Table.Briefing: Security

Deutliche EU-Kritik an Israel + Erdoğans übersehener Krieg

Liebe Leserin, lieber Leser,

fast auf den Tag genau 25 Jahre ist es her, dass die Nato serbische Stellungen bombardierte, unter Beteiligung von Tornados der Bundeswehr. Das gab Bundeskanzler Gerhard Schröder am Abend des 24. März 1999 in einer Fernsehansprache bekannt. Zum ersten Mal nach Ende des Zweiten Weltkrieges standen deutsche Soldaten wieder im Kampfeinsatz. “An unserer Entschlossenheit, das Morden im Kosovo zu beenden, besteht kein Zweifel”, sagte Schröder, an Serbiens Machthaber Slobodan Milošević gerichtet.

In Belgrad verzögern Milošević’ nationalistischen Nachfolger bis heute die selbst bestimmte Annäherung früherer jugoslawischer Teilrepubliken an die EU. Nur Kroatien und Slowenien haben es ein Vierteljahrhundert nach dem Kosovo-Krieg in die Union geschafft. Warum Brüssel bis heute brauchte, Bosnien-Herzegowina den Beginn von Beitrittsverhandlungen zuzugestehen, berichten Eric Bonse, Stephan Israel und Till Hoppe, die den EU-Frühjahrsgipfel zwölf Wochen vor der Europawahl verfolgen.

Einer der Profiteure der Kriege in der Ukraine und in Nahost ist der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan. Im Schatten der beiden Großkonflikte zündelt er – um im langen Krieg gegen die PKK und deren kurdische Schwesterarmeen in Syrien und im Irak militärische Fakten zu schaffen. Frank Nordhausen erklärt, wie das die Kurden in die Hände von Syriens Machthaber Baschar al-Assad treibt.

Bei der Bundeswehrstrukturreform sichert CDU-Verteidigungspolitiker Henning Otte Boris Pistorius im Gespräch mit Table.Briefings volle Unterstützung bei der Umsetzung. Wilhelmine Preußen weiß, was CDU/CSU im Gegenzug für den Support vom Verteidigungsminister fordern.

Ihr
Markus Bickel
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Analyse

Regierungschefs einigen sich auf schärferen Ton gegenüber Israel: Die wichtigsten Einigungen des EU-Gipfels im Überblick

Die EU hat ihre Tonart gegenüber Israel verschärft und zu einer “sofortigen humanitären Pause” im Gazastreifen aufgerufen. Diese solle zu einem dauerhaften Waffenstillstand führen, heißt es in der Erklärung des EU-Gipfels. Zugleich forderten die Staats- und Regierungschefs “die bedingungslose Freilassung aller Geiseln”. Israel wurde gedrängt, auf die geplante Bodenoffensive in Rafah zu verzichten, da diese “die ohnehin katastrophale humanitäre Situation (in Gaza) verschlimmern würde”.

Dem Appell waren stundenlange, kontroverse Diskussionen vorausgegangen. Österreich und Tschechien standen lange auf der Bremse und forderten ein härteres “Wording” zu der Terrororganisation Hamas. Teilweise konnten sie sich durchsetzen. So fordert der Gipfel nun “unabhängige Untersuchungen zu allen Vorwürfen sexueller Gewalt”, die bei den Angriffen am 7. Oktober verübt worden sei. Insgesamt haben sich jedoch die Befürworter einer härteren Linie gegenüber Israel durchgesetzt.

Eröffnet wurde die Debatte beim Mittagessen mit Uno-Generalsekretär António Guterres. Er forderte die EU auf, bei den Kriegen in der Ukraine und in Gaza keine “Doppelstandards” anzuwenden. Kriegsverbrechen müssten überall geahndet werden. Die Zahl ziviler Opfer im Gazastreifen sei “beispiellos”, beklagte Guterres. “Wir haben eine Situation der Straflosigkeit, in der jedes Land oder jede bewaffnete Gruppe denkt, dass sie tun kann, was sie will.”

Belgiens Premierminister Alexander De Croo, sagte, die EU müsse im Nahen Osten die “Führung” übernehmen und dürfe nicht einfach nur den USA folgen. Die USA hatten zuletzt ihre Haltung zum Krieg in Gaza geändert; sie fordern nun eine “sofortige Feuerpause”. Die Schlussfolgerungen des Gipfels liegen weitgehend auf einer Linie mit den USA. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz war auf diese Linie eingeschwenkt.

Grünes Licht für Beitrittsverhandlungen mit Bosnien

Die Staats- und Regierungschefs beschlossen zudem, Beitrittsverhandlungen mit Bosnien-Herzegowina aufzunehmen. Die eigentlichen Gespräche sollen aber erst beginnen, wenn das Land die ausstehenden Reformen durchgeführt hat, die die Kommission in einer Empfehlung vom Oktober 2022 gefordert hatte.

Auf diese Bedingung hatte insbesondere der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte bestanden. “Bosnien hat Fortschritte gemacht”, sagte er. Aber es sei entscheidend, dass das Land “wirklich alle Punkte abhakt”. Um den Start der Gespräche nicht unnötig zu verzögern, soll die Kommission den benötigten Verhandlungsrahmen bereits ausarbeiten. 

Die Entscheidung für Beitrittsverhandlungen mit Bosnien war verkompliziert worden, weil einige Länder ihre Zustimmung an schnellere Fortschritte im Beitrittsprozess für die Ukraine und Moldau geknüpft hatten. Der litauische Präsident Gitanas Nausėda forderte, die formellen Verhandlungen bis Juni zu starten. Die Ukraine habe die geforderten Reformen unter schwierigen Umständen geliefert, jetzt sei die EU am Zuge. “Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit.”

Auf den konkreten Zeitpunkt wollten sich andere Mitgliedstaaten aber nicht festlegen. Stattdessen ermuntern die Staats- und Regierungschefs den EU-Rat in den Schlussfolgerungen, den Verhandlungsrahmen für beide Länder “zügig anzunehmen und ohne Verzögerung voranzugehen”. 

Russische Windfall Profits können für Waffenkäufe benutzt werden

Auch den Vorschlag der EU-Kommission zu den russischen Zentralbankgeldern haben die Staats- und Regierungschefs am Donnerstag grundsätzlich gutgeheißen. Den Schlussfolgerungen wurde explizit hinzugefügt, dass die sogenannten Windfall Profits auf die blockierten Gelder auch für Waffen- und Munitionskäufe verwendet werden könnten. Für eine Diskussion im Detail über den Kommissionsvorschlag vom Mittwoch sei es aber zu früh gewesen, so ein Diplomat.

Die Kommission hat vorgeschlagen, 90 Prozent der jährlich voraussichtlich drei Milliarden Euro für die Europäische Friedensfazilität vorzusehen. Zehn Prozent sollen in diesem Jahr über den EU-Haushalt in den Fonds zur wirtschaftlichen und finanziellen Stabilisierung der Ukraine fließen und ab 2025 dann in das neue Programm zur Stärkung der Europäischen Verteidigungsindustrie (EDIP), an dem sich die Ukraine ebenfalls beteiligen kann.

Finanzierungsfrage bleibt ungelöst

Die EU sei entschlossen, die Ukraine “solange wie nötig und so intensiv wie nötig” zu unterstützen, heißt es in den Gipfelschlussfolgerungen. In einer Videoschaltung zu Beginn des Gipfels forderte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj eindringlich um mehr militärische Unterstützung für sein Land: “Leider ist der Einsatz von Artillerie an der Front durch unsere Soldaten beschämend für Europa in dem Sinne, dass Europa mehr leisten kann”. Es sei wichtig, dass Europa beweise, was es könne.

Die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas warb beim EU-Gipfel für ein einheitliches Ziel für Militärhilfen. Wenn jedes Land mindestens 0,25 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für Militärhilfen zur Verfügung stellen würde, könnten die Ukrainer Russland übertrumpfen.

Die Europäische Union verpflichtet sich in den Gipfelschlussfolgerungen, Verteidigungsbereitschaft und Fähigkeiten in Einklang mit der wachsenden Bedrohung und den Sicherheitsherausforderungen zu bringen. Grundsätzliche Zustimmung gab es auch zu EDIP und der übergreifenden Strategie (EDIS). Der Gipfel fordert die Kommission, den Außenbeauftragten und den Rat auf, die Arbeit schnell voranzutreiben. Die Frage der Finanzierung des bisher nur mit 1,5 Milliarden Euro bescheiden ausgestatteten Programms war am Rande des Gipfels ein Thema. Der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis schloss sich der Gruppe der Länder an, die Eurobonds fordern, um Europas Verteidigungsindustrie zu stärken.

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So schätzt Estlands Ministerpräsidentin Putins Drohung zu Atomwaffen ein

Estlands Ministerpräsidentin Kaja Kallas fordert im Table.Briefings-Interview ein Nachschärfen der Sanktionen gegenüber Russland.

Frau Kallas, Sie fordern, dass EU- und Nato-Staaten mehr Geld in Verteidigung investieren sollen. Wie konsensfähig ist das im Kreis der Staats- und Regierungschefs?

