der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck scheint seit Neuestem ein Herz für die Rüstungsindustrie zu haben – seine Reise in die Ukraine mit einer Delegation von Vertretern aus der Branche ist der jüngste Beweis. Gemeinsam mit Viktor Funk und Gabriel Bub habe ich analysiert, inwiefern diese Unterstützung über den Krieg in der Ukraine hinausreichen könnte.
Vor dem Nato-Ukraine-Rat will der ukrainische Präsident Selenskyj heute eine bessere Verteidigung des Luftraums seines Landes erreichen, nachdem alle Welt in Israel gesehen hat, dass es möglich ist.
Hier gibt es sogar Stimmen, die mit Blick auf die erfolgreiche arabisch-israelische Zusammenarbeit zur Luftverteidigung von der Hoffnung auf eine Art “Nahost-Nato” sprechen. Markus Bickel und ich erklären, was das bedeutet und warum das noch ein langer Weg sein dürfte. Eine Konsequenz aus dem Konflikt aber steht jetzt schon fest: Zypern – das so viele Einwohner wie Berlin hat – hat sich mittlerweile als wichtiger geopolitischer Player etabliert. Das erläutert Frank Nordhausen.
Der Luftalarm über Kiew, mit dem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am Donnerstag in der Ukraine empfangen wurde, verdeutlicht die prekäre Lage des Landes: Russland greift seit einigen Wochen fast jede Nacht und jeden Tag mit Drohnen und Raketen an, hat dabei mehrere Kraftwerke stark beschädigt, das größte Kraftwerk in der Region Kiew zerstört und beim Angriff auf die Stadt Tschernihiw in dieser Woche mindestens 18 Menschen getötet und fast 80 verletzt.
Während sich auf dem unmittelbaren Schlachtfeld im Osten und Süden des Landes derzeit trotz intensiver Kämpfe wenig ändert, verdeutlichen die Angriffe weit im Landesinneren die Notlage bei der Luftverteidigung. Habeck reist deshalb mit Vertretern der Energiewirtschaft und der Rüstungsbranche an. Drei Iris-T-SLM Flugabwehrsysteme des deutschen Herstellers Diehls sind im Land, ein viertes soll laut dem mit Habeck mitreisenden Diehl-Chef Helmut Rauch bald folgen. Insgesamt soll die Ukraine noch in diesem Jahr vier Iris-T-Systeme erhalten.
Das Jahr 2024 ist ein Durchhaltejahr: Die Rüstungsproduktion für die Ukraine wird seit einiger Zeit hochgefahren, in der EU – und in der Ukraine selbst mit Joint-Ventures und eigenständigen Produktionsstätten ausländischer Rüstungshersteller. Ein wichtiger Programmpunkt auf Habecks Reise deshalb: Die Eröffnung einer Drohnenfabrik von Quantum Systems, dem Defense-Start-up aus München, dem Habeck auch im Zuge seines “Rüstungsgipfels” besondere Aufmerksamkeit geschenkt hatte.
Die Firma hat bereits kurz nach der russischen Vollinvasion vor zwei Jahren Aufklärungsdrohnen vom Typ Vector an die Ukraine geschickt – und damit das Vertrauen eines potenziellen Großabnehmers gewonnen. Bis Jahresende sollen mehr als 500 Aufklärungsdrohnen von Quantum Systems in die Ukraine geliefert werden. Im Land selbst will Quantum bis Ende des Jahres die Zahl der Beschäftigten auf 100 erhöhen und mit ihnen die Kapazität jährlich lieferbarer Aufklärungsdrohnen vom Typ Vector auf bis zu 1.000 Stück steigern.
Gemeinsam mit dem CEO Florian Seibel und im Beisein des ukrainischen Ministers für strategische Industrie, Oleksandr Kamyshin, eröffnete Robert Habeck am Donnerstag ein neues Werk und lobte es als einen “Beitrag zur Sicherheit und Widerstandsfähigkeit” der Ukraine.
Quantum-Chef Seibel, selbst mehr als 15 Jahre bei der Bundeswehr und als Heeresflieger eingesetzt, betonte wiederum, dass in der Ukraine die “Zukunft der Drohnentechnologie” geschrieben werde.
Im Gegensatz zur Ukraine laufen die Bestellungen der Drohnensysteme durch die Bundeswehr nach wie vor schleppend. Im vierten Quartal dieses Jahres sollen die ersten 14 Aufklärungsdrohnen an das Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr KSK gehen – kein Vergleich zu den Bestellungen aus Kiew.
Der Vizekanzler macht kein Geheimnis daraus, dass die Reise keine reine Wohltätigkeitsveranstaltung der CEOs ist. “Am Ende sind es auch Unternehmen, die Geld verdienen wollen”, so der Vizekanzler auf die Frage einer Journalistin nach den ökonomischen Interessen der Delegation. Diesen Unternehmen sei sehr wohl bewusst, dass sich die Ukraine auf den europäischen Binnenmarkt zubewegt und in diesem Land auch große ökonomische Chancen stecken.
Rheinmetall will bis 2026 eine Million Artilleriegeschosse im Jahr produzieren, das neue Werk in der Ukraine soll dem Düsseldorfer Panzer- und Munitionsbauer dabei helfen. In der ukrainischen Niederlassung sollen jährlich 150.000 Geschosse entstehen, sagte Rheinmetall-CEO Armin Papperger bei der Bilanzpressekonferenz im März.
Welche neuen Exportmöglichkeiten sich für diese deutschen Rüstungsbetriebe in der Ukraine dann künftig ergeben könnten, darauf wollte das Wirtschaftsministerium zunächst keine konkreten Aussagen treffen.
Bis zur Annexion der Krim durch Russland im März 2014 war die Ukraine der achtwichtigste globale Waffenexporteur und machte damit etwa drei Prozent am weltweiten Waffenhandel aus, wie die Daten des Stockholm International Peace Research Institute (Sipri) zeigen. Zu den wichtigsten Abnehmern gehörten China, Pakistan – und der künftige Kriegsgegner Russland. Rund 70 Prozent aller Rüstungsprodukte wurden ins Ausland verkauft.
Auch wenn der Waffenexport für ukrainische Hersteller derzeit verboten ist, ist es klar, dass diese Branche nach dem Krieg im Außenhandel eine wichtige Rolle spielen wird. Das geht auch aus der erst kürzlich in Brüssel präsentierten European Defence Industrial Strategy (EDIS) hervor. Die Regierung von Wolodymyr Selenskyj sieht die ukrainische Rüstungsbranche selbstbewusst als wichtigen Teil eines gemeinsamen europäischen Verteidigungskomplexes, erklärte Kiew nach der EDIS-Vorstellung.
Darauf stellen sich die ukrainischen Hersteller schon ein. Ein Vertreter des Branchenverbandes Naudi sagte Table.Briefings auf einer Rüstungsmesse in Saudi-Arabien im Februar, dass nach Kriegsende Exporte helfen sollen, das Land wieder aufzubauen. Dafür sucht die Naudi weltweit nach Partnern für Joint Ventures.
Die Ukraine gewinnt als Investitionsland aber nicht nur für die Waffenhersteller wieder an Bedeutung. Russlands Angriffe auf die Energieversorgung im Land, die größtenteils noch aus der Zeit der Sowjetunion stammt, macht auch hier einen großen Erneuerungsbedarf deutlich. Deswegen begleiteten auch Vertreter aus der nachhaltigen Energiewirtschaft den Minister.
“Diese Delegation zeigt einmal mehr die Bereitschaft der deutschen Wirtschaft, die ukrainische Wirtschaft zu unterstützen und ihr trotz des Krieges Chancen zu eröffnen”, sagte Nataliia Hryshchenko, Leiterin des Rebuild Ukraine Teams bei der Deutsch-Ukrainischen Industrie- und Handelskammer in Kiew. Zu den größten deutschen Investitionen in den vergangenen Monaten gehört ein 60-Millionen-Euro-Projekt von Bayer. Damit wird eine moderne Maissaatgut-Anlage aufgebaut – und zwei Luftschutzbunker für Beschäftigte des Betriebes.
Das Dementi ließ nicht lange auf sich warten: Saudi-Arabien sei militärisch nicht an der Abwehr von Irans Großangriff auf Israel am vergangenen Wochenende beteiligt gewesen, berichtete der saudische Fernsehsender Al Arabiya am Dienstag unter Berufung auf Regierungskreise in Riad. Zuvor hatten israelische Medien gemeldet, neben der jordanischen sei auch die saudische Luftwaffe am Abschuss von Drohen aus dem Iran beteiligt gewesen.
Die abwiegelnde Reaktion aus Riad zeigt, wie weit der Nahe Osten noch von einem System integrierter Luftverteidigung entfernt ist – und wie wenig Wert Kronprinz Mohammed Bin Salman darauf legt, als Verbündeter Israels dazustehen. Das sieht auch Emile Hokayem so, Middle East-Direktor beim International Institute for Strategic Studies (IISS): “Jordanien und Saudi-Arabien haben iranische Raketen und UAVs abgefangen, weil sie eigene Sicherheitsinteressen haben und als verlässliche Partner der USA gelten wollen”, nicht um Israel zu gefallen.
Dieser Sicht steht eine eher westlich geprägte Lesart gegenüber, die unter anderem Eran Lerman vertritt, früherer außenpolitischer Berater im Büro des israelischen Ministerpräsidenten und gegenwärtig Vize-Präsident des Jerusalem Institute for Strategy and Security. Er bezeichnet die erfolgreiche Luftabwehr am vergangenen Wochenende gegenüber Table.Briefings als “revolutionäres” Ereignis, vor allem weil arabische Nachbarn das “Risiko eingegangen” seien, Israel zu helfen.
Auch US-amerikanische und europäische Politiker lobten die kollektive Abwehr von mehr als 350 Marschflugkörpern, ballistischen Raketen und Drohnen als überragende militärische Defensivleistung – während die arabischen Herrschaftshäuser darauf pochen, aus nationalem Interesse gegen die militärische Bedrohung durch den Iran vorzugehen, nicht um Israel zu helfen. Das gilt selbst für Jordanien, das bereits vor dreißig Jahren Frieden mit Israel schloss. Doch da der historischen Annäherung von 1994 bis heute nicht die Schaffung eines palästinensischen Staates folgte, ist es ein gesellschaftlich kalter Frieden geblieben – wenn auch mit enger Zusammenarbeit der Armeen und Geheimdienste beider Seiten.
Das erhofften sich die USA auch von den Abraham-Abkommen, die 2020 die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrein bedeutete. Im Sommer 2022 brachte Joe Biden bei Besuchen in Israel und Saudi-Arabien erstmals die Idee einer Middle East Air Defence Initiative ins Spiel: Teil des Plans war der Aufbau eines Netzwerks von Radarstationen, Aufklärungssensoren und Abfangraketen zwischen den Staaten des Golf-Kooperationsrats (GCC) – unterstützt durch israelische Technologie und US-Militärbasen in der Region.
