vor dem Nato-Hauptquartier wird heute zum ersten Mal die finnische Flagge gehisst. Als designiertes Mitglied Nummer 31 heißt Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg das Land mit der 1340 Kilometer langen Grenze zu Russland am Mittag in Brüssel offiziell willkommen. Zumindest in einem Punkt ist das Neumitglied vielen aus dem Verteidigungsbündnis voraus: 46 Prozent seiner Verteidigungsausgaben investierte die Regierung in Helsinki zuletzt in Rüstungsgüter.
Den Blick nach Osten weitet auch die Europäische Union. Für Brüsseler Verhältnisse in Windeseile reagierte der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) im vergangenen Herbst auf die neuen Spannungen zwischen Armenien und Aserbeidschan – und richtete eine Beobachtermission ein, die zugleich abschrecken und aufklären soll. “Die Menschen fürchten einen Angriff von aserbaidschanischer Seite”, sagt der deutsche Bundespolizist Markus Ritter, der die Mission nach Stationen in Kosovo, Georgien und Afghanistan leitet. “Sie fühlen sich durch die russischen Friedenstruppen nicht mehr ausreichend geschützt und sind froh, dass wir hier sind.” Lisa-Martina Klein hat mit Ritter im Spannungsgebiet zu Aserbaidschan gesprochen.
Trotz anhaltender Kämpfe so oft wie möglich in der Ukraine präsent ist Daniel Busche. Der 45-Jährige leitet das Kiewer Büro der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Aber auch wenn Soforthilfe weiter im Mittelpunkt der Krisenarbeit steht, richtet Busche im Gespräch mit Viktor Funk den Blick nach vorn: Gerade im Bereich Wiederaufbau könne die GIZ auf weltweite Erfahrung zurückgreifen – und diese im Zusammenspiel mit den vielen flexiblen Lokalpolitikern unmittelbar der Ukraine zugutekommen lassen, sagt er. Schon jetzt, auch wenn ein Ende des Krieges noch nicht in Sicht ist.
Eine gute Lektüre wünscht Ihnen
Es war die wohl am schnellsten aufgebaute Beobachtermission der EU seit dem Start ihrer Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) vor zwanzig Jahren. Von der Anfrage Armeniens am 22. September 2022 bis zur Entsendung erster Mitarbeiter an die armenisch-aserbaidschanische Grenze vergingen keine fünf Wochen.
Anfangs nur als zweimonatige EU-Monitoring Capacity (EUMCAP) geplant, wurde das Mandat für die EUMA im Januar mit großer Zustimmung aus den EU-Mitgliedstaaten zunächst auf zwei Jahre festgelegt, bis Februar 2025. EU-Mission in Armenien (EUMA) lautet nun der neue Name der Operation, die bis zum Sommer aus 103 Mitarbeitern und lokalen Kräften bestehen soll – und geleitet wird vom deutschen Bundespolizisten Markus Ritter.
Seine Einheiten werden in der Grenzregion auf armenischer Seite patrouillieren, um mögliche Waffenstillstandsverletzungen zu verifizieren und dokumentieren. Vor dem Einsatz in Armenien leitete Ritter die Bundespolizeidirektion Stuttgart und war unter anderem im Kosovo, Georgien, Afghanistan und Irak tätig.
Die Erwartungen an die EUMA sind hoch – nicht nur in der armenischen Bevölkerung. “Die Menschen fürchten einen Angriff von aserbaidschanischer Seite noch in diesem Frühjahr. Sie fühlen sich durch die russischen Friedenstruppen nicht mehr ausreichend geschützt und sind froh, dass wir hier sind”, sagt Ritter. Die Mission solle zur Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern beitragen.
Ob die aserbaidschanischen Truppen allerdings ihre Stellungen an der Grenze ausbauen, darüber können die europäischen Beobachter keine Auskunft erteilen. Sie sind in sechs Forward Operating Bases (FOB) auf armenischem Boden stationiert, Truppenbewegungen auf der anderen Seite der Grenze können sie laut Mandat nicht aufklären.
Auch deshalb betreibt Ritter Erwartungsmanagement. “Wir sind in keiner Form militärisch ausgestattet. Was wir tun können, ist, die öffentliche Aufmerksamkeit auf dieses Gebiet zu lenken und den Menschen das Gefühl geben, dass sie nicht allein sind, dass die internationale Gemeinschaft die Situation beobachtet.” Wenn es zu einem bewaffneten Konflikt käme, zögen die Beobachter sofort ab, sagt Ritter.
Russland, eigentlich Armeniens Partner, zeigt sich “irritiert” über die Anwesenheit der EU in Armenien. Moskau fürchtet um Einfluss in der Region und ist verärgert über die Bitte der Regierung in Jerewan um Hilfe aus dem Westen. Das weiß auch Ritter: “Für Russland sind wir nicht akzeptabel hier.” Moskau hat 2000 “Peacekeeper” in Aserbaidschan, hauptsächlich in der Region Bergkarabach, stationiert. Zudem befinden sich knapp 3000 russische Militär- und Grenzschutz-Einheiten in Armenien.
Auch Bakus Regierung um Präsident Ilham Aliyev sieht die Mission kritisch. Während Aserbaidschan die zweimonatige EUMCAP noch begrüßt habe, sei die Stimmung gegenüber der neuen EU-Mission weniger positiv, sagt Zaur Shiriyev, Analyst bei dem Think-Tank International Crisis Group, zu Table.Media. “Hauptgrund ist die fehlende Mitsprachemöglichkeit Bakus. Außerdem hat die Kurzzeitmission keinen Durchbruch bei der Klärung des Grenzverlaufs erzielen können, was Zweifel an der Bedeutung der EU-Mission für Baku aufkommen lassen.”
Viele Regierungsvertreter glaubten außerdem, dass Armeniens Präsident Nikol Pashinyan die Mission nutzen könnte, um ein Friedensabkommen hinauszuzögern und Baku für Verletzungen der Waffenstillstandsvereinbarungen einfacher zur Verantwortung ziehen zu können. Kritik der EU-Mitgliedstaaten sei dabei als Legitimation sicherlich hilfreich, erklärt Shiriyev.
Gerade jetzt sei es daher wichtig, die Kommunikation mit Baku aufrechtzuerhalten und die Grundwerte der Mission zu erklären. “Nach der Unterzeichnung eines Friedensabkommens wird Baku eher bereit sein, mit der EU-Mission zusammenzuarbeiten. Es bleibt aber fraglich, ob die Mission den aserbaidschanischen Teil des Gebiets besuchen darf. Die Einrichtung einer Hotline für die Kommunikation könnte ein möglicher Schritt zur Zusammenarbeit sein”, sagt Shiriyev.
Die Einrichtung eines “Red Telephone” zwischen Armenien und Aserbaidschan hält auch Ritter für richtig. Langfristiges Ziel aber müsse es sein, auf beiden Seiten der Grenze präsent zu sein. “Allerdings ist die Vertrauensbildung zwischen den Ländern im Moment sehr schwierig”, sagt er.
Für die EU sei das Engagement im Südkaukasus ein großer Schritt, sagt Stefan Meister, Politikwissenschaftler bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). “Auch wenn das EU-Mandat sehr begrenzt ist, hat die Mission abschreckendes Potenzial mit Blick auf eine militärische Eskalation von aserbaidschanischer Seite. Sie bringt außerdem eine gewisse Transparenz und Entspannung in den Konflikt. So ist sie aus meiner Sicht sehr positiv zu bewerten.” Die Ausweitung des Konflikts auf armenischen Boden sieht Meister als weniger akut, aber weiterhin nicht ausgeschlossen.