Meine Kollegen, die bessere Nachbarn als wir in Estland haben, tun sich natürlich schwer, ihrer Bevölkerung zu erklären, dass stärker in Verteidigung investiert werden muss. In Friedenszeiten kann man das Geld der Steuerzahler in vieles andere lenken, in Bildung, in Soziales. Das Problem ist, dass es bei Verteidigung zu spät ist für die Investitionen, wenn man sie tatsächlich braucht. Wir haben jetzt schon eine Krise bei der Verteidigung.

Sie haben Eurobonds vorgeschlagen für Investitionen in die Verteidigung nach dem Vorbild des Corona-Wiederaufbaufonds. Erwarten Sie beim EU-Gipfel nun einen konkreten Fortschritt?

Wir machen Babyschritte. Ich habe am Dienstag Bundeskanzler Olaf Scholz in Berlin getroffen, und wir suchen nach Lösungen, die für alle akzeptabel sind. Ich kann mit einem anderen Weg leben, solange wir Investitionen in den Verteidigungssektor bringen. Auch privates Kapital muss stärker dorthin fließen.

“Manche Länder bewegen sich immer noch nicht”

Ist europäischen Politikern der Grad der Bedrohung bewusst, der von Russland ausgeht?

Als der Krieg 2022 begann, war ich sicher, dass alle Nato-Staaten ihre Verteidigungsinvestitionen erhöhen würden, denn die Bedrohung war auf einmal real. Zu meiner Überraschung ist das nicht passiert. Es gab viele Versprechen, aber wenn man sich die Fußnoten ansieht, dann sieht man, dass das Ziel, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben, oft erst 2030 erreicht wird. Während des Kalten Kriegs gaben Nato-Mitgliedsstaaten bis zu sechs Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung aus. Jetzt haben wir einen echten Krieg, und manche Länder bewegen sich immer noch nicht.

Wie ernst nehmen Sie die erneute Drohung des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Atomwaffen einzusetzen?

Das Ziel ist Einschüchterung, und das funktioniert in manchen Ländern. Ich war vor etwa einem Jahr in Deutschland bei einer Diskussion, bei der ein deutscher Abgeordneter vor einem nuklearen Gegenschlag Russlands warnte. Bei derselben Diskussion wiesen Ukrainer darauf hin, dass Russland Nuklearwaffen gegen die Ukraine einsetzen würde und nicht gegen Deutschland. Wenn die Ukrainer keine Angst hätten, dann sollten die Deutschen auch keine Angst haben.

Kallas: Anzeichen, dass Sanktionen wirken

Können Sie ausschließen, dass Putin zu Atomwaffen greift?

Natürlich nicht, er ist verrückt. Aber sein Hauptziel ist es, uns Angst einzuflößen. Darin sind Russen wirklich gut. Sie haben nichts zu bieten bei Technologie, sind aber sehr gut in Sozialwissenschaften. Genau andersherum als bei den Chinesen.

Wirken die Sanktionen gegen Russland ausreichend?

Es gibt Leute, die sagen, dass die Sanktionen nicht funktionieren. Das ist in Wirklichkeit ein russisches Narrativ. Wir haben konkrete Anzeichen, dass die Sanktionen Wirkung zeigen. Der russische Staatshaushalt weist ein Defizit von 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf. Und anders als Staaten im Westen kann Russland wegen der Sanktionen kein Geld an den Kapitalmärkten aufnehmen. China leiht Russland auch kein Geld. Gleichzeitig liegen die Zinsen in Russland bei 15 Prozent. Das zeigt, wie die Zentralbank die Situation einschätzt.

“Wichtig, dass wir gehört werden”

Sehen Sie keinen Verbesserungsbedarf bei den Sanktionen?

Natürlich, Estland hat bereits konkrete Vorschläge gemacht. Wir wollen ein totales Einfuhrverbot von verflüssigtem Erdgas (LNG). Und wir haben auch Exportquoten für bestimmte Güter in Drittländer gefordert. Damit würde sichergestellt, dass Technologie aus Europa nicht in Russland landet. Wir sehen hohe Autoexporte nach Kirgisistan. Aber die Leute sind ja dort nicht so reich geworden, dass sie auf einmal zehn Autos pro Familie besitzen.

Die EU will neue Mitglieder aufnehmen, aber mit 30 und mehr Staaten am Tisch kann es nicht bei dem bisherigen Abstimmungsmechanismus bleiben. Könnten Sie mit einem Abschied von der Einstimmigkeit in bestimmten Bereichen leben?

Ich komme aus einem kleinen Land, das 50 Jahre lang keine Stimme hatte. Für uns ist es wichtig, dass wir gehört und von den großen Ländern nicht überrollt werden können. Deshalb würde ich die Einstimmigkeit nur sehr ungern aufgeben. Wobei Estland sein Veto noch nie genutzt hat. Wir bemühen uns immer, konstruktiv zu sein und einen Kompromiss zu finden.

Nach der Europawahl sind in der EU zahlreiche Topjobs zu vergeben. Würde Sie eine Aufgabe in Brüssel reizen?

Ich bin Ministerpräsidentin Estlands. Aber in der Politik ist alles möglich. Und ich habe in meinem Land so viele schwierige Entscheidungen getroffen, dass ich politischen Selbstmord begangen habe.

Das Interview führte Silke Wettach.

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Wie Erdoğan die Kurden in eine Allianz mit Assad treibt

Im Windschatten des Gaza-Kriegs forciert die Türkei seit Oktober 2023 Artillerie- und Drohnenangriffe auf kurdische Ziele im Irak und in Syrien. Nach den türkischen Kommunalwahlen Ende März will Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan eine neue “umfassende Militäroperation” gegen die militante kurdische Arbeiterpartei PKK in beiden Nachbarländern beginnen. Er will eine 30 Kilometer breite militärische Pufferzone entlang der gemeinsamen Grenzen schaffen.

Die anhaltenden Attacken sind ein indirektes Eingeständnis Ankaras, dass die 40 Millionen Kurden, das weltweit größte Volk ohne eigenen Staat, wieder auf die politische Tagesordnung drängen – nicht nur in der Türkei. Dort betreibt Erdoğan seit dem gescheiterten Versuch eines Friedensschlusses mit der PKK 2015 wieder die traditionelle türkische Kurdenpolitik von Gewalt, Repression und Assimilierung.

Das Jahr 2015 ist bedeutsam: Erdoğan ergriff damals weitere Maßnahmen mit geopolitischen Folgen. Er internationalisierte den türkischen Kurdenkonflikt. Er lässt seither grenzüberschreitende Militäroperationen gegen kurdische Ziele im Nordirak und in Nordsyrien in nie dagewesenem Maße durchführen. “Das Hauptziel der Türkei ist die Verhinderung eines eigenständigen Kurdenstaates in der Region”, sagt Professor Burak Çopur, Politikwissenschaftler aus Essen.

Erdoğan vermischte Nato-Erweiterung mit der Kurdenfrage

Ein solcher eigener Staat war den Kurden im Friedensvertrag von Sèvres 1919 einst zugesagt, aber nie verwirklicht worden. Der auf Assimilierung zielende türkische Nationalismus führte aber dazu, dass die Kurden der Türkei ihre eigene Identität entwickelten und eine latente Herausforderung für die staatliche Einheit darstellten. Deren Sog hat auch kurdische Regionen in Syrien, Irak und Iran ergriffen. Wie sehr diese Prozesse eine neue internationale Dimension erreicht haben, machte Erdoğan klar, als er den Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens blockierte. Seiner Meinung nach unternähmen beide Länder angeblich zu wenig gegen Unterstützer der auch in den USA und der EU als Terrororganisation gelisteten PKK.

Tatsächlich entfaltet die kurdische Frage eine neue Dynamik. Wegen enttäuschter Hoffnungen nach den Wahlen 2023 sei bei den Kurden der Türkei derzeit eine große Desillusionierung festzustellen, sagt Professor Çopur. “Sie haben zunehmend den Eindruck, dass eine friedliche Lösung des Kurdenkonflikts mit dem Erdoğan-Regime, aber auch mit der Opposition nicht mehr möglich ist. Der Gedanke eines Ablösungsprozesses von der Türkei greift wieder um sich.”

Der Kampf gegen den IS macht die Kurden bedeutend

Die Regierung in Ankara empfindet vor allem die Entwicklung in Syrien als bedrohlich. In den Wirren des syrischen Bürgerkriegs entstand 2012 direkt an der türkischen Grenze mithilfe der PKK ein kurdisches Autonomiegebiet (Rojava) mit Ausstrahlung in die Türkei – ein halbstaatliches Gebilde wie die 2005 begründete nordirakische Autonome Region Kurdistan (KRG). Die Entstehung der beiden kurdischen Quasi-Staaten veränderte den nach dem Ersten Weltkrieg fixierten Status Quo der Region und fügte der Kurdenfrage eine neue überregionale Dimension hinzu.

Die intern zerstrittenen irakischen Kurden sind von echter Eigenstaatlichkeit weit entfernt; sie hängen wegen der Einnahmen aus dem Erdölgeschäft am Tropf der Zentralregierung in Bagdad, die wiederum nicht in der Lage ist, die türkischen Militäroperationen gegen PKK-Rückzugsgebiete zu unterbinden. Gefährlicher als die Herrschaft des konservativen Barsani-Clans im Nordirak erschien Ankara von Beginn an das halbstaatliche Rojava in Nordsyrien. Dort üben die PKK-nahe Kurdenpartei PYD und die von ihr dominierte SDF-Miliz die Macht aus. Durch ihren Kampf gegen die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) gewannen die syrischen Kurden zudem internationales Prestige und etablierten sich damit auf der geopolitischen Bühne.

