an Superlativen mangelte es gestern nicht auf der größten Luftfahrtmesse der Welt: Noch bis Sonntag stellen in Le Bourget bei Paris 2453 Anbieter aus 49 Ländern ihre Produkte zur Schau – zum ersten Mal nach vier Jahren; 2021 fiel die Paris Air Show wegen Corona aus.
Für Airbus hat sich die Zusammenkunft schon jetzt gelohnt: Eine Rekordbestellung über 500 Maschinen aus der Modellfamilie A320neo erhielt der deutsch-französische Konzern am ersten Messetag von der indischen Airline Indigo. Dies sei der größte Einzelauftrag in der Geschichte der Luftfahrt, erklärte Airbus-Verkaufschef Christian Scherer.
Für Sie politisch eingeordnet hat Gabriel Bub den Auftritt von Emmanuel Macron am Auftaktabend von Le Bourget. Lange warteten die deutschen Vertreter aus Verteidigungsministerium und -industrie darauf, ob sich eine Annäherung im Streit um die von Bundeskanzler Olaf Scholz 2022 verkündete European Sky Shield Initiative (Essi) abzeichnete. Anders als Berlin setzt Paris gemeinsam mit Rom auf die Weiterentwicklung des landgestützten Luftverteidigungssystems Samp/T – und sieht die Bestellung des israelisch-amerikanischen Arrow 3-Systems durch die Bundesregierung kritisch. Auch Scholz’ Allianz mit den 16 anderen Essi-Staaten ist Macron ein Dorn im Auge.
Frankreich nicht als Konkurrenten, sondern als Vorbild preisen die Autoren eines Papiers, das Table.Media exklusiv vorliegt. Vertreter von Verteidigungsindustrie und Forschung werben darin erstmals gemeinsam für eine baldige Regulierung beim Einsatz Künstlicher Intelligenz in Waffensystemen.
Deutschland drohe, den Wettbewerb zu verlieren, heißt es aus Reihen des vom Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) und der Fraunhofer-Gesellschaft initiierten Arbeitskreises KI und Verteidigung. Der fordert nun eine “nationale militärische KI-Strategie”, um zu verhindern – so BDSV-Hauptgeschäftsführer Hans Christoph Atzpodien -, “dass wir uns an andere KI-Strategien anpassen müssen”.
Eine interessante Lektüre wünscht Ihnen
Emmanuel Macron wirkte etwas trotzig, als er die Beschlüsse der von ihm organisierten Konferenz über europäische Luftverteidigung verkündete. Belgien werde als Beobachter künftig Teil des deutsch-französisch-spanischen Rüstungsprojekts Future Combat Air System (FCAS) sein, teilte Frankreichs Präsident gestern Abend in Paris mit. Außerdem habe er gemeinsam mit der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni den Einsatz des bodengestützten Flugabwehrsystems Samp/T in der Ukraine beschlossen. Es werde bereits in dem Land verwendet.
Als “sehr schönes Beispiel souveräner europäischer Kooperation” pries Macron schließlich die gemeinsam mit Belgien, Zypern, Ungarn und Estland unterzeichnete Absichtserklärung zur gemeinsamen Beschaffung von Mistral-Raketen.
Macron hatte Ende Mai auf dem Globsec-Forum in Bratislava die EU-Verteidigungsminister nach Paris eingeladen, um in der französischen Hauptstadt über eine gemeinsame europäische Luftverteidigung zu sprechen. Von Macron angesprochen gefühlt haben dürfte sich auch der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius, der am Ende doch nach Paris gereist kam – ursprünglich sollte Staatssekretär Benedikt Zimmer ihn vertreten. Mit ihm auf der Konferenz, die teils am Rande der Luftfahrtmesse in Le Bourget, teils im Hotel des Invalides nahe des Grabs Napoleons in Paris stattfand: Minister und Staatssekretäre aus 20 europäischen Ländern.
Der häufig genannte Vorwurf aus Frankreich: Deutschland kaufe lieber aus den USA, anstatt die europäische Rüstungsindustrie zu stärken. “Warum sind wir zu oft gezwungen, aus den USA zu kaufen?”, fragte Macron am Montagabend und antwortete selbst: “Weil die Amerikaner viel stärker standardisiert haben als wir. Und weil sie ihre Industrie subventionieren.” Europa müsse stärker auf die eigene Industrie setzen, um nachhaltig unabhängig zu werden.
Dass man das im Bendlerblock in Berlin bisweilen anders sieht, ist einer der Gründe, weshalb die “tiefe Freundschaft” mit Frankreich, wie sie noch in der vorige Woche vom Bundeskabinett verabschiedeten Nationalen Sicherheitsstrategie beschworen wird, Risse bekommen hat – zumindest, was Vorstellungen über eine gemeinsame europäische Verteidigungsstrategie anbelangt. So hätte eigentlich schon am vergangenen Montag der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu Berlin besuchen sollen, um mit Pistorius das stockende deutsch-französische Panzerprojekt Main Ground Combat System (MGCS) zu besprechen. Doch im Wochenplan des Ministers, den das französische Verteidigungsministerium regelmäßig verschickt, fehlte der Termin dann.
Dass Pistorius erst im letzten Moment seine Teilnahme in Paris bestätigte, dürfte auf die Irritationen zurückzuführen sein, die die von Bundeskanzler Olaf Scholz 2022 initiierte European Sky Shield Initiative (Essi) in Paris ausgelöst hat. Dem im vergangenen Oktober von Deutschland und 14 weiteren Staaten, darunter die Atommacht Großbritannien, unterzeichneten Essi-Gründungsabkommen schlossen sich später Dänemark und Schweden an – nicht dabei sind Frankreich, Italien und Polen.
Die Initiative soll helfen, bestehende Lücken im derzeitigen Nato-Schutzschirm für Europa zu schließen. Die Unterzeichner versprechen sich zudem geringere Kosten durch gemeinsame Beschaffung von Abwehrsystemen kurzer, mittlerer und großer Reichweite, um ihren Luftraum vor feindlichen Drohnen, Marschflugkörpern und ballistischen Raketen zu schützen. Das Projekt setze außerdem ein politisches Zeichen und sorge für verbesserte Interoperabilität, schreibt das Center for Strategic and International Studies (CSIS).
Beim deutsch-französischen Streit um Essi geht es im Wesentlichen darum, wie Europa unabhängiger vom US-amerikanischen Einfluss operieren kann, sowohl bei der Rüstungsbeschaffung wie in Fragen von strategischer Verteidigung. Dass dafür der europäische Pfeiler der Nato gestärkt werden muss, darüber sind sich Deutschland und Frankreich einig. Macron nennt das “Strategische Autonomie”, in der deutschen Nationalen Sicherheitsstrategie spricht man von “Souveränität”.
Macron setzt zudem auf eine Stärkung der europäischen Rüstungsindustrie. Vergangene Woche aber bewilligte der Haushaltsausschuss des Bundestages mit 560 Millionen Euro eine erste Tranche für den Kauf des Raketenabwehrschirms Arrow 3 aus US-amerikanisch-israelischer Produktion. In Bratislava hatte Macron Ende Mai noch vor einem solchen Schritt gewarnt: “Wenn ich sehe, dass einige Länder ihre Verteidigungsausgaben erhöhen, um im großen Stil nichteuropäisch zu kaufen, sage ich klar: ,Ihr schafft euch die Probleme von morgen!’“
Frankreich hat mit Italien das landgestützte Luftverteidigungssystem Samp/T entwickelt, das wie das von Deutschland eingesetzte US-amerikanische Patriot-System eine Reichweite von rund 100 Kilometern hat. Rom und Paris fürchten außerdem, dass Essi das von Frankreich geführte Twister-Projekt (Timely Warning and Interception with Space-based Theater Surveillance) einiger EU-Staaten gefährden könnte, das unter anderem durch Weltraumüberwachung Hyperschallraketen identifizieren soll. Außerdem heißt es aus Paris, dass Essi nicht mit dem französischen Atombomben-Schutzschirm kompatibel sei, unter den Frankreich weitere Länder aufnehmen könnte.