Herr Busche, Sie verantworten für die GIZ das Ukraine-Portfolio, wie oft sind Sie selbst in dem Kriegsland?
Derzeit bin ich alle paar Wochen in der Ukraine. Unsere Reisemöglichkeiten sind aus Sicherheitsgründen stark eingeschränkt, die Bundesregierung prüft die Reisen, die einzeln genehmigt werden müssen. Es gibt noch zu viele Risiken, um permanent vor Ort zu sein.
Die GIZ hat demnach keine deutschen Staatsangehörigen als Mitarbeiter in der Ukraine?
Im Moment nicht. Alle mussten auf Anordnung der Bundesregierung raus und arbeiten von Deutschland aus weiter. Rund 70 Kolleginnen und Kollegen sind es aktuell. Im Land selbst sind wir mit lokalen Kräften vertreten.
Hat die GIZ den lokalen Kräften eine Ausreise aus der Ukraine angeboten? Deutsche Unternehmen haben ja Beschäftigte aus dem Land gebracht.
Wir haben etwa 430 nationale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Bei Kriegsbeginn haben wir ihnen die Flexibilität geboten, selbst zu entscheiden, was für sie in der jeweils individuellen Situation das Beste ist, ob sie ausreisen oder bleiben wollen. Es gibt viele persönliche Gründe, die für viele Kolleginnen und Kollegen dafürsprachen, vor Ort zu bleiben.
Gab es Opfer unter den GIZ-Beschäftigten?
Glücklicherweise gibt es bisher keine Opfer unter den GIZ-Beschäftigten.
Planen Sie schon die Rückkehr des deutschen GIZ-Personals in die Ukraine?
Es gibt Überlegungen für temporäre Aufenthalte, die unserer Meinung nach in gut begründeten Fällen als relevant einzustufen und damit vertretbar sind. Aber die Entscheidung darüber trifft letztlich die Bundesregierung. Und im Moment sind dauerhafte Aufenthalte nicht vorgesehen.
Wie organisieren Sie dann die Arbeit vor Ort?
Wir haben über 330 Mitarbeitende dort, die praktisch durchgehend gearbeitet haben. Wir konnten unsere Strukturen aus der Zeit vor dem Krieg nutzen. Das Engagement dieser Kolleginnen und Kollegen, die in der Ukraine teilweise unter den widrigsten Bedingungen arbeiten, ist einfach unbeschreiblich. So können wir nach wie vor dringend benötige Hilfe und Unterstützung leisten.
Was muss die GIZ denn jetzt liefern? Vor dem Krieg hatten Sie eine sehr breite Palette an Projekten, Dezentralisierung, Umweltschutz, Infrastruktur, viele andere. Wie sah es nach dem 24. Februar 2022 aus?
Mit unseren lokalen Partnern haben wir erst einmal direkte Hilfe geleistet, Binnenflüchtlinge untergebracht, Notstromaggregate organisiert, Feldbetten, Medikamente und medizinische Versorgung geliefert. Aber schon zum Sommer hin veränderte sich die Lage, das Land kam aus der Schockstarre raus, wir haben auf mittelfristige Unterstützung umgeschaltet. Es ging dann eher darum, den Kommunen zu helfen, damit sie Dienstleistungen wie Schulbetrieb, Bürgerberatung oder auch so alltägliche, aber wichtige Dinge wie die Müllentsorgung aufrechterhalten können. Oder kleine und mittelständische Unternehmen dabei zu unterstützen, trotz Krieg weiterzuarbeiten, damit keine Jobs verloren gehen.
Wie kann man sich den Einsatz der GIZ derzeit in der Ukraine konkret vorstellen?
Gerade was beginnende Maßnahmen des Wiederaufbaus angeht, ist die technische Beratung eine unserer klassischen Aufgaben. Es gibt zum Beispiel in einem Ort in der Nähe von Kiew, der beim russischen Angriff betroffen war, eine stark beschädigte Schule. Wir helfen nun bei der Schadensbegutachtung, prüfen, ob das Gebäude instandgesetzt werden kann oder abgerissen werden muss. Wir helfen beim Erstellen der Bauunterlagen, beraten die Kommune zu Finanzierung dieser Arbeiten. Die Mittel für die enormen Finanzbedarfe für den Wiederaufbau sind natürlich knapp, also schauen wir gemeinsam, wie die Kommune Mittel für die Instandsetzung mobilisieren kann. Die Notlage im Land hat zudem gezeigt, dass die Kommunen sehr gut in der Lage sind, sich selbst zu helfen. Hier hat unsere jahrelange Beratung zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung eine wichtige Rolle gespielt. Die Verwaltungen priorisieren nun gemeinsam mit ihren Bürgerinnen und Bürgern, was zuerst getan werden soll. Hierbei unterstützen wir gezielt. Und bei der eigentlichen Umsetzung kommen dann etwa auch durch die GIZ beschaffte Baumaschinen zum Einsatz.
Sie haben vor dem Krieg auch Projekte im jetzt besetzten Osten gehabt, etwa speziell ausgerüstete Einsatzfahrzeuge für die Feuerwehr in Mariupol bereitgestellt. Haben Sie noch Kontakte zu den Menschen aus diesen Regionen? Und sind die Investitionen in Projekte ganz verloren?
Die meisten Mitarbeitenden in den Gebieten, die jetzt russisch besetzt sind, haben diese Gebiete verlassen, sind in der Zentral- oder Westukraine. Vielfach ging es um Vermittlung von Wissen, Beratung. Dieses Knowhow haben die Menschen mitgenommen und können das an anderen Orten verwenden. In dem Sinne, dass wir Dinge finanziert haben, die jetzt zerstört oder in russischer Hand sind – dazu liegen aufgrund der schwierigen Sicherheitssituation keine genauen Kenntnisse vor.
Hat der Krieg die Ukraine bei ihren Reformen zurückgeworfen?
Ich würde sagen, eher im Gegenteil. Die Ukrainer haben schon vorher angepackt. Der Status des EU-Beitrittskandidaten sorgt jetzt aber für noch mehr Verbindlichkeit. Da ist jetzt noch mal eine andere Dynamik. Was das Beispiel kommunale Selbstverwaltung betrifft, gibt es die Notwendigkeit, EU-Vorgaben noch stärker zu beachten. Das gilt aber auch bei Industriestandards, beim Handel und im Bereich Energie, wo wir stark engagiert sind. Hier beraten wir und können auf frühere Arbeiten aufbauen, tauschen uns mit den verschiedensten Stellen der ukrainischen Regierung aus.
Ist gerade vor diesem Hintergrund denn wirklich gute Beratung von Deutschland aus möglich?
Zwei Drittel der Einsatzländer der GIZ sind von Krisen, Gewalt und Konflikten gezeichnet. Auch unter schwierigen Bedingungen kann die GIZ wirksam arbeiten. Wir sind in der Lage, unsere Arbeit je nach Land und aktueller Lage schnell und flexibel anzupassen. Dabei hilft uns das über Jahre gewachsene Netzwerk vor Ort. So auch in der Ukraine, wo wir über viele Jahre zusammengearbeitet haben und eine Vertrauensbasis besteht. Vor Ort haben wir zudem weiterhin viele engagierte Mitarbeiter, die sich in der Materie auskennen. Mit ihnen kann man aus der Ferne gut zusammenarbeiten, sie sind die Brückenbauer. Gleichzeitig hoffe ich persönlich, dass das nur eine gewisse Zeit geht. Denn wie bei einer Fernbeziehung kann man natürlich eine auch lange Zeiträume überbrücken – aber es hilft, wenn man weiß, dass man sich wiedersieht und dass die Fernbeziehung eher eine Zwischenlösung als ein Dauerzustand ist.
