richtig konkret werden wollte Wirtschaftsminister Robert Habeck gestern nach dem Treffen mit Vertretern der Rüstungsindustrie nicht. Das Wichtigste war wohl, dass Teilnehmer und der Minister (wenig überraschend) nach dem Treffen einen zufriedenen Ton anschlugen. Was Habeck will, ist ein gemeinsamer europäischer Beschaffungsmarkt. Was die Industriellen vom Vizekanzler wollen, lesen Sie in unserer Analyse.
Es ist ein sensibles Thema, doch irgendwann gehen der Ukraine die Soldaten aus. Das ukrainische Parlament will deshalb die Regeln für die Mobilmachung lockern und das Mindestalter auf 25 Jahre senken. Derzeit lässt sich die Rekrutierung ohne große Konsequenzen umgehen. Denis Trubetskoy berichtet aus Kiew, was der Gesetzesentwurf ändern würde.
Nachwuchs versucht die Bundeswehr auch an Schulen zu gewinnen – durch Aufklärung, nicht durch Werbung, wie sie betont. Aber der Grünen Jugend und Lehrervertretern gehen Bundeswehrauftritte in den Klassenzimmern zu weit. Maximilian Stascheit hat sich die Kooperationsvereinbarungen der Länder mit Jugendoffizieren und die Bedenken der Politik angeschaut.
Der Vorsitzende des Reservistenverbands Patrick Sensburg schreibt in seinem Standpunkt, dass eine wiedereingeführte Wehrpflicht zur glaubhaften Abschreckung beitragen würde – denn sie würde die zivile Komponente der Verteidigungsfähigkeit stärken.
Friedliche Feiertage wünscht
Das Treffen von Wirtschaftsminister Robert Habeck mit Spitzenvertretern deutscher Rüstungsunternehmen war für die Industrie schon deshalb ein Erfolg, weil es stattfand. Bisher hatte das Ministerium mit diesem Wirtschaftszweig nur da geredet, wo es um Arbeitsplätze ging, etwa auf den Werften, hieß es aus der Branche – oder bei Genehmigungsverfahren für Rüstungsexporte. Dass in Zeiten des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine der grüne Minister nun erstmals die Unternehmensvertreter zum Gespräch über die Probleme der Branche selbst gebeten hatte, nahmen die Firmen als positives Signal wahr.
“Das war eine sehr gute Runde, und ich glaube, dass da was rauskommen wird”, sagte der CEO eines Rüstungsunternehmens zu Table.Briefings nach dem Gespräch am Mittwoch. Der Minister habe zugehört, wo die Industrie mit Problemen kämpfe, zum Beispiel bei Genehmigungsverfahren für Produktionsstätten. “Dass er sich überhaupt mit dem Thema beschäftigt, ist etwas Neues”, sagte ein Vertreter einer anderen Firma, die die Bundeswehr beliefert. Konkrete Ergebnisse gab es bei dem Treffen zwar zunächst nicht. In zwei Wochen sollen die Gespräche zwischen Regierung und Rüstungsindustrie aber fortgesetzt werden, dann im Verteidigungsministerium.
Zu dem runden Tisch hatte Habeck Rüstungsvertreter von etwa 20 Unternehmen aus der Branche eingeladen, von Großkonzernen wie Rheinmetall oder Airbus bis zu Start-Ups wie dem Drohnenhersteller Quantum oder Helsing, die Künstliche Intelligenz in Waffensysteme bringen wollen.
Der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) war mit einer langen Wunschliste zum Gipfel ins Wirtschaftsministerium gereist, wie Hauptgeschäftsführer Hans Christoph Atzpodien im Anschluss mitteilte. Er nutzte den Gipfel, um den Regierungsvertretern erneut die Forderungen der Industrie zu erläutern. Dazu gehöre, dass
Atzpodien, wie auch Unternehmensvertreter, sprachen von einer “sehr konstruktiven” Gesprächsatmosphäre. Das Wirtschaftsministerium war als Einlader stark vertreten mit mehr als zehn Staatssekretären und Abteilungsleitern – aber auch andere Ressorts: Steffen Saebisch, Staatssekretär im Finanzministerium nahm ebenso teil wie der politische Direktor aus dem Verteidigungsministerium, Jasper Wieck, und Rüstungsdirektor Vizeadmiral Carsten Stawitzki, aus dem Auswärtigen Amt Oliver Rentschler, Abteilungsleiter für Klimaußenpolitik und Geoökonomie. Der sicherheitspolitische Berater von Bundeskanzler Olaf Scholz, Jens Plötner, war zeitweise bei dem Gespräch dabei.
Raum für Nachfragen im Anschluss an die Statements gab es aufgrund der großen Anzahl an Teilnehmern nicht. Wie die Unterstützung der Rüstungsindustrie finanziert werden soll, blieb deswegen offen. Lösungen zum Koalitionsstreit um die Prioritätensetzungen im Haushalt (Finanzminister Christian Lindner drängt auf Kürzungen im Sozialbereich, was SPD und Grüne ablehnen) wurden demnach nicht präsentiert.
Habeck selbst signalisierte nach dem Treffen, dass vor allem um einen Schulterschluss mit der Rüstungsindustrie ging. “Das politische Gebot der Stunde ist, sicherheitsfähig zu werden. Daran arbeiten wir seit heute noch mal verstärkt”, sagte der Minister. Die Industrie brauche dafür zwar Aufträge, die “natürlich finanziell hinterlegt werden” müssen, allerdings müsse die Industrie dafür “die Vorleistung auch jetzt schon schaffen”. In dem Zug lobte Habeck, dass Unternehmen “im Bereich von Rohmaterialien, Lieferketten schon Vorsorge getroffen haben”, um die Produktion zu beschleunigen. Gerade bei der Munitionsproduktion hat die europäische Rüstungsindustrie Aufholbedarf.
Deshalb sei auch “das Schaffen eines gemeinsamen Beschaffungsmarktes sicherlich ein Gebot der Stunde”, so der Minister. Europäische Gelder müssten effektiver ausgegeben werden, die Rüstungsindustrien der europäischen Länder seien noch zu stark national engagiert.
Es gehört zu den kompliziertesten Gesetzen, die das ukrainische Parlament je verabschieden musste: Das neue Gesetz zur Mobilmachung, welches nach Monaten der Diskussionen am 7. Februar von der Werchowna Rada in erster Lesung befürwortet wurde. Allerdings war die Befürwortung eher eine technische Angelegenheit, um das Gesetz voranzubringen. Für die zweite, finale Lesung liegen mehr als 4.000 Änderungsanträge vor – ein Rekord für die Ukraine. Aktuell hat der Verteidigungsausschuss rund die Hälfte davon bearbeitet.
Ende April könnte das Gesetz verabschiedet werden. Das heißt aber nicht, dass die Mobilmachung dann sofort anders verlaufen wird. Der aktuelle Entwurf sieht eine Übergangszeit von einem Monat vor und mit der vollständigen Umsetzung des Gesetzes wird in etwa einem Halbjahr gerechnet.
Die Mobilmachung ist in der Ukraine ein sensibles Thema, viele Änderungsanträge verlängern den Prozess. Dafür gibt es sachliche Gründe: Das System der Mobilmachung stammt aus der Zeit der Sowjetunion und ist immer noch anfällig für Korruption. Unter dem Druck des russischen Kriegs muss Kiew eine Balance zwischen der Förderung der freiwilligen und der Durchsetzung der erzwungenen Rekrutierung finden. Hinzu kommt die Digitalisierung des gesamten Prozesses.
Tatsächlich bietet die aktuelle Regelung viele Möglichkeiten, der Mobilmachung nur mit minimalen Konsequenzen zu entgehen. Der erste Entwurf des neuen Gesetzes sah unter anderem eine Sperrung der Bankkonten für Menschen vor, die beim Einberufungsamt nicht gemeldet sind. Dies sorgte jedoch dafür, dass die Ukrainer im Januar überdurchschnittlich viel Bargeld von ihren Konten abhoben. Höchstwahrscheinlich wird der Vorschlag zu dieser Strafe nicht umgesetzt werden, dafür aber eine Sperrung der Fahrerlaubnis.
