Table.Briefing: Security

Europas Panzer: Wettlauf bei MGCS + Leos für die Bundeswehr + Waffenbrüder Putin und Kim

Liebe Leserin, lieber Leser,

gleich mehrere Nachrichten deuten darauf hin, dass westliche Staaten in der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik beweglicher werden: Der neue Nato-Chef wird Mark Rutte heißen. Das ist nun klar, nachdem das letzte Nato-Mitglied Rumänien seinen Widerstand aufgegeben hat.

Außerdem haben sich die EU-Mitglieder auf das 14. Sanktionspaket gegen Russland geeinigt. Stephan Israel berichtet darüber im Europe.Table.

Die sicherheitspolitische Bewegung ist auch in der Rüstungsbranche spürbar: Rheinmetall meldete am Donnerstagnachmittag, dass das Unternehmen den größten Rahmenvertrag ihrer Firmengeschichte von der Bundeswehr für die 155mm-Artilleriemunition erhielt. Außerdem soll die Truppe 105 zusätzliche Kampfpanzer des Typs Leopard 2A8 von KNDS bekommen, die Details zu den Panzern kennt Thomas Wiegold.

Gabriel Bub hat auf der Eurosatory in Paris zu den neuen Entwicklungen beim Main Ground Combat System (MGCS) recherchiert und ordnet sie in seiner Analyse ein.

Und warum die Reform des Völkerstrafrechts die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass ausländische Amtsträger wegen Kriegsverbrechen von deutschen Gerichten verurteilt werden, erläutert Helene Bubrowski.

Eine gute Lektüre

Ihr
Viktor Funk
Bild von Viktor  Funk

MGCS: Wettlauf zwischen den Panzerbauern

Besucher neben einem Leopard 2 A8-Panzer (links) und einem Leopard 2A-RC-3.0-Panzer auf der Eurosatory-Ausstellung für Verteidigung und Sicherheit.

Was KNDS und Rheinmetall bei der Rüstungsmesse Eurosatory in Paris ausstellen, sollte breit wahrgenommen werden. Die Ascalon-Kanone und die Erweiterung des Leopard-Panzers, Leopard 2A-RC 3.0, bewarb KNDS, das aus dem französischen Nexter und Krauss-Maffei Wegmann hervorgegangen ist, unter der Überschrift “auf dem Weg zum MGCS”. Rheinmetall präsentierte am Montag auf der Messe, die heute endet, den Panther KF51-U mit künstlichem Nebel und euphorisierender Musik unter den Augen eines gut gelaunten CEOs, Armin Papperger. Bei dem deutsch-französischen Projekt Main Ground Combat System (MGCS) soll ein Kampfpanzer in einem vernetzten System entwickelt werden.

Übergangslösungen für das MGCS

Der Leopard 2A-RC 3.0 von KNDS soll laut Konzern “die Lücke zwischen den aktuellen Systemen und MGCS” schließen. Bei Rheinmetall will man mit dem Panther KF51-U “eine Brücke” bauen, hin zu dem, was das Main Ground Combat System werden soll, sagte Björn Bernhard, der Leiter von Rheinmetall Landsysteme bei der Vorstellung in Paris.

Im neuen Rheinmetall-Panzer stecke viel Technologie, die man im MGCS wieder sehen könne, sagte Bernhard. “Hoffentlich auch das Waffensystem.” Durch die Verzögerungen beim deutsch-französischen Panzerprojekt sei “eine zusätzliche mittelfristige Lösung erforderlich”. Nachdem eine Inbetriebnahme mal für 2035 geplant war, erwarten einige Beobachter einen Einsatz des Systems mittlerweile frühestens für 2045.

Wie Rheinmetall präsentierte KNDS mit dem Leopard 2 A-RC 3.0 einen Panzer, der über einen unbemannten Turm verfügt. KNDS verkündet selbstbewusst, dass die Ascalon-Kanone, die KNDS auf der Eurosatory ausstellt, “als Basis für die gemeinsame Entwicklung im Rahmen des französisch-deutschen MGCS-Programms” als Grundlage “für den künftigen Standard der europäischen Panzerwaffe und Munition” designt worden sei. Die Ascalon-Kanone sei “unsere Vision vom MGCS”, sagt ein Produktmanager von KNDS.

Ascalon-Kanone auf der Eurosatory in Paris.

In Paris unterzeichneten diese Woche zunächst die Geschäftsführer von KNDS Deutschland, KNDS Frankreich, Rheinmetall Landsysteme und Thales eine Absichtserklärung zur Gründung einer Projektgesellschaft für die Entwicklung. Die Gründung hatten die Unternehmen schon im April verkündet. Wenn es nach dem italienischen Panzerbauer Leonardo geht, bekommt das Projekt im kommenden Jahr Zuwachs. Dessen Co-Direktor, Lorenzo Mariani, bekräftigte auf der Eurosatory, sich dem Panzerprojekt anschließen zu wollen. Zuvor waren Verhandlungen zwischen Leonardo und KNDS über eine intensivere Kooperation gescheitert.

Projekt könnte erneut ins Stocken geraten

Die französischen und deutschen Verteidigungsminister Sébastien Lecornu und Boris Pistorius hatten Ende April die nationale Arbeitsteilung für den Bau des MGCS geklärt. Nur bei der Entwicklung der Kanone wollten sich Pistorius und Lecornu nicht festlegen. In einem ersten Schritt sollen zwei verschiedene Kanonensysteme entwickelt werden, von dem nach einer Bewertung das bessere den Panzer ausstatten soll. Wer die Schussvorrichtung bauen darf, entscheidet auch, wer die Fachkräfte für die Entwicklung einstellt und langfristig die Kompetenz für den Bau aufbauen kann. Ob es die 120 mm oder 140 mm-Kanone von KNDS wird oder der 130 mm Rheinmetall-Aufschlag, könnte auch richtungsweisend sein für künftige Nato-Kaliber.

Ohnehin könnte das lange schleppend vorankommende Projekt wieder ins Stocken geraten. Pistorius hatte im April angekündigt, bis Jahresende die Verhandlungen zum Industrievertrag zu führen und die Verträge Anfang 2025 vom Bundestag genehmigen zu lassen. Im April hatte er das noch als “ambitioniert” bezeichnet. Auf französischer Seite könnte sich das durch die anstehenden Neuwahlen und Personalwechsel im Verteidigungsministerium weiter verkomplizieren. Das in französischen Umfragen gut dastehende Rassemblement National stellt etwa die Zukunft der deutsch-französischen Rüstungskooperationen infrage.

Am Montag sehen sich Lecornu und Pistorius im Beisein des polnischen Verteidigungsministers Wladyslaw Kosiniak-Kamysz in Paris. Im Rahmen des Weimarer Dreiecks dürften die drei Vorbereitungen auf dem Weg zum Nato-Gipfel im Juli besprechen. Fragen könnte auch die Zukunft des MGCS aufwerfen.

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Putin bei Kim Jong-un: Wie gefährlich die Waffenbruderschaft zwischen Russland und Nordkorea ist

Russlands Präsident Wladimir Putin und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un haben in Pjöngjang einen Vertrag über eine umfassende strategische Partnerschaft abgeschlossen. Putin war am Mittwoch erstmals nach einem Vierteljahrhundert wieder nach Nordkorea gereist, um persönlich die Beziehungen der beiden Staaten weiter zu vertiefen.

Der neue Vertrag scheint auf den ersten Blick ganz auf die aktuellen Bedürfnisse zugeschnitten zu sein: Russland benötigt mehr Munition für seinen Krieg in der Ukraine, das isolierte Nordkorea hat einen mächtigen Partner gewonnen, der die Sicherheit des Kim-Regimes garantiert. Doch ein genauerer Blick zeigt, dass die Tragweite der Vereinbarung viel weitreichender sein und eine Gefahr für die Sicherheit der USA und Europas darstellen könnte.

Zunächst zu den direkten Auswirkungen. Nordkoreas Staatsmedien veröffentlichen am Donnerstag die Vereinbarung. In Artikel IV heißt es: Sollte eines der beiden Länder “aufgrund einer bewaffneten Aggression in einen Kriegszustand geraten”, muss das andere Land “unverzüglich militärische und sonstige Hilfe mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln leisten“. Da Russland sich bereits im Krieg befindet, ist also davon auszugehen, dass Nordkorea in den kommenden Wochen und Monaten seine militärische Unterstützung deutlich ausweiten wird.

Russland will Munition aus Nordkorea

Schon jetzt sind die Lieferungen beachtlich: US-Geheimdienste gehen davon aus, dass Russland seit September mehr als 10.000 Schiffscontainer – umgerechnet rund 260.000 Tonnen – an Munition oder anderem Militärzubehör – aus Nordkorea erhalten habe. Zudem haben russische Streitkräfte mehrere nordkoreanische Raketen auf die Ukraine abgefeuert, sagt die intime Nordkorea-Kennerin Pak Jung.

Die langjährige CIA-Analystin Pak hat ein Buch über Machthaber Kim Jong-un geschrieben und ist inzwischen stellvertretende US-Sondergesandte für Nordkorea. Pak stellt klar: “Nordkorea macht das nicht umsonst. Nordkorea will mit ziemlicher Sicherheit Dinge als Gegenleistung. Wir machen uns auch Sorgen darüber, was Nordkorea aus dem Einsatz dieser Waffen und ballistischen Raketen durch Russland auf dem Schlachtfeld lernen könnte und wie dies Nordkorea ermutigen oder ihm helfen könnte, sein Waffenprogramm noch weiter voranzutreiben.”

Nordkorea will russischen Waffentechnologie

Und hier ist man schon bei den langfristigen Folgen. Kim Jong-un sprach schon von einer “Allianz” zwischen Nordkorea und Russland. Ganz so weit ist es wohl noch nicht. Aber die konkreten Punkte sollten ausreichen, um im Westen Sorgen hervorzurufen. So sagte Putin in Pjöngjang, dass Russland “die Entwicklung einer militärisch-technischen Zusammenarbeit mit der Demokratischen Volksrepublik Korea gemäß dem heute unterzeichneten Dokument nicht ausschließe”.

Putin gibt sich vage, und so bleiben etliche Fragen offen:

  • Wenn es sich um einen kollektiven Verteidigungspakt handelt, erstreckt sich dann Russlands nukleare Abschreckung fortan auch auf Nordkorea – und umgekehrt?
  • Wird diese “militärisch-technische Zusammenarbeit” gemeinsame Militärübungen umfassen?
  • Und wird Russland vielleicht sogar kritische Technologie an Nordkorea liefern?

Nordkoreas Interessen sind klar. Das Kim-Regime arbeitet intensiv an seinem Atomwaffen- und Raketenprogramm. Dem wird alles untergeordnet, mit der Folge: Während die Bevölkerung Not und Hunger leidet, können Kims Waffenexperten erstaunliche Fortschritte verzeichnen. Allerdings gelingt es unter anderem bislang nicht, einen Sprengkopf zu entwickeln, der den Wiedereintritt in die Atmosphäre übersteht. Es ist ein fehlendes Puzzleteil, um die USA tatsächlich massiv zu bedrohen. Russland verfügt über diese technologischen Kenntnisse. Aber wird man sie an Pjöngjang weitergeben?

China als wichtigsten Partner nicht verärgern

Eher nicht. Oder noch nicht. Denn auch beim Treffen von Putin und Kim in Pjöngjang gibt es einen unsichtbaren Elefanten im Raum: China. Russland wie auch Nordkorea sind auf die Unterstützung Chinas angewiesen. Weder Putin noch Kim Jong-un kann es sich erlauben, Pekings Machthaber Xi Jinping zu verärgern. Die Führung in Peking wird genau beobachten, wie weit die neue Partnerschaft zwischen Russland und Nordkorea gedeiht. Die alte Taktik aus Sowjetzeiten, als Pjöngjang wechselweise Peking und Moskau gegeneinander ausspielte, wird Xi sicherlich nicht dulden.