Daniel Busche (45) ist seit Dezember 2022 Landesdirektor der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH für die Ukraine. Zuvor hatte er für die GIZ, auch im Ausland, zahlreiche internationale Projekte zur Energie- und Wasserversorgung gemanagt.
China Strategie 2023. 3 Stunden, 3 Sessions, 30 Köpfe aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft. Table.Media beleuchtet am 25. April China als Wettbewerber, Rivale und Partner. Die Digital-Konferenz schafft mitten in der aktuellen Debatte Orientierung für Entscheiderinnen und Entscheider.
In wenigen Stunden wird Finnland offiziell neues Nato-Mitglied sein. Am Rande des Treffens der Nato-Außenminister in Brüssel soll das Land in dem Verteidigungsbündnis willkommen geheißen werden, sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg am Montag. “Es wird ein guter Tag für Finnlands Sicherheit, für die nordische Sicherheit und für die Nato insgesamt sein.” Auch Schweden werde dadurch sicherer werden.
Das Treffen soll unter anderem der Vorbereitung des Gipfels der Staats- und Regierungschefs in Vilnius am 11. und 12. Juli dienen. Dort will das Bündnis eine neue Vorgabe für die Verteidigungsausgaben der Mitgliedstaaten festlegen.
Zehn Verbündete haben inzwischen das Ziel von zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) erreicht, das 2014 auf dem Nato-Gipfel in Wales als Reaktion auf die russische Annexion der Krim vereinbart worden war. Das Ziel sollte bis 2024 von allen Mitgliedstaaten erfüllt werden, was Nachzüglern wie Deutschland, dessen Militärausgaben zuletzt 1,5 Prozent ausmachten, noch etwas Zeit lässt.
Einige Nato-Staaten, darunter auch Deutschland, kritisieren die Fokussierung auf rein quantitative Ziele. Die Bundesregierung hatte hier im vergangenen Jahr allerdings auch das zweite in Wales vereinbarte Ziel knapp verpasst, das vorsieht, zwanzig Prozent des Verteidigungsetats für Investitionen in Rüstungsgüter zu verwenden.
Wenig Chance hat die Forderung der Staaten entlang der Ostflanke nach einem neuen Ziel in der Höhe von drei Prozent des BIP. Als Kompromiss zeichnet sich ab, dass zwei Prozent als obligatorisches Minimum fixiert werden. Umstritten ist, ob ähnlich wie in Wales zeitlich fixiert werden soll, bis wann die Mitgliedstaaten diese Untergrenze erreichen sollen.
Bis zum Gipfel im Juli in Litauen soll auch die Frage der Nachfolge von Jens Stoltenberg geklärt werden. Das Mandat des Norwegers läuft Ende November aus. Im Gespräch ist unter anderen Estlands Regierungschefin Kaja Kallas. Aber selbst eine erneute Verlängerung für Jens Stoltenberg bis zum Nato-Gipfel in Washington im April 2024 ist mit Blick auf Russlands Krieg in der Ukraine nicht ganz ausgeschlossen. sti/klm
Der Rüstungskonzern Rheinmetall will in Rumänien ein Wartungs- und Logistikzentrum für Panzer, Haubitzen und Militärfahrzeuge, die aus westlichen Beständen an die Ukraine geliefert wurden, einrichten. Das gab ein Konzernsprecher am Sonntag bekannt.
Der sogenannte Servicehub soll in der Nähe von Satu Mare entstehen, das an den Südwesten der Ukraine grenzt und wird noch im April seinen Betrieb aufnehmen. Bundeskanzler Olaf Scholz begrüßte den Schritt bei seinem Besuch in Bukarest am Montag: “Ich bin sehr froh, dass so viele europäische Mitgliedstaaten bereit sind, das mit uns gemeinsam voranzubringen.”
In dem Zentrum soll der Leopard 2-Panzer gewartet werden, von dem Deutschland zuletzt 18 Exemplare in die Ukraine geliefert hat. Der Servicehub biete außerdem Reparaturkapazitäten für britische Challenger-Kampfpanzer, die Schützenpanzer Marder, Fuchs-Transportpanzer (von denen bisher keine an die Ukraine geliefert wurden), die Panzerhaubitze 2000 und militärische Lkw, teilte Rheinmetall mit. Auch Arbeiten an Gefechtsfahrzeugen der Nato-Streitkräfte sowie deren logistischen Fahrzeugen sollen dort durchgeführt werden.
Im Juni 2022 hatte Rheinmetall gemeinsam mit Krauss-Maffei Wegmann (KMW) im litauischen Jonava ein vergleichbares Wartungszentrum gegründet, KMW betreibt zudem einen Reparaturhub in der Slowakei.
Rheinmetall-Chef Armin Papperger hatte zuletzt mehrfach davon gesprochen, eine Panzerfabrik in der Ukraine errichten zu wollen. Vergangene Woche traf er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, wie Selenskyj mitteilte. Die Ukrainer wünschen sich, dass der Bau des Panthers in einer Rheinmetallfabrik in der Ukraine bald beginnt. Das Werk in der Ukraine fertigzustellen, würde 12 bis 14 Monate dauern, sagte Papperger kürzlich. bub
In einem Offenen Brief plädierten Informatiker und Unternehmer wie der Tesla-Chef Elon Musk kürzlich für eine Entwicklungspause bei Künstlicher Intelligenz (KI). Eine ihrer Forderungen: KI-Entwickler müssten mit den politischen Entscheidungsträgern zusammenarbeiten, um “die Systeme sicherer, transparenter und vertrauenswürdiger” zu machen.
Dieses Ziel verfolgt die AG Technikverantwortung, die von Airbus Defence and Space und dem Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie (FKIE) gegründet wurde. Sie soll die Entwicklung des Future Combat Air System (FCAS) begleiten. Das unabhängige Gremium diskutiert den Einsatz von KI in Waffensystemen. Ende vergangener Woche traf sich die AG zum ersten Mal mit Vertretern des Bundestages.
Der Informatiker Wolfgang Koch, Chief Scientist beim Fraunhofer FKIE, zeigte bei der eintägigen Sitzung einen sogenannten “Ethical AI Demonstrator”. Dieser soll die Aufgaben einer KI in einer “realitätsorientierten Simulation” definieren. Neben der Aufklärung einer Gefechtssituation geht es auch um den verhältnismäßigen Einsatz von Waffen zur Bekämpfung eines Ziels. “Das ist die Basis, um die so notwendige Debatte zur verantwortlichen Nutzung militärischer KI sachlich voranzutreiben.”
Für den FDP-Abgeordneten Marcus Faber, Mitglied des Verteidigungsausschusses, gilt es, grundsätzliche Fragen zu beantworten: “Wie muss KI in Waffensystemen ethischen Normen gerecht werden? Ein Beispiel: Wenn ein Panzer neben einem Krankenhaus steht, darf ich diesen bekämpfen?”