Deutschland habe mit seinem Vorpreschen bei Essi keine Zeit gelassen, um Alternativen zu diskutieren, heißt es aus Paris – das sei das Tempo der Zeitenwende, sagt man in Berlin. “Die Franzosen empören sich jetzt über etwas, das eigentlich aus Paris schon lange gefordert wird, nämlich, dass die Bundesregierung mehr Verantwortung übernimmt und Initiative zeigt”, sagt Jacob Ross von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). “Die Sky Shield Initiative ist im Stil ein bisschen französisch. Die Partner werden überrumpelt, weil es vorher keine langwierige Abstimmung gab.“
Der Arbeitskreis KI &Verteidigung will mit einem Impulspapier eine gesellschaftliche Debatte über den Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Bereich militärischer Technologien anstoßen. Das Dokument, das Table.Media als Entwurf vorliegt, soll einen “konkreten Beitrag zur Formulierung einer nationalen militärischen KI-Strategie liefern, die angesichts der aktuellen Technologieentwicklung einerseits und der Bedrohungslage für Landes- und Bündnisverteidigung andererseits unerlässlich erscheint”.
Dem 2020 gegründeten Arbeitskreis gehören unter anderem Vertreter des Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) sowie Wissenschaftler eines Instituts der Fraunhofer-Gesellschaft und der Universität der Bundeswehr in München an.
Anders als in den USA oder Frankreich, die längst KI-Strategien für Waffensysteme vorgelegt haben, gibt es in Deutschland keine verbindlichen Leitlinien. Auch der vergangene Woche vom EU-Parlament verabschiedete Entwurf für ein KI-Gesetz (Artificial Intelligence Act) bietet nicht ausreichen Orientierung für den Einsatz von KI im militärischen Bereich. Wörtlich heißt es dazu im Vorschlagspapier des EU-Parlaments: “KI-Systeme, die ausschließlich für militärische Zwecke entwickelt oder verwendet werden, sollten vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen werden.”
Vor diesem Hintergrund warnt Hans Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer des BDSV und einer der Autoren des Impulspapiers: “Wir laufen Gefahr, dass wir uns an andere KI-Strategien anpassen müssen. Wir müssen uns aber selbst positionieren.”
Als zentrale Aufgabe der Überlegungen nennt das Papier unter anderem folgende Punkte:
Frank Sauer, der an der Universität der Bundeswehr in München zum Einsatz von KI in Waffensystemen forscht, plädiert für eine Beschreibung des “Verhältnisses von Mensch und Maschine”. Zwei Fragen stünden im Vordergrund: “In welchen Bereichen ist die Maschine leistungsfähiger als der Mensch? Und welcher menschlichen Kontrolle bedarf die Maschine in dem ihr übertragenen Rahmen?”
Wegen der rasanten Entwicklung in der KI-Forschung dürfe man keine Zeit mehr verlieren, argumentiert Wolfgang Koch, Professor am Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie (FKIE). “Wir müssen über diese Fragen nachdenken, bevor wir etwas entwickeln. Ethik kann man nicht nachrüsten.”
Wie komplex diese Fragen sind, lässt sich am Einsatz von Drohnen-Schwärmen veranschaulichen. Führende KI-Nationen wie die USA – und mit Sicherheit auch China – arbeiten längst an der vollautomatisierten Steuerung solcher Waffensysteme. Ein Ziel, in der Regel ein Gegner, wird per KI-gestützter Sensorik erkannt. Was KI – noch – nicht kann, ist unterscheiden: Steht dieses gegnerische Ziel in einem unbewohnten Industriekomplex oder auf dem Dach eines Kindergartens?
FKIE-Forscher Koch weist darauf hin, dass “das technische Design für KI in diesem Fall immer gewährleisten muss, dass das Völkerrecht eingehalten wird”. Deshalb, so Koch, müsse man über ein Konzept der “Verantwortbarkeit” für den Einsatz von KI im militärischen Bereich nachdenken. Dies sei auch wichtig für die Soldaten und Soldatinnen: “Sie müssen in der Lage sein, Verantwortung tragen zu können, auch in autonomen Waffensystemen. Dazu brauchen sie eine Grundlage.”
Auch die Industrie fordert eine tragfähige Leitlinie, so BDSV-Hauptgeschäftsführer Atzpodien. Hier gehe es auch um Wettbewerbsfähigkeit: “Bei uns sind internationale Konzerne organisiert, die längst an KI-gestützten Systemen arbeiten. Wir wollen wissen, was wir weiter entwickeln dürfen, vor allem aber auch in der Lage sein, weiterhin das entwickeln zu dürfen, was unsere Streitkräfte für ihren durchweg defensiven Auftrag benötigen.”
Das Impulspapier des Arbeitskreises KI & Verteidigung soll demnächst erscheinen und vor allem “Akteure aus Regierung, Parlament, Medien und Interessenvertreter von NGO” erreichen. Mit Viktor Funk
Die zweite Kosovo-Krise in drei Wochen ist vorerst entschärft. Auf internationalen Druck beendete die Regierung von Ministerpräsident Albin Kurti am Wochenende die zuvor verhängte Grenzsperre für Fahrzeuge und Waren aus Serbien. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg forderte am Montag alle Konfliktparteien auf, von “eskalatorischen Schritten” Abstand zu nehmen – und warnte, dass die von der Nato geführte Kosovo-Schutztruppe (Kfor) “weiterhin alle notwendigen Maßnahmen ergreifen” werde, um ein sicheres und geschütztes Umfeld zu gewährleisten”.
Die seit 1999 im Kosovo stationierten Kfor-Einheiten waren nach den gewaltsamen Angriffen durch serbische Nationalisten Ende Mai um 700 Soldaten verstärkt worden. Weiter in serbischem Gewahrsam allerdings bleiben drei kosovarische Polizisten, denen Belgrad vorwirft, vergangene Woche auf serbisches Territorium vorgedrungen zu sein. Einer Aufforderung des US-Sondergesandten für das Kosovo, Gabriel Escobar, die Beamten freizulassen, kam die Regierung Ministerpräsident Alexander Vucics bislang nicht nach.
Das ist nur eines von vielen Indizien, die auf einen Kursschwenk der US-Regierung in ihrer Balkan-Politik hindeuten – und auf einen radikalen U-Turn Washingtons hin zu Russlands wichtigstem Verbündeten im früheren Jugoslawien: Belgrad. Obwohl es seit Sommer 2022 verstärkt zu gewaltsamen Zusammenstößen in den mehrheitlich serbisch besiedelten Gemeinden im Norden der ehemaligen jugoslawischen Provinz gekommen ist, wird die zunehmend autokratisch agierende Regierung Aleksandar Vucics mit Samthandschuhen angefasst, auch von der EU. Die Regierung Kurtis in Pristina hingegen sieht sich Strafmaßnahmen ausgesetzt.
Diesem Muster folgt die US-Administration seit August 2022: So kam der unter der Herrschaft Slobodan Milosevics inhaftierte Kurti immer wieder Aufforderungen zum Einlenken nach: in der Frage der Anerkennung serbischer Ausweispapiere und Autokennzeichen etwa, nicht jedoch bei der Etablierung eines bereits vor Jahren vereinbarten serbischen Gemeindeverbandes. Grundlage für den Verband ist ein Abkommen aus dem Jahr 2013, das der Kosovo und Serbien geschlossen haben. Der Kosovo hat dieses Abkommen im Parlament ratifiziert, Serbien noch nicht.
