein könnte.
Die mediale Aufmerksamkeit gilt seit dem Wochenende ganz klar den F-16-Kampfjets, die die Ukraine nun aus Dänemark und den Niederlanden erhält. Doch wir werfen auch noch einmal einen Blick auf ein anderes Waffensystem, das amerikanisch-israelische Raketenabwehrsystem Arrow 3. Viele wichtige Fragen sind dort noch offen, die nicht aus dem Blick geraten dürfen, wie Viktor Funk im Interview mit der verteidigungspolitischen Sprecherin Sara Nanni (Grüne) erörtert.
Apropos F-16: Die Bundesregierung hat zwar keine F-16-Kampfjets, die sie abgeben könnte, doch der Druck wächst auch auf Deutschland. Welche Lösung CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter ins Spiel bringt, lesen Sie in den News.
Grau ist gleich grau? Aber mitnichten! Seit 40 Jahren beißen die Heeresinspekteure regelmäßig auf Granit, wenn sie ein einheitliches Grau der Heeresuniformen einführen wollen. Nana Brink erklärt, woran es hakt.
Und mein Kollege Gabriel Bub hat mit dem Underdog Alexander Müller, verteidigungspolitischer Sprecher der FDP, gesprochen. An welchem Posten Müller durchaus Interesse hat und welcher Probleme der Truppe er sich besonders annehmen will, verrät er im Portrait.

Keine Medizin, keine Babynahrung, kein Mehl, kein Treibstoff, zeitweise kein Strom: Videos und Augenzeugenberichte belegen, wie katastrophal die humanitäre Lage in der de-facto unabhängigen Region Bergkarabach ist. Seit Dezember blockiert Aserbaidschan den Latschin-Korridor für den regulären Personen- und Warenverkehr.
Seit dem 15. Juni dürfen nicht einmal mehr Hilfskonvois des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) und der russischen Friedenstruppen die dringend benötigten Güter zu den rund 120.000 ethnischen Armeniern bringen. Mindestens eine Person sei infolge von Mangelernährung bereits gestorben, berichten armenische Medien.
Luis Moreno Ocampo, von 2003 bis 2012 Chefankläger am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, legte in einem Anfang August erschienenen Bericht dar, warum die Blockade und ihre Folgen die Kriterien eines Völkermordes nach Artikel II c) der UN-Völkermordkonvention erfülle. Es ist das erste Mal, dass ein hochrangiger internationaler Experte die Aktivität Aserbaidschans explizit als Genozid bezeichnet.
“Es gibt vernünftige Gründe für die Annahme, dass [Aserbaidschans] Präsident Alijev genozidiale Absichten hegt: Er hat den Latschin-Korridor wissentlich, willentlich und freiwillig blockiert, selbst nachdem er über die Folgen seines Handelns durch die vorläufige Anordnung des Internationalen Gerichtshofs aufgeklärt wurde”, heißt es in dem 28-seitigen Bericht. Der Internationale Gerichtshof hat Aserbaidschan zweimal rechtlich bindend aufgefordert, die Blockade aufzuheben.
Auf Table.Media-Anfrage erklärte Ocampo: “Ich will meinen Beitrag leisten, um die Leugnung des Genozids zu verhindern. Die Verantwortung liegt nun bei den 153 Vertragsstaaten der Völkermordkonvention, darunter auch Deutschland. Sie haben die Pflicht, den Völkermord zu verhindern.”
Die Bundesregierung und das Auswärtige Amt (AA) zeigen sich “besorgt” über die instabile Lage. “Die Bundesregierung unterstützt und beteiligt sich an den vom Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel, initiierten trilateralen Friedensgesprächen und begrüßt auch entsprechende Initiativen der USA”, sagte eine Sprecherin des AA auf Anfrage. Konkrete Schritte seien die Unterstützung des Roten Kreuzes vor Ort sowie der EU-Mission in Armenien (EUMA).
Die Blockade als Genozid zu bezeichnen, geht Regierungssprecher Steffen Hebestreit allerdings zu weit: In der gestrigen Bundespressekonferenz sagte er vor Journalisten: “Das sind Kampfbegriffe, die aus meiner Sicht nicht hierhergehören.”
Armenien und Aserbaidschan streiten seit Jahrzehnten um die Region. 2020 kam es zu einem Krieg, der am 9. November mit einem von Russland vermittelten Waffenstillstandsabkommen endete. Hauptstreitpunkt ist der Status der Menschen in Bergkarabach. Nach anhaltender Bedrohungsrhetorik vonseiten Aserbaidschans hat Armeniens Präsident Nikol Paschinyan im April Bereitschaft signalisiert, Bergkarabach an Aserbaidschan abzugeben, unter der Bedingung, dass die Menschen Minderheitenrechte bekommen.

In dem Abkommen wurde auch die Offenhaltung des Latschin-Korridors vereinbart. Aliyev rechtfertigt die Notwendigkeit der Einrichtung von Checkpoints an der armenisch-aserbaidschanischen Grenze mit dem illegalen Waffenschmuggel Armeniens nach Bergkarabach. Armenien bestreitet diese Vorwürfe.
Auch verweist Aserbaidschan auf eine neu gebaute Straße über Aghdam Richtung Baku, die offen stünde. Die Bewohner Bergkarabachs befürchten allerdings, dass sie nicht mehr in ihre Häuser zurückkehren dürfen, wenn sie ihre Heimat Richtung Baku verlassen, es sei denn, sie nähmen die aserbaidschanische Staatsbürgerschaft an. Nach und nach wolle Aliyev so die ethnischen Armenier vernichten, so die Interpretation Armeniens.
Druck auf Aliyev kommt inzwischen sogar von engen Verbündeten wie Israel und der Türkei, beides Waffenlieferanten Aserbaidschans. Die USA, die eine aktive Vermittlerrolle einnehmen, zögern angesichts der Vorwürfe eines Genozids die Erneuerung eines langjährigen Militärhilfeprogramms für Baku hinaus.
Bei einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates am Mittwoch haben die USA, Frankreich, Russland, die EU und andere Staaten Aserbaidschan aufgefordert, die Blockade des Latschin-Korridors aufzuheben. Die Sitzung endete jedoch ohne eine Resolution.
Narek Sukiasyan, Politologe bei der Friedrich-Ebert-Stiftung in Armenien, zeigt sich enttäuscht. “Wenn die Möglichkeit des UN-Sicherheitsrates ausgeschöpft ist, was bleibt dann noch?” Die nationalen Interessen des Westens – viele Länder der EU, darunter Deutschland, beziehen günstiges Gas und Wasserstoff aus Aserbaidschan – stünden weiterhin über den Menschen in Bergkarabach.
“Aserbaidschan schafft mit den Eskalationen immer neue Krisen und bringt die Friedensverhandlungen der vergangen Monate zum Erliegen”, sagt Sukiasyan. Selbst wenn Aliyev in Kürze die Blockade des Latschin-Korridors aufheben würde, wären damit die grundsätzlichen Probleme, nämlich der Frieden zwischen den beiden Ländern und die Rechte der Menschen in Bergkarabach, nicht geklärt.
Fast zur Randnotiz geworden ist, dass am vergangenen Dienstag eine Patrouille der unbewaffneten EU-Beobachtermission in Armenien gemeldet hatte, dass etwa einen Kilometer von der Patrouille entfernt vier bis fünf Schüsse abgefeuert worden seien. “Obwohl es nicht möglich war, das Ziel der Schüsse zu bestimmen, traf die Patrouille die notwendigen Schutzmaßnahmen und verließ das Gebiet”, sagte eine Sprecherin der EUMA auf Table.Media-Anfrage.
Die EUMA hatte den Vorfall per X (vormals Twitter) zuerst dementiert, musste dann aber aufgrund eines geleakten Videos doch zugeben, dass die EUMA-Beamten “bei dem Schießerei-Vorfall anwesend waren.” Verletzt wurde niemand.

Frau Nanni, französische Medien haben in den vergangenen Tagen daran erinnert, dass Berlin bei seiner Entscheidung für Arrow 3 Paris und Rom übergangen habe. Immerhin hätten Frankreich und Italien eigene europäische Systeme entwickelt. Ist der Streit über Arrow 3 zwischen Berlin und Paris doch nicht ausgeräumt?
Ich glaube, hier wirkt nur etwas nach, der große Streit ist ausgeräumt. Dass Deutschland sich für ein System entschieden hat, das bereits auf dem Markt ist, hängt eher damit zusammen, dass wir insgesamt in Europa unterschiedliche sicherheitspolitische Einschätzungen haben. Etwa zu der Frage, wie wahrscheinlich ist es, dass es in den nächsten zehn Jahren zu einer Konfrontation zwischen der Nato und Russland kommen könnte. Und je nach Einschätzung kann der Wunsch dringlicher sein, die Lücken in der Luftverteidigung rasch zu schließen. Wer der Auffassung ist, dass in den nächsten zehn oder 20 Jahren sowieso nichts passieren würde, der kann auf die Entwicklung neuer, eigener Systeme setzen. Frankreich und Deutschland stehen in der Einschätzung nicht an einem Punkt.
Präsident Macron hat erst jüngst gesagt, dass die Ukraine vielleicht doch schneller in die Nato sollte. Paris scheint die Gefahr aus Russland auch für groß zu halten?
Meine Wahrnehmung ist, dass sich hier in erster Linie Frankreichs Bewertung der Bedrohungssituation für die Ukraine geändert hat. Falls es zu einem Waffenstillstand kommt, wie wahrscheinlich ist es, dass Russland danach mit mehr Truppen wieder einmarschieren könnte? Bei dieser Frage scheint Frankreich inzwischen anders zu denken.
