die Kriege in Gaza und der Ukraine haben ein Thema, das in Europa lange die Schlagzeilen dominiert hat, zuletzt in den Hintergrund gerückt: Migration. Weniger wichtig ist es aber nicht geworden, ganz im Gegenteil: In Nordafrika und im Nahen Osten ist die junge Generation von den politischen Reformen enttäuscht und denkt wieder stärker über Auswanderung nach. Europa ist zwar für die wenigsten die erste Wahl, doch warum uns die Entwicklung kümmern sollten, erläutert Markus Bickel anhand einer neuen Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung.
In Sachen Migration sind in dieser Woche auch der zypriotische Präsident Nikos Christodoulides und die EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen unterwegs – und zwar in den Libanon, wo Hunderttausende syrische Flüchtlinge leben. Da steht womöglich ein problematischer Deal wie mit der Türkei an. Doch viel schlimmer: Am Ende könnte Geld aus Brüssel in den Taschen der islamistischen Hisbollah landen. Frank Nordhausen weiß mehr darüber.
Dass Russland und Nordkorea schon seit Monaten tödliche Geschäfte betreiben, ist bekannt. Welche Gefahren davon für verschiedene Regionen und für die gesamte Welt ausgehen, das beschreibt Jung H. Pak aus dem US-Außenministerium in ihrem Standpunkt für uns.
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Mehr als ein Jahrzehnt nach den Aufständen in Nahost und Nordafrika sind die Hoffnungen auf politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel in vielen Ländern düster – vor allem bei der jungen Generation. Das ist das Ergebnis einer “Die enteignete Generation” betitelten Studie, die die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in zwölf Staaten der Region durchgeführt hat, und für die sie 12.000 junge Menschen zwischen 16 und 30 Jahren befragt hat: in Ägypten, Algerien, Irak, Jemen, Jordanien, Libanon, Libyen, Marokko, Palästina, Sudan, Syrien und Tunesien.
Bereits vor fünf Jahren hatte die FES die MENA-Jugendstudie in acht nordafrikanischen Ländern und in Nahost durchgeführt – auch diesmal waren die Universität Leipzig, Kantar Public sowie zahlreiche weitere Forschungszentren und Meinungsforschungsinstitute aus der Region beteiligt. In dem 465 Seiten langen Band mit Dutzenden Grafiken werden in vier Kapiteln unter anderem die Auswirkungen multipler Krisen – Corona-Pandemie, Hunger und Gewalt, Wirtschaft und Beschäftigung, Migration und Vertreibung -, persönliche Orientierungen und gesellschaftliches Handeln unter die Lupe genommen. Drei Ereignisse hätten die Ausgangsbedingungen für ein gelingendes Leben der jungen Erwachsenen massiv verändert: die Anschläge des 11. September 2001, der Arabische Frühling 2011 und die Covid-19-Pandemie ab 2020.
Trotz einiger positiver Trends, etwa, was gewachsenes Umweltbewusstsein anbelangt, ist das Fazit der Studie ernüchternd. “Die Chancen junger Menschen auf faire Lebensbedingungen haben in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch abgenommen”, heißt es in dem “Die Enteignung von Lebenschancen” bezeichneten Kapitel. So hätte sich die Chance, Zugang zu einer guten Ausbildung und einem bildungsäquivalenten Arbeitsplatz zu haben, “dauerhaft verschlechtert”: “Der Alltag von jungen Erwachsenen ist nach den Massenprotesten von 2011, die diese Verluste anprangerten, vielfach durch die Zunahme von Ungleichheit, Restriktionen, bewaffneten Konflikten und Gewalt geprägt.”
Das gewachsene Selbstbewusstsein der jungen Generation, die bei den Protesten auf dem Tahrir-Platz in Kairo, in Tunesien, Jemen, Syrien und anderen arabischen Staaten vor bald anderthalb Jahrzehnten ihr Schicksal in die eigene Hand nahm, ist Enttäuschung gewichen. “Die Kluft zwischen dem, ‘was ist’ und dem, ‘was hätte sein können’, hat massiv zugenommen” – so wachse eine “enteignete Generation” heran.
Das spiegelt sich auch im politischen Engagement der jungen Erwachsenen wider, so die FES-Studie. Die im Zuge der Niederschlagung der arabischen Aufstände zunehmend entrechtete Generation ist wenig an Politik interessiert und vertraut den meisten staatlichen Institutionen kaum: “Demokratische Regierungsformen haben deutlich an Attraktivität verloren, stattdessen macht sich Ratlosigkeit breit.” Das fördere Präferenzen für ein politisches System, das sich auf einen “starken Mann” stützt. Weit verbreitet ist zudem die Ansicht, dass der Staat grundlegende soziale und wirtschaftliche Unterstützung leisten soll.
Was die Zukunftsaussichten in den von Krieg, Krisen und Konflikten um Ressourcen geprägten Staaten Nordafrikas und des Nahen Ostens anbelangt, zeichnet sich der Studie zufolge ein Trend fort, der bereits fünf Jahre nach den arabischen Aufständen galt: Die Zahl der optimistisch eingestellten jungen Menschen hat in jenen acht Ländern, die bereits damals untersucht worden, spürbar abgenommen – am deutlichsten im Libanon und Jordanien, unter syrischen Geflüchteten und im Jemen.
Dabei sei zu beachten, so die Autoren der Studie, dass die Befragten in allen Ländern ihre persönlichen Aussichten besser einschätzten (58 Prozent eher optimistisch) als die Zukunft der jeweiligen Gesellschaft als Ganzes (45 Prozent eher optimistisch).
Die Flucht Hunderttausender Syrerinnen und Syrer vor dem Krieg 2015 und die Bilder von Geflüchteten im Mittelmeer prägen die westliche Vorstellung vieler allein von Flucht nach Europa getriebener Menschen. Doch die Ergebnisse der Studie zeichnen ein anderes Bild, in der Auswanderung allenfalls als “Ausstiegsstrategie” betrachtet wird, als “Ausweg aus einer prekären Lebenssituation”. Zudem gelte: “Jugendliche und junge Erwachsene aus der MENA-Region, die ins Ausland gehen wollen, sind immer noch in der Minderheit, aber ihre Zahl steigt.”
Angesichts wachsender Abschottung der Europäischen Union, die durch die Corona-Krise weiter verschärft wurde, zeigt die Studie ein differenziertes Bild der Länder auf, die Auswanderungswillige überhaupt noch erreichen können. So zählten andere arabische Länder für 68 Prozent der Befragten mit persönlicher Migrationserfahrung als Hauptziel, 14 Prozent strebten in die Golfstaaten und nur neun (Europa) sowie zwei Prozent (Nordamerika) gaben Länder im Globalen Norden an.
Ein halbes Jahrzehnt nach der ersten MENA-Jugendstudie kommen die Autorinnen und Autoren so zu dem Schluss, dass das “Zeitalter der Mobilitäten” abgelöst worden sei von einem “Zeitalter der Grenzschließungen”. Darunter litten vor allem jene, die nicht über genügend Ressourcen verfügten, ein neues Leben mit mehr Zukunftsperspektiven an einem anderen Ort zu beginnen.
Wird es einen Flüchtlingsdeal der EU mit dem Libanon geben? Nikos Christodoulides, der konservative Präsident der Republik Zypern, hofft auf einen Durchbruch in der Migrationspolitik. Am kommenden Donnerstag wird er zusammen mit der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu Gesprächen mit der libanesischen Führung nach Beirut fliegen.
Laut zyprischen Medien erwartet die Regierung in Nikosia, dass von der Leyen dort ein “konkretes Finanzpaket” ankündigt – die Rede ist von sechs Milliarden Euro -, um zur Stabilisierung des Krisenstaats und zum Stopp der irregulären Migration Richtung Zypern beizutragen. Die kleine Inselrepublik ächzt unter der Ankunft von Booten mit Geflüchteten, überwiegend Syrer, die bislang im Libanon lebten.
Für Zyperns Präsidenten ist allein der geplante gemeinsame Besuch in Beirut mit der EU-Kommissionsspitze ein Erfolg, denn bisher fühlte sich seine Regierung in der Migrationspolitik von Brüssel nicht ausreichend unterstützt. Allerdings muss sich die EU-Delegation auf harte Verhandlungen einstellen: Bei bisherigen Gesprächen über das Thema Flüchtlinge mit dem Zedernstaat, der nur 160 Kilometer auf dem Seeweg entfernt liegt, hat Zyperns Regierung stets auf Granit gebissen.
