wussten Sie, dass sich Deutschland in der Nato verpflichtet hat, im Kriegsfall zehn Prozent der benötigten Truppen und Waffen der gesamten Allianz zu stellen? Ich wusste das nicht, bis ich während meiner fortgesetzten Recherchen zum Munitionsmangel darauf gestoßen bin, dass unser Land nach den USA (45 Prozent) den größten militärischen Anteil stellen will. Ich frage mich: womit?
Denn das zeigen die in meiner Analyse beispielhaft angeführten Zahlen zu den Munitionsvorräten in Heer, Luftwaffe und Marine auf: Womit sollen Flugzeuge, Artilleriehaubitzen und Schiffe in einem intensiven Krieg wie in der Ukraine kämpfen, wenn sie nach kurzer Zeit leer geschossen sind?
Nächste Frage: Wer ist eigentlich schuld an der desaströsen Munitionslage? Antwort: niemand allein. Es sind vier Parteien, die das Beschaffungssystem bilden. Sie bedingen einander und bilden ein dysfunktionales Gebilde.
Übernächste Frage: Wie kommt es, dass kurz bevor sich der Haushaltsausschuss des Bundestags mit dem Kauf von 35 F-35 befasst, Projektrisiken öffentlich thematisiert werden, die lange bekannt und breit diskutiert sind? Thomas Wiegold kennt zumindest einige der Antworten.
Anderes Thema: Nachdem der erste bundesweite Warntag im September 2020 eklatante Mängel in der Katastrophenwarnung aufgezeigt hat, soll es an diesem Donnerstag besser laufen. Die Probewarnung soll per NINA-Warnapp, Fernsehen und Rundfunk, digitale Anzeigetafeln, Sirenen und Lautsprecher die Bevölkerung erreichen und für den Katastrophenfall sensibilisieren. Neu im Warn-Mix ist Cell Broadcast, bei dem eine Warnung ohne App direkt auf das Handy geschickt wird. Welche Ziele die Strategie noch verfolgt, lesen Sie im Interview, das Lisa-Martina Klein geführt hat.
Im März hatte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht – wie es heißt mit freundlicher Unterstützung von Bundeskanzler Olaf Scholz – die Entscheidung getroffen, dass 35 Flugzeuge des Typs F-35 bestellt werden sollen. Damit hatte sie eine Entscheidung ihrer Vor-Vorgängerin Ursula von der Leyen revidiert.
Bereits Ende Juli stimmten die USA einem Verkauf zu und nannten für die Flugzeuge samt Zubehör und Waffen einen Paketpreis von 8,4 Milliarden US-Dollar – verbunden mit dem Hinweis: Das sei nur ein Schätzpreis, noch keine Aussage über die endgültigen Kosten.
Was seit der vergangenen Woche die Debatte in Deutschland befeuert, ist eine Vorlage von Verteidigungs- und Finanzministerium, die die erwartbaren Ausgaben für den neuen Kampfjet zusammenfasst, aber keine neuen Zahlen enthält. Mit der sogenannten 25-Millionen-Vorlage – benannt nach dem Schwellenwert – müssen alle Rüstungsprojekte von mehr als 25 Millionen Euro Wert gesondert vom Haushaltsausschuss des Bundestages gebilligt werden.
In dieser Vorlage, die der Ausschuss in seiner letzten Sitzung für dieses Jahr in der nächsten Woche beschließen soll, werden für die F-35 samt Zubehör und erster Bewaffnung, mit Luft-Luft-Lenkflugkörpern wie Bomben, insgesamt rund 8,29 Milliarden Euro veranschlagt – ziemlich nahe an der US-Schätzung vom Juli.
Was den Paketpreis für das neue Waffensystem auf fast zehn Milliarden Euro bringt, sind zusätzliche Ausgaben. Sie stehen für dieses Jahr noch nicht zur Billigung an. Dazu gehören weitere Waffen wie ein Lenkflugkörper für den Angriff auf Bodenziele, Ausbildungskosten und die neue Infrastruktur am für die Stationierung vorgesehenen Fliegerhorst Büchel. Hinzu kommen allein für die Bürokratie von deutscher Zulassung der Maschinen bis zu den vorgeschriebenen Studien für Umweltschutz und Arbeitssicherheit rund 300 Millionen Euro.
Die Kosten sind im beschlossenen Verteidigungshaushalt und dem Wirtschaftsplan für das Sondervermögen Bundeswehr, aus dem der ganze F-35-Kauf finanziert werden soll, bereits genannt: Neben den 8,29 Milliarden Euro für Flugzeuge und Bewaffnung zum Beispiel eine halbe Milliarde für den Ausbau der Infrastruktur in Büchel.
Die Kosten für die Sanierung des Flughafens, vor allem eine neue Start- und Landebahn, wurden darüber hinaus unabhängig von der Entscheidung für die F-35 erforderlich. Bereits jetzt wurde das an diesem Standort stationierte Luftwaffengeschwader temporär nach Nörvenich bei Köln verlegt, um diese Arbeiten zu ermöglichen.
Dennoch – und das ist der Teil der Vorlage, der zur aktuellen Debatte führte – ist der Kauf der neuen Flugzeuge nicht frei von Risiken und Problemen. Das fängt mit den Kosten für die Maschinen selbst an, die die USA bislang nur ungefähr beziffert haben – und noch steigen können. “Die endgültigen Preise werden mittels einseitiger Erklärung/Vertragsanpassung durch die U.S. Regierung an Deutschland weitergegeben”, heißt es warnend von Verteidigungs- und Finanzministerium.
Aber auch wenn, wie geplant, 2026 die ersten acht Flugzeuge in Deutschland eintreffen, wird die Luftwaffe einige Probleme lösen müssen, die in der Vorlage akribisch aufgezählt werden. Dazu gehört nicht nur die Gefahr, dass die Bauarbeiten in Büchel angesichts der hohen Sicherheitsanforderungen zu spät abgeschlossen werden. Rein formal ist auch noch die Zulassung der US-Flugzeuge für den Betrieb in Deutschland offen.
Der Flugbetrieb könne “dann gegebenenfalls nur unter Einschränkungen, zum Beispiel auf Basis einer risikobasierten Flugfreigabe aufgenommen werden”. Das allerdings ist für die Luftwaffe kein Grund, von den Maschinen Abstand zu nehmen – denn diese Freigabe kann die Bundeswehr sich selbst erteilen.
Zudem ist die F-35 bereits bei den europäischen Nachbarn im Dienst, zum Beispiel in den Niederlanden oder in Italien. Ein grundsätzliches Hindernis für Flüge im europäischen Luftraum scheint damit nicht zu bestehen. Dass der Kampfjet “erwartungsgemäß einsatzfähig sein wird”, betonte das Verteidigungsministerium, zeige sich schon an dem Betrieb in den anderen Nutzernationen.
Und im Gespräch mit Security.Table betonte der Haushaltspolitiker Andreas Schwarz, Berichterstatter der SPD für den Wehretat, am gestrigen Montag: “Das Verteidigungsministerium hat uns heute glaubhaft aufgezeigt, dass die F-35 in Deutschland fliegen wird und die Infrastruktur in Büchel rechtzeitig fertiggestellt ist.”
Vor allem aber gilt für die Bundesregierung wie für die Bundeswehr: Die künftige Rolle der F-35 als Träger für US-Atombomben, die sogenannte Nukleare Teilhabe, macht das Projekt zu wichtig, als dass es scheitern könnte: “Nach Einschätzung des Bundesministeriums der Verteidigung überwiegt die sicherheitspolitische Bedeutung des Vorhabens für die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr gegenüber den im Beschaffungsvorhaben bestehenden Risiken”, heißt es.
In der Nato gibt es eine verbindliche Festlegung. Im Fall eines großen Kriegs wie in der Ukraine verteilen sich die Anteile der Mitgliedsländer an den zu stellenden Truppen, Waffen und Munition wie folgt: 45 Prozent USA, zehn Prozent Deutschland, neun Prozent Großbritannien, neun Prozent Frankreich, der Rest die übrigen Mitgliedstaaten.
Für Deutschland kann man sagen: Die Zusage ist das Papier nicht wert, auf dem sie steht.
2017 hat Ursula von der Leyen bei einem Treffen der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel einer Tischvorlage über das Nato-Planungsziel zugestimmt. Damit verpflichtete sich Deutschland, der Allianz bis Ende 2031 für den Kriegsfall folgende militärische Fähigkeiten zur Verfügung zu stellen: drei Heeresdivisionen mit zehn Kampfbrigaden, zwei multinationale Air Groups, 15 Kampfschiffe, dazu Logistik, Sanitäter und weitere Kräfte.
Fünf Jahre später ist Deutschland meilenweit entfernt, diese Zusagen einzuhalten. Selbst wenn es die Waffensysteme geben sollte, so fehlt die Munition. Drei Beispiele, die Security.Table aus Gesprächen mit aktiven und ehemaligen ranghohen Soldaten entnommen hat:
15 Kampfschiffe, das sind Korvetten und Fregatten, jedes davon soll im Kriegsfall mindestens dreimal voll aufmunitioniert (Grundbeladung) in See stechen können. Je nach Einsatzrolle reicht der Vorrat an Flugabwehr- und Seezielflugkörpern, Artilleriemunition, Minen und MG-Munition gerade nur, um jedes Schiff einmal voll aufzumunitionieren.
Die Grundbeladung einer K-130 zum Beispiel umfasst unter anderem vier Seezielflugkörper RBS15 Mark III (Hauptbewaffnung). Wenn die fünf Korvetten leer geschossen sind, müssen drei von ihnen im Hafen bleiben. Es gibt nicht mehr ausreichend weitere RBS15 in den Depots.
Zwei multinationale Air Groups, das heißt Transportflugzeuge, Jäger, Bomber, Aufklärer, Helikopter und Objektschutzkräfte, am Tag zusammen bis zu 350 Starts, davon 75 Prozent durch die Bundeswehr. Eine Air Group stünde unter deutscher Führung, für die andere stellt die Luftwaffe unterstützende Kräfte.
Die Aufteilung in Air Groups dient als Planungsgrundlage für den Nato-Beitrag der Luftwaffe. Es handelt sich einerseits um eine verpflichtende Zusage, die zu erfüllen ist, wenn das Nato Air Command in Ramstein die Kräfte anfordert. Zum anderen hängt die Zahl der im Kriegsfall tatsächlich benötigten Flugzeuge und anderer Fähigkeiten von den Einsatzszenarien ab.