Allzu erfreut über den wachsenden Einfluss Putins dürfte man in Peking nicht sein. Aber die aktuelle “Arbeitsteilung” ist noch im Sinne Pekings: China liefert Russland, was es braucht, um seine Kriegswirtschaft am Laufen zu halten. Bei direkten Waffenlieferungen ist allerdings eine rote Linie erreicht, die Peking (noch nicht) bereit ist, zu überschreiten. “Den Part der Waffenlieferungen übernimmt deshalb Nordkorea – das anders als China keinen Handel mit dem Westen zu verlieren hat und sich auch in der internationalen Politik nicht als Friedensvermittler oder Europas zukünftig bevorzugter Partner präsentieren will”, sagt Joel Attkinson, Professor für China Studies an der Hankuk University of Foreign Studies in Seoul, zu Table.Briefings.

In dieser Arbeitsteilung spiegelt sich das große gemeinsame Ziel von Nordkorea, Russland und China wider: die gemeinsame Ablehnung einer westlich geführten Welt unter der Schirmherrschaft der USA.

Sorgen im Westen – Deutsche Nordkorea-Mission

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg reagierte dementsprechend besorgt. “Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass die autoritären Mächte immer enger zusammenrücken. Sie unterstützen sich gegenseitig auf eine Art und Weise, die wir noch nie zuvor gesehen haben”, sagt er am Mittwoch in Ottawa. Nordkorea habe Russland “eine enorme Menge an Munition” geliefert, während China und Iran ebenfalls Russland im Krieg gegen die Ukraine militärisch unterstützten.   

Die Nato will deshalb mit ihren Verbündeten im asiatisch-pazifischen Raum enger zusammenarbeiten. Aus diesem Grund hat man die Regierungschefs Australiens, Japans, Neuseelands und Südkoreas zum Nato-Gipfel im kommenden Monat nach Washington eingeladen. Derweil sollten die Europäer ihre direkten Kontakte nach Pjöngjang wieder aktivieren, die durch die Corona-Pandemie abgebrochen sind. Deutschland hat hierzu Ende Februar einen ersten wichtigen Schritt unternommen, und eine Delegation in die nordkoreanische Hauptstadt entsandt.

Unterdessen ist Putin von Nordkorea weiter nach Vietnam gereisteinem Staat, der sich mit seiner “Bambus-Politik” sehr flexibel gibt. Beobachtern zufolge geht es auch in Hanoi um mögliche Waffenlieferungen. Zu Putins Delegation gehören jedenfalls neben dem stellvertretenden Verteidigungsminister Alexander Fomin auch der Chef der russischen Behörde für militärisch-technische Zusammenarbeit, Dmitri Schugajew, und der Direktor des Rüstungskonzerns Rosoboronexport, Alexander Michejew.

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Wie die Reform des deutschen Völkerstrafrechts Verfolgung von Amtsträgern ermöglicht

Bundesjustizminister Marco Buschmann hat im vergangenen Sommer große Erwartungen an die Reform des deutschen Völkerstrafrechts geweckt. “Völkerrechtsverbrechen dürfen nicht ungesühnt bleiben! Deutschland hat eine besondere Verantwortung, dieses große Versprechen des Völkerrechts mit Leben zu füllen.” Das Gesetz, das vor einigen Tagen den Bundestag passierte, hätte dieses Ziel verfehlt, wenn nicht auf den letzten Metern mutige Parlamentarier eingeschritten wären.

Das heißt nicht, dass im Gesetzentwurf aus dem Hause Buschmann nicht viele wichtige Punkte berücksichtigt worden wären. Auf prozessualer Ebene werden die Lehren aus den weltweit beachteten deutschen Syrien-Prozessen ins Gesetz gegossen:

  • Auch bei Völkerstraftaten dürfen die Opfer künftig in Prozessen als Nebenkläger auftreten.
  • Ton- und Bildaufnahmen sind von nun an auch bei Völkerstrafprozessen zugelassen, die Übersetzung wird erleichtert, um Beobachtern aus dem Ausland den Zugang zu vereinfachen. “So wird sichergestellt, dass Völkerstrafprozesse auch über die Grenzen Deutschlands in die Welt hineinwirken können”, sagt Claus Kreß, Professor für Völkerstrafrecht an der Universität zu Köln, zu Table.Briefings. “Das entspricht dem Sinn solcher Strafverfahren. Denn die deutsche Strafjustiz handelt hierbei nicht primär im deutschen Strafverfolgungsinteresse, sondern treuhänderisch im Interesse der internationalen Gemeinschaft.”

Auch materiell gibt es einige Neuerungen:

  • Der Tatbestand des “Verschwindenlassens” wurde ins Gesetz aufgenommen, um den Anforderungen der UN-Konvention gegen das Verschwindenlassen (CPED) zu entsprechen.
  • Zwei Waffengattungen werden unter Strafe gestellt: Waffen, die durch so kleine Splitter verletzen, dass sie selbst durch Röntgenstrahlen nicht entdeckt werden können, sowie Laserwaffen, die die dauerhafte Erblindung verursachen.
  • Die Liste der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und der Kriegsverbrechen wird um sexuelle Übergriffe, sexuelle Sklaverei und erzwungene Schwangerschaftsabbrüche erweitert.

Zuerst fehlte aber ein wichtiger Punkt im Gesetz

Einen zentralen Punkt hatte der Gesetzentwurf ausgespart: die Frage der funktionalen Immunität. In der Anhörung nach der ersten Lesung haben die Sachverständigen, zu denen Kreß sowie der Göttinger Strafrechtslehrer Kai Ambos gehörten, die Abgeordneten darauf hingewiesen, dass die deutsche Position in dieser Frage nicht hinreichend klar ist. Die Berichterstatter der Ampel-Parteien waren sich schnell einig, dass hier eine gesetzliche Klarstellung erforderlich sei, auch die Rechtspolitiker von CDU und CSU waren dafür.

Und so wurde kurz vor der finalen Abstimmung noch folgende Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes ergänzt: “Funktionelle Immunität hindert nicht die Erstreckung deutscher Gerichtsbarkeit auf die Verfolgung von Verbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch.”

Das heißt: Vor deutschen Gerichten sind ausländische Amtsträger auch bei hoheitlichem Handeln nicht vor Strafverfolgung geschützt. Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen werden sehr häufig von staatlichen Repräsentanten begangen, für das Verbrechen der Aggression gilt das so gut wie ausnahmslos.

Deutsche Justiz verfolgt aktiv Völkerstraftaten

Helge Limburg, rechtspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, sagte zu Table.Briefings: “Auch wer als Offizier oder hoher Staatsbeamter Völkerstraftaten begeht, soll sich dafür vor Gericht verantworten müssen. Andernfalls würde das Völkerstrafrecht in wesentlichen Teilen ins Leere laufen.” Dabei ist mit den Syrien-Prozessen sichtbar geworden, dass die deutsche Justiz bei der Verfolgung von Völkerstraftaten zuletzt deutlich aktiver geworden ist als in der ersten Zeit nach Inkrafttreten des Völkerstrafgesetzbuchs im Jahre 2002. Gegenwärtig führt der Generalbundesanwalt unter anderem Ermittlungsverfahren wegen des Angriffs Russlands auf die Ukraine.

Neben dem Strukturermittlungsverfahren, das die Karlsruher Behörde kurz nach dem 24. Februar 2022 eingeleitet hat, führt sie personenbezogene Verfahren gegen mehrere russische Armeeangehörige. Die Anstrengungen liefen ins Leere, wenn sie aufgrund von Immunität vor Strafverfolgung geschützt wären. 

Bis zur Klarstellung in der neuen Reform gab es in Deutschland eine verwirrende Zweistimmigkeit zur Frage der Immunität: Die Justiz stand schon länger auf dem Standpunkt, dass Beschuldigten von Völkerstraftaten keine Immunität aufgrund ihrer Funktion zukommt. Die Bundesregierung war in diesem Punkt deutlich zurückhaltender.

BGH konkretisiert: Gegen alle Funktionsträger kann ermittelt werden.

Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil von 2021 über die Verbrechen an den Jesidinnen entschieden, dass nachgeordnete ausländische Amtsträger keine funktionale Immunität genießen, soweit es um den Verdacht einer Völkerstraftat geht. Dass nicht nur nachgeordnete, sondern alle Funktionsträger gemeint sind, konkretisierte der Bundesgerichtshof im Februar dieses Jahres: “Die allgemeine Funktionsträgerimmunität gilt jedoch bei völkerrechtlichen Verbrechen nicht, und zwar unabhängig vom Status und Rang des Täters.”

Die Bundesregierung war in ihrer Positionierung weniger entschieden, sie bekannte sich nicht klar dazu, Amtsträger in Völkerstrafverfahren vom Schutz der Immunität auszunehmen. “Seit 2017 hat das Auswärtige Amt Zweifel an der Unanwendbarkeit funktionaler Immunität gesät”, sagt Kreß. Diese “deutsche Janusköpfigkeit”, von der Kreß spricht, war auch durch die Stellungnahme der Bundesregierung vom Jahresende 2023 gegenüber der UN-Völkerrechtskommission nicht verschwunden.

Zwar findet die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hierin respektvolle Erwähnung. Die Ausnahmen von der Immunität werden von der Bundesregierung aber dennoch nicht als geltendes Völkergewohnheitsrecht eingeordnet, sondern lediglich als “in statu nascendi”, im Werden begriffen. Auch die jüngste Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom Februar nahm die Bundesregierung bisher nicht zum Anlass, klar gegen funktionale Immunität im Völkerstrafrecht Position zu beziehen.

Diplomaten befürchteten eine Verengung des Spielraums

Der Klarstellung im Gerichtsverfassungsgesetz hat sich das Auswärtige Amt nun aber nicht entgegengestellt. Dem Vernehmen nach hatte die Fachebene Bedenken, den Passus zur Immunität in den Gesetzentwurf aufzunehmen. Die Beamten stehen auf dem Standpunkt, dass der diplomatische Spielraum nicht durch übermäßige Verrechtlichung verengt werden dürfe. Staatsministerin Katja Keul, die in der Vergangenheit selbst rechtspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion war, habe konstruktive Gespräche mit den Berichterstattern im Bundestag geführt, so ist zu hören.

Die Position der Beamten im Auswärtigen Amt hat die Parlamentarier aber nicht dazu gebracht, ihre Meinung zu ändern. Amtsträger sind beim Verdacht von Völkerstraftaten nicht von der Immunität geschützt – das ist nun geltendes Recht. Es ist zu erwarten, dass die Bundesregierung dies in ihrer nächsten Stellungnahme auch so schreibt. Dann spräche Deutschland zu einer Grundfrage des Völkerstrafrechts wieder mit einer Stimme.  

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Studie: Russischer Angriffskrieg stieß in zwei Jahren 175 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent aus

In der Zeit vom 24. Februar 2022 bis zum 24. Februar 2024 war Russland Angriffskrieg für den Ausstoß von 175 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent verantwortlich. Emissionen, die der jährlichen Nutzung von 90 Millionen Autos entsprechen. Die Zahl ist eines der wichtigsten Ergebnisse der StudieClimate Damage Caused by Russia’s War“. Ihr Hauptautor, der Klimaforscher Lennard de Klerk, stellte sie Mitte Juni am Rande der Ukraine Recovery Conference (UCR) in Berlin vor.

Das halbjährlich erscheinende Papier eines multinationalen Forscherteams fasst die Klimaschäden der ersten zwei Jahre seit Beginn des russischen Angriffs gegen die Ukraine im Februar 2022 zusammen.

Die immense Menge an Emissionen, die das ukrainische Ministerium für Umweltschutz und natürliche Ressourcen auf 180 Millionen Tonnen schätzt, teilt sich auf verschiedene Bereiche auf:

51,6 Millionen Tonnen der gesamten Menge CO₂-Äquivalent resultieren sich aus der direkten Kriegsführung. 22,9 Millionen Tonnen belaufen sich auf unkontrollierte Landschaftsbrände, vor allem in Frontnähe. Insgesamt 27.000 Brände verbrannten fast eine Million Hektar Land.