Nikosia pocht auf einen bilateralen Geheimvertrag von 2020, der es Zypern angeblich erlaubt, Boote aus dem Libanon zurückzuschicken. Libanon aber dementiert dies entschieden. Beirut hat aber genau registriert, welche Summen die EU in Ägypten, Tunesien und der Türkei auf den Tisch legte. “Peanuts” seien dagegen die bisherigen Finanzhilfen der EU für ihr Land, erklärte Beiruts Botschafterin in Nikosia, Claude el-Hajal, vor zwei Wochen.
Die Diplomatin verwies auf die enorme Zahl syrischer Geflüchteter in ihrem Land, das im Vergleich zu seiner Einwohnerzahl mit rund 1,5 Millionen Menschen weltweit am meisten Flüchtlinge aufgenommen hat. Der Libanon steckt in der schwersten Wirtschaftskrise seiner Geschichte, der Gaza-Krieg erhöht die Unsicherheit in der Region. Armut und Aussichtslosigkeit sind die wichtigsten Fluchtgründe der syrischen Migranten. In Zypern finden sie rund 40.000 Landsleute, die bereits auf der Insel leben. Wegen der Insellage und weil Zypern nicht zum Schengen-Raum gehört, ist es aber fast unmöglich, in andere EU-Länder weiterzureisen.
Bis April zählten die Behörden bereits 3812 Neuankünfte von Asylbewerbern mit Booten in diesem Jahr. Das klingt wenig, würde aber auf Deutschland umgerechnet rund 340.000 Flüchtlinge bedeuten. Zypern liegt auf der östlichen Mittelmeerroute, die nach Angaben der europäischen Grenzschutzbehörde Frontex im ersten Quartal 2024 die westafrikanische Route als Hauptweg für irreguläre Migranten in die EU verdrängt hat. Nur noch 15 Prozent überqueren illegal die von UN-Truppen gesicherte “Grüne Linie” aus dem türkisch besetzten Norden, und 80 Prozent aller Migranten sind jetzt Syrer.
Für 2024 sei mit einer Verdoppelung der rund 6200 syrischen Asylbewerber des Vorjahrs zu rechnen, sagte der zyprische Innenminister Konstantinos Ioannou kürzlich. Migranten machen inzwischen rund sieben Prozent der Bevölkerung von rund einer Million Menschen im griechischen Inselsüden aus. Gemessen an der Einwohnerzahl weist Zypern die höchste Quote von Asylanträgen in der EU auf. Die beiden Flüchtlingslager sind überfüllt, die Bearbeitung der Asylanträge von Syrern ist derzeit ausgesetzt.
Christodoulides möchte Teile Syriens zu “sicheren Regionen” erklären lassen, um nicht-asylberechtigte Syrer dorthin zu überführen. Der Asylbehördenchef Andreas Georgiades nennt konkret die syrischen Provinzen Damaskus, Hama und Tartus. Georgiades räumt aber ein, dass es derzeit noch nicht einmal Flüge aus der EU nach Damaskus gebe. Dennoch will Präsident Christodoulides auf einem Treffen der EU-Länder im Mai seinen Plan propagieren, für den Dänemark und Tschechien bereits ihre Unterstützung signalisiert haben. Georgiades bezeichnet die Idee als Teil einer migrationspolitischen Strategie zur “Abschreckung”: “Es soll sich in den Herkunftsländern herumsprechen, dass Zypern kein Fluchtort mit Perspektive ist.”
Zugleich ist Zypern dabei, den Rückstand von rund 25.000 unerledigten Asylanträgen abzuarbeiten. Dabei konnten seit Januar 3763 nicht-syrische Asylbewerber, zu 80 Prozent mit großzügigen Rückkehrprämien, in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden – fast genauso viele, wie syrische Migranten neu ins Land kamen. “Ein Erfolg! Aber was uns Angst macht, sind die immer weiter steigenden Zahlen der Syrer”, sagt Georgiades. “Wie viele Migranten werden kommen, falls die Lage im Libanon weiter eskaliert?”
Der repressive staatliche Umgang mit Asylbewerbern soll der rechtsextremen ELAM-Partei bei den Europawahlen Wind aus den Segeln nehmen. Zyprische Flüchtlingshilfsorganisationen wie KISA kritisieren viele Maßnahmen als “inhuman”, vor allem aber ein weiteres Instrument. Mitte April wurden mindestens fünf Migrantenboote von der zyprischen Küstenwache vor der libanesischen Küste gestoppt, laut Zeugenaussagen wurden Warnschüsse abgegeben, Boote gerammt, riesige Wellen erzeugt. “Wir haben Videos von den Aktionen. Das sind illegale und gefährliche Pushbacks”, sagt der KISA-Chef Doros Polykarpou – was die Regierung in Nikosia bestreitet.
Polykarpou meint, alle Maßnahmen seien darauf ausgerichtet, Druck auf die EU und den Libanon auszuüben. “Man will eine Entscheidung erzwingen, Syrien in einigen Gebieten als sicher zu erklären, um dann massenhaft Syrer abzuschieben.”
Ob das Geld aus Brüssel helfen kann, den Libanon zu stabilisieren, sei zumindest zweifelhaft, sagt Hubert Faustmann, Leiter des Büros der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Nikosia. Der Politikwissenschaftler bezeichnet das Land als “scheiternden Staat”, der im Korruptionsindex von Transparency International zwischen Guatemala und Nigeria stehe. “Also werden die Milliarden nicht nur in regulären Kanälen landen. Wer will ausschließen, dass die Hisbollah davon profitiert?” Die islamistische Hisbollah ist als stärkste politische Kraft der Muslime ein bedeutender Machtfaktor in der zwischen Christen und Muslimen geteilten Regierungsverantwortung. Die Verhandler aus Brüssel werden sich fragen müssen, wie sie ausschließen können, dass die Terror-Organisation mit EU-Milliarden ihren Krieg gegen Israel finanziert.
Verteidigungsminister Boris Pistorius und sein Amtskollege Sébastien Lecornu lieferten am Freitag die Bilder der Einigkeit, die das kränkelnde deutsch-französische Verhältnis braucht. In Paris empfing “Sébastien” seinen Freund “Boris”, um die Aufteilung der acht Säulen für das deutsch-französische Panzerprojekt Main Ground Combat System (MGCS) festzulegen.
Parlamentarier aus Deutschland und Frankreich lobten gegenüber Table.Briefings die Fortschritte in dem Panzerprojekt. Die Unterzeichnung der Absichtserklärung sei ein “Meilenstein” auf dem Weg, Europa “auf dem Felde der militärischen Sicherheit” voranzubringen, sagte der FDP-Europapolitiker Michael Link.
Selbst aus der Opposition kommt verhaltenes Lob: “Es wurde Zeit, dass endlich etwas beim Projekt MGCS passiert”, sagt Florian Hahn, verteidigungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion. “Das durch den Kanzler beschädigte Verhältnis zu Frankreich könnte durch dieses Projekt belebt werden.” Durch die Einigung sei es “gelungen, der deutschen wehrtechnischen Industrie die Entwicklungsanteile zu sichern, die wirkliche Augenhöhe herstellt”. Jetzt sollten, so Hahn, Finanzmittel für Forschung und Entwicklung bereitgestellt werden.
Die französische Abgeordnete Natalia Pouzyreff von der Macron-Partei Renaissance freut sich, dass man es schaffe, “diese gemeinsame Vision zu entfalten” und ein Ziel zu setzen, “das die Verstärkung unserer industriellen europäischen Verteidigungskapazitäten betrifft”. Auch wenn “die deutsch-französischen Beziehungen in letzter Zeit manche Schwierigkeiten erlebt haben”. Nach ihrem Eindruck habe das daran gelegen, dass man “sich schwergetan hat, kurzfristige Ziele und langfristige Ziele zu vereinen”.
Zuletzt war das ein wesentlicher Streitpunkt in den deutsch-französischen Beziehungen. Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte in seiner zweiten Sorbonne-Rede am Donnerstag gesagt, dass man nicht vergessen dürfe, die europäische Rüstungsindustrie langfristig zu stärken und Geld in europäische Entwicklungen zu investieren. Die deutsche Strategie bestand bei den vergangenen Rüstungsbeschaffungen eher darin, marktverfügbar und günstiger außereuropäisch zu beschaffen.
Mit der Aufteilung der acht Arbeitsbereiche, Pillars genannt, wollen Pistorius und Lecornu die heimischen Rüstungsindustrien zufriedenstellen. Die nationale Aufgabenverteilung ist bis auf Weiteres geklärt, bis Jahresende wollen die Minister die Verhandlungen zum Industrievertrag für die Phase der Technologiedemonstration führen, Anfang 2025 soll der Bundestag die Verträge genehmigen. Das sei “ambitioniert”, sagte Pistorius am Freitag in Paris, aber er sei sich sicher, “die Verantwortlichen der beiden verhandelnden Teams wissen die Herausforderung zu schätzen”.