Für Paris ist es wichtig, militärisch von den USA so unabhängig wie möglich zu sein und auf eigene sowie auf europäische Projekte zu setzen, etwa FCAS und MGCS. Warum dann die große Skepsis gegenüber der europäischen Sky Shield Initiative?
Die Initiative ist derzeit eher eine Einkaufsgemeinschaft. Es geht darum, dass gemeinsam verschiedene Produkte bestellt werden. Das schafft Planungssicherheit für die Rüstungsunternehmen. Und es schafft Interoperabilität zwischen den Nationen, die sich daran beteiligen. Wenn wir innerhalb Europas verschiedene Luftverteidigungssysteme haben, wenn es also Arrow 3, das amerikanischen Patriot, das deutsche IRIS-T, und das französisch-italienische SAMP gibt, dann decken wir verschiedene Bereiche ab und schaffen Redundanzen. Das sind aber keine operativen Redundanzen. Die Systeme mit ähnlichen Fähigkeiten helfen, wenn ein System versagt, es gehackt wird, wenn seine Achillesferse gefunden und es lahmgelegt wurde. Es wird zwar oft darüber gesprochen, dass man in Europa viel zu viele Systeme hat. Aber wenn wir jetzt von jedem System nur eins haben, ist das auch nicht unbedingt gesund.
Wird dieses Argument Paris überzeugen?
Das könnte ein Argument sein, es mit einer gewissen Gelassenheit zu sehen, dass Deutschland und Frankreich an dieser Stelle nicht zusammengekommen sind, weil es eben auch militärische Vorteile hat.
Aktuell zählt die European Sky Shield Initiative 19 Staaten, drei davon – Schweden, Österreich und die Schweiz – sind keine Nato-Mitglieder. Schweden dürfte bald Nato-Mitglied werden, aber wie verhält es sich dann mit Österreich und der Schweiz, wenn es um Informationsaustausch innerhalb der Initiative geht?
Klar ist, dass Nato-Staaten ihre Informationen nicht mit Nicht-Mitgliedern tauschen werden. Klar ist auch, dass Arrow 3 auf deutschem Boden stehen wird, es gibt bisher keine anderen europäischen Staaten, die das System kaufen wollen. Aber darüber hinaus gibt es noch viele offene Fragen, die die europäischen Regierungen noch klären müssen, besonders, was den Einsatz von Arrow 3 betrifft.
In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Union im Mai wich die Bundesregierung einer klaren Aussagen darüber aus, ob Arrow 3 auch zum Schutz anderer Staaten vorgesehen ist.
Mein Stand ist auch, dass das noch offen ist. Aber wenn man sich die Flugbahnen von Raketen und Marschflugkörpern vorstellt, dann ist klar, dass wir hier mit anderen EU-Staaten zusammenarbeiten müssen. Wir können ja nicht nur einen bestimmten Luftraum über Europa schützen und den anderen nicht. Aber Absprachen dieser Art werden aus Sicherheitsgründen sicher nicht Gegenstand öffentlicher Diskussionen sein.
Der Streit über Arrow 3 ist nicht die einzige große Meinungsverschiedenheit, bei Rüstungsexporten knirscht es ja auch zwischen Berlin und Paris.
Ich denke, das ist auch nichts, was zwischen zwei Staaten geregelt wird, sondern dass eher auf der EU-Ebene Richtlinien nötig sein werden. Das wird aber ein sehr langer Prozess sein. Was Deutschland betrifft, so sind wir noch nicht einmal in den parlamentarischen Verhandlungen zum neuen Rüstungsexportgesetz. Wenn in Deutschland viele Menschen Bedenken haben, Exporte an Diktatoren zu liefern, dann ist das ja kein Bauchgefühl, sondern die Ereignisse der letzten Jahre haben gezeigt, dass Staaten, die aggressiv nach innen sind, auch dazu neigen, aggressiv nach außen zu wirken.
Ist der russische Krieg nun auch eine Mahnung?
Rheinmetall wollte vor 2014 Russland noch ein Gefechtsübungszentrum liefern und Frankreich wollte sogar noch nach der Krim-Annexion an Russland einen Hubschrauberträger verkaufen. Es ist noch keine zehn Jahre her, dass wir mit Russland enger militärisch kooperieren wollten. Und jetzt sind unsere Einschätzungen über diesen Staat massiv ins Gegenteil gekippt. Vor dieser Erfahrung geht es darum, diese Situation zum Anlass zu nehmen, noch einmal genau hinzuschauen. Was qualifiziert eigentlich einen Staat als verlässlich genug, um mit Gewaltmitteln ausgestattet zu werden? Diese Debatte müssen wir in Deutschland führen und auch mit unseren europäischen Freunden. Ich mache das persönlich auch, insbesondere mit den politischen Freunden in Frankreich und Großbritannien.

Eigentlich sollte mit der “Weisung zum Tragen des Dienstanzugs im Heer” vom 27. Mai 2015 alles klar sein. Dem damaligen Inspekteur des Heeres, Bruno Kasdorf, wurde es nämlich zu bunt in der Truppe, vor allem bei den grauen Dienstanzügen. Denn seit Jahrzehnten herrschten im Heer Fifty Shades of Grey. “Meine Absicht ist, dass sich die Professionalität des Heeres auch in seinem sichtbaren Auftreten widerspiegelt.” Und so befahl der Drei-Sterne-General unter dem Aktenzeichen 25-08-00, dass die Truppe in einem einheitlichen “Heeresgrau” antreten möge.
Nichts sollte mehr dem Zufall oder den Launen von Privatschneidern überlassen werden, weshalb in der Weisung der Ton genau definiert wurde: “Heeresgrau” wie “Basaltgrau” gemäß der Farbnorm RAL 7012. Besagter RAL-Ton passt zwar gut als Lackfarbe für deutsche U-Boote. Als Stofffarbe allerdings erwies er sich als schwierig. Denn besagtes “Basaltgrau” nach RAL 7012 ist ein dunkles Anthrazit-Grau, das nicht annähernd dem geforderten “Heeresgrau” entspricht, welches sich in der jüngsten “Anzugordnung für die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr” (A1-2630/0-9802, Version 2.8 vom März 2023) findet. Die Dienstjacken, die in den Shops des BW-Bekleidungsmanagements von der Stange erhältlich sind, zeigen ein wesentlich helleres Grau.
Womit sich die Frage stellt: Von welchem Grau also ist die Rede? Die Antwort ist kompliziert. Für die Bestellung von Anzugstoffen gibt es sogenannte Technische Lieferbestimmungen (TL), herausgegeben vom Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw). Diese sind öffentlich einsehbar und stammen von 2009, also noch vor der Weisung. Dort ist der Ton für die Dienstjacken mit “Hellgrau” angegeben (TL-8405-0129). Auf Nachfrage beim BAAINBw allerdings sind diese TL nicht mehr gültig (sind aber immer noch online). In den jetzt gültigen TL (Version 8305-0285) steht für den Dienstanzug jetzt die Farbe “Heeresgrau” – ohne die Bestimmung RAL 7012 (Basaltgrau).
Was also ist “Heeresgrau”? Der dunkle Farbton laut der – nie aufgehobenen – Weisung des damaligen Heeresinspekteurs? Oder der offensichtlich hellere, der sich in den Bundeswehr-Shops findet? Beim BAAINBw will man den Verdacht zerstreuen, dass man sich beim neuen “Heeresgrau” womöglich einer Weisung widersetzt habe: “Im Nachgang der Weisung wurde durch eine Zusammenarbeit zwischen Kommando Heer, Zentrum Innere Führung, BAAINBw und dem Wehrwissenschaftlichen Institut für Werk- und Betriebsstoffe der Farbton durch das CIELAB-Farbsystem konkretisiert”. In diesem gängigen Farbsystem, das auch für Stoffe verwendet wird, gibt es kein “Heeresgrau”. Aber es gibt ein “Perlgabardine (Pique)”, das – laut BAAINBw – das neue “Heeresgrau” ist. So steht es auch in den gültigen TL, die – so der Verdacht – klammheimlich geändert wurden und online nicht zu finden sind. Auch nicht für potenzielle Lieferanten der Bundeswehr.
Eine, die sich in dem Farben-Wirrwarr gut auskennt, ist Kathrin Schlüter. Die Kunsthistorikerin und Juristin, verheiratet mit einem Admiralstabsoffizier, gründete 2017 das Unternehmen “Schlüter Uniformen”. Seit dieser Zeit hat ihre Firma über 6.000 Uniformjacken nach Maß hergestellt. “Die meisten Soldaten, die zu uns kommen, sind verunsichert, was denn nun das richtige Grau ist.”
Viele empfänden die unterschiedlichen Farbbezeichnungen als nicht schlüssig. Kathrin Schlüter kann das verstehen. Als sie das Unternehmen gründete, hatte sie sich viele Gedanken zu dem RAL-Ton und den scheinbar existierenden Widersprüchen zum Grauton gemacht. So findet sich in ihrer Kollektion sowohl ein “Hellgrau”, welches dem momentan dienstlich gelieferten Grauton ähnlich ist, als auch der von einigen als zu dunkel empfundene Grauton RAL 7012 – wie in der Weisung von 2015 – der von ihren Kunden und Kundinnen präferiert wird. “Ich kann die Weisung ja nicht einfach ignorieren, auch wenn sie bis heute scheinbar noch nicht umgesetzt wurde”. Was Kathrin Schlüter sich bis heute fragt: “Was ist eigentlich die richtige Farbdefinition von Heeresgrau?”