Als Erdoğan den Verteidigern der syrisch-kurdischen Grenzstadt Kobane 2014/15 gegen massive Angriffe des IS nicht zu Hilfe kam, musste er mitansehen, wie die USA militärisch eingriffen. Bis heute besteht zwischen den USA und den Kurden ein Bündnis gegen den IS in Syrien. Der Kampf um Kobane verknüpfte die kurdische Frage in Syrien, der Türkei und dem Irak in beispielloser Weise, da der IS nicht nur die Kurden in Syrien attackierte, sondern gleichzeitig auch im Irak und in der Türkei. Die terroristische Bedrohung brachte die kurdische Bevölkerung der Region in einen bisher ungekannten engen Kontakt zueinander – allerdings ohne zu einer gemeinsamen kurdischen Politik zu führen.

Dennoch verlieh “Kobane” den kurdischen Bewegungen in der Türkei, in Syrien und im Irak ein historisches Momentum, das höchste Sicherheitsreflexe der Türkei auslöste. Deren Ziel: Die Gründung eines kurdischen Staates in der Region soll verhindert werden. In einem Aufsatz von 2022 beschreibt der türkische Soziologe Mesut Yeğen den bedeutsamen Übergang von “vorwiegend ethnopolitischen zu geopolitischen Mitteln der türkischen Kurdenpolitik”. Deren wichtigste Instrumente seien militärische Gewalt, dauerhafte militärische Kontrolle und die Übernahme staatlicher Funktionen in grenznahen, kurdisch bewohnten Gebieten Syriens und des Iraks.

Ankara wollte mit dem syrischen Diktator Assad kooperieren

Tatsächlich hat die türkische Armee im Nordirak seit 2015 hunderte Militäroperationen gegen die PKK durchgeführt und Dutzende feste Militärposten errichtet. In Nordsyrien hat sie seit 2016 viermal direkt interveniert und dabei unter dem Signum der “Terrorbekämpfung” kurdische Siedlungsgebiete entlang der gemeinsamen Grenze militärisch besetzt. “In diesen Protektoraten betreibt die Türkei quasi eine Politik der ethnischen Säuberung und Türkifizierung. Zehntausende Kurden wurden bereits vertrieben”, sagt Professor Çopur. Der Versuch der Türkei, Damaskus zu einem gemeinsamen Vorgehen gegen die Kurden zu gewinnen, scheiterte jedoch 2023 an der roten Linie des Diktators Baschar al-Assad, die besetzten Gebiete nicht an die Türkei abzutreten.

Die Kurden in Rojava sind sich ihrer geopolitischen Bedeutung, die sie vor allem dem Bündnis mit den USA verdanken, bewusst. Sie versuchen, die US Army als eine Art Schutzschild dauerhaft an sich zu binden. Mit dem Aufbau der 50.000 Kämpfer und Kämpferinnen starken und mit US-Waffen ausgerüsteten kurdisch-arabischen SDF haben sie zudem eine professionelle Militärtruppe erschaffen. Sie bewachen Zehntausende IS-Gefangene in Lagern, was ihre geopolitische Bedeutung erhöht.

Die Kurden könnten sich in der Not mit Assad verbünden

Erdoğans Bombenkampagnen wiederum schwächen die Kurden und treiben sie in die Arme Assads, den Erdoğan damit stärkt. “Bisher sind die Positionen der Kurden und des Assad-Regimes aber unvereinbar”, sagt der in Istanbul lebende, für die Johns-Hopkins-Universität tätige Türkei-Experte Gareth Jenkins. “Die Kurden wollen ein hohes Maß an Autonomie bewahren, was Assad ihnen nicht zugesteht.”

Erdoğan stärkt mit den Luftangriffen zudem Assads Schutzmacht Russland, das mit seiner Lufthoheit in Syrien bisher den Einmarsch türkischer Bodentruppen verhindert. Der Kreml unterhält gute Beziehungen mit den Kurden, ist aber stets darauf bedacht, keine ernsthaften Spannungen mit der Türkei zu provozieren. “Die Russen drängen die syrischen Kurden zu einem Abkommen mit Assad”, sagt Jenkins. “Sie verfolgen damit ihre breitere Strategie, die Vereinigten Staaten aus dem Nahen Osten zu verdrängen.”

Tatsächlich wird ein Abzug der US-Truppen aus Syrien in Washington diskutiert, da das Bündnis mit der SDF zu starken Spannungen mit dem Nato-Partner Türkei geführt hat. “Am Ende wird den Kurden keine Wahl bleiben”, meint Jenkins. “Wenn sie sich mit Assad zusammensetzen, bekommen sie zwar die Russen statt der Amerikaner, aber immerhin Schutz vor der Türkei.” Fest steht: Je länger die Türkei eine friedliche Lösung des Kurdenproblems in der Region hinauszögert, desto höher wird der Preis für Ankara werden, finanziell wie politisch.

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News

Strukturreform Bundeswehr: Opposition fordert Eile

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) plant neben massiven Investitionen auch einen Umbau der Streitkräfte – die Opposition ruft zur Eile auf. “Dem Ausschuss kann das Konzept vor Ostern nicht mehr vorgestellt werden”, moniert CDU-Verteidigungspolitiker Henning Otte im Gespräch mit Table.Briefings. Pistorius hatte ursprünglich angekündigt, die Pläne zur Strukturreform bis Ostern vorzulegen. Jetzt werden sie wohl erst nach Ostern kommen.

Für die bislang durchgedrungenen Änderungen der Struktur hat der Verteidigungsminister die Unterstützung der Union.

  • Die Bundeswehr der Zukunft” soll aus vier Teilstreitkräfte bestehen: Heer, Marine, Luftwaffe und zusätzlich den “Cyber- und Informationsraum” (CIR). Alle vier werden mit jeweils einem Inspekteur an der Spitze agieren.
  • Gleichzeitig sollen der Sanitätsdienst und die Streitkräftebasis, die für den Bereich Logistik zuständig sind, keinem eigenen Inspekteure mehr unterstellt sein. Derzeit ist Generaloberstabsarzt Ulrich Baumgärtner Inspekteur des Sanitätsdiensts und Generalleutnant Martin Schelleis Inspekteur der Streitkräftebasis. Das Kommando Sanitätsdienst soll stattdessen einen Chief Medical Officer im Verteidigungsministerium erhalten. 
  • Weitgreifend ist auch der Plan, die zwei bestehenden Führungskommandos, das Einsatzführungskommando in Potsdam-Geltow und das Territoriale Führungskommando der Bundeswehr, in einem neuen “Operativen Führungskommando” zusammenzuführen.

Sanitätsdienst und Streitkräftebasis werden abgewertet

“Es ist richtig, Kampfverbände so aufzustellen, dass sie wieder geschlossen agieren können. Das bedeutet, dass zum Beispiel der Inspekteur des Heeres nicht erst einen Antrag stellen muss, um gegebenenfalls Sanitäter bei einem möglichen Einsatz miteinzuplanen”, erläutert Otte.

Auf weniger Begeisterung stößt das Vorhaben erwartungsgemäß im Sanitätsdienst und in der Streitkräftebasis. Generalarzt Bruno Most, Stellvertretender Kommandeur im Kommando Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung sagte Table.Briefings, dass die “außergewöhnliche Leistungsfähigkeit und Qualität”, aber auch die “Kaltstartfähigkeit” des Sanitätsdienstes auch durch die Führung “aus einer Hand” möglich sei. Das dürfe nicht aufs Spiel gesetzt werden. “Hier geht es um Leib und Leben unserer Soldatinnen und Soldaten”, so Most. wp/klm

  • Boris Pistorius
  • Bundeswehr

USA prüfen weitere Waffenlieferungen für Israel

US-Außenminister Antony Blinken soll nach Medienberichten bis Sonntag prüfen, ob die USA Israel während des Gaza-Krieges weiter Waffen schicken werden. Er war am Donnerstag in Ägypten und wird am heutigen Freitag in Israel erwartet.

Im Februar gab Präsident Joe Biden ein Memorandum heraus, in dem er US-Militärhilfe an die Einhaltung des Völkerrechts beim Einsatz von US-Waffen knüpft. Eine weitere Bedingung: Humanitäre Hilfe muss ermöglicht werden. Wenn Israel den Konditionen nicht rechtzeitig schriftlich zusage, würden Waffenlieferungen ausgesetzt. Blinken muss nun beurteilen, ob Israel den Bedingungen gerecht wird.

Kanada stellt Waffenlieferungen an Israel ein 

Zudem forderte der Minister eine sofortige Feuerpause im Krieg zwischen Israel und der Hamas. Die USA legten eine entsprechende Resolution beim UN-Sicherheitsrat vor. Blinken machte deutlich, dass die USA an der Seite Israels stehe und sein Recht auf Selbstverteidigung unterstütze. Gleichzeitig sei es “zwingend notwendig, dass wir uns der Zivilbevölkerung annehmen, die sich in Gefahr befindet und die so schrecklich leidet”. Ein Abstimmungstermin für die Resolution steht bisher nicht fest. 