Für den Fall eines intensiven Luftkriegs hat die Bundeswehr bei weitem zu wenig Munition, um lange durchzuhalten. Während der Eigenschutz auf kurze Entfernung (25 km) noch mit Kurzstreckenraketen vom Typ Iris-T (vorhandene Anzahl: deutlich über 1000, deutlich unter 2000) noch gewährleistet ist, sieht es mit der Abwehr gegnerische Flugzeuge auf mittlere Entfernung (bis zu 200 km) eher mau aus.
Hierfür verfügt die Luftwaffe gerade einmal über etwas mehr als 100 Mittelstreckenraketen Meteor. Genau diese Raketen werden aber im Luftkampf gebraucht. Die Reichweite der Iris-T gilt in der Luftwaffe als zu kurz für intensive Szenarien.
Nicht besser sieht es bei der Munition für die Luft-Boden-Rolle aus: Von 600 Marschflugkörpern Taurus, beschafft vor circa zehn Jahren, sind nur etwa 150 einsatzbereit. Allerdings konnte diese Waffe bisher nur in den veralteten Tornado, nicht aber in den Eurofighter integriert werden.
Auch bei präzisionsgelenkten Bomben (GBU 24, GBU 54) gibt es ein Problem: Die Waffen lassen sich nicht aus größerer Entfernung abschießen. Eurofighter und Tornado müssen nah ans oder übers Ziel fliegen. Damit sind sie leichtes Ziel der Flugabwehr.
Drei Divisionen mit zehn Brigaden, darunter vier Artilleriebataillone, jedes davon mit 24 Panzerhaubitzen 2000 und acht Raketenwerfern Mars-2 ausgerüstet. Das ist die “Hardware”, und die ist schon knapp bemessen. Bei der “Software” sieht es noch schlechter aus.
Für die Panzerhaubitze verfügt das Heer derzeit über circa 9000 SMArt 155-Granaten und etwas mehr als 10.000 Sprenggranaten (H/E). Zur Einordnung: Die Ukraine hat in den vergangenen Tagen, als die Kämpfe witterungsbedingt abgeflaut sind, etwa 4000 bis 6000 Sprenggranaten pro Tag verschossen.
Für den Raketenwerfer beschaffte das Heer vor Jahren ungefähr 1200 Lenkkörper (GMLRS). In der Ausbildung durften nicht mehr als drei bis vier Raketen im Jahr verschossen werden, um die Vorräte zu schonen. Für die Schnelle Eingreiftruppe der Nato (VJTF2023) bestellte die Bundeswehr vor drei Jahren extra 900 Raketen nach (Kosten: 148 Mio.).
Doch in diesem Jahr musste das Heer fünf Mars-2-Systeme und einige hundert Lenkflugkörper an die Ukraine abgeben. In der Artillerietruppe sprechen sie von einem “katastrophalen” Munitionsbestand. Auch hier zur Einordnung: Die Ukraine verschoss nach Angaben von Militärexperten von Juli bis September täglich zwischen zwölf und 24 Raketen der weitgehend identischen Typen HIMARS und Mars-2. Das macht in Summe über drei Monate 1000 bis 2000 Raketen.
Die Nato ging seit 1990 davon aus, keinen großen Krieg mehr führen zu müssen. Statt mit vielen Waffen und ungenauer Munition sollten künftige Kriege mit wenigen Waffen und präziser Munition geführt werden. Für den exakten Bedarf (“Battle Decisive Munitions”) haben die Nato-Planer eine Formel, ihre Details sind geheim.
Ein Parameter aber ist das Einsatzszenario, ein anderer sind die gegnerischen Fähigkeiten. Auf den Krieg in der Ukraine übertragen: Das Einsatzszenario ist hochintensiv, die Kämpfe dauern Monate, wenn nicht Jahre und Russland hat mehr Fähigkeiten, als die Nato bisher wahrhaben will.
So heißt es in einer aktuellen Studie des Royal United Services Institute (RUSI), einem britischen Thinktank für Sicherheitspolitik, die russischen Waffensysteme hätten sich als weitgehend effektiv erwiesen. Erfahrene Verbände und Einheiten hätten gezeigt, dass die russischen Streitkräfte über ein beträchtliches Potenzial verfügten. Es seien eher politische Fehleinschätzungen und operativ-taktische Fehler der Militärführung gewesen, die dafür sorgten, dass die russischen Truppen in der Ukraine dieses Potenzial bisher nicht ausschöpfen konnten.
Die Studie geht auch auf das Thema Munition ein. Russland, schreiben die Autoren, habe auf dem Höhepunkt der Kämpfe im Donbass innerhalb von zwei Tagen mehr Munition verbraucht, als das gesamte britische Militär auf Lager habe.
Offenkundig mangelt es nicht nur der Bundeswehr an Munition. In der RUSI-Studie heißt es dazu sinngemäß: Bis auf die USA ist in der Nato kein einziges Land für einen Krieg wie in der Ukraine ausgerüstet. Mit Thomas Wiegold
Die Debatte um den Munitionsmangel ist inzwischen von gegenseitigen Vorwürfen geprägt. Die Bundeswehr habe bis heute keine Bestellung ausgelöst, klagt die Rüstungsindustrie. Das BMVg komme nicht in die Gänge, wettern Verteidigungs- und Haushaltspolitiker. Die Rüstungsindustrie solle endlich mit der Produktion beginnen, zürnt der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil.
Wer ist schuld? Die Antwort: Alle und keiner. Es ist das Beschaffungssystem, das für eine kriegsbedingte schnelle Bewaffnung der deutschen Streitkräfte nicht ausgelegt ist. Es ist ein Beschaffungssystem für eine Armee im Frieden.
Nach der Annexion der Krim beauftragte die Regierung von Kanzlerin Angela Merkel das Verteidigungsministerium mit einer Bestandsaufnahme. Das Ergebnis: Volle Verteidigungsfähigkeit sei frühestens 2031 erreichbar und auch nur, wenn der Wehretat schnell von 1,2 auf zwei Prozent des BIP erhöht werde. Allein an Munition herrsche ein dringender Bedarf in einem Umfang von 25 Milliarden Euro.
Das war im Frühjahr 2017. Ein paar Wochen später war vom Zwei-Prozent-Ziel in der Regierung keine Rede mehr. Es herrschte Bundestagswahlkampf. Auch vier Jahre später unter Kanzler Olaf Scholz war diese Zielmarke allenfalls eine vage Richtgröße.
Selbst heute in Kriegszeiten ist sich die Bundesregierung nicht einig über das Geld. Einen Tag nach dem Gespräch mit Industrievertretern im Kanzleramt schrieb Verteidigungsministerin Christine Lambrecht einen Brief an Finanzminister Christian Lindner. Sie bat ihn, “jetzt unmittelbar in signifikantem Umfang Haushaltsmittel und Verpflichtungsermächtigungen bereitzustellen”, um Munition beschaffen zu können.
Lindner ließ sinngemäß antworten, Lambrecht und das BMVg sollten ihre Hausaufgaben machen und nicht mehr Geld fordern. Wörtlich: “Wie Sie wissen, hat das BMVg jede Möglichkeit, im Zuge der eigenen fachlichen Priorisierung die Mittel (des Sondervermögens; Anm. d. Red.) entsprechend einzusetzen.” Es sei doch sehr verwunderlich, dass Lambrecht die Dringlichkeit der Munitionsbeschaffung nicht schon bei der Verhandlung zum Sondervermögen deutlich gemacht habe.
Egal, ob die Bundeswehr drei Leopard 2A7V (25 Mio. Euro) oder 35 F-35 (9,4 Mrd. Euro) kaufen will, jeden Einkauf ab 25 Millionen Euro muss die Regierung beim Parlament beantragen und ausführlich begründen. Das kostet Zeit, bindet Personal und beansprucht Ressourcen. Und führt mitunter dazu, dass die Bundeswehr kriegt, was sie gar nicht wollte (zum Beispiel fünf zusätzliche Korvetten).
Und dann besteht der Bundestag aus 736 Abgeordneten, die ganz besonders die Belange ihrer Wahlkreise, Bundesländer oder parteipolitische Interessen im Blick haben. Auf die Rüstungsbeschaffung bezogen: Parlamentarier, die zum Beispiel Flugzeug- oder Panzerhersteller in ihren Wahlkreisen haben, sorgen mitunter dafür, dass Beschaffungsentscheidungen des BMVg für einen Konkurrenten des heimatlichen Unternehmens “noch einmal diskutiert, geprüft”, mitunter sogar politisch diskreditiert werden.
Erst Munition verbrauchen, dann neue bestellen – so hat sie es jahrelang gehalten. Die Bundeswehr legt sich millionenschwere Planungstools wie SAP zu, in die der Bedarf bis auf Kompanieebene einfließen kann. Und schafft es dennoch nicht, bis Mitte Dezember 2022 die Kleinkaliber-Munition für 2023 zu bestellen.
Dann die vielen hausgemachten Beschaffungsprobleme: Das zweite Los für den Schützenpanzer Puma zum Beispiel (3,9 Mrd. Euro) war “haushaltsreif”, also vom Parlament freigegeben. Der neue Heeresinspekteur hätte es nur ziehen müssen. Doch Alfons Mais hatte andere Pläne als seine Vorgänger. Statt vieler schwerer Kräfte (Leopard 2, Puma) wollte er lieber auch mittlere Kräfte. Die Radpanzer dafür gibt es aber noch gar nicht, mithin auch noch keinen Beschaffungsvorgang.
Schließlich illustriert auch dies, wie sich die Bundeswehr oft selbst im Wege steht: Jede Munitionscharge muss geprüft und zertifiziert werden. So steht es in Gesetzen und Vorschriften. Zuständig ist die Wehrtechnische Dienststelle (WTD) in Meppen. Doch sie hat dafür nur zwei Mitarbeiter.
Der Grund: Die Politik hielt Munition jahrelang für verzichtbar. Die Folge: Die WTD baute Teststände und Personal ab. Das entsprach exakt der Auftragslage der vergangenen drei Jahrzehnte: sparen.
SPD-Chef Klingbeil hat die Rüstungsindustrie kürzlich aufgefordert, ihre Kapazitäten schneller zu erweitern, sonst werde im Ausland bestellt. Doch die Firmen bräuchten Verlässlichkeit, etwa durch staatliche Finanzierungszusagen, Rahmenverträge oder Verpflichtungserklärungen, sagt der Manager eines Munitionsherstellers. “Rohstoffe sind knapp. Wenn wir in drei Jahren produzieren wollen, müssen wir heute bestellen. Das Geld dafür muss uns der Bund fest zusagen.”