Auch die Eskalation Ende Mai entzündete sich an der Frage, die seit der Unabhängigkeit des Kosovos 2008 ungeklärt ist: die angemessene Repräsentation der kosovo-albanischer Vertreter in den politischen Institutionen des Landes, dem bis heute fünf EU-Staaten die Anerkennung verweigern: Griechenland, Rumänien, Slowakei, Spanien, Zypern.
Washington möchte Belgrad bei der Gründung des Verbandes entgegenkommen, der in den mehrheitlich serbisch besiedelten Gemeinden im Nordkosovo Kompetenzen für Bildung, Verwaltung, Gesundheit und Wirtschaft bündeln soll. Die Regierung in Pristina hintertreibt diesen Prozess seit langem, weil sie darin die Nukleus für eine Republika Srpska 2.0 sieht – die serbische Entität in Bosnien-Herzegowina genießt weitreichende Autonomie, ihr Präsident Milorad Dodik droht immer wieder mit Sezession.
Nichtdestotrotz setzt US-Außenminister Antony Blinken auf die Regierung in Belgrad – und nimmt Abschied von der Politik des früheren US-Präsidenten Bill Clinton, dem stärksten Verbündeten des Kosovo seit dem Abzug serbischer Truppen 1999. Blinkens Unterhändler für den Kosovo-Konflikt, Derek Chollet, hat wiederholt deutlich gemacht, dass es Washingtons Ziel ist, Belgrad aus der Umklammerung Moskaus zu lösen. Hierfür erhielten Präsident Vucic und Ministerpräsidentin Ana Brnabic bei Chollets Belgrad-Besuchen immer wieder Lob – und das, obwohl Vucic die Medien fast vollständig gleichgeschaltet hat und Transparency International Serbien inzwischen als “hybrides System” bezeichnet. Dennoch soll im Herbst ein serbischer Verbindungsbeamter im State Department Einzug halten.
Auf einer Anhörung des Außenausschusses des US-Kongresses antwortete Chollet im Mai auf die Frage, ob Serbien ein “verlässlicher Partner” sei: “Das ist etwas, was wir testen müssen.” Scharfe Kritik an diesem Experiment mit ungewissem Ausgang übt der frühere Unterhändler des State Department bei der Friedenverhandlungen von Dayton für Bosnien und Herzegowina 1995, Daniel Serwer, der diese als “Fantasie-Diplomatie” bezeichnete. Auch der frühere Hohe Repräsentant für Bosnien und Herzegowina, Christian Schwarz-Schilling, fordert eine Kurskorrektur Washingtons und kritisiert gegenüber Table.Media, dass diese Politik dem Ethnonationalismus in der Region Vorschub leiste und Kosovo als jungen demokratischen Staat unterminiere. Alexander Rhotert
Die Zukunft MIT Afrika gestalten! Das gilt nicht nur für die Lösung globaler Krisen, sondern auch für die Gestaltung von Politik und Wirtschaft. Am 4. Juli 2023 schafft Table.Media mit der digitalen Konferenz Afrika-Strategie Orientierung für Entscheiderinnen und Entscheider.
Die Bundeswehr will mit neuen Verträgen mit der Industrie die Beschaffung von Munition für die Artillerie beschleunigen – und hat dabei erstmals Defizite in ihren Depots konkret beziffert. Von den 230.000 Sprenggeschossen im Kaliber 155 Millimeter für die Panzerhaubitze 2000, auf die der Munitionsvorrat bis 2031 Nato-Vorgaben zufolge aufgestockt werden muss, verfügt die Truppe bislang nur über 20.000 Schuss.
Die Zahlen nannte das Finanzministerium in einem Schreiben an den Haushaltsausschuss des Bundestages, mit dem eine Vorlage zur Beschaffung von Artilleriemunition begründet wird. Das Schreiben liegt Table.Media vor. Zuerst hatte der Spiegel darüber berichtet. Konkret sollen zunächst aus einem bestehenden Rahmenvertrag mit dem Rüstungsunternehmen Rheinmetall mehr Geschosse als bisher geplant abgerufen werden. Außerdem sind noch für dieses Jahr weitere Verträge mit dem Hersteller vorgesehen.
Das Vorziehen der Beschaffung von weiteren 11.000 Schuss der Munition des Typs “155mm Spreng IHE DM 121” aus dem 2019 abgeschlossenen Rahmenvertrag sei laut Verteidigungsministerium “der geänderten Sicherheitslage geschuldet”, erklärte das Finanzressort. Der aktuelle Bestand der Bundeswehr an dieser Munition betrage “rund 20.000 Stück”; dem stehe der Bedarf von 230.000 Geschossen gegenüber.
Die Nennung konkreter Zahlen ist überraschend, da die Bundesregierung bislang solche Angaben auch auf parlamentarische Anfragen der Opposition abgelehnt hat. Die Angaben seien so brisant, dass noch nicht einmal eine Einstufung als “geheim” und eine Einsicht in der Geheimschutzstelle des Bundestages möglich sei, hatte das Verteidigungsministerium im April die CDU/CSU-Fraktion auf eine entsprechende Frage beschieden. Bisher hatte das Wehrressort lediglich über einen Gesamt-Finanzbedarf von mehr als 20 Milliarden Euro gesprochen, der für die Aufstockung aller Munitionsvorräte gebraucht werde.
Die neuen Munitionsverträge sollen auch eine sogenannte Vorsorgeklausel enthalten, für “die Versorgung der Bundeswehr … aus besonderem Anlass in Krisen-, Spannungs- und Verteidigungsfall sowie aus Anlass von sonstigen Einsatzverpflichtungen der Bundeswehr”. Unter anderem soll damit eine Ausweitung der Produktion vereinbart werden, für die die Unternehmen “insbesondere … die betriebliche Arbeitszeit auf bis zu 24 Stunden täglich (auch an Wochenenden und Feiertagen)” verlängern können. tw
In zwei Wochen 113 Quadratkilometer befreit – das ist die vorläufige Bilanz der ukrainischen Gegenoffensive, die die ukrainische Vizeverteidigungsministerin Hanna Maliar am Montag verkündet hat. Bezogen auf die von der russischen Armee besetzte Fläche sind es etwa 0,09 Prozent des Territoriums.
Der achte, nun zurückeroberte Ort, Pjytychatki, liege in der Nähe wichtiger Straßenkreuzungen, betont Länderrisikoanalyst Alex Kokcharov auf Twitter. “Das erschwert den Nachschub für russische Truppen nach Enerhodar.” Nahe dieser Stadt befindet sich das AKW Saporischschja, das die Kühlung seiner Reaktoren nach der Sprengung des Kachowka-Staudammes aktuell vor allem aus dem Reservereservoir bewerkstelligen muss.
Nach Angaben des britischen Verteidigungsministeriums und ukrainischen Offiziellen verlegt Russland derzeit Streitkräfte vom östlichen, Dnipro-Ufer, nach Saporischschja. In dieser Region liegt die mittelgroße Stadt Melitopol. Hier sind seit Kriegsbeginn ukrainische Partisanen sehr aktiv. Die Verlegung ist auch deshalb möglich, weil die russische Armee nach der Überflutung des östlichen Dnipro-Ufers dort eher keinen Angriff der Ukrainer erwartet.