Am Montag hatte Kanada aufgrund der humanitären Notlage in Gaza bereits entschieden, künftig keine Waffen mehr an Israel zu liefern. Außenministerin Mélanie Joly bestätigte dies der Zeitung “Toronto Star“. Liberale und Grüne hätten die Entscheidung im Parlament durchgesetzt. Nach dem Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 hatte Kanada zunächst Schutzausrüstungen, Kommunikationsgeräte, Schusswaffen und Munition an Israel geliefert. Die Genehmigung für den Export hatte Ottawa aber bereits im Januar vorübergehend ausgesetzt. Es solle zudem auf eine Anerkennung eines palästinensischen Staats hingearbeitet werden. asc 

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  • Nahost
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Presseschau

SWP: What Role for External Security Partnerships in Coastal West African States? Als Antwort auf die Sicherheitsbedrohungen aus der Sahelzone untersucht dieser Kurzbericht, wie Ghana, Benin und Togo ihre Sicherheitsbeziehungen über traditionelle Verbündete hinaus diversifizieren. Das Dossier plädiert für eine integrierte Sicherheitskooperation, um sich gegen die dschihadistischen Bedrohung zu wappnen.

LRT: Far-right views and EU-sceptic past – Who is Lithuania’s next defence minister Laurynas Kasčiūnas? Laurynas Kasčiūnas soll Litauens nächster Verteidigungsminister werden. Dieses Portrait beleuchtet seinen politischen Werdegang, seine europakritische Vergangenheit und was seine Ernennung für die litauische Sicherheitspolitik bedeuten wird.

Zeit: Mehr Willy Brandt wagen. Im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine zeigt sich die SPD zwischen Pistorius’ Entschiedenheit und Scholz’ Zögerlichkeit reich an Positionen und Haltungen. Es fehle eine Orientierung, findet Journalist Peter Dausend und fragt: “Ist das Alte (der Wunsch nach Ausgleich mit Russland) schlicht stärker als das Neue (die Erkenntnis, dass er zumindest auf absehbare Zeit nicht mehr möglich ist)?”

Politico: Europe’s soldiers keep quitting, just when NATO needs them. Die Debatte um die Wiedereinführung der Wehrpflicht schwelt. Der Fokus auf Ambitionen und Strategien, den Verbleib bestehender Soldaten zu sichern, fehlte dagegen lange. Höhere Gehälter und Altersrenten, sowie mehr Unterstützung für die Kinderbetreuung sind nur zwei Methoden, um mögliche Abwanderung zu verhindern.

Zeit: Großübungen der Bundeswehr – damit China sieht, dass der Westen zusammenhält. Noch nie war Deutschland militärisch so präsent im Indopazifik wie aktuell. Dieser Artikel skizziert die 2024 anstehenden Großübungen, Schiffsrouten und Flugmanöver – allesamt Signale der Solidarität für Asiens Demokratien.

Heidrick & Struggles: CEO and board confidence monitor – A worried start to 2024. Faktoren wie wirtschaftliche und geopolitische Instabilität verringern bei Führungskräften das Vertrauen ins Erreichen der Unternehmensziele für 2024. Diese und weitere Zahlen ermittelte der “CEO and Board Confidence Monitor”.

Standpunkt

Jürgen Rose: Deutschland fehlt rechtliche Legitimation für Wehrpflicht

Jürgen Rose
Jürgen Rose ist Vorsitzender des Förderkreises ‘Darmstädter Signal’, spricht sich gegen eine Wehrpflicht aus

Das essenzielle Problem hinsichtlich der Legitimation einer allgemeinen Wehrpflicht stellt der mit ihr verbundene massive Eingriff in die persönlichen Grundrechte junger Bürger – und gegebenenfalls auch Bürgerinnen – dar. Das resultiert zuvörderst aus dem staatlichen Oktroi, im Extremfall andere töten zu müssen oder für andere getö­tet zu werden.

Wehrpflicht braucht sicherheitspolitische Legitimation

Unter dieser Perspektive artikulierte der weiland amtierende Bundespräsident Roman Herzog, vormals selbst Ver­fas­sungsrichter, auf der Kommandeurtagung der Bundeswehr in München 1995 seine Zweifel an der Haltbar­keit der damals noch geltenden Wehrpflicht. “Die Wehrpflicht ist ein so tiefer Einschnitt in die individuelle Freiheit des jungen Bür­gers, dass ihn der demokratische Rechtsstaat nur fordern darf, wenn es die äußere Sicherheit des Staates wirklich gebietet. Sie ist also kein ewig gültiges Prinzip, sondern sie ist abhängig von der konkreten Sicher­heitslage. Ihre Beibehaltung, Aussetzung oder Abschaffung und ebenso die Dauer des Grundwehrdienstes müssen sicherheitspolitisch begründet werden können.”

Mit dieser Feststellung befand er sich in völliger Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, das in einem Grundsatzurteil vom 13. April 1978 entschieden hatte: Die allgemeine Wehrpflicht “findet ihre Recht­fer­tigung darin, dass der Staat, der Menschenwürde, Leben, Freiheit und Eigentum als Grundrechte anerkennt und schützt, dieser verfassungsrechtlichen Schutzverpflichtung gegenüber seinen Bürgern nur mithilfe eben dieser Bürger und ihres Eintretens für den Bestand der Bundesrepublik Deutschland nachkommen kann.” Entscheidend ist in diesem Kontext die Prämisse für die Rechtfertigung der allgemeinen Wehr­pflicht, nämlich, dass diese conditio sine qua non für die Gewährleistung des Bestandes der Bundesrepub­lik Deutschland ist.

Deutschland reicht Freiwilligenarmee

Im Umkehrschluss folgt daraus, dass die Legitimation für die allgemeine Wehrpflicht dann hinfällig ist, wenn der Staat seiner Schutzverpflichtung auf andere Weise, nämlich beispielsweise mit ei­ner Freiwilligenarmee, nachkommen kann. Genau dies ist derzeit, ungeachtet des in der Ukraine tobenden Krieges, der Fall. Die militärischen Erfolge der seit zwei Jahren angreifenden russischen Truppen gegen die ukrainischen Verteidiger sind doch sehr überschaubar. Es wäre eine Art suizidaler Wahnsinnsakt, wenn die Russländische Föderation auf einen Waffengang mit dem stärksten Militärbündnis der Welt einlassen würde: Der Nato.

Festzuhalten bleibt demnach, dass eine derart prekäre Bedrohungslage hinsichtlich der äußeren Sicherheit, die eine Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht hierzulande erfordern und überhaupt erst legitimieren würde, schlichtweg nicht existiert. Auch weil die Bundesrepublik fester als je zuvor in das Atlantische Bündnis integriert ist. Nur am Rande sei erwähnt, dass sich auch die überwältigende Mehrheit der über dreißig Bündnispartner auf professionelle Freiwilligenstreitkräfte abstützen.

Es fehlt Infrastruktur für Wehrpflicht

Neben den dargelegten legitimatorischen Problemen gibt es indes auch gravierende Hindernisse praktischer Art, die gegen ein Aufleben der Wehrpflicht sprechen. Seit der Aussetzung letzterer wurde nämlich das gesamte Wehrerfassungs-, Wehrüberwachungs- und Wehrersatzsystem zu großen Teilen aufgelöst. Bei einer durchschnittlichen Jahrgangsstärke von etwa 800.000 jungen Frauen und Männern – denn auch die Bürgerinnen sollen ja zukünftig ihren Verteidigungsbeitrag leisten – in den kommenden Jahren fehlt bereits die allein für die Musterung flächendeckend erforderliche Infrastruktur von Kreiswehrersatzämtern.

Darüber hinaus müssten dem hierzulande ohnehin schon überbeanspruchten Gesundheitssystem Hunderte von Ärzten und Ärztinnen entzogen werden, um die unabdingbar erforderlichen Tauglichkeitsuntersuchungen bei den Wehrpflichtigen durchzuführen. Schlussendlich wäre auch die Bundeswehr selbst gar nicht in der Lage jährlich mehrere hunderttausend wehrtauglich gemusterte Frauen und Männer aufzunehmen und auszubilden. Es fehlen die hierfür erforderlichen Unterkunftskapazitäten in den Kasernen und mit Blick auf den ohnehin schon bestehendem Personalmangel auch die benötigte Anzahl an Ausbildern.

Summa summarum: Eine Renaissance des Zwangswehrdienstes verschlänge Milliardensummen, erforderte Abertausende zusätzlicher Soldaten für die Ausbildung sowie die Errichtung gewaltiger Infrastrukturen. Wer also die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr für die nächsten zehn Jahre nachhaltig und massiv beeinträchtigen will, der muss sich umgehend an die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht machen.