Doch wie in der Regierung herrscht auch in der Industrie keine Einigkeit über das Vorgehen. Es gibt Firmenchefs, die sagen, aufgrund des GmbH- oder Aktiengesetzes ohne unterschriebenen Auftrag gar keine Investitionen vornehmen zu dürfen. Sie könnten für etwaige Verluste persönlich haftend gemacht werden.
Und es gibt Firmenchefs, die vom Gegenteil sprechen. Entscheidungen, die auf Basis vollständiger Informationen und nach sorgfältiger Abwägung getroffen wurden, seien von der Business Judgment Rule abgedeckt und nicht angreifbar, sagen sie. Gerade in der jetzigen Lage könne ein Unternehmen durchaus in Vorleistung gehen, der Staat sei auf die Industrie angewiesen. Er brauche dringend Waffen und Munition, er werde sicher zahlen.
Hinzu kommt dann auch noch, dass etliche europäische Nato-Länder schnell reagiert haben – und in diesem Jahr bei der deutschen Industrie Munition bestellten. Das lastet die Produktionskapazitäten aus, die Bundeswehr muss sich hinten anstellen.
Um die Bundeswehr schneller auszurüsten, hat der frühere Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, kürzlich vorgeschlagen, die “Kriegswirtschaft” in Deutschland einzuführen. Dafür erntete er Kritik. Dann könnten zum Beispiel Vergabeverfahren wie etwa eine europäische Ausschreibung von Rüstungsgütern ausgesetzt werden. Mit Thomas Wiegold
Die Bundesregierung hat im Juli 2022 die Deutsche Strategie zur Stärkung der Resilienz gegenüber Katastrophen verabschiedet. Die Resilienz-Strategie ist die nationale Umsetzung des Sendai Rahmenwerks für Katastrophenvorsorge, das 2015 von den Vereinten Nationen verabschiedet wurde.
Frau Müller, Herr Hahn, Deutschland hat seit Juli eine Resilienz-Strategie. Welche Erkenntnisse aus den jüngsten Krisen und Katastrophen fließen in die Strategie ein?
Müller: Die Krisen haben belegt, dass wir uns in Zukunft in allen Bereichen des Katastrophenrisikomanagements besser aufstellen müssen. Diese Erkenntnis hat uns in unserer Arbeit auch massiv bestärkt. Wir konnten in Echtzeit an den Krisen wie der Covid-19-Pandemie und der Flut in Westdeutschland lernen und die gemachten Erfahrungen in der Resilienz-Strategie berücksichtigen. Ein entscheidender Punkt war dabei, dass vor allem in der Covid-19-Pandemie alle gemerkt haben, dass Krisen und Lagen wie diese nur zusammen lösbar sind, da alle Sektoren und Politikbereiche gleichermaßen betroffen sind.
Was hat sich in den vergangenen Jahren im Bereich Zivil- und Katastrophenschutz hauptsächlich geändert?
Müller: Die Stärkung von Resilienz gegenüber Katastrophen ist eine gesamtstaatliche und -gesellschaftliche Aufgabe. Das betrifft nicht nur die reaktive Phase, also die Bewältigung, sondern auch die Phasen der Prävention, der Vorsorge und die Nachbereitung inklusive des Ansatzes “build back better”. In der Strategie wird dies auch dadurch verdeutlicht, dass nur ein Kapitel von fünf sich mit der Bewältigung beschäftigt, die anderen aber zu Teilen oder in Gänze mit der Vorsorge und dem Management des Katastrophenrisikos. Auf Ebene der Bundesregierung ist das Bewusstsein für ein umfassendes Katastrophenrisikomanagement inzwischen vorhanden.
Wie sollen künftig Anreize geschaffen werden, in die Katastrophenvorsorge zu investieren?
Müller: Es braucht sowohl nicht-monetäre als auch monetäre Investitionen in die Katastrophenvorsorge. Auf allen Ebenen und in allen Sektoren, bei allen Planungs- und Entscheidungsprozessen muss sich der Risiko- und Resilienzgedanke durchziehen. Anreize für finanzielle Investitionen im Bereich der Katastrophenvorsorge können dabei insbesondere durch Aufklärung geschaffen werden. Der Bund kann mit entsprechenden Fachgesetzen, Verordnungen oder Richtlinien helfen und somit die rechtlichen Rahmenbedingungen festlegen. Er kann auch Fördermaßnahmen schaffen bzw. bestehende entbürokratisieren.
Wie wird der Zivilschutz im eigentlichen Sinne, also der Schutz der Bevölkerung im Kriegsfall, in der Resilienz-Strategie berücksichtigt?
Müller: Die Resilienz-Strategie verfolgt einen All-Gefahren-Ansatz. Dabei werden alle möglichen Katastrophen betrachtet, die sowohl durch natürliche als auch vom Menschen verursachte Gefahren ausgelöst werden können. Dies schließt auch die mögliche Gefahr eines bewaffneten Konflikts oder Kriegs mit ein. Daher wird der Zivilschutz in der Resilienz-Strategie auch über die zivile und militärische Zusammenarbeit hinaus adressiert.
Hahn: Jede Investition in den Katastrophenschutz ist automatisch auch eine Investition in den Zivilschutz, da wir in Deutschland ein integriertes Hilfeleistungssystem haben. Man darf aber nicht vergessen, dass viele Strukturen speziell aus dem Zivilschutz, wie zum Beispiel Schutzbauten, in den krisenarmen Zeiten als obsolet betrachtet wurden. Die Ausgangslage hat sich mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine verändert. Das Innenministerium überprüft derzeit seine Fähigkeiten des Zivilschutzes.
Was bedeutet das genau?
Hahn: Die Abwicklung der noch vorhandenen öffentlichen Schutzräume, die 2007 begann und bis vor Kurzem im Gange war, ist ausgesetzt worden. Seither findet eine mehrstufige Überprüfung der noch vorhandenen Schutzräume statt. Zum anderen wird geprüft, welche vorhandene Bausubstanz wie U-Bahn-Schächte oder Parkhäuser sich für den Zivilschutz eignen. Der Bau neuer Bunker wäre aus Kosten- und Zeitgründen zumindest keine Ad-hoc-Lösung.
Wie zahlt die Stärkung der Bundeswehr, zum Beispiel durch das Sondervermögen, auf die Resilienzziele ein?
Müller: Wie sich das Sondervermögen im Detail auswirkt, lässt sich noch nicht absehen. Aber klar ist, dass dadurch bereits begonnen wird, in der Resilienz-Strategie formulierte Maßnahmen umzusetzen. So wird beispielsweise eine Stärkung der Bundeswehr sicherlich die militärische Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit Deutschlands als Nato-Mitgliedsstaat erhöhen. Da die Strategie auf einen Zeitraum bis 2030 ausgelegt ist, ist es natürlich nicht möglich, die dort gefassten Ziele mit dieser Einmalzahlung abschließend umzusetzen.
Hahn: Die Gesamtverteidigung in Deutschland besteht aus zwei Teilen, aus der militärischen und der zivilen Verteidigung. Eine starke Bundeswehr stärkt da natürlich auch die zivil-militärische Zusammenarbeit.
Am 17. November gab es bundesweite Störungen im deutschen Mobilfunknetz, in manchen Gebieten waren die Notrufnummern nicht erreichbar. In der Warn-App Nina wurde aber in jedem Bundesland, teilweise in einzelnen Gemeinden, unterschiedlich gewarnt. Wie kommt das zustande?
Hahn: In dem integrierten Hilfeleistungssystem liegt eine Kompetenzverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen vor. Die unterschiedlichen Warnungen wie beim Ausfall des Mobilfunknetzes sind eines der Charakteristika des föderalen Systems, das sich im Bevölkerungsschutz bewährt hat. Denn die Kommunen wissen am besten, welche Auswirkungen das Ereignis vor Ort tatsächlich hat. So ist es durchaus legitim, dass man an unterschiedlichen Stellen zu unterschiedlichen Lagebeurteilungen kommt. Das liegt im Ermessen der zuständigen Stellen. Zudem unterscheiden sich die Katastrophenschutzgesetze von Bundesland zu Bundesland und die Warnung ist zum Teil unterschiedlich geregelt. Seit Jahren gibt es aber Bestrebungen zur Vereinheitlichung. Eine Maßnahme dafür ist der bundesweite Warntag am 8. Dezember.
Gleich zwei Explosionen auf innerrussischen Militärflugplätzen haben am Montag den Kreml aufgeschreckt. Die Anlagen liegen in beiden Fällen mehr als 500 Kilometer Luftlinie von der ukrainischen Grenze entfernt. Die Explosionen auf “Engels-2” in der Region Saratow und auf “Djagilewo” bei Rjasan sollen sich morgens gegen 6 Uhr lokaler Zeit fast zeitgleich ereignet haben. Auf der Anlage bei Rjasan starben drei Menschen, vier wurden schwer verletzt.
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow wollte keine Fragen dazu beantworten und verwies auf das Verteidigungsministerium, das am Abend die “versuchten Angriffe mit Drohnen sowjetischer Herstellung” bestätigte. Den Worten des Sprechers Igor Konaschenkow zufolge seien nur geringfügige Schäden entstanden, als die russische Flugabwehr die ukrainischen Drohnen abgefangen habe.
Russische militaristische Telegram-Kanäle tobten jedoch angesichts der Vorfälle. Sie reagieren mit Vorwürfen gegen das Verteidigungsministerium und fordern besseren Schutz der Anlagen im Landesinneren. “Djagilewo” liegt 230 Kilometer südöstlich von Moskau, “Engels-2” 880 Kilometer südöstlich von der Hauptstadt.
“Engels-2” und “Djagilewo” sind strategische Flugplätze. Zumindest von “Engels-2” aus werden Angriffe auf die Ukraine geflogen. Hier soll eine Drohne eine Start- und Landebahn sowie zwei Flugzeuge beschädigt haben. In “Djagilewo” wurde eine Tankanlage getroffen. Auch ein Flugzeug soll beschädigt worden sein. Im Oktober kam es zu Angriffen auf eine russische Luftwaffenbasis auf der Krim.