Die Herabsetzung des Mindestalters für die Mobilmachung von 27 auf 25 Jahre ist unumstritten, die Obergrenze bleibt bei 60 Jahren. Viel diskutiert wird dagegen über das Recht auf freiwillige Demobilisierung nach 36 Monaten. Das würde Soldaten helfen, die seit Februar 2022 dienen und die Armee verlassen wollen. Die in der ersten Lesung verabschiedete Version sieht diese Möglichkeit zwar vor; sie gibt aber dem sogenannten Hauptquartier des Oberbefehlshabers das Recht, je nach Frontlage zu entscheiden, ob die Demobilisierung genehmigt wird oder nicht. Wie es am Ende reguliert sein wird, ist unklar.
Die Mobilmachung in der Ukraine verläuft ununterbrochen seit dem 24. Februar 2022. Streng genommen wird kein neues Gesetz gebraucht, um weiter einzuziehen. Das neue Gesetz wird wahrscheinlich nichts an den Plänen für die Mobilmachung für 2024 ändern. Laut verschiedenen Mitgliedern des Verteidigungsausschusses folgen sie den bisherigen Sollziffern, die nicht bekannt gegeben werden. Das heißt dennoch, dass der vorgeschriebene Jahresbedarf vorerst deutlich kleiner als 450.000 bis 500.000 Soldaten ausfällt, die der Generalstab laut Präsident Wolodymyr Selenskyj anfragte.
Grundsätzlich muss die Ukraine ihr System aber effizienter gestalten. Denn dass die Pläne schon 2022 teilweise nicht erfüllt wurden, ist kein Geheimnis.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius lässt derzeit verschiedene Modelle zur Wiedereinführung der Wehrpflicht prüfen. Der SPD-Minister macht keinen Hehl daraus, dass er Sympathien für das “schwedische Modell” hat, bei dem die Rekrutinnen und Rekruten nach Interesse an der Armee ausgewählt werden. Unfreiwillige werden nur dann eingezogen, wenn die festgelegte Mindestanzahl für den einjährigen Wehrdienst nicht durch Freiwillige erfüllt wird. Die Frage, inwiefern sie bereit sind, dem Staat an der Waffe zu dienen, könnte für junge Menschen daher schon bald an Relevanz gewinnen.
Schon jetzt ist das Thema Bundeswehr an Schulen umstritten. Die Grüne Jugend kritisiert die Auftritte der Bundeswehr in Schulen. “Deutsch bei Herrn Meyer, Mathe bei Frau Schmitt und in der dritten Stunde Krieg beim Jugendoffizier? Das ist kein Bildungsmodell für unsere Schulen“, sagte Bundessprecherin Svenja Appuhn zu Table.Briefings. Ihr zufolge habe sich “oft genug gezeigt, dass die Bundeswehr ihren Alltag vor Schulkindern wie ein großes Abenteuer darstellt”. Unterricht über Sicherheitspolitik gehöre daher in die Hand der Lehrerinnen und Lehrer. “Die Bundeswehr für Fragen von Krieg und Frieden einzuladen, ist wie RWE über den Kohleausstieg referieren zu lassen“, so Appuhn.
Sie fordert die Bildungsministerinnen und -minister auf, “die Demokratiebildung und den ständigen Unterrichtsausfall zu beenden, statt Kooperationsverträge mit der Bundeswehr zu schließen”. Es sei “absurd”, die Schulen “jetzt für den Kriegsfall bereit machen zu wollen”, wenn sie noch nicht einmal im Normalbetrieb funktionierten.
Unterstützung für ihre Position bekommt die Grüne Jugend auch von Lehrervertretern. “Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft lehnt die Kooperationsvereinbarungen, die mehrere Bundesländer mit der Bundeswehr geschlossen haben, ab”, sagte das für den Schulbereich verantwortliche GEW-Vorstandsmitglied Anja Bensinger-Stolze zu Table.Briefings. Die Jugendoffiziere kämen in Uniform in die Schulen und seien auf diese Situation sehr gut vorbereitet, auch wenn gleichzeitig jemand aus dem Friedensspektrum oder ein Kriegsdienstverweigerer eingeladen werde. “Bei diesen Auftritten ist der Schritt zur Werbung schleichend.“
Anders sieht das Nils Gründer, jüngster Abgeordneter der FDP-Bundestagsfraktion und Mitglied des Verteidigungsausschusses. “Die Bundeswehr war in den letzten Jahren nicht mehr in der Mitte der Gesellschaft. Umso wichtiger ist es, dass sich Schülerinnen und Schüler mit der Bundeswehr und dem Thema Sicherheitspolitik auseinandersetzen“, sagte er zu Table.Briefings. Besuche von Jugendoffizieren in der Bundeswehr seien dafür eine sehr gute Möglichkeit. “Sie sind dafür speziell ausgebildet und wissen genau, was sie dürfen – und was nicht“, so Gründer.
In Deutschlands Schulen gibt es bislang keine einheitliche Regelung, wie die Bundeswehr im Unterricht behandelt wird. Grundsätzlich ist es ein Thema für den Politik-, Gemeinschafts- oder Sachkundeunterricht. Ob dazu jedoch Soldaten in den Unterricht eingeladen oder sogar Truppenstandorte im Rahmen einer Exkursion besucht werden, hängt in der Regel vom Lehrer oder der Lehrerin ab. Denn konkrete Vorgaben dazu sind in den Curricula nicht zu finden.
Die Bundeswehr macht den Schulen ein konkretes Angebot: Sie können Jugendoffiziere in den Unterricht einladen, um über die Aufgaben der Armee und den Soldatenberuf zu informieren. Bei ihnen handelt es sich nach Angaben der Bundeswehr um hoch qualifizierte Kräfte, die über Führungserfahrung in der Truppe verfügen müssen und für die Arbeit als Jugendoffizier speziell fortgebildet werden. Im Jahr 2023 haben die derzeit 86 hauptamtlich tätigen Jugendoffiziere 5.499 Veranstaltungen mit insgesamt 158.149 Teilnehmerinnen und Teilnehmern durchgeführt, wie eine Sprecherin des Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr gegenüber Table.Briefings mitteilte.
In insgesamt neun Bundesländern – Nordrhein-Westfalen, Saarland, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, Sachsen und Schleswig-Holstein – haben die Landesbildungsministerien Kooperationsvereinbarungen mit der Bundeswehr geschlossen, die eine institutionalisierte Grundlage für die Zusammenarbeit mit Schulen bilden. Sie setzen Rahmenbedingungen und geben den Lehrkräften Orientierung, sehen jedoch keine verpflichtenden Unterrichtsbesuche von Soldatinnen und Soldaten vor.
In der Kooperationsvereinbarung des Landes Baden-Württemberg heißt es beispielsweise, dass die Schülerinnen und Schüler durch den Unterricht befähigt werden sollen, “sich mit Fragen internationaler Verständigung und Zusammenarbeit sowie mit unterschiedlichen Strategien der Friedenserhaltung auseinanderzusetzen”. Dabei sollen sie lernen, kontroverse Positionen abzuwägen und zu einem eigenen Urteil zu kommen. Bei Besuchen von Jugendoffizieren seien die Lehrer weiterhin für den Unterricht verantwortlich. “Sie sorgen ferner für eine angemessene Vorbereitung des Besuchs externer Experten”, heißt es in der Vereinbarung.
In den Ländern, in denen es keine Kooperationsvereinbarungen gibt, sind Besuche von Jugendoffizieren jedoch nicht ausgeschlossen. Eine Sprecherin von Bremens Bildungssenatorin teilte Table.Briefings beispielsweise mit, dass die Schulen “eigenverantwortlich und freiwillig über die Inanspruchnahme der Angebote” entscheiden. Auch eine Sprecherin des niedersächsischen Bildungsministeriums verwies darauf, dass die Schulen “viel pädagogische Beinfreiheit bei der Gestaltung von Unterrichtseinheiten zur Friedens- und Demokratiebildung” hätten.