In der Frage der Luftunterstützung für die Ukraine von westlichen Partnern will der US-Rüstungskonzern Lockheed Martin ukrainische Piloten an den F-16 Kampfflugzeugen ausbilden, “falls Nato-Staaten einwilligen, diese zu schicken”. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte vergangenen Freitag gedroht, die Flugzeuge auch außerhalb des ukrainischen Territoriums anzugreifen. vf
Die geplante Städtepartnerschaft zwischen Kiel und der chinesischen Hafenstadt Qingdao steht weiter in der Kritik. Sarah Kirchberger vom Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel (ISPK) warnte auf der Kieler Sicherheitskonferenz am Wochenende davor, dass China die Partnerschaft zur Spionage bei TKMS und in den Marinestandorten der Bundeswehr nutzen könnte.
In Kiel befindet sich einer von drei Ostsee-Marinestützpunkten der Bundeswehr; Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) stellt hier U-Boote her.
Qingdao wiederum ist Stützpunkt der chinesischen U-Bootflotte, Zentrum der chinesischen Unterwasser-Seekriegsführung und Standort der U-Boot-Akademie sowie vieler Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen. Die Neun-Millionen-Metropole ist auch der Hauptsitz der chinesisch-russischen Ingenieur- und Universitätsallianz, in der chinesische und russische Spezialisten als Partner an Technologien zur U-Boot-Bekämpfung arbeiten.
In China seien Städtepartnerschaften nicht auf kommunaler Ebene aufgehängt, sondern werden von höheren Stellen strategisch vorangetrieben, warnt auch Mareike Ohlberg vom Global Marshall Fund. “Die naive Vorstellung, es handele sich hier nur um einen zivilgesellschaftlichen Austausch, wäre absurd.”
Kritik an der Partnerschaft, von der vor allem die Bereiche Umwelt- und Meeresschutz, Nachhaltigkeit und Wissenschaft profitieren sollen, kommt auch aus der Kieler CDU-Ratsfraktion. “Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass ein autokratischer Staat wie China ein elementares Interesse an der Gewinnung von Informationen über wehrtechnische Technologien zur Stärkung ihrer Seestreitkräfte haben dürfte”, sagt Ratsherr Rainer Kreutz. Seit der Kommunalwahl im Mai ist Bettina Aust von den Grünen als Stadtpräsidentin im Amt, die Partnerschaft auf den Weg gebracht hatte die SPD. Ob oder unter welchen Bedingungen Aust die Städtepartnerschaft vorantreiben wird, ist noch offen. klm/ck
New York Times – Russia Sought to Kill Defector in Florida: Die Rachegelüste des russischen Präsidenten und nach eigener Aussage ewigen Geheimdienstlers Wladimir Putin enden nicht. Die New York Times schildert in diesem Bericht einen gescheiterten Mordkomplott gegen einen ehemaligen russischen Geheimdienstler und Überläufer im Jahr 2020. Der Grund für Putins Zorn: Aleksandr Poteyev hatte den USA geholfen, elf russische Spione zu enttarnen.
Euractiv – Japan will wirtschaftliche Sicherheit stärken: Tokio hat in den vergangenen Jahren die Unabhängigkeit und die Sicherheit seiner Wirtschaft immer weiter vorangetrieben und will diesen Prozess noch stärker forcieren. Der Hauptgrund laut dieser Analyse ist China und seine zunehmende technologische Entwicklung. Europa sei im Vergleich zu Japan noch deutlich zurückhaltender, schreibt der Autor János Allenbach-Ammann.
TED Ian Bremmer – The next global superpower isn’t who you think: Der US-amerikanische Politikwissenschaftler und Risikoanalyst Ian Bremmer blickt in diesem 15-minütigen, englischsprachigen Videovortrag auf den Wandel globaler Machtstrukturen seit dem Zerfall der Sowjetunion und wagt einen Ausblick: Seiner Einschätzung nach werden die digitalen Konzerne in Zukunft eine immer größere politische Macht spielen – was er als Warnung verstanden haben will.
Als Merle Spellerberg die Flyer für den Bundestagswahlkampf 2021 bedrucken ließ, zögerte sie noch, den Themenbereich Außenpolitik überhaupt zu erwähnen. Sie habe sich dann für “Feminismus nicht nur in der Außenpolitik” entschieden, weil viele Wählerinnen und Wähler damals wenig mit dem Begriff feministische Außenpolitik anfangen konnten.
Das aber, so die 1996 in Höxter geborene Spellerberg, habe sich geändert. “Ich glaube, mittlerweile hat selbst die Union erkannt, dass es nichts bringt, gegen diesen Begriff anzukämpfen. Das zeigt ja schon, dass das mittlerweile sehr gut verankert ist”, so die Grüne nach knapp zwei Jahren im Bundestag
In ihrer ersten Legislaturperiode im Bundestag ist Spellerberg Obfrau ihrer Fraktion im Unterausschuss Abrüstung, außerdem sitzt sie im Verteidigungs– und im Auswärtigen Ausschuss. Dort ist sie Berichterstatterin unter anderem für den Südkaukasus, Moldau, Zentralasien sowie für die Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali (Minusma).
In ihrem in Sachsen gelegenen Wahlkreis Dresden II – Bautzen II sei es nicht immer einfach, feministische Außenpolitik zu erklären, sagt Spellerberg. Sie berichtet von einem parteilosen Bürgermeister, der sie gemeinsam mit einer SPD- und einem AfD-Abgeordneten zu einer Einwohnerversammlung einlud, bei der “vom Oberbürgermeister als Moderator weniger Moderation als vielmehr die Verteidigung rechts-konservativer Gesinnung” stattgefunden habe. Was Politiker aus Sachsen häufig sagen, sagt auch sie: “Wir brauchen mehr Räume, wo man konstruktiv mit Bürger:innen ins Gespräch kommen kann.”
Seit Spellerberg im Bundestag sitzt, hat sich ihre Partei außenpolitisch verändert. Klassische grüne Themen wie nukleare Abrüstung sind in den Hintergrund gerückt. “Für mich ist aber weiterhin klar, dass nur eine Welt ohne Atomwaffen eine sichere Welt für alle ist”, sagt Spellerberg. Derzeit lägen die Prioritäten aber woanders. “Ich kann es verkraften, dass das Ende der nuklearen Teilhabe gerade nicht die allererste Priorität ist. Ich möchte trotzdem, dass möglichst zeitnah auch die nukleare Teilhabe in Deutschland endet.” Das sei essenziell, das sehe man auch am Beispiel Russland. “Wenn Staaten Atomwaffen besitzen, dann haben sie unverhältnismäßig viel Macht.”
Mehr Geld für die Bundeswehr auszugeben, findet sie grundsätzlich richtig, aber nicht allein. “Wenn wir aber nur das machen, wiederholen wir die Fehler der alten Regierung. Wir haben uns in der Koalition darauf geeinigt, dass Erhöhungen des Verteidigungsbudgets mit gleichwertigen Erhöhungen für Außen- und Entwicklungspolitik einhergehen.” Klimakrise und globale Ernährungskrise zu ignorieren, sei kurzsichtig. In Mali hat sie gesehen, dass “die Situation vor Ort internationaler Unterstützung bedarf”. Der im Frühjahr 2024 geplante Abzug der Bundeswehr, der sinnvoll sei, werde aber Folgen für die Menschen vor Ort haben, sagt sie. Verärgert zeigt sich Spellerberg über die Unionsfraktion im Bundestag: CDU und CSU hätten einen möglichst schnellen Abzug gewollt, dabei aber nicht berücksichtigt, dass ein koordinierter Abzug Zeit brauche. “Und das ist eine Sache, die mich bei der Union unfassbar aufregt.” Gabriel Bub
an Superlativen mangelte es gestern nicht auf der größten Luftfahrtmesse der Welt: Noch bis Sonntag stellen in Le Bourget bei Paris 2453 Anbieter aus 49 Ländern ihre Produkte zur Schau – zum ersten Mal nach vier Jahren; 2021 fiel die Paris Air Show wegen Corona aus.