Für die unterschiedlichen Grautöne hat das BAAINBw noch eine Erklärung: Es könne vorkommen, “dass Bekleidung älterer Fertigungsjahre aus Gründen der Wirtschaftlichkeit ausgegeben wird. Dies kann begründen, dass immer noch Uniformen in einem anderen Grauton ausgegeben werden”. Ein Ärgernis, schrieb doch der ehemalige Heeresinspekteur Bruno Kasdorf: “Ab 1. Januar 2019 ist nur noch die Dienstjacke, basaltgrau (RAL 7012) zu tragen. Ich erwarte, dass die Weisung umgesetzt und ihr durch persönliches Beispiel aller in Führungsverantwortung stehenden Vorgesetzten Nachdruck verliehen wird.”
Mit dem Versuch, ein einheitliches “Heeresgrau” zu finden, ist übrigens auch schon einer von Kasdorfs Vorgängern als Heeresinspekteur, Johannes Poeppel, vor über 40 Jahren gescheitert. In der – übrigens auch nie aufgehobenen – Weisung unter dem Aktenzeichen Fü H I 3 – AZ 49-01-00 vom 30. April 1980 befahl er ein “dienstlich festgelegtes Heeresgrau”: “Es muss sichergestellt werden, dass bei geschlossenem Antreten ein einheitliches äußeres Erscheinungsbild gewährleistet ist.”
Aber vielleicht muss man das so pragmatisch sehen wie der ehemalige Generalinspekteur Eberhard Zorn. Er trug, je nach Anlass, Dienstjacken sowohl in “Kasdorf-Grau” als auch in “Hellgrau”. Den jetzigen Generalinspekteur Carsten Breuer hingegen sieht man – bislang – nur in “Hellgrau”. Oder “Heeresgrau”. Oder “Perlgabardine (Pique)”.
Die Bundesregierung will das Zwei-Prozent-Ziel bei den Verteidigungsausgaben in den kommenden Jahren über einen Buchungstrick erreichen. So sollen Mittel aus dem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr auch für andere Ausgaben als Bestellungen neuer Waffensysteme ausgegeben werden können, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters von mehreren Quellen in der Ampel-Koalition.
Auch Kosten für die nötige Infrastruktur, Forschung oder Logistik, die im Zusammenhang mit der Rüstungsbeschaffung stehen, sollen so aus dem Topf bezahlt werden können. Dies gilt auch für entsprechende IT-Projekte. So solle das Geld schneller abfließen, hieß es.
Die Regierung hatte sich im Haushaltsfinanzierungsgesetz für den Etat 2024 auf die Verpflichtung verständigt, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben – aber in einem Mittel von fünf Jahren. Das Auswärtige Amt hatte in den Beratungen nach Angaben aus Regierungskreisen verhindert, dass das jährliche Erreichen des Zwei-Prozent-Ziels der Nato festgeschrieben wird.
Grund für das Fünf-Jahres-Mittel ist nach Angaben aus Regierungskrisen, dass unklar ist, in welchem Jahr die Zahlung für teure Waffensysteme wie etwa das US-Kampfflugzeug F-35 fällig werden. Die Bundesregierung will auch das Gesetz für die Verwendung des 100-Milliarden-Euro-Topfes ändern.
Bei den Verteidigungspolitikern der Ampel-Koalition stößt dies durchaus auf Zustimmung, weil so Geld für sicherheitsrelevante Projekte schneller eingesetzt werden kann. Allerdings würden Ausgaben für Infrastrukturprojekte am Ende die Summe für die Bestellung neuer Waffensysteme schmälern. Nach Angabe einer Sprecherin des Verteidigungsministeriums sind derzeit 33 Milliarden Euro der 100 Milliarden Euro verplant und vertraglich gebunden. Man hoffe, dass der Anteil Ende des Jahres bei Zweidrittel der Summe liegen werde. In Koalitionskreisen wurde dagegen betont, dass eigentlich bereits 60 Prozent fest verplant seien.
Deutliche Kritik kommt aus der Opposition. Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Johann Wadephul, spricht von einem schweren Vertrauensbruch: “Die Beschaffungsliste ist nach den neuerlichen Plänen der Ampel das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben wurde.” Sie sei in der Sache stark verändert worden. “Das verlässt die gemeinsame Geschäftsgrundlage, auf der wir die Verfassung geändert haben. Das mag rechtlich zulässig sein. Politisch ist es ein schwerer Fehler.” An die Union brauche die Ampel nicht mehr herantreten, wenn es darum gehe, neue Mittel für die Bundeswehr zu akquirieren, sagte Wadephul.
In der Nationalen Sicherheitsstrategie bekennen sich SPD, Grüne und FDP zu dem Ziel der Nato-Staaten, dass zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung ausgegeben werden sollen. klm/rtr
Der CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter begrüßt die Entscheidung Dänemarks und der Niederlande, F-16-Kampfjets an die Ukraine zu liefern als “starkes Zeichen der Verantwortung für europäische Sicherheit”. Deutschland könne die F-16-Kampfjet-Koalition logistisch, beim Schutz von Infrastruktur wie Flughäfen, etwa mit Patriot-Systemen, oder bei der Ausbildung oder Betankung unterstützen, sagte er Table.Media. Weil die erste Tranche Eurofighter schon ausgemustert und die Nachfolge finanziert sei, solle man auch die Abgabe dieser Jets zusammen mit Großbritannien prüfen.
Mit der Lieferung der Kampfjets bekommt auch die Debatte um Taurus-Marschflugkörper Auftrieb. Deren Gegner argumentierten, dass sie als erstes westliches System für Angriffe auf russisches Gebiet genutzt werden könnten. Auch bei den F-16 pocht Dänemark darauf, dass sie nur über ukrainischem Territorium eingesetzt werden. Die Bundesregierung könne der Ukraine vertrauen, sagt Kiesewetter. Ohnehin seien “Angriffe auf militärische Ziele auch auf russischem Territorium völkerrechtlich zulässig” und “verhältnismäßig und militärstrategisch sinnvoll”. Deshalb sei eine technische Begrenzung der Taurus-Marschflugkörper, die eine Reichweite von 500 Kilometern haben, “weder sinnvoll noch notwendig”.
Die Niederlande und Dänemark hatten am Wochenende die Lieferung von F-16-Kampfjets an die Ukraine angekündigt. Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen sagte zu, 19 Jets liefern zu wollen. Sechs gegen Jahresende, acht im kommenden Jahr und fünf im Jahr 2025. Der niederländische Regierungschef Mark Rutte nannte keine Zahl, die Niederlande verfügen jedoch über 42 F-16-Flugzeuge, von denen aber nur 24 laut niederländischem Verteidigungsministerium einsatzbereit sind. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte nach dem Treffen mit Rutte gesagt, er rechne mit 42 Flugzeugen aus den Niederlanden.

Die USA hatten einer Lieferung am Freitag zugestimmt. Offizielle Stellen rechnen mit einer Ausbildungszeit von sechs bis acht Monaten, eine Lagebewertung der US-Luftwaffe kam im März 2023 zu dem Schluss, dass eine Ausbildung auch in vier Monaten möglich sei. Die Ausbildung ukrainischer Piloten solle noch im August starten, sagte der dänische Verteidigungsminister Jakob Ellemann-Jensen am Freitag. Auch Griechenland hat angeboten, ukrainische Piloten für Kampfjets vom Typ F-16 auszubilden. Selenskyj bedankte sich am Montagabend in Athen für das Angebot, das er gerne annehme.
Mit den Zusagen aus Kopenhagen und Den Haag steigt der Druck auf andere Nato-Mitgliedstaaten, Kampfjets zu liefern. Weitere Länder, die F-16-Jets liefern könnten, sind Belgien, Polen und Portugal. Norwegen käme auch infrage, hat seine F-16 allerdings schon ausgemustert und teilweise verkauft. Über die meisten F-16-Jets verfügen die USA. bub
Eine militärische Intervention der Ecowas unter Führung Nigerias ist unwahrscheinlicher geworden. Am Wochenende hat eine Delegation der Ecowas in Niamey den gestürzten Präsidenten Mohamed Bazoum getroffen. Die Delegation führte der ehemalige Präsident Nigerias, Abdulsalami Abubakar, an.
Der neue, von der Junta ernannte Premierminister von Niger, Ali Mahaman Lamine Zeine, empfing diese am Flughafen. Am Samstag war auch die neue US-Botschafterin Kathleen FitzGibbon in Niger eingetroffen, um die Suche nach einer friedlichen Lösung der Krise nach dem Putsch zu unterstützen. Für die USA geht es auch darum, die Niger Air Base 201 bei Agadez, eine wichtige Drohnenbasis in der Region, nicht zu verlieren.
Die internationale Staatengemeinschaft – sowohl Europa und die USA als auch die Ecowas und andere multinationale Organisationen – befinden sich in einer verfahrenen Situation. Sowohl diplomatische Initiativen als auch militärische Drohungen scheinen nicht zu verfangen. Die Putschisten in Niger festigen ihre Position an der Spitze des Staates.
Wie stark der Rückhalt der Militärjunta in der nigrischen Bevölkerung tatsächlich ist, lässt sich nicht verlässlich einschätzen. Demokratisch legitimierte Regierungen in der Sahelregion schwächelten seit vielen Jahren. Viele der gewählten Regierungen haben sich in der Vergangenheit als korrupt, nepotistisch und durchsetzungsschwach erwiesen.
Es wird somit zunehmend ein politischer Faktor für die Sahelregion, dass parlamentarisch geprägte Staatsformen in der Bevölkerung an Ansehen verloren haben und autokratische Regime größeren Rückhalt in der Bevölkerung des Sahel bekommen. hlr
Mehr über Nigerias ehemaligen Präsidenten Abubakar und die prekäre Situation in Niger lesen Sie in der Analyse im Africa.Table.