In Sachsen-Anhalt gibt es zwar keine Kooperationsvereinbarung, dafür aber eine Handreichung für Lehrerinnen und Lehrer. Darin wird klargestellt, dass bei einem Kontakt der Bundeswehr mit Schulen “die Darstellung konträrer Standpunkte abzusichern” ist. “Bei Einladung von Vertreterinnen oder Vertretern der Bundeswehr ist deshalb darauf zu achten, parallel oder zeitnah auch Vertreterinnen oder Vertretern friedenspolitischer Organisationen die Gelegenheit zur Darstellung unterschiedlicher Positionen unter vergleichbaren Bedingungen zu gewähren.” Komme dies nicht zustande, sei die Lehrkraft dafür verantwortlich, dass kontroverse Auffassungen gleichberechtigt zum Tragen kommen.
Zudem gilt in allen Bundesländern der Beutelsbacher Konsens, der ein Überwältigungsverbot vorsieht und die Schulen dazu verpflichtet, Kontroversen aus Wissenschaft und Politik auch im Unterricht abzubilden. Folglich gilt in allen Bundesländern auch der Grundsatz, dass Vertreterinnen und Vertreter der Bundeswehr im Rahmen von Unterrichtsbesuchen nicht für den Soldatenberuf werben dürfen. Dies ist lediglich im Rahmen von Berufsorientierungsveranstaltungen möglich, bei der sich parallel auch andere Unternehmen und Institutionen präsentieren können. Auch die Bundeswehr verweist darauf, dass ihre Jugendoffiziere sachlich informieren, aber nicht für die Truppe als Arbeitgeber werben dürfen.
Der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu hat am Dienstag “Requisitionen”, also Beschlagnahmungen etwa von Rohstoffen, im Rüstungssektor nicht mehr ausgeschlossen. Die Möglichkeit dafür ist im Militärbudgetgesetz “Loi de Programmation Militaire” bereits vorgesehen, das im Sommer 2023 verabschiedet wurde.
“Zum ersten Mal schließe ich nicht aus”, sagte Lecornu, was das Gesetz dem Minister und der Beschaffungsbehörde Direction générale de l’armement (DGA) gewähre, wenn die Produktionsfristen von den Industriellen nicht eingehalten werden, so Lecornu.
In den kommenden Wochen könnten Unternehmen gezwungen werden, einen Grundstock anzulegen, um schneller produzieren zu können, oder militärische Bestellungen zu priorisieren, sagte der Minister bei einer Pressekonferenz zur “Kriegswirtschaft”, die Lecornu und sein Präsident Emmanuel Macron angesetzt haben.
Die Requisitionen könnten Personal, Vorräte und Produktionsmittel beinhalten, sagte der Minister. “Diese Optionen liegen klar auf dem Tisch”, sagte Lecornu. Der Minister nannte als Beispiel die von MBDA gefertigten Aster-Raketen, deren Produktion ihm zu langsam erfolge. Der Leiter der DGA, Emmanuel Chiva, könne Zulieferer zwingen, MBDA vor anderen Kunden zu versorgen. Auch die Produktion von in der Ukraine benötigter 155-mm-Munition müsse beschleunigt werden.
Die Loi de Programmation Militaire sieht vor, dass Unternehmen gezwungen werden können, Vorräte von Materialien wie Titan oder anderer Komponenten anzulegen, die von militärischer Bedeutung sind. Zudem können Rohstoffe beschlagnahmt oder Rohstofflieferanten eine primäre Versorgung von Unternehmen aus der Rüstungsindustrie verordnet werden. bub
Noch vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes zur Legalisierung von Cannabis führt der künftige Umgang mit Haschisch und Marihuana zu Verunsicherung in der Bundeswehr. “Für Soldatinnen und Soldaten bleibt der Konsum in und außer Dienst verboten”, heißt es in dem Rundschreiben einer Bundeswehr-Dienststelle, das Table.Briefings vorliegt. Das Verteidigungsministerium erklärte dagegen, nach Ansicht der Rechtsabteilung könne der Genuss von Cannabisprodukten zwar ein Dienstvergehen sein, wenn er sich auf die Dienstfähigkeit auswirke. Die konkreten Regelungen dafür würden aber noch geprüft.
Im neuen Gesetz sollte ursprünglich der Cannabiskonsum für Soldaten und Soldatinnen ausdrücklich verboten werden. In der verabschiedeten Fassung wurde allerdings dieses Verbot aus dem Gesetzestext gestrichen. Lediglich in der Begründung heißt es jetzt: “Beschränkungen des Konsums von Cannabis für Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr aufgrund des Soldatengesetzes – auch außerhalb des Dienstes und außerhalb militärischer Bereiche – bleiben unberührt.”
Das Ministerium prüfe aufgrund der neuen Gesetzeslage, ob einzelne Regelungen angepasst werden müssten, sagte eine Sprecherin. Dabei gehe es nicht zuletzt um die Frage, wann Cannabisgenuss Auswirkungen auf die Dienstfähigkeit haben könne. Ob es ein grundsätzliches Verbot auch außerhalb der Dienstzeit gebe, sei damit noch nicht entschieden. Das Rundschreiben der Dienststelle beruft sich dagegen auf die Gesetzesbegründung als Grundlage für ein generelles Konsumverbot. Einen allgemeingültigen Erlass aus dem Ministerium gibt es dazu bislang nicht. tw
Das Verteidigungsministerium in Warschau berief am Mittwoch den polnischen Eurokorps-Kommandeur, Generalleutnant Jaroslaw Gromadzinski, überraschend von seinem Posten ab. Nach “Erlangung neuer Informationen über den Offizier” hat der Militärische Abschirmdienst Polens (SKW) eine Sicherheitsüberprüfung eingeleitet und ihn mit sofortiger Wirkung den Zugang zu Verschlussdokumenten verwehrt.
Nach inoffiziellen Informationen wirft man Gromadzinski “Fälschung von Berichten über die Kampfbereitschaft der 18. Division” vor, die als die stärkste Struktur der polnischen Armee gilt. Das Internetportal Onet berichtet, dass der General nicht weiß, was der Militärische Abschirmdienst ihm vorwirft.
Gromadzinski war der erste Pole, der das Kommando über das Eurokorps Ende Juni 2023 übernommen hat. Die schnelle Einsatztruppe, die 1992 gegründet wurde, kann bis zu 60.000 Soldaten mobilisieren und soll große internationale Militäreinsätze der Nato und der EU anführen. Polen trat 2022 als sechstes Land der multinationalen Einsatztruppe mit Hauptquartier in Straßburg bei.
Bevor der polnische General in das Eurokorps versetzt wurde, durchlief er ein umfassendes Überprüfungsverfahren und erhielt Zugang zu Informationen mit den höchsten Geheimhaltungsstufen in Polen und der Nato. Die Dienststellen hatten keine Einwände gegen den erfahrenen Soldaten, der an Nato-Missionen im Irak teilgenommen und im Generalstab der Streitkräfte in Warschau gedient hatte. Außerdem war er am Aufbau der 18. mechanisierten Division beteiligt gewesen. Nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine arbeitete Gromadzinski mehrere Monate als stellvertretender Kommandeur im “Internationalen Team zur Unterstützung der Ukraine” in Wiesbaden.
Um die Kontinuität im Eurokorps-Kommando zu gewährleisten, will Warschau die vakante Kommando-Position mit einem anderen Offizier kurzfristig besetzen. ryb
Der Umbau an der ukrainischen Staatsspitze, der im Februar mit einem groß angelegtem Wechsel in der Führung es Militärs angestoßen wurde, läuft weiter. Der bisherige Chef der Auslandsaufklärung, Oleksandr Lytwynenko, wird neuer Sekretär des Sicherheitsrates der Ukraine. Am Dienstagabend hatte Präsident Wolodymyr Selenskyj die Entlassung des bisherigen Sekretärs, Oleksij Danilow, bekannt gegeben.
Danilow war seit Oktober 2019 im Amt. Dass der 61-Jährige seine Position räumen muss, galt im politischen Kiew schon länger als gesetzt. Der Zeitpunkt der Entscheidung hat trotzdem einen brisanten Hintergrund: Der Sicherheitsrat wird künftig die zentrale Rolle bei der Koordinierung von bisher sieben Sicherheitsabkommen mit westlichen Ländern, darunter auch Deutschland, übernehmen.
Der 51-jährige Lytwynenko, der schon zweimal in führenden Positionen beim Sicherheitsrat gearbeitet hatte und Direktor des Instituts für strategische Studien war, gilt sowohl als guter Analytiker mit ausgezeichneten internationalen Verbindungen und als ordentlicher Bürokrat.
