Table.Briefing: Security

EU uneins über Rüstungsbonds + Israel greift im Westjordanland durch

Liebe Leserin, lieber Leser,

während Donald Trump die finanziellen Anforderungen an Nato-Mitglieder immer höher schraubt, verheddern sich Europas Regierungschefs im Kleinklein der Finanzierung künftiger Rüstungsprojekte.

Vor allem Italien spricht sich vor dem außerordentlichen EU-Gipfel am 3. Februar im Château de Limont bei Lüttich für eine gemeinsame Finanzierung neuer Rüstungsprojekte aus. Doch Deutschland ist dagegen. Zusammen mit Frankreich, den Niederlanden, Schweden, Dänemark und Finnland betont das Bundeskanzleramt die Bedeutung der nationalen Finanzierung sowie die Rolle privater Investitionen, hat mein Brüsseler Kollege Eric Bonse für Sie recherchiert. 

Wie hart die israelische Armee in Dschenin seit dem Waffenstillstand in Gaza gemeinsam mit Geheimdienstkräften und Polizei gegen Palästinenser vorgeht, um “den Terrorismus in der Region auszulöschen”, hat meine Kollegin Vera Weidenbach für Sie aufgeschrieben.

Ihr
Kai Schöneberg
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Analyse

Vor dem informellen Verteidigungsgipfel: Bericht legt Uneinigkeit der EU-Staaten offen

Beim außerordentlichen EU-Gipfel am 3. Februar im Château de Limont in der Nähe von Lüttich droht Streit um die Verteidigungspolitik. Unter den Staats- und Regierungschefs gibt es Meinungsverschiedenheiten zur Finanzierung möglicher künftiger Rüstungsprojekte – aber auch über die Frage, welche Kapazitäten die EU gemeinsam entwickeln will und wie die Governance aussehen soll. Dies geht aus einem diplomatischen Drahtbericht hervor, den Table.Briefings einsehen konnte.

Die Differenzen bestehen schon länger. Bundeskanzler Olaf Scholz hat wiederholt betont, dass allein die Mitgliedstaaten für Verteidigung zuständig seien. Die EU könne bei Forschung und Entwicklung helfen, sei aber nicht dazu da, Rüstung zu finanzieren, sagte er beim EU-Gipfel im vergangenen Juni.

Mit dieser Haltung steht Scholz offenbar nicht allein. Die Finanzierung werde bei der Klausur der Staats- und Regierungschefs Anfang Februar “das schwierigste Thema”, heißt es in dem Bericht aus dem Ausschuss der Ständigen Vertreter in Brüssel.

Für eine gemeinsame Finanzierung neuer Rüstungsprojekte, wie sie die EU-Kommission anstrebt, spricht sich demnach vor allem Italien aus. Eine größere Gruppe um Deutschland, Frankreich, die Niederlande, Schweden, Dänemark und Finnland betont hingegen die Bedeutung der nationalen Finanzierung sowie die Rolle privater Investitionen. Wobei das Lager der Frugalen zuletzt Risse zeigte. So deutete die dänische Regierungschefin Mette Frederiksen im Dezember einen Kurswechsel an und wollte gemeinsame Schulden nicht mehr ausschließen. Sie sehe nicht, wie die nötigen Investitionen mit den traditionellen Instrumenten finanziert werden könnten.

Größere Rolle für EIB

Um private Investitionen zu fördern, solle etwa die Rolle der Europäischen Investitionsbank (EIB) ausgebaut werden. EIB-Chefin Nadia Calviño hatte beim Ecofin-Treffen am Dienstag in Brüssel angekündigt, die Finanzierung von Rüstungsprojekten auszuweiten. Im vergangenen Jahr habe die Förderbank die Rekordsumme von einer Milliarde Euro in Sicherheit und Verteidigung investiert, sagte Calviño. Im neuen Jahr rechne sie mit einer Verdoppelung. Allerdings fördert die EIB nur Dual-Use-Produkte, die sich sowohl zivil als auch militärisch nutzen lassen.

Für neue, innovative Finanzquellen sprechen sich dem Bericht zufolge nur einzelne Länder wie Tschechien oder Rumänien aus. Lettland und Finnland mahnten, auch “out of the box” zu denken, um schnell neue Finanzquellen zu erschließen. Damit ist offenbar die Vergabe neuer europäischer Schulden (Eurobonds) zur Finanzierung von gemeinsamen Rüstungsprojekten gemeint, wie sie EU-Verteidigungskommissar Andrius Kubilius ins Gespräch gebracht hat. Als mögliche Optionen wird auch diskutiert, bei der Taxonomie private Investitionen in Rüstungsindustrien nicht länger zu diskriminieren oder die brachliegenden Gelder des Eurorettungsfonds ESM zu nutzen. Weiter könnten beim nächsten MFR Gelder umgeschichtet werden.

Merz gegen gemeinsame Schulden

Deutschland lehnt die Option neuer Schulden jedoch bisher ab und sieht auch die Nutzung des ESM kritisch, unter anderem mit Blick auf die kritische Haushaltssituation in Frankreich oder Italien. Auch CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz betonte am Donnerstag, zunächst müssten die strukturellen Defizite bei der Beschaffung von Verteidigungsgütern in Europa angegangen werden. “Und bevor wir uns der Vereinfachung, der Standardisierung und Skalierung widmen, halte ich neue mitgliedschaftlich finanzierte Fonds oder gar gemeinschaftliche Schulden für nicht zielführend.”

Vorbehalte gibt es in Berlin auch gegen die Idee, den Erwerb von militärischen Kapazitäten auf EU-Ebene planen und umsetzen zu lassen. Auch Frankreich sieht hier, folgt man dem Drahtbericht, keinen europäischen Mehrwert. Denkbar sei allenfalls, die Europäische Rüstungsagentur EDA aufzuwerten. Sie könne beginnen, über gemeinsame Kapazitäten und Koordinierungsinstrumente nachzudenken.

Tusk sieht keine Alternative

Scholz hatte sich am Mittwoch mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Paris getroffen. Dabei stimmten sie auch ihre Haltung für den Sondergipfel Anfang Februar ab. Beschlüsse werden bei dem informellen Treffen nicht erwartet. Die wichtigste Frage sei nicht, mit welcher Methode europäische Verteidigungsprojekte finanziert würden, sagte der polnische Regierungschef Donald Tusk diese Woche im EU-Parlament. Wichtiger sei, dass es keine Alternative, keine Wahl gebe: “Wir müssen uns selbst verteidigen können, was heißt, dass europäisches Geld dafür ausgegeben werden muss”.

Ratspräsident António Costa will zur Diskussion stellen, welche Rüstungsprojekte die Europäer gemeinsam angehen und wie diese finanziert werden könnten. Zur Frage der Finanzierung seien auch mit Blick auf die Bundestagswahl keine Entscheidungen zu erwarten, so Diplomaten. Costa will am Ende der Klausur in Brüssel seine Schlussfolgerungen mündlich vortragen. Mit Stephan, Israel, Wilhelmine Preußen

  • Andrius Kubilius
  • EDA
  • MFR

Westjordanland: Israels Militär greift nach Waffenruhe in Gaza durch

Nach dem Stopp der Kämpfe in Gaza hat die israelische Armee gemeinsam mit Polizei und Geheimdienst eine groß angelegte Operation im Westjordanland gestartet. Am Dienstag umstellten israelische Truppen, gedeckt durch Luftschläge, das Flüchtlingscamp in der Stadt Dschenin im Norden der von Israel besetzten Region. Das Camp ist eine Siedlung am Rande der Stadt, in dem überwiegend Familien und Nachfahren der während des Kriegs im Jahr 1948 vom heutigen israelischen Staatsgebiet vertriebene Palästinenser leben. Gepanzerte Bulldozer begannen damit, Straßen im Camp zu zerstören. Zwölf Menschen wurden seit Beginn der Operation nach palästinensischen Angaben getötet und mehrere Dutzend verletzt. Etwa 60 Personen wurden festgenommen.

Die Operation startete, nachdem Israel im Austausch für drei Geiseln 90 palästinensische Gefangene freigelassen hatte. Laut den Israel Defence Forces (IDF) war die Operation seit längerem vorbereitet worden. Sie sollte eine Reaktion auf verstärkte Sicherheitsrisiken durch Straßenbomben sowie einen Terroranschlag auf einen Bus Anfang Januar sein, bei dem drei Israelis getötet worden waren.