Für Airbus hat sich die Zusammenkunft schon jetzt gelohnt: Eine Rekordbestellung über 500 Maschinen aus der Modellfamilie A320neo erhielt der deutsch-französische Konzern am ersten Messetag von der indischen Airline Indigo. Dies sei der größte Einzelauftrag in der Geschichte der Luftfahrt, erklärte Airbus-Verkaufschef Christian Scherer.
Für Sie politisch eingeordnet hat Gabriel Bub den Auftritt von Emmanuel Macron am Auftaktabend von Le Bourget. Lange warteten die deutschen Vertreter aus Verteidigungsministerium und -industrie darauf, ob sich eine Annäherung im Streit um die von Bundeskanzler Olaf Scholz 2022 verkündete European Sky Shield Initiative (Essi) abzeichnete. Anders als Berlin setzt Paris gemeinsam mit Rom auf die Weiterentwicklung des landgestützten Luftverteidigungssystems Samp/T – und sieht die Bestellung des israelisch-amerikanischen Arrow 3-Systems durch die Bundesregierung kritisch. Auch Scholz’ Allianz mit den 16 anderen Essi-Staaten ist Macron ein Dorn im Auge.
Frankreich nicht als Konkurrenten, sondern als Vorbild preisen die Autoren eines Papiers, das Table.Media exklusiv vorliegt. Vertreter von Verteidigungsindustrie und Forschung werben darin erstmals gemeinsam für eine baldige Regulierung beim Einsatz Künstlicher Intelligenz in Waffensystemen.
Deutschland drohe, den Wettbewerb zu verlieren, heißt es aus Reihen des vom Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) und der Fraunhofer-Gesellschaft initiierten Arbeitskreises KI und Verteidigung. Der fordert nun eine “nationale militärische KI-Strategie”, um zu verhindern – so BDSV-Hauptgeschäftsführer Hans Christoph Atzpodien -, “dass wir uns an andere KI-Strategien anpassen müssen”.
Eine interessante Lektüre wünscht Ihnen
Emmanuel Macron wirkte etwas trotzig, als er die Beschlüsse der von ihm organisierten Konferenz über europäische Luftverteidigung verkündete. Belgien werde als Beobachter künftig Teil des deutsch-französisch-spanischen Rüstungsprojekts Future Combat Air System (FCAS) sein, teilte Frankreichs Präsident gestern Abend in Paris mit. Außerdem habe er gemeinsam mit der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni den Einsatz des bodengestützten Flugabwehrsystems Samp/T in der Ukraine beschlossen. Es werde bereits in dem Land verwendet.
Als “sehr schönes Beispiel souveräner europäischer Kooperation” pries Macron schließlich die gemeinsam mit Belgien, Zypern, Ungarn und Estland unterzeichnete Absichtserklärung zur gemeinsamen Beschaffung von Mistral-Raketen.
Macron hatte Ende Mai auf dem Globsec-Forum in Bratislava die EU-Verteidigungsminister nach Paris eingeladen, um in der französischen Hauptstadt über eine gemeinsame europäische Luftverteidigung zu sprechen. Von Macron angesprochen gefühlt haben dürfte sich auch der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius, der am Ende doch nach Paris gereist kam – ursprünglich sollte Staatssekretär Benedikt Zimmer ihn vertreten. Mit ihm auf der Konferenz, die teils am Rande der Luftfahrtmesse in Le Bourget, teils im Hotel des Invalides nahe des Grabs Napoleons in Paris stattfand: Minister und Staatssekretäre aus 20 europäischen Ländern.
Der häufig genannte Vorwurf aus Frankreich: Deutschland kaufe lieber aus den USA, anstatt die europäische Rüstungsindustrie zu stärken. “Warum sind wir zu oft gezwungen, aus den USA zu kaufen?”, fragte Macron am Montagabend und antwortete selbst: “Weil die Amerikaner viel stärker standardisiert haben als wir. Und weil sie ihre Industrie subventionieren.” Europa müsse stärker auf die eigene Industrie setzen, um nachhaltig unabhängig zu werden.
Dass man das im Bendlerblock in Berlin bisweilen anders sieht, ist einer der Gründe, weshalb die “tiefe Freundschaft” mit Frankreich, wie sie noch in der vorige Woche vom Bundeskabinett verabschiedeten Nationalen Sicherheitsstrategie beschworen wird, Risse bekommen hat – zumindest, was Vorstellungen über eine gemeinsame europäische Verteidigungsstrategie anbelangt. So hätte eigentlich schon am vergangenen Montag der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu Berlin besuchen sollen, um mit Pistorius das stockende deutsch-französische Panzerprojekt Main Ground Combat System (MGCS) zu besprechen. Doch im Wochenplan des Ministers, den das französische Verteidigungsministerium regelmäßig verschickt, fehlte der Termin dann.
Dass Pistorius erst im letzten Moment seine Teilnahme in Paris bestätigte, dürfte auf die Irritationen zurückzuführen sein, die die von Bundeskanzler Olaf Scholz 2022 initiierte European Sky Shield Initiative (Essi) in Paris ausgelöst hat. Dem im vergangenen Oktober von Deutschland und 14 weiteren Staaten, darunter die Atommacht Großbritannien, unterzeichneten Essi-Gründungsabkommen schlossen sich später Dänemark und Schweden an – nicht dabei sind Frankreich, Italien und Polen.
Die Initiative soll helfen, bestehende Lücken im derzeitigen Nato-Schutzschirm für Europa zu schließen. Die Unterzeichner versprechen sich zudem geringere Kosten durch gemeinsame Beschaffung von Abwehrsystemen kurzer, mittlerer und großer Reichweite, um ihren Luftraum vor feindlichen Drohnen, Marschflugkörpern und ballistischen Raketen zu schützen. Das Projekt setze außerdem ein politisches Zeichen und sorge für verbesserte Interoperabilität, schreibt das Center for Strategic and International Studies (CSIS).
Beim deutsch-französischen Streit um Essi geht es im Wesentlichen darum, wie Europa unabhängiger vom US-amerikanischen Einfluss operieren kann, sowohl bei der Rüstungsbeschaffung wie in Fragen von strategischer Verteidigung. Dass dafür der europäische Pfeiler der Nato gestärkt werden muss, darüber sind sich Deutschland und Frankreich einig. Macron nennt das “Strategische Autonomie”, in der deutschen Nationalen Sicherheitsstrategie spricht man von “Souveränität”.
Macron setzt zudem auf eine Stärkung der europäischen Rüstungsindustrie. Vergangene Woche aber bewilligte der Haushaltsausschuss des Bundestages mit 560 Millionen Euro eine erste Tranche für den Kauf des Raketenabwehrschirms Arrow 3 aus US-amerikanisch-israelischer Produktion. In Bratislava hatte Macron Ende Mai noch vor einem solchen Schritt gewarnt: “Wenn ich sehe, dass einige Länder ihre Verteidigungsausgaben erhöhen, um im großen Stil nichteuropäisch zu kaufen, sage ich klar: ,Ihr schafft euch die Probleme von morgen!’“
Frankreich hat mit Italien das landgestützte Luftverteidigungssystem Samp/T entwickelt, das wie das von Deutschland eingesetzte US-amerikanische Patriot-System eine Reichweite von rund 100 Kilometern hat. Rom und Paris fürchten außerdem, dass Essi das von Frankreich geführte Twister-Projekt (Timely Warning and Interception with Space-based Theater Surveillance) einiger EU-Staaten gefährden könnte, das unter anderem durch Weltraumüberwachung Hyperschallraketen identifizieren soll. Außerdem heißt es aus Paris, dass Essi nicht mit dem französischen Atombomben-Schutzschirm kompatibel sei, unter den Frankreich weitere Länder aufnehmen könnte.