Die wichtigste Entscheidung, wer die Kanone des Panzers entwickelt, schieben die Partner aber auf. Pillar 2, bei dem neben der Kanone, Turm und Munition entwickelt werden sollen, bearbeiten sowohl Deutschland als auch Frankreich. In einem ersten Schritt wollen die Partner zwei verschiedene Kanonensysteme entwickeln und nach einer Bewertung soll das bessere den Panzer ausstatten. Von den deutschen Panzerbauern Rheinmetall und KNDS Deutschland (vorher Krauss-Maffei Wegmann) dürfte Rheinmetall die Nase vorn haben.
Trotzdem bemühen sich die beteiligten Unternehmen, Einigkeit zu zeigen. Eine Anfrage von Table.Briefings beantwortet Rheinmetall mit einer gemeinsamen Erklärung mit KNDS Deutschland, KNDS Frankreich und Thales, in der es heißt, dass die Unternehmen in einer eigens gegründeten Projektgesellschaft “die Herausforderungen (…) bestmöglich und synergetisch” angehen wollen.
Von den acht Säulen übernimmt jedes Land zwei, die übrigen vier sollen gemeinsam entwickelt werden. Lecornu und Pistorius haben die Aufgabengebiete paritätisch geteilt, aber “an den entscheidenden Fragen, da wo es einen Panzer ausmacht, sind die deutsche Kompetenz und damit das deutsche Lead”, sagte Pistorius in Paris.
Neben dem Pillar, das Kanone, Turm und Munition beinhaltet, werden folgende Aufgabengebiete gemeinsam bearbeitet
Deutschland übernimmt:
Frankreich übernimmt:
Sobald die Verträge stehen, solle es “darum gehen, andere Partner mit ins Boot zu holen”, sagte Pistorius. “Dieses Projekt wird am Ende offen sein müssen.” Da sehe er Italien, aber auch Polen.
Wichtig war den Ministern, die Symbolik hervorzuheben, die ihr Treffen beinhaltete. “Ich würde nicht sagen, dass die industrielle Aufteilung das Herz des Vertrages von heute Morgen ist. Sie ist ein Element”, sagte Lecornu. “Das Herz des Vertrages ist, zu sagen, dass wir 2040 den gleichen Panzer haben.”
Der französische Minister betonte die Exportmöglichkeiten, die ein solcher Panzer biete, weil nicht einmal die USA an einem vergleichbaren System arbeiteten. Was den Verkauf der Waffen ins Ausland angeht, dürfte Lecornu darauf drängen, dass die lockere französische Exportpolitik statt der deutschen angewandt wird. Bis der erste Panzer fährt, kann die sich aber auch noch ändern. Mitarbeit: Till Hoppe
Der Militärexperte der Universität der Bundeswehr in München, Carlo Masala, hat Bundeskanzler Olaf Scholz darin unterstützt, die übrigen europäischen Länder zu mehr Militärhilfe für die Ukraine aufzufordern. “Die anderen europäischen Partner machen derzeit zu wenig, da hat der Bundeskanzler völlig recht”, sagte Masala im Podcast Table.Today.
Der Politikwissenschaftler erwartet zur Bundestagswahl eine massive Zunahme der Spionageaktivitäten und Desinformationskampagnen aus China und Russland.
“Wir erleben eine hybride Kriegsführung zur Destabilisierung unserer Gesellschaften. Wenn man sich mit den Geheimdiensten unterhält, dann erwarten die für die Bundestagswahl den Versuch einer Beeinflussung, die es so in dem Ausmaß noch nie gegeben hat in der Bundesrepublik Deutschland.”
Europa müsse im Duell zwischen den USA und China seine Verteidigungsfähigkeit dringend verbessern, sagt Masala. “Wir leben als Europa inmitten einer Auseinandersetzung zwischen zwei 800 Pfund Gorillas. Und wir sind sicherheitspolitisch ein 150 Kilo Schimpanse.”
Man könne keine Äquidistanz zwischen den Mächten wahren, so Masala. “Es ist auch im ureigensten Interesse Europas und auch der Bundesrepublik Deutschland, keinen Zweifel daran zu lassen, dass wir in den Grundzügen an der Seite der Vereinigten Staaten stehen. Ansonsten werden die Nachteile für Europa massiv sein.” brö
Noch diese Woche könnte der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag Haftbefehle gegen Premier Benjamin Netanjahu, Verteidigungsminister Joav Galant und Generalstabschef Herzi Halevi erlassen.
Netanjahu hatte zwar am Freitag erklärt, dass Israel unter seiner Führung “niemals irgendeinen Versuch des Strafgerichtshofs akzeptieren (wird), sein inhärentes Recht auf Selbstverteidigung zu untergraben” – israelische Medien berichten allerdings von Nervosität des Regierungschefs.
Die Haftbefehle könnten erneut eine dramatische Verschlechterung des Ansehens Israels in der Welt bedeuten, das derzeit die Planung der international stark kritisierten Offensive in Rafah vorantreibt. Juristisch würde ein Haftbefehl des IStGH gegen Netanjahu und andere Israelis bedeuten, dass Staaten, die die Statuten des IStGH unterzeichnet haben, diese Personen festzunehmen müssten und an den Gerichtshof überstellen müssten – sofern sie sich auf das Hoheitsgebiet dieser Staaten begeben.
Eine entsprechende Entscheidung des Strafgerichtshofs würde zwar Israels Vorgehen nicht beeinflussen, schrieb Netanjahu, wäre aber “ein gefährlicher Präzedenzfall, der die Soldaten und Repräsentanten aller Demokratien bedroht, die gegen brutalen Terrorismus und rücksichtslose Aggression kämpfen”.
Heute wird außerdem auch eine Entscheidung über den Eilantrag in dem Verfahren gegen Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag erwartet. Nicaragua wirft der Bundesregierung Beihilfe zum Völkermord Israels in Gaza vor und hatte deshalb geklagt. Berichten des Nachrichtenmagazins Politico zufolge steckt hinter der Klage des südamerikanischen Landes Russland, was dem Vorwurf einer Politisierung der internationalen Gerichtshöfe Vorschub leistet.
Gegen diesen Vorwurf stellt sich allerdings das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), das derzeit mit verschiedenen Klagen auch vor Verwaltungsgerichten in Deutschland den Druck auf die Bundesregierung erhöht, die hinter den USA der zweitgrößte Waffenlieferant Israels ist. Trotz der schwerwiegenden Vorwürfe gegen Nicaragua, sei die Klage in Den Haag nicht nur Ausdruck eines “wachsenden Unbehagens im globalen Süden gegenüber der israelischen Regierung, sondern auch der zunehmenden Kritik an der deutschen Haltung gegenüber Israel”, so Alexander Schwarz, Experte für Völkerstrafrecht vom ECCHR. Und: Die möglicherweise fragwürdige Legitimität des Klägers bedeute nicht, dass die rechtliche Frage, die mit der Klage gestellt werde, unberechtigt sei.
Das Auswärtige Amt wollte sich zunächst weder zu den möglichen Haftbefehlen vor dem Internationalen Strafgerichtshof noch zu den neuen Entwicklungen mit Blick auf die Klage Nicaraguas vor dem Internationalen Gerichtshof öffentlich äußern.
Im Gegensatz zum Internationalen Gerichtshof verfolgt der Strafgerichtshof Individuen wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord. Israel erkennt das Gericht nicht an. Aber die palästinensischen Gebiete sind Vertragsstaat, weswegen der Chefankläger Karim Khan ermitteln darf.
Der Strafgerichtshof unter Khan ermittelt bereits seit 2021 gegen die Hamas und Israel wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen im Gazastreifen. Auch zu Gewalt israelischer Siedler im Westjordanland laufen Untersuchungen. Khan hat seit März 2023 vier Haftbefehle gegen hochrangige russische Regierungs- und Armeevertreter wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen erlassen, darunter auch gegen Präsident Wladimir Putin. wp
Verteidigungsminister Boris Pistorius will die geplante neue Struktur der Bundeswehr festschreiben: Im “Osnabrücker Erlass”, den er am heutigen Dienstag in seiner Heimatstadt unterzeichnet, soll die neue Spitzengliederung der Bundeswehr auch formal geregelt werden. Pistorius folgt damit den früheren Ressortchefs Helmut Schmidt, Peter Struck und Thomas de Maizière, die seit 1970 bisher dreimal Strukturänderungen in der Führung der Streitkräfte in solchen Erlassen angeordnet hatten. Die wesentlichen Neuerungen für die “Bundeswehr der Zeitenwende” hatte der Minister bereits Anfang April bekanntgegeben.