Die palästinensischen Angreifer stammten laut IDF aus Dschenin. Seitdem hatte das Militär seine Präsenz durch Checkpoints um die Stadt herum massiv erhöht. Am Donnerstag töteten die Soldaten zwei Palästinenser, die den Bus angegriffen haben sollen. Das israelische Militär teilte mit, die beiden Männer hätten sich in einem Gebäude im Dorf Burkin verbarrikadiert. Ein Soldat sei bei einem Schusswechsel verletzt worden. Die beiden Männer seien Kämpfer des Islamischen Dschihad gewesen. Gleichzeitig sollen hunderte Palästinenser aus Dschenin laut palästinensischen Angaben ihre Wohnungen verlassen haben. Am Donnerstag habe die israelische Armee mit an Drohnen und Fahrzeugen befestigten Lautsprechern zur Evakuierung aufgerufen, teilte der Gouverneur Kamal Abu al-Rub der Nachrichtenagentur AFP mit. Die israelische Armee erklärte hingegen, ihr lägen keine Informationen über eine Evakuierungsanordnung für Dschenin vor.

Netanjahu unter Druck, dem Deal weiter zuzustimmen

Es ist bereits die dritte Militäroperation in Dschenin in den vergangenen 15 Monaten. Was dieses Mal anders ist: In einem Statement sagte der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich am Dienstag, “Nach Gaza und Libanon haben wir nun eine Änderung der Sicherheitsstrategie [im Westjordanland] begonnen und eine Kampagne gestartet, um den Terrorismus in der Region auszulöschen”.

Laut Smotrich habe seine Partei durchgesetzt, dies als Kriegsziel zu den bestehenden Zielen des Kampfs gegen die Hamas hinzuzufügen. Premierminister Benjamin Netanjahu ist unter großem innenpolitischem Druck, seine ultrarechten Koalitionspartner dazu zu bewegen, dem Deal zur Waffenruhe in Gaza und Befreiung der Geiseln weiter zuzustimmen. Bisher ist nur die erste Phase des Deals beschlossen.

Im Dezember hatten Sicherheitskräfte der Palestinian Authority (PA) Operationen gegen Mitglieder der bewaffneten Milizen in Dschenin begonnen, um die Kontrolle über die Stadt wiederzuerlangen. Die PA zog sich mit dem Beginn der israelischen Operation zurück. Diese läuft unter dem Namen “Iron Wall” und ist laut Smotrich und Verteidigungsminister Israel Katz eine “langfristige und andauernde Operation”. Smotrich fügte in seinem Statement hinzu, sie solle “die Siedlungen und Siedler und die Sicherheit Israels schützen.”

Siedler setzen Autos und Häuser in Brand

In zwei palästinensischen Dörfern im Norden des Westjordanlands eskalierte die Siedlergewalt mit dem Beginn der Waffenruhe und der Freilassung der palästinensischen Gefangenen: Laut palästinensischen Behörden schmissen maskierte Männer in den palästinensischen Orten am Montag Steine und setzten Autos und Häuser in Brand. Nach Angaben des Roten Kreuzes wurden zwölf Menschen verletzt.

Israel hat das Westjordanland seit 1967 völkerrechtswidrig besetzt. Seit dem Antritt von Netanjahus Koalition mit ultrarechten Parteien hat die Anerkennung von vormals illegalen jüdischen Siedlungen und die Annexion von Land drastisch zugenommen. Als Reaktion auf die zunehmende Gewalt durch jüdische Siedler verhängten die USA unter Präsident Joe Biden Sanktionen gegen beteiligte Organisationen und Einzelpersonen. US-Präsident Donald Trump hob diese als eine seiner ersten Amtshandlungen per Dekret wieder auf.

  • Benjamin Netanjahu
  • Israel
  • Palästina
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News

MGCS: Pistorius und Lecornu verkünden Gründung von Projektgesellschaft

Die Unternehmen, die am deutsch-französischen Panzerprojekt Main Ground Combat System (MGCS) arbeiten, sind einen weiteren Schritt in dem Projekt gegangen. Am Donnerstagabend sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius bei einem Treffen mit seinem französischen Amtskollegen Sébastien Lecornu in Paris, dass die beteiligten Unternehmen (KNDS Deutschland, KNDS Frankreich, Rheinmetall Landsysteme und Thales Six) sich auf die Gründung einer gemeinsamen Projektgesellschaft verständigt hätten.

Die neue Projektgesellschaft solle Ansprechpartner für die Verteidigungsministerien sein. Das sei “ein wichtiger Meilenstein in diesem großen Projekt”, sagte Pistorius. Eigentlich hatte man schon früher so weit sein wollen. Nun können die Verträge mit der Industrie finalisiert werden.

Deutsch-französische Brigade soll Vorbild für mehr sein

Der Besuch in Paris war für Pistorius das Ende einer zweitägigen Tour durch Litauen, Polen und Frankreich. Sie sollte auch ein Signal der Geschlossenheit senden. “Sie sehen, dass der deutsch-französische Motor nicht stottert, er läuft”, sagte der Verteidigungsminister am Abend in Paris. Das konnte er glaubhafter als Bundeskanzler Olaf Scholz vermitteln, der am Mittwoch den französischen Präsidenten Emmanuel Macron ebenfalls in Paris getroffen hatte.

Pistorius und Lecornu haben die deutsch-französische Brigade der Nato zur Verfügung gestellt, wie Pistorius sagte. Damit stehe die Brigade für Ausbildung und Nato-Übungen zur Verfügung. Teile der Brigade sollen dann auch an einer Übung des multinationalen Korps Nordost teilnehmen, das in Stettin stationiert ist. Damit mache man “einen ganz wichtigen, großen qualitativen Schritt in Richtung Einsatzfähigkeit dieser ganz, ganz besonderen Brigade, die auch Vorbild für mehr sein kann”, sagte Pistorius. Außerdem unterzeichneten Lecornu und Pistorius eine technische Vereinbarung für die deutsch-französische Lufttransportstaffel im französischen Evreux, in der es um weitere Details zu Infrastruktur und Finanzen ging – konkreter wurden die Minister nicht. bub

  • Deutsch-Französische Brigade
  • Frankreich
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  • Verteidigung
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  • Waffenkäufe

US-Militär diskutiert Einsatz von Truppen an der Grenze zu Mexiko

Bis zu 10.000 Soldatinnen und Soldaten sollen in den nächsten Wochen und Monaten an die Grenze zu Mexiko verlegt werden. Präsident Donald Trump hatte am Tag seiner Amtseinführung in einem Dekret den nationalen Notstand an der Südgrenze ausgerufen. Der amtierende Verteidigungsminister Robert Salesses erklärte am Mittwoch, es seien bereits 1.500 Militärs unterwegs, “sowie Hubschrauber mit zugehörigen Besatzungen und Geheimdienstanalysten.” Im Rahmen der Grenzmission des US Northern Command sind bereits 2.200 Soldaten vor Ort.

Der Einsatz des Militärs, den Trump bereits im Wahlkampf angekündigt hatte, ist rechtlich umstritten. Der “Posse Comitatus Act” verbietet es dem Präsidenten grundsätzlich, das Militär innerhalb der USA einzusetzen, vor allem gegen Zivilisten. Davon ausgenommen ist die National Guard, die rund 440.000 Mitglieder zählt. Schon in seiner ersten Amtszeit hat Trump mehrfach versucht, diese Regeln zu umgehen, zum Beispiel bei den Protesten nach dem Tod von George Floyd 2020 in Washington. Die einzige Rechtsgrundlage für einen Einsatz wäre der “Insurrection Act”. Dieses Gesetz erlaubt es dem Präsidenten, Einheiten der Streitkräfte im Inneren einzusetzen, um “einen Aufstand niederzuschlagen”. Das Gesetz fand seine letzte Anwendung während der Unruhen von 1992, als der Gouverneur von Kalifornien um Hilfe des Bundes gebeten hatte.

“Intensive, aber stille” Diskussion in der Militär-Community

In seiner “Executive Order” vom Montag gibt Präsident Trump dem Pentagon 90 Tage Zeit für eine Erklärung, wie man den “Insurrection Act” aktivieren könnte. Nach Ansicht von Joseph Nunn vom Brennan Center for Justice an der New York University of Law besteht die Gefahr, dass Trump das Militär “als seine eigene Polizei nutzen wird”. Nunn plädiert wie eine Reihe von Juristen seit Jahren dafür, das Gesetz zu reformieren. Es gebe “keine aussagekräftigen Kriterien, die bestimmen, wann es für einen Präsidenten angemessen ist, das Militär im Inneren einzusetzen”.