Erst vor kurzem machte Danilow, der sich bereits öfters unüberlegt öffentlich geäußert hatte, im ukrainischen Fernsehen einen unglücklichen Scherz über den chinesischen Sonderbeauftragten Li Hui, der neulich Kiew und Moskau besuchte. Sein Name klingt ähnlich wie ein Schimpfwort im Ukrainischen – damit hatte Danilow in seinem Scherz gespielt.
Offensichtlich hat diese Art von Humor Peking, um dessen Teilnahme am ersten Gipfel zur ukrainischen Friedensformel in der Schweiz Kiew sich intensiv bemüht, nicht gefallen. Jedoch hat dieser Vorfall die Entscheidung zu Danilow höchstens etwas vorverlegt. Der 61-Jährige galt zwar als durchaus guter Organisator. Der Apparat des Sicherheitsrates hat unter ihm aber nicht die analytische Arbeit geleistet, die von ihm zu erwarten war – und die öffentlichen Aussetzer Danilows haben das Präsidentenbüro schon länger gestört.
Die Gerüchte darüber, dass er nun ausgerechnet den diplomatischen Job des Botschafters in Norwegen übernehmen könnte, sind eher mit Vorsicht zu genießen. Möglich ist es aber, dass er eine andere Staatsfunktion übernimmt.
Im April sind auch einige Veränderungen in der Regierung zu erwarten. Der Ministerpräsident Denys Schmyhal wird höchstwahrscheinlich in seinem Amt bleiben. Doch einige Ministerien sollen grundsätzlich reorganisiert werden. Es ist gut möglich, dass vereinzelte Minister ausgewechselt werden. Als Kandidat dafür gilt etwa der Außenminister Dmytro Kuleba. Er hätte ursprünglich den Job des Botschafters in London übernehmen sollen, für den letztlich der Ex-Befehlshaber Walerij Saluschnyj von Selenskyj nominiert wurde. Eine Zusage aus Großbritannien steht noch aus. Denis Trubetskoy
Internationale Politik: Der Bundeskanzler und die Taurus-Debatte. Es gibt gute Gründe für und gegen eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine, schreibt Reuters-Chefkorrespondent in Berlin, Andreas Rinke. Um die ablehnende Haltung von Olaf Scholz nachvollziehen zu können, sei ein genauer Blick auf sein Denken und seine Gegenargumente hilfreich.
Spiegel: Gewalt in Haiti – “Die Armee aufzulösen, war ein Fehler”. Haiti erlebe einen mehrfachen systemischen und strukturellen Zusammenbruch, mahnt Journalist und Forscher Michael Deibert. Im Interview spricht er über den Mangel an funktionierenden Sicherheitskräften, das Verhältnis Haitis zur Dominikanischen Republik, die Verantwortung des Westens und warum er glaubt, dass das Militär das Land stabilisieren könnte.
Good Fellows: Conversations from the Hoover institution. Elbridge Colby, US-Außen- und Sicherheitsexperte mit Forschungsschwerpunkt China und Vize-Verteidigungsminister unter Donald Trump, teilt in diesem Podcast seine Sicht auf das geostrategische Denken Washingtons. Er erklärt, warum der Fokus der USA klar auf dem Indopazifik und nicht auf Europa liegt.
Handelsblatt: Rekordausgaben für Verteidigung kommen bei Jung-Firmen nicht an. Es sind goldene Zeiten für die Rüstungsindustrie, nirgendwo steigen die Rüstungsausgaben so stark wie in Europa. Aber Start-Ups im Verteidigungsbereich profitieren davon kaum.
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, der Überfall der islamistischen Hamas auf Israel und der damit verbundene Krieg in Gaza, die Angriffe der Huthi-Rebellen auf zivile Frachtschiffe im Roten Meer, Naturkatastrophen wie die Überschwemmungen im Ahrtal und die Covid-19-Pandemie: All diese Krisen der jüngeren Vergangenheit haben verdeutlicht, dass sich Sicherheit aus vielen verschiedenen Komponenten zusammensetzt – zivilen und militärischen.
Der Sicherheitsbegriff darf nicht länger isoliert betrachtet werden und muss hin zu einem erweiterten Sicherheitsbegriff führen, der die Gesamtverteidigung des eigenen Landes mit allen dazu notwendigen Kräften einschließt. Deutschland braucht eine starke Gesamtverteidigung und die damit verbundene Durchhaltefähigkeit für eine ernsthafte und glaubwürdige Abschreckung.
Dazu braucht es einen breit gefächerten und allgemeinen Dienst, der alle Ebenen der zivilen und militärischen Verteidigung miteinbezieht. Dabei geht es um einen Dienst in der Bundeswehr und Rettungsorganisationen, nicht um die Wiedereinführung der alten Wehrpflicht.
Der Reservistenverband setzt sich seit 2015 für die Einführung einer solchen Dienstpflicht ein. Der Beschluss lautete damals, der Verband möge für die Einführung eines “Verpflichtenden Dienstjahres” im Sinne der Gesamtverteidigung eintreten. Das heißt einerseits, dass nicht nur der Dienst in der Bundeswehr verteidigungsrelevant ist, sondern auch beispielsweise beim THW, den Feuerwehren oder den Sanitätsdiensten.
Andererseits bedeutet dies aber auch, dass alle jungen Menschen in Deutschland wieder zu einem Pflichtdienst von mindestens einem Jahr herangezogen werden sollen und dann weitgehend zwischen den Organisationen wählen können. In Betracht kommen dabei alle Organisationen von der Bundeswehr über den Zivilschutz bis zu den Hilfs- und Rettungskräften, die im Falle der Landesverteidigung die Verteidigungsbereitschaft unseres Landes aufrechterhalten.
Der entscheidende Vorteil ist, dass wir für den Fall eines Angriffs auf Deutschland oder unsere Bündnispartner ausreichend personelle Ressourcen, das heißt Reservistinnen und Reservisten haben, die die Aufwuchsfähigkeit und Durchhaltefähigkeit der Streitkräfte sicherstellen. Der Krieg in der Ukraine lehrt uns, dass ein Land über Monate und Jahre sowohl Soldatinnen und Soldaten zum Kampf, aber zum Beispiel auch Feuerwehrleute braucht, die einen Brand nach einem Raketenangriff löschen. Es braucht Rettungssanitäter nicht nur an der Front, und es braucht unser THW, um Infrastruktur jeglicher Art am Laufen zu halten. Letztlich brauchen wir wieder einen funktionierenden Zivilschutz, denn nur mit alledem im Verbund kann ein Land glaubhaft deutlich machen, dass sich ein Angriffskrieg gegen dieses Land nicht lohnt.
Das Grundgesetz erlaubt in Artikel 12a Absatz 1 die Heranziehung von Männern zu Dienstpflichten in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz (jetzt Bundespolizei) oder in Zivilschutzverbänden, wie vom Bundesverfassungsgericht bestätigt und europa- und völkerrechtlich unstrittig zugelassen. Immer mehr Staaten dieser Welt führen eine Wehr- beziehungsweise Dienstpflicht ein oder führen sie dort wieder ein, wo sie abgeschafft war. Durch die große Wahlmöglichkeit der verschiedenen Organisationen entsteht auch ein erheblich differenzierterer Dienst, als dies noch die Wehrpflicht vor 2011 war. Weiterhin muss aber insbesondere die gleichberechtigte Einbeziehung von Frauen gewährleistet sein, denn nichts anderes ist zeitgemäß.
Schließlich hängt alles von einem Faktor ab: dem politischen Willen. Natürlich kostet dieser Vorschlag erhebliche Investitionen und wird Zeit benötigen. Doch mit jedem Tag, den wir diskutieren und nicht entscheiden und nach Gründen suchen, warum es nicht gehen könnte, läuft uns die Zeit davon, eine wirksame und glaubwürdige Gesamtverteidigung als Abschreckung wieder aufzubauen. Nichts tun wird aber letztlich noch teurer. Das ist eine Lektion aus der Zeitenwende.