Der CDU-Verteidigungspolitiker Markus Grübel hält es für entscheidend, dass mit dem FKIE “ein Partner außerhalb der Rüstungsindustrie” mit dabei ist. “Am Ende muss die Frage beantwortet werden: Wer zertifiziert welche KI in welchen Waffensystemen? Die Industrie braucht Vorgaben, die vom Parlament gedeckt sind, das die Gelder für ein Waffensystem wie FCAS genehmigen muss.”
Ziel der 2019 gegründeten AG Technikverantwortung ist die “Festlegung und technische Umsetzung ethisch und völkerrechtlich fundierter Leitplanken”. Dem unabhängigen Gremium gehören neben Airbus und FKIE Vertreter aus Wissenschaft, Stiftungen, Thinktanks, der Bundeswehr, dem Auswärtigen Amt, aber auch die Theologin Ellen Ueberschär oder die Schriftstellerin Nora Bossong an. Die AG trifft sich zweimal im Jahr und wird von Airbus mit einem Betrag im sechsstelligen Bereich finanziert. nana
Podcast: ZOiS – Russlands Strategie gegenüber dem “nahen Ausland”: Einblicke aus Moldau und Belarus: Moskau gelingt es, die russischsprachigen Gruppen in den beiden Ländern für sich zu gewinnen: mit alternativen Narrativen, wirtschaftlichen Lockangeboten und Abhängigkeiten von der Energieversorgung. Lehrreiche 36 Minuten über zwei Staaten, die die EU lange vernachlässigt hat.
Neue Zürcher Zeitung: China hat die Artilleriemunition, die Russland dringend braucht: China denke darüber nach, Waffen an Russland zu liefern, warnen die USA. Russische Gewehre und Kanonen könnten chinesische Munition verschießen, schreibt Patrick Zoll. Welche Interessen Russland hat, wie Waffenlieferungen aussehen könnten und was Peking im Angebot hat.
Doku: The Financial Times/Rusi – North Korea and the triads: gangsters, ghost ships and spies: Wie kriminelle chinesische Gruppen zur Aufrechterhaltung des nordkoreanischen Atomwaffenprogramms und Militärapparats mit Öllieferungen beitragen, enthüllt die Financial Times in einer gemeinsamen Recherche mit dem Londoner Think-Tank Royal United Services Institute. Mit Open-Source Methoden haben die Experten ausgewertet, wie die Gruppen Sanktionen umgehen. 36 Minuten.
Politico – Turkey is the headache NATO needs: Wenn es zu Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland kommt, würde er sein Geld auf die Türkei als Vermittler setzen, sagt der ehemalige britische Nato-Funktionär Jamie Shea. Ankara ist nicht nur aufgrund der geografischen Lage mit dem Zugang zum Schwarzen Meer und der zweitgrößten Armee der Nato-Staaten für das Bündnis wichtig. Auch wenn sie manchmal für Kopfschmerzen sorgt – die Verbindungen nach Russland könnten sie zu einem der wichtigsten Nato-Partner machen.
Podcast: Deutschlandfunk – Wasserkrise in Nordost-Syrien: Syrien erlebt im Nordosten seit einigen Jahren eine Wasserkrise. Der Fokus liegt derzeit aber auf den Folgen des schweren Erdbebens von Anfang Februar. Wie besonders arme Menschen unter dem Mangel an Trinkwasser leiden. Über die sekundären Folgen von Krieg und Klimakrise auf die syrische Bevölkerung. 19 Minuten.
China.Table – James Cunningham: “Deutschland ist ein wichtiger Meinungsführer”: Botschafter James Cunningham war als Vertreter der USA immer wieder dabei, wenn das schwierige Verhältnis Asiens zu USA und Europa verhandelt wurde. Im Interview mit Finn Mayer-Kuckuk erläutert er die internationale Sicht auf die China-Politik von Kanzler Olaf Scholz, die Bedeutung militärischer Stärke im Pazifik und seine Einschätzung der Gefahren für Taiwan.
Sophia Besch schlägt Brücken zwischen unterschiedlichen Perspektiven auf Sicherheitsfragen. In Berlin, Paris, London und Brüssel hat sie die dortigen Akzente der Sicherheitspolitik kennengelernt. Im vergangenen Herbst wechselte sie vom Center for European Reform (CER) in Berlin nach Washington an die Carnegie-Stiftung für Internationalen Frieden.
Als Besch an der Uni Münster Politik und Humanitäres Recht studierte, stand die Frage nach einer möglichen Intervention in Libyen im Raum: “Ich fand unbefriedigend, dass Deutschland keine Position bezog”, sagt sie. Während ihres Masters in Paris und London beschäftigte sie sich mit EU-Verteidigungsstrategien und der Nato. Gerade befindet sie sich in den letzten Zügen ihrer Promotion am Londoner Kings College zur Rolle der EU in der Rüstungspolitik.
Die 32-Jährige beobachtet in Ihrer Forschungsarbeit, wie deutsche Sicherheitspolitik im Ausland wahrgenommen wird. Die USA disziplinierten die Europäer bei den Rüstungslieferungen für die Ukraine, sagt sie. “Amerika hat in Rüstungsfragen die Führung in Europa übernommen.” Dass Olaf Scholz nach langem Zögern die Zusage zur Lieferung von Kampfpanzern für die Ukraine als Beispiel deutscher Führung verkaufte, habe in Washington für Irritation gesorgt – die Definitionen von Führung seien in Berlin und Washington unterschiedlich.
“Wir als Europäer erwarten, dass Amerika sich mit unseren spezifischen historischen und kulturellen Eigenheiten auseinandersetzt”, sagt sie. Europa könne sich nicht mehr auf seinen Sonderstatus bei den Amerikanern verlassen. Umso wichtiger sei es, dass Europa mit einer Stimme spreche, statt einzeln mit den USA zu verhandeln. Das gelte auch für das Beschaffungswesen: “Ich hoffe, dass wir in Rüstungsfragen europäisch denken und die Fragmentierung der vergangenen Jahrzehnte nicht zementieren.”
Die Verteilung der Lasten zwischen den Unterstützer-Ländern werde in den USA zunehmend kritisiert. Besonders paradox sei, dass transatlantisch eingestellte Republikaner bei der Münchner Sicherheitskonferenz für mehr Unterstützung warben, während republikanische Wähler die Unterstützung für die Ukraine immer skeptischer betrachten.
Die transatlantischen Beziehungen geraten zunehmend unter Druck, sagt Besch. Dafür nennt sie drei Gründe: Erstens nehme das Thema China und die Pazifik-Region immer mehr Aufmerksamkeit ein. Zweitens stehe ein Generationswechsel an und drittens schreite der Isolationismus voran. “Diese Regierung könnte die letzte echte transatlantische Regierung sein”, sagt sie. “Amerika möchte sich aus der Welt zurückziehen.” Das gelte für Republikaner und Demokraten.
Das vergangene Jahr war turbulent, auch für sie. Internationale Medien suchen bei ihr nach Erklärungen. Dabei habe sie erkannt, dass sie trotz großen Interesses an tagesaktueller Einordnung sich trotzdem weiter auf ihre Forschungsprojekte konzentrieren wolle: “Ich halte es für wichtig, meine Expertise zu vertiefen und dann zu kommentieren, wenn ich wirklich etwas zur Debatte beizutragen habe.” Bei dem Stress des vergangenen Jahres bleibt ihr aber trotzdem Zeit zur Entspannung. In Washington hat sie Comedy Clubs für sich entdeckt. Lukas Homrich
vor dem Nato-Hauptquartier wird heute zum ersten Mal die finnische Flagge gehisst. Als designiertes Mitglied Nummer 31 heißt Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg das Land mit der 1340 Kilometer langen Grenze zu Russland am Mittag in Brüssel offiziell willkommen. Zumindest in einem Punkt ist das Neumitglied vielen aus dem Verteidigungsbündnis voraus: 46 Prozent seiner Verteidigungsausgaben investierte die Regierung in Helsinki zuletzt in Rüstungsgüter.