Laut einem Bericht von Politico hat Trumps Entscheidung, das Militär an der Grenze einzusetzen, eine “intensive, aber stille” Diskussion in der Militär-Community ausgelöst. Eine Reihe von ehemaligen Generälen warnt davor. Soldaten seien dafür ausgebildet, “einen Feind zu bekämpfen”. An der Grenze jedoch hätten sie es mit unbewaffneten Einwanderern zu tun. Für einen polizeilichen Einsatz hätten reguläre Streitkräfte keine Einsatzregeln, so Anthony Paff, Ex-Berater im Pentagon und Dozent am U.S. Army War College. Gegenüber Table.Briefing erklärte er, “dies könnte zu einer unbeabsichtigten Eskalation führen, die schwer beherrschbar ist”. nana

  • US-Militär

Thinktank: US-Streitkräfte können China und Russland nicht mehr abschrecken

Die US-amerikanischen Streitkräfte denken nicht langfristig und strategisch und setzen bei der Ressourcenplanung die falschen Prioritäten. Sie seien nicht in der Lage, China und Russland abzuschrecken, wenn sie nicht die Fähigkeiten und Kapazitäten aufbauen, um ihre Drohungen glaubwürdig zu hinterlegen, heißt es in einem am Dienstag erschienenen Strategiepapier des US-amerikanischen Thinktanks Mitchell Institute for Aerospace Studies. Fazit: “In naher Zukunft könnte dieses Versagen der Abschreckung sehr wohl zu einem Krieg zwischen den Vereinigten Staaten und China führen.”

In dem 26-seitigen Papier fordern die Autoren von der kommenden Trump-Administration eine tiefgreifende Strukturreform des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums. Konkret:

  • Es soll eine umfassende Neubewertung der nationalen Sicherheit stattfinden, die Bedrohungslage objektiv bewertet und die Mängel bestehender Strategien anerkannt werden.
  • Es sollen sofortige Maßnahmen ergriffen werden, um das Verteidigungsministerium umzustrukturieren und die organisatorischen Mängel zu beheben, die frühere Reformbemühungen zur Bekämpfung der Bedrohungen durch China und Russland behindert haben.
  • Der Verteidigungshaushalt soll erhöht werden, um ihn an die aktuelle Bedrohungslage anzupassen.
  • Die Verteidigungsfähigkeiten sollen neu bewertet werden und Investitionen auf der Grundlage einer Kosten-Nutzen-Analyse zwischen den Teilstreitkräften verschoben werden. Dies erfordert eine ganzheitliche Überprüfung der Rollen und Aufgaben der Teilstreitkräfte zur nationalen Verteidigungsstrategie.

Der Ursprung der fehlgeleiteten Ressourcenplanung liegt aus Sicht der Autoren im sogenannten Goldwater-Nichols Reform Act von 1986. Die damalige Umstrukturierung des Verteidigungsministeriums und die damit einhergehende bürokratische Struktur würde die Streitkräfte daran hindern, langfristige strategische Planung zu betreiben. Stattdessen würden nur die unmittelbaren Anforderungen an die Kommandos der Streitkräfte und der zivilen Verteidigungsbürokratie bedacht, heißt es in dem Papier. klm

  • Militär
  • USA
  • Verteidigung

Atomwaffen in Europa: Karl-Heinz Kamp fordert Ausweitung der US-Abschreckung

Der frühere Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Karl-Heinz Kamp, spricht sich dafür aus, mehr US-Atomwaffen in Europa zu stationieren. In einer Analyse für die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik, die am kommenden Montag erscheint, argumentiert er, die USA würden künftig über rund 480 modernisierte B61-12 Bomben verfügen, von denen “ein nicht geringer Teil” nach Europa verlegt werden könne. Das könne ein Bekenntnis zur Nato und ein deutliches Abschreckungssignal an Russland sein.

Schon in seiner ersten Amtszeit hatte US-Präsident Donald Trump die nukleare Abschreckung ausgebaut. Wenn die europäischen Nato-Länder ihre Verteidigungsausgaben erhöhen würden, seien auch die USA zu einer effizienten Nato-Abschreckung bereit, so Kamp.

Außerdem sei es für die europäischen Nato-Staaten sinnvoll, ihr Atomwaffen-Spektrum zu vergrößern. So könnten sie flexibler mit Nuklearwaffen reagieren.

Weitere Kernwaffenlager in Osteuropa würden auch russische Angriffspläne verkomplizieren. Zum Beispiel könnten F35-Kampfjets, die Polen 2025 erhält, nuklear zertifiziert oder US-Kernwaffen dort permanent stationiert werden.

Es sei “klug, weiterhin auf die nukleare Teilhabe europäischer Staaten mit den USA zu setzen”, sagte CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter zu Table.Briefings, weil die Nichtverbreitung von Atomwaffen weiterhin angestrebt werden müsse. Mittelfristig sei es sinnvoll, über “eine Stationierung amerikanischer Fähigkeiten in der Ukraine nachzudenken, sobald die Ukraine Nato-Mitglied geworden ist”. Eine solche Stationierung sei “die ultimative Sicherheitsgarantie”. Derzeit sei in Osteuropa aber die Stationierung von Mittel- und Langstreckenfähigkeiten sowie größerer Landfähigkeiten dringlicher. bub

  • Atomwaffen
  • Europa
  • Russland
  • USA

Luftwaffe ab August acht Monate am Schwarzen Meer

Zum Schutz der Nato-Südostflanke wird die Bundeswehr erstmals regulär die Luftraumüberwachung an der rumänischen Schwarzmeerküste übernehmen. Das kündigte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Donnerstag bei seinem Besuch in Polen an. Nach Angaben der Luftwaffe werden bis zu sechs Eurofighter des Taktischen Luftwaffengeschwaders 71 “Richthofen” aus Wittmund ab August für acht Monate auf der Luftwaffenbasis Mihail Kogălniceanu in der Nähe von Constanta am Schwarzen Meer stationiert.

Die Luftwaffe hatte sich bereits in den Vorjahren an dem sogenannten Air Policing South beteiligt, bei dem wechselnd Allianzmitglieder in Rumänien Kampfjets stationierten, so zuletzt 2023. Bislang waren die deutschen Verbände aber immer nur kurzfristig an der Schwarzmeerküste im Einsatz und übernehmen nun erstmals gleich zwei der viermonatigen Rotationen. Seit mehr als 20 Jahren hatte die Bundeswehr allerdings solche Einsätzen an der Nordostflanke der Allianz über dem Baltikum geflogen. tw

  • Bundeswehr
  • Luftwaffe
  • Nato

Schutz kritischer Infrastruktur: Kritis-Dach ist tot, lebt NIS-2?

Das Kritis-Dachgesetz, das den physischen Schutz kritischer Infrastruktur verbessern soll, wird in dieser Legislatur nicht mehr kommen. Die Industrie fürchtet deshalb einen Rückschlag für den Schutz kritischer Infrastrukturen.

“Angesichts zunehmender Cyberangriffe, Sabotageakte und hybrider Bedrohungen wird wertvolle Zeit verspielt, in der dringend notwendige Maßnahmen zur Stärkung der Resilienz hätten umgesetzt werden müssen”, sagte Iris Plöger aus der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) zu Table.Briefings.

Bis Mitte Oktober hätte Deutschland die CER-Richtlinie in nationales Recht, also das Kritis-Dachgesetz, umsetzen müssen. Die EU-Kommission hat wegen des Verzugs im vergangenen Jahr bereits ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Gleiches gilt für die NIS-2-Richtlinie, die den digitalen Schutz kritischer Infrastruktur sicherstellen soll.

FDP könnte Cybersicherheitsrichtlinie NIS-2 noch mittragen

Nachdem die Union erklärt hat, keines der Sicherheitsgesetze mehr zu unterstützen, lagen die Hoffnungen für die Umsetzung der Richtlinien auf der FDP. Für das Kritis-Dachgesetz, dessen Entwurf erst am Tag des Bruchs der Ampel vorgelegt wurde, haben die Liberalen bereits klargestellt, dass auch mit ihrer Unterstützung nicht mehr gerechnet werden kann. “Resilienzmaßnahmen müssen höchsten Standards genügen. Der Entwurf bleibt jedoch hinter diesem Anspruch zurück”, betonte der Berichterstatter der FDP, Manuel Höferlin, im Gespräch mit Table.Briefings.