Die Sperrung des sibirischen Luftraums durch Russland und die Sperrung des ukrainischen Luftraums für den kommerziellen Verkehr führten zu Umleitungen, deren zusätzlicher Treibstoffverbrauch Emissionen von 24 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent verursachte. Aus den Fluchtbewegungen von fast 7 Millionen ukrainischen Flüchtlingen und russischen Verweigerern resultierten 3,3 Millionen Tonnen.

Angriffe auf das ukrainische Stromnetz: Ausstoß und Einsparungen

17,2 Millionen Tonnen gehen auf die Zerstörung ukrainischer Energie-Infrastruktur, besonders in den ersten Wochen des Krieges, zurück. Hinzu kommt die Sabotage der Erdgaspipelines Nord Stream 1 und 2, die zum größten je registrierten Austritt von Methan führte.

Was die Studie nicht mit einberechnet: Die Emissionen, die die zerstörte und damit nicht oder geringer funktionsfähige Infrastruktur einspart. Während die ukrainischen CO₂-Emissionen Berechnungen der Plattform Global Carbon Atlas zufolge 2021 noch 210 Millionen Tonnen betrugen, war es im Jahr 2022 mit 141 Millionen Tonnen ein Drittel weniger. Diese Zahlen sind nicht unproblematisch: Im Oktober 2023 fehlten dem Land durch Kriegsschäden oder russische Besatzung 44 Prozent seiner Stromkapazität aus Atomkraft, 78 Prozent seiner Wärmekraft-Kapazitäten (zumeist Kohle und Gas) und 60 Prozent seiner Kapazitäten im Bereich Kraft-Wärme-Kopplung.

Wiederaufbau sollte klimafreundlich erfolgen

Wichtig beim Wiederaufbau: Die alten, teils stark emissionslastigen Infrastrukturen klimafreundlich zu ersetzen. In der vergangenen Woche veröffentlichte Greenpeace eine Art “solaren Marshallplan“, der festlegte, wie dieser Wiederaufbau aussehen könnte (Climate.Table berichtete).

Der Wiederaufbau, der größtenteils noch in der Zukunft liegt, macht mit 56 Millionen Tonnen den Großteil der Emissionen aus. Die Schäden, deren größten Teil Russland in den ersten Wochen des Krieges verursachte, belaufen sich hauptsächlich auf Wohnraum (37 Prozent) und generelle Infrastruktur (23 Prozent).

Auch die weltweite Aufrüstung als Folge des russischen Angriffs führte zum Anstieg von Emissionen. Im Jahr 2023 erreichten die weltweiten Militärausgaben insgesamt 2,4 Billionen US-Dollar und stiegen damit seit 2022 real um 6,8 Prozent, was den stärksten jährlichen Anstieg seit 2009 darstellt.

4.900 Fälle von Umweltschäden in zwei Jahren

Doch nicht nur die Schäden fürs Klima, sondern auch die für die Umwelt sind enorm. Ruslan Strilet, der ukrainische Minister für Umweltschutz und natürliche Ressourcen, teilte Table.Briefings mit, sein Ministerium habe seit 2022 über 4.900 Fälle von Umweltschäden registriert.

Zu den gravierendsten Umweltschäden gehören dem Ministerium zufolge die Luftverschmutzung mit giftigen Gasen aus Explosionen und Bränden, Wasserverschmutzung, die Zerstörung ukrainischer Wälder, sowie die massive Schädigung der ukrainischen Flora, Fauna und Naturschutzgebiete.

“Der größte von der Russischen Föderation begangene Akt des Umweltmords war aber der Terroranschlag auf das Wasserkraftwerk Kachowka” im Juni 2023, sagt Strilet. Durch den Anschlag wurden 63,4 Tausend Hektar Waldfläche überschwemmt.

25 bis 30 Prozent der Ukraine mit Minen kontaminiert

Wesentliche Faktoren sind zudem Abbau und Verschmutzung von Böden durch zerstörte Geschosse und nicht explodierte Munition. Diese kontaminieren nicht nur den Boden mit Schwermetallen wie Blei, Strontium oder Titan, sondern fordern zudem in großer Zahl Menschenleben. Dem Landminen-Monitor der International Campaign to Ban Landmines (ICBL) zufolge wurden 2022 insgesamt 608 Menschen in der Ukraine durch Antipersonen-Minen oder explosive Kriegsüberreste getötet oder verletzt.

Insgesamt sind je nach Schätzung 25 bis 30 Prozent des ukrainischen Staatsgebiets mit Minen kontaminiert – eine Fläche, viermal so groß wie die Niederlande. Die vollständige Entminung wird voraussichtlich fünf Jahrzehnte dauern.

Krieg und Klima hängen unmittelbar zusammen

Wenn über Kriege gesprochen und berichtet wird, geht es meist um Militär, politische Reaktionen oder Flucht – Klima und Umwelt fallen oft aus dem Radar. Und das, obwohl Kriege und Konflikte untrennbar mit dem Klima zusammenhängen: Kriege haben eine erschreckende Klimabilanz und der Klimawandel schürt weltweit Konflikte. Die beiden Faktoren werden, besonders zukünftig, gar nicht anders als gemeinsam betrachtet werden können. Anouk Schlung

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News

Leopard 2: Wie Pistorius die Litauen-Brigade mit Kampfpanzern aufrüsten will

Die ersten Leopard 2-Panzer aus Deutschland sind in der Ukraine angekommen. (Archivbild.)

Die Bundeswehr soll 105 zusätzliche Kampfpanzer des modernsten deutschen Typs Leopard 2A8 bekommen, von denen ein gutes Drittel der geplanten deutschen Brigade in Litauen zur Verfügung stehen soll. Dafür werden knapp 2,94 Milliarden Euro veranschlagt, die allerdings in der Haushaltsplanung für die kommenden Jahre noch nicht berücksichtigt seien, heißt es in einer Vorlage für den Haushaltsausschuss des Bundestages, die Table.Briefings vorliegt. Der größte Teil der Ausgaben fällt ab 2028 an. Für die zusätzlichen Panzer entstehen zudem ab 2032 weitere 750 Millionen Euro “Nutzungskosten”, die ebenfalls noch nicht in den Etatplanungen berücksichtigt sind.

Die ersten 35 der 105 Leopard-Panzer sollen in den Jahren 2027 und 2028 geliefert werden und damit der Kampfbrigade in Litauen die nötige Ausrüstung zur Verfügung stellen, heißt es in der Vorlage. Diese Brigade sei “eines der ersten Elemente der Vorneverteidigung im NATO-Bündnis in der Region” und brauche deshalb “eine bestmögliche und einheitliche Ausstattung”.

Auslieferungsplan durch “angespannte Marktlage” gefährdet

Die übrigen Gefechtsfahrzeuge sollen bis zum Jahr 2030 ausgeliefert werden. Vollausstattung mit den nötigen Waffensystemen, und eine bessere Durchhaltefähigkeit und die Modernisierung der Panzertruppe seien “ein wesentlicher Meilenstein zum Erreichen der Kriegstüchtigkeit”. Mit der Auslieferung der geplanten weiteren Leopard 2A8 würde das Heer die Zahl seiner Kampfpanzer etwa um ein Drittel erhöhen. Allerdings, so warnte das Verteidigungsministerium, sei unklar, ob der Auslieferungsplan angesichts der “aktuell auf dem Weltmarkt herrschenden angespannten Marktlage im Bereich von Elektronikkomponenten und Rohstoffen” gehalten werden könne.

Formal wird mit der Bestellung, wenn sie vom Parlament gebilligt wird, der bestehende Rahmenvertrag des Verteidigungsministeriums und der Herstellerfirma KNDS Deutschland (ehemals Krauss-Maffei Wegmann) genutzt, der im vergangenen Jahr über bis zu 123 Panzer abgeschlossen wurde. Zunächst waren jedoch nur 18 Gefechtsfahrzeuge als Ersatz für an die Ukraine abgegebenes Material bestellt worden. tw

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Finnische Außenpolitikerin Tuppurainen: “Deutschland muss stärker führen”

Tytti Tuppurainen war bis 2023 finnische Ministerin für europäische Angelegenheiten.

Die finnische Parlamentsabgeordnete Tytti Tuppurainen fordert von Deutschland “eine stärkere Führungsrolle in Europa”. Gegenüber Table.Briefings sagte die Sozialdemokratin, dass die Ukraine den Krieg gegen Russland gewinnen müsse, das sei “eine Schicksalsfrage für Europa“. In Finnland herrsche große Erleichterung über den Beitritt zur Nato vergangenes Jahr, nun gehe es darum, den europäischen Pfeiler des transatlantischen Bündnisses zu stärken. Am Rande des Progressive Governance Summit 2024, der am Freitag in Berlin beginnt, forderte die frühere finnische Europaministerin: “Wir brauchen ein starkes Deutschland, um Europa stärker zu machen.” Der Gipfel wird noch bis Samstag von der linksliberalen Denkfabrik Progressives Zentrum ausgerichtet.

Tuppurainen sieht aktuell keine Notwendigkeit, deutsche Truppen auf finnischem Territorium zu stationieren. “Zurzeit sind wir zufrieden, was die Unterstützung der Nato anbelangt”, sagte sie, wollte aber nicht ausschließen, dass ein ähnlicher Schritt wie in Litauen erfolgen könne: “Man wird sehen, ob man in Zukunft deutsche Truppen auch in Finnland bracht.” Die Bundeswehr hat vergangenes Jahr mit der Aufstellung einer Brigade in Litauen begonnen, die der Abschreckung an der Nato-Ostflanke dienen soll. Bis 2028 sollen 5000 Soldatinnen und Soldaten dort stationiert sein.

“Wer Frieden will, muss jetzt Waffen liefern”

Finnland setzt beim Schutz des Landes auf mehr als 300.000 Reservisten, “die den Kern unserer Verteidigungskräfte ausmachen”, so Tuppurainen. Finnland und Russland teilen eine 1340 Kilometer lange Grenze. Sie wurde zuletzt geschlossen, um zu verhindern, dass über Russland reisende Asylbewerber das Land betreten können. Es gehe darum, “gemeinsam die europäische Abschreckung zu erhöhen”, um das Regime Wladimir Putins zu stoppen. “Beschwichtigungspolitik hat keinen Raum, Putin versteht keine Kompromisse”, so Tuppurainen, die ihre deutschen Genossinnen und Genossen am Wochenende in Berlin von einer stärkeren Unterstützung der Ukraine überzeugen will. “Wer jetzt Frieden will, muss Waffen liefern.” mrb

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Studie: Wie sich die Militärausgaben von konservativen und linken Regierungen unterscheiden

Konservative Regierungen investieren mehr Geld aus dem Verteidigungshaushalt in die Rüstungsindustrie und weniger in die Gehälter von Soldatinnen und Soldaten als linke Regierungen. Das zeigt eine Studie des Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim, die Table.Briefings exklusiv vorliegt.

Dass die Militärausgaben steigen, je höher die Bedrohungslage ist, dazu gibt es reichlich wissenschaftliche Untersuchungen. Weniger bekannt ist der Zusammenhang zwischen der politischen Ausrichtung einer Regierung und den militärischen Ausgaben. Hier werden die Unterschiede vor allem dann deutlich, wenn man die Militärausgaben in Waffenkäufe, Personalkosten und andere Kosten aufschlüsselt.

“Konservative Regierungen (…) streben eine restriktivere Finanzpolitik, also niedrigere Gehälter für Soldatinnen und Soldaten, und eine Außenpolitik der Stärke, die mit höheren Verteidigungsausgaben für Rüstung einhergeht, an”, sagt der Autor der Studie Łukasz Olejnik, Humboldt Gast-Stipendiat am ZEW. Genau umgekehrt sei es bei linken Regierungen, die aber nicht grundsätzlich geringere Militärausgaben insgesamt haben.

Erwartungsgemäß deuten die Ergebnisse der Studie außerdem darauf hin, dass Regierungen mit hoher Unterstützung in Gemeinden mit Militärstützpunkten mehr für das Militär ausgeben. Auf diese Weise wolle man die Stammwählerschaft an sich binden, erklärt Olejnik.