Saudische Grenzsoldaten haben zwischen März 2022 und Juni 2023 Hunderte, möglicherweise Tausende äthiopische Migranten getötet. Das geht aus einem neuen Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hervor.
Demnach seien die Flüchtlinge erschossen worden, als sie versuchten, die jemenitisch-saudische Grenze zu überqueren. Grenzschutzbeamte hätten wahllos Waffen eingesetzt und Menschen aus nächster Nähe erschossen, darunter auch Frauen und Kinder. Der Bericht stützt sich auf Dutzende Interviews mit äthiopischen Flüchtlingen, Angehörigen verstorbener Migranten sowie auf Videos und Satellitenbilder aus dem Grenzgebiet. Human Rights Watch verurteilt die Taten als Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Die Linken-Bundestagsabgeordnete Clara Bünger reagierte auf den Bericht und forderte eine Überprüfung der Politik der Bundesregierung gegenüber Saudi-Arabien. “Wer von sich selbst behauptet, feministische Außenpolitik sei wichtig, macht sich unglaubwürdig, wenn man Staaten wie Saudi-Arabien mit Waffen unterstützt, die Menschen barbarisch an ihrer Grenze abschießen”, sagte sie Table.Media.
Die Entscheidung der Bundesregierung von 2020, saudische Grenzpolizisten wieder durch die Bundespolizei ausbilden zu lassen, sei “ein großer Fehler” gewesen, so Bünger. Nun müsse geklärt werden, “ob etwa von Deutschland ausgebildete Kräfte an den Massenerschießungen und Menschenrechtsverletzungen beteiligt” gewesen seien. “Die Zusammenarbeit muss umgehend eingestellt und die Lieferung von Waffen gestoppt werden.” Bis Juni dieses Jahres hatte die Ampelkoalition Rüstungsexporte in Höhe von knapp einer Million Euro an Saudi-Arabien genehmigt, 2022 waren es 44,2 Millionen. mrb
Die USA verlängern die Ausbildung ukrainischer Soldaten an Abrams-Kampfpanzern im bayerischen Grafenwöhr. Das sagte der Sprecher der US-Armee in Europa, Martin O’Donnell. Ein 12-wöchiger Crashkurs, bei dem rund 200 ukrainische Soldaten an den Panzern geschultet werden, wurde auf Wunsch Kiews verlängert. Die USA wollen der Ukraine im Herbst 31 Abrams-Panzer liefern. Die US-Armee will ihre Präsens in Grafenwöhr insgesamt stärken und kündigte Investitionen vor Ort an. Für rund 900 Millionen Dollar soll der Truppenübungsplatz ausgebaut werden.
Weil die Abrams-Panzer noch nicht ausgeliefert sind, zeigt sich die Ukraine bei der Ausbildung ihrer Soldaten durch die USA geduldiger als bei den Schulungen an Leopard-Panzern im Rahmen der EU-Ausbildungsmission Eumam. Der Kommandeur des deutschen Teils der EU-Trainingsmission, Andreas Marlow, beklagte am Donnerstag, dass die sechs Wochen, die die Ukraine ihren Soldaten für die Ausbildung am Leopard 1A5 in der Kaserne in Klietz in Sachsen-Anhalt gewähre, zu kurz seien.
Die EU will bis zum 15. November des kommenden Jahres 30.000 ukrainische Soldatinnen und Soldaten ausgebildet haben. Dieses Ziel dürfte schon deutlich früher erreicht werden, sagte Marlow. Das ursprüngliche Ziel von 15.000 Kämpfern war schon im Mai erreicht und deshalb nach oben korrigiert worden. In Deutschland wurden dieses Jahr bereits 6.200 Kräfte im Rahmen der EU-Mission ausgebildet. Bis Jahresende sollen es 10.000 sein. Der andere Teil der Mission findet in Polen statt. bub
Podcast der DGAP: Die große Frage – KI beim Militär. Künstliche Intelligenz bietet zukünftig die Chance, sogenannte “Three D-Jobs” – dirty, dangerous, difficult – auszuführen. Welche Aufgaben das sein können und wie KI künftig das Militär beeinflussen wird, besprechen zwei Experten der DGAP in dieser Folge.
Berlin.Table – Annalena Baerbock: “Den Inselstaaten Alternativen zu China bieten.” Die deutsche Außenministerin war frustriert, als sie ihre Reise in die Pazifik-Region abbrechen musste. Zu viele wichtige Themen hingen daran, sagte sie im Interview mit Table.Media. Wie eng Klima- und Geopolitik beieinander liegen und warum Deutschland und die EU sich selbst schaden, wenn sie die Zusagen für die Klimafinanzierung nicht erfüllen, erläutert sie im Gespräch mit Bernhard Pötter.
The Moscow Times – Murders, Drugs and Brawls: Russia’s Pardoned Ex-Convicts Return Home After Fighting in Ukraine. Das Problem war absehbar und es ist noch größer als befürchtet: Die aus der Ukraine zurückkehrenden Wagner-Kämpfer rauben, vergewaltigen und töten auch in Russland. Das Regime Wladimir Putins hat dafür gesorgt, dass Zehntausende Schwerverbrecher nun frei im Land herumlaufen.
International Security – Soldiers’ Dilemma: Foreign Military Training and Liberal Norm Conflict. Die nigrischen Streitkräfte, die gegen den Präsidenten Mohamed Bazoum geputscht haben, wurden von westlichen Armeen ausgebildet. Diese Studie untersucht, wie sich Soldaten verhalten, wenn liberale Normen kollidieren, zum Beispiel die Einhaltung von Menschenrechten und das Folgen ziviler Institutionen.

Die Fahrt auf der stau- und baustellenanfälligen Autobahn 3 nach Süden durch Bayern wäre für Alexander Müller angenehmer, wenn er in einem seiner Opel-Oldtimer sitzen würde. Dem Manta von 1997, dem Corsa von 1991 oder dem Ascona von 1977 etwa, den er für kurze Fahrten in seinem Wahlkreis im Taunus nutzt.
Stattdessen hat er sein modernes Wahlkampfmobil gewählt – von außen beklebt mit seinem Namen und FDP-Folien – als Unterstützung für die bayerischen Parteifreunde im Landtagswahlkampf. In der sitzungsfreien Zeit will er Rüstungsunternehmen in Süddeutschland besuchen, später noch im Norden. Die Fahrtzeit nutzt er für Telefontermine.
Müller ist einer der unbekannteren verteidigungspolitischen Sprecher im Bundestag. Wenn eine FDP-Stimme gefragt ist, interviewen die Tagesthemen und Markus Lanz lieber die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Sein Vorgänger als Sprecher in Verteidigungsfragen, Marcus Faber, einer der prominenteren Ukraine-Unterstützer bei den Liberalen, trat im Mai 2022 von seinem Posten zurück.
Er hatte eine Befragung von Bundeskanzler Olaf Scholz im Verteidigungsausschuss vorzeitig verlassen und sich im Nachgang dazu widersprüchlich geäußert. Müller rückte nach und sagt, dass es ihm nichts ausmache, weniger Aufmerksamkeit als Faber und Strack-Zimmermann zu bekommen. “Wir sind uns sehr, sehr einig, was die Politik betrifft”, sagt er. Und: “Politisch passt zwischen uns kein Blatt Papier.”
Wenn Strack-Zimmermann bei der Europawahl 2024 als Spitzenkandidatin für die FDP antritt, könnte zur politikbezogenen Einigkeit aber postenbezogene Uneinigkeit hinzukommen. Der Spiegel berichtet, dass Faber Interesse für den Posten angemeldet habe, Müller, dem auch Chancen nachgesagt werden, wolle zwar noch keine Prognose abgeben, wer es wird, aber grundsätzliches Interesse? “Das habe ich, ja.”
Müller beobachtet vor allem zwei Bundeswehr-Baustellen: Digitalisierung und Personalmangel. In der Reserve sieht er das Potenzial, die Personalprobleme der Bundeswehr etwas abzuschwächen. Bis 2031 soll die Truppenstärke auf 203.000 Soldatinnen und Soldaten wachsen. Derzeit sind es 181.000, Tendenz zuletzt: sinkend.
“Die Reserve hat ein Riesenpotenzial. Wenn wir es schaffen würden, mehr Reservisten fest an die Bundeswehr zu binden, könnten wir eine Menge erreichen, um im Verteidigungsfall schnell mobilisieren zu können.” Doch auch Reserve kostet Geld. Die Budgets reichten nicht, um Reservisten so viel trainieren zu lassen, wie sie gerne würden, berichtet Müller. Er habe dieses Jahr bereits selbst als Reservist fünf Wochen “in Uniform verbracht”, zwei weitere sollen im Herbst folgen.
Als Softwareentwickler sieht Müller die Bundeswehr bei der Digitalisierung im internationalen Vergleich zwar nicht vorne, in der Cyber-Abwehr sei sie aber “sehr, sehr weit”. Ein Argument, mit dem die Bundeswehr fähiges Personal anziehe, seien zum Beispiel die digitalen Angriffsmöglichkeiten. “Wenn Ihr Rechner in der Privatwirtschaft angegriffen wird, müssen Sie gucken, dass Sie Ihren Rechner dicht machen. Bei der Bundeswehr können Sie auch dafür sorgen, dass der angreifende Rechner mit Artillerie belegt wird.” Im übertragenen Sinne natürlich. Gabriel Bub
68 Tage. So lange warten die rund 120.000 ethnischen Armenier in der Region Bergkarabach bereits auf lebensnotwendige Medikamente, Babynahrung und Treibstoff. Aserbaidschanische Soldaten blockieren die einzige Zufahrtsstraße und lassen nicht einmal mehr Hilfskonvois des Roten Kreuzes passieren. Doch den Begriff “Genozid” tat Regierungssprecher Steffen Hebestreit in der Bundespressekonferenz gestern Vormittag als einen “Kampfbegriff” ab, “der hier nicht hingehört”. In meiner Analyse lesen Sie, warum dieser Begriff durchaus berechtigt sein könnte.