Unterdessen verhandeln Berichterstatter von SPD, Grünen und FDP allerdings noch über das NIS-2 Umsetzungsgesetz. Dabei schien die Kritik an diesem Gesetzentwurf nach der Anhörung von Sachverständigen im vergangenen Jahr sogar noch stärker als beim Kritis-Dachgesetz.

Die Chefin der Cybersicherheitsbehörde des Bundes, Claudia Plattner, betonte dagegen, dass der Entwurf eine “solide Grundlage” sei, um das Thema Cybersicherheit gemeinsam anzugehen. Wo es nötig sei, könne man immer noch nachbessern. So sieht es auch die Industrie, die fordert, die Anforderungen der EU-Richtlinie noch in dieser Legislatur umzusetzen. Strittige Themen wie den Einsatz kritischer Komponenten, das Schwachstellenmanagement und die Zentralstellenfunktion des BSI solle die künftige Regierung regeln. wp

  • Cybersicherheit
  • Kritische Infrastruktur
  • NIS-2

Must-Reads

Correctiv: Russland greift in deutschen Wahlkampf ein. Correctiv deckt in seiner neusten Recherche die russische Einflussoperation “Storm-1516” auf. Es handelt sich um rund 100 Fake-Nachrichtenseiten, die sich in die kommenden deutschen Bundestagswahlen einmischen sollen.

Table.Briefings: Wie Privatsoldaten in Afrika eingesetzt werden. Zwischen 1980 und 2016 fanden fast die Hälfte der privaten Militäreinsätze in Afrika statt. Wegen ihrer diskreten Vorgehensweise werden Privatfirmen wie die Wagner-Gruppe stärker geduldet als Armeen aus dem Ausland.

Table.Briefings: Weshalb Donald Tusk fünf Prozent Verteidigungsausgaben für nötig hält. Polens Regierungschef Donald Tusk und EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas fordern vor dem Hintergrund der Bedrohung durch Russland deutlich höhere Verteidigungsausgaben. “Wenn Europa überleben soll, muss es sich bewaffnen”, sagt der derzeitige EU-Ratsvorsitzende Tusk.

Kyiv Independent: How Ukraine lost faith in the Red Cross and UN. Die Ukraine scheint das Vertrauen in große internationale Organisationen verloren zu haben. Im Zentrum der Kritik zum Beispiel an Rotem Kreuz und Vereinten Nationen steht die fehlende Hilfe für ukrainische Kriegsgefangene und die Rolle Russlands innerhalb der Organisationen.

SCMP: Pentagon appointments suggest Trump’s scepticism about Ukraine and its impact on Taiwan. Innerhalb der Reihen des Pentagons kommt es zur Kritik bezüglich der Notwendigkeit einer weiteren Unterstützung der Ukraine. Es wird verneint, dass die Verteidigung der Ukraine von entscheidender Bedeutung sei, um mögliche Aggressionen Pekings gegen Taiwan abzuwehren.

Foreign Policy: How Weakened Is Iran, Actually? Auch wenn Israel den Iran und seine Verbündeten geschwächt hat, stufen Experten das Land immer noch als verteidigungsfähig ein. Angesichts seiner militärischen und wirtschaftlichen Lage sucht Teheran zunehmend Unterstützung aus Moskau.

Standpunkt

Noch keine Zeitenwende in der Osteuropaforschung

Von Gwendolyn Sasse
Gwendolyn Sasse leitet das Zentrum für Osteuropa und internationale Studien (ZOiS) in Berlin.

An die Osteuropaforschung hat Olaf Scholz am 27. Februar 2022 garantiert nicht gedacht, als er von der Zeitenwende sprach. Begriff hin oder her, die Zäsur durch Russlands Großangriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 geht tief und fordert ein Umdenken, das in seiner Konsequenz viele unterschiedliche, letztendlich aber miteinander verbundene Bereiche tangiert. Diese Notwendigkeit macht auch vor der Osteuropaforschung nicht halt, die sich mit Fragen befasst, die den Krieg erklären helfen, die ihn empirisch dokumentiert und sich mit der Aufgabe konfrontiert sieht, die Ereignisse für die Öffentlichkeit einzuordnen und Wissenslücken zu füllen.

Schlagartig wurde nach dem 24. Februar 2022 herum klar, dass die Ukraine, Russland und die Region Osteuropa insgesamt, die sich genauen geografischen oder politischen Grenzziehungen entzieht, im öffentlichen Diskurs nicht präsent genug waren. Die Überraschung über Russlands Invasion war dementsprechend groß. Dass Russlands Krieg gegen die Ukraine bereits mit der Krim-Annexion 2014 begann, sich im Krieg im Donbas fortsetzte und 2022 in seine dritte Phase ging, wurde erst nach Beginn der Vollinvasion umfassender thematisiert.

Osteuropa-Experten und Expertinnen aus Wissenschaft und Thinktanks wurden zu regelmäßigen Kommentatorinnen und Kommentatoren in den Medien bis in die Talkshow-Formate hinein. Diverse Erklärformate, Podcasts und öffentliche Veranstaltungen von Forschungsinstituten, Bildungseinrichtungen und Stiftungen stießen auf großes Interesse. Inzwischen ist dieser Osteuropa-Boom schon wieder am Abklingen. Lernprozesse bleiben auch in Krisenzeiten ambivalent.

Ein langanhaltender Krieg scheint die öffentliche Aufmerksamkeitsspanne zu überdehnen. Psychologische Mechanismen verdrängen zunehmend das Ausmaß und die Konsequenzen des Krieges, die weit über die Ukraine und Russland hinausgehen. Populistische Stimmenfänger am rechten und linken Rand des Parteienspektrums mobilisieren genau diesen Wunsch nach Abstand von der unschönen Realität. Die Wahlkämpfe auf Länderebene und jetzt der Bundestagswahlkampf zeigen in ihrer Akzentuierung von Frieden – wohlgemerkt ohne einen Plan, wie es zu einem dauerhaften Frieden in der Ukraine und Europa insgesamt kommen kann -, dass die Ukraine und Osteuropa mental weiterhin entfernter erscheinen als der Blick auf die Landkarte oder in die Geschichte suggeriert.

Weniger Professuren für die Osteuropaforschung

Das Feld der Osteuropaforschung ist und bleibt diffus. Es handelt sich um eine Schnittmenge aus Wissenschaftler*innen aus verschiedenen akademischen Disziplinen. Unter ihnen sind die Geistes- und Sozialwissenschaften am prominentesten vertreten. Gemessen an der Zahl der Lehrstühle bringen die Geschichts-, Sprach- und Kulturwissenschaften mehr kritische Masse auf als die Sozialwissenschaften. Seit Februar 2022 hat sich an den Strukturen der Osteuropaforschung nur wenig verändert. Der dominante Russlandfokus in der Slawistik wird bestenfalls mittelfristig durch mehr Vielfalt ersetzt werden.

Die Professuren mit Osteuropa-Denomination sind auch nach Februar 2022 weiter rückläufig. Natürlich widmen sich nicht nur Lehrstühle mit entsprechendem Titel der Region. Es bedarf auch einer stärkeren Verankerung in der vergleichenden Forschung. Einschlägige Forschung findet auch an spezialisierten außeruniversitären Instituten statt. Es gab und gibt weiterhin Projektförderinitiativen mit Osteuropabezug, etwa vom BMBF oder Stiftungen, aber mit wenigen Ausnahmen lässt sich hier bisher keine systematische Priorisierung erkennen.

Ob sich die neuen Fachnetzwerke etablieren, ist noch nicht klar

Eine Auswirkung des Krieges sind die erweiterten Netzwerke von Wissenschaftler*innen, die aus unterschiedlichen Perspektiven und Disziplinen, einschließlich der Naturwissenschaften, zu den Auswirkungen des Krieges arbeiten. Die Präsenz geflüchteter Wissenschaftler*innen spielt hierbei eine wesentliche Rolle. Aus persönlichen Netzwerken werden jedoch nicht automatisch nachhaltige Strukturen.

Russlands Krieg gegen die Ukraine hat die Relevanz Osteuropas für alle sichtbar unterstrichen, aber die finanziellen, strukturellen und gesamtgesellschaftlichen Schlussfolgerungen sind weit offen. Somit ist es zu früh, von einer Zeitenwende in der Osteuropaforschung zu sprechen.