In Deutschland ist der Effekt “beobachtbar, aber relativ gering”. Die Gründe hierfür können vielfältig sein, wahrscheinlich aber stehen sie auch im Zusammenhang mit der konstanten Regierungsbeteiligung der CDU in den vergangenen zwölf Jahren. Im Zeitraum 1999-2023 beliefen sich die deutschen Militärausgaben konstant auf einem niedrigen Niveau unter zwei Prozent des Bruttosozialproduktes.

In Ländern wie Griechenland, Zypern, aber auch Estland oder Schweden zeigt sich der Effekt in der Studie am deutlichsten. Das könnte auch daran liegen, sagt Olejnik, dass in diesen Ländern die Militärausgaben noch mehr “ideologisch, politische Fragen” darstellen.

Grundlage für die Studie bilden neu erhobene Daten, einschließlich eines neuen Originaldatensatzes, von 510 Gemeinden bzw. Wahlkreisen aus 29 EU- und NATO-Staaten aus den Jahren 1999 bis 2022. wp

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Europaparlament: Strack-Zimmermann will Verteidigungsausschuss leiten

Der Unterausschuss für Sicherheit und Verteidigung im Europaparlament (SEDE) soll ein Vollausschuss werden, wie es im Umfeld der Fraktionschefs heißt. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) hat angekündigt, sich unter der Voraussetzung für den Vorsitz zu bewerben, dass es ein Vollausschuss wird und Kompetenzen vom Industrieausschuss ITRE bekommt. Strack-Zimmermann leitet zudem die deutsche Delegation der FDP-Abgeordneten in der Renew-Fraktion. Sie besteht aus fünf Abgeordneten. mgr

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Must-Reads

RAND: A Brief Naval Overview of the Baltic Sea Region. Die Autoren legen dar, wie Russland mit einer Seeblockade in der Ostsee erreichen könnte, die Fähigkeit der baltischen Staaten so einzuschränken, dass sie das Meer nicht mehr für militärische und kommerzielle Zwecke nutzen könnten.

Carnegie Politika: How the Latest Sanctions Will Impact Russia and the World. Die neuen Strafmaßnahmen der USA gegen das russische Finanzsystem werden die Wirtschaft des Landes hart treffen, sagt die Autorin des Textes voraus. Sie erläutert, wie und erklärt, warum diese Sanktionen zwei Jahre zu spät kommen. Das Wichtigste aber: Die Sanktionen beschleunigen die Zersplitterung des globalen Finanzsystems.

Correctiv: China Science Investigation – Die Bling-Bling-Professoren aus Aachen. In dem Stück erheben Insider schwere Vorwürfe gegen die Professorenschaft der RWTH Aachen. Die Forschung werde dort immer mehr zur Nebensache. An erster Stelle stehe stattdessen für viele an der Universität die persönliche Bereicherung – mit Geld aus China.

Neue Züricher Zeitung: Gehen der Ukraine die Soldaten aus? Diese visuell aufbereitete Datenanalyse zeigt, wie die Ukraine Schwierigkeiten hat, genug Soldaten für ihren Verteidigungskrieg zu rekrutieren. Bleibt die Altersgrenze zwischen 25 und 60 Jahren, dann verfügt die Ukraine über rund elf Millionen Männer im wehrfähigen Alter. Die wenigstens sind militärdiensttauglich.

New York Times: Congress Debates Expanded Draft Amid Military Recruitment Challenges. Seit zwei Jahrzehnten sinkt in den USA die Zahl der freiwilligen Militärdienstleistenden. Um hier gegenzusteuern, könnte die automatische Registrierung Heranwachsender, die für den Wehrdienst geeignet wären, auch auf Frauen ausgeweitet werden.

Podcast. dis:arm: Waffenexporte außer Kontrolle. Der frühere Linken-Abgeordnete Jan van Aken und die Journalistin Linda Peikert sprechen mit ECCHR-Juristen über Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien und Israel. Detaillierter Rückblick auf die deutsche Exportpraxis und Genehmigungspraxis. 50 Minuten.

Heads

Kaja Kallas – Hart gegen Russland

Als EU-Außenbeauftragte könnte Kaja Kallas der baltischen Region mehr Bedeutung verschaffen.

Sie mag das Klischee der “Eisernen Lady”. Darauf angesprochen, lächelt Kaja Kallas sehr fein und antwortet in perfektem Englisch: War die britische Premierministerin Maggie Thatcher nicht eine erfolgreiche Frau? Kallas schafft es, diese rhetorische Erwiderung nicht arrogant klingen zu lassen, sondern selbstbewusst. Und der Erfolg könnte ihr recht geben. Ihre Chancen, bald EU-Außenbeauftragte zu werden, stehen nicht schlecht.

Auch ohne dieses Amt gehört die liberale Regierungschefin des kleinen Estlands zu den erfolgreichen nordischen Politikerinnen. Wie die finnische Außenministerin Elina Valtonen oder die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen repräsentiert sie eine neue Frauengeneration in der Politik: klug, weltgewandt und machtbewusst. Statt in dezenten dunklen Anzügen treten sie in bunten Kleidern auf die große Bühne der Politik. Mit Aussagen, die vor allem bei Kallas gern sehr deutlich sind.

Die Angst vor dem Atomschlag hält sie für abwegig

Schon vor dem Angriff Russland auf die Ukraine im Februar 2022 warnte sie vor einem Überfall und forderte mehr Waffenlieferungen. “Russland ist die größte Bedrohung für uns Europäer.” Auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2023 setzte sie auf offener Bühne Bundeskanzler Olaf Scholz unter Druck und forderte, europaweit Munition für die Ukraine zu organisieren. Sie erhöhte nicht nur die Verteidigungsausgaben ihres eigenen Landes, sie forderte vor allem die anderen Europäer auf, mehr in ihre Sicherheit zu investieren. Die – vor allem in Deutschland verbreitete – Angst vor einem russischen Atomschlag hält sie für abwegig: “Das Ziel ist Einschüchterung, und das funktioniert in einigen Ländern.”

Aus Kallas spricht das neue Selbstbewusstsein der kleinen nordischen Staaten. Auch gegenüber dem großen Deutschland. “Ich habe das Gefühl, wir sind in den vergangenen Jahren mehr gehört worden als jemals zuvor.” Im Gespräch mit Table.Briefings erklärte sie, dass man lange einen ganz anderen Eindruck gehabt habe. “Über die 50 Jahre, die wir besetzt waren, wissen die Deutschen recht wenig. Sie haben uns nicht vermisst, aber wir sie schon! Darüber müssen wir reden.”

Das tut sie. Sehr deutlich auch, wenn sie mit Deutschen spricht. Und sie erwähnt dabei immer wieder, dass man in Estland nicht vergessen habe, welche Politik Deutschland gegenüber Russland lange verfolgt habe. Ihre Kritik verpackt die Regierungschefin eines Staates mit 1,3 Millionen Einwohnern dann mit einem süffisanten Lächeln: “Wir wissen, wie Russland operiert und wohin das führen kann.”

Moskau hat Kallas zur Fahndung ausgeschrieben

Ihre drastischen Worte scheinen den russischen Machthaber zumindest zu ärgern. Im Februar setzte das russische Innenministerium die estnische Regierungschefin auf eine Fahndungsliste. Kallas Regierung hatte die Demontage ehemaliger sowjetischer Denkmäler veranlasst. “Das ist ein weiterer Beweis dafür, dass ich das Richtige tue”, schrieb sie daraufhin unerschrocken auf X. Man darf gespannt sein, wie sie als potenzielle EU-Außenbeauftragte mit dem Russland-Freund Viktor Orbán umgehen wird.

Als die Juristin und dreifache Mutter als erste Frau 2021 Premierministerin wird, zählte sie zu den beliebtesten Politikerinnen. So populär sie heute auf der europäischen Bühne ist, so sehr hat ihr Image im eigenen Land jedoch gelitten. Eine Affäre um ihren Ehemann, der auch nach dem Februar 2022 mit einem Logistikunternehmen Geschäfte mit Russland gemacht hat, schadete ihr nachhaltig.

“Estland ist zu klein für sie.”

Bei der Wiederwahl 2023 gelang Kaja Kallas mit der liberalen Reformpartei zwar ein knapper Sieg. Aber ihre Zustimmungswerte sanken rapide, auch weil gestiegene Energiepreise und unpopuläre Sparmaßnahmen die Esten verärgern. Was aber nichts an der Tatsache ändert, dass ihre Kandidatur für ein europäisches Amt in Estland breit unterstützt wird.

Längst macht Kallas keinen Hehl mehr aus ihren Karriereplänen. Und man läge wohl nicht falsch mit der Behauptung, die 47-Jährige sehe ihre Zukunft eher in Brüssel denn in Tallinn. “Estland ist zu klein für sie”, urteilt denn auch Elisabeth Bauer, lange für die Konrad-Adenauer-Stiftung in den nordischen Ländern unterwegs: “Sie ist eine leidenschaftliche Europäerin”. Und auch eine mit Erfahrung: Die ehemalige Europaabgeordnete – zwischen 2014 und 2018 – weiß, wie Brüssel tickt.

Ihre Kandidatur für das Amt der EU-Außenbeauftragten kann man durchaus auch als Signal lesen. Eines, das der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni gar nicht gefällt. Mit Kallas gewinnt der Norden an Einfluss, nicht nur in der EU, auch in der Nato: Für den Posten des Nato-Generalsekretärs war sie übrigens auch mal im Gespräch. Nana Brink

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Ansgar Meyer – neuer Kommandeur des Zentrums Innere Führung

Wenn Brigadegeneral Ansgar Meyer am Freitag das Kommando über das Zentrum Innere Führung der Bundeswehr in Koblenz übernimmt, ist es die dritte Verwendung in Folge, in der der 59-jährige Panzeroffizier als Troubleshooter eingesetzt wird. Als er im Juni 2021 als letzter deutscher Kontingentführer den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan organisierte (von der späteren Evakuierungsmission in Kabul war da noch nicht die Rede), stand schon fest, dass er wenige Monate danach an die Spitze des Kommandos Spezialkräfte (KSK) wechseln sollte. Im Jahr davor war das KSK wegen rechtsextremistischer Vorfälle, aber auch Unregelmäßigkeiten wie einer Amnestie für verloren gegangene Munition in die Schlagzeilen geraten; zeitweise hatte der Fortbestand des Verbandes auf der Kippe gestanden.

In der vergangenen Woche übergab Meyer an seinen Nachfolger Brigadegeneral Alexander Krone ein KSK, das seit seinem Amtsantritt keine Negativschlagzeilen mehr produziert hatte. Ähnliche Hoffnungen dürften sich auch mit der neuen Aufgabe des Heeresgenerals verbinden. Er übernimmt die Führung des “zentralen Kompetenzzentrum für alle Fragen rund um die Führungskultur der deutschen Streitkräfte und die ethischen Grundlagen des Soldatenberufes”, nachdem sein Vorgänger Generalmajor Markus Kurczyk im Herbst vergangenen Jahres wegen des Vorwurfs der sexuellen Belästigung eines Soldaten als Kommandeur des Zentrums abgesetzt worden war. Die Vorwürfe, die Kurczyk bestreitet, sind disziplinarisch noch nicht geklärt. tw

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Jan Knutsson – Schwedens neuer Nato-Botschafter

Jan Knutsson wird ab diesem Herbst der neue Botschafter Schwedens bei der Nato in Brüssel. Er folgt damit auf Axel Wernhoff, der den Posten als erster nach dem Beitritt Schwedens in das Verteidigungsbündnis übernommen hatte. Ministerpräsident Ulf Kristersson sagte dazu, die Integration Schwedens in die NATO ist eine der “wichtigsten sicherheitspolitischen Aufgaben” des Landes und Knutsson ist mit Blick auf seine langjährige Erfahrung im außen- und sicherheitspolitischen Bereich für diese Rolle “besonders geeignet”. wp

Derzeit ist er Staatssekretär im schwedischen Außenministerium.