Jürgen Rose ist Oberstleutnant der Bundeswehr a.D. und Vorsitzender des Förderkreises ‘Darmstädter Signal’, der den gleichnamigen Arbeits­kreis kritischer StaatsbürgerInnen in Uniform unterstützt

  • Deutschland zu Diensten
  • Wehrpflicht

Security.Table Redaktion

SECURITY.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    fast auf den Tag genau 25 Jahre ist es her, dass die Nato serbische Stellungen bombardierte, unter Beteiligung von Tornados der Bundeswehr. Das gab Bundeskanzler Gerhard Schröder am Abend des 24. März 1999 in einer Fernsehansprache bekannt. Zum ersten Mal nach Ende des Zweiten Weltkrieges standen deutsche Soldaten wieder im Kampfeinsatz. “An unserer Entschlossenheit, das Morden im Kosovo zu beenden, besteht kein Zweifel”, sagte Schröder, an Serbiens Machthaber Slobodan Milošević gerichtet.

    In Belgrad verzögern Milošević’ nationalistischen Nachfolger bis heute die selbst bestimmte Annäherung früherer jugoslawischer Teilrepubliken an die EU. Nur Kroatien und Slowenien haben es ein Vierteljahrhundert nach dem Kosovo-Krieg in die Union geschafft. Warum Brüssel bis heute brauchte, Bosnien-Herzegowina den Beginn von Beitrittsverhandlungen zuzugestehen, berichten Eric Bonse, Stephan Israel und Till Hoppe, die den EU-Frühjahrsgipfel zwölf Wochen vor der Europawahl verfolgen.

    Einer der Profiteure der Kriege in der Ukraine und in Nahost ist der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan. Im Schatten der beiden Großkonflikte zündelt er – um im langen Krieg gegen die PKK und deren kurdische Schwesterarmeen in Syrien und im Irak militärische Fakten zu schaffen. Frank Nordhausen erklärt, wie das die Kurden in die Hände von Syriens Machthaber Baschar al-Assad treibt.

    Bei der Bundeswehrstrukturreform sichert CDU-Verteidigungspolitiker Henning Otte Boris Pistorius im Gespräch mit Table.Briefings volle Unterstützung bei der Umsetzung. Wilhelmine Preußen weiß, was CDU/CSU im Gegenzug für den Support vom Verteidigungsminister fordern.

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    Markus Bickel
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    Analyse

    Regierungschefs einigen sich auf schärferen Ton gegenüber Israel: Die wichtigsten Einigungen des EU-Gipfels im Überblick

    Die EU hat ihre Tonart gegenüber Israel verschärft und zu einer “sofortigen humanitären Pause” im Gazastreifen aufgerufen. Diese solle zu einem dauerhaften Waffenstillstand führen, heißt es in der Erklärung des EU-Gipfels. Zugleich forderten die Staats- und Regierungschefs “die bedingungslose Freilassung aller Geiseln”. Israel wurde gedrängt, auf die geplante Bodenoffensive in Rafah zu verzichten, da diese “die ohnehin katastrophale humanitäre Situation (in Gaza) verschlimmern würde”.

    Dem Appell waren stundenlange, kontroverse Diskussionen vorausgegangen. Österreich und Tschechien standen lange auf der Bremse und forderten ein härteres “Wording” zu der Terrororganisation Hamas. Teilweise konnten sie sich durchsetzen. So fordert der Gipfel nun “unabhängige Untersuchungen zu allen Vorwürfen sexueller Gewalt”, die bei den Angriffen am 7. Oktober verübt worden sei. Insgesamt haben sich jedoch die Befürworter einer härteren Linie gegenüber Israel durchgesetzt.

    Eröffnet wurde die Debatte beim Mittagessen mit Uno-Generalsekretär António Guterres. Er forderte die EU auf, bei den Kriegen in der Ukraine und in Gaza keine “Doppelstandards” anzuwenden. Kriegsverbrechen müssten überall geahndet werden. Die Zahl ziviler Opfer im Gazastreifen sei “beispiellos”, beklagte Guterres. “Wir haben eine Situation der Straflosigkeit, in der jedes Land oder jede bewaffnete Gruppe denkt, dass sie tun kann, was sie will.”

    Belgiens Premierminister Alexander De Croo, sagte, die EU müsse im Nahen Osten die “Führung” übernehmen und dürfe nicht einfach nur den USA folgen. Die USA hatten zuletzt ihre Haltung zum Krieg in Gaza geändert; sie fordern nun eine “sofortige Feuerpause”. Die Schlussfolgerungen des Gipfels liegen weitgehend auf einer Linie mit den USA. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz war auf diese Linie eingeschwenkt.

    Grünes Licht für Beitrittsverhandlungen mit Bosnien

    Die Staats- und Regierungschefs beschlossen zudem, Beitrittsverhandlungen mit Bosnien-Herzegowina aufzunehmen. Die eigentlichen Gespräche sollen aber erst beginnen, wenn das Land die ausstehenden Reformen durchgeführt hat, die die Kommission in einer Empfehlung vom Oktober 2022 gefordert hatte.

    Auf diese Bedingung hatte insbesondere der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte bestanden. “Bosnien hat Fortschritte gemacht”, sagte er. Aber es sei entscheidend, dass das Land “wirklich alle Punkte abhakt”. Um den Start der Gespräche nicht unnötig zu verzögern, soll die Kommission den benötigten Verhandlungsrahmen bereits ausarbeiten. 

    Die Entscheidung für Beitrittsverhandlungen mit Bosnien war verkompliziert worden, weil einige Länder ihre Zustimmung an schnellere Fortschritte im Beitrittsprozess für die Ukraine und Moldau geknüpft hatten. Der litauische Präsident Gitanas Nausėda forderte, die formellen Verhandlungen bis Juni zu starten. Die Ukraine habe die geforderten Reformen unter schwierigen Umständen geliefert, jetzt sei die EU am Zuge. “Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit.”

    Auf den konkreten Zeitpunkt wollten sich andere Mitgliedstaaten aber nicht festlegen. Stattdessen ermuntern die Staats- und Regierungschefs den EU-Rat in den Schlussfolgerungen, den Verhandlungsrahmen für beide Länder “zügig anzunehmen und ohne Verzögerung voranzugehen”. 

    Russische Windfall Profits können für Waffenkäufe benutzt werden

    Auch den Vorschlag der EU-Kommission zu den russischen Zentralbankgeldern haben die Staats- und Regierungschefs am Donnerstag grundsätzlich gutgeheißen. Den Schlussfolgerungen wurde explizit hinzugefügt, dass die sogenannten Windfall Profits auf die blockierten Gelder auch für Waffen- und Munitionskäufe verwendet werden könnten. Für eine Diskussion im Detail über den Kommissionsvorschlag vom Mittwoch sei es aber zu früh gewesen, so ein Diplomat.

    Die Kommission hat vorgeschlagen, 90 Prozent der jährlich voraussichtlich drei Milliarden Euro für die Europäische Friedensfazilität vorzusehen. Zehn Prozent sollen in diesem Jahr über den EU-Haushalt in den Fonds zur wirtschaftlichen und finanziellen Stabilisierung der Ukraine fließen und ab 2025 dann in das neue Programm zur Stärkung der Europäischen Verteidigungsindustrie (EDIP), an dem sich die Ukraine ebenfalls beteiligen kann.

    Finanzierungsfrage bleibt ungelöst

    Die EU sei entschlossen, die Ukraine “solange wie nötig und so intensiv wie nötig” zu unterstützen, heißt es in den Gipfelschlussfolgerungen. In einer Videoschaltung zu Beginn des Gipfels forderte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj eindringlich um mehr militärische Unterstützung für sein Land: “Leider ist der Einsatz von Artillerie an der Front durch unsere Soldaten beschämend für Europa in dem Sinne, dass Europa mehr leisten kann”. Es sei wichtig, dass Europa beweise, was es könne.

    Die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas warb beim EU-Gipfel für ein einheitliches Ziel für Militärhilfen. Wenn jedes Land mindestens 0,25 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für Militärhilfen zur Verfügung stellen würde, könnten die Ukrainer Russland übertrumpfen.

    Die Europäische Union verpflichtet sich in den Gipfelschlussfolgerungen, Verteidigungsbereitschaft und Fähigkeiten in Einklang mit der wachsenden Bedrohung und den Sicherheitsherausforderungen zu bringen. Grundsätzliche Zustimmung gab es auch zu EDIP und der übergreifenden Strategie (EDIS). Der Gipfel fordert die Kommission, den Außenbeauftragten und den Rat auf, die Arbeit schnell voranzutreiben. Die Frage der Finanzierung des bisher nur mit 1,5 Milliarden Euro bescheiden ausgestatteten Programms war am Rande des Gipfels ein Thema. Der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis schloss sich der Gruppe der Länder an, die Eurobonds fordern, um Europas Verteidigungsindustrie zu stärken.

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    So schätzt Estlands Ministerpräsidentin Putins Drohung zu Atomwaffen ein

    Estlands Ministerpräsidentin Kaja Kallas fordert im Table.Briefings-Interview ein Nachschärfen der Sanktionen gegenüber Russland.

    Frau Kallas, Sie fordern, dass EU- und Nato-Staaten mehr Geld in Verteidigung investieren sollen. Wie konsensfähig ist das im Kreis der Staats- und Regierungschefs?