Den Blick nach Osten weitet auch die Europäische Union. Für Brüsseler Verhältnisse in Windeseile reagierte der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) im vergangenen Herbst auf die neuen Spannungen zwischen Armenien und Aserbeidschan – und richtete eine Beobachtermission ein, die zugleich abschrecken und aufklären soll. “Die Menschen fürchten einen Angriff von aserbaidschanischer Seite”, sagt der deutsche Bundespolizist Markus Ritter, der die Mission nach Stationen in Kosovo, Georgien und Afghanistan leitet. “Sie fühlen sich durch die russischen Friedenstruppen nicht mehr ausreichend geschützt und sind froh, dass wir hier sind.” Lisa-Martina Klein hat mit Ritter im Spannungsgebiet zu Aserbaidschan gesprochen.
Trotz anhaltender Kämpfe so oft wie möglich in der Ukraine präsent ist Daniel Busche. Der 45-Jährige leitet das Kiewer Büro der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Aber auch wenn Soforthilfe weiter im Mittelpunkt der Krisenarbeit steht, richtet Busche im Gespräch mit Viktor Funk den Blick nach vorn: Gerade im Bereich Wiederaufbau könne die GIZ auf weltweite Erfahrung zurückgreifen – und diese im Zusammenspiel mit den vielen flexiblen Lokalpolitikern unmittelbar der Ukraine zugutekommen lassen, sagt er. Schon jetzt, auch wenn ein Ende des Krieges noch nicht in Sicht ist.
Eine gute Lektüre wünscht Ihnen
Es war die wohl am schnellsten aufgebaute Beobachtermission der EU seit dem Start ihrer Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) vor zwanzig Jahren. Von der Anfrage Armeniens am 22. September 2022 bis zur Entsendung erster Mitarbeiter an die armenisch-aserbaidschanische Grenze vergingen keine fünf Wochen.
Anfangs nur als zweimonatige EU-Monitoring Capacity (EUMCAP) geplant, wurde das Mandat für die EUMA im Januar mit großer Zustimmung aus den EU-Mitgliedstaaten zunächst auf zwei Jahre festgelegt, bis Februar 2025. EU-Mission in Armenien (EUMA) lautet nun der neue Name der Operation, die bis zum Sommer aus 103 Mitarbeitern und lokalen Kräften bestehen soll – und geleitet wird vom deutschen Bundespolizisten Markus Ritter.
Seine Einheiten werden in der Grenzregion auf armenischer Seite patrouillieren, um mögliche Waffenstillstandsverletzungen zu verifizieren und dokumentieren. Vor dem Einsatz in Armenien leitete Ritter die Bundespolizeidirektion Stuttgart und war unter anderem im Kosovo, Georgien, Afghanistan und Irak tätig.
Die Erwartungen an die EUMA sind hoch – nicht nur in der armenischen Bevölkerung. “Die Menschen fürchten einen Angriff von aserbaidschanischer Seite noch in diesem Frühjahr. Sie fühlen sich durch die russischen Friedenstruppen nicht mehr ausreichend geschützt und sind froh, dass wir hier sind”, sagt Ritter. Die Mission solle zur Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern beitragen.
Ob die aserbaidschanischen Truppen allerdings ihre Stellungen an der Grenze ausbauen, darüber können die europäischen Beobachter keine Auskunft erteilen. Sie sind in sechs Forward Operating Bases (FOB) auf armenischem Boden stationiert, Truppenbewegungen auf der anderen Seite der Grenze können sie laut Mandat nicht aufklären.
Auch deshalb betreibt Ritter Erwartungsmanagement. “Wir sind in keiner Form militärisch ausgestattet. Was wir tun können, ist, die öffentliche Aufmerksamkeit auf dieses Gebiet zu lenken und den Menschen das Gefühl geben, dass sie nicht allein sind, dass die internationale Gemeinschaft die Situation beobachtet.” Wenn es zu einem bewaffneten Konflikt käme, zögen die Beobachter sofort ab, sagt Ritter.
Russland, eigentlich Armeniens Partner, zeigt sich “irritiert” über die Anwesenheit der EU in Armenien. Moskau fürchtet um Einfluss in der Region und ist verärgert über die Bitte der Regierung in Jerewan um Hilfe aus dem Westen. Das weiß auch Ritter: “Für Russland sind wir nicht akzeptabel hier.” Moskau hat 2000 “Peacekeeper” in Aserbaidschan, hauptsächlich in der Region Bergkarabach, stationiert. Zudem befinden sich knapp 3000 russische Militär- und Grenzschutz-Einheiten in Armenien.
Auch Bakus Regierung um Präsident Ilham Aliyev sieht die Mission kritisch. Während Aserbaidschan die zweimonatige EUMCAP noch begrüßt habe, sei die Stimmung gegenüber der neuen EU-Mission weniger positiv, sagt Zaur Shiriyev, Analyst bei dem Think-Tank International Crisis Group, zu Table.Media. “Hauptgrund ist die fehlende Mitsprachemöglichkeit Bakus. Außerdem hat die Kurzzeitmission keinen Durchbruch bei der Klärung des Grenzverlaufs erzielen können, was Zweifel an der Bedeutung der EU-Mission für Baku aufkommen lassen.”
Viele Regierungsvertreter glaubten außerdem, dass Armeniens Präsident Nikol Pashinyan die Mission nutzen könnte, um ein Friedensabkommen hinauszuzögern und Baku für Verletzungen der Waffenstillstandsvereinbarungen einfacher zur Verantwortung ziehen zu können. Kritik der EU-Mitgliedstaaten sei dabei als Legitimation sicherlich hilfreich, erklärt Shiriyev.
Gerade jetzt sei es daher wichtig, die Kommunikation mit Baku aufrechtzuerhalten und die Grundwerte der Mission zu erklären. “Nach der Unterzeichnung eines Friedensabkommens wird Baku eher bereit sein, mit der EU-Mission zusammenzuarbeiten. Es bleibt aber fraglich, ob die Mission den aserbaidschanischen Teil des Gebiets besuchen darf. Die Einrichtung einer Hotline für die Kommunikation könnte ein möglicher Schritt zur Zusammenarbeit sein”, sagt Shiriyev.
Die Einrichtung eines “Red Telephone” zwischen Armenien und Aserbaidschan hält auch Ritter für richtig. Langfristiges Ziel aber müsse es sein, auf beiden Seiten der Grenze präsent zu sein. “Allerdings ist die Vertrauensbildung zwischen den Ländern im Moment sehr schwierig”, sagt er.
Für die EU sei das Engagement im Südkaukasus ein großer Schritt, sagt Stefan Meister, Politikwissenschaftler bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). “Auch wenn das EU-Mandat sehr begrenzt ist, hat die Mission abschreckendes Potenzial mit Blick auf eine militärische Eskalation von aserbaidschanischer Seite. Sie bringt außerdem eine gewisse Transparenz und Entspannung in den Konflikt. So ist sie aus meiner Sicht sehr positiv zu bewerten.” Die Ausweitung des Konflikts auf armenischen Boden sieht Meister als weniger akut, aber weiterhin nicht ausgeschlossen.