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Security.Table Redaktion

SECURITY.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    gleich mehrere Nachrichten deuten darauf hin, dass westliche Staaten in der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik beweglicher werden: Der neue Nato-Chef wird Mark Rutte heißen. Das ist nun klar, nachdem das letzte Nato-Mitglied Rumänien seinen Widerstand aufgegeben hat.

    Außerdem haben sich die EU-Mitglieder auf das 14. Sanktionspaket gegen Russland geeinigt. Stephan Israel berichtet darüber im Europe.Table.

    Die sicherheitspolitische Bewegung ist auch in der Rüstungsbranche spürbar: Rheinmetall meldete am Donnerstagnachmittag, dass das Unternehmen den größten Rahmenvertrag ihrer Firmengeschichte von der Bundeswehr für die 155mm-Artilleriemunition erhielt. Außerdem soll die Truppe 105 zusätzliche Kampfpanzer des Typs Leopard 2A8 von KNDS bekommen, die Details zu den Panzern kennt Thomas Wiegold.

    Gabriel Bub hat auf der Eurosatory in Paris zu den neuen Entwicklungen beim Main Ground Combat System (MGCS) recherchiert und ordnet sie in seiner Analyse ein.

    Und warum die Reform des Völkerstrafrechts die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass ausländische Amtsträger wegen Kriegsverbrechen von deutschen Gerichten verurteilt werden, erläutert Helene Bubrowski.

    Eine gute Lektüre

    Ihr
    Viktor Funk
    Bild von Viktor  Funk

    MGCS: Wettlauf zwischen den Panzerbauern

    Besucher neben einem Leopard 2 A8-Panzer (links) und einem Leopard 2A-RC-3.0-Panzer auf der Eurosatory-Ausstellung für Verteidigung und Sicherheit.

    Was KNDS und Rheinmetall bei der Rüstungsmesse Eurosatory in Paris ausstellen, sollte breit wahrgenommen werden. Die Ascalon-Kanone und die Erweiterung des Leopard-Panzers, Leopard 2A-RC 3.0, bewarb KNDS, das aus dem französischen Nexter und Krauss-Maffei Wegmann hervorgegangen ist, unter der Überschrift “auf dem Weg zum MGCS”. Rheinmetall präsentierte am Montag auf der Messe, die heute endet, den Panther KF51-U mit künstlichem Nebel und euphorisierender Musik unter den Augen eines gut gelaunten CEOs, Armin Papperger. Bei dem deutsch-französischen Projekt Main Ground Combat System (MGCS) soll ein Kampfpanzer in einem vernetzten System entwickelt werden.

    Übergangslösungen für das MGCS

    Der Leopard 2A-RC 3.0 von KNDS soll laut Konzern “die Lücke zwischen den aktuellen Systemen und MGCS” schließen. Bei Rheinmetall will man mit dem Panther KF51-U “eine Brücke” bauen, hin zu dem, was das Main Ground Combat System werden soll, sagte Björn Bernhard, der Leiter von Rheinmetall Landsysteme bei der Vorstellung in Paris.

    Im neuen Rheinmetall-Panzer stecke viel Technologie, die man im MGCS wieder sehen könne, sagte Bernhard. “Hoffentlich auch das Waffensystem.” Durch die Verzögerungen beim deutsch-französischen Panzerprojekt sei “eine zusätzliche mittelfristige Lösung erforderlich”. Nachdem eine Inbetriebnahme mal für 2035 geplant war, erwarten einige Beobachter einen Einsatz des Systems mittlerweile frühestens für 2045.

    Wie Rheinmetall präsentierte KNDS mit dem Leopard 2 A-RC 3.0 einen Panzer, der über einen unbemannten Turm verfügt. KNDS verkündet selbstbewusst, dass die Ascalon-Kanone, die KNDS auf der Eurosatory ausstellt, “als Basis für die gemeinsame Entwicklung im Rahmen des französisch-deutschen MGCS-Programms” als Grundlage “für den künftigen Standard der europäischen Panzerwaffe und Munition” designt worden sei. Die Ascalon-Kanone sei “unsere Vision vom MGCS”, sagt ein Produktmanager von KNDS.

    Ascalon-Kanone auf der Eurosatory in Paris.

    In Paris unterzeichneten diese Woche zunächst die Geschäftsführer von KNDS Deutschland, KNDS Frankreich, Rheinmetall Landsysteme und Thales eine Absichtserklärung zur Gründung einer Projektgesellschaft für die Entwicklung. Die Gründung hatten die Unternehmen schon im April verkündet. Wenn es nach dem italienischen Panzerbauer Leonardo geht, bekommt das Projekt im kommenden Jahr Zuwachs. Dessen Co-Direktor, Lorenzo Mariani, bekräftigte auf der Eurosatory, sich dem Panzerprojekt anschließen zu wollen. Zuvor waren Verhandlungen zwischen Leonardo und KNDS über eine intensivere Kooperation gescheitert.

    Projekt könnte erneut ins Stocken geraten

    Die französischen und deutschen Verteidigungsminister Sébastien Lecornu und Boris Pistorius hatten Ende April die nationale Arbeitsteilung für den Bau des MGCS geklärt. Nur bei der Entwicklung der Kanone wollten sich Pistorius und Lecornu nicht festlegen. In einem ersten Schritt sollen zwei verschiedene Kanonensysteme entwickelt werden, von dem nach einer Bewertung das bessere den Panzer ausstatten soll. Wer die Schussvorrichtung bauen darf, entscheidet auch, wer die Fachkräfte für die Entwicklung einstellt und langfristig die Kompetenz für den Bau aufbauen kann. Ob es die 120 mm oder 140 mm-Kanone von KNDS wird oder der 130 mm Rheinmetall-Aufschlag, könnte auch richtungsweisend sein für künftige Nato-Kaliber.

    Ohnehin könnte das lange schleppend vorankommende Projekt wieder ins Stocken geraten. Pistorius hatte im April angekündigt, bis Jahresende die Verhandlungen zum Industrievertrag zu führen und die Verträge Anfang 2025 vom Bundestag genehmigen zu lassen. Im April hatte er das noch als “ambitioniert” bezeichnet. Auf französischer Seite könnte sich das durch die anstehenden Neuwahlen und Personalwechsel im Verteidigungsministerium weiter verkomplizieren. Das in französischen Umfragen gut dastehende Rassemblement National stellt etwa die Zukunft der deutsch-französischen Rüstungskooperationen infrage.

    Am Montag sehen sich Lecornu und Pistorius im Beisein des polnischen Verteidigungsministers Wladyslaw Kosiniak-Kamysz in Paris. Im Rahmen des Weimarer Dreiecks dürften die drei Vorbereitungen auf dem Weg zum Nato-Gipfel im Juli besprechen. Fragen könnte auch die Zukunft des MGCS aufwerfen.

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    Putin bei Kim Jong-un: Wie gefährlich die Waffenbruderschaft zwischen Russland und Nordkorea ist

    Russlands Präsident Wladimir Putin und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un haben in Pjöngjang einen Vertrag über eine umfassende strategische Partnerschaft abgeschlossen. Putin war am Mittwoch erstmals nach einem Vierteljahrhundert wieder nach Nordkorea gereist, um persönlich die Beziehungen der beiden Staaten weiter zu vertiefen.

    Der neue Vertrag scheint auf den ersten Blick ganz auf die aktuellen Bedürfnisse zugeschnitten zu sein: Russland benötigt mehr Munition für seinen Krieg in der Ukraine, das isolierte Nordkorea hat einen mächtigen Partner gewonnen, der die Sicherheit des Kim-Regimes garantiert. Doch ein genauerer Blick zeigt, dass die Tragweite der Vereinbarung viel weitreichender sein und eine Gefahr für die Sicherheit der USA und Europas darstellen könnte.

    Zunächst zu den direkten Auswirkungen. Nordkoreas Staatsmedien veröffentlichen am Donnerstag die Vereinbarung. In Artikel IV heißt es: Sollte eines der beiden Länder “aufgrund einer bewaffneten Aggression in einen Kriegszustand geraten”, muss das andere Land “unverzüglich militärische und sonstige Hilfe mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln leisten“. Da Russland sich bereits im Krieg befindet, ist also davon auszugehen, dass Nordkorea in den kommenden Wochen und Monaten seine militärische Unterstützung deutlich ausweiten wird.

    Russland will Munition aus Nordkorea

    Schon jetzt sind die Lieferungen beachtlich: US-Geheimdienste gehen davon aus, dass Russland seit September mehr als 10.000 Schiffscontainer – umgerechnet rund 260.000 Tonnen – an Munition oder anderem Militärzubehör – aus Nordkorea erhalten habe. Zudem haben russische Streitkräfte mehrere nordkoreanische Raketen auf die Ukraine abgefeuert, sagt die intime Nordkorea-Kennerin Pak Jung.

    Die langjährige CIA-Analystin Pak hat ein Buch über Machthaber Kim Jong-un geschrieben und ist inzwischen stellvertretende US-Sondergesandte für Nordkorea. Pak stellt klar: “Nordkorea macht das nicht umsonst. Nordkorea will mit ziemlicher Sicherheit Dinge als Gegenleistung. Wir machen uns auch Sorgen darüber, was Nordkorea aus dem Einsatz dieser Waffen und ballistischen Raketen durch Russland auf dem Schlachtfeld lernen könnte und wie dies Nordkorea ermutigen oder ihm helfen könnte, sein Waffenprogramm noch weiter voranzutreiben.”

    Nordkorea will russischen Waffentechnologie

    Und hier ist man schon bei den langfristigen Folgen. Kim Jong-un sprach schon von einer “Allianz” zwischen Nordkorea und Russland. Ganz so weit ist es wohl noch nicht. Aber die konkreten Punkte sollten ausreichen, um im Westen Sorgen hervorzurufen. So sagte Putin in Pjöngjang, dass Russland “die Entwicklung einer militärisch-technischen Zusammenarbeit mit der Demokratischen Volksrepublik Korea gemäß dem heute unterzeichneten Dokument nicht ausschließe”.

    Putin gibt sich vage, und so bleiben etliche Fragen offen:

    • Wenn es sich um einen kollektiven Verteidigungspakt handelt, erstreckt sich dann Russlands nukleare Abschreckung fortan auch auf Nordkorea – und umgekehrt?
    • Wird diese “militärisch-technische Zusammenarbeit” gemeinsame Militärübungen umfassen?
    • Und wird Russland vielleicht sogar kritische Technologie an Nordkorea liefern?

    Nordkoreas Interessen sind klar. Das Kim-Regime arbeitet intensiv an seinem Atomwaffen- und Raketenprogramm. Dem wird alles untergeordnet, mit der Folge: Während die Bevölkerung Not und Hunger leidet, können Kims Waffenexperten erstaunliche Fortschritte verzeichnen. Allerdings gelingt es unter anderem bislang nicht, einen Sprengkopf zu entwickeln, der den Wiedereintritt in die Atmosphäre übersteht. Es ist ein fehlendes Puzzleteil, um die USA tatsächlich massiv zu bedrohen. Russland verfügt über diese technologischen Kenntnisse. Aber wird man sie an Pjöngjang weitergeben?

    China als wichtigsten Partner nicht verärgern

    Eher nicht. Oder noch nicht. Denn auch beim Treffen von Putin und Kim in Pjöngjang gibt es einen unsichtbaren Elefanten im Raum: China. Russland wie auch Nordkorea sind auf die Unterstützung Chinas angewiesen. Weder Putin noch Kim Jong-un kann es sich erlauben, Pekings Machthaber Xi Jinping zu verärgern. Die Führung in Peking wird genau beobachten, wie weit die neue Partnerschaft zwischen Russland und Nordkorea gedeiht. Die alte Taktik aus Sowjetzeiten, als Pjöngjang wechselweise Peking und Moskau gegeneinander ausspielte, wird Xi sicherlich nicht dulden.