Wie die Blaupause für eine solche Allianz wirkte die komplexe Koordinierung von jordanischen, britischen, französischen, israelischen und US-amerikanischen Kampfflugzeugen am vergangenen Sonntag – sowie die nachrichtendienstliche Unterstützung durch Ägypten, Saudi-Arabien und Katar. Damit ist erstmals in die Tat umgesetzt worden, woran im Hintergrund unter USA-Führung seit ungefähr zwei Jahren gearbeitet wird: eine Art strategische Partnerschaft in Fragen integrierter Luftverteidigung, überspitzt formuliert eine “Nahost-Nato” – unter Einbeziehung Israels.
Zwar operierten jordanische und US-Streitkräfte bereits beim Krieg gegen die Terrororganisation Islamischer Staat im Irak und Syrien gemeinsam in einem Kampfeinsatz. Doch Flugübungen mit der israelischen Luftwaffe wurden erst durch die die Zuordnung Israels zum Verantwortungsbereich der U.S. CENTCOM 2021 beschleunigt – was die regionale Zusammenarbeit der israelischen Streitkräfte in Form von gemeinsamen Militär- und Marineübungen mit arabischen Staaten auch ohne diplomatische Beziehungen möglich machte.
Dass die GCC-Mitgliedsstaaten (Saudi-Arabien, Bahrein, VAE, Oman, Katar und Kuwait) in einer Nahost-Militärallianz eine tragende Rolle spielen würden, liegt auf der Hand. In vier der sechs Golfstaaten unterhalten die USA Stützpunkte, der größte, die Al Udeid Air Base, liegt in Katar; in Bahrain ist die Fünfte Flotte der US Navy stationiert.
Experten dämpfen allerdings die Erwartungen. Es sei eher um eine “pragmatische Bewältigung einer akuten Krise” gegangen als um die Etablierung einer neuen regionalen Sicherheitsordnung, so Rafael Loss, Sicherheitsexperte vom European Council on Foreign Relations (ECFR).
In der Tat sprechen auch Äußerungen der jordanischen Regierung nicht dafür, dass es hier um eine Institutionalisierung einer Verteidigungsallianz ging, sondern um die Souveränität des jordanischen Luftraums. Der jordanische Außenminister Ayman Safadi sagte am Montag, dass Jordanien auch israelische Drohnen abgeschossen hätte, wären diese in den jordanischen Luftraum eingedrungen. Gut an der Kooperation sei, dass es helfe, eine “gewisse Grundlage der Koordination” zu schaffen, was das Lagebild angehe.
Und auch den Herrschaftshäusern in Riad und Abu Dhabi ist die eigene Sicherheit näher als die Israels. Saudi-Arabien hat den Angriff der proiranischen Huthi-Milizen auf Ölanlagen in Abqais und Khurais 2019 bis heute nicht verwunden – und arbeitet deshalb daran, einen Schutzschirm durch die USA zu erlangen, wie Israel ihn genießt. Das gilt auch für die Emirate, wo vor zwei Jahren drei Öllaster unter Beschuss aus dem Jemen kamen.
Als der Iran mehr als 300 Drohnen und Marschflugkörper auf Israel abschoss, läuteten auf der Mittelmeerinsel Zypern wieder die Alarmglocken – wie so oft seit April 2023, als im Sudan Kämpfe ausbrachen und Zyperns Präsident Nikos Christodoulides den Internationalen Flughafen in Larnaka zur Evakuierung westlicher Ausländer anbot. Im Rückblick erwies sich die Rückholaktion als Beginn der geopolitischen “Wiedergeburt” des kleinen Landes im äußersten südöstlichen EU-Zipfel.
Denn seither beschränkt sich die internationale Bedeutung der Republik Zypern nicht mehr nur auf ihre Funktion als “unsinkbarer Flugzeugträger der Nato”. Der Inselstaat etabliert sich vielmehr als humanitäre Macht im östlichen Mittelmeer. So war Zypern nach dem Hamas-Terrorangriff vom 7. Oktober erste Wahl für die Evakuierung Tausender Ausländer aus Israel. “Wenn der Nahe Osten explodiert, spielt Zypern aufgrund seiner geografischen Lage eine zentrale Rolle als Evakuierungsort”, sagt Hubert Faustmann, Büroleiter der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Nikosia. Zudem sei die Insel wie das stille Auge des Sturms, während ringsum Konflikte tobten. “Zypern verkörpert in Krisenlagen im östlichen Mittelmeer Stabilität.”
Nicht nur logistisch, auch politisch reagierte Nikosia auf die Gaza-Krise schnell und clever. Christodoulides zeigte zunächst klare Solidarität mit Israel, einem wichtigen regionalen Verbündeten. Umgehend aber verwies er auch auf die verzweifelte Lage der Palästinenser in Gaza. Damit folgte er der etablierten politischen Linie seines Landes, mit allen Seiten in der Region gute Beziehungen zu pflegen. So hatte sich die Republik jahrzehntelang zwar propalästinensisch positioniert, aber ihre Beziehungen zu Tel Aviv wegen der Nutzung von Gasfunden im Meer verbessert – und zwar so geschickt, dass sie in der arabischen Welt keine Imageschäden erlitt.
Die humanitäre Versorgungskrise im Gazastreifen nach dem Beginn der israelischen Offensive brachte Zyperns Präsident Anfang Oktober auf eine Idee, die zunächst als PR-Gag belächelt wurde: eine humanitäre Seebrücke mit Hilfsgütern vom zyprischen Hafen Larnaka nach Gaza. Zypern sei als nächstgelegener EU-Staat prädestiniert zu helfen, erklärte Christodoulides und begann, für das Projekt auf internationalen Foren zu werben. Wider Erwarten gelang es den zyprischen Diplomaten bis Januar, die EU, Großbritannien, die Vereinigten Arabischen Emirate und vor allem die USA offiziell für den nach einer griechischen Göttin benannten “Amalthea-Plan” zu gewinnen.
Dann ging alles sehr schnell. Am 7. März reiste EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach Larnaka und erklärte gemeinsam mit Christodoulides, der Korridor stehe kurz vor der Eröffnung. Zeitgleich sagte US-Präsident Joe Biden vor dem Kongress in Washington, das US-Militär werde “eine Notfallmission leiten, um einen provisorischen Pier im Mittelmeer an der Küste des Gazastreifens zu errichten”. In Zypern war inzwischen israelisches Personal für die Ausfuhrkontrolle eingetroffen. An eine Evakuierung von Palästinensern würde aber keinesfalls gedacht, machten zyprische Regierungsvertreter klar.
Am 12. März lief das erste Gaza-Versorgungsschiff “Open Arms” der gleichnamigen spanischen Hilfsorganisation und der US-amerikanischen Hilfsorganisation “World Central Kitchen” (WCK) mit 200 Tonnen Hilfsgütern an Bord von Larnaka aus und erreichte vier Tage später Gaza. Mit dieser Testfahrt hob Israel erstmals seine 2007 verkündete Gaza-Seeblockade auf. Umso größer war das Entsetzen, als die zweite Hilfsmission Anfang April scheiterte, weil die israelische Armee sieben internationale WCK-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter bei einem gezielten Luftangriff in Gaza tötete und die Hilfsschiffe nach Larnaka zurückkehrten. Netanjahu sprach von einem “tragischen Versehen”, zwei Offiziere wurden entlassen. Zypern verurteilte die Tat als “absolut verwerflich”, ließ aber keine offizielle Protestnote folgen.
Seit dem tödlichen Angriff sind die Transporte gestoppt, doch beteuern alle Seiten, das Projekt fortsetzen zu wollen, sobald die Sicherheit der Hilfskräfte gewährleistet sei. Derweil werden in Larnaka weiter Hilfsgüter entgegengenommen, und Großbritannien entsandte ein Schiff der Royal Navy ins östliche Mittelmeer, um den “multinationalen humanitären Seekorridor” zu unterstützen. Der schwimmende US-amerikanische Hafen vor Gaza-Stadt soll am 1. Mai fertig sein. Nachdem Israel auf Drängen Washingtons einwilligte, den Hafen von Aschdod für Hilfslieferungen zu öffnen, würden die Lieferungen aus Larnaka auch dorthin umgeleitet, hieß es in Nikosia.
“Der maritime Hilfskorridor bedeutet eine enorme politische Aufwertung für Zypern”, sagt Faustmann. “Statt negativer Nachrichten mit Korruption, goldenen Pässen oder dem Zypernproblem glänzt die Insel plötzlich durch eine konstruktive Rolle in einer hochsensiblen Region.” Zypern konnte sich durch Christodoulides’ humanitären Coup auch als neuer möglicher Vermittler im nahöstlichen Konfliktraum ins Spiel bringen.
“Das Projekt lässt Zypern in der arabischen Welt als Helfer der Palästinenser gut aussehen, wobei die Zyprioten immer darauf achten, die Israelis nicht unnötig zu verärgern”, sagt Faustmann. Zypern kann die Mittlerrolle auch deshalb leichter einnehmen, weil die Insel keine Ex-Kolonialmacht wie die Türkei ist, sondern Kolonialopfer (der Briten) und in der arabischen Wahrnehmung nicht so stark in Westeuropa verankert.
Seit dem Start der Initiative geben sich in Zypern Spitzenpolitiker aus den USA, der EU und der Region die Klinke in die Hand. Hauptfinanziers sind die Vereinigten Arabischen Emirate, die EU und Großbritannien. Misslich ist das Projekt nur für die Regionalmacht Türkei, denn sie erwog ebenfalls eine maritime Hilfsmission nach Gaza. Die scheiterte jedoch an der konfrontativen Haltung der Türkei zu Israel. Laut Informationen der zyperngriechischen Zeitung “Philelefteros” versuchte Ankara auf verschiedenen Ebenen, den Amalthea-Plan zum Scheitern zu bringen. Aus Trotz will die Türkei nun eine eigene “Freiheitsflotille” der islamistischen Hilfsorganisation IHH zum Gazastreifen schicken. 2010 war eine ähnliche Provokationsfahrt von der israelischen Marine gestoppt worden, wobei neun Aktivisten getötet wurden.
Dagegen ist es dem zyprischen Präsidenten Christodoulides gelungen, praktisch alle Akteure in der Region für den humanitären Korridor an Bord zu holen. Das historische Momentum nutzte Christodoulides auch, um sein traditionell russlandfreundliches Land außenpolitisch klar im Westen zu positionieren – sehr zum Ärger des Kreml. In Nikosia hofft man internationale Aufmerksamkeit auch für die innerzyprische Problematik zu bekommen. “Wenn Christodoulides schlau ist, nutzt er die Gunst der Stunde, um überraschende Vorstöße in der Zypernfrage zu unternehmen”, sagt der Historiker und Politikwissenschaftler Faustmann. “Aber dafür müsste man der Türkei Anreize bieten, sich konstruktiver zu verhalten – und die sind bisher nicht zu erkennen.”