Deutschland habe mit seinem Vorpreschen bei Essi keine Zeit gelassen, um Alternativen zu diskutieren, heißt es aus Paris – das sei das Tempo der Zeitenwende, sagt man in Berlin. “Die Franzosen empören sich jetzt über etwas, das eigentlich aus Paris schon lange gefordert wird, nämlich, dass die Bundesregierung mehr Verantwortung übernimmt und Initiative zeigt”, sagt Jacob Ross von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). “Die Sky Shield Initiative ist im Stil ein bisschen französisch. Die Partner werden überrumpelt, weil es vorher keine langwierige Abstimmung gab.“
Der Arbeitskreis KI &Verteidigung will mit einem Impulspapier eine gesellschaftliche Debatte über den Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Bereich militärischer Technologien anstoßen. Das Dokument, das Table.Media als Entwurf vorliegt, soll einen “konkreten Beitrag zur Formulierung einer nationalen militärischen KI-Strategie liefern, die angesichts der aktuellen Technologieentwicklung einerseits und der Bedrohungslage für Landes- und Bündnisverteidigung andererseits unerlässlich erscheint”.
Dem 2020 gegründeten Arbeitskreis gehören unter anderem Vertreter des Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) sowie Wissenschaftler eines Instituts der Fraunhofer-Gesellschaft und der Universität der Bundeswehr in München an.
Anders als in den USA oder Frankreich, die längst KI-Strategien für Waffensysteme vorgelegt haben, gibt es in Deutschland keine verbindlichen Leitlinien. Auch der vergangene Woche vom EU-Parlament verabschiedete Entwurf für ein KI-Gesetz (Artificial Intelligence Act) bietet nicht ausreichen Orientierung für den Einsatz von KI im militärischen Bereich. Wörtlich heißt es dazu im Vorschlagspapier des EU-Parlaments: “KI-Systeme, die ausschließlich für militärische Zwecke entwickelt oder verwendet werden, sollten vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen werden.”
Vor diesem Hintergrund warnt Hans Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer des BDSV und einer der Autoren des Impulspapiers: “Wir laufen Gefahr, dass wir uns an andere KI-Strategien anpassen müssen. Wir müssen uns aber selbst positionieren.”
Als zentrale Aufgabe der Überlegungen nennt das Papier unter anderem folgende Punkte:
Frank Sauer, der an der Universität der Bundeswehr in München zum Einsatz von KI in Waffensystemen forscht, plädiert für eine Beschreibung des “Verhältnisses von Mensch und Maschine”. Zwei Fragen stünden im Vordergrund: “In welchen Bereichen ist die Maschine leistungsfähiger als der Mensch? Und welcher menschlichen Kontrolle bedarf die Maschine in dem ihr übertragenen Rahmen?”
Wegen der rasanten Entwicklung in der KI-Forschung dürfe man keine Zeit mehr verlieren, argumentiert Wolfgang Koch, Professor am Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie (FKIE). “Wir müssen über diese Fragen nachdenken, bevor wir etwas entwickeln. Ethik kann man nicht nachrüsten.”
Wie komplex diese Fragen sind, lässt sich am Einsatz von Drohnen-Schwärmen veranschaulichen. Führende KI-Nationen wie die USA – und mit Sicherheit auch China – arbeiten längst an der vollautomatisierten Steuerung solcher Waffensysteme. Ein Ziel, in der Regel ein Gegner, wird per KI-gestützter Sensorik erkannt. Was KI – noch – nicht kann, ist unterscheiden: Steht dieses gegnerische Ziel in einem unbewohnten Industriekomplex oder auf dem Dach eines Kindergartens?
FKIE-Forscher Koch weist darauf hin, dass “das technische Design für KI in diesem Fall immer gewährleisten muss, dass das Völkerrecht eingehalten wird”. Deshalb, so Koch, müsse man über ein Konzept der “Verantwortbarkeit” für den Einsatz von KI im militärischen Bereich nachdenken. Dies sei auch wichtig für die Soldaten und Soldatinnen: “Sie müssen in der Lage sein, Verantwortung tragen zu können, auch in autonomen Waffensystemen. Dazu brauchen sie eine Grundlage.”
Auch die Industrie fordert eine tragfähige Leitlinie, so BDSV-Hauptgeschäftsführer Atzpodien. Hier gehe es auch um Wettbewerbsfähigkeit: “Bei uns sind internationale Konzerne organisiert, die längst an KI-gestützten Systemen arbeiten. Wir wollen wissen, was wir weiter entwickeln dürfen, vor allem aber auch in der Lage sein, weiterhin das entwickeln zu dürfen, was unsere Streitkräfte für ihren durchweg defensiven Auftrag benötigen.”
Das Impulspapier des Arbeitskreises KI & Verteidigung soll demnächst erscheinen und vor allem “Akteure aus Regierung, Parlament, Medien und Interessenvertreter von NGO” erreichen. Mit Viktor Funk
Die zweite Kosovo-Krise in drei Wochen ist vorerst entschärft. Auf internationalen Druck beendete die Regierung von Ministerpräsident Albin Kurti am Wochenende die zuvor verhängte Grenzsperre für Fahrzeuge und Waren aus Serbien. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg forderte am Montag alle Konfliktparteien auf, von “eskalatorischen Schritten” Abstand zu nehmen – und warnte, dass die von der Nato geführte Kosovo-Schutztruppe (Kfor) “weiterhin alle notwendigen Maßnahmen ergreifen” werde, um ein sicheres und geschütztes Umfeld zu gewährleisten”.
Die seit 1999 im Kosovo stationierten Kfor-Einheiten waren nach den gewaltsamen Angriffen durch serbische Nationalisten Ende Mai um 700 Soldaten verstärkt worden. Weiter in serbischem Gewahrsam allerdings bleiben drei kosovarische Polizisten, denen Belgrad vorwirft, vergangene Woche auf serbisches Territorium vorgedrungen zu sein. Einer Aufforderung des US-Sondergesandten für das Kosovo, Gabriel Escobar, die Beamten freizulassen, kam die Regierung Ministerpräsident Alexander Vucics bislang nicht nach.
Das ist nur eines von vielen Indizien, die auf einen Kursschwenk der US-Regierung in ihrer Balkan-Politik hindeuten – und auf einen radikalen U-Turn Washingtons hin zu Russlands wichtigstem Verbündeten im früheren Jugoslawien: Belgrad. Obwohl es seit Sommer 2022 verstärkt zu gewaltsamen Zusammenstößen in den mehrheitlich serbisch besiedelten Gemeinden im Norden der ehemaligen jugoslawischen Provinz gekommen ist, wird die zunehmend autokratisch agierende Regierung Aleksandar Vucics mit Samthandschuhen angefasst, auch von der EU. Die Regierung Kurtis in Pristina hingegen sieht sich Strafmaßnahmen ausgesetzt.
Diesem Muster folgt die US-Administration seit August 2022: So kam der unter der Herrschaft Slobodan Milosevics inhaftierte Kurti immer wieder Aufforderungen zum Einlenken nach: in der Frage der Anerkennung serbischer Ausweispapiere und Autokennzeichen etwa, nicht jedoch bei der Etablierung eines bereits vor Jahren vereinbarten serbischen Gemeindeverbandes. Grundlage für den Verband ist ein Abkommen aus dem Jahr 2013, das der Kosovo und Serbien geschlossen haben. Der Kosovo hat dieses Abkommen im Parlament ratifiziert, Serbien noch nicht.