Oberst d.R. Prof. Dr. Patrick Sensburg, Präsident des Verbands der Reservisten der Deutschen Bundeswehr.
richtig konkret werden wollte Wirtschaftsminister Robert Habeck gestern nach dem Treffen mit Vertretern der Rüstungsindustrie nicht. Das Wichtigste war wohl, dass Teilnehmer und der Minister (wenig überraschend) nach dem Treffen einen zufriedenen Ton anschlugen. Was Habeck will, ist ein gemeinsamer europäischer Beschaffungsmarkt. Was die Industriellen vom Vizekanzler wollen, lesen Sie in unserer Analyse.
Es ist ein sensibles Thema, doch irgendwann gehen der Ukraine die Soldaten aus. Das ukrainische Parlament will deshalb die Regeln für die Mobilmachung lockern und das Mindestalter auf 25 Jahre senken. Derzeit lässt sich die Rekrutierung ohne große Konsequenzen umgehen. Denis Trubetskoy berichtet aus Kiew, was der Gesetzesentwurf ändern würde.
Nachwuchs versucht die Bundeswehr auch an Schulen zu gewinnen – durch Aufklärung, nicht durch Werbung, wie sie betont. Aber der Grünen Jugend und Lehrervertretern gehen Bundeswehrauftritte in den Klassenzimmern zu weit. Maximilian Stascheit hat sich die Kooperationsvereinbarungen der Länder mit Jugendoffizieren und die Bedenken der Politik angeschaut.
Der Vorsitzende des Reservistenverbands Patrick Sensburg schreibt in seinem Standpunkt, dass eine wiedereingeführte Wehrpflicht zur glaubhaften Abschreckung beitragen würde – denn sie würde die zivile Komponente der Verteidigungsfähigkeit stärken.
Friedliche Feiertage wünscht
Das Treffen von Wirtschaftsminister Robert Habeck mit Spitzenvertretern deutscher Rüstungsunternehmen war für die Industrie schon deshalb ein Erfolg, weil es stattfand. Bisher hatte das Ministerium mit diesem Wirtschaftszweig nur da geredet, wo es um Arbeitsplätze ging, etwa auf den Werften, hieß es aus der Branche – oder bei Genehmigungsverfahren für Rüstungsexporte. Dass in Zeiten des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine der grüne Minister nun erstmals die Unternehmensvertreter zum Gespräch über die Probleme der Branche selbst gebeten hatte, nahmen die Firmen als positives Signal wahr.
“Das war eine sehr gute Runde, und ich glaube, dass da was rauskommen wird”, sagte der CEO eines Rüstungsunternehmens zu Table.Briefings nach dem Gespräch am Mittwoch. Der Minister habe zugehört, wo die Industrie mit Problemen kämpfe, zum Beispiel bei Genehmigungsverfahren für Produktionsstätten. “Dass er sich überhaupt mit dem Thema beschäftigt, ist etwas Neues”, sagte ein Vertreter einer anderen Firma, die die Bundeswehr beliefert. Konkrete Ergebnisse gab es bei dem Treffen zwar zunächst nicht. In zwei Wochen sollen die Gespräche zwischen Regierung und Rüstungsindustrie aber fortgesetzt werden, dann im Verteidigungsministerium.
Zu dem runden Tisch hatte Habeck Rüstungsvertreter von etwa 20 Unternehmen aus der Branche eingeladen, von Großkonzernen wie Rheinmetall oder Airbus bis zu Start-Ups wie dem Drohnenhersteller Quantum oder Helsing, die Künstliche Intelligenz in Waffensysteme bringen wollen.
Der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) war mit einer langen Wunschliste zum Gipfel ins Wirtschaftsministerium gereist, wie Hauptgeschäftsführer Hans Christoph Atzpodien im Anschluss mitteilte. Er nutzte den Gipfel, um den Regierungsvertretern erneut die Forderungen der Industrie zu erläutern. Dazu gehöre, dass
Atzpodien, wie auch Unternehmensvertreter, sprachen von einer “sehr konstruktiven” Gesprächsatmosphäre. Das Wirtschaftsministerium war als Einlader stark vertreten mit mehr als zehn Staatssekretären und Abteilungsleitern – aber auch andere Ressorts: Steffen Saebisch, Staatssekretär im Finanzministerium nahm ebenso teil wie der politische Direktor aus dem Verteidigungsministerium, Jasper Wieck, und Rüstungsdirektor Vizeadmiral Carsten Stawitzki, aus dem Auswärtigen Amt Oliver Rentschler, Abteilungsleiter für Klimaußenpolitik und Geoökonomie. Der sicherheitspolitische Berater von Bundeskanzler Olaf Scholz, Jens Plötner, war zeitweise bei dem Gespräch dabei.
Raum für Nachfragen im Anschluss an die Statements gab es aufgrund der großen Anzahl an Teilnehmern nicht. Wie die Unterstützung der Rüstungsindustrie finanziert werden soll, blieb deswegen offen. Lösungen zum Koalitionsstreit um die Prioritätensetzungen im Haushalt (Finanzminister Christian Lindner drängt auf Kürzungen im Sozialbereich, was SPD und Grüne ablehnen) wurden demnach nicht präsentiert.
Habeck selbst signalisierte nach dem Treffen, dass vor allem um einen Schulterschluss mit der Rüstungsindustrie ging. “Das politische Gebot der Stunde ist, sicherheitsfähig zu werden. Daran arbeiten wir seit heute noch mal verstärkt”, sagte der Minister. Die Industrie brauche dafür zwar Aufträge, die “natürlich finanziell hinterlegt werden” müssen, allerdings müsse die Industrie dafür “die Vorleistung auch jetzt schon schaffen”. In dem Zug lobte Habeck, dass Unternehmen “im Bereich von Rohmaterialien, Lieferketten schon Vorsorge getroffen haben”, um die Produktion zu beschleunigen. Gerade bei der Munitionsproduktion hat die europäische Rüstungsindustrie Aufholbedarf.
Deshalb sei auch “das Schaffen eines gemeinsamen Beschaffungsmarktes sicherlich ein Gebot der Stunde”, so der Minister. Europäische Gelder müssten effektiver ausgegeben werden, die Rüstungsindustrien der europäischen Länder seien noch zu stark national engagiert.
Es gehört zu den kompliziertesten Gesetzen, die das ukrainische Parlament je verabschieden musste: Das neue Gesetz zur Mobilmachung, welches nach Monaten der Diskussionen am 7. Februar von der Werchowna Rada in erster Lesung befürwortet wurde. Allerdings war die Befürwortung eher eine technische Angelegenheit, um das Gesetz voranzubringen. Für die zweite, finale Lesung liegen mehr als 4.000 Änderungsanträge vor – ein Rekord für die Ukraine. Aktuell hat der Verteidigungsausschuss rund die Hälfte davon bearbeitet.
Ende April könnte das Gesetz verabschiedet werden. Das heißt aber nicht, dass die Mobilmachung dann sofort anders verlaufen wird. Der aktuelle Entwurf sieht eine Übergangszeit von einem Monat vor und mit der vollständigen Umsetzung des Gesetzes wird in etwa einem Halbjahr gerechnet.
Die Mobilmachung ist in der Ukraine ein sensibles Thema, viele Änderungsanträge verlängern den Prozess. Dafür gibt es sachliche Gründe: Das System der Mobilmachung stammt aus der Zeit der Sowjetunion und ist immer noch anfällig für Korruption. Unter dem Druck des russischen Kriegs muss Kiew eine Balance zwischen der Förderung der freiwilligen und der Durchsetzung der erzwungenen Rekrutierung finden. Hinzu kommt die Digitalisierung des gesamten Prozesses.
Tatsächlich bietet die aktuelle Regelung viele Möglichkeiten, der Mobilmachung nur mit minimalen Konsequenzen zu entgehen. Der erste Entwurf des neuen Gesetzes sah unter anderem eine Sperrung der Bankkonten für Menschen vor, die beim Einberufungsamt nicht gemeldet sind. Dies sorgte jedoch dafür, dass die Ukrainer im Januar überdurchschnittlich viel Bargeld von ihren Konten abhoben. Höchstwahrscheinlich wird der Vorschlag zu dieser Strafe nicht umgesetzt werden, dafür aber eine Sperrung der Fahrerlaubnis.