Herr Busche, Sie verantworten für die GIZ das Ukraine-Portfolio, wie oft sind Sie selbst in dem Kriegsland?
Derzeit bin ich alle paar Wochen in der Ukraine. Unsere Reisemöglichkeiten sind aus Sicherheitsgründen stark eingeschränkt, die Bundesregierung prüft die Reisen, die einzeln genehmigt werden müssen. Es gibt noch zu viele Risiken, um permanent vor Ort zu sein.
Die GIZ hat demnach keine deutschen Staatsangehörigen als Mitarbeiter in der Ukraine?
Im Moment nicht. Alle mussten auf Anordnung der Bundesregierung raus und arbeiten von Deutschland aus weiter. Rund 70 Kolleginnen und Kollegen sind es aktuell. Im Land selbst sind wir mit lokalen Kräften vertreten.
Hat die GIZ den lokalen Kräften eine Ausreise aus der Ukraine angeboten? Deutsche Unternehmen haben ja Beschäftigte aus dem Land gebracht.
Wir haben etwa 430 nationale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Bei Kriegsbeginn haben wir ihnen die Flexibilität geboten, selbst zu entscheiden, was für sie in der jeweils individuellen Situation das Beste ist, ob sie ausreisen oder bleiben wollen. Es gibt viele persönliche Gründe, die für viele Kolleginnen und Kollegen dafürsprachen, vor Ort zu bleiben.
Gab es Opfer unter den GIZ-Beschäftigten?
Glücklicherweise gibt es bisher keine Opfer unter den GIZ-Beschäftigten.
Planen Sie schon die Rückkehr des deutschen GIZ-Personals in die Ukraine?
Es gibt Überlegungen für temporäre Aufenthalte, die unserer Meinung nach in gut begründeten Fällen als relevant einzustufen und damit vertretbar sind. Aber die Entscheidung darüber trifft letztlich die Bundesregierung. Und im Moment sind dauerhafte Aufenthalte nicht vorgesehen.
Wie organisieren Sie dann die Arbeit vor Ort?
Wir haben über 330 Mitarbeitende dort, die praktisch durchgehend gearbeitet haben. Wir konnten unsere Strukturen aus der Zeit vor dem Krieg nutzen. Das Engagement dieser Kolleginnen und Kollegen, die in der Ukraine teilweise unter den widrigsten Bedingungen arbeiten, ist einfach unbeschreiblich. So können wir nach wie vor dringend benötige Hilfe und Unterstützung leisten.
Was muss die GIZ denn jetzt liefern? Vor dem Krieg hatten Sie eine sehr breite Palette an Projekten, Dezentralisierung, Umweltschutz, Infrastruktur, viele andere. Wie sah es nach dem 24. Februar 2022 aus?
Mit unseren lokalen Partnern haben wir erst einmal direkte Hilfe geleistet, Binnenflüchtlinge untergebracht, Notstromaggregate organisiert, Feldbetten, Medikamente und medizinische Versorgung geliefert. Aber schon zum Sommer hin veränderte sich die Lage, das Land kam aus der Schockstarre raus, wir haben auf mittelfristige Unterstützung umgeschaltet. Es ging dann eher darum, den Kommunen zu helfen, damit sie Dienstleistungen wie Schulbetrieb, Bürgerberatung oder auch so alltägliche, aber wichtige Dinge wie die Müllentsorgung aufrechterhalten können. Oder kleine und mittelständische Unternehmen dabei zu unterstützen, trotz Krieg weiterzuarbeiten, damit keine Jobs verloren gehen.
Wie kann man sich den Einsatz der GIZ derzeit in der Ukraine konkret vorstellen?
Gerade was beginnende Maßnahmen des Wiederaufbaus angeht, ist die technische Beratung eine unserer klassischen Aufgaben. Es gibt zum Beispiel in einem Ort in der Nähe von Kiew, der beim russischen Angriff betroffen war, eine stark beschädigte Schule. Wir helfen nun bei der Schadensbegutachtung, prüfen, ob das Gebäude instandgesetzt werden kann oder abgerissen werden muss. Wir helfen beim Erstellen der Bauunterlagen, beraten die Kommune zu Finanzierung dieser Arbeiten. Die Mittel für die enormen Finanzbedarfe für den Wiederaufbau sind natürlich knapp, also schauen wir gemeinsam, wie die Kommune Mittel für die Instandsetzung mobilisieren kann. Die Notlage im Land hat zudem gezeigt, dass die Kommunen sehr gut in der Lage sind, sich selbst zu helfen. Hier hat unsere jahrelange Beratung zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung eine wichtige Rolle gespielt. Die Verwaltungen priorisieren nun gemeinsam mit ihren Bürgerinnen und Bürgern, was zuerst getan werden soll. Hierbei unterstützen wir gezielt. Und bei der eigentlichen Umsetzung kommen dann etwa auch durch die GIZ beschaffte Baumaschinen zum Einsatz.
Sie haben vor dem Krieg auch Projekte im jetzt besetzten Osten gehabt, etwa speziell ausgerüstete Einsatzfahrzeuge für die Feuerwehr in Mariupol bereitgestellt. Haben Sie noch Kontakte zu den Menschen aus diesen Regionen? Und sind die Investitionen in Projekte ganz verloren?
Die meisten Mitarbeitenden in den Gebieten, die jetzt russisch besetzt sind, haben diese Gebiete verlassen, sind in der Zentral- oder Westukraine. Vielfach ging es um Vermittlung von Wissen, Beratung. Dieses Knowhow haben die Menschen mitgenommen und können das an anderen Orten verwenden. In dem Sinne, dass wir Dinge finanziert haben, die jetzt zerstört oder in russischer Hand sind – dazu liegen aufgrund der schwierigen Sicherheitssituation keine genauen Kenntnisse vor.
Hat der Krieg die Ukraine bei ihren Reformen zurückgeworfen?
Ich würde sagen, eher im Gegenteil. Die Ukrainer haben schon vorher angepackt. Der Status des EU-Beitrittskandidaten sorgt jetzt aber für noch mehr Verbindlichkeit. Da ist jetzt noch mal eine andere Dynamik. Was das Beispiel kommunale Selbstverwaltung betrifft, gibt es die Notwendigkeit, EU-Vorgaben noch stärker zu beachten. Das gilt aber auch bei Industriestandards, beim Handel und im Bereich Energie, wo wir stark engagiert sind. Hier beraten wir und können auf frühere Arbeiten aufbauen, tauschen uns mit den verschiedensten Stellen der ukrainischen Regierung aus.
Ist gerade vor diesem Hintergrund denn wirklich gute Beratung von Deutschland aus möglich?
Zwei Drittel der Einsatzländer der GIZ sind von Krisen, Gewalt und Konflikten gezeichnet. Auch unter schwierigen Bedingungen kann die GIZ wirksam arbeiten. Wir sind in der Lage, unsere Arbeit je nach Land und aktueller Lage schnell und flexibel anzupassen. Dabei hilft uns das über Jahre gewachsene Netzwerk vor Ort. So auch in der Ukraine, wo wir über viele Jahre zusammengearbeitet haben und eine Vertrauensbasis besteht. Vor Ort haben wir zudem weiterhin viele engagierte Mitarbeiter, die sich in der Materie auskennen. Mit ihnen kann man aus der Ferne gut zusammenarbeiten, sie sind die Brückenbauer. Gleichzeitig hoffe ich persönlich, dass das nur eine gewisse Zeit geht. Denn wie bei einer Fernbeziehung kann man natürlich eine auch lange Zeiträume überbrücken – aber es hilft, wenn man weiß, dass man sich wiedersieht und dass die Fernbeziehung eher eine Zwischenlösung als ein Dauerzustand ist.