    Meine Kollegen, die bessere Nachbarn als wir in Estland haben, tun sich natürlich schwer, ihrer Bevölkerung zu erklären, dass stärker in Verteidigung investiert werden muss. In Friedenszeiten kann man das Geld der Steuerzahler in vieles andere lenken, in Bildung, in Soziales. Das Problem ist, dass es bei Verteidigung zu spät ist für die Investitionen, wenn man sie tatsächlich braucht. Wir haben jetzt schon eine Krise bei der Verteidigung.

    Sie haben Eurobonds vorgeschlagen für Investitionen in die Verteidigung nach dem Vorbild des Corona-Wiederaufbaufonds. Erwarten Sie beim EU-Gipfel nun einen konkreten Fortschritt?

    Wir machen Babyschritte. Ich habe am Dienstag Bundeskanzler Olaf Scholz in Berlin getroffen, und wir suchen nach Lösungen, die für alle akzeptabel sind. Ich kann mit einem anderen Weg leben, solange wir Investitionen in den Verteidigungssektor bringen. Auch privates Kapital muss stärker dorthin fließen.

    “Manche Länder bewegen sich immer noch nicht”

    Ist europäischen Politikern der Grad der Bedrohung bewusst, der von Russland ausgeht?

    Als der Krieg 2022 begann, war ich sicher, dass alle Nato-Staaten ihre Verteidigungsinvestitionen erhöhen würden, denn die Bedrohung war auf einmal real. Zu meiner Überraschung ist das nicht passiert. Es gab viele Versprechen, aber wenn man sich die Fußnoten ansieht, dann sieht man, dass das Ziel, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben, oft erst 2030 erreicht wird. Während des Kalten Kriegs gaben Nato-Mitgliedsstaaten bis zu sechs Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung aus. Jetzt haben wir einen echten Krieg, und manche Länder bewegen sich immer noch nicht.

    Wie ernst nehmen Sie die erneute Drohung des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Atomwaffen einzusetzen?

    Das Ziel ist Einschüchterung, und das funktioniert in manchen Ländern. Ich war vor etwa einem Jahr in Deutschland bei einer Diskussion, bei der ein deutscher Abgeordneter vor einem nuklearen Gegenschlag Russlands warnte. Bei derselben Diskussion wiesen Ukrainer darauf hin, dass Russland Nuklearwaffen gegen die Ukraine einsetzen würde und nicht gegen Deutschland. Wenn die Ukrainer keine Angst hätten, dann sollten die Deutschen auch keine Angst haben.

    Kallas: Anzeichen, dass Sanktionen wirken

    Können Sie ausschließen, dass Putin zu Atomwaffen greift?

    Natürlich nicht, er ist verrückt. Aber sein Hauptziel ist es, uns Angst einzuflößen. Darin sind Russen wirklich gut. Sie haben nichts zu bieten bei Technologie, sind aber sehr gut in Sozialwissenschaften. Genau andersherum als bei den Chinesen.

    Wirken die Sanktionen gegen Russland ausreichend?

    Es gibt Leute, die sagen, dass die Sanktionen nicht funktionieren. Das ist in Wirklichkeit ein russisches Narrativ. Wir haben konkrete Anzeichen, dass die Sanktionen Wirkung zeigen. Der russische Staatshaushalt weist ein Defizit von 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf. Und anders als Staaten im Westen kann Russland wegen der Sanktionen kein Geld an den Kapitalmärkten aufnehmen. China leiht Russland auch kein Geld. Gleichzeitig liegen die Zinsen in Russland bei 15 Prozent. Das zeigt, wie die Zentralbank die Situation einschätzt.

    “Wichtig, dass wir gehört werden”

    Sehen Sie keinen Verbesserungsbedarf bei den Sanktionen?

    Natürlich, Estland hat bereits konkrete Vorschläge gemacht. Wir wollen ein totales Einfuhrverbot von verflüssigtem Erdgas (LNG). Und wir haben auch Exportquoten für bestimmte Güter in Drittländer gefordert. Damit würde sichergestellt, dass Technologie aus Europa nicht in Russland landet. Wir sehen hohe Autoexporte nach Kirgisistan. Aber die Leute sind ja dort nicht so reich geworden, dass sie auf einmal zehn Autos pro Familie besitzen.

    Die EU will neue Mitglieder aufnehmen, aber mit 30 und mehr Staaten am Tisch kann es nicht bei dem bisherigen Abstimmungsmechanismus bleiben. Könnten Sie mit einem Abschied von der Einstimmigkeit in bestimmten Bereichen leben?

    Ich komme aus einem kleinen Land, das 50 Jahre lang keine Stimme hatte. Für uns ist es wichtig, dass wir gehört und von den großen Ländern nicht überrollt werden können. Deshalb würde ich die Einstimmigkeit nur sehr ungern aufgeben. Wobei Estland sein Veto noch nie genutzt hat. Wir bemühen uns immer, konstruktiv zu sein und einen Kompromiss zu finden.

    Nach der Europawahl sind in der EU zahlreiche Topjobs zu vergeben. Würde Sie eine Aufgabe in Brüssel reizen?

    Ich bin Ministerpräsidentin Estlands. Aber in der Politik ist alles möglich. Und ich habe in meinem Land so viele schwierige Entscheidungen getroffen, dass ich politischen Selbstmord begangen habe.

    Das Interview führte Silke Wettach.

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    Wie Erdoğan die Kurden in eine Allianz mit Assad treibt

    Im Windschatten des Gaza-Kriegs forciert die Türkei seit Oktober 2023 Artillerie- und Drohnenangriffe auf kurdische Ziele im Irak und in Syrien. Nach den türkischen Kommunalwahlen Ende März will Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan eine neue “umfassende Militäroperation” gegen die militante kurdische Arbeiterpartei PKK in beiden Nachbarländern beginnen. Er will eine 30 Kilometer breite militärische Pufferzone entlang der gemeinsamen Grenzen schaffen.

    Die anhaltenden Attacken sind ein indirektes Eingeständnis Ankaras, dass die 40 Millionen Kurden, das weltweit größte Volk ohne eigenen Staat, wieder auf die politische Tagesordnung drängen – nicht nur in der Türkei. Dort betreibt Erdoğan seit dem gescheiterten Versuch eines Friedensschlusses mit der PKK 2015 wieder die traditionelle türkische Kurdenpolitik von Gewalt, Repression und Assimilierung.

    Das Jahr 2015 ist bedeutsam: Erdoğan ergriff damals weitere Maßnahmen mit geopolitischen Folgen. Er internationalisierte den türkischen Kurdenkonflikt. Er lässt seither grenzüberschreitende Militäroperationen gegen kurdische Ziele im Nordirak und in Nordsyrien in nie dagewesenem Maße durchführen. “Das Hauptziel der Türkei ist die Verhinderung eines eigenständigen Kurdenstaates in der Region”, sagt Professor Burak Çopur, Politikwissenschaftler aus Essen.

    Erdoğan vermischte Nato-Erweiterung mit der Kurdenfrage

    Ein solcher eigener Staat war den Kurden im Friedensvertrag von Sèvres 1919 einst zugesagt, aber nie verwirklicht worden. Der auf Assimilierung zielende türkische Nationalismus führte aber dazu, dass die Kurden der Türkei ihre eigene Identität entwickelten und eine latente Herausforderung für die staatliche Einheit darstellten. Deren Sog hat auch kurdische Regionen in Syrien, Irak und Iran ergriffen. Wie sehr diese Prozesse eine neue internationale Dimension erreicht haben, machte Erdoğan klar, als er den Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens blockierte. Seiner Meinung nach unternähmen beide Länder angeblich zu wenig gegen Unterstützer der auch in den USA und der EU als Terrororganisation gelisteten PKK.

    Tatsächlich entfaltet die kurdische Frage eine neue Dynamik. Wegen enttäuschter Hoffnungen nach den Wahlen 2023 sei bei den Kurden der Türkei derzeit eine große Desillusionierung festzustellen, sagt Professor Çopur. “Sie haben zunehmend den Eindruck, dass eine friedliche Lösung des Kurdenkonflikts mit dem Erdoğan-Regime, aber auch mit der Opposition nicht mehr möglich ist. Der Gedanke eines Ablösungsprozesses von der Türkei greift wieder um sich.”

    Der Kampf gegen den IS macht die Kurden bedeutend

    Die Regierung in Ankara empfindet vor allem die Entwicklung in Syrien als bedrohlich. In den Wirren des syrischen Bürgerkriegs entstand 2012 direkt an der türkischen Grenze mithilfe der PKK ein kurdisches Autonomiegebiet (Rojava) mit Ausstrahlung in die Türkei – ein halbstaatliches Gebilde wie die 2005 begründete nordirakische Autonome Region Kurdistan (KRG). Die Entstehung der beiden kurdischen Quasi-Staaten veränderte den nach dem Ersten Weltkrieg fixierten Status Quo der Region und fügte der Kurdenfrage eine neue überregionale Dimension hinzu.

    Die intern zerstrittenen irakischen Kurden sind von echter Eigenstaatlichkeit weit entfernt; sie hängen wegen der Einnahmen aus dem Erdölgeschäft am Tropf der Zentralregierung in Bagdad, die wiederum nicht in der Lage ist, die türkischen Militäroperationen gegen PKK-Rückzugsgebiete zu unterbinden. Gefährlicher als die Herrschaft des konservativen Barsani-Clans im Nordirak erschien Ankara von Beginn an das halbstaatliche Rojava in Nordsyrien. Dort üben die PKK-nahe Kurdenpartei PYD und die von ihr dominierte SDF-Miliz die Macht aus. Durch ihren Kampf gegen die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) gewannen die syrischen Kurden zudem internationales Prestige und etablierten sich damit auf der geopolitischen Bühne.