Die Herabsetzung des Mindestalters für die Mobilmachung von 27 auf 25 Jahre ist unumstritten, die Obergrenze bleibt bei 60 Jahren. Viel diskutiert wird dagegen über das Recht auf freiwillige Demobilisierung nach 36 Monaten. Das würde Soldaten helfen, die seit Februar 2022 dienen und die Armee verlassen wollen. Die in der ersten Lesung verabschiedete Version sieht diese Möglichkeit zwar vor; sie gibt aber dem sogenannten Hauptquartier des Oberbefehlshabers das Recht, je nach Frontlage zu entscheiden, ob die Demobilisierung genehmigt wird oder nicht. Wie es am Ende reguliert sein wird, ist unklar.
Die Mobilmachung in der Ukraine verläuft ununterbrochen seit dem 24. Februar 2022. Streng genommen wird kein neues Gesetz gebraucht, um weiter einzuziehen. Das neue Gesetz wird wahrscheinlich nichts an den Plänen für die Mobilmachung für 2024 ändern. Laut verschiedenen Mitgliedern des Verteidigungsausschusses folgen sie den bisherigen Sollziffern, die nicht bekannt gegeben werden. Das heißt dennoch, dass der vorgeschriebene Jahresbedarf vorerst deutlich kleiner als 450.000 bis 500.000 Soldaten ausfällt, die der Generalstab laut Präsident Wolodymyr Selenskyj anfragte.
Grundsätzlich muss die Ukraine ihr System aber effizienter gestalten. Denn dass die Pläne schon 2022 teilweise nicht erfüllt wurden, ist kein Geheimnis.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius lässt derzeit verschiedene Modelle zur Wiedereinführung der Wehrpflicht prüfen. Der SPD-Minister macht keinen Hehl daraus, dass er Sympathien für das “schwedische Modell” hat, bei dem die Rekrutinnen und Rekruten nach Interesse an der Armee ausgewählt werden. Unfreiwillige werden nur dann eingezogen, wenn die festgelegte Mindestanzahl für den einjährigen Wehrdienst nicht durch Freiwillige erfüllt wird. Die Frage, inwiefern sie bereit sind, dem Staat an der Waffe zu dienen, könnte für junge Menschen daher schon bald an Relevanz gewinnen.
Schon jetzt ist das Thema Bundeswehr an Schulen umstritten. Die Grüne Jugend kritisiert die Auftritte der Bundeswehr in Schulen. “Deutsch bei Herrn Meyer, Mathe bei Frau Schmitt und in der dritten Stunde Krieg beim Jugendoffizier? Das ist kein Bildungsmodell für unsere Schulen“, sagte Bundessprecherin Svenja Appuhn zu Table.Briefings. Ihr zufolge habe sich “oft genug gezeigt, dass die Bundeswehr ihren Alltag vor Schulkindern wie ein großes Abenteuer darstellt”. Unterricht über Sicherheitspolitik gehöre daher in die Hand der Lehrerinnen und Lehrer. “Die Bundeswehr für Fragen von Krieg und Frieden einzuladen, ist wie RWE über den Kohleausstieg referieren zu lassen“, so Appuhn.
Sie fordert die Bildungsministerinnen und -minister auf, “die Demokratiebildung und den ständigen Unterrichtsausfall zu beenden, statt Kooperationsverträge mit der Bundeswehr zu schließen”. Es sei “absurd”, die Schulen “jetzt für den Kriegsfall bereit machen zu wollen”, wenn sie noch nicht einmal im Normalbetrieb funktionierten.
Unterstützung für ihre Position bekommt die Grüne Jugend auch von Lehrervertretern. “Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft lehnt die Kooperationsvereinbarungen, die mehrere Bundesländer mit der Bundeswehr geschlossen haben, ab”, sagte das für den Schulbereich verantwortliche GEW-Vorstandsmitglied Anja Bensinger-Stolze zu Table.Briefings. Die Jugendoffiziere kämen in Uniform in die Schulen und seien auf diese Situation sehr gut vorbereitet, auch wenn gleichzeitig jemand aus dem Friedensspektrum oder ein Kriegsdienstverweigerer eingeladen werde. “Bei diesen Auftritten ist der Schritt zur Werbung schleichend.“
Anders sieht das Nils Gründer, jüngster Abgeordneter der FDP-Bundestagsfraktion und Mitglied des Verteidigungsausschusses. “Die Bundeswehr war in den letzten Jahren nicht mehr in der Mitte der Gesellschaft. Umso wichtiger ist es, dass sich Schülerinnen und Schüler mit der Bundeswehr und dem Thema Sicherheitspolitik auseinandersetzen“, sagte er zu Table.Briefings. Besuche von Jugendoffizieren in der Bundeswehr seien dafür eine sehr gute Möglichkeit. “Sie sind dafür speziell ausgebildet und wissen genau, was sie dürfen – und was nicht“, so Gründer.
In Deutschlands Schulen gibt es bislang keine einheitliche Regelung, wie die Bundeswehr im Unterricht behandelt wird. Grundsätzlich ist es ein Thema für den Politik-, Gemeinschafts- oder Sachkundeunterricht. Ob dazu jedoch Soldaten in den Unterricht eingeladen oder sogar Truppenstandorte im Rahmen einer Exkursion besucht werden, hängt in der Regel vom Lehrer oder der Lehrerin ab. Denn konkrete Vorgaben dazu sind in den Curricula nicht zu finden.
Die Bundeswehr macht den Schulen ein konkretes Angebot: Sie können Jugendoffiziere in den Unterricht einladen, um über die Aufgaben der Armee und den Soldatenberuf zu informieren. Bei ihnen handelt es sich nach Angaben der Bundeswehr um hoch qualifizierte Kräfte, die über Führungserfahrung in der Truppe verfügen müssen und für die Arbeit als Jugendoffizier speziell fortgebildet werden. Im Jahr 2023 haben die derzeit 86 hauptamtlich tätigen Jugendoffiziere 5.499 Veranstaltungen mit insgesamt 158.149 Teilnehmerinnen und Teilnehmern durchgeführt, wie eine Sprecherin des Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr gegenüber Table.Briefings mitteilte.
In insgesamt neun Bundesländern – Nordrhein-Westfalen, Saarland, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, Sachsen und Schleswig-Holstein – haben die Landesbildungsministerien Kooperationsvereinbarungen mit der Bundeswehr geschlossen, die eine institutionalisierte Grundlage für die Zusammenarbeit mit Schulen bilden. Sie setzen Rahmenbedingungen und geben den Lehrkräften Orientierung, sehen jedoch keine verpflichtenden Unterrichtsbesuche von Soldatinnen und Soldaten vor.
In der Kooperationsvereinbarung des Landes Baden-Württemberg heißt es beispielsweise, dass die Schülerinnen und Schüler durch den Unterricht befähigt werden sollen, “sich mit Fragen internationaler Verständigung und Zusammenarbeit sowie mit unterschiedlichen Strategien der Friedenserhaltung auseinanderzusetzen”. Dabei sollen sie lernen, kontroverse Positionen abzuwägen und zu einem eigenen Urteil zu kommen. Bei Besuchen von Jugendoffizieren seien die Lehrer weiterhin für den Unterricht verantwortlich. “Sie sorgen ferner für eine angemessene Vorbereitung des Besuchs externer Experten”, heißt es in der Vereinbarung.
In den Ländern, in denen es keine Kooperationsvereinbarungen gibt, sind Besuche von Jugendoffizieren jedoch nicht ausgeschlossen. Eine Sprecherin von Bremens Bildungssenatorin teilte Table.Briefings beispielsweise mit, dass die Schulen “eigenverantwortlich und freiwillig über die Inanspruchnahme der Angebote” entscheiden. Auch eine Sprecherin des niedersächsischen Bildungsministeriums verwies darauf, dass die Schulen “viel pädagogische Beinfreiheit bei der Gestaltung von Unterrichtseinheiten zur Friedens- und Demokratiebildung” hätten.