Innerhalb eines Jahres sollen die Streitkräfte auf vier statt bisher drei Teilstreitkräfte – neben Heer, Luftwaffe und Marine der Cyber- und Informationsraum – umstrukturiert und ein Unterstützungsbereich geschaffen werden. Dafür sollen die bisher eigenständige Streitkräftebasis, die vor allem die Logistik organisiert, und der ebenfalls bislang eigenständige Sanitätsdienst aufgelöst und in diesem Unterstützungsbereich aufgehen. Die operative Führung der Bundeswehr wird von bislang zweien auf ein Kommando konzentriert. Eine starke Stellung bekommt der stellvertretende Generalinspekteur, der über den Einsatz von Unterstützungskräften entscheiden kann. tw
FAZ: Generalleutnant Bodemann: “Im Frieden befinden wir uns schon lange nicht mehr”. Beim Schreiben des “Operationsplan Deutschland” musste die Bundeswehr feststellen, dass der Zustand der Zivilverteidigung zwar vor vierzig Jahren besser war – die Pläne von damals aber teils gar nicht mehr vorhanden waren.
The Times: Grant Shapps: We are on war footing. We must get behind Sunak. Der britische Verteidigungsminister Grant Shapps lobt gegenüber der Times die Effektivität von Storm Shadows in der Ukraine. Geliefert habe laut Shapps neben Großbritannien und Frankreich auch Italien. Es handelt sich dabei um Marschflugkörper, ähnlich dem deutschen Taurus.
SAAB: Under the Surface – Shielding the Baltic Sea. Das schwedische Unternehmen SAAB beleuchtet in der achtteiligen Videoserie die Rolle und den Schutz der Kritischen Infrastruktur in der Ostsee – unter Wasser, aus der Luft, im Hafen. Keine (reine) Werbeaktion, sondern kompaktes Wissen und Zusammenhänge. Etwa acht Minuten pro Folge.
Die Zeit: Die Geschäfte mit Putin boomen im Geheimen. Europäische Sanktionen werden massiv umgangen. Die deutschen Exporte in russische Nachbarländer wie Kirgisistan seien in den vergangenen Jahren gestiegen, von dort gingen die Waren nach Russland. Experten sehen politischen Handlungsbedarf.
The Economist: Ukraine’s draft dodgers are living in fear. Immer mehr junge Männer verlassen die Ukraine aus Angst, in den Krieg eingezogen zu werden. Für diejenigen, die geblieben sind, steigt das Risiko an die Front zu müssen. Dort wird es aber wegen Munitionsmangel immer gefährlicher.
Politico: Will the EU get a war budget? In Brüssel beginnen bereits die Vorbereitungen für den langfristigen EU-Haushalt 2028 – 2034. Die Positionen in den Hauptstädten variieren stark, unter anderem mit Blick auf die Prioritätensetzung zwischen höherer Verteidigungsausgaben und Klimaschutz. Auch die Frage, woher das Geld kommen soll, wird zu hitzigen Diskussionen führen.
Mit dem heutigen 30. April endet das UN-Mandat der Sachverständigengruppe, die für die Überwachung der gemäß UN-Resolution 1718 gegen Nordkorea verhängten Sanktionen zuständig war. Die Abschaffung dieses Gremiums durch Russlands Veto gegen eine Verlängerung des Mandats am 28. März erscheint vielleicht unbedeutend, wenn man mit den internen Abläufen des UN-Sicherheitsrats nicht vertraut ist. Es verdeutlicht jedoch eine bedauerliche Tatsache der heutigen internationalen Beziehungen: Russland ist bereit, die Grundpfeiler der internationalen Ordnung zu untergraben, um in seinem brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine einen Sieg zu erringen.
Dies betrifft auch die langjährigen Anstrengungen, die Verbreitung von Atomwaffen und deren Trägersystemen einzudämmen. Hierfür hat Russland in der Demokratischen Volksrepublik Korea einen eifrigen und in der Volksrepublik China einen stillschweigenden Partner gefunden. Angesichts der ernsthaften Bedrohung, die die Atomwaffen und ballistischen Raketenprogramme der DVRK für die Sicherheit in Ostasien und für das globale Nichtverbreitungsregime im weitesten Sinne darstellen, hatten sich die Mitglieder des UN-Sicherheitsrats, darunter auch Russland und die VR China, vor einiger Zeit darauf geeinigt, Sanktionen gegen Nordkorea zu verhängen.
Basierend auf Resolution 1718 des UN-Sicherheitsrats, die nach dem ersten Atomtest Nordkoreas im Jahr 2006 verabschiedet wurde, sollten diese Sanktionen verhindern, dass das Land Einnahmen generieren und Güter für seine Waffenprogramme beschaffen kann. Der Sicherheitsrat beauftragte den Ausschuss und die ihn unterstützende, 2009 eingesetzte Sachverständigengruppe, die Einhaltung der für alle UN-Mitgliedstaaten verbindlichen Sanktionen zu überwachen und Empfehlungen zur Verbesserung der Einhaltung abzugeben.
15 Jahre lang war die Verlängerung des Mandats dieses Gremiums im Sicherheitsrat unumstritten. In diesem Jahr war es anders, und zwar aus einem einfachen Grund: Russland verstößt schamlos gegen die UN-Sanktionen und will verhindern, dass die Ergebnisse objektiver, unabhängiger Untersuchungen seines Handelns an die Öffentlichkeit gelangen.
Da Russland im Kampf gegen die Ukraine dringend Waffen benötigt, hat es in den letzten sieben Monaten fast 11.000 Container mit Munition und ähnlichen Kriegsmaterialien aus Nordkorea erworben, zudem noch Abschussvorrichtungen und mehrere Dutzend ballistische Flugkörper, die in der Lage sind, Ziele im Westen der Ukraine und darüber hinaus zu erreichen. Russland hat diese Waffen wiederholt für Angriffe auf die ukrainische Zivilbevölkerung und kritische Infrastruktur eingesetzt.
Die Waffenlieferungen sind aber nur ein Grund für die sich vertiefende Partnerschaft zwischen der DVRK und Russland. So reiste das nordkoreanische Staatsoberhaupt Kim Jong Un im vergangenen Jahr mehrfach nach Russland. Unter anderem besuchte er gemeinsam mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin den Fernen Osten Russlands, um an einem Gipfeltreffen teilzunehmen und russische Militäranlagen zu besichtigen. Im Gegenzug besuchte der nordkoreanische Außenminister mehrfach Moskau und der russische Verteidigungsminister sowie der Leiter der russischen Agentur für Auslandsspionage waren in Pjöngjang.
Vergangenen Monat fand der britische Thinktank Royal United Services Institute (RUSI) darüber hinaus Beweise dafür, dass Russland große Mengen Öl an Nordkorea geliefert hat, deren Ölimporte aufgrund von UN-Sanktionen strengen Grenzen unterliegen. Die New York Times berichtete im Februar, dass Russland möglicherweise Bankdienstleistungen für Nordkorea bereitstellt, um dem Land zu helfen, die Finanzsanktionen der Vereinten Nationen zu umgehen.
Um die Sachverständigengruppe an der Fortsetzung ihrer Ermittlungen zu hindern und nicht selbst zur Verantwortung gezogen zu werden, hat Russland kurzerhand für die Abschaffung des Gremiums gesorgt. Trotz ihrer Zusage, sich für die Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel einzusetzen, hat sich die VR China bei der Abstimmung über die Verlängerung des Mandats der Sachverständigengruppe enthalten und sieht schweigend zu, wie Russland und Nordkorea schamlos gegen die Sanktionen verstoßen, deren Verhängung sie unterstützt hatte.
Für die übrigen Länder haben das Vorgehen Nordkoreas und Russlands sowie die stillschweigende Unterstützung der VR China weitreichende und äußerst unerfreuliche Folgen.
Angesichts dieser Herausforderungen müssen diejenigen unter uns, die in Europa, Ostasien und darüber hinaus Frieden und Sicherheit bewahren wollen, zusammenkommen und der DVRK, Russland und der VR China deutlich zeigen, dass ihre Versuche, das globale Nichtverbreitungsregime zu untergraben, nicht unbemerkt bleiben und wir sie nicht hinnehmen werden. Russland mag die Überwachung durch die Sachverständigengruppe mit seinem Veto beendet haben, aber die Vereinigten Staaten und ihre Partner und Verbündeten sind nach wie vor entschlossen, Nordkoreas Waffenlieferungen an Russland und andere Sanktionsverstöße aufzudecken und zu unterbinden.