Gwendolyn Sasse ist Direktorin des Zentrums für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS) und Einstein-Professorin für Vergleichende Demokratie- und Autoritarismusforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin.  

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Security.Table Redaktion

SECURITY.TABLE REDAKTION

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    während Donald Trump die finanziellen Anforderungen an Nato-Mitglieder immer höher schraubt, verheddern sich Europas Regierungschefs im Kleinklein der Finanzierung künftiger Rüstungsprojekte.

    Vor allem Italien spricht sich vor dem außerordentlichen EU-Gipfel am 3. Februar im Château de Limont bei Lüttich für eine gemeinsame Finanzierung neuer Rüstungsprojekte aus. Doch Deutschland ist dagegen. Zusammen mit Frankreich, den Niederlanden, Schweden, Dänemark und Finnland betont das Bundeskanzleramt die Bedeutung der nationalen Finanzierung sowie die Rolle privater Investitionen, hat mein Brüsseler Kollege Eric Bonse für Sie recherchiert. 

    Wie hart die israelische Armee in Dschenin seit dem Waffenstillstand in Gaza gemeinsam mit Geheimdienstkräften und Polizei gegen Palästinenser vorgeht, um “den Terrorismus in der Region auszulöschen”, hat meine Kollegin Vera Weidenbach für Sie aufgeschrieben.

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    Kai Schöneberg
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    Vor dem informellen Verteidigungsgipfel: Bericht legt Uneinigkeit der EU-Staaten offen

    Beim außerordentlichen EU-Gipfel am 3. Februar im Château de Limont in der Nähe von Lüttich droht Streit um die Verteidigungspolitik. Unter den Staats- und Regierungschefs gibt es Meinungsverschiedenheiten zur Finanzierung möglicher künftiger Rüstungsprojekte – aber auch über die Frage, welche Kapazitäten die EU gemeinsam entwickeln will und wie die Governance aussehen soll. Dies geht aus einem diplomatischen Drahtbericht hervor, den Table.Briefings einsehen konnte.

    Die Differenzen bestehen schon länger. Bundeskanzler Olaf Scholz hat wiederholt betont, dass allein die Mitgliedstaaten für Verteidigung zuständig seien. Die EU könne bei Forschung und Entwicklung helfen, sei aber nicht dazu da, Rüstung zu finanzieren, sagte er beim EU-Gipfel im vergangenen Juni.

    Mit dieser Haltung steht Scholz offenbar nicht allein. Die Finanzierung werde bei der Klausur der Staats- und Regierungschefs Anfang Februar “das schwierigste Thema”, heißt es in dem Bericht aus dem Ausschuss der Ständigen Vertreter in Brüssel.

    Für eine gemeinsame Finanzierung neuer Rüstungsprojekte, wie sie die EU-Kommission anstrebt, spricht sich demnach vor allem Italien aus. Eine größere Gruppe um Deutschland, Frankreich, die Niederlande, Schweden, Dänemark und Finnland betont hingegen die Bedeutung der nationalen Finanzierung sowie die Rolle privater Investitionen. Wobei das Lager der Frugalen zuletzt Risse zeigte. So deutete die dänische Regierungschefin Mette Frederiksen im Dezember einen Kurswechsel an und wollte gemeinsame Schulden nicht mehr ausschließen. Sie sehe nicht, wie die nötigen Investitionen mit den traditionellen Instrumenten finanziert werden könnten.

    Größere Rolle für EIB

    Um private Investitionen zu fördern, solle etwa die Rolle der Europäischen Investitionsbank (EIB) ausgebaut werden. EIB-Chefin Nadia Calviño hatte beim Ecofin-Treffen am Dienstag in Brüssel angekündigt, die Finanzierung von Rüstungsprojekten auszuweiten. Im vergangenen Jahr habe die Förderbank die Rekordsumme von einer Milliarde Euro in Sicherheit und Verteidigung investiert, sagte Calviño. Im neuen Jahr rechne sie mit einer Verdoppelung. Allerdings fördert die EIB nur Dual-Use-Produkte, die sich sowohl zivil als auch militärisch nutzen lassen.

    Für neue, innovative Finanzquellen sprechen sich dem Bericht zufolge nur einzelne Länder wie Tschechien oder Rumänien aus. Lettland und Finnland mahnten, auch “out of the box” zu denken, um schnell neue Finanzquellen zu erschließen. Damit ist offenbar die Vergabe neuer europäischer Schulden (Eurobonds) zur Finanzierung von gemeinsamen Rüstungsprojekten gemeint, wie sie EU-Verteidigungskommissar Andrius Kubilius ins Gespräch gebracht hat. Als mögliche Optionen wird auch diskutiert, bei der Taxonomie private Investitionen in Rüstungsindustrien nicht länger zu diskriminieren oder die brachliegenden Gelder des Eurorettungsfonds ESM zu nutzen. Weiter könnten beim nächsten MFR Gelder umgeschichtet werden.

    Merz gegen gemeinsame Schulden

    Deutschland lehnt die Option neuer Schulden jedoch bisher ab und sieht auch die Nutzung des ESM kritisch, unter anderem mit Blick auf die kritische Haushaltssituation in Frankreich oder Italien. Auch CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz betonte am Donnerstag, zunächst müssten die strukturellen Defizite bei der Beschaffung von Verteidigungsgütern in Europa angegangen werden. “Und bevor wir uns der Vereinfachung, der Standardisierung und Skalierung widmen, halte ich neue mitgliedschaftlich finanzierte Fonds oder gar gemeinschaftliche Schulden für nicht zielführend.”

    Vorbehalte gibt es in Berlin auch gegen die Idee, den Erwerb von militärischen Kapazitäten auf EU-Ebene planen und umsetzen zu lassen. Auch Frankreich sieht hier, folgt man dem Drahtbericht, keinen europäischen Mehrwert. Denkbar sei allenfalls, die Europäische Rüstungsagentur EDA aufzuwerten. Sie könne beginnen, über gemeinsame Kapazitäten und Koordinierungsinstrumente nachzudenken.

    Tusk sieht keine Alternative

    Scholz hatte sich am Mittwoch mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Paris getroffen. Dabei stimmten sie auch ihre Haltung für den Sondergipfel Anfang Februar ab. Beschlüsse werden bei dem informellen Treffen nicht erwartet. Die wichtigste Frage sei nicht, mit welcher Methode europäische Verteidigungsprojekte finanziert würden, sagte der polnische Regierungschef Donald Tusk diese Woche im EU-Parlament. Wichtiger sei, dass es keine Alternative, keine Wahl gebe: “Wir müssen uns selbst verteidigen können, was heißt, dass europäisches Geld dafür ausgegeben werden muss”.

    Ratspräsident António Costa will zur Diskussion stellen, welche Rüstungsprojekte die Europäer gemeinsam angehen und wie diese finanziert werden könnten. Zur Frage der Finanzierung seien auch mit Blick auf die Bundestagswahl keine Entscheidungen zu erwarten, so Diplomaten. Costa will am Ende der Klausur in Brüssel seine Schlussfolgerungen mündlich vortragen. Mit Stephan, Israel, Wilhelmine Preußen

    • Andrius Kubilius
    • EDA
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    Westjordanland: Israels Militär greift nach Waffenruhe in Gaza durch

    Nach dem Stopp der Kämpfe in Gaza hat die israelische Armee gemeinsam mit Polizei und Geheimdienst eine groß angelegte Operation im Westjordanland gestartet. Am Dienstag umstellten israelische Truppen, gedeckt durch Luftschläge, das Flüchtlingscamp in der Stadt Dschenin im Norden der von Israel besetzten Region. Das Camp ist eine Siedlung am Rande der Stadt, in dem überwiegend Familien und Nachfahren der während des Kriegs im Jahr 1948 vom heutigen israelischen Staatsgebiet vertriebene Palästinenser leben. Gepanzerte Bulldozer begannen damit, Straßen im Camp zu zerstören. Zwölf Menschen wurden seit Beginn der Operation nach palästinensischen Angaben getötet und mehrere Dutzend verletzt. Etwa 60 Personen wurden festgenommen.

    Die Operation startete, nachdem Israel im Austausch für drei Geiseln 90 palästinensische Gefangene freigelassen hatte. Laut den Israel Defence Forces (IDF) war die Operation seit längerem vorbereitet worden. Sie sollte eine Reaktion auf verstärkte Sicherheitsrisiken durch Straßenbomben sowie einen Terroranschlag auf einen Bus Anfang Januar sein, bei dem drei Israelis getötet worden waren.