Daniel Busche (45) ist seit Dezember 2022 Landesdirektor der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH für die Ukraine. Zuvor hatte er für die GIZ, auch im Ausland, zahlreiche internationale Projekte zur Energie- und Wasserversorgung gemanagt.
China Strategie 2023. 3 Stunden, 3 Sessions, 30 Köpfe aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft. Table.Media beleuchtet am 25. April China als Wettbewerber, Rivale und Partner. Die Digital-Konferenz schafft mitten in der aktuellen Debatte Orientierung für Entscheiderinnen und Entscheider.
In wenigen Stunden wird Finnland offiziell neues Nato-Mitglied sein. Am Rande des Treffens der Nato-Außenminister in Brüssel soll das Land in dem Verteidigungsbündnis willkommen geheißen werden, sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg am Montag. “Es wird ein guter Tag für Finnlands Sicherheit, für die nordische Sicherheit und für die Nato insgesamt sein.” Auch Schweden werde dadurch sicherer werden.
Das Treffen soll unter anderem der Vorbereitung des Gipfels der Staats- und Regierungschefs in Vilnius am 11. und 12. Juli dienen. Dort will das Bündnis eine neue Vorgabe für die Verteidigungsausgaben der Mitgliedstaaten festlegen.
Zehn Verbündete haben inzwischen das Ziel von zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) erreicht, das 2014 auf dem Nato-Gipfel in Wales als Reaktion auf die russische Annexion der Krim vereinbart worden war. Das Ziel sollte bis 2024 von allen Mitgliedstaaten erfüllt werden, was Nachzüglern wie Deutschland, dessen Militärausgaben zuletzt 1,5 Prozent ausmachten, noch etwas Zeit lässt.
Einige Nato-Staaten, darunter auch Deutschland, kritisieren die Fokussierung auf rein quantitative Ziele. Die Bundesregierung hatte hier im vergangenen Jahr allerdings auch das zweite in Wales vereinbarte Ziel knapp verpasst, das vorsieht, zwanzig Prozent des Verteidigungsetats für Investitionen in Rüstungsgüter zu verwenden.
Wenig Chance hat die Forderung der Staaten entlang der Ostflanke nach einem neuen Ziel in der Höhe von drei Prozent des BIP. Als Kompromiss zeichnet sich ab, dass zwei Prozent als obligatorisches Minimum fixiert werden. Umstritten ist, ob ähnlich wie in Wales zeitlich fixiert werden soll, bis wann die Mitgliedstaaten diese Untergrenze erreichen sollen.
Bis zum Gipfel im Juli in Litauen soll auch die Frage der Nachfolge von Jens Stoltenberg geklärt werden. Das Mandat des Norwegers läuft Ende November aus. Im Gespräch ist unter anderen Estlands Regierungschefin Kaja Kallas. Aber selbst eine erneute Verlängerung für Jens Stoltenberg bis zum Nato-Gipfel in Washington im April 2024 ist mit Blick auf Russlands Krieg in der Ukraine nicht ganz ausgeschlossen. sti/klm
Der Rüstungskonzern Rheinmetall will in Rumänien ein Wartungs- und Logistikzentrum für Panzer, Haubitzen und Militärfahrzeuge, die aus westlichen Beständen an die Ukraine geliefert wurden, einrichten. Das gab ein Konzernsprecher am Sonntag bekannt.
Der sogenannte Servicehub soll in der Nähe von Satu Mare entstehen, das an den Südwesten der Ukraine grenzt und wird noch im April seinen Betrieb aufnehmen. Bundeskanzler Olaf Scholz begrüßte den Schritt bei seinem Besuch in Bukarest am Montag: “Ich bin sehr froh, dass so viele europäische Mitgliedstaaten bereit sind, das mit uns gemeinsam voranzubringen.”
In dem Zentrum soll der Leopard 2-Panzer gewartet werden, von dem Deutschland zuletzt 18 Exemplare in die Ukraine geliefert hat. Der Servicehub biete außerdem Reparaturkapazitäten für britische Challenger-Kampfpanzer, die Schützenpanzer Marder, Fuchs-Transportpanzer (von denen bisher keine an die Ukraine geliefert wurden), die Panzerhaubitze 2000 und militärische Lkw, teilte Rheinmetall mit. Auch Arbeiten an Gefechtsfahrzeugen der Nato-Streitkräfte sowie deren logistischen Fahrzeugen sollen dort durchgeführt werden.
Im Juni 2022 hatte Rheinmetall gemeinsam mit Krauss-Maffei Wegmann (KMW) im litauischen Jonava ein vergleichbares Wartungszentrum gegründet, KMW betreibt zudem einen Reparaturhub in der Slowakei.
Rheinmetall-Chef Armin Papperger hatte zuletzt mehrfach davon gesprochen, eine Panzerfabrik in der Ukraine errichten zu wollen. Vergangene Woche traf er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, wie Selenskyj mitteilte. Die Ukrainer wünschen sich, dass der Bau des Panthers in einer Rheinmetallfabrik in der Ukraine bald beginnt. Das Werk in der Ukraine fertigzustellen, würde 12 bis 14 Monate dauern, sagte Papperger kürzlich. bub
In einem Offenen Brief plädierten Informatiker und Unternehmer wie der Tesla-Chef Elon Musk kürzlich für eine Entwicklungspause bei Künstlicher Intelligenz (KI). Eine ihrer Forderungen: KI-Entwickler müssten mit den politischen Entscheidungsträgern zusammenarbeiten, um “die Systeme sicherer, transparenter und vertrauenswürdiger” zu machen.
Dieses Ziel verfolgt die AG Technikverantwortung, die von Airbus Defence and Space und dem Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie (FKIE) gegründet wurde. Sie soll die Entwicklung des Future Combat Air System (FCAS) begleiten. Das unabhängige Gremium diskutiert den Einsatz von KI in Waffensystemen. Ende vergangener Woche traf sich die AG zum ersten Mal mit Vertretern des Bundestages.
Der Informatiker Wolfgang Koch, Chief Scientist beim Fraunhofer FKIE, zeigte bei der eintägigen Sitzung einen sogenannten “Ethical AI Demonstrator”. Dieser soll die Aufgaben einer KI in einer “realitätsorientierten Simulation” definieren. Neben der Aufklärung einer Gefechtssituation geht es auch um den verhältnismäßigen Einsatz von Waffen zur Bekämpfung eines Ziels. “Das ist die Basis, um die so notwendige Debatte zur verantwortlichen Nutzung militärischer KI sachlich voranzutreiben.”
Für den FDP-Abgeordneten Marcus Faber, Mitglied des Verteidigungsausschusses, gilt es, grundsätzliche Fragen zu beantworten: “Wie muss KI in Waffensystemen ethischen Normen gerecht werden? Ein Beispiel: Wenn ein Panzer neben einem Krankenhaus steht, darf ich diesen bekämpfen?”