Die unruhige Lage im Nahen Osten setzt Zypern allerdings zunehmend unter Druck. Seit Jahresbeginn landeten auf der Insel im östlichen Mittelmeer etwa 4000 Migranten, die Flüchtlingslager sind überfüllt. Bei den Neuankömmlingen auf Zypern handelt es sich zum Großteil um syrische Flüchtlinge, die bislang im Libanon lebten. Um die Einreise unerwünschter syrischer Flüchtlinge in die EU zu verhindern, wird nach Angaben Christodoulidis nun auch an einem Abkommen mit dem Libanon gearbeitet. “Wir wollen dem Libanon helfen, mit den Flüchtlingen umzugehen, damit nicht noch mehr nach Zypern kommen”, sagte er in einem am Sonntag verbreiteten Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Er freue sich, am 2. Mai zusammen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in den Libanon zu reisen, um ein konkretes Finanzpaket der EU anzukündigen. Zusätzlich gehe es um die Unterstützung libanesischer Institutionen wie zum Beispiel der Streitkräfte. Er habe die EU um Hilfe gebeten, sagte Christodoulidis. Es müsse auch darüber gesprochen werden, welche Menschen aus Syrien in der EU eine Chance auf Asyl bekommen sollten. “Wir fordern ausdrücklich, dass bestimmte Gebiete in Syrien als sichere Regionen eingestuft werden”, sagte er. mit dpa
Zwei Männer mit deutscher und russischer Staatsbürgerschaft sollen im Auftrag des russischen Geheimdienstes potenzielle Ziele für Sabotagen und Sprengstoffanschläge in Deutschland ausgekundschaftet haben. Die Polizei in Bayern hat Dieter S. und Alexander J. laut einer Mitteilung des Generalbundesanwalts am Mittwoch bei Bayreuth festgenommen. Aus diesem Anlass bestellte Außenministerin Annalena Baerbock den russischen Botschafter am Donnerstag ein, wie das Auswärtige Amt bestätigte. Über den Fall hatte der Spiegel zuerst berichtet.
Konkret soll sich Dieter S. mit jemandem, der mit einem russischen Geheimdienst in Verbindung steht, seit mindestens vergangenem Oktober über mögliche Sabotageaktionen ausgetauscht haben. “Die Aktionen sollten insbesondere dazu dienen, die aus Deutschland der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg geleistete militärische Unterstützung zu unterminieren”, heißt es in der Mitteilung des Generalbundesanwalts. Dieter S. soll Informationen über potenzielle Anschlagsziele, darunter auch Einrichtungen der US-Streitkräfte gesammelt, haben. Der zweite Beschuldigte, Alexander J., half ihm demnach spätestens seit diesem März.
Im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine hat die Generalbundesanwaltschaft bereits Anfang März Anklage gegen Waldemar W. und Natalie S. erhoben. Das Paar – ebenfalls mit deutschem und russischen Pass – soll bewusst gegen Russland-Sanktionen verstoßen und über Umwege Elektronik an russische Unternehmen geliefert haben. Die Technik soll unter anderem in die Drohne “Orlan 10” eingebaut worden sein, die die russische Armee in der Ukraine verwendet. vf/fra/dpa
Die vor mehr als einem Jahrzehnt aufgelöste Flugabwehrtruppe des Heeres soll als Truppengattung wieder neu aufgestellt werden. Die Entscheidung habe der Inspekteur des Heeres, Alfons Mais, Anfang April getroffen, bestätigte ein Sprecher des Heeres. Die neue Truppengattung, die insbesondere mit dem SkyRanger-System von Rheinmetall ausgerüstet werden soll, werde “an die aufgelöste Truppengattung anknüpfen” und zunächst in Lüneburg aufgestellt werden.
Im Zuge der Verkleinerung der Bundeswehr und aus Kostengründen war die Heeresflugabwehrtruppe 2012 aufgelöst worden. Die dort eingesetzten Gepard-Flugabwehrkanonenpanzer wurden bereits 2010 ausgemustert. Die verbliebenen Einheiten des “Leichten Flugabwehrsystems” mit Stinger-Raketen auf Basis des Waffenträgers Wiesel wurden der Luftwaffe unterstellt.
Bereits vor dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine 2022 waren Planungen für einen Wiederaufbau der Flugabwehr im Nah- und Nächstbereich begonnen worden, die unter dem Eindruck des Kriegs in der Ukraine dringlicher wurden. Vor allem die Gepard-Systeme, die die Ukraine aus Deutschland erhalten hatten, bewährten sich in der Abwehr russischer Drohnen.
Für die neue Truppe ist aus dem Luftverteidigungssystem Nah- und Nächstbereichsschutz die mobile Plattform Skyranger 30 auf Basis des Transportpanzers Boxer vorgesehen. Für die Beschaffung von zunächst 18 Serienfahrzeugen hatte der Haushaltsausschuss des Bundestages im Februar 600 Millionen Euro freigegeben. Wie bisher soll auch künftig die Luftwaffe die Bekämpfung von Luftzielen in mittlerer Reichweite übernehmen. Dafür werden Flugabwehrraketensysteme vom Typ Iris-T SLM beschafft, nach ihrer Lieferung soll das Leichte Flugabwehrsystem ausgemustert werden.
Der weitere Ausbau der Heeresflugabwehr hängt allerdings nicht nur von der Lieferung der Waffen, sondern auch vom Personal ab. Für die Luftverteidigung kurzer Reichweite, die vom Heer organisiert wird, und die weiter bestehende Aufgabe der Luftwaffe in mittlerer Reichweite werden insgesamt mehr als 1.500 Dienstposten für Soldaten und Soldatinnen veranschlagt. tw
Russland zieht seine sogenannten “Friedenstruppen” aus der von Armenien und Aserbaidschan seit Jahrzehnten umkämpften Region Bergkarabach ab. Das bestätigte Kremlsprecher Dmitry Peskow am Mittwoch. Dies geschehe auf Einverständnis “beider Länder”, gemeint sind Russland und Aserbaidschan, heißt es aus der aserbaidschanischen Präsidialverwaltung.
Für Russland ist der Abzug der Truppen allerdings eine Niederlage. Aserbaidschans autoritärer Präsident Ilham Aliyev will den Einfluss Russlands auf eigenem Staatsgebiet zurückdrängen. Baku, einer der wenigen strategischen – aber sehr pragmatischen – Verbündeten Moskaus, zeigt sich in der Region zunehmend selbstbewusst, und hat mit der Türkei und Israel starke Waffenlieferanten im Rücken. In der Auseinandersetzung zwischen Israel und dem Iran stellt Aserbaidschan der israelischen Luftwaffe drei Militärbasen an der iranisch-aserbaidschanischen Grenze zur Verfügung.
Vermutlich blieben Teile der russischen Truppen in der Region, etwa um Gebiete in der Region zu entminen. Ein entsprechendes Abkommen hatten Moskau und Baku vor zwei Wochen geschlossen. In Wirklichkeit könnte es aber darum gehen, den Abzug nicht als Rausschmiss aussehen zu lassen, erklärt Narek Sukiasyan von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Yerevan.
Zwar sei die Appeasement-Politik Russlands gegenüber Aserbaidschans gescheitert, doch auch Baku wolle Moskau nicht zu sehr verärgern. Einen bestimmten Grund, warum der Abzug genau jetzt angekündigt wurde, sieht er nicht. “Es ist ein weiterer Schritt im gescheiterten Verhandlungsprozess zwischen Armenien, Aserbaidschan und Russland”, sagt er.
Nach dem im November 2020 geschlossenen trilateralen Waffenstillstandsabkommen zwischen Armenien, Aserbaidschan und Russland hätten die etwa 2.000 russischen Soldaten noch bis Ende 2025 in der Region Bergkarabach bleiben und für Stabilität sorgen sollen.
Russland griff allerdings weder ein, als angebliche aserbaidschanische Umweltaktivisten Ende 2022 die einzige Straße zwischen der Exklave Bergkarabach und Armenien, den Lachin-Korridor, über Monate blockierten. Noch verhinderten sie die den Blitzkrieg Bakus gegen Bergkarabach im September 2023. Fast alle der 120.000 dort lebenden ethnischen Armenier waren damals nach Armenien geflüchtet. Aserbaidschans Staatsmedien zufolge seien damit nun “alle Probleme im Zusammenhang mit der Bergkarabach-Frage gelöst und seine unabhängige und souveräne Kontrolle wiederhergestellt”.
An der schwierigen Beziehung zwischen Armenien und Aserbaidschan ändert der Abzug wenig. Die jüngsten Friedensverhandlungen sind in den vergangenen Monaten weitestgehend zum Stillstand gekommen, stattdessen hatten die Spannungen wieder zugenommen. Unterstützung bekommt Armenien aus Frankreich; die beiden Länder schlossen im Februar ein Sicherheitsabkommen, das auch die Lieferung militärischer Güter umfasst.
Anfang April hatte die Europäische Kommission und das amerikanische Außenministerium einen “Resilienz- und Wachstumsplan” für Armenien angekündigt, hinterlegt mit 270 Millionen Euro an Zuschüssen für die Jahre 2024 bis 2027. Mit dem Geld sollen etwa Energieprojekte wie das Schwarzmeer-Stromkabel oder der Ausbau Erneuerbarer Energien unterstützt werden. So soll Armenien aus der russischen Abhängigkeit kommen. klm
Am Mittwoch hat das georgische Parlament das umstrittene Gesetz zur staatlichen Kontrolle über Nichtregierungsorganisationen in erster Lesung angenommen. 83 der insgesamt 150 Abgeordneten stimmten für den Gesetzesentwurf. Über 20.000 pro-europäische Demonstranten gingen dagegen in der Hauptstadt Tbilisi auf die Straße.
Das “Gesetz über die Transparenz des ausländischen Einflusses” sieht vor, dass Institutionen, die sich zu mehr als 20 Prozent aus dem Ausland finanzieren, ihre Finanzquellen offenlegen müssen. Ursprünglich sollte das Gesetz vergangenes Jahr unter dem Titel “ausländischer Agenten” verabschiedet werden. Aufgrund massiver Proteste hatte die Regierungspartei Georgischer Traum den Gesetzentwurf eingestellt.
Im zweiten Anlauf und mit geändertem Namen will die georgische Regierung das Gesetz nun voranbringen. Nach eigenen Angaben will sie damit für mehr Transparenz sorgen und das Ausmaß ausländischer Einflussnahme stärker kontrollieren. Kritiker sehen Parallelen zum russischen Gesetz gegen “ausländische Agenten”. Sie befürchten, dass ein solches Gesetz wie in Russland missbraucht werden könnte, um gegen kritische Medien und Organisationen vorzugehen.