Kurz nach den Explosionen am Montag erfolgte ein massiver russischer Raketenangriff auf die gesamte Ukraine, der auch zu Stromausfällen in der Republik Moldau führte. Laut Konaschenkow seien alle 17 Ziele in der Ukraine zerstört worden, darunter Bahnverbindungen, militärische und elektrische Infrastruktur. Die Angaben lassen sich nicht überprüfen. Die Ukraine sprach von 60 abgefangenen Raketen. Mehrere Menschen kamen ums Leben, darunter auch ein Kleinkind.
Der staatliche ukrainische Versorger warnte am Montagabend, dass in allen Regionen des Landes die Stromversorgung für Reparaturen zeitweise eingestellt werden muss. Es war der achte massive Raketenbeschuss des Landes seit Anfang Oktober. vf
Europas Verteidigungsindustrie hat mit regem Interesse auf die zweite Ausschreibung des Europäischen Verteidigungsfonds (EDF) reagiert: Die EU-Kommission meldet nach Ablauf der Bewerbungsfrist Ende November 134 Bewerbungen für gemeinsame Forschungsprojekte.
Aus dem Verteidigungsfonds stehen für die Förderung der Projekte insgesamt 924 Millionen Euro zur Verfügung. Die Kommission will die Projekte nun zusammen mit externen Experten evaluieren. Das Ergebnis soll Ende des zweiten Quartals 2023 feststehen.
Der Europäische Verteidigungsfonds ist ein junges Instrument der EU, 2017 zur Förderung von Kooperationen und grenzüberschreitender Zusammenarbeit der Rüstungsindustrie gegründet. Kommission und Mitgliedstaaten hatten für die Ausschreibung im Rahmen des Arbeitsprogramms 2022 verschiedene Kategorien und Prioritäten festgelegt.
EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton sprach bei der Präsentation davon, gemeinsame Verteidigungsprojekte insbesondere im Weltraum- und Cyberbereich sowie für verschiedene hoch entwickelte Fähigkeiten voranzutreiben.
In der Kategorie Cyber zum Beispiel soll die Entwicklung resilienter Systeme und eine Informationstoolbox zur Kriegsführung im Internet gefördert werden. In der Kategorie Weltraum sind Fördermittel für die Entwicklung von Frühwarnsystemen vorgesehen.
Andere Kategorien sind Land-, Luft- und Seestreitkräfte oder Unterwasserkriegführung. Die Ausschreibung speziell für grenzüberschreitende Kooperationen von kleinen und mittleren Unternehmen sei auf besonderes Interesse gestoßen, so die EU-Kommission.
Am Montag hat die EU-Kommission zudem die Ergebnisse einer ersten Ausschreibung von 2021 bekannt gegeben. 1,2 Milliarden Euro sollen in 61 europäische Kooperationen fließen, für die Entwicklung von Kampfflugzeugen der nächsten Generation, Panzern, Schiffen sowie kritischer Verteidigungstechnologien wie einer militärischen Cloud, Künstlicher Intelligenz oder Halbleitern.
In einem nächsten Schritt müssen nun die Verträge zwischen EU-Kommission und den Konsortien ausgehandelt werden. Der Europäische Verteidigungsfonds verfügt für die Haushaltsperiode bis 2027 über ein Budget von knapp acht Milliarden Euro. sti
The Jerusalem Post – Iran publishes list of ‘sensitive’ sites in Israel to strike in future war: Die Jerusalem Post berichtet, wie iranische Medien, die den Islamischen Revolutionsgarden nahestehen, sensible israelische Ziele auflisten, die in einem Krieg angegriffen werden könnten. Die israelische Zeitung interpretiert das als klare Botschaft.
Politico – 2 Russians who fled draft to Alaska await asylum decisions in Washington state: Die Flucht zweier russischer Dissidenten begann mit einem Klopfen an der Tür – fünf Tage waren sie auf einem Fischerboot auf der Beringstraße unterwegs, bevor sie durchnässt in Alaska ankamen. Politico erzählt die Geschichte der Männer und wie es in den USA für sie weitergeht.
Podcast: Weltzeit – Die Waffenlobby als mächtiger Player in Brasilien: In Bolsonaros Amtszeit haben sich viele Brasilianer bewaffnet. Die Weltzeit-Reportage geht nah ran und beschreibt, welche Verbindungen es zwischen der amerikanischen NRA und brasilianischen Waffenlobbygruppen gibt. Hört sich gut nebenbei und beansprucht nicht die volle Konzentration.
The Barents Observer – How political propaganda is being introduced into Russian schools: Kinder und Jugendliche in Russland sollen zu opferbereiten Patrioten werden. Neue Vorgaben und Materialien über die “heldenhafte Armee” werden an den Schulen verteilt, halbmilitärische Camps und Ausbildungszentren sollen den Nachwuchs auf den Kampf vorbereiten und die Kinder lehren “warum sie fähig sein sollten zu töten”. The Barents Observer mit einer dystopischen Geschichte über eine gefährliche Entwicklung in Russland – und dem Widerstand dagegen.
Stars and Stripes – Pentagon debuts its new stealth bomber, the B-21 Raider: Die USA haben ihren neuen Langstreckenbomber B-21 Raider vorgestellt – nach offiziellen Angaben so hoch entwickelt und fortgeschritten wie kein Flugzeug zuvor. Die technischen Details der Maschine, die sowohl konventionelle als auch nukleare Bomben ins Ziel bringen soll, bleiben allerdings weitgehend geheim, berichtet AP. Mehr Hintergründe liefert Time.
Er sagt das zwar mit einem Lächeln, aber der Blick macht klar: Ich meine das ernst. “Als Pilot weiß ich, was es heißt, wenn Flugzeuge nicht fliegen”. Michael Schöllhorn, Vorstandsvorsitzender von Airbus Defence and Space, war zehn Jahre lang Offizier und Hubschrauberpilot in der Bundeswehr. Es verwundert nicht, dass ihm die Entwicklung des Future Combat Air System (FCAS) am Herzen liegt.
Airbus ist an FCAS maßgeblich beteiligt. Der Streit mit dem unbequemen französischen Industriepartner Dassault über die Führung des Projekts hat so manche Navigationskünste des ehemaligen Soldaten erfordert.
Sich nicht provozieren lassen, das ist eine Tugend, die Schöllhorn beherrscht. Lächelnd, aber stoisch äußerte er Ende vergangener Woche, nachdem Dassault eine Einigung in Aussicht stellte: Die Erklärung “ebnet den Weg für eine endgültige Vertragsunterzeichnung, sobald die entsprechenden Prozesse in den jeweiligen Kunden-Nationen abgeschlossen sind”.
Das soll noch in diesem Jahr passieren. Soll. Aber wann und vor allem ob das derzeit teuerste europäische Rüstungsprojekt wirklich fliegt, ist alles andere als sicher. FCAS ist zwar das Prestigeobjekt für die Rüstungssparte von Airbus, aber ihr Chef hat sich mehr vorgenommen. Seit Juni vergangenen Jahres im Amt will Schöllhorn den Konzern auch in der Raumfahrt an die “Spitze” der Branche treiben.
Mittlerweile ist Airbus das größte Raumfahrtunternehmen in Deutschland, führend im Bau von Raketen und Satellitensystemen. Von der “Zeitenwende” und dem 100 Milliarden-Euro-Paket für die Bundeswehr erwartet der studierte Ingenieur für Steuerungstechnik “weitreichende Aufträge”. In welcher Höhe – darüber schweigt sich der geschickte Verhandlungstaktiker aus.
Der von der Bundesregierung beschlossene Kauf von 35 F-35-Kampfflugzeugen des amerikanischen Konkurrenten Lockheed Martin wird Schöllhorn zwar nicht erfreut haben. Doch der Airbus-Konzern, der an der Produktion des Eurofighter Typhoon beteiligt ist, soll fünfzehn neue ECR-Eurofighter mit Fähigkeiten zur elektronischen Kampfführung liefern.
“Eine Herausforderung, die wir gerne annehmen”, sagt der 57-Jährige selbstbewusst. Schöllhorn glaubt zu wissen, was er kann. “In der Schule war ich schon ab und zu mal der Held”. Die Rüstungsindustrie, bis vor kurzem kein Publikumsliebling der Politik, erfahre momentan “besondere Zuwendung”, bemerkt er süffisant.
Der Airbus-Spitzenmanager vertritt seit einem Jahr als Präsident des Bundesverbands der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) auch die Interessen einer Branche mit mehr als 100.000 Beschäftigten in Deutschland. “Wir wollen, dass Deutschland und Europa an der Spitze bleiben – in der Luft oder im All.” Oder zumindest erst einmal dorthin kommen.
Für diese hochfliegenden Pläne sind Aufträge der Bundeswehr zwingend, weshalb Schöllhorn das 100-Milliarden Sondervermögen für zu wenig hält, um die Streitkräfte zu sanieren. Kritik aus der Bundeswehr oder auch der Politik, Airbus – überhaupt die deutsche Rüstungsindustrie – liefere zu spät oder sei zu teuer, pariert der Sohn eines Starfighter-Piloten mit Eigenkritik: “Wir haben auch Fehler gemacht in der Vergangenheit. Wir haben nicht klar genug gesagt: Das geht so nicht”.
Eine Position, die er – im Gegensatz zu seinen Vorgängern – eher locker einnehmen kann, denn der schlechte Ruf des Militärtransporters A400M als “Pannenflieger” kratzt nicht an seinem Image. BDLI-Chef Schöllhorn, der lieber die leisen Töne wählt, appelliert an die Politik, das Momentum nicht verstreichen lassen. Nie wäre eine bundesdeutsche Öffentlichkeit so bereit gewesen, in ihre Streitkräfte zu investieren. Er sieht die Politik in der Pflicht: “Wir brauchen langfristige Planungen”. Nana Brink
In Ausgabe 2 tauchte im Portrait über Claudia Major der Name Bianca Oertel auf. Richtig wäre gewesen: Janka Oertel. Sie ist Direktorin des Asien-Programmes am European Council on Foreign Relations.
Ein Amt, um das es sehr lange still war, machte in den News in Ausgabe 4 Druck auf die Rüstungskonzerne Rheinmetall und Nexter. Das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung gibt es allerdings nicht mehr, die Rede hätte vom Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) sein sollen.
Polnische Politiker dürften aufgrund ihrer Forderungen nach Entschädigungen aus Deutschland bei der News in Ausgabe 4 kurz hellhörig geworden sein. Doch KNDS richtet in der Slowakei einen Reparaturhub ein und keinen Reparationshub.