    Die palästinensischen Angreifer stammten laut IDF aus Dschenin. Seitdem hatte das Militär seine Präsenz durch Checkpoints um die Stadt herum massiv erhöht. Am Donnerstag töteten die Soldaten zwei Palästinenser, die den Bus angegriffen haben sollen. Das israelische Militär teilte mit, die beiden Männer hätten sich in einem Gebäude im Dorf Burkin verbarrikadiert. Ein Soldat sei bei einem Schusswechsel verletzt worden. Die beiden Männer seien Kämpfer des Islamischen Dschihad gewesen. Gleichzeitig sollen hunderte Palästinenser aus Dschenin laut palästinensischen Angaben ihre Wohnungen verlassen haben. Am Donnerstag habe die israelische Armee mit an Drohnen und Fahrzeugen befestigten Lautsprechern zur Evakuierung aufgerufen, teilte der Gouverneur Kamal Abu al-Rub der Nachrichtenagentur AFP mit. Die israelische Armee erklärte hingegen, ihr lägen keine Informationen über eine Evakuierungsanordnung für Dschenin vor.

    Netanjahu unter Druck, dem Deal weiter zuzustimmen

    Es ist bereits die dritte Militäroperation in Dschenin in den vergangenen 15 Monaten. Was dieses Mal anders ist: In einem Statement sagte der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich am Dienstag, “Nach Gaza und Libanon haben wir nun eine Änderung der Sicherheitsstrategie [im Westjordanland] begonnen und eine Kampagne gestartet, um den Terrorismus in der Region auszulöschen”.

    Laut Smotrich habe seine Partei durchgesetzt, dies als Kriegsziel zu den bestehenden Zielen des Kampfs gegen die Hamas hinzuzufügen. Premierminister Benjamin Netanjahu ist unter großem innenpolitischem Druck, seine ultrarechten Koalitionspartner dazu zu bewegen, dem Deal zur Waffenruhe in Gaza und Befreiung der Geiseln weiter zuzustimmen. Bisher ist nur die erste Phase des Deals beschlossen.

    Im Dezember hatten Sicherheitskräfte der Palestinian Authority (PA) Operationen gegen Mitglieder der bewaffneten Milizen in Dschenin begonnen, um die Kontrolle über die Stadt wiederzuerlangen. Die PA zog sich mit dem Beginn der israelischen Operation zurück. Diese läuft unter dem Namen “Iron Wall” und ist laut Smotrich und Verteidigungsminister Israel Katz eine “langfristige und andauernde Operation”. Smotrich fügte in seinem Statement hinzu, sie solle “die Siedlungen und Siedler und die Sicherheit Israels schützen.”

    Siedler setzen Autos und Häuser in Brand

    In zwei palästinensischen Dörfern im Norden des Westjordanlands eskalierte die Siedlergewalt mit dem Beginn der Waffenruhe und der Freilassung der palästinensischen Gefangenen: Laut palästinensischen Behörden schmissen maskierte Männer in den palästinensischen Orten am Montag Steine und setzten Autos und Häuser in Brand. Nach Angaben des Roten Kreuzes wurden zwölf Menschen verletzt.

    Israel hat das Westjordanland seit 1967 völkerrechtswidrig besetzt. Seit dem Antritt von Netanjahus Koalition mit ultrarechten Parteien hat die Anerkennung von vormals illegalen jüdischen Siedlungen und die Annexion von Land drastisch zugenommen. Als Reaktion auf die zunehmende Gewalt durch jüdische Siedler verhängten die USA unter Präsident Joe Biden Sanktionen gegen beteiligte Organisationen und Einzelpersonen. US-Präsident Donald Trump hob diese als eine seiner ersten Amtshandlungen per Dekret wieder auf.

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    MGCS: Pistorius und Lecornu verkünden Gründung von Projektgesellschaft

    Die Unternehmen, die am deutsch-französischen Panzerprojekt Main Ground Combat System (MGCS) arbeiten, sind einen weiteren Schritt in dem Projekt gegangen. Am Donnerstagabend sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius bei einem Treffen mit seinem französischen Amtskollegen Sébastien Lecornu in Paris, dass die beteiligten Unternehmen (KNDS Deutschland, KNDS Frankreich, Rheinmetall Landsysteme und Thales Six) sich auf die Gründung einer gemeinsamen Projektgesellschaft verständigt hätten.

    Die neue Projektgesellschaft solle Ansprechpartner für die Verteidigungsministerien sein. Das sei “ein wichtiger Meilenstein in diesem großen Projekt”, sagte Pistorius. Eigentlich hatte man schon früher so weit sein wollen. Nun können die Verträge mit der Industrie finalisiert werden.

    Deutsch-französische Brigade soll Vorbild für mehr sein

    Der Besuch in Paris war für Pistorius das Ende einer zweitägigen Tour durch Litauen, Polen und Frankreich. Sie sollte auch ein Signal der Geschlossenheit senden. “Sie sehen, dass der deutsch-französische Motor nicht stottert, er läuft”, sagte der Verteidigungsminister am Abend in Paris. Das konnte er glaubhafter als Bundeskanzler Olaf Scholz vermitteln, der am Mittwoch den französischen Präsidenten Emmanuel Macron ebenfalls in Paris getroffen hatte.

    Pistorius und Lecornu haben die deutsch-französische Brigade der Nato zur Verfügung gestellt, wie Pistorius sagte. Damit stehe die Brigade für Ausbildung und Nato-Übungen zur Verfügung. Teile der Brigade sollen dann auch an einer Übung des multinationalen Korps Nordost teilnehmen, das in Stettin stationiert ist. Damit mache man “einen ganz wichtigen, großen qualitativen Schritt in Richtung Einsatzfähigkeit dieser ganz, ganz besonderen Brigade, die auch Vorbild für mehr sein kann”, sagte Pistorius. Außerdem unterzeichneten Lecornu und Pistorius eine technische Vereinbarung für die deutsch-französische Lufttransportstaffel im französischen Evreux, in der es um weitere Details zu Infrastruktur und Finanzen ging – konkreter wurden die Minister nicht. bub

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    US-Militär diskutiert Einsatz von Truppen an der Grenze zu Mexiko

    Bis zu 10.000 Soldatinnen und Soldaten sollen in den nächsten Wochen und Monaten an die Grenze zu Mexiko verlegt werden. Präsident Donald Trump hatte am Tag seiner Amtseinführung in einem Dekret den nationalen Notstand an der Südgrenze ausgerufen. Der amtierende Verteidigungsminister Robert Salesses erklärte am Mittwoch, es seien bereits 1.500 Militärs unterwegs, “sowie Hubschrauber mit zugehörigen Besatzungen und Geheimdienstanalysten.” Im Rahmen der Grenzmission des US Northern Command sind bereits 2.200 Soldaten vor Ort.

    Der Einsatz des Militärs, den Trump bereits im Wahlkampf angekündigt hatte, ist rechtlich umstritten. Der “Posse Comitatus Act” verbietet es dem Präsidenten grundsätzlich, das Militär innerhalb der USA einzusetzen, vor allem gegen Zivilisten. Davon ausgenommen ist die National Guard, die rund 440.000 Mitglieder zählt. Schon in seiner ersten Amtszeit hat Trump mehrfach versucht, diese Regeln zu umgehen, zum Beispiel bei den Protesten nach dem Tod von George Floyd 2020 in Washington. Die einzige Rechtsgrundlage für einen Einsatz wäre der “Insurrection Act”. Dieses Gesetz erlaubt es dem Präsidenten, Einheiten der Streitkräfte im Inneren einzusetzen, um “einen Aufstand niederzuschlagen”. Das Gesetz fand seine letzte Anwendung während der Unruhen von 1992, als der Gouverneur von Kalifornien um Hilfe des Bundes gebeten hatte.

    “Intensive, aber stille” Diskussion in der Militär-Community

    In seiner “Executive Order” vom Montag gibt Präsident Trump dem Pentagon 90 Tage Zeit für eine Erklärung, wie man den “Insurrection Act” aktivieren könnte. Nach Ansicht von Joseph Nunn vom Brennan Center for Justice an der New York University of Law besteht die Gefahr, dass Trump das Militär “als seine eigene Polizei nutzen wird”. Nunn plädiert wie eine Reihe von Juristen seit Jahren dafür, das Gesetz zu reformieren. Es gebe “keine aussagekräftigen Kriterien, die bestimmen, wann es für einen Präsidenten angemessen ist, das Militär im Inneren einzusetzen”.