Die proeuropäische georgische Präsidentin Salome Surabischwili kritisierte, dass trotz der Proteste an dem Gesetzesentwurf festgehalten werde. Es handele sich um eine Provokation. Das spiele der russischen Strategie einer Destabilisierung Georgiens in die Hände, sagte sie. Sie hatte bereits angekündigt, ein Veto gegen das Gesetz einlegen zu wollen, allerdings kann die Regierungspartei ihr Veto überstimmen.
Auch aus Brüssel kam scharfe Kritik an dem Gesetzentwurf. Über X (ehemals Twitter) kommentierten der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell und Oliver Várhelyi, EU-Kommissar für Nachbarschaft und Erweiterung, in einer gemeinsamen Erklärung, der Entwurf stehe “nicht im Einklang mit den grundlegenden Normen und Werten der EU”. Dies könne negative Auswirkungen auf den geplanten EU-Betritt Georgiens haben.
Auf die Kritik aus dem Ausland entgegnete der georgische Ministerpräsident Irakli Kobachidse (Georgischer Traum), die Kritiker, darunter auch Bundeskanzler Olaf Scholz, hätten keine Argumente geliefert, was an dem Gesetz falsch sein solle. Deshalb sehe er keinen Grund, an dem Vorhaben etwas zu ändern.
Marcel Röthig, Kaukasus-Spezialist der Friedrich-Ebert-Stiftung, schätzt die Lage auf Anfrage von Table.Briefings als “unerwartet” und “sehr besorgniserregend” ein. Die Änderung des Namens sei “Augenwischerei” und “letztendlich russisches Repertoire”. Nun sei die Frage, ob die Zivilgesellschaft das Momentum am Laufen halten könne. “Ich sehe nicht, dass der Georgische Traum jetzt einen Rückzieher macht”, sagt er. ag mit Material von dpa
Angesichts der zunehmenden Bedrohung durch China hat Australien am Mittwoch seine erste nationale Verteidigungsstrategie vorgelegt. “Die Zeit der optimistischen Annahmen, die die Verteidigungsplanung nach dem Ende des Kalten Krieges bestimmt haben, ist lange vorbei”, zitiert die Nachrichtenagentur AFP den australischen Verteidigungsminister Richard Marles bei der Vorstellung des 80 Seiten starken Dokuments.
Die größte Bedrohung sind laut Marles Angriffe, die wichtige See- und Luftwege blockieren und so die Fähigkeit Australiens im Handelsverkehr einschränken. “Wir sind eine maritime Handelsnation”, sagte der Minister. Eine Invasion halte er für unwahrscheinlich, Australien könne aber sehr wohl geschadet werden, ohne dass ein chinesischer Soldat je einen Fuß auf das Staatsgebiet setzt.
Die Verteidigungsstrategie sieht vor, die Marine durch nuklear betriebene U-Boote zu stärken. Wichtige Raketenbestände sollen verdreifacht und die Überwasserflotte ausgebaut werden. Insgesamt will Australien die Verteidigungsausgaben AFP zufolge in den kommenden zehn Jahren von derzeit zwei Prozent auf 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigern.
Peking reagierte erbost auf die Ankündigung. Australien solle aufhören, “bei jeder Gelegenheit” China zu beschuldigen. “China stellt für kein Land eine Bedrohung dar”, sagte laut AFP ein Sprecher des Außenministeriums in Peking. flee
SZ: Das Anti-USA-Netzwerk. Nicht nur Russland steht fest an der Seite des Iran. Ein Blick nach Lateinamerika zeigt, dass das Mullah-Regime vor allem auch in den autoritär regierten Ländern wie Nicaragua und Venezuela über treue Partner verfügt. Auch ein Blick nach Nordkorea lohnt sich.
FAZ: Ein halbes Jahr bis zur Bombe. Es sei schwierig, den genauen Zustand des iranischen Atomprogramms zu definieren. Fest stehe, dass alle Beschränkungen des Atomabkommens JCPOA für Urananreicherung längst überschritten seien. Iran brauche nur noch wenige Wochen zur Herstellung von nuklearem Material und danach etwa ein halbes Jahr für die Herstellung einer zündbaren Bombe.
SWP: Frankreichs disruptive Zeitenwende. Die russische Invasion hat Frankreich in seinem Ziel der strategischen Souveränität Europas bestärkt. Anderswo, etwa beim Engagement in der Nato, änderte Paris seinen Kurs deutlich, schreiben Claudia Major und Sven Arnold. Ein Zusammenrücken mit Berlin gibt es aber nicht.
Foreign Affairs: The Talks That Could Have Ended the War in Ukraine. Was auf dem Schlachtfeld zu Beginn des Krieges in der Ukraine geschah, ist relativ gut bekannt. Was weniger bekannt ist, ist die gleichzeitige intensive Diplomatie, an der Moskau, Kiew und eine Vielzahl anderer Akteure beteiligt waren und die bereits wenige Wochen nach Kriegsbeginn zu einer Einigung hätte führen können.
Oda Döring, bislang Direktorin und Unterabteilungsleiterin im Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr (BAPersBw), ist am Donnerstag zur neuen Abteilungsleiterin Personal im Ministerium berufen worden. Damit ordnet Verteidigungsminister Boris Pistorius die Führung des Personalwesens der Bundeswehr neu. Döring hatte zusammen mit Brigadegeneral Robert Sieger im vergangenen Jahr eine ‘Task Force Personal’ geleitet, die Vorschläge für eine bessere Nachwuchsgewinnung der Streitkräfte vorlegte. Sieger, bislang stellvertretender Kommandeur des Zentrums Innere Führung, übernahm ebenfalls am Donnerstag als neuer Präsident das Personalamt der Bundeswehr.
Die neue Spitze des Personalmanagements muss sich der Aufgabe stellen, den Umfang der Freiwilligenarmee Bundeswehr zu vergrößern: Die Truppe soll in den nächsten Jahren auf gut 200.000 Soldaten und Soldatinnen anwachsen, kommt aber derzeit nicht über einen Umfang von rund 182.000 aktiven Soldaten hinaus. Die derzeitigen Überlegungen für ein Wiederaufleben der Wehrpflicht dürften deshalb auch einen wesentlichen Anteil an der Arbeit von Döring und Sieger haben.
Clive Schley ist neuer Programmleiter für das Future Combat Air System (FCAS)-Programm bei Airbus Defence and Space. Schley folgt auf Bruno Fichefeux, der in die zivile Sparte von Airbus gewechselt ist. Im deutsch-französisch-spanischen FCAS-Programm will Airbus auf deutscher Seite gemeinsam mit den Partnern ein Kampfsystem entwickeln, das einen Verbund aus Kampfflugzeugen vernetzt mit Drohnen bilden soll. Ende der 2020er Jahre soll ein erster Demonstrator fliegen, ab 2040 soll FCAS nutzbar sein.
Im November hatte Airbus seine Rüstungssparte umstrukturiert und das FCAS-Programm in die Sparte “Airpower” eingegliedert.
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Kaum mehr als ein Jahr hat Thomas Hitschler noch, in dem er zwischen Bundestag und Verteidigungsministerium pendelt, seinen Minister Boris Pistorius in Ausschüssen vertritt und mit anderen Ministerien Kompromisse finden muss. Bekanntermaßen nicht immer einfach in der Ampel. Danach will sich der 41-jährige Parlamentarische Staatssekretär aus persönlichen Gründen aus der Politik zurückziehen. Dann dürfte er auch mehr freie Zeit haben für den 1. FC Kaiserslautern, für den er mit der früheren Verteidigungsministerin Christine Lambrecht in Berlin einen Fanclub gegründet hat.
Bis dahin sollten sich die Ressorts auf ein Gesetz für die Regelung von Rüstungsexporten einigen können. Das Vorhaben lässt auf sich warten. Seit das Wirtschaftsministerium im Oktober 2022 die Eckpunkte vorgestellt hat, ist nicht mehr viel passiert.
Die Rüstungsindustrie sorgt sich vor einem zu restriktiven Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Sven Giegold, der das Gesetz federführend ausarbeitet. Das BMVg hätte gerne ein weiteres sicherheitspolitisches Instrument. “Wir müssen uns überlegen, wie der Export von Waffen und Rüstungsgütern Teil des sicherheitspolitischen Werkzeugkoffers sein kann”, sagt Hitschler. Es gehe um die Frage: “Wer ist am Ende in unserem Team?”
Frankreich und Großbritannien vertiefen systematisch Bündnisse durch Waffenexporte mit Ländern wie Saudi-Arabien oder Katar. Deutschland tut das auch immer mehr. Internationale Partner wüssten beim gemeinsamen Flugzeug- oder Panzerbau gerne, ob nur für Eigenbedarf oder auch Exporte produziert werde, sagt Hitschler. “Und da die Regeln so festzulegen, dass europäische Projekte ermöglicht werden können, ist auch meine Erwartung an das Rüstungsexportkontrollgesetz.”
Die Verhandlungen liefen und er sei “gespannt auf den Referentenentwurf”, auf den er “in den nächsten Wochen” hoffe. Also doch Bewegung?
Wichtig ist ihm – was Vertreter der Rüstungsindustrie auch oft fordern – ein “rechtssicherer Rahmen”. In der Vergangenheit konnten Rüstungsunternehmen ihre Vertragsverpflichtungen nicht einhalten, weil die Bundesregierung ihre Exportregeln der Menschenrechtslage in Empfängerländern anpasste. “German free” sei ein Gütesiegel bei Rüstungsgütern, heißt es aus der deutschen Industrie oft. Wenn der Entwurf kommt, müsste er bei Hitschler einlaufen.
Bei der Industrie dürfte er sich beliebt gemacht haben. Das Sondervermögen ist komplett verplant. Hitschlers Arbeitszeugnis: 55 25-Millionen-Vorlagen im Jahr 2023, mehr als die Hälfte davon kommt aus dem Sondervermögen. “Das zeigt, wozu die Bundeswehr in der Lage ist: Vor der Zeitenwende hätte das keiner von uns gedacht. Nun hat die Organisation bewiesen, dass wir schnell und akkurat arbeiten können”, sagt er.
Der Parlamentarische Staatssekretär ist dafür zuständig, die Vorlagen mit den Berichterstattern im Haushaltsausschuss zu verhandeln. “Damit hat man ausreichend zu tun”, sagt er. Das sei “ausdrücklich” eine Teamleistung mit dem Haushaltsausschuss. “Und da versuche ich, die Arbeit des Ministeriums zu übersetzen, aber ich bin natürlich auch permanent am Verhandeln.” Gabriel Bub
der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck scheint seit Neuestem ein Herz für die Rüstungsindustrie zu haben – seine Reise in die Ukraine mit einer Delegation von Vertretern aus der Branche ist der jüngste Beweis. Gemeinsam mit Viktor Funk und Gabriel Bub habe ich analysiert, inwiefern diese Unterstützung über den Krieg in der Ukraine hinausreichen könnte.