Die mediale Aufmerksamkeit gilt seit dem Wochenende ganz klar den F-16-Kampfjets, die die Ukraine nun aus Dänemark und den Niederlanden erhält. Doch wir werfen auch noch einmal einen Blick auf ein anderes Waffensystem, das amerikanisch-israelische Raketenabwehrsystem Arrow 3. Viele wichtige Fragen sind dort noch offen, die nicht aus dem Blick geraten dürfen, wie Viktor Funk im Interview mit der verteidigungspolitischen Sprecherin Sara Nanni (Grüne) erörtert.
Apropos F-16: Die Bundesregierung hat zwar keine F-16-Kampfjets, die sie abgeben könnte, doch der Druck wächst auch auf Deutschland. Welche Lösung CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter ins Spiel bringt, lesen Sie in den News.
Grau ist gleich grau? Aber mitnichten! Seit 40 Jahren beißen die Heeresinspekteure regelmäßig auf Granit, wenn sie ein einheitliches Grau der Heeresuniformen einführen wollen. Nana Brink erklärt, woran es hakt.
Und mein Kollege Gabriel Bub hat mit dem Underdog Alexander Müller, verteidigungspolitischer Sprecher der FDP, gesprochen. An welchem Posten Müller durchaus Interesse hat und welcher Probleme der Truppe er sich besonders annehmen will, verrät er im Portrait.

Keine Medizin, keine Babynahrung, kein Mehl, kein Treibstoff, zeitweise kein Strom: Videos und Augenzeugenberichte belegen, wie katastrophal die humanitäre Lage in der de-facto unabhängigen Region Bergkarabach ist. Seit Dezember blockiert Aserbaidschan den Latschin-Korridor für den regulären Personen- und Warenverkehr.
Seit dem 15. Juni dürfen nicht einmal mehr Hilfskonvois des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) und der russischen Friedenstruppen die dringend benötigten Güter zu den rund 120.000 ethnischen Armeniern bringen. Mindestens eine Person sei infolge von Mangelernährung bereits gestorben, berichten armenische Medien.
Luis Moreno Ocampo, von 2003 bis 2012 Chefankläger am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, legte in einem Anfang August erschienenen Bericht dar, warum die Blockade und ihre Folgen die Kriterien eines Völkermordes nach Artikel II c) der UN-Völkermordkonvention erfülle. Es ist das erste Mal, dass ein hochrangiger internationaler Experte die Aktivität Aserbaidschans explizit als Genozid bezeichnet.
“Es gibt vernünftige Gründe für die Annahme, dass [Aserbaidschans] Präsident Alijev genozidiale Absichten hegt: Er hat den Latschin-Korridor wissentlich, willentlich und freiwillig blockiert, selbst nachdem er über die Folgen seines Handelns durch die vorläufige Anordnung des Internationalen Gerichtshofs aufgeklärt wurde”, heißt es in dem 28-seitigen Bericht. Der Internationale Gerichtshof hat Aserbaidschan zweimal rechtlich bindend aufgefordert, die Blockade aufzuheben.
Auf Table.Media-Anfrage erklärte Ocampo: “Ich will meinen Beitrag leisten, um die Leugnung des Genozids zu verhindern. Die Verantwortung liegt nun bei den 153 Vertragsstaaten der Völkermordkonvention, darunter auch Deutschland. Sie haben die Pflicht, den Völkermord zu verhindern.”
Die Bundesregierung und das Auswärtige Amt (AA) zeigen sich “besorgt” über die instabile Lage. “Die Bundesregierung unterstützt und beteiligt sich an den vom Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel, initiierten trilateralen Friedensgesprächen und begrüßt auch entsprechende Initiativen der USA”, sagte eine Sprecherin des AA auf Anfrage. Konkrete Schritte seien die Unterstützung des Roten Kreuzes vor Ort sowie der EU-Mission in Armenien (EUMA).
Die Blockade als Genozid zu bezeichnen, geht Regierungssprecher Steffen Hebestreit allerdings zu weit: In der gestrigen Bundespressekonferenz sagte er vor Journalisten: “Das sind Kampfbegriffe, die aus meiner Sicht nicht hierhergehören.”
Armenien und Aserbaidschan streiten seit Jahrzehnten um die Region. 2020 kam es zu einem Krieg, der am 9. November mit einem von Russland vermittelten Waffenstillstandsabkommen endete. Hauptstreitpunkt ist der Status der Menschen in Bergkarabach. Nach anhaltender Bedrohungsrhetorik vonseiten Aserbaidschans hat Armeniens Präsident Nikol Paschinyan im April Bereitschaft signalisiert, Bergkarabach an Aserbaidschan abzugeben, unter der Bedingung, dass die Menschen Minderheitenrechte bekommen.

In dem Abkommen wurde auch die Offenhaltung des Latschin-Korridors vereinbart. Aliyev rechtfertigt die Notwendigkeit der Einrichtung von Checkpoints an der armenisch-aserbaidschanischen Grenze mit dem illegalen Waffenschmuggel Armeniens nach Bergkarabach. Armenien bestreitet diese Vorwürfe.
Auch verweist Aserbaidschan auf eine neu gebaute Straße über Aghdam Richtung Baku, die offen stünde. Die Bewohner Bergkarabachs befürchten allerdings, dass sie nicht mehr in ihre Häuser zurückkehren dürfen, wenn sie ihre Heimat Richtung Baku verlassen, es sei denn, sie nähmen die aserbaidschanische Staatsbürgerschaft an. Nach und nach wolle Aliyev so die ethnischen Armenier vernichten, so die Interpretation Armeniens.
Druck auf Aliyev kommt inzwischen sogar von engen Verbündeten wie Israel und der Türkei, beides Waffenlieferanten Aserbaidschans. Die USA, die eine aktive Vermittlerrolle einnehmen, zögern angesichts der Vorwürfe eines Genozids die Erneuerung eines langjährigen Militärhilfeprogramms für Baku hinaus.
Bei einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates am Mittwoch haben die USA, Frankreich, Russland, die EU und andere Staaten Aserbaidschan aufgefordert, die Blockade des Latschin-Korridors aufzuheben. Die Sitzung endete jedoch ohne eine Resolution.
Narek Sukiasyan, Politologe bei der Friedrich-Ebert-Stiftung in Armenien, zeigt sich enttäuscht. “Wenn die Möglichkeit des UN-Sicherheitsrates ausgeschöpft ist, was bleibt dann noch?” Die nationalen Interessen des Westens – viele Länder der EU, darunter Deutschland, beziehen günstiges Gas und Wasserstoff aus Aserbaidschan – stünden weiterhin über den Menschen in Bergkarabach.
“Aserbaidschan schafft mit den Eskalationen immer neue Krisen und bringt die Friedensverhandlungen der vergangen Monate zum Erliegen”, sagt Sukiasyan. Selbst wenn Aliyev in Kürze die Blockade des Latschin-Korridors aufheben würde, wären damit die grundsätzlichen Probleme, nämlich der Frieden zwischen den beiden Ländern und die Rechte der Menschen in Bergkarabach, nicht geklärt.
Fast zur Randnotiz geworden ist, dass am vergangenen Dienstag eine Patrouille der unbewaffneten EU-Beobachtermission in Armenien gemeldet hatte, dass etwa einen Kilometer von der Patrouille entfernt vier bis fünf Schüsse abgefeuert worden seien. “Obwohl es nicht möglich war, das Ziel der Schüsse zu bestimmen, traf die Patrouille die notwendigen Schutzmaßnahmen und verließ das Gebiet”, sagte eine Sprecherin der EUMA auf Table.Media-Anfrage.
Die EUMA hatte den Vorfall per X (vormals Twitter) zuerst dementiert, musste dann aber aufgrund eines geleakten Videos doch zugeben, dass die EUMA-Beamten “bei dem Schießerei-Vorfall anwesend waren.” Verletzt wurde niemand.

Frau Nanni, französische Medien haben in den vergangenen Tagen daran erinnert, dass Berlin bei seiner Entscheidung für Arrow 3 Paris und Rom übergangen habe. Immerhin hätten Frankreich und Italien eigene europäische Systeme entwickelt. Ist der Streit über Arrow 3 zwischen Berlin und Paris doch nicht ausgeräumt?
Ich glaube, hier wirkt nur etwas nach, der große Streit ist ausgeräumt. Dass Deutschland sich für ein System entschieden hat, das bereits auf dem Markt ist, hängt eher damit zusammen, dass wir insgesamt in Europa unterschiedliche sicherheitspolitische Einschätzungen haben. Etwa zu der Frage, wie wahrscheinlich ist es, dass es in den nächsten zehn Jahren zu einer Konfrontation zwischen der Nato und Russland kommen könnte. Und je nach Einschätzung kann der Wunsch dringlicher sein, die Lücken in der Luftverteidigung rasch zu schließen. Wer der Auffassung ist, dass in den nächsten zehn oder 20 Jahren sowieso nichts passieren würde, der kann auf die Entwicklung neuer, eigener Systeme setzen. Frankreich und Deutschland stehen in der Einschätzung nicht an einem Punkt.
Präsident Macron hat erst jüngst gesagt, dass die Ukraine vielleicht doch schneller in die Nato sollte. Paris scheint die Gefahr aus Russland auch für groß zu halten?