    Als Erdoğan den Verteidigern der syrisch-kurdischen Grenzstadt Kobane 2014/15 gegen massive Angriffe des IS nicht zu Hilfe kam, musste er mitansehen, wie die USA militärisch eingriffen. Bis heute besteht zwischen den USA und den Kurden ein Bündnis gegen den IS in Syrien. Der Kampf um Kobane verknüpfte die kurdische Frage in Syrien, der Türkei und dem Irak in beispielloser Weise, da der IS nicht nur die Kurden in Syrien attackierte, sondern gleichzeitig auch im Irak und in der Türkei. Die terroristische Bedrohung brachte die kurdische Bevölkerung der Region in einen bisher ungekannten engen Kontakt zueinander – allerdings ohne zu einer gemeinsamen kurdischen Politik zu führen.

    Dennoch verlieh “Kobane” den kurdischen Bewegungen in der Türkei, in Syrien und im Irak ein historisches Momentum, das höchste Sicherheitsreflexe der Türkei auslöste. Deren Ziel: Die Gründung eines kurdischen Staates in der Region soll verhindert werden. In einem Aufsatz von 2022 beschreibt der türkische Soziologe Mesut Yeğen den bedeutsamen Übergang von “vorwiegend ethnopolitischen zu geopolitischen Mitteln der türkischen Kurdenpolitik”. Deren wichtigste Instrumente seien militärische Gewalt, dauerhafte militärische Kontrolle und die Übernahme staatlicher Funktionen in grenznahen, kurdisch bewohnten Gebieten Syriens und des Iraks.

    Ankara wollte mit dem syrischen Diktator Assad kooperieren

    Tatsächlich hat die türkische Armee im Nordirak seit 2015 hunderte Militäroperationen gegen die PKK durchgeführt und Dutzende feste Militärposten errichtet. In Nordsyrien hat sie seit 2016 viermal direkt interveniert und dabei unter dem Signum der “Terrorbekämpfung” kurdische Siedlungsgebiete entlang der gemeinsamen Grenze militärisch besetzt. “In diesen Protektoraten betreibt die Türkei quasi eine Politik der ethnischen Säuberung und Türkifizierung. Zehntausende Kurden wurden bereits vertrieben”, sagt Professor Çopur. Der Versuch der Türkei, Damaskus zu einem gemeinsamen Vorgehen gegen die Kurden zu gewinnen, scheiterte jedoch 2023 an der roten Linie des Diktators Baschar al-Assad, die besetzten Gebiete nicht an die Türkei abzutreten.

    Die Kurden in Rojava sind sich ihrer geopolitischen Bedeutung, die sie vor allem dem Bündnis mit den USA verdanken, bewusst. Sie versuchen, die US Army als eine Art Schutzschild dauerhaft an sich zu binden. Mit dem Aufbau der 50.000 Kämpfer und Kämpferinnen starken und mit US-Waffen ausgerüsteten kurdisch-arabischen SDF haben sie zudem eine professionelle Militärtruppe erschaffen. Sie bewachen Zehntausende IS-Gefangene in Lagern, was ihre geopolitische Bedeutung erhöht.

    Die Kurden könnten sich in der Not mit Assad verbünden

    Erdoğans Bombenkampagnen wiederum schwächen die Kurden und treiben sie in die Arme Assads, den Erdoğan damit stärkt. “Bisher sind die Positionen der Kurden und des Assad-Regimes aber unvereinbar”, sagt der in Istanbul lebende, für die Johns-Hopkins-Universität tätige Türkei-Experte Gareth Jenkins. “Die Kurden wollen ein hohes Maß an Autonomie bewahren, was Assad ihnen nicht zugesteht.”

    Erdoğan stärkt mit den Luftangriffen zudem Assads Schutzmacht Russland, das mit seiner Lufthoheit in Syrien bisher den Einmarsch türkischer Bodentruppen verhindert. Der Kreml unterhält gute Beziehungen mit den Kurden, ist aber stets darauf bedacht, keine ernsthaften Spannungen mit der Türkei zu provozieren. “Die Russen drängen die syrischen Kurden zu einem Abkommen mit Assad”, sagt Jenkins. “Sie verfolgen damit ihre breitere Strategie, die Vereinigten Staaten aus dem Nahen Osten zu verdrängen.”

    Tatsächlich wird ein Abzug der US-Truppen aus Syrien in Washington diskutiert, da das Bündnis mit der SDF zu starken Spannungen mit dem Nato-Partner Türkei geführt hat. “Am Ende wird den Kurden keine Wahl bleiben”, meint Jenkins. “Wenn sie sich mit Assad zusammensetzen, bekommen sie zwar die Russen statt der Amerikaner, aber immerhin Schutz vor der Türkei.” Fest steht: Je länger die Türkei eine friedliche Lösung des Kurdenproblems in der Region hinauszögert, desto höher wird der Preis für Ankara werden, finanziell wie politisch.

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    Strukturreform Bundeswehr: Opposition fordert Eile

    Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) plant neben massiven Investitionen auch einen Umbau der Streitkräfte – die Opposition ruft zur Eile auf. “Dem Ausschuss kann das Konzept vor Ostern nicht mehr vorgestellt werden”, moniert CDU-Verteidigungspolitiker Henning Otte im Gespräch mit Table.Briefings. Pistorius hatte ursprünglich angekündigt, die Pläne zur Strukturreform bis Ostern vorzulegen. Jetzt werden sie wohl erst nach Ostern kommen.

    Für die bislang durchgedrungenen Änderungen der Struktur hat der Verteidigungsminister die Unterstützung der Union.

    • Die Bundeswehr der Zukunft” soll aus vier Teilstreitkräfte bestehen: Heer, Marine, Luftwaffe und zusätzlich den “Cyber- und Informationsraum” (CIR). Alle vier werden mit jeweils einem Inspekteur an der Spitze agieren.
    • Gleichzeitig sollen der Sanitätsdienst und die Streitkräftebasis, die für den Bereich Logistik zuständig sind, keinem eigenen Inspekteure mehr unterstellt sein. Derzeit ist Generaloberstabsarzt Ulrich Baumgärtner Inspekteur des Sanitätsdiensts und Generalleutnant Martin Schelleis Inspekteur der Streitkräftebasis. Das Kommando Sanitätsdienst soll stattdessen einen Chief Medical Officer im Verteidigungsministerium erhalten. 
    • Weitgreifend ist auch der Plan, die zwei bestehenden Führungskommandos, das Einsatzführungskommando in Potsdam-Geltow und das Territoriale Führungskommando der Bundeswehr, in einem neuen “Operativen Führungskommando” zusammenzuführen.

    Sanitätsdienst und Streitkräftebasis werden abgewertet

    “Es ist richtig, Kampfverbände so aufzustellen, dass sie wieder geschlossen agieren können. Das bedeutet, dass zum Beispiel der Inspekteur des Heeres nicht erst einen Antrag stellen muss, um gegebenenfalls Sanitäter bei einem möglichen Einsatz miteinzuplanen”, erläutert Otte.

    Auf weniger Begeisterung stößt das Vorhaben erwartungsgemäß im Sanitätsdienst und in der Streitkräftebasis. Generalarzt Bruno Most, Stellvertretender Kommandeur im Kommando Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung sagte Table.Briefings, dass die “außergewöhnliche Leistungsfähigkeit und Qualität”, aber auch die “Kaltstartfähigkeit” des Sanitätsdienstes auch durch die Führung “aus einer Hand” möglich sei. Das dürfe nicht aufs Spiel gesetzt werden. “Hier geht es um Leib und Leben unserer Soldatinnen und Soldaten”, so Most. wp/klm

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    USA prüfen weitere Waffenlieferungen für Israel

    US-Außenminister Antony Blinken soll nach Medienberichten bis Sonntag prüfen, ob die USA Israel während des Gaza-Krieges weiter Waffen schicken werden. Er war am Donnerstag in Ägypten und wird am heutigen Freitag in Israel erwartet.

    Im Februar gab Präsident Joe Biden ein Memorandum heraus, in dem er US-Militärhilfe an die Einhaltung des Völkerrechts beim Einsatz von US-Waffen knüpft. Eine weitere Bedingung: Humanitäre Hilfe muss ermöglicht werden. Wenn Israel den Konditionen nicht rechtzeitig schriftlich zusage, würden Waffenlieferungen ausgesetzt. Blinken muss nun beurteilen, ob Israel den Bedingungen gerecht wird.

    Kanada stellt Waffenlieferungen an Israel ein 

    Zudem forderte der Minister eine sofortige Feuerpause im Krieg zwischen Israel und der Hamas. Die USA legten eine entsprechende Resolution beim UN-Sicherheitsrat vor. Blinken machte deutlich, dass die USA an der Seite Israels stehe und sein Recht auf Selbstverteidigung unterstütze. Gleichzeitig sei es “zwingend notwendig, dass wir uns der Zivilbevölkerung annehmen, die sich in Gefahr befindet und die so schrecklich leidet”. Ein Abstimmungstermin für die Resolution steht bisher nicht fest. 