    Laut einem Bericht von Politico hat Trumps Entscheidung, das Militär an der Grenze einzusetzen, eine “intensive, aber stille” Diskussion in der Militär-Community ausgelöst. Eine Reihe von ehemaligen Generälen warnt davor. Soldaten seien dafür ausgebildet, “einen Feind zu bekämpfen”. An der Grenze jedoch hätten sie es mit unbewaffneten Einwanderern zu tun. Für einen polizeilichen Einsatz hätten reguläre Streitkräfte keine Einsatzregeln, so Anthony Paff, Ex-Berater im Pentagon und Dozent am U.S. Army War College. Gegenüber Table.Briefing erklärte er, “dies könnte zu einer unbeabsichtigten Eskalation führen, die schwer beherrschbar ist”. nana

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    Thinktank: US-Streitkräfte können China und Russland nicht mehr abschrecken

    Die US-amerikanischen Streitkräfte denken nicht langfristig und strategisch und setzen bei der Ressourcenplanung die falschen Prioritäten. Sie seien nicht in der Lage, China und Russland abzuschrecken, wenn sie nicht die Fähigkeiten und Kapazitäten aufbauen, um ihre Drohungen glaubwürdig zu hinterlegen, heißt es in einem am Dienstag erschienenen Strategiepapier des US-amerikanischen Thinktanks Mitchell Institute for Aerospace Studies. Fazit: “In naher Zukunft könnte dieses Versagen der Abschreckung sehr wohl zu einem Krieg zwischen den Vereinigten Staaten und China führen.”

    In dem 26-seitigen Papier fordern die Autoren von der kommenden Trump-Administration eine tiefgreifende Strukturreform des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums. Konkret:

    • Es soll eine umfassende Neubewertung der nationalen Sicherheit stattfinden, die Bedrohungslage objektiv bewertet und die Mängel bestehender Strategien anerkannt werden.
    • Es sollen sofortige Maßnahmen ergriffen werden, um das Verteidigungsministerium umzustrukturieren und die organisatorischen Mängel zu beheben, die frühere Reformbemühungen zur Bekämpfung der Bedrohungen durch China und Russland behindert haben.
    • Der Verteidigungshaushalt soll erhöht werden, um ihn an die aktuelle Bedrohungslage anzupassen.
    • Die Verteidigungsfähigkeiten sollen neu bewertet werden und Investitionen auf der Grundlage einer Kosten-Nutzen-Analyse zwischen den Teilstreitkräften verschoben werden. Dies erfordert eine ganzheitliche Überprüfung der Rollen und Aufgaben der Teilstreitkräfte zur nationalen Verteidigungsstrategie.

    Der Ursprung der fehlgeleiteten Ressourcenplanung liegt aus Sicht der Autoren im sogenannten Goldwater-Nichols Reform Act von 1986. Die damalige Umstrukturierung des Verteidigungsministeriums und die damit einhergehende bürokratische Struktur würde die Streitkräfte daran hindern, langfristige strategische Planung zu betreiben. Stattdessen würden nur die unmittelbaren Anforderungen an die Kommandos der Streitkräfte und der zivilen Verteidigungsbürokratie bedacht, heißt es in dem Papier. klm

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    Atomwaffen in Europa: Karl-Heinz Kamp fordert Ausweitung der US-Abschreckung

    Der frühere Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Karl-Heinz Kamp, spricht sich dafür aus, mehr US-Atomwaffen in Europa zu stationieren. In einer Analyse für die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik, die am kommenden Montag erscheint, argumentiert er, die USA würden künftig über rund 480 modernisierte B61-12 Bomben verfügen, von denen “ein nicht geringer Teil” nach Europa verlegt werden könne. Das könne ein Bekenntnis zur Nato und ein deutliches Abschreckungssignal an Russland sein.

    Schon in seiner ersten Amtszeit hatte US-Präsident Donald Trump die nukleare Abschreckung ausgebaut. Wenn die europäischen Nato-Länder ihre Verteidigungsausgaben erhöhen würden, seien auch die USA zu einer effizienten Nato-Abschreckung bereit, so Kamp.

    Außerdem sei es für die europäischen Nato-Staaten sinnvoll, ihr Atomwaffen-Spektrum zu vergrößern. So könnten sie flexibler mit Nuklearwaffen reagieren.

    Weitere Kernwaffenlager in Osteuropa würden auch russische Angriffspläne verkomplizieren. Zum Beispiel könnten F35-Kampfjets, die Polen 2025 erhält, nuklear zertifiziert oder US-Kernwaffen dort permanent stationiert werden.

    Es sei “klug, weiterhin auf die nukleare Teilhabe europäischer Staaten mit den USA zu setzen”, sagte CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter zu Table.Briefings, weil die Nichtverbreitung von Atomwaffen weiterhin angestrebt werden müsse. Mittelfristig sei es sinnvoll, über “eine Stationierung amerikanischer Fähigkeiten in der Ukraine nachzudenken, sobald die Ukraine Nato-Mitglied geworden ist”. Eine solche Stationierung sei “die ultimative Sicherheitsgarantie”. Derzeit sei in Osteuropa aber die Stationierung von Mittel- und Langstreckenfähigkeiten sowie größerer Landfähigkeiten dringlicher. bub

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    Luftwaffe ab August acht Monate am Schwarzen Meer

    Zum Schutz der Nato-Südostflanke wird die Bundeswehr erstmals regulär die Luftraumüberwachung an der rumänischen Schwarzmeerküste übernehmen. Das kündigte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Donnerstag bei seinem Besuch in Polen an. Nach Angaben der Luftwaffe werden bis zu sechs Eurofighter des Taktischen Luftwaffengeschwaders 71 “Richthofen” aus Wittmund ab August für acht Monate auf der Luftwaffenbasis Mihail Kogălniceanu in der Nähe von Constanta am Schwarzen Meer stationiert.

    Die Luftwaffe hatte sich bereits in den Vorjahren an dem sogenannten Air Policing South beteiligt, bei dem wechselnd Allianzmitglieder in Rumänien Kampfjets stationierten, so zuletzt 2023. Bislang waren die deutschen Verbände aber immer nur kurzfristig an der Schwarzmeerküste im Einsatz und übernehmen nun erstmals gleich zwei der viermonatigen Rotationen. Seit mehr als 20 Jahren hatte die Bundeswehr allerdings solche Einsätzen an der Nordostflanke der Allianz über dem Baltikum geflogen. tw

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    Schutz kritischer Infrastruktur: Kritis-Dach ist tot, lebt NIS-2?

    Das Kritis-Dachgesetz, das den physischen Schutz kritischer Infrastruktur verbessern soll, wird in dieser Legislatur nicht mehr kommen. Die Industrie fürchtet deshalb einen Rückschlag für den Schutz kritischer Infrastrukturen.

    “Angesichts zunehmender Cyberangriffe, Sabotageakte und hybrider Bedrohungen wird wertvolle Zeit verspielt, in der dringend notwendige Maßnahmen zur Stärkung der Resilienz hätten umgesetzt werden müssen”, sagte Iris Plöger aus der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) zu Table.Briefings.

    Bis Mitte Oktober hätte Deutschland die CER-Richtlinie in nationales Recht, also das Kritis-Dachgesetz, umsetzen müssen. Die EU-Kommission hat wegen des Verzugs im vergangenen Jahr bereits ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Gleiches gilt für die NIS-2-Richtlinie, die den digitalen Schutz kritischer Infrastruktur sicherstellen soll.

    FDP könnte Cybersicherheitsrichtlinie NIS-2 noch mittragen

    Nachdem die Union erklärt hat, keines der Sicherheitsgesetze mehr zu unterstützen, lagen die Hoffnungen für die Umsetzung der Richtlinien auf der FDP. Für das Kritis-Dachgesetz, dessen Entwurf erst am Tag des Bruchs der Ampel vorgelegt wurde, haben die Liberalen bereits klargestellt, dass auch mit ihrer Unterstützung nicht mehr gerechnet werden kann. “Resilienzmaßnahmen müssen höchsten Standards genügen. Der Entwurf bleibt jedoch hinter diesem Anspruch zurück”, betonte der Berichterstatter der FDP, Manuel Höferlin, im Gespräch mit Table.Briefings.