Meine Wahrnehmung ist, dass sich hier in erster Linie Frankreichs Bewertung der Bedrohungssituation für die Ukraine geändert hat. Falls es zu einem Waffenstillstand kommt, wie wahrscheinlich ist es, dass Russland danach mit mehr Truppen wieder einmarschieren könnte? Bei dieser Frage scheint Frankreich inzwischen anders zu denken.
Für Paris ist es wichtig, militärisch von den USA so unabhängig wie möglich zu sein und auf eigene sowie auf europäische Projekte zu setzen, etwa FCAS und MGCS. Warum dann die große Skepsis gegenüber der europäischen Sky Shield Initiative?
Die Initiative ist derzeit eher eine Einkaufsgemeinschaft. Es geht darum, dass gemeinsam verschiedene Produkte bestellt werden. Das schafft Planungssicherheit für die Rüstungsunternehmen. Und es schafft Interoperabilität zwischen den Nationen, die sich daran beteiligen. Wenn wir innerhalb Europas verschiedene Luftverteidigungssysteme haben, wenn es also Arrow 3, das amerikanischen Patriot, das deutsche IRIS-T, und das französisch-italienische SAMP gibt, dann decken wir verschiedene Bereiche ab und schaffen Redundanzen. Das sind aber keine operativen Redundanzen. Die Systeme mit ähnlichen Fähigkeiten helfen, wenn ein System versagt, es gehackt wird, wenn seine Achillesferse gefunden und es lahmgelegt wurde. Es wird zwar oft darüber gesprochen, dass man in Europa viel zu viele Systeme hat. Aber wenn wir jetzt von jedem System nur eins haben, ist das auch nicht unbedingt gesund.
Wird dieses Argument Paris überzeugen?
Das könnte ein Argument sein, es mit einer gewissen Gelassenheit zu sehen, dass Deutschland und Frankreich an dieser Stelle nicht zusammengekommen sind, weil es eben auch militärische Vorteile hat.
Aktuell zählt die European Sky Shield Initiative 19 Staaten, drei davon – Schweden, Österreich und die Schweiz – sind keine Nato-Mitglieder. Schweden dürfte bald Nato-Mitglied werden, aber wie verhält es sich dann mit Österreich und der Schweiz, wenn es um Informationsaustausch innerhalb der Initiative geht?
Klar ist, dass Nato-Staaten ihre Informationen nicht mit Nicht-Mitgliedern tauschen werden. Klar ist auch, dass Arrow 3 auf deutschem Boden stehen wird, es gibt bisher keine anderen europäischen Staaten, die das System kaufen wollen. Aber darüber hinaus gibt es noch viele offene Fragen, die die europäischen Regierungen noch klären müssen, besonders, was den Einsatz von Arrow 3 betrifft.
In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Union im Mai wich die Bundesregierung einer klaren Aussagen darüber aus, ob Arrow 3 auch zum Schutz anderer Staaten vorgesehen ist.
Mein Stand ist auch, dass das noch offen ist. Aber wenn man sich die Flugbahnen von Raketen und Marschflugkörpern vorstellt, dann ist klar, dass wir hier mit anderen EU-Staaten zusammenarbeiten müssen. Wir können ja nicht nur einen bestimmten Luftraum über Europa schützen und den anderen nicht. Aber Absprachen dieser Art werden aus Sicherheitsgründen sicher nicht Gegenstand öffentlicher Diskussionen sein.
Der Streit über Arrow 3 ist nicht die einzige große Meinungsverschiedenheit, bei Rüstungsexporten knirscht es ja auch zwischen Berlin und Paris.
Ich denke, das ist auch nichts, was zwischen zwei Staaten geregelt wird, sondern dass eher auf der EU-Ebene Richtlinien nötig sein werden. Das wird aber ein sehr langer Prozess sein. Was Deutschland betrifft, so sind wir noch nicht einmal in den parlamentarischen Verhandlungen zum neuen Rüstungsexportgesetz. Wenn in Deutschland viele Menschen Bedenken haben, Exporte an Diktatoren zu liefern, dann ist das ja kein Bauchgefühl, sondern die Ereignisse der letzten Jahre haben gezeigt, dass Staaten, die aggressiv nach innen sind, auch dazu neigen, aggressiv nach außen zu wirken.
Ist der russische Krieg nun auch eine Mahnung?
Rheinmetall wollte vor 2014 Russland noch ein Gefechtsübungszentrum liefern und Frankreich wollte sogar noch nach der Krim-Annexion an Russland einen Hubschrauberträger verkaufen. Es ist noch keine zehn Jahre her, dass wir mit Russland enger militärisch kooperieren wollten. Und jetzt sind unsere Einschätzungen über diesen Staat massiv ins Gegenteil gekippt. Vor dieser Erfahrung geht es darum, diese Situation zum Anlass zu nehmen, noch einmal genau hinzuschauen. Was qualifiziert eigentlich einen Staat als verlässlich genug, um mit Gewaltmitteln ausgestattet zu werden? Diese Debatte müssen wir in Deutschland führen und auch mit unseren europäischen Freunden. Ich mache das persönlich auch, insbesondere mit den politischen Freunden in Frankreich und Großbritannien.

Eigentlich sollte mit der “Weisung zum Tragen des Dienstanzugs im Heer” vom 27. Mai 2015 alles klar sein. Dem damaligen Inspekteur des Heeres, Bruno Kasdorf, wurde es nämlich zu bunt in der Truppe, vor allem bei den grauen Dienstanzügen. Denn seit Jahrzehnten herrschten im Heer Fifty Shades of Grey. “Meine Absicht ist, dass sich die Professionalität des Heeres auch in seinem sichtbaren Auftreten widerspiegelt.” Und so befahl der Drei-Sterne-General unter dem Aktenzeichen 25-08-00, dass die Truppe in einem einheitlichen “Heeresgrau” antreten möge.
Nichts sollte mehr dem Zufall oder den Launen von Privatschneidern überlassen werden, weshalb in der Weisung der Ton genau definiert wurde: “Heeresgrau” wie “Basaltgrau” gemäß der Farbnorm RAL 7012. Besagter RAL-Ton passt zwar gut als Lackfarbe für deutsche U-Boote. Als Stofffarbe allerdings erwies er sich als schwierig. Denn besagtes “Basaltgrau” nach RAL 7012 ist ein dunkles Anthrazit-Grau, das nicht annähernd dem geforderten “Heeresgrau” entspricht, welches sich in der jüngsten “Anzugordnung für die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr” (A1-2630/0-9802, Version 2.8 vom März 2023) findet. Die Dienstjacken, die in den Shops des BW-Bekleidungsmanagements von der Stange erhältlich sind, zeigen ein wesentlich helleres Grau.
Womit sich die Frage stellt: Von welchem Grau also ist die Rede? Die Antwort ist kompliziert. Für die Bestellung von Anzugstoffen gibt es sogenannte Technische Lieferbestimmungen (TL), herausgegeben vom Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw). Diese sind öffentlich einsehbar und stammen von 2009, also noch vor der Weisung. Dort ist der Ton für die Dienstjacken mit “Hellgrau” angegeben (TL-8405-0129). Auf Nachfrage beim BAAINBw allerdings sind diese TL nicht mehr gültig (sind aber immer noch online). In den jetzt gültigen TL (Version 8305-0285) steht für den Dienstanzug jetzt die Farbe “Heeresgrau” – ohne die Bestimmung RAL 7012 (Basaltgrau).
Was also ist “Heeresgrau”? Der dunkle Farbton laut der – nie aufgehobenen – Weisung des damaligen Heeresinspekteurs? Oder der offensichtlich hellere, der sich in den Bundeswehr-Shops findet? Beim BAAINBw will man den Verdacht zerstreuen, dass man sich beim neuen “Heeresgrau” womöglich einer Weisung widersetzt habe: “Im Nachgang der Weisung wurde durch eine Zusammenarbeit zwischen Kommando Heer, Zentrum Innere Führung, BAAINBw und dem Wehrwissenschaftlichen Institut für Werk- und Betriebsstoffe der Farbton durch das CIELAB-Farbsystem konkretisiert”. In diesem gängigen Farbsystem, das auch für Stoffe verwendet wird, gibt es kein “Heeresgrau”. Aber es gibt ein “Perlgabardine (Pique)”, das – laut BAAINBw – das neue “Heeresgrau” ist. So steht es auch in den gültigen TL, die – so der Verdacht – klammheimlich geändert wurden und online nicht zu finden sind. Auch nicht für potenzielle Lieferanten der Bundeswehr.
Eine, die sich in dem Farben-Wirrwarr gut auskennt, ist Kathrin Schlüter. Die Kunsthistorikerin und Juristin, verheiratet mit einem Admiralstabsoffizier, gründete 2017 das Unternehmen “Schlüter Uniformen”. Seit dieser Zeit hat ihre Firma über 6.000 Uniformjacken nach Maß hergestellt. “Die meisten Soldaten, die zu uns kommen, sind verunsichert, was denn nun das richtige Grau ist.”
Viele empfänden die unterschiedlichen Farbbezeichnungen als nicht schlüssig. Kathrin Schlüter kann das verstehen. Als sie das Unternehmen gründete, hatte sie sich viele Gedanken zu dem RAL-Ton und den scheinbar existierenden Widersprüchen zum Grauton gemacht. So findet sich in ihrer Kollektion sowohl ein “Hellgrau”, welches dem momentan dienstlich gelieferten Grauton ähnlich ist, als auch der von einigen als zu dunkel empfundene Grauton RAL 7012 – wie in der Weisung von 2015 – der von ihren Kunden und Kundinnen präferiert wird. “Ich kann die Weisung ja nicht einfach ignorieren, auch wenn sie bis heute scheinbar noch nicht umgesetzt wurde”. Was Kathrin Schlüter sich bis heute fragt: “Was ist eigentlich die richtige Farbdefinition von Heeresgrau?”