    Am Montag hatte Kanada aufgrund der humanitären Notlage in Gaza bereits entschieden, künftig keine Waffen mehr an Israel zu liefern. Außenministerin Mélanie Joly bestätigte dies der Zeitung “Toronto Star“. Liberale und Grüne hätten die Entscheidung im Parlament durchgesetzt. Nach dem Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 hatte Kanada zunächst Schutzausrüstungen, Kommunikationsgeräte, Schusswaffen und Munition an Israel geliefert. Die Genehmigung für den Export hatte Ottawa aber bereits im Januar vorübergehend ausgesetzt. Es solle zudem auf eine Anerkennung eines palästinensischen Staats hingearbeitet werden. asc 

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    Presseschau

    SWP: What Role for External Security Partnerships in Coastal West African States? Als Antwort auf die Sicherheitsbedrohungen aus der Sahelzone untersucht dieser Kurzbericht, wie Ghana, Benin und Togo ihre Sicherheitsbeziehungen über traditionelle Verbündete hinaus diversifizieren. Das Dossier plädiert für eine integrierte Sicherheitskooperation, um sich gegen die dschihadistischen Bedrohung zu wappnen.

    LRT: Far-right views and EU-sceptic past – Who is Lithuania’s next defence minister Laurynas Kasčiūnas? Laurynas Kasčiūnas soll Litauens nächster Verteidigungsminister werden. Dieses Portrait beleuchtet seinen politischen Werdegang, seine europakritische Vergangenheit und was seine Ernennung für die litauische Sicherheitspolitik bedeuten wird.

    Zeit: Mehr Willy Brandt wagen. Im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine zeigt sich die SPD zwischen Pistorius’ Entschiedenheit und Scholz’ Zögerlichkeit reich an Positionen und Haltungen. Es fehle eine Orientierung, findet Journalist Peter Dausend und fragt: “Ist das Alte (der Wunsch nach Ausgleich mit Russland) schlicht stärker als das Neue (die Erkenntnis, dass er zumindest auf absehbare Zeit nicht mehr möglich ist)?”

    Politico: Europe’s soldiers keep quitting, just when NATO needs them. Die Debatte um die Wiedereinführung der Wehrpflicht schwelt. Der Fokus auf Ambitionen und Strategien, den Verbleib bestehender Soldaten zu sichern, fehlte dagegen lange. Höhere Gehälter und Altersrenten, sowie mehr Unterstützung für die Kinderbetreuung sind nur zwei Methoden, um mögliche Abwanderung zu verhindern.

    Zeit: Großübungen der Bundeswehr – damit China sieht, dass der Westen zusammenhält. Noch nie war Deutschland militärisch so präsent im Indopazifik wie aktuell. Dieser Artikel skizziert die 2024 anstehenden Großübungen, Schiffsrouten und Flugmanöver – allesamt Signale der Solidarität für Asiens Demokratien.

    Heidrick & Struggles: CEO and board confidence monitor – A worried start to 2024. Faktoren wie wirtschaftliche und geopolitische Instabilität verringern bei Führungskräften das Vertrauen ins Erreichen der Unternehmensziele für 2024. Diese und weitere Zahlen ermittelte der “CEO and Board Confidence Monitor”.

    Standpunkt

    Jürgen Rose: Deutschland fehlt rechtliche Legitimation für Wehrpflicht

    Jürgen Rose
    Jürgen Rose ist Vorsitzender des Förderkreises ‘Darmstädter Signal’, spricht sich gegen eine Wehrpflicht aus

    Das essenzielle Problem hinsichtlich der Legitimation einer allgemeinen Wehrpflicht stellt der mit ihr verbundene massive Eingriff in die persönlichen Grundrechte junger Bürger – und gegebenenfalls auch Bürgerinnen – dar. Das resultiert zuvörderst aus dem staatlichen Oktroi, im Extremfall andere töten zu müssen oder für andere getö­tet zu werden.

    Wehrpflicht braucht sicherheitspolitische Legitimation

    Unter dieser Perspektive artikulierte der weiland amtierende Bundespräsident Roman Herzog, vormals selbst Ver­fas­sungsrichter, auf der Kommandeurtagung der Bundeswehr in München 1995 seine Zweifel an der Haltbar­keit der damals noch geltenden Wehrpflicht. “Die Wehrpflicht ist ein so tiefer Einschnitt in die individuelle Freiheit des jungen Bür­gers, dass ihn der demokratische Rechtsstaat nur fordern darf, wenn es die äußere Sicherheit des Staates wirklich gebietet. Sie ist also kein ewig gültiges Prinzip, sondern sie ist abhängig von der konkreten Sicher­heitslage. Ihre Beibehaltung, Aussetzung oder Abschaffung und ebenso die Dauer des Grundwehrdienstes müssen sicherheitspolitisch begründet werden können.”

    Mit dieser Feststellung befand er sich in völliger Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, das in einem Grundsatzurteil vom 13. April 1978 entschieden hatte: Die allgemeine Wehrpflicht “findet ihre Recht­fer­tigung darin, dass der Staat, der Menschenwürde, Leben, Freiheit und Eigentum als Grundrechte anerkennt und schützt, dieser verfassungsrechtlichen Schutzverpflichtung gegenüber seinen Bürgern nur mithilfe eben dieser Bürger und ihres Eintretens für den Bestand der Bundesrepublik Deutschland nachkommen kann.” Entscheidend ist in diesem Kontext die Prämisse für die Rechtfertigung der allgemeinen Wehr­pflicht, nämlich, dass diese conditio sine qua non für die Gewährleistung des Bestandes der Bundesrepub­lik Deutschland ist.

    Deutschland reicht Freiwilligenarmee

    Im Umkehrschluss folgt daraus, dass die Legitimation für die allgemeine Wehrpflicht dann hinfällig ist, wenn der Staat seiner Schutzverpflichtung auf andere Weise, nämlich beispielsweise mit ei­ner Freiwilligenarmee, nachkommen kann. Genau dies ist derzeit, ungeachtet des in der Ukraine tobenden Krieges, der Fall. Die militärischen Erfolge der seit zwei Jahren angreifenden russischen Truppen gegen die ukrainischen Verteidiger sind doch sehr überschaubar. Es wäre eine Art suizidaler Wahnsinnsakt, wenn die Russländische Föderation auf einen Waffengang mit dem stärksten Militärbündnis der Welt einlassen würde: Der Nato.

    Festzuhalten bleibt demnach, dass eine derart prekäre Bedrohungslage hinsichtlich der äußeren Sicherheit, die eine Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht hierzulande erfordern und überhaupt erst legitimieren würde, schlichtweg nicht existiert. Auch weil die Bundesrepublik fester als je zuvor in das Atlantische Bündnis integriert ist. Nur am Rande sei erwähnt, dass sich auch die überwältigende Mehrheit der über dreißig Bündnispartner auf professionelle Freiwilligenstreitkräfte abstützen.

    Es fehlt Infrastruktur für Wehrpflicht

    Neben den dargelegten legitimatorischen Problemen gibt es indes auch gravierende Hindernisse praktischer Art, die gegen ein Aufleben der Wehrpflicht sprechen. Seit der Aussetzung letzterer wurde nämlich das gesamte Wehrerfassungs-, Wehrüberwachungs- und Wehrersatzsystem zu großen Teilen aufgelöst. Bei einer durchschnittlichen Jahrgangsstärke von etwa 800.000 jungen Frauen und Männern – denn auch die Bürgerinnen sollen ja zukünftig ihren Verteidigungsbeitrag leisten – in den kommenden Jahren fehlt bereits die allein für die Musterung flächendeckend erforderliche Infrastruktur von Kreiswehrersatzämtern.

    Darüber hinaus müssten dem hierzulande ohnehin schon überbeanspruchten Gesundheitssystem Hunderte von Ärzten und Ärztinnen entzogen werden, um die unabdingbar erforderlichen Tauglichkeitsuntersuchungen bei den Wehrpflichtigen durchzuführen. Schlussendlich wäre auch die Bundeswehr selbst gar nicht in der Lage jährlich mehrere hunderttausend wehrtauglich gemusterte Frauen und Männer aufzunehmen und auszubilden. Es fehlen die hierfür erforderlichen Unterkunftskapazitäten in den Kasernen und mit Blick auf den ohnehin schon bestehendem Personalmangel auch die benötigte Anzahl an Ausbildern.

    Summa summarum: Eine Renaissance des Zwangswehrdienstes verschlänge Milliardensummen, erforderte Abertausende zusätzlicher Soldaten für die Ausbildung sowie die Errichtung gewaltiger Infrastrukturen. Wer also die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr für die nächsten zehn Jahre nachhaltig und massiv beeinträchtigen will, der muss sich umgehend an die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht machen.

    Jürgen Rose ist Oberstleutnant der Bundeswehr a.D. und Vorsitzender des Förderkreises ‘Darmstädter Signal’, der den gleichnamigen Arbeits­kreis kritischer StaatsbürgerInnen in Uniform unterstützt

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