Der CDU-Verteidigungspolitiker Markus Grübel hält es für entscheidend, dass mit dem FKIE “ein Partner außerhalb der Rüstungsindustrie” mit dabei ist. “Am Ende muss die Frage beantwortet werden: Wer zertifiziert welche KI in welchen Waffensystemen? Die Industrie braucht Vorgaben, die vom Parlament gedeckt sind, das die Gelder für ein Waffensystem wie FCAS genehmigen muss.”
Ziel der 2019 gegründeten AG Technikverantwortung ist die “Festlegung und technische Umsetzung ethisch und völkerrechtlich fundierter Leitplanken”. Dem unabhängigen Gremium gehören neben Airbus und FKIE Vertreter aus Wissenschaft, Stiftungen, Thinktanks, der Bundeswehr, dem Auswärtigen Amt, aber auch die Theologin Ellen Ueberschär oder die Schriftstellerin Nora Bossong an. Die AG trifft sich zweimal im Jahr und wird von Airbus mit einem Betrag im sechsstelligen Bereich finanziert. nana
Podcast: ZOiS – Russlands Strategie gegenüber dem “nahen Ausland”: Einblicke aus Moldau und Belarus: Moskau gelingt es, die russischsprachigen Gruppen in den beiden Ländern für sich zu gewinnen: mit alternativen Narrativen, wirtschaftlichen Lockangeboten und Abhängigkeiten von der Energieversorgung. Lehrreiche 36 Minuten über zwei Staaten, die die EU lange vernachlässigt hat.
Neue Zürcher Zeitung: China hat die Artilleriemunition, die Russland dringend braucht: China denke darüber nach, Waffen an Russland zu liefern, warnen die USA. Russische Gewehre und Kanonen könnten chinesische Munition verschießen, schreibt Patrick Zoll. Welche Interessen Russland hat, wie Waffenlieferungen aussehen könnten und was Peking im Angebot hat.
Doku: The Financial Times/Rusi – North Korea and the triads: gangsters, ghost ships and spies: Wie kriminelle chinesische Gruppen zur Aufrechterhaltung des nordkoreanischen Atomwaffenprogramms und Militärapparats mit Öllieferungen beitragen, enthüllt die Financial Times in einer gemeinsamen Recherche mit dem Londoner Think-Tank Royal United Services Institute. Mit Open-Source Methoden haben die Experten ausgewertet, wie die Gruppen Sanktionen umgehen. 36 Minuten.
Politico – Turkey is the headache NATO needs: Wenn es zu Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland kommt, würde er sein Geld auf die Türkei als Vermittler setzen, sagt der ehemalige britische Nato-Funktionär Jamie Shea. Ankara ist nicht nur aufgrund der geografischen Lage mit dem Zugang zum Schwarzen Meer und der zweitgrößten Armee der Nato-Staaten für das Bündnis wichtig. Auch wenn sie manchmal für Kopfschmerzen sorgt – die Verbindungen nach Russland könnten sie zu einem der wichtigsten Nato-Partner machen.
Podcast: Deutschlandfunk – Wasserkrise in Nordost-Syrien: Syrien erlebt im Nordosten seit einigen Jahren eine Wasserkrise. Der Fokus liegt derzeit aber auf den Folgen des schweren Erdbebens von Anfang Februar. Wie besonders arme Menschen unter dem Mangel an Trinkwasser leiden. Über die sekundären Folgen von Krieg und Klimakrise auf die syrische Bevölkerung. 19 Minuten.
China.Table – James Cunningham: “Deutschland ist ein wichtiger Meinungsführer”: Botschafter James Cunningham war als Vertreter der USA immer wieder dabei, wenn das schwierige Verhältnis Asiens zu USA und Europa verhandelt wurde. Im Interview mit Finn Mayer-Kuckuk erläutert er die internationale Sicht auf die China-Politik von Kanzler Olaf Scholz, die Bedeutung militärischer Stärke im Pazifik und seine Einschätzung der Gefahren für Taiwan.
Sophia Besch schlägt Brücken zwischen unterschiedlichen Perspektiven auf Sicherheitsfragen. In Berlin, Paris, London und Brüssel hat sie die dortigen Akzente der Sicherheitspolitik kennengelernt. Im vergangenen Herbst wechselte sie vom Center for European Reform (CER) in Berlin nach Washington an die Carnegie-Stiftung für Internationalen Frieden.
Als Besch an der Uni Münster Politik und Humanitäres Recht studierte, stand die Frage nach einer möglichen Intervention in Libyen im Raum: “Ich fand unbefriedigend, dass Deutschland keine Position bezog”, sagt sie. Während ihres Masters in Paris und London beschäftigte sie sich mit EU-Verteidigungsstrategien und der Nato. Gerade befindet sie sich in den letzten Zügen ihrer Promotion am Londoner Kings College zur Rolle der EU in der Rüstungspolitik.
Die 32-Jährige beobachtet in Ihrer Forschungsarbeit, wie deutsche Sicherheitspolitik im Ausland wahrgenommen wird. Die USA disziplinierten die Europäer bei den Rüstungslieferungen für die Ukraine, sagt sie. “Amerika hat in Rüstungsfragen die Führung in Europa übernommen.” Dass Olaf Scholz nach langem Zögern die Zusage zur Lieferung von Kampfpanzern für die Ukraine als Beispiel deutscher Führung verkaufte, habe in Washington für Irritation gesorgt – die Definitionen von Führung seien in Berlin und Washington unterschiedlich.
“Wir als Europäer erwarten, dass Amerika sich mit unseren spezifischen historischen und kulturellen Eigenheiten auseinandersetzt”, sagt sie. Europa könne sich nicht mehr auf seinen Sonderstatus bei den Amerikanern verlassen. Umso wichtiger sei es, dass Europa mit einer Stimme spreche, statt einzeln mit den USA zu verhandeln. Das gelte auch für das Beschaffungswesen: “Ich hoffe, dass wir in Rüstungsfragen europäisch denken und die Fragmentierung der vergangenen Jahrzehnte nicht zementieren.”
Die Verteilung der Lasten zwischen den Unterstützer-Ländern werde in den USA zunehmend kritisiert. Besonders paradox sei, dass transatlantisch eingestellte Republikaner bei der Münchner Sicherheitskonferenz für mehr Unterstützung warben, während republikanische Wähler die Unterstützung für die Ukraine immer skeptischer betrachten.
Die transatlantischen Beziehungen geraten zunehmend unter Druck, sagt Besch. Dafür nennt sie drei Gründe: Erstens nehme das Thema China und die Pazifik-Region immer mehr Aufmerksamkeit ein. Zweitens stehe ein Generationswechsel an und drittens schreite der Isolationismus voran. “Diese Regierung könnte die letzte echte transatlantische Regierung sein”, sagt sie. “Amerika möchte sich aus der Welt zurückziehen.” Das gelte für Republikaner und Demokraten.
Das vergangene Jahr war turbulent, auch für sie. Internationale Medien suchen bei ihr nach Erklärungen. Dabei habe sie erkannt, dass sie trotz großen Interesses an tagesaktueller Einordnung sich trotzdem weiter auf ihre Forschungsprojekte konzentrieren wolle: “Ich halte es für wichtig, meine Expertise zu vertiefen und dann zu kommentieren, wenn ich wirklich etwas zur Debatte beizutragen habe.” Bei dem Stress des vergangenen Jahres bleibt ihr aber trotzdem Zeit zur Entspannung. In Washington hat sie Comedy Clubs für sich entdeckt. Lukas Homrich