Für die unterschiedlichen Grautöne hat das BAAINBw noch eine Erklärung: Es könne vorkommen, “dass Bekleidung älterer Fertigungsjahre aus Gründen der Wirtschaftlichkeit ausgegeben wird. Dies kann begründen, dass immer noch Uniformen in einem anderen Grauton ausgegeben werden”. Ein Ärgernis, schrieb doch der ehemalige Heeresinspekteur Bruno Kasdorf: “Ab 1. Januar 2019 ist nur noch die Dienstjacke, basaltgrau (RAL 7012) zu tragen. Ich erwarte, dass die Weisung umgesetzt und ihr durch persönliches Beispiel aller in Führungsverantwortung stehenden Vorgesetzten Nachdruck verliehen wird.”
Mit dem Versuch, ein einheitliches “Heeresgrau” zu finden, ist übrigens auch schon einer von Kasdorfs Vorgängern als Heeresinspekteur, Johannes Poeppel, vor über 40 Jahren gescheitert. In der – übrigens auch nie aufgehobenen – Weisung unter dem Aktenzeichen Fü H I 3 – AZ 49-01-00 vom 30. April 1980 befahl er ein “dienstlich festgelegtes Heeresgrau”: “Es muss sichergestellt werden, dass bei geschlossenem Antreten ein einheitliches äußeres Erscheinungsbild gewährleistet ist.”
Aber vielleicht muss man das so pragmatisch sehen wie der ehemalige Generalinspekteur Eberhard Zorn. Er trug, je nach Anlass, Dienstjacken sowohl in “Kasdorf-Grau” als auch in “Hellgrau”. Den jetzigen Generalinspekteur Carsten Breuer hingegen sieht man – bislang – nur in “Hellgrau”. Oder “Heeresgrau”. Oder “Perlgabardine (Pique)”.
Die Bundesregierung will das Zwei-Prozent-Ziel bei den Verteidigungsausgaben in den kommenden Jahren über einen Buchungstrick erreichen. So sollen Mittel aus dem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr auch für andere Ausgaben als Bestellungen neuer Waffensysteme ausgegeben werden können, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters von mehreren Quellen in der Ampel-Koalition.
Auch Kosten für die nötige Infrastruktur, Forschung oder Logistik, die im Zusammenhang mit der Rüstungsbeschaffung stehen, sollen so aus dem Topf bezahlt werden können. Dies gilt auch für entsprechende IT-Projekte. So solle das Geld schneller abfließen, hieß es.
Die Regierung hatte sich im Haushaltsfinanzierungsgesetz für den Etat 2024 auf die Verpflichtung verständigt, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben – aber in einem Mittel von fünf Jahren. Das Auswärtige Amt hatte in den Beratungen nach Angaben aus Regierungskreisen verhindert, dass das jährliche Erreichen des Zwei-Prozent-Ziels der Nato festgeschrieben wird.
Grund für das Fünf-Jahres-Mittel ist nach Angaben aus Regierungskrisen, dass unklar ist, in welchem Jahr die Zahlung für teure Waffensysteme wie etwa das US-Kampfflugzeug F-35 fällig werden. Die Bundesregierung will auch das Gesetz für die Verwendung des 100-Milliarden-Euro-Topfes ändern.
Bei den Verteidigungspolitikern der Ampel-Koalition stößt dies durchaus auf Zustimmung, weil so Geld für sicherheitsrelevante Projekte schneller eingesetzt werden kann. Allerdings würden Ausgaben für Infrastrukturprojekte am Ende die Summe für die Bestellung neuer Waffensysteme schmälern. Nach Angabe einer Sprecherin des Verteidigungsministeriums sind derzeit 33 Milliarden Euro der 100 Milliarden Euro verplant und vertraglich gebunden. Man hoffe, dass der Anteil Ende des Jahres bei Zweidrittel der Summe liegen werde. In Koalitionskreisen wurde dagegen betont, dass eigentlich bereits 60 Prozent fest verplant seien.
Deutliche Kritik kommt aus der Opposition. Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Johann Wadephul, spricht von einem schweren Vertrauensbruch: “Die Beschaffungsliste ist nach den neuerlichen Plänen der Ampel das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben wurde.” Sie sei in der Sache stark verändert worden. “Das verlässt die gemeinsame Geschäftsgrundlage, auf der wir die Verfassung geändert haben. Das mag rechtlich zulässig sein. Politisch ist es ein schwerer Fehler.” An die Union brauche die Ampel nicht mehr herantreten, wenn es darum gehe, neue Mittel für die Bundeswehr zu akquirieren, sagte Wadephul.
In der Nationalen Sicherheitsstrategie bekennen sich SPD, Grüne und FDP zu dem Ziel der Nato-Staaten, dass zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung ausgegeben werden sollen. klm/rtr
Der CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter begrüßt die Entscheidung Dänemarks und der Niederlande, F-16-Kampfjets an die Ukraine zu liefern als “starkes Zeichen der Verantwortung für europäische Sicherheit”. Deutschland könne die F-16-Kampfjet-Koalition logistisch, beim Schutz von Infrastruktur wie Flughäfen, etwa mit Patriot-Systemen, oder bei der Ausbildung oder Betankung unterstützen, sagte er Table.Media. Weil die erste Tranche Eurofighter schon ausgemustert und die Nachfolge finanziert sei, solle man auch die Abgabe dieser Jets zusammen mit Großbritannien prüfen.
Mit der Lieferung der Kampfjets bekommt auch die Debatte um Taurus-Marschflugkörper Auftrieb. Deren Gegner argumentierten, dass sie als erstes westliches System für Angriffe auf russisches Gebiet genutzt werden könnten. Auch bei den F-16 pocht Dänemark darauf, dass sie nur über ukrainischem Territorium eingesetzt werden. Die Bundesregierung könne der Ukraine vertrauen, sagt Kiesewetter. Ohnehin seien “Angriffe auf militärische Ziele auch auf russischem Territorium völkerrechtlich zulässig” und “verhältnismäßig und militärstrategisch sinnvoll”. Deshalb sei eine technische Begrenzung der Taurus-Marschflugkörper, die eine Reichweite von 500 Kilometern haben, “weder sinnvoll noch notwendig”.
Die Niederlande und Dänemark hatten am Wochenende die Lieferung von F-16-Kampfjets an die Ukraine angekündigt. Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen sagte zu, 19 Jets liefern zu wollen. Sechs gegen Jahresende, acht im kommenden Jahr und fünf im Jahr 2025. Der niederländische Regierungschef Mark Rutte nannte keine Zahl, die Niederlande verfügen jedoch über 42 F-16-Flugzeuge, von denen aber nur 24 laut niederländischem Verteidigungsministerium einsatzbereit sind. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte nach dem Treffen mit Rutte gesagt, er rechne mit 42 Flugzeugen aus den Niederlanden.

Die USA hatten einer Lieferung am Freitag zugestimmt. Offizielle Stellen rechnen mit einer Ausbildungszeit von sechs bis acht Monaten, eine Lagebewertung der US-Luftwaffe kam im März 2023 zu dem Schluss, dass eine Ausbildung auch in vier Monaten möglich sei. Die Ausbildung ukrainischer Piloten solle noch im August starten, sagte der dänische Verteidigungsminister Jakob Ellemann-Jensen am Freitag. Auch Griechenland hat angeboten, ukrainische Piloten für Kampfjets vom Typ F-16 auszubilden. Selenskyj bedankte sich am Montagabend in Athen für das Angebot, das er gerne annehme.
Mit den Zusagen aus Kopenhagen und Den Haag steigt der Druck auf andere Nato-Mitgliedstaaten, Kampfjets zu liefern. Weitere Länder, die F-16-Jets liefern könnten, sind Belgien, Polen und Portugal. Norwegen käme auch infrage, hat seine F-16 allerdings schon ausgemustert und teilweise verkauft. Über die meisten F-16-Jets verfügen die USA. bub
Eine militärische Intervention der Ecowas unter Führung Nigerias ist unwahrscheinlicher geworden. Am Wochenende hat eine Delegation der Ecowas in Niamey den gestürzten Präsidenten Mohamed Bazoum getroffen. Die Delegation führte der ehemalige Präsident Nigerias, Abdulsalami Abubakar, an.
Der neue, von der Junta ernannte Premierminister von Niger, Ali Mahaman Lamine Zeine, empfing diese am Flughafen. Am Samstag war auch die neue US-Botschafterin Kathleen FitzGibbon in Niger eingetroffen, um die Suche nach einer friedlichen Lösung der Krise nach dem Putsch zu unterstützen. Für die USA geht es auch darum, die Niger Air Base 201 bei Agadez, eine wichtige Drohnenbasis in der Region, nicht zu verlieren.
Die internationale Staatengemeinschaft – sowohl Europa und die USA als auch die Ecowas und andere multinationale Organisationen – befinden sich in einer verfahrenen Situation. Sowohl diplomatische Initiativen als auch militärische Drohungen scheinen nicht zu verfangen. Die Putschisten in Niger festigen ihre Position an der Spitze des Staates.
Wie stark der Rückhalt der Militärjunta in der nigrischen Bevölkerung tatsächlich ist, lässt sich nicht verlässlich einschätzen. Demokratisch legitimierte Regierungen in der Sahelregion schwächelten seit vielen Jahren. Viele der gewählten Regierungen haben sich in der Vergangenheit als korrupt, nepotistisch und durchsetzungsschwach erwiesen.