In Sachsen-Anhalt gibt es zwar keine Kooperationsvereinbarung, dafür aber eine Handreichung für Lehrerinnen und Lehrer. Darin wird klargestellt, dass bei einem Kontakt der Bundeswehr mit Schulen “die Darstellung konträrer Standpunkte abzusichern” ist. “Bei Einladung von Vertreterinnen oder Vertretern der Bundeswehr ist deshalb darauf zu achten, parallel oder zeitnah auch Vertreterinnen oder Vertretern friedenspolitischer Organisationen die Gelegenheit zur Darstellung unterschiedlicher Positionen unter vergleichbaren Bedingungen zu gewähren.” Komme dies nicht zustande, sei die Lehrkraft dafür verantwortlich, dass kontroverse Auffassungen gleichberechtigt zum Tragen kommen.
Zudem gilt in allen Bundesländern der Beutelsbacher Konsens, der ein Überwältigungsverbot vorsieht und die Schulen dazu verpflichtet, Kontroversen aus Wissenschaft und Politik auch im Unterricht abzubilden. Folglich gilt in allen Bundesländern auch der Grundsatz, dass Vertreterinnen und Vertreter der Bundeswehr im Rahmen von Unterrichtsbesuchen nicht für den Soldatenberuf werben dürfen. Dies ist lediglich im Rahmen von Berufsorientierungsveranstaltungen möglich, bei der sich parallel auch andere Unternehmen und Institutionen präsentieren können. Auch die Bundeswehr verweist darauf, dass ihre Jugendoffiziere sachlich informieren, aber nicht für die Truppe als Arbeitgeber werben dürfen.
Der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu hat am Dienstag “Requisitionen”, also Beschlagnahmungen etwa von Rohstoffen, im Rüstungssektor nicht mehr ausgeschlossen. Die Möglichkeit dafür ist im Militärbudgetgesetz “Loi de Programmation Militaire” bereits vorgesehen, das im Sommer 2023 verabschiedet wurde.
“Zum ersten Mal schließe ich nicht aus”, sagte Lecornu, was das Gesetz dem Minister und der Beschaffungsbehörde Direction générale de l’armement (DGA) gewähre, wenn die Produktionsfristen von den Industriellen nicht eingehalten werden, so Lecornu.
In den kommenden Wochen könnten Unternehmen gezwungen werden, einen Grundstock anzulegen, um schneller produzieren zu können, oder militärische Bestellungen zu priorisieren, sagte der Minister bei einer Pressekonferenz zur “Kriegswirtschaft”, die Lecornu und sein Präsident Emmanuel Macron angesetzt haben.
Die Requisitionen könnten Personal, Vorräte und Produktionsmittel beinhalten, sagte der Minister. “Diese Optionen liegen klar auf dem Tisch”, sagte Lecornu. Der Minister nannte als Beispiel die von MBDA gefertigten Aster-Raketen, deren Produktion ihm zu langsam erfolge. Der Leiter der DGA, Emmanuel Chiva, könne Zulieferer zwingen, MBDA vor anderen Kunden zu versorgen. Auch die Produktion von in der Ukraine benötigter 155-mm-Munition müsse beschleunigt werden.
Die Loi de Programmation Militaire sieht vor, dass Unternehmen gezwungen werden können, Vorräte von Materialien wie Titan oder anderer Komponenten anzulegen, die von militärischer Bedeutung sind. Zudem können Rohstoffe beschlagnahmt oder Rohstofflieferanten eine primäre Versorgung von Unternehmen aus der Rüstungsindustrie verordnet werden. bub
Noch vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes zur Legalisierung von Cannabis führt der künftige Umgang mit Haschisch und Marihuana zu Verunsicherung in der Bundeswehr. “Für Soldatinnen und Soldaten bleibt der Konsum in und außer Dienst verboten”, heißt es in dem Rundschreiben einer Bundeswehr-Dienststelle, das Table.Briefings vorliegt. Das Verteidigungsministerium erklärte dagegen, nach Ansicht der Rechtsabteilung könne der Genuss von Cannabisprodukten zwar ein Dienstvergehen sein, wenn er sich auf die Dienstfähigkeit auswirke. Die konkreten Regelungen dafür würden aber noch geprüft.
Im neuen Gesetz sollte ursprünglich der Cannabiskonsum für Soldaten und Soldatinnen ausdrücklich verboten werden. In der verabschiedeten Fassung wurde allerdings dieses Verbot aus dem Gesetzestext gestrichen. Lediglich in der Begründung heißt es jetzt: “Beschränkungen des Konsums von Cannabis für Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr aufgrund des Soldatengesetzes – auch außerhalb des Dienstes und außerhalb militärischer Bereiche – bleiben unberührt.”
Das Ministerium prüfe aufgrund der neuen Gesetzeslage, ob einzelne Regelungen angepasst werden müssten, sagte eine Sprecherin. Dabei gehe es nicht zuletzt um die Frage, wann Cannabisgenuss Auswirkungen auf die Dienstfähigkeit haben könne. Ob es ein grundsätzliches Verbot auch außerhalb der Dienstzeit gebe, sei damit noch nicht entschieden. Das Rundschreiben der Dienststelle beruft sich dagegen auf die Gesetzesbegründung als Grundlage für ein generelles Konsumverbot. Einen allgemeingültigen Erlass aus dem Ministerium gibt es dazu bislang nicht. tw
Das Verteidigungsministerium in Warschau berief am Mittwoch den polnischen Eurokorps-Kommandeur, Generalleutnant Jaroslaw Gromadzinski, überraschend von seinem Posten ab. Nach “Erlangung neuer Informationen über den Offizier” hat der Militärische Abschirmdienst Polens (SKW) eine Sicherheitsüberprüfung eingeleitet und ihn mit sofortiger Wirkung den Zugang zu Verschlussdokumenten verwehrt.
Nach inoffiziellen Informationen wirft man Gromadzinski “Fälschung von Berichten über die Kampfbereitschaft der 18. Division” vor, die als die stärkste Struktur der polnischen Armee gilt. Das Internetportal Onet berichtet, dass der General nicht weiß, was der Militärische Abschirmdienst ihm vorwirft.
Gromadzinski war der erste Pole, der das Kommando über das Eurokorps Ende Juni 2023 übernommen hat. Die schnelle Einsatztruppe, die 1992 gegründet wurde, kann bis zu 60.000 Soldaten mobilisieren und soll große internationale Militäreinsätze der Nato und der EU anführen. Polen trat 2022 als sechstes Land der multinationalen Einsatztruppe mit Hauptquartier in Straßburg bei.
Bevor der polnische General in das Eurokorps versetzt wurde, durchlief er ein umfassendes Überprüfungsverfahren und erhielt Zugang zu Informationen mit den höchsten Geheimhaltungsstufen in Polen und der Nato. Die Dienststellen hatten keine Einwände gegen den erfahrenen Soldaten, der an Nato-Missionen im Irak teilgenommen und im Generalstab der Streitkräfte in Warschau gedient hatte. Außerdem war er am Aufbau der 18. mechanisierten Division beteiligt gewesen. Nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine arbeitete Gromadzinski mehrere Monate als stellvertretender Kommandeur im “Internationalen Team zur Unterstützung der Ukraine” in Wiesbaden.
Um die Kontinuität im Eurokorps-Kommando zu gewährleisten, will Warschau die vakante Kommando-Position mit einem anderen Offizier kurzfristig besetzen. ryb
Der Umbau an der ukrainischen Staatsspitze, der im Februar mit einem groß angelegtem Wechsel in der Führung es Militärs angestoßen wurde, läuft weiter. Der bisherige Chef der Auslandsaufklärung, Oleksandr Lytwynenko, wird neuer Sekretär des Sicherheitsrates der Ukraine. Am Dienstagabend hatte Präsident Wolodymyr Selenskyj die Entlassung des bisherigen Sekretärs, Oleksij Danilow, bekannt gegeben.
Danilow war seit Oktober 2019 im Amt. Dass der 61-Jährige seine Position räumen muss, galt im politischen Kiew schon länger als gesetzt. Der Zeitpunkt der Entscheidung hat trotzdem einen brisanten Hintergrund: Der Sicherheitsrat wird künftig die zentrale Rolle bei der Koordinierung von bisher sieben Sicherheitsabkommen mit westlichen Ländern, darunter auch Deutschland, übernehmen.
Der 51-jährige Lytwynenko, der schon zweimal in führenden Positionen beim Sicherheitsrat gearbeitet hatte und Direktor des Instituts für strategische Studien war, gilt sowohl als guter Analytiker mit ausgezeichneten internationalen Verbindungen und als ordentlicher Bürokrat.