Vor dem Nato-Ukraine-Rat will der ukrainische Präsident Selenskyj heute eine bessere Verteidigung des Luftraums seines Landes erreichen, nachdem alle Welt in Israel gesehen hat, dass es möglich ist.
Hier gibt es sogar Stimmen, die mit Blick auf die erfolgreiche arabisch-israelische Zusammenarbeit zur Luftverteidigung von der Hoffnung auf eine Art “Nahost-Nato” sprechen. Markus Bickel und ich erklären, was das bedeutet und warum das noch ein langer Weg sein dürfte. Eine Konsequenz aus dem Konflikt aber steht jetzt schon fest: Zypern – das so viele Einwohner wie Berlin hat – hat sich mittlerweile als wichtiger geopolitischer Player etabliert. Das erläutert Frank Nordhausen.
Der Luftalarm über Kiew, mit dem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am Donnerstag in der Ukraine empfangen wurde, verdeutlicht die prekäre Lage des Landes: Russland greift seit einigen Wochen fast jede Nacht und jeden Tag mit Drohnen und Raketen an, hat dabei mehrere Kraftwerke stark beschädigt, das größte Kraftwerk in der Region Kiew zerstört und beim Angriff auf die Stadt Tschernihiw in dieser Woche mindestens 18 Menschen getötet und fast 80 verletzt.
Während sich auf dem unmittelbaren Schlachtfeld im Osten und Süden des Landes derzeit trotz intensiver Kämpfe wenig ändert, verdeutlichen die Angriffe weit im Landesinneren die Notlage bei der Luftverteidigung. Habeck reist deshalb mit Vertretern der Energiewirtschaft und der Rüstungsbranche an. Drei Iris-T-SLM Flugabwehrsysteme des deutschen Herstellers Diehls sind im Land, ein viertes soll laut dem mit Habeck mitreisenden Diehl-Chef Helmut Rauch bald folgen. Insgesamt soll die Ukraine noch in diesem Jahr vier Iris-T-Systeme erhalten.
Das Jahr 2024 ist ein Durchhaltejahr: Die Rüstungsproduktion für die Ukraine wird seit einiger Zeit hochgefahren, in der EU – und in der Ukraine selbst mit Joint-Ventures und eigenständigen Produktionsstätten ausländischer Rüstungshersteller. Ein wichtiger Programmpunkt auf Habecks Reise deshalb: Die Eröffnung einer Drohnenfabrik von Quantum Systems, dem Defense-Start-up aus München, dem Habeck auch im Zuge seines “Rüstungsgipfels” besondere Aufmerksamkeit geschenkt hatte.
Die Firma hat bereits kurz nach der russischen Vollinvasion vor zwei Jahren Aufklärungsdrohnen vom Typ Vector an die Ukraine geschickt – und damit das Vertrauen eines potenziellen Großabnehmers gewonnen. Bis Jahresende sollen mehr als 500 Aufklärungsdrohnen von Quantum Systems in die Ukraine geliefert werden. Im Land selbst will Quantum bis Ende des Jahres die Zahl der Beschäftigten auf 100 erhöhen und mit ihnen die Kapazität jährlich lieferbarer Aufklärungsdrohnen vom Typ Vector auf bis zu 1.000 Stück steigern.
Gemeinsam mit dem CEO Florian Seibel und im Beisein des ukrainischen Ministers für strategische Industrie, Oleksandr Kamyshin, eröffnete Robert Habeck am Donnerstag ein neues Werk und lobte es als einen “Beitrag zur Sicherheit und Widerstandsfähigkeit” der Ukraine.
Quantum-Chef Seibel, selbst mehr als 15 Jahre bei der Bundeswehr und als Heeresflieger eingesetzt, betonte wiederum, dass in der Ukraine die “Zukunft der Drohnentechnologie” geschrieben werde.
Im Gegensatz zur Ukraine laufen die Bestellungen der Drohnensysteme durch die Bundeswehr nach wie vor schleppend. Im vierten Quartal dieses Jahres sollen die ersten 14 Aufklärungsdrohnen an das Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr KSK gehen – kein Vergleich zu den Bestellungen aus Kiew.
Der Vizekanzler macht kein Geheimnis daraus, dass die Reise keine reine Wohltätigkeitsveranstaltung der CEOs ist. “Am Ende sind es auch Unternehmen, die Geld verdienen wollen”, so der Vizekanzler auf die Frage einer Journalistin nach den ökonomischen Interessen der Delegation. Diesen Unternehmen sei sehr wohl bewusst, dass sich die Ukraine auf den europäischen Binnenmarkt zubewegt und in diesem Land auch große ökonomische Chancen stecken.
Rheinmetall will bis 2026 eine Million Artilleriegeschosse im Jahr produzieren, das neue Werk in der Ukraine soll dem Düsseldorfer Panzer- und Munitionsbauer dabei helfen. In der ukrainischen Niederlassung sollen jährlich 150.000 Geschosse entstehen, sagte Rheinmetall-CEO Armin Papperger bei der Bilanzpressekonferenz im März.
Welche neuen Exportmöglichkeiten sich für diese deutschen Rüstungsbetriebe in der Ukraine dann künftig ergeben könnten, darauf wollte das Wirtschaftsministerium zunächst keine konkreten Aussagen treffen.
Bis zur Annexion der Krim durch Russland im März 2014 war die Ukraine der achtwichtigste globale Waffenexporteur und machte damit etwa drei Prozent am weltweiten Waffenhandel aus, wie die Daten des Stockholm International Peace Research Institute (Sipri) zeigen. Zu den wichtigsten Abnehmern gehörten China, Pakistan – und der künftige Kriegsgegner Russland. Rund 70 Prozent aller Rüstungsprodukte wurden ins Ausland verkauft.
Auch wenn der Waffenexport für ukrainische Hersteller derzeit verboten ist, ist es klar, dass diese Branche nach dem Krieg im Außenhandel eine wichtige Rolle spielen wird. Das geht auch aus der erst kürzlich in Brüssel präsentierten European Defence Industrial Strategy (EDIS) hervor. Die Regierung von Wolodymyr Selenskyj sieht die ukrainische Rüstungsbranche selbstbewusst als wichtigen Teil eines gemeinsamen europäischen Verteidigungskomplexes, erklärte Kiew nach der EDIS-Vorstellung.
Darauf stellen sich die ukrainischen Hersteller schon ein. Ein Vertreter des Branchenverbandes Naudi sagte Table.Briefings auf einer Rüstungsmesse in Saudi-Arabien im Februar, dass nach Kriegsende Exporte helfen sollen, das Land wieder aufzubauen. Dafür sucht die Naudi weltweit nach Partnern für Joint Ventures.
Die Ukraine gewinnt als Investitionsland aber nicht nur für die Waffenhersteller wieder an Bedeutung. Russlands Angriffe auf die Energieversorgung im Land, die größtenteils noch aus der Zeit der Sowjetunion stammt, macht auch hier einen großen Erneuerungsbedarf deutlich. Deswegen begleiteten auch Vertreter aus der nachhaltigen Energiewirtschaft den Minister.
“Diese Delegation zeigt einmal mehr die Bereitschaft der deutschen Wirtschaft, die ukrainische Wirtschaft zu unterstützen und ihr trotz des Krieges Chancen zu eröffnen”, sagte Nataliia Hryshchenko, Leiterin des Rebuild Ukraine Teams bei der Deutsch-Ukrainischen Industrie- und Handelskammer in Kiew. Zu den größten deutschen Investitionen in den vergangenen Monaten gehört ein 60-Millionen-Euro-Projekt von Bayer. Damit wird eine moderne Maissaatgut-Anlage aufgebaut – und zwei Luftschutzbunker für Beschäftigte des Betriebes.
Das Dementi ließ nicht lange auf sich warten: Saudi-Arabien sei militärisch nicht an der Abwehr von Irans Großangriff auf Israel am vergangenen Wochenende beteiligt gewesen, berichtete der saudische Fernsehsender Al Arabiya am Dienstag unter Berufung auf Regierungskreise in Riad. Zuvor hatten israelische Medien gemeldet, neben der jordanischen sei auch die saudische Luftwaffe am Abschuss von Drohen aus dem Iran beteiligt gewesen.
Die abwiegelnde Reaktion aus Riad zeigt, wie weit der Nahe Osten noch von einem System integrierter Luftverteidigung entfernt ist – und wie wenig Wert Kronprinz Mohammed Bin Salman darauf legt, als Verbündeter Israels dazustehen. Das sieht auch Emile Hokayem so, Middle East-Direktor beim International Institute for Strategic Studies (IISS): “Jordanien und Saudi-Arabien haben iranische Raketen und UAVs abgefangen, weil sie eigene Sicherheitsinteressen haben und als verlässliche Partner der USA gelten wollen”, nicht um Israel zu gefallen.
Dieser Sicht steht eine eher westlich geprägte Lesart gegenüber, die unter anderem Eran Lerman vertritt, früherer außenpolitischer Berater im Büro des israelischen Ministerpräsidenten und gegenwärtig Vize-Präsident des Jerusalem Institute for Strategy and Security. Er bezeichnet die erfolgreiche Luftabwehr am vergangenen Wochenende gegenüber Table.Briefings als “revolutionäres” Ereignis, vor allem weil arabische Nachbarn das “Risiko eingegangen” seien, Israel zu helfen.
Auch US-amerikanische und europäische Politiker lobten die kollektive Abwehr von mehr als 350 Marschflugkörpern, ballistischen Raketen und Drohnen als überragende militärische Defensivleistung – während die arabischen Herrschaftshäuser darauf pochen, aus nationalem Interesse gegen die militärische Bedrohung durch den Iran vorzugehen, nicht um Israel zu helfen. Das gilt selbst für Jordanien, das bereits vor dreißig Jahren Frieden mit Israel schloss. Doch da der historischen Annäherung von 1994 bis heute nicht die Schaffung eines palästinensischen Staates folgte, ist es ein gesellschaftlich kalter Frieden geblieben – wenn auch mit enger Zusammenarbeit der Armeen und Geheimdienste beider Seiten.
Das erhofften sich die USA auch von den Abraham-Abkommen, die 2020 die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrein bedeutete. Im Sommer 2022 brachte Joe Biden bei Besuchen in Israel und Saudi-Arabien erstmals die Idee einer Middle East Air Defence Initiative ins Spiel: Teil des Plans war der Aufbau eines Netzwerks von Radarstationen, Aufklärungssensoren und Abfangraketen zwischen den Staaten des Golf-Kooperationsrats (GCC) – unterstützt durch israelische Technologie und US-Militärbasen in der Region.