Dr. Jung H. Pak ist Leitende Beamtin im US-Außenministerium mit Zuständigkeit für die Demokratische Volksrepublik Korea (DVRK).
die Kriege in Gaza und der Ukraine haben ein Thema, das in Europa lange die Schlagzeilen dominiert hat, zuletzt in den Hintergrund gerückt: Migration. Weniger wichtig ist es aber nicht geworden, ganz im Gegenteil: In Nordafrika und im Nahen Osten ist die junge Generation von den politischen Reformen enttäuscht und denkt wieder stärker über Auswanderung nach. Europa ist zwar für die wenigsten die erste Wahl, doch warum uns die Entwicklung kümmern sollten, erläutert Markus Bickel anhand einer neuen Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung.
In Sachen Migration sind in dieser Woche auch der zypriotische Präsident Nikos Christodoulides und die EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen unterwegs – und zwar in den Libanon, wo Hunderttausende syrische Flüchtlinge leben. Da steht womöglich ein problematischer Deal wie mit der Türkei an. Doch viel schlimmer: Am Ende könnte Geld aus Brüssel in den Taschen der islamistischen Hisbollah landen. Frank Nordhausen weiß mehr darüber.
Dass Russland und Nordkorea schon seit Monaten tödliche Geschäfte betreiben, ist bekannt. Welche Gefahren davon für verschiedene Regionen und für die gesamte Welt ausgehen, das beschreibt Jung H. Pak aus dem US-Außenministerium in ihrem Standpunkt für uns.
Wir wünschen Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre
Mehr als ein Jahrzehnt nach den Aufständen in Nahost und Nordafrika sind die Hoffnungen auf politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel in vielen Ländern düster – vor allem bei der jungen Generation. Das ist das Ergebnis einer “Die enteignete Generation” betitelten Studie, die die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in zwölf Staaten der Region durchgeführt hat, und für die sie 12.000 junge Menschen zwischen 16 und 30 Jahren befragt hat: in Ägypten, Algerien, Irak, Jemen, Jordanien, Libanon, Libyen, Marokko, Palästina, Sudan, Syrien und Tunesien.
Bereits vor fünf Jahren hatte die FES die MENA-Jugendstudie in acht nordafrikanischen Ländern und in Nahost durchgeführt – auch diesmal waren die Universität Leipzig, Kantar Public sowie zahlreiche weitere Forschungszentren und Meinungsforschungsinstitute aus der Region beteiligt. In dem 465 Seiten langen Band mit Dutzenden Grafiken werden in vier Kapiteln unter anderem die Auswirkungen multipler Krisen – Corona-Pandemie, Hunger und Gewalt, Wirtschaft und Beschäftigung, Migration und Vertreibung -, persönliche Orientierungen und gesellschaftliches Handeln unter die Lupe genommen. Drei Ereignisse hätten die Ausgangsbedingungen für ein gelingendes Leben der jungen Erwachsenen massiv verändert: die Anschläge des 11. September 2001, der Arabische Frühling 2011 und die Covid-19-Pandemie ab 2020.
Trotz einiger positiver Trends, etwa, was gewachsenes Umweltbewusstsein anbelangt, ist das Fazit der Studie ernüchternd. “Die Chancen junger Menschen auf faire Lebensbedingungen haben in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch abgenommen”, heißt es in dem “Die Enteignung von Lebenschancen” bezeichneten Kapitel. So hätte sich die Chance, Zugang zu einer guten Ausbildung und einem bildungsäquivalenten Arbeitsplatz zu haben, “dauerhaft verschlechtert”: “Der Alltag von jungen Erwachsenen ist nach den Massenprotesten von 2011, die diese Verluste anprangerten, vielfach durch die Zunahme von Ungleichheit, Restriktionen, bewaffneten Konflikten und Gewalt geprägt.”
Das gewachsene Selbstbewusstsein der jungen Generation, die bei den Protesten auf dem Tahrir-Platz in Kairo, in Tunesien, Jemen, Syrien und anderen arabischen Staaten vor bald anderthalb Jahrzehnten ihr Schicksal in die eigene Hand nahm, ist Enttäuschung gewichen. “Die Kluft zwischen dem, ‘was ist’ und dem, ‘was hätte sein können’, hat massiv zugenommen” – so wachse eine “enteignete Generation” heran.
Das spiegelt sich auch im politischen Engagement der jungen Erwachsenen wider, so die FES-Studie. Die im Zuge der Niederschlagung der arabischen Aufstände zunehmend entrechtete Generation ist wenig an Politik interessiert und vertraut den meisten staatlichen Institutionen kaum: “Demokratische Regierungsformen haben deutlich an Attraktivität verloren, stattdessen macht sich Ratlosigkeit breit.” Das fördere Präferenzen für ein politisches System, das sich auf einen “starken Mann” stützt. Weit verbreitet ist zudem die Ansicht, dass der Staat grundlegende soziale und wirtschaftliche Unterstützung leisten soll.
Was die Zukunftsaussichten in den von Krieg, Krisen und Konflikten um Ressourcen geprägten Staaten Nordafrikas und des Nahen Ostens anbelangt, zeichnet sich der Studie zufolge ein Trend fort, der bereits fünf Jahre nach den arabischen Aufständen galt: Die Zahl der optimistisch eingestellten jungen Menschen hat in jenen acht Ländern, die bereits damals untersucht worden, spürbar abgenommen – am deutlichsten im Libanon und Jordanien, unter syrischen Geflüchteten und im Jemen.
Dabei sei zu beachten, so die Autoren der Studie, dass die Befragten in allen Ländern ihre persönlichen Aussichten besser einschätzten (58 Prozent eher optimistisch) als die Zukunft der jeweiligen Gesellschaft als Ganzes (45 Prozent eher optimistisch).
Die Flucht Hunderttausender Syrerinnen und Syrer vor dem Krieg 2015 und die Bilder von Geflüchteten im Mittelmeer prägen die westliche Vorstellung vieler allein von Flucht nach Europa getriebener Menschen. Doch die Ergebnisse der Studie zeichnen ein anderes Bild, in der Auswanderung allenfalls als “Ausstiegsstrategie” betrachtet wird, als “Ausweg aus einer prekären Lebenssituation”. Zudem gelte: “Jugendliche und junge Erwachsene aus der MENA-Region, die ins Ausland gehen wollen, sind immer noch in der Minderheit, aber ihre Zahl steigt.”
Angesichts wachsender Abschottung der Europäischen Union, die durch die Corona-Krise weiter verschärft wurde, zeigt die Studie ein differenziertes Bild der Länder auf, die Auswanderungswillige überhaupt noch erreichen können. So zählten andere arabische Länder für 68 Prozent der Befragten mit persönlicher Migrationserfahrung als Hauptziel, 14 Prozent strebten in die Golfstaaten und nur neun (Europa) sowie zwei Prozent (Nordamerika) gaben Länder im Globalen Norden an.
Ein halbes Jahrzehnt nach der ersten MENA-Jugendstudie kommen die Autorinnen und Autoren so zu dem Schluss, dass das “Zeitalter der Mobilitäten” abgelöst worden sei von einem “Zeitalter der Grenzschließungen”. Darunter litten vor allem jene, die nicht über genügend Ressourcen verfügten, ein neues Leben mit mehr Zukunftsperspektiven an einem anderen Ort zu beginnen.
Wird es einen Flüchtlingsdeal der EU mit dem Libanon geben? Nikos Christodoulides, der konservative Präsident der Republik Zypern, hofft auf einen Durchbruch in der Migrationspolitik. Am kommenden Donnerstag wird er zusammen mit der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu Gesprächen mit der libanesischen Führung nach Beirut fliegen.
Laut zyprischen Medien erwartet die Regierung in Nikosia, dass von der Leyen dort ein “konkretes Finanzpaket” ankündigt – die Rede ist von sechs Milliarden Euro -, um zur Stabilisierung des Krisenstaats und zum Stopp der irregulären Migration Richtung Zypern beizutragen. Die kleine Inselrepublik ächzt unter der Ankunft von Booten mit Geflüchteten, überwiegend Syrer, die bislang im Libanon lebten.
Für Zyperns Präsidenten ist allein der geplante gemeinsame Besuch in Beirut mit der EU-Kommissionsspitze ein Erfolg, denn bisher fühlte sich seine Regierung in der Migrationspolitik von Brüssel nicht ausreichend unterstützt. Allerdings muss sich die EU-Delegation auf harte Verhandlungen einstellen: Bei bisherigen Gesprächen über das Thema Flüchtlinge mit dem Zedernstaat, der nur 160 Kilometer auf dem Seeweg entfernt liegt, hat Zyperns Regierung stets auf Granit gebissen.