    Allzu erfreut über den wachsenden Einfluss Putins dürfte man in Peking nicht sein. Aber die aktuelle “Arbeitsteilung” ist noch im Sinne Pekings: China liefert Russland, was es braucht, um seine Kriegswirtschaft am Laufen zu halten. Bei direkten Waffenlieferungen ist allerdings eine rote Linie erreicht, die Peking (noch nicht) bereit ist, zu überschreiten. “Den Part der Waffenlieferungen übernimmt deshalb Nordkorea – das anders als China keinen Handel mit dem Westen zu verlieren hat und sich auch in der internationalen Politik nicht als Friedensvermittler oder Europas zukünftig bevorzugter Partner präsentieren will”, sagt Joel Attkinson, Professor für China Studies an der Hankuk University of Foreign Studies in Seoul, zu Table.Briefings.

    In dieser Arbeitsteilung spiegelt sich das große gemeinsame Ziel von Nordkorea, Russland und China wider: die gemeinsame Ablehnung einer westlich geführten Welt unter der Schirmherrschaft der USA.

    Sorgen im Westen – Deutsche Nordkorea-Mission

    Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg reagierte dementsprechend besorgt. “Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass die autoritären Mächte immer enger zusammenrücken. Sie unterstützen sich gegenseitig auf eine Art und Weise, die wir noch nie zuvor gesehen haben”, sagt er am Mittwoch in Ottawa. Nordkorea habe Russland “eine enorme Menge an Munition” geliefert, während China und Iran ebenfalls Russland im Krieg gegen die Ukraine militärisch unterstützten.   

    Die Nato will deshalb mit ihren Verbündeten im asiatisch-pazifischen Raum enger zusammenarbeiten. Aus diesem Grund hat man die Regierungschefs Australiens, Japans, Neuseelands und Südkoreas zum Nato-Gipfel im kommenden Monat nach Washington eingeladen. Derweil sollten die Europäer ihre direkten Kontakte nach Pjöngjang wieder aktivieren, die durch die Corona-Pandemie abgebrochen sind. Deutschland hat hierzu Ende Februar einen ersten wichtigen Schritt unternommen, und eine Delegation in die nordkoreanische Hauptstadt entsandt.

    Unterdessen ist Putin von Nordkorea weiter nach Vietnam gereisteinem Staat, der sich mit seiner “Bambus-Politik” sehr flexibel gibt. Beobachtern zufolge geht es auch in Hanoi um mögliche Waffenlieferungen. Zu Putins Delegation gehören jedenfalls neben dem stellvertretenden Verteidigungsminister Alexander Fomin auch der Chef der russischen Behörde für militärisch-technische Zusammenarbeit, Dmitri Schugajew, und der Direktor des Rüstungskonzerns Rosoboronexport, Alexander Michejew.

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    Wie die Reform des deutschen Völkerstrafrechts Verfolgung von Amtsträgern ermöglicht

    Bundesjustizminister Marco Buschmann hat im vergangenen Sommer große Erwartungen an die Reform des deutschen Völkerstrafrechts geweckt. “Völkerrechtsverbrechen dürfen nicht ungesühnt bleiben! Deutschland hat eine besondere Verantwortung, dieses große Versprechen des Völkerrechts mit Leben zu füllen.” Das Gesetz, das vor einigen Tagen den Bundestag passierte, hätte dieses Ziel verfehlt, wenn nicht auf den letzten Metern mutige Parlamentarier eingeschritten wären.

    Das heißt nicht, dass im Gesetzentwurf aus dem Hause Buschmann nicht viele wichtige Punkte berücksichtigt worden wären. Auf prozessualer Ebene werden die Lehren aus den weltweit beachteten deutschen Syrien-Prozessen ins Gesetz gegossen:

    • Auch bei Völkerstraftaten dürfen die Opfer künftig in Prozessen als Nebenkläger auftreten.
    • Ton- und Bildaufnahmen sind von nun an auch bei Völkerstrafprozessen zugelassen, die Übersetzung wird erleichtert, um Beobachtern aus dem Ausland den Zugang zu vereinfachen. “So wird sichergestellt, dass Völkerstrafprozesse auch über die Grenzen Deutschlands in die Welt hineinwirken können”, sagt Claus Kreß, Professor für Völkerstrafrecht an der Universität zu Köln, zu Table.Briefings. “Das entspricht dem Sinn solcher Strafverfahren. Denn die deutsche Strafjustiz handelt hierbei nicht primär im deutschen Strafverfolgungsinteresse, sondern treuhänderisch im Interesse der internationalen Gemeinschaft.”

    Auch materiell gibt es einige Neuerungen:

    • Der Tatbestand des “Verschwindenlassens” wurde ins Gesetz aufgenommen, um den Anforderungen der UN-Konvention gegen das Verschwindenlassen (CPED) zu entsprechen.
    • Zwei Waffengattungen werden unter Strafe gestellt: Waffen, die durch so kleine Splitter verletzen, dass sie selbst durch Röntgenstrahlen nicht entdeckt werden können, sowie Laserwaffen, die die dauerhafte Erblindung verursachen.
    • Die Liste der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und der Kriegsverbrechen wird um sexuelle Übergriffe, sexuelle Sklaverei und erzwungene Schwangerschaftsabbrüche erweitert.

    Zuerst fehlte aber ein wichtiger Punkt im Gesetz

    Einen zentralen Punkt hatte der Gesetzentwurf ausgespart: die Frage der funktionalen Immunität. In der Anhörung nach der ersten Lesung haben die Sachverständigen, zu denen Kreß sowie der Göttinger Strafrechtslehrer Kai Ambos gehörten, die Abgeordneten darauf hingewiesen, dass die deutsche Position in dieser Frage nicht hinreichend klar ist. Die Berichterstatter der Ampel-Parteien waren sich schnell einig, dass hier eine gesetzliche Klarstellung erforderlich sei, auch die Rechtspolitiker von CDU und CSU waren dafür.

    Und so wurde kurz vor der finalen Abstimmung noch folgende Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes ergänzt: “Funktionelle Immunität hindert nicht die Erstreckung deutscher Gerichtsbarkeit auf die Verfolgung von Verbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch.”

    Das heißt: Vor deutschen Gerichten sind ausländische Amtsträger auch bei hoheitlichem Handeln nicht vor Strafverfolgung geschützt. Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen werden sehr häufig von staatlichen Repräsentanten begangen, für das Verbrechen der Aggression gilt das so gut wie ausnahmslos.

    Deutsche Justiz verfolgt aktiv Völkerstraftaten

    Helge Limburg, rechtspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, sagte zu Table.Briefings: “Auch wer als Offizier oder hoher Staatsbeamter Völkerstraftaten begeht, soll sich dafür vor Gericht verantworten müssen. Andernfalls würde das Völkerstrafrecht in wesentlichen Teilen ins Leere laufen.” Dabei ist mit den Syrien-Prozessen sichtbar geworden, dass die deutsche Justiz bei der Verfolgung von Völkerstraftaten zuletzt deutlich aktiver geworden ist als in der ersten Zeit nach Inkrafttreten des Völkerstrafgesetzbuchs im Jahre 2002. Gegenwärtig führt der Generalbundesanwalt unter anderem Ermittlungsverfahren wegen des Angriffs Russlands auf die Ukraine.

    Neben dem Strukturermittlungsverfahren, das die Karlsruher Behörde kurz nach dem 24. Februar 2022 eingeleitet hat, führt sie personenbezogene Verfahren gegen mehrere russische Armeeangehörige. Die Anstrengungen liefen ins Leere, wenn sie aufgrund von Immunität vor Strafverfolgung geschützt wären. 

    Bis zur Klarstellung in der neuen Reform gab es in Deutschland eine verwirrende Zweistimmigkeit zur Frage der Immunität: Die Justiz stand schon länger auf dem Standpunkt, dass Beschuldigten von Völkerstraftaten keine Immunität aufgrund ihrer Funktion zukommt. Die Bundesregierung war in diesem Punkt deutlich zurückhaltender.

    BGH konkretisiert: Gegen alle Funktionsträger kann ermittelt werden.

    Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil von 2021 über die Verbrechen an den Jesidinnen entschieden, dass nachgeordnete ausländische Amtsträger keine funktionale Immunität genießen, soweit es um den Verdacht einer Völkerstraftat geht. Dass nicht nur nachgeordnete, sondern alle Funktionsträger gemeint sind, konkretisierte der Bundesgerichtshof im Februar dieses Jahres: “Die allgemeine Funktionsträgerimmunität gilt jedoch bei völkerrechtlichen Verbrechen nicht, und zwar unabhängig vom Status und Rang des Täters.”

    Die Bundesregierung war in ihrer Positionierung weniger entschieden, sie bekannte sich nicht klar dazu, Amtsträger in Völkerstrafverfahren vom Schutz der Immunität auszunehmen. “Seit 2017 hat das Auswärtige Amt Zweifel an der Unanwendbarkeit funktionaler Immunität gesät”, sagt Kreß. Diese “deutsche Janusköpfigkeit”, von der Kreß spricht, war auch durch die Stellungnahme der Bundesregierung vom Jahresende 2023 gegenüber der UN-Völkerrechtskommission nicht verschwunden.

    Zwar findet die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hierin respektvolle Erwähnung. Die Ausnahmen von der Immunität werden von der Bundesregierung aber dennoch nicht als geltendes Völkergewohnheitsrecht eingeordnet, sondern lediglich als “in statu nascendi”, im Werden begriffen. Auch die jüngste Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom Februar nahm die Bundesregierung bisher nicht zum Anlass, klar gegen funktionale Immunität im Völkerstrafrecht Position zu beziehen.

    Diplomaten befürchteten eine Verengung des Spielraums

    Der Klarstellung im Gerichtsverfassungsgesetz hat sich das Auswärtige Amt nun aber nicht entgegengestellt. Dem Vernehmen nach hatte die Fachebene Bedenken, den Passus zur Immunität in den Gesetzentwurf aufzunehmen. Die Beamten stehen auf dem Standpunkt, dass der diplomatische Spielraum nicht durch übermäßige Verrechtlichung verengt werden dürfe. Staatsministerin Katja Keul, die in der Vergangenheit selbst rechtspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion war, habe konstruktive Gespräche mit den Berichterstattern im Bundestag geführt, so ist zu hören.

    Die Position der Beamten im Auswärtigen Amt hat die Parlamentarier aber nicht dazu gebracht, ihre Meinung zu ändern. Amtsträger sind beim Verdacht von Völkerstraftaten nicht von der Immunität geschützt – das ist nun geltendes Recht. Es ist zu erwarten, dass die Bundesregierung dies in ihrer nächsten Stellungnahme auch so schreibt. Dann spräche Deutschland zu einer Grundfrage des Völkerstrafrechts wieder mit einer Stimme.  

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    Studie: Russischer Angriffskrieg stieß in zwei Jahren 175 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent aus

    In der Zeit vom 24. Februar 2022 bis zum 24. Februar 2024 war Russland Angriffskrieg für den Ausstoß von 175 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent verantwortlich. Emissionen, die der jährlichen Nutzung von 90 Millionen Autos entsprechen. Die Zahl ist eines der wichtigsten Ergebnisse der StudieClimate Damage Caused by Russia’s War“. Ihr Hauptautor, der Klimaforscher Lennard de Klerk, stellte sie Mitte Juni am Rande der Ukraine Recovery Conference (UCR) in Berlin vor.

    Das halbjährlich erscheinende Papier eines multinationalen Forscherteams fasst die Klimaschäden der ersten zwei Jahre seit Beginn des russischen Angriffs gegen die Ukraine im Februar 2022 zusammen.

    Die immense Menge an Emissionen, die das ukrainische Ministerium für Umweltschutz und natürliche Ressourcen auf 180 Millionen Tonnen schätzt, teilt sich auf verschiedene Bereiche auf:

    51,6 Millionen Tonnen der gesamten Menge CO₂-Äquivalent resultieren sich aus der direkten Kriegsführung. 22,9 Millionen Tonnen belaufen sich auf unkontrollierte Landschaftsbrände, vor allem in Frontnähe. Insgesamt 27.000 Brände verbrannten fast eine Million Hektar Land.