Erst vor kurzem machte Danilow, der sich bereits öfters unüberlegt öffentlich geäußert hatte, im ukrainischen Fernsehen einen unglücklichen Scherz über den chinesischen Sonderbeauftragten Li Hui, der neulich Kiew und Moskau besuchte. Sein Name klingt ähnlich wie ein Schimpfwort im Ukrainischen – damit hatte Danilow in seinem Scherz gespielt.
Offensichtlich hat diese Art von Humor Peking, um dessen Teilnahme am ersten Gipfel zur ukrainischen Friedensformel in der Schweiz Kiew sich intensiv bemüht, nicht gefallen. Jedoch hat dieser Vorfall die Entscheidung zu Danilow höchstens etwas vorverlegt. Der 61-Jährige galt zwar als durchaus guter Organisator. Der Apparat des Sicherheitsrates hat unter ihm aber nicht die analytische Arbeit geleistet, die von ihm zu erwarten war – und die öffentlichen Aussetzer Danilows haben das Präsidentenbüro schon länger gestört.
Die Gerüchte darüber, dass er nun ausgerechnet den diplomatischen Job des Botschafters in Norwegen übernehmen könnte, sind eher mit Vorsicht zu genießen. Möglich ist es aber, dass er eine andere Staatsfunktion übernimmt.
Im April sind auch einige Veränderungen in der Regierung zu erwarten. Der Ministerpräsident Denys Schmyhal wird höchstwahrscheinlich in seinem Amt bleiben. Doch einige Ministerien sollen grundsätzlich reorganisiert werden. Es ist gut möglich, dass vereinzelte Minister ausgewechselt werden. Als Kandidat dafür gilt etwa der Außenminister Dmytro Kuleba. Er hätte ursprünglich den Job des Botschafters in London übernehmen sollen, für den letztlich der Ex-Befehlshaber Walerij Saluschnyj von Selenskyj nominiert wurde. Eine Zusage aus Großbritannien steht noch aus. Denis Trubetskoy
Internationale Politik: Der Bundeskanzler und die Taurus-Debatte. Es gibt gute Gründe für und gegen eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine, schreibt Reuters-Chefkorrespondent in Berlin, Andreas Rinke. Um die ablehnende Haltung von Olaf Scholz nachvollziehen zu können, sei ein genauer Blick auf sein Denken und seine Gegenargumente hilfreich.
Spiegel: Gewalt in Haiti – “Die Armee aufzulösen, war ein Fehler”. Haiti erlebe einen mehrfachen systemischen und strukturellen Zusammenbruch, mahnt Journalist und Forscher Michael Deibert. Im Interview spricht er über den Mangel an funktionierenden Sicherheitskräften, das Verhältnis Haitis zur Dominikanischen Republik, die Verantwortung des Westens und warum er glaubt, dass das Militär das Land stabilisieren könnte.
Good Fellows: Conversations from the Hoover institution. Elbridge Colby, US-Außen- und Sicherheitsexperte mit Forschungsschwerpunkt China und Vize-Verteidigungsminister unter Donald Trump, teilt in diesem Podcast seine Sicht auf das geostrategische Denken Washingtons. Er erklärt, warum der Fokus der USA klar auf dem Indopazifik und nicht auf Europa liegt.
Handelsblatt: Rekordausgaben für Verteidigung kommen bei Jung-Firmen nicht an. Es sind goldene Zeiten für die Rüstungsindustrie, nirgendwo steigen die Rüstungsausgaben so stark wie in Europa. Aber Start-Ups im Verteidigungsbereich profitieren davon kaum.
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, der Überfall der islamistischen Hamas auf Israel und der damit verbundene Krieg in Gaza, die Angriffe der Huthi-Rebellen auf zivile Frachtschiffe im Roten Meer, Naturkatastrophen wie die Überschwemmungen im Ahrtal und die Covid-19-Pandemie: All diese Krisen der jüngeren Vergangenheit haben verdeutlicht, dass sich Sicherheit aus vielen verschiedenen Komponenten zusammensetzt – zivilen und militärischen.
Der Sicherheitsbegriff darf nicht länger isoliert betrachtet werden und muss hin zu einem erweiterten Sicherheitsbegriff führen, der die Gesamtverteidigung des eigenen Landes mit allen dazu notwendigen Kräften einschließt. Deutschland braucht eine starke Gesamtverteidigung und die damit verbundene Durchhaltefähigkeit für eine ernsthafte und glaubwürdige Abschreckung.
Dazu braucht es einen breit gefächerten und allgemeinen Dienst, der alle Ebenen der zivilen und militärischen Verteidigung miteinbezieht. Dabei geht es um einen Dienst in der Bundeswehr und Rettungsorganisationen, nicht um die Wiedereinführung der alten Wehrpflicht.
Der Reservistenverband setzt sich seit 2015 für die Einführung einer solchen Dienstpflicht ein. Der Beschluss lautete damals, der Verband möge für die Einführung eines “Verpflichtenden Dienstjahres” im Sinne der Gesamtverteidigung eintreten. Das heißt einerseits, dass nicht nur der Dienst in der Bundeswehr verteidigungsrelevant ist, sondern auch beispielsweise beim THW, den Feuerwehren oder den Sanitätsdiensten.
Andererseits bedeutet dies aber auch, dass alle jungen Menschen in Deutschland wieder zu einem Pflichtdienst von mindestens einem Jahr herangezogen werden sollen und dann weitgehend zwischen den Organisationen wählen können. In Betracht kommen dabei alle Organisationen von der Bundeswehr über den Zivilschutz bis zu den Hilfs- und Rettungskräften, die im Falle der Landesverteidigung die Verteidigungsbereitschaft unseres Landes aufrechterhalten.
Der entscheidende Vorteil ist, dass wir für den Fall eines Angriffs auf Deutschland oder unsere Bündnispartner ausreichend personelle Ressourcen, das heißt Reservistinnen und Reservisten haben, die die Aufwuchsfähigkeit und Durchhaltefähigkeit der Streitkräfte sicherstellen. Der Krieg in der Ukraine lehrt uns, dass ein Land über Monate und Jahre sowohl Soldatinnen und Soldaten zum Kampf, aber zum Beispiel auch Feuerwehrleute braucht, die einen Brand nach einem Raketenangriff löschen. Es braucht Rettungssanitäter nicht nur an der Front, und es braucht unser THW, um Infrastruktur jeglicher Art am Laufen zu halten. Letztlich brauchen wir wieder einen funktionierenden Zivilschutz, denn nur mit alledem im Verbund kann ein Land glaubhaft deutlich machen, dass sich ein Angriffskrieg gegen dieses Land nicht lohnt.
Das Grundgesetz erlaubt in Artikel 12a Absatz 1 die Heranziehung von Männern zu Dienstpflichten in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz (jetzt Bundespolizei) oder in Zivilschutzverbänden, wie vom Bundesverfassungsgericht bestätigt und europa- und völkerrechtlich unstrittig zugelassen. Immer mehr Staaten dieser Welt führen eine Wehr- beziehungsweise Dienstpflicht ein oder führen sie dort wieder ein, wo sie abgeschafft war. Durch die große Wahlmöglichkeit der verschiedenen Organisationen entsteht auch ein erheblich differenzierterer Dienst, als dies noch die Wehrpflicht vor 2011 war. Weiterhin muss aber insbesondere die gleichberechtigte Einbeziehung von Frauen gewährleistet sein, denn nichts anderes ist zeitgemäß.
Schließlich hängt alles von einem Faktor ab: dem politischen Willen. Natürlich kostet dieser Vorschlag erhebliche Investitionen und wird Zeit benötigen. Doch mit jedem Tag, den wir diskutieren und nicht entscheiden und nach Gründen suchen, warum es nicht gehen könnte, läuft uns die Zeit davon, eine wirksame und glaubwürdige Gesamtverteidigung als Abschreckung wieder aufzubauen. Nichts tun wird aber letztlich noch teurer. Das ist eine Lektion aus der Zeitenwende.
Oberst d.R. Prof. Dr. Patrick Sensburg, Präsident des Verbands der Reservisten der Deutschen Bundeswehr.