Nikosia pocht auf einen bilateralen Geheimvertrag von 2020, der es Zypern angeblich erlaubt, Boote aus dem Libanon zurückzuschicken. Libanon aber dementiert dies entschieden. Beirut hat aber genau registriert, welche Summen die EU in Ägypten, Tunesien und der Türkei auf den Tisch legte. “Peanuts” seien dagegen die bisherigen Finanzhilfen der EU für ihr Land, erklärte Beiruts Botschafterin in Nikosia, Claude el-Hajal, vor zwei Wochen.
Die Diplomatin verwies auf die enorme Zahl syrischer Geflüchteter in ihrem Land, das im Vergleich zu seiner Einwohnerzahl mit rund 1,5 Millionen Menschen weltweit am meisten Flüchtlinge aufgenommen hat. Der Libanon steckt in der schwersten Wirtschaftskrise seiner Geschichte, der Gaza-Krieg erhöht die Unsicherheit in der Region. Armut und Aussichtslosigkeit sind die wichtigsten Fluchtgründe der syrischen Migranten. In Zypern finden sie rund 40.000 Landsleute, die bereits auf der Insel leben. Wegen der Insellage und weil Zypern nicht zum Schengen-Raum gehört, ist es aber fast unmöglich, in andere EU-Länder weiterzureisen.
Bis April zählten die Behörden bereits 3812 Neuankünfte von Asylbewerbern mit Booten in diesem Jahr. Das klingt wenig, würde aber auf Deutschland umgerechnet rund 340.000 Flüchtlinge bedeuten. Zypern liegt auf der östlichen Mittelmeerroute, die nach Angaben der europäischen Grenzschutzbehörde Frontex im ersten Quartal 2024 die westafrikanische Route als Hauptweg für irreguläre Migranten in die EU verdrängt hat. Nur noch 15 Prozent überqueren illegal die von UN-Truppen gesicherte “Grüne Linie” aus dem türkisch besetzten Norden, und 80 Prozent aller Migranten sind jetzt Syrer.
Für 2024 sei mit einer Verdoppelung der rund 6200 syrischen Asylbewerber des Vorjahrs zu rechnen, sagte der zyprische Innenminister Konstantinos Ioannou kürzlich. Migranten machen inzwischen rund sieben Prozent der Bevölkerung von rund einer Million Menschen im griechischen Inselsüden aus. Gemessen an der Einwohnerzahl weist Zypern die höchste Quote von Asylanträgen in der EU auf. Die beiden Flüchtlingslager sind überfüllt, die Bearbeitung der Asylanträge von Syrern ist derzeit ausgesetzt.
Christodoulides möchte Teile Syriens zu “sicheren Regionen” erklären lassen, um nicht-asylberechtigte Syrer dorthin zu überführen. Der Asylbehördenchef Andreas Georgiades nennt konkret die syrischen Provinzen Damaskus, Hama und Tartus. Georgiades räumt aber ein, dass es derzeit noch nicht einmal Flüge aus der EU nach Damaskus gebe. Dennoch will Präsident Christodoulides auf einem Treffen der EU-Länder im Mai seinen Plan propagieren, für den Dänemark und Tschechien bereits ihre Unterstützung signalisiert haben. Georgiades bezeichnet die Idee als Teil einer migrationspolitischen Strategie zur “Abschreckung”: “Es soll sich in den Herkunftsländern herumsprechen, dass Zypern kein Fluchtort mit Perspektive ist.”
Zugleich ist Zypern dabei, den Rückstand von rund 25.000 unerledigten Asylanträgen abzuarbeiten. Dabei konnten seit Januar 3763 nicht-syrische Asylbewerber, zu 80 Prozent mit großzügigen Rückkehrprämien, in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden – fast genauso viele, wie syrische Migranten neu ins Land kamen. “Ein Erfolg! Aber was uns Angst macht, sind die immer weiter steigenden Zahlen der Syrer”, sagt Georgiades. “Wie viele Migranten werden kommen, falls die Lage im Libanon weiter eskaliert?”
Der repressive staatliche Umgang mit Asylbewerbern soll der rechtsextremen ELAM-Partei bei den Europawahlen Wind aus den Segeln nehmen. Zyprische Flüchtlingshilfsorganisationen wie KISA kritisieren viele Maßnahmen als “inhuman”, vor allem aber ein weiteres Instrument. Mitte April wurden mindestens fünf Migrantenboote von der zyprischen Küstenwache vor der libanesischen Küste gestoppt, laut Zeugenaussagen wurden Warnschüsse abgegeben, Boote gerammt, riesige Wellen erzeugt. “Wir haben Videos von den Aktionen. Das sind illegale und gefährliche Pushbacks”, sagt der KISA-Chef Doros Polykarpou – was die Regierung in Nikosia bestreitet.
Polykarpou meint, alle Maßnahmen seien darauf ausgerichtet, Druck auf die EU und den Libanon auszuüben. “Man will eine Entscheidung erzwingen, Syrien in einigen Gebieten als sicher zu erklären, um dann massenhaft Syrer abzuschieben.”
Ob das Geld aus Brüssel helfen kann, den Libanon zu stabilisieren, sei zumindest zweifelhaft, sagt Hubert Faustmann, Leiter des Büros der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Nikosia. Der Politikwissenschaftler bezeichnet das Land als “scheiternden Staat”, der im Korruptionsindex von Transparency International zwischen Guatemala und Nigeria stehe. “Also werden die Milliarden nicht nur in regulären Kanälen landen. Wer will ausschließen, dass die Hisbollah davon profitiert?” Die islamistische Hisbollah ist als stärkste politische Kraft der Muslime ein bedeutender Machtfaktor in der zwischen Christen und Muslimen geteilten Regierungsverantwortung. Die Verhandler aus Brüssel werden sich fragen müssen, wie sie ausschließen können, dass die Terror-Organisation mit EU-Milliarden ihren Krieg gegen Israel finanziert.
Verteidigungsminister Boris Pistorius und sein Amtskollege Sébastien Lecornu lieferten am Freitag die Bilder der Einigkeit, die das kränkelnde deutsch-französische Verhältnis braucht. In Paris empfing “Sébastien” seinen Freund “Boris”, um die Aufteilung der acht Säulen für das deutsch-französische Panzerprojekt Main Ground Combat System (MGCS) festzulegen.
Parlamentarier aus Deutschland und Frankreich lobten gegenüber Table.Briefings die Fortschritte in dem Panzerprojekt. Die Unterzeichnung der Absichtserklärung sei ein “Meilenstein” auf dem Weg, Europa “auf dem Felde der militärischen Sicherheit” voranzubringen, sagte der FDP-Europapolitiker Michael Link.
Selbst aus der Opposition kommt verhaltenes Lob: “Es wurde Zeit, dass endlich etwas beim Projekt MGCS passiert”, sagt Florian Hahn, verteidigungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion. “Das durch den Kanzler beschädigte Verhältnis zu Frankreich könnte durch dieses Projekt belebt werden.” Durch die Einigung sei es “gelungen, der deutschen wehrtechnischen Industrie die Entwicklungsanteile zu sichern, die wirkliche Augenhöhe herstellt”. Jetzt sollten, so Hahn, Finanzmittel für Forschung und Entwicklung bereitgestellt werden.
Die französische Abgeordnete Natalia Pouzyreff von der Macron-Partei Renaissance freut sich, dass man es schaffe, “diese gemeinsame Vision zu entfalten” und ein Ziel zu setzen, “das die Verstärkung unserer industriellen europäischen Verteidigungskapazitäten betrifft”. Auch wenn “die deutsch-französischen Beziehungen in letzter Zeit manche Schwierigkeiten erlebt haben”. Nach ihrem Eindruck habe das daran gelegen, dass man “sich schwergetan hat, kurzfristige Ziele und langfristige Ziele zu vereinen”.
Zuletzt war das ein wesentlicher Streitpunkt in den deutsch-französischen Beziehungen. Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte in seiner zweiten Sorbonne-Rede am Donnerstag gesagt, dass man nicht vergessen dürfe, die europäische Rüstungsindustrie langfristig zu stärken und Geld in europäische Entwicklungen zu investieren. Die deutsche Strategie bestand bei den vergangenen Rüstungsbeschaffungen eher darin, marktverfügbar und günstiger außereuropäisch zu beschaffen.
Mit der Aufteilung der acht Arbeitsbereiche, Pillars genannt, wollen Pistorius und Lecornu die heimischen Rüstungsindustrien zufriedenstellen. Die nationale Aufgabenverteilung ist bis auf Weiteres geklärt, bis Jahresende wollen die Minister die Verhandlungen zum Industrievertrag für die Phase der Technologiedemonstration führen, Anfang 2025 soll der Bundestag die Verträge genehmigen. Das sei “ambitioniert”, sagte Pistorius am Freitag in Paris, aber er sei sich sicher, “die Verantwortlichen der beiden verhandelnden Teams wissen die Herausforderung zu schätzen”.