Wir bitten, die Fehler zu entschuldigen.
wussten Sie, dass sich Deutschland in der Nato verpflichtet hat, im Kriegsfall zehn Prozent der benötigten Truppen und Waffen der gesamten Allianz zu stellen? Ich wusste das nicht, bis ich während meiner fortgesetzten Recherchen zum Munitionsmangel darauf gestoßen bin, dass unser Land nach den USA (45 Prozent) den größten militärischen Anteil stellen will. Ich frage mich: womit?
Denn das zeigen die in meiner Analyse beispielhaft angeführten Zahlen zu den Munitionsvorräten in Heer, Luftwaffe und Marine auf: Womit sollen Flugzeuge, Artilleriehaubitzen und Schiffe in einem intensiven Krieg wie in der Ukraine kämpfen, wenn sie nach kurzer Zeit leer geschossen sind?
Nächste Frage: Wer ist eigentlich schuld an der desaströsen Munitionslage? Antwort: niemand allein. Es sind vier Parteien, die das Beschaffungssystem bilden. Sie bedingen einander und bilden ein dysfunktionales Gebilde.
Übernächste Frage: Wie kommt es, dass kurz bevor sich der Haushaltsausschuss des Bundestags mit dem Kauf von 35 F-35 befasst, Projektrisiken öffentlich thematisiert werden, die lange bekannt und breit diskutiert sind? Thomas Wiegold kennt zumindest einige der Antworten.
Anderes Thema: Nachdem der erste bundesweite Warntag im September 2020 eklatante Mängel in der Katastrophenwarnung aufgezeigt hat, soll es an diesem Donnerstag besser laufen. Die Probewarnung soll per NINA-Warnapp, Fernsehen und Rundfunk, digitale Anzeigetafeln, Sirenen und Lautsprecher die Bevölkerung erreichen und für den Katastrophenfall sensibilisieren. Neu im Warn-Mix ist Cell Broadcast, bei dem eine Warnung ohne App direkt auf das Handy geschickt wird. Welche Ziele die Strategie noch verfolgt, lesen Sie im Interview, das Lisa-Martina Klein geführt hat.
Im März hatte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht – wie es heißt mit freundlicher Unterstützung von Bundeskanzler Olaf Scholz – die Entscheidung getroffen, dass 35 Flugzeuge des Typs F-35 bestellt werden sollen. Damit hatte sie eine Entscheidung ihrer Vor-Vorgängerin Ursula von der Leyen revidiert.
Bereits Ende Juli stimmten die USA einem Verkauf zu und nannten für die Flugzeuge samt Zubehör und Waffen einen Paketpreis von 8,4 Milliarden US-Dollar – verbunden mit dem Hinweis: Das sei nur ein Schätzpreis, noch keine Aussage über die endgültigen Kosten.
Was seit der vergangenen Woche die Debatte in Deutschland befeuert, ist eine Vorlage von Verteidigungs- und Finanzministerium, die die erwartbaren Ausgaben für den neuen Kampfjet zusammenfasst, aber keine neuen Zahlen enthält. Mit der sogenannten 25-Millionen-Vorlage – benannt nach dem Schwellenwert – müssen alle Rüstungsprojekte von mehr als 25 Millionen Euro Wert gesondert vom Haushaltsausschuss des Bundestages gebilligt werden.
In dieser Vorlage, die der Ausschuss in seiner letzten Sitzung für dieses Jahr in der nächsten Woche beschließen soll, werden für die F-35 samt Zubehör und erster Bewaffnung, mit Luft-Luft-Lenkflugkörpern wie Bomben, insgesamt rund 8,29 Milliarden Euro veranschlagt – ziemlich nahe an der US-Schätzung vom Juli.
Was den Paketpreis für das neue Waffensystem auf fast zehn Milliarden Euro bringt, sind zusätzliche Ausgaben. Sie stehen für dieses Jahr noch nicht zur Billigung an. Dazu gehören weitere Waffen wie ein Lenkflugkörper für den Angriff auf Bodenziele, Ausbildungskosten und die neue Infrastruktur am für die Stationierung vorgesehenen Fliegerhorst Büchel. Hinzu kommen allein für die Bürokratie von deutscher Zulassung der Maschinen bis zu den vorgeschriebenen Studien für Umweltschutz und Arbeitssicherheit rund 300 Millionen Euro.
Die Kosten sind im beschlossenen Verteidigungshaushalt und dem Wirtschaftsplan für das Sondervermögen Bundeswehr, aus dem der ganze F-35-Kauf finanziert werden soll, bereits genannt: Neben den 8,29 Milliarden Euro für Flugzeuge und Bewaffnung zum Beispiel eine halbe Milliarde für den Ausbau der Infrastruktur in Büchel.
Die Kosten für die Sanierung des Flughafens, vor allem eine neue Start- und Landebahn, wurden darüber hinaus unabhängig von der Entscheidung für die F-35 erforderlich. Bereits jetzt wurde das an diesem Standort stationierte Luftwaffengeschwader temporär nach Nörvenich bei Köln verlegt, um diese Arbeiten zu ermöglichen.
Dennoch – und das ist der Teil der Vorlage, der zur aktuellen Debatte führte – ist der Kauf der neuen Flugzeuge nicht frei von Risiken und Problemen. Das fängt mit den Kosten für die Maschinen selbst an, die die USA bislang nur ungefähr beziffert haben – und noch steigen können. “Die endgültigen Preise werden mittels einseitiger Erklärung/Vertragsanpassung durch die U.S. Regierung an Deutschland weitergegeben”, heißt es warnend von Verteidigungs- und Finanzministerium.
Aber auch wenn, wie geplant, 2026 die ersten acht Flugzeuge in Deutschland eintreffen, wird die Luftwaffe einige Probleme lösen müssen, die in der Vorlage akribisch aufgezählt werden. Dazu gehört nicht nur die Gefahr, dass die Bauarbeiten in Büchel angesichts der hohen Sicherheitsanforderungen zu spät abgeschlossen werden. Rein formal ist auch noch die Zulassung der US-Flugzeuge für den Betrieb in Deutschland offen.
Der Flugbetrieb könne “dann gegebenenfalls nur unter Einschränkungen, zum Beispiel auf Basis einer risikobasierten Flugfreigabe aufgenommen werden”. Das allerdings ist für die Luftwaffe kein Grund, von den Maschinen Abstand zu nehmen – denn diese Freigabe kann die Bundeswehr sich selbst erteilen.
Zudem ist die F-35 bereits bei den europäischen Nachbarn im Dienst, zum Beispiel in den Niederlanden oder in Italien. Ein grundsätzliches Hindernis für Flüge im europäischen Luftraum scheint damit nicht zu bestehen. Dass der Kampfjet “erwartungsgemäß einsatzfähig sein wird”, betonte das Verteidigungsministerium, zeige sich schon an dem Betrieb in den anderen Nutzernationen.
Und im Gespräch mit Security.Table betonte der Haushaltspolitiker Andreas Schwarz, Berichterstatter der SPD für den Wehretat, am gestrigen Montag: “Das Verteidigungsministerium hat uns heute glaubhaft aufgezeigt, dass die F-35 in Deutschland fliegen wird und die Infrastruktur in Büchel rechtzeitig fertiggestellt ist.”
Vor allem aber gilt für die Bundesregierung wie für die Bundeswehr: Die künftige Rolle der F-35 als Träger für US-Atombomben, die sogenannte Nukleare Teilhabe, macht das Projekt zu wichtig, als dass es scheitern könnte: “Nach Einschätzung des Bundesministeriums der Verteidigung überwiegt die sicherheitspolitische Bedeutung des Vorhabens für die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr gegenüber den im Beschaffungsvorhaben bestehenden Risiken”, heißt es.
In der Nato gibt es eine verbindliche Festlegung. Im Fall eines großen Kriegs wie in der Ukraine verteilen sich die Anteile der Mitgliedsländer an den zu stellenden Truppen, Waffen und Munition wie folgt: 45 Prozent USA, zehn Prozent Deutschland, neun Prozent Großbritannien, neun Prozent Frankreich, der Rest die übrigen Mitgliedstaaten.
Für Deutschland kann man sagen: Die Zusage ist das Papier nicht wert, auf dem sie steht.
2017 hat Ursula von der Leyen bei einem Treffen der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel einer Tischvorlage über das Nato-Planungsziel zugestimmt. Damit verpflichtete sich Deutschland, der Allianz bis Ende 2031 für den Kriegsfall folgende militärische Fähigkeiten zur Verfügung zu stellen: drei Heeresdivisionen mit zehn Kampfbrigaden, zwei multinationale Air Groups, 15 Kampfschiffe, dazu Logistik, Sanitäter und weitere Kräfte.
Fünf Jahre später ist Deutschland meilenweit entfernt, diese Zusagen einzuhalten. Selbst wenn es die Waffensysteme geben sollte, so fehlt die Munition. Drei Beispiele, die Security.Table aus Gesprächen mit aktiven und ehemaligen ranghohen Soldaten entnommen hat:
15 Kampfschiffe, das sind Korvetten und Fregatten, jedes davon soll im Kriegsfall mindestens dreimal voll aufmunitioniert (Grundbeladung) in See stechen können. Je nach Einsatzrolle reicht der Vorrat an Flugabwehr- und Seezielflugkörpern, Artilleriemunition, Minen und MG-Munition gerade nur, um jedes Schiff einmal voll aufzumunitionieren.
Die Grundbeladung einer K-130 zum Beispiel umfasst unter anderem vier Seezielflugkörper RBS15 Mark III (Hauptbewaffnung). Wenn die fünf Korvetten leer geschossen sind, müssen drei von ihnen im Hafen bleiben. Es gibt nicht mehr ausreichend weitere RBS15 in den Depots.
Zwei multinationale Air Groups, das heißt Transportflugzeuge, Jäger, Bomber, Aufklärer, Helikopter und Objektschutzkräfte, am Tag zusammen bis zu 350 Starts, davon 75 Prozent durch die Bundeswehr. Eine Air Group stünde unter deutscher Führung, für die andere stellt die Luftwaffe unterstützende Kräfte.
Die Aufteilung in Air Groups dient als Planungsgrundlage für den Nato-Beitrag der Luftwaffe. Es handelt sich einerseits um eine verpflichtende Zusage, die zu erfüllen ist, wenn das Nato Air Command in Ramstein die Kräfte anfordert. Zum anderen hängt die Zahl der im Kriegsfall tatsächlich benötigten Flugzeuge und anderer Fähigkeiten von den Einsatzszenarien ab.