Wie die Blaupause für eine solche Allianz wirkte die komplexe Koordinierung von jordanischen, britischen, französischen, israelischen und US-amerikanischen Kampfflugzeugen am vergangenen Sonntag – sowie die nachrichtendienstliche Unterstützung durch Ägypten, Saudi-Arabien und Katar. Damit ist erstmals in die Tat umgesetzt worden, woran im Hintergrund unter USA-Führung seit ungefähr zwei Jahren gearbeitet wird: eine Art strategische Partnerschaft in Fragen integrierter Luftverteidigung, überspitzt formuliert eine “Nahost-Nato” – unter Einbeziehung Israels.
Zwar operierten jordanische und US-Streitkräfte bereits beim Krieg gegen die Terrororganisation Islamischer Staat im Irak und Syrien gemeinsam in einem Kampfeinsatz. Doch Flugübungen mit der israelischen Luftwaffe wurden erst durch die die Zuordnung Israels zum Verantwortungsbereich der U.S. CENTCOM 2021 beschleunigt – was die regionale Zusammenarbeit der israelischen Streitkräfte in Form von gemeinsamen Militär- und Marineübungen mit arabischen Staaten auch ohne diplomatische Beziehungen möglich machte.
Dass die GCC-Mitgliedsstaaten (Saudi-Arabien, Bahrein, VAE, Oman, Katar und Kuwait) in einer Nahost-Militärallianz eine tragende Rolle spielen würden, liegt auf der Hand. In vier der sechs Golfstaaten unterhalten die USA Stützpunkte, der größte, die Al Udeid Air Base, liegt in Katar; in Bahrain ist die Fünfte Flotte der US Navy stationiert.
Experten dämpfen allerdings die Erwartungen. Es sei eher um eine “pragmatische Bewältigung einer akuten Krise” gegangen als um die Etablierung einer neuen regionalen Sicherheitsordnung, so Rafael Loss, Sicherheitsexperte vom European Council on Foreign Relations (ECFR).
In der Tat sprechen auch Äußerungen der jordanischen Regierung nicht dafür, dass es hier um eine Institutionalisierung einer Verteidigungsallianz ging, sondern um die Souveränität des jordanischen Luftraums. Der jordanische Außenminister Ayman Safadi sagte am Montag, dass Jordanien auch israelische Drohnen abgeschossen hätte, wären diese in den jordanischen Luftraum eingedrungen. Gut an der Kooperation sei, dass es helfe, eine “gewisse Grundlage der Koordination” zu schaffen, was das Lagebild angehe.
Und auch den Herrschaftshäusern in Riad und Abu Dhabi ist die eigene Sicherheit näher als die Israels. Saudi-Arabien hat den Angriff der proiranischen Huthi-Milizen auf Ölanlagen in Abqais und Khurais 2019 bis heute nicht verwunden – und arbeitet deshalb daran, einen Schutzschirm durch die USA zu erlangen, wie Israel ihn genießt. Das gilt auch für die Emirate, wo vor zwei Jahren drei Öllaster unter Beschuss aus dem Jemen kamen.
Als der Iran mehr als 300 Drohnen und Marschflugkörper auf Israel abschoss, läuteten auf der Mittelmeerinsel Zypern wieder die Alarmglocken – wie so oft seit April 2023, als im Sudan Kämpfe ausbrachen und Zyperns Präsident Nikos Christodoulides den Internationalen Flughafen in Larnaka zur Evakuierung westlicher Ausländer anbot. Im Rückblick erwies sich die Rückholaktion als Beginn der geopolitischen “Wiedergeburt” des kleinen Landes im äußersten südöstlichen EU-Zipfel.
Denn seither beschränkt sich die internationale Bedeutung der Republik Zypern nicht mehr nur auf ihre Funktion als “unsinkbarer Flugzeugträger der Nato”. Der Inselstaat etabliert sich vielmehr als humanitäre Macht im östlichen Mittelmeer. So war Zypern nach dem Hamas-Terrorangriff vom 7. Oktober erste Wahl für die Evakuierung Tausender Ausländer aus Israel. “Wenn der Nahe Osten explodiert, spielt Zypern aufgrund seiner geografischen Lage eine zentrale Rolle als Evakuierungsort”, sagt Hubert Faustmann, Büroleiter der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Nikosia. Zudem sei die Insel wie das stille Auge des Sturms, während ringsum Konflikte tobten. “Zypern verkörpert in Krisenlagen im östlichen Mittelmeer Stabilität.”
Nicht nur logistisch, auch politisch reagierte Nikosia auf die Gaza-Krise schnell und clever. Christodoulides zeigte zunächst klare Solidarität mit Israel, einem wichtigen regionalen Verbündeten. Umgehend aber verwies er auch auf die verzweifelte Lage der Palästinenser in Gaza. Damit folgte er der etablierten politischen Linie seines Landes, mit allen Seiten in der Region gute Beziehungen zu pflegen. So hatte sich die Republik jahrzehntelang zwar propalästinensisch positioniert, aber ihre Beziehungen zu Tel Aviv wegen der Nutzung von Gasfunden im Meer verbessert – und zwar so geschickt, dass sie in der arabischen Welt keine Imageschäden erlitt.
Die humanitäre Versorgungskrise im Gazastreifen nach dem Beginn der israelischen Offensive brachte Zyperns Präsident Anfang Oktober auf eine Idee, die zunächst als PR-Gag belächelt wurde: eine humanitäre Seebrücke mit Hilfsgütern vom zyprischen Hafen Larnaka nach Gaza. Zypern sei als nächstgelegener EU-Staat prädestiniert zu helfen, erklärte Christodoulides und begann, für das Projekt auf internationalen Foren zu werben. Wider Erwarten gelang es den zyprischen Diplomaten bis Januar, die EU, Großbritannien, die Vereinigten Arabischen Emirate und vor allem die USA offiziell für den nach einer griechischen Göttin benannten “Amalthea-Plan” zu gewinnen.
Dann ging alles sehr schnell. Am 7. März reiste EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach Larnaka und erklärte gemeinsam mit Christodoulides, der Korridor stehe kurz vor der Eröffnung. Zeitgleich sagte US-Präsident Joe Biden vor dem Kongress in Washington, das US-Militär werde “eine Notfallmission leiten, um einen provisorischen Pier im Mittelmeer an der Küste des Gazastreifens zu errichten”. In Zypern war inzwischen israelisches Personal für die Ausfuhrkontrolle eingetroffen. An eine Evakuierung von Palästinensern würde aber keinesfalls gedacht, machten zyprische Regierungsvertreter klar.
Am 12. März lief das erste Gaza-Versorgungsschiff “Open Arms” der gleichnamigen spanischen Hilfsorganisation und der US-amerikanischen Hilfsorganisation “World Central Kitchen” (WCK) mit 200 Tonnen Hilfsgütern an Bord von Larnaka aus und erreichte vier Tage später Gaza. Mit dieser Testfahrt hob Israel erstmals seine 2007 verkündete Gaza-Seeblockade auf. Umso größer war das Entsetzen, als die zweite Hilfsmission Anfang April scheiterte, weil die israelische Armee sieben internationale WCK-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter bei einem gezielten Luftangriff in Gaza tötete und die Hilfsschiffe nach Larnaka zurückkehrten. Netanjahu sprach von einem “tragischen Versehen”, zwei Offiziere wurden entlassen. Zypern verurteilte die Tat als “absolut verwerflich”, ließ aber keine offizielle Protestnote folgen.
Seit dem tödlichen Angriff sind die Transporte gestoppt, doch beteuern alle Seiten, das Projekt fortsetzen zu wollen, sobald die Sicherheit der Hilfskräfte gewährleistet sei. Derweil werden in Larnaka weiter Hilfsgüter entgegengenommen, und Großbritannien entsandte ein Schiff der Royal Navy ins östliche Mittelmeer, um den “multinationalen humanitären Seekorridor” zu unterstützen. Der schwimmende US-amerikanische Hafen vor Gaza-Stadt soll am 1. Mai fertig sein. Nachdem Israel auf Drängen Washingtons einwilligte, den Hafen von Aschdod für Hilfslieferungen zu öffnen, würden die Lieferungen aus Larnaka auch dorthin umgeleitet, hieß es in Nikosia.
“Der maritime Hilfskorridor bedeutet eine enorme politische Aufwertung für Zypern”, sagt Faustmann. “Statt negativer Nachrichten mit Korruption, goldenen Pässen oder dem Zypernproblem glänzt die Insel plötzlich durch eine konstruktive Rolle in einer hochsensiblen Region.” Zypern konnte sich durch Christodoulides’ humanitären Coup auch als neuer möglicher Vermittler im nahöstlichen Konfliktraum ins Spiel bringen.
“Das Projekt lässt Zypern in der arabischen Welt als Helfer der Palästinenser gut aussehen, wobei die Zyprioten immer darauf achten, die Israelis nicht unnötig zu verärgern”, sagt Faustmann. Zypern kann die Mittlerrolle auch deshalb leichter einnehmen, weil die Insel keine Ex-Kolonialmacht wie die Türkei ist, sondern Kolonialopfer (der Briten) und in der arabischen Wahrnehmung nicht so stark in Westeuropa verankert.
Seit dem Start der Initiative geben sich in Zypern Spitzenpolitiker aus den USA, der EU und der Region die Klinke in die Hand. Hauptfinanziers sind die Vereinigten Arabischen Emirate, die EU und Großbritannien. Misslich ist das Projekt nur für die Regionalmacht Türkei, denn sie erwog ebenfalls eine maritime Hilfsmission nach Gaza. Die scheiterte jedoch an der konfrontativen Haltung der Türkei zu Israel. Laut Informationen der zyperngriechischen Zeitung “Philelefteros” versuchte Ankara auf verschiedenen Ebenen, den Amalthea-Plan zum Scheitern zu bringen. Aus Trotz will die Türkei nun eine eigene “Freiheitsflotille” der islamistischen Hilfsorganisation IHH zum Gazastreifen schicken. 2010 war eine ähnliche Provokationsfahrt von der israelischen Marine gestoppt worden, wobei neun Aktivisten getötet wurden.
Dagegen ist es dem zyprischen Präsidenten Christodoulides gelungen, praktisch alle Akteure in der Region für den humanitären Korridor an Bord zu holen. Das historische Momentum nutzte Christodoulides auch, um sein traditionell russlandfreundliches Land außenpolitisch klar im Westen zu positionieren – sehr zum Ärger des Kreml. In Nikosia hofft man internationale Aufmerksamkeit auch für die innerzyprische Problematik zu bekommen. “Wenn Christodoulides schlau ist, nutzt er die Gunst der Stunde, um überraschende Vorstöße in der Zypernfrage zu unternehmen”, sagt der Historiker und Politikwissenschaftler Faustmann. “Aber dafür müsste man der Türkei Anreize bieten, sich konstruktiver zu verhalten – und die sind bisher nicht zu erkennen.”