Die wichtigste Entscheidung, wer die Kanone des Panzers entwickelt, schieben die Partner aber auf. Pillar 2, bei dem neben der Kanone, Turm und Munition entwickelt werden sollen, bearbeiten sowohl Deutschland als auch Frankreich. In einem ersten Schritt wollen die Partner zwei verschiedene Kanonensysteme entwickeln und nach einer Bewertung soll das bessere den Panzer ausstatten. Von den deutschen Panzerbauern Rheinmetall und KNDS Deutschland (vorher Krauss-Maffei Wegmann) dürfte Rheinmetall die Nase vorn haben.
Trotzdem bemühen sich die beteiligten Unternehmen, Einigkeit zu zeigen. Eine Anfrage von Table.Briefings beantwortet Rheinmetall mit einer gemeinsamen Erklärung mit KNDS Deutschland, KNDS Frankreich und Thales, in der es heißt, dass die Unternehmen in einer eigens gegründeten Projektgesellschaft “die Herausforderungen (…) bestmöglich und synergetisch” angehen wollen.
Von den acht Säulen übernimmt jedes Land zwei, die übrigen vier sollen gemeinsam entwickelt werden. Lecornu und Pistorius haben die Aufgabengebiete paritätisch geteilt, aber “an den entscheidenden Fragen, da wo es einen Panzer ausmacht, sind die deutsche Kompetenz und damit das deutsche Lead”, sagte Pistorius in Paris.
Neben dem Pillar, das Kanone, Turm und Munition beinhaltet, werden folgende Aufgabengebiete gemeinsam bearbeitet
Deutschland übernimmt:
Frankreich übernimmt:
Sobald die Verträge stehen, solle es “darum gehen, andere Partner mit ins Boot zu holen”, sagte Pistorius. “Dieses Projekt wird am Ende offen sein müssen.” Da sehe er Italien, aber auch Polen.
Wichtig war den Ministern, die Symbolik hervorzuheben, die ihr Treffen beinhaltete. “Ich würde nicht sagen, dass die industrielle Aufteilung das Herz des Vertrages von heute Morgen ist. Sie ist ein Element”, sagte Lecornu. “Das Herz des Vertrages ist, zu sagen, dass wir 2040 den gleichen Panzer haben.”
Der französische Minister betonte die Exportmöglichkeiten, die ein solcher Panzer biete, weil nicht einmal die USA an einem vergleichbaren System arbeiteten. Was den Verkauf der Waffen ins Ausland angeht, dürfte Lecornu darauf drängen, dass die lockere französische Exportpolitik statt der deutschen angewandt wird. Bis der erste Panzer fährt, kann die sich aber auch noch ändern. Mitarbeit: Till Hoppe
Der Militärexperte der Universität der Bundeswehr in München, Carlo Masala, hat Bundeskanzler Olaf Scholz darin unterstützt, die übrigen europäischen Länder zu mehr Militärhilfe für die Ukraine aufzufordern. “Die anderen europäischen Partner machen derzeit zu wenig, da hat der Bundeskanzler völlig recht”, sagte Masala im Podcast Table.Today.
Der Politikwissenschaftler erwartet zur Bundestagswahl eine massive Zunahme der Spionageaktivitäten und Desinformationskampagnen aus China und Russland.
“Wir erleben eine hybride Kriegsführung zur Destabilisierung unserer Gesellschaften. Wenn man sich mit den Geheimdiensten unterhält, dann erwarten die für die Bundestagswahl den Versuch einer Beeinflussung, die es so in dem Ausmaß noch nie gegeben hat in der Bundesrepublik Deutschland.”
Europa müsse im Duell zwischen den USA und China seine Verteidigungsfähigkeit dringend verbessern, sagt Masala. “Wir leben als Europa inmitten einer Auseinandersetzung zwischen zwei 800 Pfund Gorillas. Und wir sind sicherheitspolitisch ein 150 Kilo Schimpanse.”
Man könne keine Äquidistanz zwischen den Mächten wahren, so Masala. “Es ist auch im ureigensten Interesse Europas und auch der Bundesrepublik Deutschland, keinen Zweifel daran zu lassen, dass wir in den Grundzügen an der Seite der Vereinigten Staaten stehen. Ansonsten werden die Nachteile für Europa massiv sein.” brö
Noch diese Woche könnte der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag Haftbefehle gegen Premier Benjamin Netanjahu, Verteidigungsminister Joav Galant und Generalstabschef Herzi Halevi erlassen.
Netanjahu hatte zwar am Freitag erklärt, dass Israel unter seiner Führung “niemals irgendeinen Versuch des Strafgerichtshofs akzeptieren (wird), sein inhärentes Recht auf Selbstverteidigung zu untergraben” – israelische Medien berichten allerdings von Nervosität des Regierungschefs.
Die Haftbefehle könnten erneut eine dramatische Verschlechterung des Ansehens Israels in der Welt bedeuten, das derzeit die Planung der international stark kritisierten Offensive in Rafah vorantreibt. Juristisch würde ein Haftbefehl des IStGH gegen Netanjahu und andere Israelis bedeuten, dass Staaten, die die Statuten des IStGH unterzeichnet haben, diese Personen festzunehmen müssten und an den Gerichtshof überstellen müssten – sofern sie sich auf das Hoheitsgebiet dieser Staaten begeben.
Eine entsprechende Entscheidung des Strafgerichtshofs würde zwar Israels Vorgehen nicht beeinflussen, schrieb Netanjahu, wäre aber “ein gefährlicher Präzedenzfall, der die Soldaten und Repräsentanten aller Demokratien bedroht, die gegen brutalen Terrorismus und rücksichtslose Aggression kämpfen”.
Heute wird außerdem auch eine Entscheidung über den Eilantrag in dem Verfahren gegen Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag erwartet. Nicaragua wirft der Bundesregierung Beihilfe zum Völkermord Israels in Gaza vor und hatte deshalb geklagt. Berichten des Nachrichtenmagazins Politico zufolge steckt hinter der Klage des südamerikanischen Landes Russland, was dem Vorwurf einer Politisierung der internationalen Gerichtshöfe Vorschub leistet.
Gegen diesen Vorwurf stellt sich allerdings das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), das derzeit mit verschiedenen Klagen auch vor Verwaltungsgerichten in Deutschland den Druck auf die Bundesregierung erhöht, die hinter den USA der zweitgrößte Waffenlieferant Israels ist. Trotz der schwerwiegenden Vorwürfe gegen Nicaragua, sei die Klage in Den Haag nicht nur Ausdruck eines “wachsenden Unbehagens im globalen Süden gegenüber der israelischen Regierung, sondern auch der zunehmenden Kritik an der deutschen Haltung gegenüber Israel”, so Alexander Schwarz, Experte für Völkerstrafrecht vom ECCHR. Und: Die möglicherweise fragwürdige Legitimität des Klägers bedeute nicht, dass die rechtliche Frage, die mit der Klage gestellt werde, unberechtigt sei.
Das Auswärtige Amt wollte sich zunächst weder zu den möglichen Haftbefehlen vor dem Internationalen Strafgerichtshof noch zu den neuen Entwicklungen mit Blick auf die Klage Nicaraguas vor dem Internationalen Gerichtshof öffentlich äußern.
Im Gegensatz zum Internationalen Gerichtshof verfolgt der Strafgerichtshof Individuen wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord. Israel erkennt das Gericht nicht an. Aber die palästinensischen Gebiete sind Vertragsstaat, weswegen der Chefankläger Karim Khan ermitteln darf.
Der Strafgerichtshof unter Khan ermittelt bereits seit 2021 gegen die Hamas und Israel wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen im Gazastreifen. Auch zu Gewalt israelischer Siedler im Westjordanland laufen Untersuchungen. Khan hat seit März 2023 vier Haftbefehle gegen hochrangige russische Regierungs- und Armeevertreter wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen erlassen, darunter auch gegen Präsident Wladimir Putin. wp
Verteidigungsminister Boris Pistorius will die geplante neue Struktur der Bundeswehr festschreiben: Im “Osnabrücker Erlass”, den er am heutigen Dienstag in seiner Heimatstadt unterzeichnet, soll die neue Spitzengliederung der Bundeswehr auch formal geregelt werden. Pistorius folgt damit den früheren Ressortchefs Helmut Schmidt, Peter Struck und Thomas de Maizière, die seit 1970 bisher dreimal Strukturänderungen in der Führung der Streitkräfte in solchen Erlassen angeordnet hatten. Die wesentlichen Neuerungen für die “Bundeswehr der Zeitenwende” hatte der Minister bereits Anfang April bekanntgegeben.