Für den Fall eines intensiven Luftkriegs hat die Bundeswehr bei weitem zu wenig Munition, um lange durchzuhalten. Während der Eigenschutz auf kurze Entfernung (25 km) noch mit Kurzstreckenraketen vom Typ Iris-T (vorhandene Anzahl: deutlich über 1000, deutlich unter 2000) noch gewährleistet ist, sieht es mit der Abwehr gegnerische Flugzeuge auf mittlere Entfernung (bis zu 200 km) eher mau aus.
Hierfür verfügt die Luftwaffe gerade einmal über etwas mehr als 100 Mittelstreckenraketen Meteor. Genau diese Raketen werden aber im Luftkampf gebraucht. Die Reichweite der Iris-T gilt in der Luftwaffe als zu kurz für intensive Szenarien.
Nicht besser sieht es bei der Munition für die Luft-Boden-Rolle aus: Von 600 Marschflugkörpern Taurus, beschafft vor circa zehn Jahren, sind nur etwa 150 einsatzbereit. Allerdings konnte diese Waffe bisher nur in den veralteten Tornado, nicht aber in den Eurofighter integriert werden.
Auch bei präzisionsgelenkten Bomben (GBU 24, GBU 54) gibt es ein Problem: Die Waffen lassen sich nicht aus größerer Entfernung abschießen. Eurofighter und Tornado müssen nah ans oder übers Ziel fliegen. Damit sind sie leichtes Ziel der Flugabwehr.
Drei Divisionen mit zehn Brigaden, darunter vier Artilleriebataillone, jedes davon mit 24 Panzerhaubitzen 2000 und acht Raketenwerfern Mars-2 ausgerüstet. Das ist die “Hardware”, und die ist schon knapp bemessen. Bei der “Software” sieht es noch schlechter aus.
Für die Panzerhaubitze verfügt das Heer derzeit über circa 9000 SMArt 155-Granaten und etwas mehr als 10.000 Sprenggranaten (H/E). Zur Einordnung: Die Ukraine hat in den vergangenen Tagen, als die Kämpfe witterungsbedingt abgeflaut sind, etwa 4000 bis 6000 Sprenggranaten pro Tag verschossen.
Für den Raketenwerfer beschaffte das Heer vor Jahren ungefähr 1200 Lenkkörper (GMLRS). In der Ausbildung durften nicht mehr als drei bis vier Raketen im Jahr verschossen werden, um die Vorräte zu schonen. Für die Schnelle Eingreiftruppe der Nato (VJTF2023) bestellte die Bundeswehr vor drei Jahren extra 900 Raketen nach (Kosten: 148 Mio.).
Doch in diesem Jahr musste das Heer fünf Mars-2-Systeme und einige hundert Lenkflugkörper an die Ukraine abgeben. In der Artillerietruppe sprechen sie von einem “katastrophalen” Munitionsbestand. Auch hier zur Einordnung: Die Ukraine verschoss nach Angaben von Militärexperten von Juli bis September täglich zwischen zwölf und 24 Raketen der weitgehend identischen Typen HIMARS und Mars-2. Das macht in Summe über drei Monate 1000 bis 2000 Raketen.
Die Nato ging seit 1990 davon aus, keinen großen Krieg mehr führen zu müssen. Statt mit vielen Waffen und ungenauer Munition sollten künftige Kriege mit wenigen Waffen und präziser Munition geführt werden. Für den exakten Bedarf (“Battle Decisive Munitions”) haben die Nato-Planer eine Formel, ihre Details sind geheim.
Ein Parameter aber ist das Einsatzszenario, ein anderer sind die gegnerischen Fähigkeiten. Auf den Krieg in der Ukraine übertragen: Das Einsatzszenario ist hochintensiv, die Kämpfe dauern Monate, wenn nicht Jahre und Russland hat mehr Fähigkeiten, als die Nato bisher wahrhaben will.
So heißt es in einer aktuellen Studie des Royal United Services Institute (RUSI), einem britischen Thinktank für Sicherheitspolitik, die russischen Waffensysteme hätten sich als weitgehend effektiv erwiesen. Erfahrene Verbände und Einheiten hätten gezeigt, dass die russischen Streitkräfte über ein beträchtliches Potenzial verfügten. Es seien eher politische Fehleinschätzungen und operativ-taktische Fehler der Militärführung gewesen, die dafür sorgten, dass die russischen Truppen in der Ukraine dieses Potenzial bisher nicht ausschöpfen konnten.
Die Studie geht auch auf das Thema Munition ein. Russland, schreiben die Autoren, habe auf dem Höhepunkt der Kämpfe im Donbass innerhalb von zwei Tagen mehr Munition verbraucht, als das gesamte britische Militär auf Lager habe.
Offenkundig mangelt es nicht nur der Bundeswehr an Munition. In der RUSI-Studie heißt es dazu sinngemäß: Bis auf die USA ist in der Nato kein einziges Land für einen Krieg wie in der Ukraine ausgerüstet. Mit Thomas Wiegold
Die Debatte um den Munitionsmangel ist inzwischen von gegenseitigen Vorwürfen geprägt. Die Bundeswehr habe bis heute keine Bestellung ausgelöst, klagt die Rüstungsindustrie. Das BMVg komme nicht in die Gänge, wettern Verteidigungs- und Haushaltspolitiker. Die Rüstungsindustrie solle endlich mit der Produktion beginnen, zürnt der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil.
Wer ist schuld? Die Antwort: Alle und keiner. Es ist das Beschaffungssystem, das für eine kriegsbedingte schnelle Bewaffnung der deutschen Streitkräfte nicht ausgelegt ist. Es ist ein Beschaffungssystem für eine Armee im Frieden.
Nach der Annexion der Krim beauftragte die Regierung von Kanzlerin Angela Merkel das Verteidigungsministerium mit einer Bestandsaufnahme. Das Ergebnis: Volle Verteidigungsfähigkeit sei frühestens 2031 erreichbar und auch nur, wenn der Wehretat schnell von 1,2 auf zwei Prozent des BIP erhöht werde. Allein an Munition herrsche ein dringender Bedarf in einem Umfang von 25 Milliarden Euro.
Das war im Frühjahr 2017. Ein paar Wochen später war vom Zwei-Prozent-Ziel in der Regierung keine Rede mehr. Es herrschte Bundestagswahlkampf. Auch vier Jahre später unter Kanzler Olaf Scholz war diese Zielmarke allenfalls eine vage Richtgröße.
Selbst heute in Kriegszeiten ist sich die Bundesregierung nicht einig über das Geld. Einen Tag nach dem Gespräch mit Industrievertretern im Kanzleramt schrieb Verteidigungsministerin Christine Lambrecht einen Brief an Finanzminister Christian Lindner. Sie bat ihn, “jetzt unmittelbar in signifikantem Umfang Haushaltsmittel und Verpflichtungsermächtigungen bereitzustellen”, um Munition beschaffen zu können.
Lindner ließ sinngemäß antworten, Lambrecht und das BMVg sollten ihre Hausaufgaben machen und nicht mehr Geld fordern. Wörtlich: “Wie Sie wissen, hat das BMVg jede Möglichkeit, im Zuge der eigenen fachlichen Priorisierung die Mittel (des Sondervermögens; Anm. d. Red.) entsprechend einzusetzen.” Es sei doch sehr verwunderlich, dass Lambrecht die Dringlichkeit der Munitionsbeschaffung nicht schon bei der Verhandlung zum Sondervermögen deutlich gemacht habe.
Egal, ob die Bundeswehr drei Leopard 2A7V (25 Mio. Euro) oder 35 F-35 (9,4 Mrd. Euro) kaufen will, jeden Einkauf ab 25 Millionen Euro muss die Regierung beim Parlament beantragen und ausführlich begründen. Das kostet Zeit, bindet Personal und beansprucht Ressourcen. Und führt mitunter dazu, dass die Bundeswehr kriegt, was sie gar nicht wollte (zum Beispiel fünf zusätzliche Korvetten).
Und dann besteht der Bundestag aus 736 Abgeordneten, die ganz besonders die Belange ihrer Wahlkreise, Bundesländer oder parteipolitische Interessen im Blick haben. Auf die Rüstungsbeschaffung bezogen: Parlamentarier, die zum Beispiel Flugzeug- oder Panzerhersteller in ihren Wahlkreisen haben, sorgen mitunter dafür, dass Beschaffungsentscheidungen des BMVg für einen Konkurrenten des heimatlichen Unternehmens “noch einmal diskutiert, geprüft”, mitunter sogar politisch diskreditiert werden.
Erst Munition verbrauchen, dann neue bestellen – so hat sie es jahrelang gehalten. Die Bundeswehr legt sich millionenschwere Planungstools wie SAP zu, in die der Bedarf bis auf Kompanieebene einfließen kann. Und schafft es dennoch nicht, bis Mitte Dezember 2022 die Kleinkaliber-Munition für 2023 zu bestellen.
Dann die vielen hausgemachten Beschaffungsprobleme: Das zweite Los für den Schützenpanzer Puma zum Beispiel (3,9 Mrd. Euro) war “haushaltsreif”, also vom Parlament freigegeben. Der neue Heeresinspekteur hätte es nur ziehen müssen. Doch Alfons Mais hatte andere Pläne als seine Vorgänger. Statt vieler schwerer Kräfte (Leopard 2, Puma) wollte er lieber auch mittlere Kräfte. Die Radpanzer dafür gibt es aber noch gar nicht, mithin auch noch keinen Beschaffungsvorgang.
Schließlich illustriert auch dies, wie sich die Bundeswehr oft selbst im Wege steht: Jede Munitionscharge muss geprüft und zertifiziert werden. So steht es in Gesetzen und Vorschriften. Zuständig ist die Wehrtechnische Dienststelle (WTD) in Meppen. Doch sie hat dafür nur zwei Mitarbeiter.
Der Grund: Die Politik hielt Munition jahrelang für verzichtbar. Die Folge: Die WTD baute Teststände und Personal ab. Das entsprach exakt der Auftragslage der vergangenen drei Jahrzehnte: sparen.
SPD-Chef Klingbeil hat die Rüstungsindustrie kürzlich aufgefordert, ihre Kapazitäten schneller zu erweitern, sonst werde im Ausland bestellt. Doch die Firmen bräuchten Verlässlichkeit, etwa durch staatliche Finanzierungszusagen, Rahmenverträge oder Verpflichtungserklärungen, sagt der Manager eines Munitionsherstellers. “Rohstoffe sind knapp. Wenn wir in drei Jahren produzieren wollen, müssen wir heute bestellen. Das Geld dafür muss uns der Bund fest zusagen.”