Auch die Eskalation Ende Mai entzündete sich an der Frage, die seit der Unabhängigkeit des Kosovos 2008 ungeklärt ist: die angemessene Repräsentation der kosovo-albanischer Vertreter in den politischen Institutionen des Landes, dem bis heute fünf EU-Staaten die Anerkennung verweigern: Griechenland, Rumänien, Slowakei, Spanien, Zypern.
Washington möchte Belgrad bei der Gründung des Verbandes entgegenkommen, der in den mehrheitlich serbisch besiedelten Gemeinden im Nordkosovo Kompetenzen für Bildung, Verwaltung, Gesundheit und Wirtschaft bündeln soll. Die Regierung in Pristina hintertreibt diesen Prozess seit langem, weil sie darin die Nukleus für eine Republika Srpska 2.0 sieht – die serbische Entität in Bosnien-Herzegowina genießt weitreichende Autonomie, ihr Präsident Milorad Dodik droht immer wieder mit Sezession.
Nichtdestotrotz setzt US-Außenminister Antony Blinken auf die Regierung in Belgrad – und nimmt Abschied von der Politik des früheren US-Präsidenten Bill Clinton, dem stärksten Verbündeten des Kosovo seit dem Abzug serbischer Truppen 1999. Blinkens Unterhändler für den Kosovo-Konflikt, Derek Chollet, hat wiederholt deutlich gemacht, dass es Washingtons Ziel ist, Belgrad aus der Umklammerung Moskaus zu lösen. Hierfür erhielten Präsident Vucic und Ministerpräsidentin Ana Brnabic bei Chollets Belgrad-Besuchen immer wieder Lob – und das, obwohl Vucic die Medien fast vollständig gleichgeschaltet hat und Transparency International Serbien inzwischen als “hybrides System” bezeichnet. Dennoch soll im Herbst ein serbischer Verbindungsbeamter im State Department Einzug halten.
Auf einer Anhörung des Außenausschusses des US-Kongresses antwortete Chollet im Mai auf die Frage, ob Serbien ein “verlässlicher Partner” sei: “Das ist etwas, was wir testen müssen.” Scharfe Kritik an diesem Experiment mit ungewissem Ausgang übt der frühere Unterhändler des State Department bei der Friedenverhandlungen von Dayton für Bosnien und Herzegowina 1995, Daniel Serwer, der diese als “Fantasie-Diplomatie” bezeichnete. Auch der frühere Hohe Repräsentant für Bosnien und Herzegowina, Christian Schwarz-Schilling, fordert eine Kurskorrektur Washingtons und kritisiert gegenüber Table.Media, dass diese Politik dem Ethnonationalismus in der Region Vorschub leiste und Kosovo als jungen demokratischen Staat unterminiere. Alexander Rhotert
Die Zukunft MIT Afrika gestalten! Das gilt nicht nur für die Lösung globaler Krisen, sondern auch für die Gestaltung von Politik und Wirtschaft. Am 4. Juli 2023 schafft Table.Media mit der digitalen Konferenz Afrika-Strategie Orientierung für Entscheiderinnen und Entscheider.
Die Bundeswehr will mit neuen Verträgen mit der Industrie die Beschaffung von Munition für die Artillerie beschleunigen – und hat dabei erstmals Defizite in ihren Depots konkret beziffert. Von den 230.000 Sprenggeschossen im Kaliber 155 Millimeter für die Panzerhaubitze 2000, auf die der Munitionsvorrat bis 2031 Nato-Vorgaben zufolge aufgestockt werden muss, verfügt die Truppe bislang nur über 20.000 Schuss.
Die Zahlen nannte das Finanzministerium in einem Schreiben an den Haushaltsausschuss des Bundestages, mit dem eine Vorlage zur Beschaffung von Artilleriemunition begründet wird. Das Schreiben liegt Table.Media vor. Zuerst hatte der Spiegel darüber berichtet. Konkret sollen zunächst aus einem bestehenden Rahmenvertrag mit dem Rüstungsunternehmen Rheinmetall mehr Geschosse als bisher geplant abgerufen werden. Außerdem sind noch für dieses Jahr weitere Verträge mit dem Hersteller vorgesehen.
Das Vorziehen der Beschaffung von weiteren 11.000 Schuss der Munition des Typs “155mm Spreng IHE DM 121” aus dem 2019 abgeschlossenen Rahmenvertrag sei laut Verteidigungsministerium “der geänderten Sicherheitslage geschuldet”, erklärte das Finanzressort. Der aktuelle Bestand der Bundeswehr an dieser Munition betrage “rund 20.000 Stück”; dem stehe der Bedarf von 230.000 Geschossen gegenüber.
Die Nennung konkreter Zahlen ist überraschend, da die Bundesregierung bislang solche Angaben auch auf parlamentarische Anfragen der Opposition abgelehnt hat. Die Angaben seien so brisant, dass noch nicht einmal eine Einstufung als “geheim” und eine Einsicht in der Geheimschutzstelle des Bundestages möglich sei, hatte das Verteidigungsministerium im April die CDU/CSU-Fraktion auf eine entsprechende Frage beschieden. Bisher hatte das Wehrressort lediglich über einen Gesamt-Finanzbedarf von mehr als 20 Milliarden Euro gesprochen, der für die Aufstockung aller Munitionsvorräte gebraucht werde.
Die neuen Munitionsverträge sollen auch eine sogenannte Vorsorgeklausel enthalten, für “die Versorgung der Bundeswehr … aus besonderem Anlass in Krisen-, Spannungs- und Verteidigungsfall sowie aus Anlass von sonstigen Einsatzverpflichtungen der Bundeswehr”. Unter anderem soll damit eine Ausweitung der Produktion vereinbart werden, für die die Unternehmen “insbesondere … die betriebliche Arbeitszeit auf bis zu 24 Stunden täglich (auch an Wochenenden und Feiertagen)” verlängern können. tw
In zwei Wochen 113 Quadratkilometer befreit – das ist die vorläufige Bilanz der ukrainischen Gegenoffensive, die die ukrainische Vizeverteidigungsministerin Hanna Maliar am Montag verkündet hat. Bezogen auf die von der russischen Armee besetzte Fläche sind es etwa 0,09 Prozent des Territoriums.
Der achte, nun zurückeroberte Ort, Pjytychatki, liege in der Nähe wichtiger Straßenkreuzungen, betont Länderrisikoanalyst Alex Kokcharov auf Twitter. “Das erschwert den Nachschub für russische Truppen nach Enerhodar.” Nahe dieser Stadt befindet sich das AKW Saporischschja, das die Kühlung seiner Reaktoren nach der Sprengung des Kachowka-Staudammes aktuell vor allem aus dem Reservereservoir bewerkstelligen muss.
Nach Angaben des britischen Verteidigungsministeriums und ukrainischen Offiziellen verlegt Russland derzeit Streitkräfte vom östlichen, Dnipro-Ufer, nach Saporischschja. In dieser Region liegt die mittelgroße Stadt Melitopol. Hier sind seit Kriegsbeginn ukrainische Partisanen sehr aktiv. Die Verlegung ist auch deshalb möglich, weil die russische Armee nach der Überflutung des östlichen Dnipro-Ufers dort eher keinen Angriff der Ukrainer erwartet.