Innerhalb eines Jahres sollen die Streitkräfte auf vier statt bisher drei Teilstreitkräfte – neben Heer, Luftwaffe und Marine der Cyber- und Informationsraum – umstrukturiert und ein Unterstützungsbereich geschaffen werden. Dafür sollen die bisher eigenständige Streitkräftebasis, die vor allem die Logistik organisiert, und der ebenfalls bislang eigenständige Sanitätsdienst aufgelöst und in diesem Unterstützungsbereich aufgehen. Die operative Führung der Bundeswehr wird von bislang zweien auf ein Kommando konzentriert. Eine starke Stellung bekommt der stellvertretende Generalinspekteur, der über den Einsatz von Unterstützungskräften entscheiden kann. tw
FAZ: Generalleutnant Bodemann: “Im Frieden befinden wir uns schon lange nicht mehr”. Beim Schreiben des “Operationsplan Deutschland” musste die Bundeswehr feststellen, dass der Zustand der Zivilverteidigung zwar vor vierzig Jahren besser war – die Pläne von damals aber teils gar nicht mehr vorhanden waren.
The Times: Grant Shapps: We are on war footing. We must get behind Sunak. Der britische Verteidigungsminister Grant Shapps lobt gegenüber der Times die Effektivität von Storm Shadows in der Ukraine. Geliefert habe laut Shapps neben Großbritannien und Frankreich auch Italien. Es handelt sich dabei um Marschflugkörper, ähnlich dem deutschen Taurus.
SAAB: Under the Surface – Shielding the Baltic Sea. Das schwedische Unternehmen SAAB beleuchtet in der achtteiligen Videoserie die Rolle und den Schutz der Kritischen Infrastruktur in der Ostsee – unter Wasser, aus der Luft, im Hafen. Keine (reine) Werbeaktion, sondern kompaktes Wissen und Zusammenhänge. Etwa acht Minuten pro Folge.
Die Zeit: Die Geschäfte mit Putin boomen im Geheimen. Europäische Sanktionen werden massiv umgangen. Die deutschen Exporte in russische Nachbarländer wie Kirgisistan seien in den vergangenen Jahren gestiegen, von dort gingen die Waren nach Russland. Experten sehen politischen Handlungsbedarf.
The Economist: Ukraine’s draft dodgers are living in fear. Immer mehr junge Männer verlassen die Ukraine aus Angst, in den Krieg eingezogen zu werden. Für diejenigen, die geblieben sind, steigt das Risiko an die Front zu müssen. Dort wird es aber wegen Munitionsmangel immer gefährlicher.
Politico: Will the EU get a war budget? In Brüssel beginnen bereits die Vorbereitungen für den langfristigen EU-Haushalt 2028 – 2034. Die Positionen in den Hauptstädten variieren stark, unter anderem mit Blick auf die Prioritätensetzung zwischen höherer Verteidigungsausgaben und Klimaschutz. Auch die Frage, woher das Geld kommen soll, wird zu hitzigen Diskussionen führen.
Mit dem heutigen 30. April endet das UN-Mandat der Sachverständigengruppe, die für die Überwachung der gemäß UN-Resolution 1718 gegen Nordkorea verhängten Sanktionen zuständig war. Die Abschaffung dieses Gremiums durch Russlands Veto gegen eine Verlängerung des Mandats am 28. März erscheint vielleicht unbedeutend, wenn man mit den internen Abläufen des UN-Sicherheitsrats nicht vertraut ist. Es verdeutlicht jedoch eine bedauerliche Tatsache der heutigen internationalen Beziehungen: Russland ist bereit, die Grundpfeiler der internationalen Ordnung zu untergraben, um in seinem brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine einen Sieg zu erringen.
Dies betrifft auch die langjährigen Anstrengungen, die Verbreitung von Atomwaffen und deren Trägersystemen einzudämmen. Hierfür hat Russland in der Demokratischen Volksrepublik Korea einen eifrigen und in der Volksrepublik China einen stillschweigenden Partner gefunden. Angesichts der ernsthaften Bedrohung, die die Atomwaffen und ballistischen Raketenprogramme der DVRK für die Sicherheit in Ostasien und für das globale Nichtverbreitungsregime im weitesten Sinne darstellen, hatten sich die Mitglieder des UN-Sicherheitsrats, darunter auch Russland und die VR China, vor einiger Zeit darauf geeinigt, Sanktionen gegen Nordkorea zu verhängen.
Basierend auf Resolution 1718 des UN-Sicherheitsrats, die nach dem ersten Atomtest Nordkoreas im Jahr 2006 verabschiedet wurde, sollten diese Sanktionen verhindern, dass das Land Einnahmen generieren und Güter für seine Waffenprogramme beschaffen kann. Der Sicherheitsrat beauftragte den Ausschuss und die ihn unterstützende, 2009 eingesetzte Sachverständigengruppe, die Einhaltung der für alle UN-Mitgliedstaaten verbindlichen Sanktionen zu überwachen und Empfehlungen zur Verbesserung der Einhaltung abzugeben.
15 Jahre lang war die Verlängerung des Mandats dieses Gremiums im Sicherheitsrat unumstritten. In diesem Jahr war es anders, und zwar aus einem einfachen Grund: Russland verstößt schamlos gegen die UN-Sanktionen und will verhindern, dass die Ergebnisse objektiver, unabhängiger Untersuchungen seines Handelns an die Öffentlichkeit gelangen.
Da Russland im Kampf gegen die Ukraine dringend Waffen benötigt, hat es in den letzten sieben Monaten fast 11.000 Container mit Munition und ähnlichen Kriegsmaterialien aus Nordkorea erworben, zudem noch Abschussvorrichtungen und mehrere Dutzend ballistische Flugkörper, die in der Lage sind, Ziele im Westen der Ukraine und darüber hinaus zu erreichen. Russland hat diese Waffen wiederholt für Angriffe auf die ukrainische Zivilbevölkerung und kritische Infrastruktur eingesetzt.
Die Waffenlieferungen sind aber nur ein Grund für die sich vertiefende Partnerschaft zwischen der DVRK und Russland. So reiste das nordkoreanische Staatsoberhaupt Kim Jong Un im vergangenen Jahr mehrfach nach Russland. Unter anderem besuchte er gemeinsam mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin den Fernen Osten Russlands, um an einem Gipfeltreffen teilzunehmen und russische Militäranlagen zu besichtigen. Im Gegenzug besuchte der nordkoreanische Außenminister mehrfach Moskau und der russische Verteidigungsminister sowie der Leiter der russischen Agentur für Auslandsspionage waren in Pjöngjang.
Vergangenen Monat fand der britische Thinktank Royal United Services Institute (RUSI) darüber hinaus Beweise dafür, dass Russland große Mengen Öl an Nordkorea geliefert hat, deren Ölimporte aufgrund von UN-Sanktionen strengen Grenzen unterliegen. Die New York Times berichtete im Februar, dass Russland möglicherweise Bankdienstleistungen für Nordkorea bereitstellt, um dem Land zu helfen, die Finanzsanktionen der Vereinten Nationen zu umgehen.
Um die Sachverständigengruppe an der Fortsetzung ihrer Ermittlungen zu hindern und nicht selbst zur Verantwortung gezogen zu werden, hat Russland kurzerhand für die Abschaffung des Gremiums gesorgt. Trotz ihrer Zusage, sich für die Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel einzusetzen, hat sich die VR China bei der Abstimmung über die Verlängerung des Mandats der Sachverständigengruppe enthalten und sieht schweigend zu, wie Russland und Nordkorea schamlos gegen die Sanktionen verstoßen, deren Verhängung sie unterstützt hatte.
Für die übrigen Länder haben das Vorgehen Nordkoreas und Russlands sowie die stillschweigende Unterstützung der VR China weitreichende und äußerst unerfreuliche Folgen.
Angesichts dieser Herausforderungen müssen diejenigen unter uns, die in Europa, Ostasien und darüber hinaus Frieden und Sicherheit bewahren wollen, zusammenkommen und der DVRK, Russland und der VR China deutlich zeigen, dass ihre Versuche, das globale Nichtverbreitungsregime zu untergraben, nicht unbemerkt bleiben und wir sie nicht hinnehmen werden. Russland mag die Überwachung durch die Sachverständigengruppe mit seinem Veto beendet haben, aber die Vereinigten Staaten und ihre Partner und Verbündeten sind nach wie vor entschlossen, Nordkoreas Waffenlieferungen an Russland und andere Sanktionsverstöße aufzudecken und zu unterbinden.
Dr. Jung H. Pak ist Leitende Beamtin im US-Außenministerium mit Zuständigkeit für die Demokratische Volksrepublik Korea (DVRK).