    Die Sperrung des sibirischen Luftraums durch Russland und die Sperrung des ukrainischen Luftraums für den kommerziellen Verkehr führten zu Umleitungen, deren zusätzlicher Treibstoffverbrauch Emissionen von 24 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent verursachte. Aus den Fluchtbewegungen von fast 7 Millionen ukrainischen Flüchtlingen und russischen Verweigerern resultierten 3,3 Millionen Tonnen.

    Angriffe auf das ukrainische Stromnetz: Ausstoß und Einsparungen

    17,2 Millionen Tonnen gehen auf die Zerstörung ukrainischer Energie-Infrastruktur, besonders in den ersten Wochen des Krieges, zurück. Hinzu kommt die Sabotage der Erdgaspipelines Nord Stream 1 und 2, die zum größten je registrierten Austritt von Methan führte.

    Was die Studie nicht mit einberechnet: Die Emissionen, die die zerstörte und damit nicht oder geringer funktionsfähige Infrastruktur einspart. Während die ukrainischen CO₂-Emissionen Berechnungen der Plattform Global Carbon Atlas zufolge 2021 noch 210 Millionen Tonnen betrugen, war es im Jahr 2022 mit 141 Millionen Tonnen ein Drittel weniger. Diese Zahlen sind nicht unproblematisch: Im Oktober 2023 fehlten dem Land durch Kriegsschäden oder russische Besatzung 44 Prozent seiner Stromkapazität aus Atomkraft, 78 Prozent seiner Wärmekraft-Kapazitäten (zumeist Kohle und Gas) und 60 Prozent seiner Kapazitäten im Bereich Kraft-Wärme-Kopplung.

    Wiederaufbau sollte klimafreundlich erfolgen

    Wichtig beim Wiederaufbau: Die alten, teils stark emissionslastigen Infrastrukturen klimafreundlich zu ersetzen. In der vergangenen Woche veröffentlichte Greenpeace eine Art “solaren Marshallplan“, der festlegte, wie dieser Wiederaufbau aussehen könnte (Climate.Table berichtete).

    Der Wiederaufbau, der größtenteils noch in der Zukunft liegt, macht mit 56 Millionen Tonnen den Großteil der Emissionen aus. Die Schäden, deren größten Teil Russland in den ersten Wochen des Krieges verursachte, belaufen sich hauptsächlich auf Wohnraum (37 Prozent) und generelle Infrastruktur (23 Prozent).

    Auch die weltweite Aufrüstung als Folge des russischen Angriffs führte zum Anstieg von Emissionen. Im Jahr 2023 erreichten die weltweiten Militärausgaben insgesamt 2,4 Billionen US-Dollar und stiegen damit seit 2022 real um 6,8 Prozent, was den stärksten jährlichen Anstieg seit 2009 darstellt.

    4.900 Fälle von Umweltschäden in zwei Jahren

    Doch nicht nur die Schäden fürs Klima, sondern auch die für die Umwelt sind enorm. Ruslan Strilet, der ukrainische Minister für Umweltschutz und natürliche Ressourcen, teilte Table.Briefings mit, sein Ministerium habe seit 2022 über 4.900 Fälle von Umweltschäden registriert.

    Zu den gravierendsten Umweltschäden gehören dem Ministerium zufolge die Luftverschmutzung mit giftigen Gasen aus Explosionen und Bränden, Wasserverschmutzung, die Zerstörung ukrainischer Wälder, sowie die massive Schädigung der ukrainischen Flora, Fauna und Naturschutzgebiete.

    “Der größte von der Russischen Föderation begangene Akt des Umweltmords war aber der Terroranschlag auf das Wasserkraftwerk Kachowka” im Juni 2023, sagt Strilet. Durch den Anschlag wurden 63,4 Tausend Hektar Waldfläche überschwemmt.

    25 bis 30 Prozent der Ukraine mit Minen kontaminiert

    Wesentliche Faktoren sind zudem Abbau und Verschmutzung von Böden durch zerstörte Geschosse und nicht explodierte Munition. Diese kontaminieren nicht nur den Boden mit Schwermetallen wie Blei, Strontium oder Titan, sondern fordern zudem in großer Zahl Menschenleben. Dem Landminen-Monitor der International Campaign to Ban Landmines (ICBL) zufolge wurden 2022 insgesamt 608 Menschen in der Ukraine durch Antipersonen-Minen oder explosive Kriegsüberreste getötet oder verletzt.

    Insgesamt sind je nach Schätzung 25 bis 30 Prozent des ukrainischen Staatsgebiets mit Minen kontaminiert – eine Fläche, viermal so groß wie die Niederlande. Die vollständige Entminung wird voraussichtlich fünf Jahrzehnte dauern.

    Krieg und Klima hängen unmittelbar zusammen

    Wenn über Kriege gesprochen und berichtet wird, geht es meist um Militär, politische Reaktionen oder Flucht – Klima und Umwelt fallen oft aus dem Radar. Und das, obwohl Kriege und Konflikte untrennbar mit dem Klima zusammenhängen: Kriege haben eine erschreckende Klimabilanz und der Klimawandel schürt weltweit Konflikte. Die beiden Faktoren werden, besonders zukünftig, gar nicht anders als gemeinsam betrachtet werden können. Anouk Schlung

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    Leopard 2: Wie Pistorius die Litauen-Brigade mit Kampfpanzern aufrüsten will

    Die ersten Leopard 2-Panzer aus Deutschland sind in der Ukraine angekommen. (Archivbild.)

    Die Bundeswehr soll 105 zusätzliche Kampfpanzer des modernsten deutschen Typs Leopard 2A8 bekommen, von denen ein gutes Drittel der geplanten deutschen Brigade in Litauen zur Verfügung stehen soll. Dafür werden knapp 2,94 Milliarden Euro veranschlagt, die allerdings in der Haushaltsplanung für die kommenden Jahre noch nicht berücksichtigt seien, heißt es in einer Vorlage für den Haushaltsausschuss des Bundestages, die Table.Briefings vorliegt. Der größte Teil der Ausgaben fällt ab 2028 an. Für die zusätzlichen Panzer entstehen zudem ab 2032 weitere 750 Millionen Euro “Nutzungskosten”, die ebenfalls noch nicht in den Etatplanungen berücksichtigt sind.

    Die ersten 35 der 105 Leopard-Panzer sollen in den Jahren 2027 und 2028 geliefert werden und damit der Kampfbrigade in Litauen die nötige Ausrüstung zur Verfügung stellen, heißt es in der Vorlage. Diese Brigade sei “eines der ersten Elemente der Vorneverteidigung im NATO-Bündnis in der Region” und brauche deshalb “eine bestmögliche und einheitliche Ausstattung”.

    Auslieferungsplan durch “angespannte Marktlage” gefährdet

    Die übrigen Gefechtsfahrzeuge sollen bis zum Jahr 2030 ausgeliefert werden. Vollausstattung mit den nötigen Waffensystemen, und eine bessere Durchhaltefähigkeit und die Modernisierung der Panzertruppe seien “ein wesentlicher Meilenstein zum Erreichen der Kriegstüchtigkeit”. Mit der Auslieferung der geplanten weiteren Leopard 2A8 würde das Heer die Zahl seiner Kampfpanzer etwa um ein Drittel erhöhen. Allerdings, so warnte das Verteidigungsministerium, sei unklar, ob der Auslieferungsplan angesichts der “aktuell auf dem Weltmarkt herrschenden angespannten Marktlage im Bereich von Elektronikkomponenten und Rohstoffen” gehalten werden könne.

    Formal wird mit der Bestellung, wenn sie vom Parlament gebilligt wird, der bestehende Rahmenvertrag des Verteidigungsministeriums und der Herstellerfirma KNDS Deutschland (ehemals Krauss-Maffei Wegmann) genutzt, der im vergangenen Jahr über bis zu 123 Panzer abgeschlossen wurde. Zunächst waren jedoch nur 18 Gefechtsfahrzeuge als Ersatz für an die Ukraine abgegebenes Material bestellt worden. tw

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    Finnische Außenpolitikerin Tuppurainen: “Deutschland muss stärker führen”

    Tytti Tuppurainen war bis 2023 finnische Ministerin für europäische Angelegenheiten.

    Die finnische Parlamentsabgeordnete Tytti Tuppurainen fordert von Deutschland “eine stärkere Führungsrolle in Europa”. Gegenüber Table.Briefings sagte die Sozialdemokratin, dass die Ukraine den Krieg gegen Russland gewinnen müsse, das sei “eine Schicksalsfrage für Europa“. In Finnland herrsche große Erleichterung über den Beitritt zur Nato vergangenes Jahr, nun gehe es darum, den europäischen Pfeiler des transatlantischen Bündnisses zu stärken. Am Rande des Progressive Governance Summit 2024, der am Freitag in Berlin beginnt, forderte die frühere finnische Europaministerin: “Wir brauchen ein starkes Deutschland, um Europa stärker zu machen.” Der Gipfel wird noch bis Samstag von der linksliberalen Denkfabrik Progressives Zentrum ausgerichtet.

    Tuppurainen sieht aktuell keine Notwendigkeit, deutsche Truppen auf finnischem Territorium zu stationieren. “Zurzeit sind wir zufrieden, was die Unterstützung der Nato anbelangt”, sagte sie, wollte aber nicht ausschließen, dass ein ähnlicher Schritt wie in Litauen erfolgen könne: “Man wird sehen, ob man in Zukunft deutsche Truppen auch in Finnland bracht.” Die Bundeswehr hat vergangenes Jahr mit der Aufstellung einer Brigade in Litauen begonnen, die der Abschreckung an der Nato-Ostflanke dienen soll. Bis 2028 sollen 5000 Soldatinnen und Soldaten dort stationiert sein.

    “Wer Frieden will, muss jetzt Waffen liefern”

    Finnland setzt beim Schutz des Landes auf mehr als 300.000 Reservisten, “die den Kern unserer Verteidigungskräfte ausmachen”, so Tuppurainen. Finnland und Russland teilen eine 1340 Kilometer lange Grenze. Sie wurde zuletzt geschlossen, um zu verhindern, dass über Russland reisende Asylbewerber das Land betreten können. Es gehe darum, “gemeinsam die europäische Abschreckung zu erhöhen”, um das Regime Wladimir Putins zu stoppen. “Beschwichtigungspolitik hat keinen Raum, Putin versteht keine Kompromisse”, so Tuppurainen, die ihre deutschen Genossinnen und Genossen am Wochenende in Berlin von einer stärkeren Unterstützung der Ukraine überzeugen will. “Wer jetzt Frieden will, muss Waffen liefern.” mrb

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    Studie: Wie sich die Militärausgaben von konservativen und linken Regierungen unterscheiden

    Konservative Regierungen investieren mehr Geld aus dem Verteidigungshaushalt in die Rüstungsindustrie und weniger in die Gehälter von Soldatinnen und Soldaten als linke Regierungen. Das zeigt eine Studie des Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim, die Table.Briefings exklusiv vorliegt.

    Dass die Militärausgaben steigen, je höher die Bedrohungslage ist, dazu gibt es reichlich wissenschaftliche Untersuchungen. Weniger bekannt ist der Zusammenhang zwischen der politischen Ausrichtung einer Regierung und den militärischen Ausgaben. Hier werden die Unterschiede vor allem dann deutlich, wenn man die Militärausgaben in Waffenkäufe, Personalkosten und andere Kosten aufschlüsselt.

    “Konservative Regierungen (…) streben eine restriktivere Finanzpolitik, also niedrigere Gehälter für Soldatinnen und Soldaten, und eine Außenpolitik der Stärke, die mit höheren Verteidigungsausgaben für Rüstung einhergeht, an”, sagt der Autor der Studie Łukasz Olejnik, Humboldt Gast-Stipendiat am ZEW. Genau umgekehrt sei es bei linken Regierungen, die aber nicht grundsätzlich geringere Militärausgaben insgesamt haben.

    Erwartungsgemäß deuten die Ergebnisse der Studie außerdem darauf hin, dass Regierungen mit hoher Unterstützung in Gemeinden mit Militärstützpunkten mehr für das Militär ausgeben. Auf diese Weise wolle man die Stammwählerschaft an sich binden, erklärt Olejnik.