Die unruhige Lage im Nahen Osten setzt Zypern allerdings zunehmend unter Druck. Seit Jahresbeginn landeten auf der Insel im östlichen Mittelmeer etwa 4000 Migranten, die Flüchtlingslager sind überfüllt. Bei den Neuankömmlingen auf Zypern handelt es sich zum Großteil um syrische Flüchtlinge, die bislang im Libanon lebten. Um die Einreise unerwünschter syrischer Flüchtlinge in die EU zu verhindern, wird nach Angaben Christodoulidis nun auch an einem Abkommen mit dem Libanon gearbeitet. “Wir wollen dem Libanon helfen, mit den Flüchtlingen umzugehen, damit nicht noch mehr nach Zypern kommen”, sagte er in einem am Sonntag verbreiteten Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Er freue sich, am 2. Mai zusammen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in den Libanon zu reisen, um ein konkretes Finanzpaket der EU anzukündigen. Zusätzlich gehe es um die Unterstützung libanesischer Institutionen wie zum Beispiel der Streitkräfte. Er habe die EU um Hilfe gebeten, sagte Christodoulidis. Es müsse auch darüber gesprochen werden, welche Menschen aus Syrien in der EU eine Chance auf Asyl bekommen sollten. “Wir fordern ausdrücklich, dass bestimmte Gebiete in Syrien als sichere Regionen eingestuft werden”, sagte er. mit dpa
Zwei Männer mit deutscher und russischer Staatsbürgerschaft sollen im Auftrag des russischen Geheimdienstes potenzielle Ziele für Sabotagen und Sprengstoffanschläge in Deutschland ausgekundschaftet haben. Die Polizei in Bayern hat Dieter S. und Alexander J. laut einer Mitteilung des Generalbundesanwalts am Mittwoch bei Bayreuth festgenommen. Aus diesem Anlass bestellte Außenministerin Annalena Baerbock den russischen Botschafter am Donnerstag ein, wie das Auswärtige Amt bestätigte. Über den Fall hatte der Spiegel zuerst berichtet.
Konkret soll sich Dieter S. mit jemandem, der mit einem russischen Geheimdienst in Verbindung steht, seit mindestens vergangenem Oktober über mögliche Sabotageaktionen ausgetauscht haben. “Die Aktionen sollten insbesondere dazu dienen, die aus Deutschland der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg geleistete militärische Unterstützung zu unterminieren”, heißt es in der Mitteilung des Generalbundesanwalts. Dieter S. soll Informationen über potenzielle Anschlagsziele, darunter auch Einrichtungen der US-Streitkräfte gesammelt, haben. Der zweite Beschuldigte, Alexander J., half ihm demnach spätestens seit diesem März.
Im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine hat die Generalbundesanwaltschaft bereits Anfang März Anklage gegen Waldemar W. und Natalie S. erhoben. Das Paar – ebenfalls mit deutschem und russischen Pass – soll bewusst gegen Russland-Sanktionen verstoßen und über Umwege Elektronik an russische Unternehmen geliefert haben. Die Technik soll unter anderem in die Drohne “Orlan 10” eingebaut worden sein, die die russische Armee in der Ukraine verwendet. vf/fra/dpa
Die vor mehr als einem Jahrzehnt aufgelöste Flugabwehrtruppe des Heeres soll als Truppengattung wieder neu aufgestellt werden. Die Entscheidung habe der Inspekteur des Heeres, Alfons Mais, Anfang April getroffen, bestätigte ein Sprecher des Heeres. Die neue Truppengattung, die insbesondere mit dem SkyRanger-System von Rheinmetall ausgerüstet werden soll, werde “an die aufgelöste Truppengattung anknüpfen” und zunächst in Lüneburg aufgestellt werden.
Im Zuge der Verkleinerung der Bundeswehr und aus Kostengründen war die Heeresflugabwehrtruppe 2012 aufgelöst worden. Die dort eingesetzten Gepard-Flugabwehrkanonenpanzer wurden bereits 2010 ausgemustert. Die verbliebenen Einheiten des “Leichten Flugabwehrsystems” mit Stinger-Raketen auf Basis des Waffenträgers Wiesel wurden der Luftwaffe unterstellt.
Bereits vor dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine 2022 waren Planungen für einen Wiederaufbau der Flugabwehr im Nah- und Nächstbereich begonnen worden, die unter dem Eindruck des Kriegs in der Ukraine dringlicher wurden. Vor allem die Gepard-Systeme, die die Ukraine aus Deutschland erhalten hatten, bewährten sich in der Abwehr russischer Drohnen.
Für die neue Truppe ist aus dem Luftverteidigungssystem Nah- und Nächstbereichsschutz die mobile Plattform Skyranger 30 auf Basis des Transportpanzers Boxer vorgesehen. Für die Beschaffung von zunächst 18 Serienfahrzeugen hatte der Haushaltsausschuss des Bundestages im Februar 600 Millionen Euro freigegeben. Wie bisher soll auch künftig die Luftwaffe die Bekämpfung von Luftzielen in mittlerer Reichweite übernehmen. Dafür werden Flugabwehrraketensysteme vom Typ Iris-T SLM beschafft, nach ihrer Lieferung soll das Leichte Flugabwehrsystem ausgemustert werden.
Der weitere Ausbau der Heeresflugabwehr hängt allerdings nicht nur von der Lieferung der Waffen, sondern auch vom Personal ab. Für die Luftverteidigung kurzer Reichweite, die vom Heer organisiert wird, und die weiter bestehende Aufgabe der Luftwaffe in mittlerer Reichweite werden insgesamt mehr als 1.500 Dienstposten für Soldaten und Soldatinnen veranschlagt. tw
Russland zieht seine sogenannten “Friedenstruppen” aus der von Armenien und Aserbaidschan seit Jahrzehnten umkämpften Region Bergkarabach ab. Das bestätigte Kremlsprecher Dmitry Peskow am Mittwoch. Dies geschehe auf Einverständnis “beider Länder”, gemeint sind Russland und Aserbaidschan, heißt es aus der aserbaidschanischen Präsidialverwaltung.
Für Russland ist der Abzug der Truppen allerdings eine Niederlage. Aserbaidschans autoritärer Präsident Ilham Aliyev will den Einfluss Russlands auf eigenem Staatsgebiet zurückdrängen. Baku, einer der wenigen strategischen – aber sehr pragmatischen – Verbündeten Moskaus, zeigt sich in der Region zunehmend selbstbewusst, und hat mit der Türkei und Israel starke Waffenlieferanten im Rücken. In der Auseinandersetzung zwischen Israel und dem Iran stellt Aserbaidschan der israelischen Luftwaffe drei Militärbasen an der iranisch-aserbaidschanischen Grenze zur Verfügung.
Vermutlich blieben Teile der russischen Truppen in der Region, etwa um Gebiete in der Region zu entminen. Ein entsprechendes Abkommen hatten Moskau und Baku vor zwei Wochen geschlossen. In Wirklichkeit könnte es aber darum gehen, den Abzug nicht als Rausschmiss aussehen zu lassen, erklärt Narek Sukiasyan von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Yerevan.
Zwar sei die Appeasement-Politik Russlands gegenüber Aserbaidschans gescheitert, doch auch Baku wolle Moskau nicht zu sehr verärgern. Einen bestimmten Grund, warum der Abzug genau jetzt angekündigt wurde, sieht er nicht. “Es ist ein weiterer Schritt im gescheiterten Verhandlungsprozess zwischen Armenien, Aserbaidschan und Russland”, sagt er.
Nach dem im November 2020 geschlossenen trilateralen Waffenstillstandsabkommen zwischen Armenien, Aserbaidschan und Russland hätten die etwa 2.000 russischen Soldaten noch bis Ende 2025 in der Region Bergkarabach bleiben und für Stabilität sorgen sollen.
Russland griff allerdings weder ein, als angebliche aserbaidschanische Umweltaktivisten Ende 2022 die einzige Straße zwischen der Exklave Bergkarabach und Armenien, den Lachin-Korridor, über Monate blockierten. Noch verhinderten sie die den Blitzkrieg Bakus gegen Bergkarabach im September 2023. Fast alle der 120.000 dort lebenden ethnischen Armenier waren damals nach Armenien geflüchtet. Aserbaidschans Staatsmedien zufolge seien damit nun “alle Probleme im Zusammenhang mit der Bergkarabach-Frage gelöst und seine unabhängige und souveräne Kontrolle wiederhergestellt”.
An der schwierigen Beziehung zwischen Armenien und Aserbaidschan ändert der Abzug wenig. Die jüngsten Friedensverhandlungen sind in den vergangenen Monaten weitestgehend zum Stillstand gekommen, stattdessen hatten die Spannungen wieder zugenommen. Unterstützung bekommt Armenien aus Frankreich; die beiden Länder schlossen im Februar ein Sicherheitsabkommen, das auch die Lieferung militärischer Güter umfasst.
Anfang April hatte die Europäische Kommission und das amerikanische Außenministerium einen “Resilienz- und Wachstumsplan” für Armenien angekündigt, hinterlegt mit 270 Millionen Euro an Zuschüssen für die Jahre 2024 bis 2027. Mit dem Geld sollen etwa Energieprojekte wie das Schwarzmeer-Stromkabel oder der Ausbau Erneuerbarer Energien unterstützt werden. So soll Armenien aus der russischen Abhängigkeit kommen. klm
Am Mittwoch hat das georgische Parlament das umstrittene Gesetz zur staatlichen Kontrolle über Nichtregierungsorganisationen in erster Lesung angenommen. 83 der insgesamt 150 Abgeordneten stimmten für den Gesetzesentwurf. Über 20.000 pro-europäische Demonstranten gingen dagegen in der Hauptstadt Tbilisi auf die Straße.
Das “Gesetz über die Transparenz des ausländischen Einflusses” sieht vor, dass Institutionen, die sich zu mehr als 20 Prozent aus dem Ausland finanzieren, ihre Finanzquellen offenlegen müssen. Ursprünglich sollte das Gesetz vergangenes Jahr unter dem Titel “ausländischer Agenten” verabschiedet werden. Aufgrund massiver Proteste hatte die Regierungspartei Georgischer Traum den Gesetzentwurf eingestellt.
Im zweiten Anlauf und mit geändertem Namen will die georgische Regierung das Gesetz nun voranbringen. Nach eigenen Angaben will sie damit für mehr Transparenz sorgen und das Ausmaß ausländischer Einflussnahme stärker kontrollieren. Kritiker sehen Parallelen zum russischen Gesetz gegen “ausländische Agenten”. Sie befürchten, dass ein solches Gesetz wie in Russland missbraucht werden könnte, um gegen kritische Medien und Organisationen vorzugehen.