    Unterdessen verhandeln Berichterstatter von SPD, Grünen und FDP allerdings noch über das NIS-2 Umsetzungsgesetz. Dabei schien die Kritik an diesem Gesetzentwurf nach der Anhörung von Sachverständigen im vergangenen Jahr sogar noch stärker als beim Kritis-Dachgesetz.

    Die Chefin der Cybersicherheitsbehörde des Bundes, Claudia Plattner, betonte dagegen, dass der Entwurf eine “solide Grundlage” sei, um das Thema Cybersicherheit gemeinsam anzugehen. Wo es nötig sei, könne man immer noch nachbessern. So sieht es auch die Industrie, die fordert, die Anforderungen der EU-Richtlinie noch in dieser Legislatur umzusetzen. Strittige Themen wie den Einsatz kritischer Komponenten, das Schwachstellenmanagement und die Zentralstellenfunktion des BSI solle die künftige Regierung regeln. wp

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    Must-Reads

    Correctiv: Russland greift in deutschen Wahlkampf ein. Correctiv deckt in seiner neusten Recherche die russische Einflussoperation “Storm-1516” auf. Es handelt sich um rund 100 Fake-Nachrichtenseiten, die sich in die kommenden deutschen Bundestagswahlen einmischen sollen.

    Table.Briefings: Wie Privatsoldaten in Afrika eingesetzt werden. Zwischen 1980 und 2016 fanden fast die Hälfte der privaten Militäreinsätze in Afrika statt. Wegen ihrer diskreten Vorgehensweise werden Privatfirmen wie die Wagner-Gruppe stärker geduldet als Armeen aus dem Ausland.

    Table.Briefings: Weshalb Donald Tusk fünf Prozent Verteidigungsausgaben für nötig hält. Polens Regierungschef Donald Tusk und EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas fordern vor dem Hintergrund der Bedrohung durch Russland deutlich höhere Verteidigungsausgaben. “Wenn Europa überleben soll, muss es sich bewaffnen”, sagt der derzeitige EU-Ratsvorsitzende Tusk.

    Kyiv Independent: How Ukraine lost faith in the Red Cross and UN. Die Ukraine scheint das Vertrauen in große internationale Organisationen verloren zu haben. Im Zentrum der Kritik zum Beispiel an Rotem Kreuz und Vereinten Nationen steht die fehlende Hilfe für ukrainische Kriegsgefangene und die Rolle Russlands innerhalb der Organisationen.

    SCMP: Pentagon appointments suggest Trump’s scepticism about Ukraine and its impact on Taiwan. Innerhalb der Reihen des Pentagons kommt es zur Kritik bezüglich der Notwendigkeit einer weiteren Unterstützung der Ukraine. Es wird verneint, dass die Verteidigung der Ukraine von entscheidender Bedeutung sei, um mögliche Aggressionen Pekings gegen Taiwan abzuwehren.

    Foreign Policy: How Weakened Is Iran, Actually? Auch wenn Israel den Iran und seine Verbündeten geschwächt hat, stufen Experten das Land immer noch als verteidigungsfähig ein. Angesichts seiner militärischen und wirtschaftlichen Lage sucht Teheran zunehmend Unterstützung aus Moskau.

    Standpunkt

    Noch keine Zeitenwende in der Osteuropaforschung

    Von Gwendolyn Sasse
    Gwendolyn Sasse leitet das Zentrum für Osteuropa und internationale Studien (ZOiS) in Berlin.

    An die Osteuropaforschung hat Olaf Scholz am 27. Februar 2022 garantiert nicht gedacht, als er von der Zeitenwende sprach. Begriff hin oder her, die Zäsur durch Russlands Großangriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 geht tief und fordert ein Umdenken, das in seiner Konsequenz viele unterschiedliche, letztendlich aber miteinander verbundene Bereiche tangiert. Diese Notwendigkeit macht auch vor der Osteuropaforschung nicht halt, die sich mit Fragen befasst, die den Krieg erklären helfen, die ihn empirisch dokumentiert und sich mit der Aufgabe konfrontiert sieht, die Ereignisse für die Öffentlichkeit einzuordnen und Wissenslücken zu füllen.

    Schlagartig wurde nach dem 24. Februar 2022 herum klar, dass die Ukraine, Russland und die Region Osteuropa insgesamt, die sich genauen geografischen oder politischen Grenzziehungen entzieht, im öffentlichen Diskurs nicht präsent genug waren. Die Überraschung über Russlands Invasion war dementsprechend groß. Dass Russlands Krieg gegen die Ukraine bereits mit der Krim-Annexion 2014 begann, sich im Krieg im Donbas fortsetzte und 2022 in seine dritte Phase ging, wurde erst nach Beginn der Vollinvasion umfassender thematisiert.

    Osteuropa-Experten und Expertinnen aus Wissenschaft und Thinktanks wurden zu regelmäßigen Kommentatorinnen und Kommentatoren in den Medien bis in die Talkshow-Formate hinein. Diverse Erklärformate, Podcasts und öffentliche Veranstaltungen von Forschungsinstituten, Bildungseinrichtungen und Stiftungen stießen auf großes Interesse. Inzwischen ist dieser Osteuropa-Boom schon wieder am Abklingen. Lernprozesse bleiben auch in Krisenzeiten ambivalent.

    Ein langanhaltender Krieg scheint die öffentliche Aufmerksamkeitsspanne zu überdehnen. Psychologische Mechanismen verdrängen zunehmend das Ausmaß und die Konsequenzen des Krieges, die weit über die Ukraine und Russland hinausgehen. Populistische Stimmenfänger am rechten und linken Rand des Parteienspektrums mobilisieren genau diesen Wunsch nach Abstand von der unschönen Realität. Die Wahlkämpfe auf Länderebene und jetzt der Bundestagswahlkampf zeigen in ihrer Akzentuierung von Frieden – wohlgemerkt ohne einen Plan, wie es zu einem dauerhaften Frieden in der Ukraine und Europa insgesamt kommen kann -, dass die Ukraine und Osteuropa mental weiterhin entfernter erscheinen als der Blick auf die Landkarte oder in die Geschichte suggeriert.

    Weniger Professuren für die Osteuropaforschung

    Das Feld der Osteuropaforschung ist und bleibt diffus. Es handelt sich um eine Schnittmenge aus Wissenschaftler*innen aus verschiedenen akademischen Disziplinen. Unter ihnen sind die Geistes- und Sozialwissenschaften am prominentesten vertreten. Gemessen an der Zahl der Lehrstühle bringen die Geschichts-, Sprach- und Kulturwissenschaften mehr kritische Masse auf als die Sozialwissenschaften. Seit Februar 2022 hat sich an den Strukturen der Osteuropaforschung nur wenig verändert. Der dominante Russlandfokus in der Slawistik wird bestenfalls mittelfristig durch mehr Vielfalt ersetzt werden.

    Die Professuren mit Osteuropa-Denomination sind auch nach Februar 2022 weiter rückläufig. Natürlich widmen sich nicht nur Lehrstühle mit entsprechendem Titel der Region. Es bedarf auch einer stärkeren Verankerung in der vergleichenden Forschung. Einschlägige Forschung findet auch an spezialisierten außeruniversitären Instituten statt. Es gab und gibt weiterhin Projektförderinitiativen mit Osteuropabezug, etwa vom BMBF oder Stiftungen, aber mit wenigen Ausnahmen lässt sich hier bisher keine systematische Priorisierung erkennen.

    Ob sich die neuen Fachnetzwerke etablieren, ist noch nicht klar

    Eine Auswirkung des Krieges sind die erweiterten Netzwerke von Wissenschaftler*innen, die aus unterschiedlichen Perspektiven und Disziplinen, einschließlich der Naturwissenschaften, zu den Auswirkungen des Krieges arbeiten. Die Präsenz geflüchteter Wissenschaftler*innen spielt hierbei eine wesentliche Rolle. Aus persönlichen Netzwerken werden jedoch nicht automatisch nachhaltige Strukturen.

    Russlands Krieg gegen die Ukraine hat die Relevanz Osteuropas für alle sichtbar unterstrichen, aber die finanziellen, strukturellen und gesamtgesellschaftlichen Schlussfolgerungen sind weit offen. Somit ist es zu früh, von einer Zeitenwende in der Osteuropaforschung zu sprechen.

    Gwendolyn Sasse ist Direktorin des Zentrums für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS) und Einstein-Professorin für Vergleichende Demokratie- und Autoritarismusforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin.  

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    Security.Table Redaktion

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