    In Deutschland ist der Effekt “beobachtbar, aber relativ gering”. Die Gründe hierfür können vielfältig sein, wahrscheinlich aber stehen sie auch im Zusammenhang mit der konstanten Regierungsbeteiligung der CDU in den vergangenen zwölf Jahren. Im Zeitraum 1999-2023 beliefen sich die deutschen Militärausgaben konstant auf einem niedrigen Niveau unter zwei Prozent des Bruttosozialproduktes.

    In Ländern wie Griechenland, Zypern, aber auch Estland oder Schweden zeigt sich der Effekt in der Studie am deutlichsten. Das könnte auch daran liegen, sagt Olejnik, dass in diesen Ländern die Militärausgaben noch mehr “ideologisch, politische Fragen” darstellen.

    Grundlage für die Studie bilden neu erhobene Daten, einschließlich eines neuen Originaldatensatzes, von 510 Gemeinden bzw. Wahlkreisen aus 29 EU- und NATO-Staaten aus den Jahren 1999 bis 2022. wp

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    Europaparlament: Strack-Zimmermann will Verteidigungsausschuss leiten

    Der Unterausschuss für Sicherheit und Verteidigung im Europaparlament (SEDE) soll ein Vollausschuss werden, wie es im Umfeld der Fraktionschefs heißt. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) hat angekündigt, sich unter der Voraussetzung für den Vorsitz zu bewerben, dass es ein Vollausschuss wird und Kompetenzen vom Industrieausschuss ITRE bekommt. Strack-Zimmermann leitet zudem die deutsche Delegation der FDP-Abgeordneten in der Renew-Fraktion. Sie besteht aus fünf Abgeordneten. mgr

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    Must-Reads

    RAND: A Brief Naval Overview of the Baltic Sea Region. Die Autoren legen dar, wie Russland mit einer Seeblockade in der Ostsee erreichen könnte, die Fähigkeit der baltischen Staaten so einzuschränken, dass sie das Meer nicht mehr für militärische und kommerzielle Zwecke nutzen könnten.

    Carnegie Politika: How the Latest Sanctions Will Impact Russia and the World. Die neuen Strafmaßnahmen der USA gegen das russische Finanzsystem werden die Wirtschaft des Landes hart treffen, sagt die Autorin des Textes voraus. Sie erläutert, wie und erklärt, warum diese Sanktionen zwei Jahre zu spät kommen. Das Wichtigste aber: Die Sanktionen beschleunigen die Zersplitterung des globalen Finanzsystems.

    Correctiv: China Science Investigation – Die Bling-Bling-Professoren aus Aachen. In dem Stück erheben Insider schwere Vorwürfe gegen die Professorenschaft der RWTH Aachen. Die Forschung werde dort immer mehr zur Nebensache. An erster Stelle stehe stattdessen für viele an der Universität die persönliche Bereicherung – mit Geld aus China.

    Neue Züricher Zeitung: Gehen der Ukraine die Soldaten aus? Diese visuell aufbereitete Datenanalyse zeigt, wie die Ukraine Schwierigkeiten hat, genug Soldaten für ihren Verteidigungskrieg zu rekrutieren. Bleibt die Altersgrenze zwischen 25 und 60 Jahren, dann verfügt die Ukraine über rund elf Millionen Männer im wehrfähigen Alter. Die wenigstens sind militärdiensttauglich.

    New York Times: Congress Debates Expanded Draft Amid Military Recruitment Challenges. Seit zwei Jahrzehnten sinkt in den USA die Zahl der freiwilligen Militärdienstleistenden. Um hier gegenzusteuern, könnte die automatische Registrierung Heranwachsender, die für den Wehrdienst geeignet wären, auch auf Frauen ausgeweitet werden.

    Podcast. dis:arm: Waffenexporte außer Kontrolle. Der frühere Linken-Abgeordnete Jan van Aken und die Journalistin Linda Peikert sprechen mit ECCHR-Juristen über Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien und Israel. Detaillierter Rückblick auf die deutsche Exportpraxis und Genehmigungspraxis. 50 Minuten.

    Heads

    Kaja Kallas – Hart gegen Russland

    Als EU-Außenbeauftragte könnte Kaja Kallas der baltischen Region mehr Bedeutung verschaffen.

    Sie mag das Klischee der “Eisernen Lady”. Darauf angesprochen, lächelt Kaja Kallas sehr fein und antwortet in perfektem Englisch: War die britische Premierministerin Maggie Thatcher nicht eine erfolgreiche Frau? Kallas schafft es, diese rhetorische Erwiderung nicht arrogant klingen zu lassen, sondern selbstbewusst. Und der Erfolg könnte ihr recht geben. Ihre Chancen, bald EU-Außenbeauftragte zu werden, stehen nicht schlecht.

    Auch ohne dieses Amt gehört die liberale Regierungschefin des kleinen Estlands zu den erfolgreichen nordischen Politikerinnen. Wie die finnische Außenministerin Elina Valtonen oder die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen repräsentiert sie eine neue Frauengeneration in der Politik: klug, weltgewandt und machtbewusst. Statt in dezenten dunklen Anzügen treten sie in bunten Kleidern auf die große Bühne der Politik. Mit Aussagen, die vor allem bei Kallas gern sehr deutlich sind.

    Die Angst vor dem Atomschlag hält sie für abwegig

    Schon vor dem Angriff Russland auf die Ukraine im Februar 2022 warnte sie vor einem Überfall und forderte mehr Waffenlieferungen. “Russland ist die größte Bedrohung für uns Europäer.” Auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2023 setzte sie auf offener Bühne Bundeskanzler Olaf Scholz unter Druck und forderte, europaweit Munition für die Ukraine zu organisieren. Sie erhöhte nicht nur die Verteidigungsausgaben ihres eigenen Landes, sie forderte vor allem die anderen Europäer auf, mehr in ihre Sicherheit zu investieren. Die – vor allem in Deutschland verbreitete – Angst vor einem russischen Atomschlag hält sie für abwegig: “Das Ziel ist Einschüchterung, und das funktioniert in einigen Ländern.”

    Aus Kallas spricht das neue Selbstbewusstsein der kleinen nordischen Staaten. Auch gegenüber dem großen Deutschland. “Ich habe das Gefühl, wir sind in den vergangenen Jahren mehr gehört worden als jemals zuvor.” Im Gespräch mit Table.Briefings erklärte sie, dass man lange einen ganz anderen Eindruck gehabt habe. “Über die 50 Jahre, die wir besetzt waren, wissen die Deutschen recht wenig. Sie haben uns nicht vermisst, aber wir sie schon! Darüber müssen wir reden.”

    Das tut sie. Sehr deutlich auch, wenn sie mit Deutschen spricht. Und sie erwähnt dabei immer wieder, dass man in Estland nicht vergessen habe, welche Politik Deutschland gegenüber Russland lange verfolgt habe. Ihre Kritik verpackt die Regierungschefin eines Staates mit 1,3 Millionen Einwohnern dann mit einem süffisanten Lächeln: “Wir wissen, wie Russland operiert und wohin das führen kann.”

    Moskau hat Kallas zur Fahndung ausgeschrieben

    Ihre drastischen Worte scheinen den russischen Machthaber zumindest zu ärgern. Im Februar setzte das russische Innenministerium die estnische Regierungschefin auf eine Fahndungsliste. Kallas Regierung hatte die Demontage ehemaliger sowjetischer Denkmäler veranlasst. “Das ist ein weiterer Beweis dafür, dass ich das Richtige tue”, schrieb sie daraufhin unerschrocken auf X. Man darf gespannt sein, wie sie als potenzielle EU-Außenbeauftragte mit dem Russland-Freund Viktor Orbán umgehen wird.

    Als die Juristin und dreifache Mutter als erste Frau 2021 Premierministerin wird, zählte sie zu den beliebtesten Politikerinnen. So populär sie heute auf der europäischen Bühne ist, so sehr hat ihr Image im eigenen Land jedoch gelitten. Eine Affäre um ihren Ehemann, der auch nach dem Februar 2022 mit einem Logistikunternehmen Geschäfte mit Russland gemacht hat, schadete ihr nachhaltig.

    “Estland ist zu klein für sie.”

    Bei der Wiederwahl 2023 gelang Kaja Kallas mit der liberalen Reformpartei zwar ein knapper Sieg. Aber ihre Zustimmungswerte sanken rapide, auch weil gestiegene Energiepreise und unpopuläre Sparmaßnahmen die Esten verärgern. Was aber nichts an der Tatsache ändert, dass ihre Kandidatur für ein europäisches Amt in Estland breit unterstützt wird.

    Längst macht Kallas keinen Hehl mehr aus ihren Karriereplänen. Und man läge wohl nicht falsch mit der Behauptung, die 47-Jährige sehe ihre Zukunft eher in Brüssel denn in Tallinn. “Estland ist zu klein für sie”, urteilt denn auch Elisabeth Bauer, lange für die Konrad-Adenauer-Stiftung in den nordischen Ländern unterwegs: “Sie ist eine leidenschaftliche Europäerin”. Und auch eine mit Erfahrung: Die ehemalige Europaabgeordnete – zwischen 2014 und 2018 – weiß, wie Brüssel tickt.

    Ihre Kandidatur für das Amt der EU-Außenbeauftragten kann man durchaus auch als Signal lesen. Eines, das der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni gar nicht gefällt. Mit Kallas gewinnt der Norden an Einfluss, nicht nur in der EU, auch in der Nato: Für den Posten des Nato-Generalsekretärs war sie übrigens auch mal im Gespräch. Nana Brink

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    Ansgar Meyer – neuer Kommandeur des Zentrums Innere Führung

    Wenn Brigadegeneral Ansgar Meyer am Freitag das Kommando über das Zentrum Innere Führung der Bundeswehr in Koblenz übernimmt, ist es die dritte Verwendung in Folge, in der der 59-jährige Panzeroffizier als Troubleshooter eingesetzt wird. Als er im Juni 2021 als letzter deutscher Kontingentführer den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan organisierte (von der späteren Evakuierungsmission in Kabul war da noch nicht die Rede), stand schon fest, dass er wenige Monate danach an die Spitze des Kommandos Spezialkräfte (KSK) wechseln sollte. Im Jahr davor war das KSK wegen rechtsextremistischer Vorfälle, aber auch Unregelmäßigkeiten wie einer Amnestie für verloren gegangene Munition in die Schlagzeilen geraten; zeitweise hatte der Fortbestand des Verbandes auf der Kippe gestanden.

    In der vergangenen Woche übergab Meyer an seinen Nachfolger Brigadegeneral Alexander Krone ein KSK, das seit seinem Amtsantritt keine Negativschlagzeilen mehr produziert hatte. Ähnliche Hoffnungen dürften sich auch mit der neuen Aufgabe des Heeresgenerals verbinden. Er übernimmt die Führung des “zentralen Kompetenzzentrum für alle Fragen rund um die Führungskultur der deutschen Streitkräfte und die ethischen Grundlagen des Soldatenberufes”, nachdem sein Vorgänger Generalmajor Markus Kurczyk im Herbst vergangenen Jahres wegen des Vorwurfs der sexuellen Belästigung eines Soldaten als Kommandeur des Zentrums abgesetzt worden war. Die Vorwürfe, die Kurczyk bestreitet, sind disziplinarisch noch nicht geklärt. tw

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    Jan Knutsson – Schwedens neuer Nato-Botschafter

    Jan Knutsson wird ab diesem Herbst der neue Botschafter Schwedens bei der Nato in Brüssel. Er folgt damit auf Axel Wernhoff, der den Posten als erster nach dem Beitritt Schwedens in das Verteidigungsbündnis übernommen hatte. Ministerpräsident Ulf Kristersson sagte dazu, die Integration Schwedens in die NATO ist eine der “wichtigsten sicherheitspolitischen Aufgaben” des Landes und Knutsson ist mit Blick auf seine langjährige Erfahrung im außen- und sicherheitspolitischen Bereich für diese Rolle “besonders geeignet”. wp

    Derzeit ist er Staatssekretär im schwedischen Außenministerium.

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