Doch wie in der Regierung herrscht auch in der Industrie keine Einigkeit über das Vorgehen. Es gibt Firmenchefs, die sagen, aufgrund des GmbH- oder Aktiengesetzes ohne unterschriebenen Auftrag gar keine Investitionen vornehmen zu dürfen. Sie könnten für etwaige Verluste persönlich haftend gemacht werden.
Und es gibt Firmenchefs, die vom Gegenteil sprechen. Entscheidungen, die auf Basis vollständiger Informationen und nach sorgfältiger Abwägung getroffen wurden, seien von der Business Judgment Rule abgedeckt und nicht angreifbar, sagen sie. Gerade in der jetzigen Lage könne ein Unternehmen durchaus in Vorleistung gehen, der Staat sei auf die Industrie angewiesen. Er brauche dringend Waffen und Munition, er werde sicher zahlen.
Hinzu kommt dann auch noch, dass etliche europäische Nato-Länder schnell reagiert haben – und in diesem Jahr bei der deutschen Industrie Munition bestellten. Das lastet die Produktionskapazitäten aus, die Bundeswehr muss sich hinten anstellen.
Um die Bundeswehr schneller auszurüsten, hat der frühere Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, kürzlich vorgeschlagen, die “Kriegswirtschaft” in Deutschland einzuführen. Dafür erntete er Kritik. Dann könnten zum Beispiel Vergabeverfahren wie etwa eine europäische Ausschreibung von Rüstungsgütern ausgesetzt werden. Mit Thomas Wiegold
Die Bundesregierung hat im Juli 2022 die Deutsche Strategie zur Stärkung der Resilienz gegenüber Katastrophen verabschiedet. Die Resilienz-Strategie ist die nationale Umsetzung des Sendai Rahmenwerks für Katastrophenvorsorge, das 2015 von den Vereinten Nationen verabschiedet wurde.
Frau Müller, Herr Hahn, Deutschland hat seit Juli eine Resilienz-Strategie. Welche Erkenntnisse aus den jüngsten Krisen und Katastrophen fließen in die Strategie ein?
Müller: Die Krisen haben belegt, dass wir uns in Zukunft in allen Bereichen des Katastrophenrisikomanagements besser aufstellen müssen. Diese Erkenntnis hat uns in unserer Arbeit auch massiv bestärkt. Wir konnten in Echtzeit an den Krisen wie der Covid-19-Pandemie und der Flut in Westdeutschland lernen und die gemachten Erfahrungen in der Resilienz-Strategie berücksichtigen. Ein entscheidender Punkt war dabei, dass vor allem in der Covid-19-Pandemie alle gemerkt haben, dass Krisen und Lagen wie diese nur zusammen lösbar sind, da alle Sektoren und Politikbereiche gleichermaßen betroffen sind.
Was hat sich in den vergangenen Jahren im Bereich Zivil- und Katastrophenschutz hauptsächlich geändert?
Müller: Die Stärkung von Resilienz gegenüber Katastrophen ist eine gesamtstaatliche und -gesellschaftliche Aufgabe. Das betrifft nicht nur die reaktive Phase, also die Bewältigung, sondern auch die Phasen der Prävention, der Vorsorge und die Nachbereitung inklusive des Ansatzes “build back better”. In der Strategie wird dies auch dadurch verdeutlicht, dass nur ein Kapitel von fünf sich mit der Bewältigung beschäftigt, die anderen aber zu Teilen oder in Gänze mit der Vorsorge und dem Management des Katastrophenrisikos. Auf Ebene der Bundesregierung ist das Bewusstsein für ein umfassendes Katastrophenrisikomanagement inzwischen vorhanden.
Wie sollen künftig Anreize geschaffen werden, in die Katastrophenvorsorge zu investieren?
Müller: Es braucht sowohl nicht-monetäre als auch monetäre Investitionen in die Katastrophenvorsorge. Auf allen Ebenen und in allen Sektoren, bei allen Planungs- und Entscheidungsprozessen muss sich der Risiko- und Resilienzgedanke durchziehen. Anreize für finanzielle Investitionen im Bereich der Katastrophenvorsorge können dabei insbesondere durch Aufklärung geschaffen werden. Der Bund kann mit entsprechenden Fachgesetzen, Verordnungen oder Richtlinien helfen und somit die rechtlichen Rahmenbedingungen festlegen. Er kann auch Fördermaßnahmen schaffen bzw. bestehende entbürokratisieren.
Wie wird der Zivilschutz im eigentlichen Sinne, also der Schutz der Bevölkerung im Kriegsfall, in der Resilienz-Strategie berücksichtigt?
Müller: Die Resilienz-Strategie verfolgt einen All-Gefahren-Ansatz. Dabei werden alle möglichen Katastrophen betrachtet, die sowohl durch natürliche als auch vom Menschen verursachte Gefahren ausgelöst werden können. Dies schließt auch die mögliche Gefahr eines bewaffneten Konflikts oder Kriegs mit ein. Daher wird der Zivilschutz in der Resilienz-Strategie auch über die zivile und militärische Zusammenarbeit hinaus adressiert.
Hahn: Jede Investition in den Katastrophenschutz ist automatisch auch eine Investition in den Zivilschutz, da wir in Deutschland ein integriertes Hilfeleistungssystem haben. Man darf aber nicht vergessen, dass viele Strukturen speziell aus dem Zivilschutz, wie zum Beispiel Schutzbauten, in den krisenarmen Zeiten als obsolet betrachtet wurden. Die Ausgangslage hat sich mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine verändert. Das Innenministerium überprüft derzeit seine Fähigkeiten des Zivilschutzes.
Was bedeutet das genau?
Hahn: Die Abwicklung der noch vorhandenen öffentlichen Schutzräume, die 2007 begann und bis vor Kurzem im Gange war, ist ausgesetzt worden. Seither findet eine mehrstufige Überprüfung der noch vorhandenen Schutzräume statt. Zum anderen wird geprüft, welche vorhandene Bausubstanz wie U-Bahn-Schächte oder Parkhäuser sich für den Zivilschutz eignen. Der Bau neuer Bunker wäre aus Kosten- und Zeitgründen zumindest keine Ad-hoc-Lösung.
Wie zahlt die Stärkung der Bundeswehr, zum Beispiel durch das Sondervermögen, auf die Resilienzziele ein?
Müller: Wie sich das Sondervermögen im Detail auswirkt, lässt sich noch nicht absehen. Aber klar ist, dass dadurch bereits begonnen wird, in der Resilienz-Strategie formulierte Maßnahmen umzusetzen. So wird beispielsweise eine Stärkung der Bundeswehr sicherlich die militärische Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit Deutschlands als Nato-Mitgliedsstaat erhöhen. Da die Strategie auf einen Zeitraum bis 2030 ausgelegt ist, ist es natürlich nicht möglich, die dort gefassten Ziele mit dieser Einmalzahlung abschließend umzusetzen.
Hahn: Die Gesamtverteidigung in Deutschland besteht aus zwei Teilen, aus der militärischen und der zivilen Verteidigung. Eine starke Bundeswehr stärkt da natürlich auch die zivil-militärische Zusammenarbeit.
Am 17. November gab es bundesweite Störungen im deutschen Mobilfunknetz, in manchen Gebieten waren die Notrufnummern nicht erreichbar. In der Warn-App Nina wurde aber in jedem Bundesland, teilweise in einzelnen Gemeinden, unterschiedlich gewarnt. Wie kommt das zustande?
Hahn: In dem integrierten Hilfeleistungssystem liegt eine Kompetenzverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen vor. Die unterschiedlichen Warnungen wie beim Ausfall des Mobilfunknetzes sind eines der Charakteristika des föderalen Systems, das sich im Bevölkerungsschutz bewährt hat. Denn die Kommunen wissen am besten, welche Auswirkungen das Ereignis vor Ort tatsächlich hat. So ist es durchaus legitim, dass man an unterschiedlichen Stellen zu unterschiedlichen Lagebeurteilungen kommt. Das liegt im Ermessen der zuständigen Stellen. Zudem unterscheiden sich die Katastrophenschutzgesetze von Bundesland zu Bundesland und die Warnung ist zum Teil unterschiedlich geregelt. Seit Jahren gibt es aber Bestrebungen zur Vereinheitlichung. Eine Maßnahme dafür ist der bundesweite Warntag am 8. Dezember.
Gleich zwei Explosionen auf innerrussischen Militärflugplätzen haben am Montag den Kreml aufgeschreckt. Die Anlagen liegen in beiden Fällen mehr als 500 Kilometer Luftlinie von der ukrainischen Grenze entfernt. Die Explosionen auf “Engels-2” in der Region Saratow und auf “Djagilewo” bei Rjasan sollen sich morgens gegen 6 Uhr lokaler Zeit fast zeitgleich ereignet haben. Auf der Anlage bei Rjasan starben drei Menschen, vier wurden schwer verletzt.
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow wollte keine Fragen dazu beantworten und verwies auf das Verteidigungsministerium, das am Abend die “versuchten Angriffe mit Drohnen sowjetischer Herstellung” bestätigte. Den Worten des Sprechers Igor Konaschenkow zufolge seien nur geringfügige Schäden entstanden, als die russische Flugabwehr die ukrainischen Drohnen abgefangen habe.
Russische militaristische Telegram-Kanäle tobten jedoch angesichts der Vorfälle. Sie reagieren mit Vorwürfen gegen das Verteidigungsministerium und fordern besseren Schutz der Anlagen im Landesinneren. “Djagilewo” liegt 230 Kilometer südöstlich von Moskau, “Engels-2” 880 Kilometer südöstlich von der Hauptstadt.
“Engels-2” und “Djagilewo” sind strategische Flugplätze. Zumindest von “Engels-2” aus werden Angriffe auf die Ukraine geflogen. Hier soll eine Drohne eine Start- und Landebahn sowie zwei Flugzeuge beschädigt haben. In “Djagilewo” wurde eine Tankanlage getroffen. Auch ein Flugzeug soll beschädigt worden sein. Im Oktober kam es zu Angriffen auf eine russische Luftwaffenbasis auf der Krim.