In der Frage der Luftunterstützung für die Ukraine von westlichen Partnern will der US-Rüstungskonzern Lockheed Martin ukrainische Piloten an den F-16 Kampfflugzeugen ausbilden, “falls Nato-Staaten einwilligen, diese zu schicken”. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte vergangenen Freitag gedroht, die Flugzeuge auch außerhalb des ukrainischen Territoriums anzugreifen. vf
Die geplante Städtepartnerschaft zwischen Kiel und der chinesischen Hafenstadt Qingdao steht weiter in der Kritik. Sarah Kirchberger vom Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel (ISPK) warnte auf der Kieler Sicherheitskonferenz am Wochenende davor, dass China die Partnerschaft zur Spionage bei TKMS und in den Marinestandorten der Bundeswehr nutzen könnte.
In Kiel befindet sich einer von drei Ostsee-Marinestützpunkten der Bundeswehr; Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) stellt hier U-Boote her.
Qingdao wiederum ist Stützpunkt der chinesischen U-Bootflotte, Zentrum der chinesischen Unterwasser-Seekriegsführung und Standort der U-Boot-Akademie sowie vieler Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen. Die Neun-Millionen-Metropole ist auch der Hauptsitz der chinesisch-russischen Ingenieur- und Universitätsallianz, in der chinesische und russische Spezialisten als Partner an Technologien zur U-Boot-Bekämpfung arbeiten.
In China seien Städtepartnerschaften nicht auf kommunaler Ebene aufgehängt, sondern werden von höheren Stellen strategisch vorangetrieben, warnt auch Mareike Ohlberg vom Global Marshall Fund. “Die naive Vorstellung, es handele sich hier nur um einen zivilgesellschaftlichen Austausch, wäre absurd.”
Kritik an der Partnerschaft, von der vor allem die Bereiche Umwelt- und Meeresschutz, Nachhaltigkeit und Wissenschaft profitieren sollen, kommt auch aus der Kieler CDU-Ratsfraktion. “Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass ein autokratischer Staat wie China ein elementares Interesse an der Gewinnung von Informationen über wehrtechnische Technologien zur Stärkung ihrer Seestreitkräfte haben dürfte”, sagt Ratsherr Rainer Kreutz. Seit der Kommunalwahl im Mai ist Bettina Aust von den Grünen als Stadtpräsidentin im Amt, die Partnerschaft auf den Weg gebracht hatte die SPD. Ob oder unter welchen Bedingungen Aust die Städtepartnerschaft vorantreiben wird, ist noch offen. klm/ck
New York Times – Russia Sought to Kill Defector in Florida: Die Rachegelüste des russischen Präsidenten und nach eigener Aussage ewigen Geheimdienstlers Wladimir Putin enden nicht. Die New York Times schildert in diesem Bericht einen gescheiterten Mordkomplott gegen einen ehemaligen russischen Geheimdienstler und Überläufer im Jahr 2020. Der Grund für Putins Zorn: Aleksandr Poteyev hatte den USA geholfen, elf russische Spione zu enttarnen.
Euractiv – Japan will wirtschaftliche Sicherheit stärken: Tokio hat in den vergangenen Jahren die Unabhängigkeit und die Sicherheit seiner Wirtschaft immer weiter vorangetrieben und will diesen Prozess noch stärker forcieren. Der Hauptgrund laut dieser Analyse ist China und seine zunehmende technologische Entwicklung. Europa sei im Vergleich zu Japan noch deutlich zurückhaltender, schreibt der Autor János Allenbach-Ammann.
TED Ian Bremmer – The next global superpower isn’t who you think: Der US-amerikanische Politikwissenschaftler und Risikoanalyst Ian Bremmer blickt in diesem 15-minütigen, englischsprachigen Videovortrag auf den Wandel globaler Machtstrukturen seit dem Zerfall der Sowjetunion und wagt einen Ausblick: Seiner Einschätzung nach werden die digitalen Konzerne in Zukunft eine immer größere politische Macht spielen – was er als Warnung verstanden haben will.
Als Merle Spellerberg die Flyer für den Bundestagswahlkampf 2021 bedrucken ließ, zögerte sie noch, den Themenbereich Außenpolitik überhaupt zu erwähnen. Sie habe sich dann für “Feminismus nicht nur in der Außenpolitik” entschieden, weil viele Wählerinnen und Wähler damals wenig mit dem Begriff feministische Außenpolitik anfangen konnten.
Das aber, so die 1996 in Höxter geborene Spellerberg, habe sich geändert. “Ich glaube, mittlerweile hat selbst die Union erkannt, dass es nichts bringt, gegen diesen Begriff anzukämpfen. Das zeigt ja schon, dass das mittlerweile sehr gut verankert ist”, so die Grüne nach knapp zwei Jahren im Bundestag
In ihrer ersten Legislaturperiode im Bundestag ist Spellerberg Obfrau ihrer Fraktion im Unterausschuss Abrüstung, außerdem sitzt sie im Verteidigungs– und im Auswärtigen Ausschuss. Dort ist sie Berichterstatterin unter anderem für den Südkaukasus, Moldau, Zentralasien sowie für die Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali (Minusma).
In ihrem in Sachsen gelegenen Wahlkreis Dresden II – Bautzen II sei es nicht immer einfach, feministische Außenpolitik zu erklären, sagt Spellerberg. Sie berichtet von einem parteilosen Bürgermeister, der sie gemeinsam mit einer SPD- und einem AfD-Abgeordneten zu einer Einwohnerversammlung einlud, bei der “vom Oberbürgermeister als Moderator weniger Moderation als vielmehr die Verteidigung rechts-konservativer Gesinnung” stattgefunden habe. Was Politiker aus Sachsen häufig sagen, sagt auch sie: “Wir brauchen mehr Räume, wo man konstruktiv mit Bürger:innen ins Gespräch kommen kann.”
Seit Spellerberg im Bundestag sitzt, hat sich ihre Partei außenpolitisch verändert. Klassische grüne Themen wie nukleare Abrüstung sind in den Hintergrund gerückt. “Für mich ist aber weiterhin klar, dass nur eine Welt ohne Atomwaffen eine sichere Welt für alle ist”, sagt Spellerberg. Derzeit lägen die Prioritäten aber woanders. “Ich kann es verkraften, dass das Ende der nuklearen Teilhabe gerade nicht die allererste Priorität ist. Ich möchte trotzdem, dass möglichst zeitnah auch die nukleare Teilhabe in Deutschland endet.” Das sei essenziell, das sehe man auch am Beispiel Russland. “Wenn Staaten Atomwaffen besitzen, dann haben sie unverhältnismäßig viel Macht.”
Mehr Geld für die Bundeswehr auszugeben, findet sie grundsätzlich richtig, aber nicht allein. “Wenn wir aber nur das machen, wiederholen wir die Fehler der alten Regierung. Wir haben uns in der Koalition darauf geeinigt, dass Erhöhungen des Verteidigungsbudgets mit gleichwertigen Erhöhungen für Außen- und Entwicklungspolitik einhergehen.” Klimakrise und globale Ernährungskrise zu ignorieren, sei kurzsichtig. In Mali hat sie gesehen, dass “die Situation vor Ort internationaler Unterstützung bedarf”. Der im Frühjahr 2024 geplante Abzug der Bundeswehr, der sinnvoll sei, werde aber Folgen für die Menschen vor Ort haben, sagt sie. Verärgert zeigt sich Spellerberg über die Unionsfraktion im Bundestag: CDU und CSU hätten einen möglichst schnellen Abzug gewollt, dabei aber nicht berücksichtigt, dass ein koordinierter Abzug Zeit brauche. “Und das ist eine Sache, die mich bei der Union unfassbar aufregt.” Gabriel Bub