Es wird somit zunehmend ein politischer Faktor für die Sahelregion, dass parlamentarisch geprägte Staatsformen in der Bevölkerung an Ansehen verloren haben und autokratische Regime größeren Rückhalt in der Bevölkerung des Sahel bekommen. hlr
Mehr über Nigerias ehemaligen Präsidenten Abubakar und die prekäre Situation in Niger lesen Sie in der Analyse im Africa.Table.
Saudische Grenzsoldaten haben zwischen März 2022 und Juni 2023 Hunderte, möglicherweise Tausende äthiopische Migranten getötet. Das geht aus einem neuen Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hervor.
Demnach seien die Flüchtlinge erschossen worden, als sie versuchten, die jemenitisch-saudische Grenze zu überqueren. Grenzschutzbeamte hätten wahllos Waffen eingesetzt und Menschen aus nächster Nähe erschossen, darunter auch Frauen und Kinder. Der Bericht stützt sich auf Dutzende Interviews mit äthiopischen Flüchtlingen, Angehörigen verstorbener Migranten sowie auf Videos und Satellitenbilder aus dem Grenzgebiet. Human Rights Watch verurteilt die Taten als Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Die Linken-Bundestagsabgeordnete Clara Bünger reagierte auf den Bericht und forderte eine Überprüfung der Politik der Bundesregierung gegenüber Saudi-Arabien. “Wer von sich selbst behauptet, feministische Außenpolitik sei wichtig, macht sich unglaubwürdig, wenn man Staaten wie Saudi-Arabien mit Waffen unterstützt, die Menschen barbarisch an ihrer Grenze abschießen”, sagte sie Table.Media.
Die Entscheidung der Bundesregierung von 2020, saudische Grenzpolizisten wieder durch die Bundespolizei ausbilden zu lassen, sei “ein großer Fehler” gewesen, so Bünger. Nun müsse geklärt werden, “ob etwa von Deutschland ausgebildete Kräfte an den Massenerschießungen und Menschenrechtsverletzungen beteiligt” gewesen seien. “Die Zusammenarbeit muss umgehend eingestellt und die Lieferung von Waffen gestoppt werden.” Bis Juni dieses Jahres hatte die Ampelkoalition Rüstungsexporte in Höhe von knapp einer Million Euro an Saudi-Arabien genehmigt, 2022 waren es 44,2 Millionen. mrb
Die USA verlängern die Ausbildung ukrainischer Soldaten an Abrams-Kampfpanzern im bayerischen Grafenwöhr. Das sagte der Sprecher der US-Armee in Europa, Martin O’Donnell. Ein 12-wöchiger Crashkurs, bei dem rund 200 ukrainische Soldaten an den Panzern geschultet werden, wurde auf Wunsch Kiews verlängert. Die USA wollen der Ukraine im Herbst 31 Abrams-Panzer liefern. Die US-Armee will ihre Präsens in Grafenwöhr insgesamt stärken und kündigte Investitionen vor Ort an. Für rund 900 Millionen Dollar soll der Truppenübungsplatz ausgebaut werden.
Weil die Abrams-Panzer noch nicht ausgeliefert sind, zeigt sich die Ukraine bei der Ausbildung ihrer Soldaten durch die USA geduldiger als bei den Schulungen an Leopard-Panzern im Rahmen der EU-Ausbildungsmission Eumam. Der Kommandeur des deutschen Teils der EU-Trainingsmission, Andreas Marlow, beklagte am Donnerstag, dass die sechs Wochen, die die Ukraine ihren Soldaten für die Ausbildung am Leopard 1A5 in der Kaserne in Klietz in Sachsen-Anhalt gewähre, zu kurz seien.
Die EU will bis zum 15. November des kommenden Jahres 30.000 ukrainische Soldatinnen und Soldaten ausgebildet haben. Dieses Ziel dürfte schon deutlich früher erreicht werden, sagte Marlow. Das ursprüngliche Ziel von 15.000 Kämpfern war schon im Mai erreicht und deshalb nach oben korrigiert worden. In Deutschland wurden dieses Jahr bereits 6.200 Kräfte im Rahmen der EU-Mission ausgebildet. Bis Jahresende sollen es 10.000 sein. Der andere Teil der Mission findet in Polen statt. bub
Podcast der DGAP: Die große Frage – KI beim Militär. Künstliche Intelligenz bietet zukünftig die Chance, sogenannte “Three D-Jobs” – dirty, dangerous, difficult – auszuführen. Welche Aufgaben das sein können und wie KI künftig das Militär beeinflussen wird, besprechen zwei Experten der DGAP in dieser Folge.
Berlin.Table – Annalena Baerbock: “Den Inselstaaten Alternativen zu China bieten.” Die deutsche Außenministerin war frustriert, als sie ihre Reise in die Pazifik-Region abbrechen musste. Zu viele wichtige Themen hingen daran, sagte sie im Interview mit Table.Media. Wie eng Klima- und Geopolitik beieinander liegen und warum Deutschland und die EU sich selbst schaden, wenn sie die Zusagen für die Klimafinanzierung nicht erfüllen, erläutert sie im Gespräch mit Bernhard Pötter.
The Moscow Times – Murders, Drugs and Brawls: Russia’s Pardoned Ex-Convicts Return Home After Fighting in Ukraine. Das Problem war absehbar und es ist noch größer als befürchtet: Die aus der Ukraine zurückkehrenden Wagner-Kämpfer rauben, vergewaltigen und töten auch in Russland. Das Regime Wladimir Putins hat dafür gesorgt, dass Zehntausende Schwerverbrecher nun frei im Land herumlaufen.
International Security – Soldiers’ Dilemma: Foreign Military Training and Liberal Norm Conflict. Die nigrischen Streitkräfte, die gegen den Präsidenten Mohamed Bazoum geputscht haben, wurden von westlichen Armeen ausgebildet. Diese Studie untersucht, wie sich Soldaten verhalten, wenn liberale Normen kollidieren, zum Beispiel die Einhaltung von Menschenrechten und das Folgen ziviler Institutionen.

Die Fahrt auf der stau- und baustellenanfälligen Autobahn 3 nach Süden durch Bayern wäre für Alexander Müller angenehmer, wenn er in einem seiner Opel-Oldtimer sitzen würde. Dem Manta von 1997, dem Corsa von 1991 oder dem Ascona von 1977 etwa, den er für kurze Fahrten in seinem Wahlkreis im Taunus nutzt.
Stattdessen hat er sein modernes Wahlkampfmobil gewählt – von außen beklebt mit seinem Namen und FDP-Folien – als Unterstützung für die bayerischen Parteifreunde im Landtagswahlkampf. In der sitzungsfreien Zeit will er Rüstungsunternehmen in Süddeutschland besuchen, später noch im Norden. Die Fahrtzeit nutzt er für Telefontermine.
Müller ist einer der unbekannteren verteidigungspolitischen Sprecher im Bundestag. Wenn eine FDP-Stimme gefragt ist, interviewen die Tagesthemen und Markus Lanz lieber die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Sein Vorgänger als Sprecher in Verteidigungsfragen, Marcus Faber, einer der prominenteren Ukraine-Unterstützer bei den Liberalen, trat im Mai 2022 von seinem Posten zurück.
Er hatte eine Befragung von Bundeskanzler Olaf Scholz im Verteidigungsausschuss vorzeitig verlassen und sich im Nachgang dazu widersprüchlich geäußert. Müller rückte nach und sagt, dass es ihm nichts ausmache, weniger Aufmerksamkeit als Faber und Strack-Zimmermann zu bekommen. “Wir sind uns sehr, sehr einig, was die Politik betrifft”, sagt er. Und: “Politisch passt zwischen uns kein Blatt Papier.”
Wenn Strack-Zimmermann bei der Europawahl 2024 als Spitzenkandidatin für die FDP antritt, könnte zur politikbezogenen Einigkeit aber postenbezogene Uneinigkeit hinzukommen. Der Spiegel berichtet, dass Faber Interesse für den Posten angemeldet habe, Müller, dem auch Chancen nachgesagt werden, wolle zwar noch keine Prognose abgeben, wer es wird, aber grundsätzliches Interesse? “Das habe ich, ja.”
Müller beobachtet vor allem zwei Bundeswehr-Baustellen: Digitalisierung und Personalmangel. In der Reserve sieht er das Potenzial, die Personalprobleme der Bundeswehr etwas abzuschwächen. Bis 2031 soll die Truppenstärke auf 203.000 Soldatinnen und Soldaten wachsen. Derzeit sind es 181.000, Tendenz zuletzt: sinkend.
“Die Reserve hat ein Riesenpotenzial. Wenn wir es schaffen würden, mehr Reservisten fest an die Bundeswehr zu binden, könnten wir eine Menge erreichen, um im Verteidigungsfall schnell mobilisieren zu können.” Doch auch Reserve kostet Geld. Die Budgets reichten nicht, um Reservisten so viel trainieren zu lassen, wie sie gerne würden, berichtet Müller. Er habe dieses Jahr bereits selbst als Reservist fünf Wochen “in Uniform verbracht”, zwei weitere sollen im Herbst folgen.
Als Softwareentwickler sieht Müller die Bundeswehr bei der Digitalisierung im internationalen Vergleich zwar nicht vorne, in der Cyber-Abwehr sei sie aber “sehr, sehr weit”. Ein Argument, mit dem die Bundeswehr fähiges Personal anziehe, seien zum Beispiel die digitalen Angriffsmöglichkeiten. “Wenn Ihr Rechner in der Privatwirtschaft angegriffen wird, müssen Sie gucken, dass Sie Ihren Rechner dicht machen. Bei der Bundeswehr können Sie auch dafür sorgen, dass der angreifende Rechner mit Artillerie belegt wird.” Im übertragenen Sinne natürlich. Gabriel Bub