Kurz nach den Explosionen am Montag erfolgte ein massiver russischer Raketenangriff auf die gesamte Ukraine, der auch zu Stromausfällen in der Republik Moldau führte. Laut Konaschenkow seien alle 17 Ziele in der Ukraine zerstört worden, darunter Bahnverbindungen, militärische und elektrische Infrastruktur. Die Angaben lassen sich nicht überprüfen. Die Ukraine sprach von 60 abgefangenen Raketen. Mehrere Menschen kamen ums Leben, darunter auch ein Kleinkind.
Der staatliche ukrainische Versorger warnte am Montagabend, dass in allen Regionen des Landes die Stromversorgung für Reparaturen zeitweise eingestellt werden muss. Es war der achte massive Raketenbeschuss des Landes seit Anfang Oktober. vf
Europas Verteidigungsindustrie hat mit regem Interesse auf die zweite Ausschreibung des Europäischen Verteidigungsfonds (EDF) reagiert: Die EU-Kommission meldet nach Ablauf der Bewerbungsfrist Ende November 134 Bewerbungen für gemeinsame Forschungsprojekte.
Aus dem Verteidigungsfonds stehen für die Förderung der Projekte insgesamt 924 Millionen Euro zur Verfügung. Die Kommission will die Projekte nun zusammen mit externen Experten evaluieren. Das Ergebnis soll Ende des zweiten Quartals 2023 feststehen.
Der Europäische Verteidigungsfonds ist ein junges Instrument der EU, 2017 zur Förderung von Kooperationen und grenzüberschreitender Zusammenarbeit der Rüstungsindustrie gegründet. Kommission und Mitgliedstaaten hatten für die Ausschreibung im Rahmen des Arbeitsprogramms 2022 verschiedene Kategorien und Prioritäten festgelegt.
EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton sprach bei der Präsentation davon, gemeinsame Verteidigungsprojekte insbesondere im Weltraum- und Cyberbereich sowie für verschiedene hoch entwickelte Fähigkeiten voranzutreiben.
In der Kategorie Cyber zum Beispiel soll die Entwicklung resilienter Systeme und eine Informationstoolbox zur Kriegsführung im Internet gefördert werden. In der Kategorie Weltraum sind Fördermittel für die Entwicklung von Frühwarnsystemen vorgesehen.
Andere Kategorien sind Land-, Luft- und Seestreitkräfte oder Unterwasserkriegführung. Die Ausschreibung speziell für grenzüberschreitende Kooperationen von kleinen und mittleren Unternehmen sei auf besonderes Interesse gestoßen, so die EU-Kommission.
Am Montag hat die EU-Kommission zudem die Ergebnisse einer ersten Ausschreibung von 2021 bekannt gegeben. 1,2 Milliarden Euro sollen in 61 europäische Kooperationen fließen, für die Entwicklung von Kampfflugzeugen der nächsten Generation, Panzern, Schiffen sowie kritischer Verteidigungstechnologien wie einer militärischen Cloud, Künstlicher Intelligenz oder Halbleitern.
In einem nächsten Schritt müssen nun die Verträge zwischen EU-Kommission und den Konsortien ausgehandelt werden. Der Europäische Verteidigungsfonds verfügt für die Haushaltsperiode bis 2027 über ein Budget von knapp acht Milliarden Euro. sti
The Jerusalem Post – Iran publishes list of ‘sensitive’ sites in Israel to strike in future war: Die Jerusalem Post berichtet, wie iranische Medien, die den Islamischen Revolutionsgarden nahestehen, sensible israelische Ziele auflisten, die in einem Krieg angegriffen werden könnten. Die israelische Zeitung interpretiert das als klare Botschaft.
Politico – 2 Russians who fled draft to Alaska await asylum decisions in Washington state: Die Flucht zweier russischer Dissidenten begann mit einem Klopfen an der Tür – fünf Tage waren sie auf einem Fischerboot auf der Beringstraße unterwegs, bevor sie durchnässt in Alaska ankamen. Politico erzählt die Geschichte der Männer und wie es in den USA für sie weitergeht.
Podcast: Weltzeit – Die Waffenlobby als mächtiger Player in Brasilien: In Bolsonaros Amtszeit haben sich viele Brasilianer bewaffnet. Die Weltzeit-Reportage geht nah ran und beschreibt, welche Verbindungen es zwischen der amerikanischen NRA und brasilianischen Waffenlobbygruppen gibt. Hört sich gut nebenbei und beansprucht nicht die volle Konzentration.
The Barents Observer – How political propaganda is being introduced into Russian schools: Kinder und Jugendliche in Russland sollen zu opferbereiten Patrioten werden. Neue Vorgaben und Materialien über die “heldenhafte Armee” werden an den Schulen verteilt, halbmilitärische Camps und Ausbildungszentren sollen den Nachwuchs auf den Kampf vorbereiten und die Kinder lehren “warum sie fähig sein sollten zu töten”. The Barents Observer mit einer dystopischen Geschichte über eine gefährliche Entwicklung in Russland – und dem Widerstand dagegen.
Stars and Stripes – Pentagon debuts its new stealth bomber, the B-21 Raider: Die USA haben ihren neuen Langstreckenbomber B-21 Raider vorgestellt – nach offiziellen Angaben so hoch entwickelt und fortgeschritten wie kein Flugzeug zuvor. Die technischen Details der Maschine, die sowohl konventionelle als auch nukleare Bomben ins Ziel bringen soll, bleiben allerdings weitgehend geheim, berichtet AP. Mehr Hintergründe liefert Time.
Er sagt das zwar mit einem Lächeln, aber der Blick macht klar: Ich meine das ernst. “Als Pilot weiß ich, was es heißt, wenn Flugzeuge nicht fliegen”. Michael Schöllhorn, Vorstandsvorsitzender von Airbus Defence and Space, war zehn Jahre lang Offizier und Hubschrauberpilot in der Bundeswehr. Es verwundert nicht, dass ihm die Entwicklung des Future Combat Air System (FCAS) am Herzen liegt.
Airbus ist an FCAS maßgeblich beteiligt. Der Streit mit dem unbequemen französischen Industriepartner Dassault über die Führung des Projekts hat so manche Navigationskünste des ehemaligen Soldaten erfordert.
Sich nicht provozieren lassen, das ist eine Tugend, die Schöllhorn beherrscht. Lächelnd, aber stoisch äußerte er Ende vergangener Woche, nachdem Dassault eine Einigung in Aussicht stellte: Die Erklärung “ebnet den Weg für eine endgültige Vertragsunterzeichnung, sobald die entsprechenden Prozesse in den jeweiligen Kunden-Nationen abgeschlossen sind”.
Das soll noch in diesem Jahr passieren. Soll. Aber wann und vor allem ob das derzeit teuerste europäische Rüstungsprojekt wirklich fliegt, ist alles andere als sicher. FCAS ist zwar das Prestigeobjekt für die Rüstungssparte von Airbus, aber ihr Chef hat sich mehr vorgenommen. Seit Juni vergangenen Jahres im Amt will Schöllhorn den Konzern auch in der Raumfahrt an die “Spitze” der Branche treiben.
Mittlerweile ist Airbus das größte Raumfahrtunternehmen in Deutschland, führend im Bau von Raketen und Satellitensystemen. Von der “Zeitenwende” und dem 100 Milliarden-Euro-Paket für die Bundeswehr erwartet der studierte Ingenieur für Steuerungstechnik “weitreichende Aufträge”. In welcher Höhe – darüber schweigt sich der geschickte Verhandlungstaktiker aus.
Der von der Bundesregierung beschlossene Kauf von 35 F-35-Kampfflugzeugen des amerikanischen Konkurrenten Lockheed Martin wird Schöllhorn zwar nicht erfreut haben. Doch der Airbus-Konzern, der an der Produktion des Eurofighter Typhoon beteiligt ist, soll fünfzehn neue ECR-Eurofighter mit Fähigkeiten zur elektronischen Kampfführung liefern.
“Eine Herausforderung, die wir gerne annehmen”, sagt der 57-Jährige selbstbewusst. Schöllhorn glaubt zu wissen, was er kann. “In der Schule war ich schon ab und zu mal der Held”. Die Rüstungsindustrie, bis vor kurzem kein Publikumsliebling der Politik, erfahre momentan “besondere Zuwendung”, bemerkt er süffisant.
Der Airbus-Spitzenmanager vertritt seit einem Jahr als Präsident des Bundesverbands der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) auch die Interessen einer Branche mit mehr als 100.000 Beschäftigten in Deutschland. “Wir wollen, dass Deutschland und Europa an der Spitze bleiben – in der Luft oder im All.” Oder zumindest erst einmal dorthin kommen.
Für diese hochfliegenden Pläne sind Aufträge der Bundeswehr zwingend, weshalb Schöllhorn das 100-Milliarden Sondervermögen für zu wenig hält, um die Streitkräfte zu sanieren. Kritik aus der Bundeswehr oder auch der Politik, Airbus – überhaupt die deutsche Rüstungsindustrie – liefere zu spät oder sei zu teuer, pariert der Sohn eines Starfighter-Piloten mit Eigenkritik: “Wir haben auch Fehler gemacht in der Vergangenheit. Wir haben nicht klar genug gesagt: Das geht so nicht”.
Eine Position, die er – im Gegensatz zu seinen Vorgängern – eher locker einnehmen kann, denn der schlechte Ruf des Militärtransporters A400M als “Pannenflieger” kratzt nicht an seinem Image. BDLI-Chef Schöllhorn, der lieber die leisen Töne wählt, appelliert an die Politik, das Momentum nicht verstreichen lassen. Nie wäre eine bundesdeutsche Öffentlichkeit so bereit gewesen, in ihre Streitkräfte zu investieren. Er sieht die Politik in der Pflicht: “Wir brauchen langfristige Planungen”. Nana Brink
In Ausgabe 2 tauchte im Portrait über Claudia Major der Name Bianca Oertel auf. Richtig wäre gewesen: Janka Oertel. Sie ist Direktorin des Asien-Programmes am European Council on Foreign Relations.
Ein Amt, um das es sehr lange still war, machte in den News in Ausgabe 4 Druck auf die Rüstungskonzerne Rheinmetall und Nexter. Das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung gibt es allerdings nicht mehr, die Rede hätte vom Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) sein sollen.
Polnische Politiker dürften aufgrund ihrer Forderungen nach Entschädigungen aus Deutschland bei der News in Ausgabe 4 kurz hellhörig geworden sein. Doch KNDS richtet in der Slowakei einen Reparaturhub ein und keinen Reparationshub.
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