Die proeuropäische georgische Präsidentin Salome Surabischwili kritisierte, dass trotz der Proteste an dem Gesetzesentwurf festgehalten werde. Es handele sich um eine Provokation. Das spiele der russischen Strategie einer Destabilisierung Georgiens in die Hände, sagte sie. Sie hatte bereits angekündigt, ein Veto gegen das Gesetz einlegen zu wollen, allerdings kann die Regierungspartei ihr Veto überstimmen.
Auch aus Brüssel kam scharfe Kritik an dem Gesetzentwurf. Über X (ehemals Twitter) kommentierten der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell und Oliver Várhelyi, EU-Kommissar für Nachbarschaft und Erweiterung, in einer gemeinsamen Erklärung, der Entwurf stehe “nicht im Einklang mit den grundlegenden Normen und Werten der EU”. Dies könne negative Auswirkungen auf den geplanten EU-Betritt Georgiens haben.
Auf die Kritik aus dem Ausland entgegnete der georgische Ministerpräsident Irakli Kobachidse (Georgischer Traum), die Kritiker, darunter auch Bundeskanzler Olaf Scholz, hätten keine Argumente geliefert, was an dem Gesetz falsch sein solle. Deshalb sehe er keinen Grund, an dem Vorhaben etwas zu ändern.
Marcel Röthig, Kaukasus-Spezialist der Friedrich-Ebert-Stiftung, schätzt die Lage auf Anfrage von Table.Briefings als “unerwartet” und “sehr besorgniserregend” ein. Die Änderung des Namens sei “Augenwischerei” und “letztendlich russisches Repertoire”. Nun sei die Frage, ob die Zivilgesellschaft das Momentum am Laufen halten könne. “Ich sehe nicht, dass der Georgische Traum jetzt einen Rückzieher macht”, sagt er. ag mit Material von dpa
Angesichts der zunehmenden Bedrohung durch China hat Australien am Mittwoch seine erste nationale Verteidigungsstrategie vorgelegt. “Die Zeit der optimistischen Annahmen, die die Verteidigungsplanung nach dem Ende des Kalten Krieges bestimmt haben, ist lange vorbei”, zitiert die Nachrichtenagentur AFP den australischen Verteidigungsminister Richard Marles bei der Vorstellung des 80 Seiten starken Dokuments.
Die größte Bedrohung sind laut Marles Angriffe, die wichtige See- und Luftwege blockieren und so die Fähigkeit Australiens im Handelsverkehr einschränken. “Wir sind eine maritime Handelsnation”, sagte der Minister. Eine Invasion halte er für unwahrscheinlich, Australien könne aber sehr wohl geschadet werden, ohne dass ein chinesischer Soldat je einen Fuß auf das Staatsgebiet setzt.
Die Verteidigungsstrategie sieht vor, die Marine durch nuklear betriebene U-Boote zu stärken. Wichtige Raketenbestände sollen verdreifacht und die Überwasserflotte ausgebaut werden. Insgesamt will Australien die Verteidigungsausgaben AFP zufolge in den kommenden zehn Jahren von derzeit zwei Prozent auf 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigern.
Peking reagierte erbost auf die Ankündigung. Australien solle aufhören, “bei jeder Gelegenheit” China zu beschuldigen. “China stellt für kein Land eine Bedrohung dar”, sagte laut AFP ein Sprecher des Außenministeriums in Peking. flee
SZ: Das Anti-USA-Netzwerk. Nicht nur Russland steht fest an der Seite des Iran. Ein Blick nach Lateinamerika zeigt, dass das Mullah-Regime vor allem auch in den autoritär regierten Ländern wie Nicaragua und Venezuela über treue Partner verfügt. Auch ein Blick nach Nordkorea lohnt sich.
FAZ: Ein halbes Jahr bis zur Bombe. Es sei schwierig, den genauen Zustand des iranischen Atomprogramms zu definieren. Fest stehe, dass alle Beschränkungen des Atomabkommens JCPOA für Urananreicherung längst überschritten seien. Iran brauche nur noch wenige Wochen zur Herstellung von nuklearem Material und danach etwa ein halbes Jahr für die Herstellung einer zündbaren Bombe.
SWP: Frankreichs disruptive Zeitenwende. Die russische Invasion hat Frankreich in seinem Ziel der strategischen Souveränität Europas bestärkt. Anderswo, etwa beim Engagement in der Nato, änderte Paris seinen Kurs deutlich, schreiben Claudia Major und Sven Arnold. Ein Zusammenrücken mit Berlin gibt es aber nicht.
Foreign Affairs: The Talks That Could Have Ended the War in Ukraine. Was auf dem Schlachtfeld zu Beginn des Krieges in der Ukraine geschah, ist relativ gut bekannt. Was weniger bekannt ist, ist die gleichzeitige intensive Diplomatie, an der Moskau, Kiew und eine Vielzahl anderer Akteure beteiligt waren und die bereits wenige Wochen nach Kriegsbeginn zu einer Einigung hätte führen können.
Oda Döring, bislang Direktorin und Unterabteilungsleiterin im Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr (BAPersBw), ist am Donnerstag zur neuen Abteilungsleiterin Personal im Ministerium berufen worden. Damit ordnet Verteidigungsminister Boris Pistorius die Führung des Personalwesens der Bundeswehr neu. Döring hatte zusammen mit Brigadegeneral Robert Sieger im vergangenen Jahr eine ‘Task Force Personal’ geleitet, die Vorschläge für eine bessere Nachwuchsgewinnung der Streitkräfte vorlegte. Sieger, bislang stellvertretender Kommandeur des Zentrums Innere Führung, übernahm ebenfalls am Donnerstag als neuer Präsident das Personalamt der Bundeswehr.
Die neue Spitze des Personalmanagements muss sich der Aufgabe stellen, den Umfang der Freiwilligenarmee Bundeswehr zu vergrößern: Die Truppe soll in den nächsten Jahren auf gut 200.000 Soldaten und Soldatinnen anwachsen, kommt aber derzeit nicht über einen Umfang von rund 182.000 aktiven Soldaten hinaus. Die derzeitigen Überlegungen für ein Wiederaufleben der Wehrpflicht dürften deshalb auch einen wesentlichen Anteil an der Arbeit von Döring und Sieger haben.
Clive Schley ist neuer Programmleiter für das Future Combat Air System (FCAS)-Programm bei Airbus Defence and Space. Schley folgt auf Bruno Fichefeux, der in die zivile Sparte von Airbus gewechselt ist. Im deutsch-französisch-spanischen FCAS-Programm will Airbus auf deutscher Seite gemeinsam mit den Partnern ein Kampfsystem entwickeln, das einen Verbund aus Kampfflugzeugen vernetzt mit Drohnen bilden soll. Ende der 2020er Jahre soll ein erster Demonstrator fliegen, ab 2040 soll FCAS nutzbar sein.
Im November hatte Airbus seine Rüstungssparte umstrukturiert und das FCAS-Programm in die Sparte “Airpower” eingegliedert.
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Kaum mehr als ein Jahr hat Thomas Hitschler noch, in dem er zwischen Bundestag und Verteidigungsministerium pendelt, seinen Minister Boris Pistorius in Ausschüssen vertritt und mit anderen Ministerien Kompromisse finden muss. Bekanntermaßen nicht immer einfach in der Ampel. Danach will sich der 41-jährige Parlamentarische Staatssekretär aus persönlichen Gründen aus der Politik zurückziehen. Dann dürfte er auch mehr freie Zeit haben für den 1. FC Kaiserslautern, für den er mit der früheren Verteidigungsministerin Christine Lambrecht in Berlin einen Fanclub gegründet hat.
Bis dahin sollten sich die Ressorts auf ein Gesetz für die Regelung von Rüstungsexporten einigen können. Das Vorhaben lässt auf sich warten. Seit das Wirtschaftsministerium im Oktober 2022 die Eckpunkte vorgestellt hat, ist nicht mehr viel passiert.
Die Rüstungsindustrie sorgt sich vor einem zu restriktiven Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Sven Giegold, der das Gesetz federführend ausarbeitet. Das BMVg hätte gerne ein weiteres sicherheitspolitisches Instrument. “Wir müssen uns überlegen, wie der Export von Waffen und Rüstungsgütern Teil des sicherheitspolitischen Werkzeugkoffers sein kann”, sagt Hitschler. Es gehe um die Frage: “Wer ist am Ende in unserem Team?”
Frankreich und Großbritannien vertiefen systematisch Bündnisse durch Waffenexporte mit Ländern wie Saudi-Arabien oder Katar. Deutschland tut das auch immer mehr. Internationale Partner wüssten beim gemeinsamen Flugzeug- oder Panzerbau gerne, ob nur für Eigenbedarf oder auch Exporte produziert werde, sagt Hitschler. “Und da die Regeln so festzulegen, dass europäische Projekte ermöglicht werden können, ist auch meine Erwartung an das Rüstungsexportkontrollgesetz.”
Die Verhandlungen liefen und er sei “gespannt auf den Referentenentwurf”, auf den er “in den nächsten Wochen” hoffe. Also doch Bewegung?
Wichtig ist ihm – was Vertreter der Rüstungsindustrie auch oft fordern – ein “rechtssicherer Rahmen”. In der Vergangenheit konnten Rüstungsunternehmen ihre Vertragsverpflichtungen nicht einhalten, weil die Bundesregierung ihre Exportregeln der Menschenrechtslage in Empfängerländern anpasste. “German free” sei ein Gütesiegel bei Rüstungsgütern, heißt es aus der deutschen Industrie oft. Wenn der Entwurf kommt, müsste er bei Hitschler einlaufen.
Bei der Industrie dürfte er sich beliebt gemacht haben. Das Sondervermögen ist komplett verplant. Hitschlers Arbeitszeugnis: 55 25-Millionen-Vorlagen im Jahr 2023, mehr als die Hälfte davon kommt aus dem Sondervermögen. “Das zeigt, wozu die Bundeswehr in der Lage ist: Vor der Zeitenwende hätte das keiner von uns gedacht. Nun hat die Organisation bewiesen, dass wir schnell und akkurat arbeiten können”, sagt er.
Der Parlamentarische Staatssekretär ist dafür zuständig, die Vorlagen mit den Berichterstattern im Haushaltsausschuss zu verhandeln. “Damit hat man ausreichend zu tun”, sagt er. Das sei “ausdrücklich” eine Teamleistung mit dem Haushaltsausschuss. “Und da versuche ich, die Arbeit des Ministeriums zu übersetzen, aber ich bin natürlich auch permanent am Verhandeln.” Gabriel Bub