Table.Briefing: Security

Chancen für Rüstungsexportgesetz schwinden + Suche nach Saluschnyj-Nachfolger + Orban macht Weg für Ukraine-Hilfen frei

Liebe Leserin, lieber Leser,

es ist das bestimmende Thema in der Ukraine diese Tage: Wann wird der Oberbefehlshaber der ukrainischen Armee, Walerij Saluschnyj, ersetzt – und vor allem, wer soll’s machen? Die Bevölkerung hat er zwar weitestgehend hinter sich, für die Politik, allen voran Präsident Wolodymyr Selenskyj, ist er aber nicht richtig greifbar. Denis Trubetskoy berichtet aus Kiew über mögliche Nachfolger.

Zumindest ist der Weg frei für die von der Ukraine erhofften EU-Finanzhilfen. Ungarns Präsident Viktor Orbán hat beim Sondergipfel seinen Widerstand gegen die 50 Milliarden bis 2027 aufgegeben, und dabei nichts gewonnen, berichten Stephan Israel und Till Hoppe.

Ganz so schnell wird es in der deutschen Politik wohl nicht gehen: Beim Rüstungsexportkontrollgesetz geht es nicht vor, nicht zurück. Wie viel Europa darf’s wohl sein in dem von der Rüstungsindustrie gefürchteten Gesetz? Mein Kollege Gabriel Bub wirft einen Blick auf den Stand der Dinge und die Aussichten.

Zu guter Letzt stelle ich Ihnen im Portrait Siemtje Möller, SPD-Abgeordnete und Parlamentarische Staatssekretärin im Verteidigungsministerium vor. Als Küstenkind hat sie das Maritime im Blick, aber vor allem die Truppe und die, die ihr nicht mehr aktiv angehören.

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Ihre
Lisa-Martina Klein
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Analyse

Die Absetzung des ukrainischen Befehlshaber Saluschnyj gilt als unausweichlich – der Nachfolger hat eine schwierige Ausgangslage

Insgesamt lässt sich die wohl turbulenteste Woche im politischen Kiew seit dem russischen Überfall im Februar 2022 in wenigen Sätzen so zusammenfassen: Dass Walerij Saluschnyj, der beliebte Befehlshaber der ukrainischen Armee, noch lange im Amt bleibt, ist unvorstellbar. Trotz unzähliger Spekulationen ist allerdings noch offen, wann genau er geht und wer auf ihn folgt.

Rechtlich betrachtet darf Präsident Wolodymyr Selenskyj, Oberbefehlshaber der Streitkräfte, seinen Untergebenen Saluschnyj, den er im Juli 2021 selbst ernannt hatte, jederzeit entlassen. Dafür ist der Präsident – anders als bei der Ernennung – nicht einmal auf einen Vorschlag des Verteidigungsministers angewiesen. Das wäre ohnehin nur eine Formalie. Der 50-jährige Saluschnyj ist aber nicht nur irgendein Untergebener. Niemandem vertrauen die Ukrainer mehr als ihrem Top-General: 88 Prozent laut einer Anfang Dezember durchgeführten Umfrage des Kiewer Internationalen Soziologie-Institut (KIIS).

Machtkampf zwischen zwei beliebten Figuren

In die Institution des Präsidenten allgemein vertrauen dagegen 62 Prozent, wobei Selenskyj als politische Figur 77 Prozent erreicht. Auch das sind weiterhin enorm hohe Werte, zumal Selenskyj vor dem Krieg von rund einem Fünftel der ukrainischen Wählerschaft kategorisch abgelehnt und nach dem 24. Februar 2022 eher toleriert als unterstützt wurde. Klar ist aber, dass alle anderen öffentlichen Figuren hinter Saluschnyj und Selenskyj weit abgeschlagen liegen – und dass der aktuelle Befehlshaber, über dessen politische Ansichten nichts bekannt ist, die Ukrainer besser vereint.

Umso weniger überraschend ist, dass 72 Prozent der Ukrainer negativ auf die mögliche Saluschnyj-Entlassung reagieren würden – ebenfalls laut einer Dezember-Umfrage von KIIS. Lediglich zwei Prozent würden eine solche Entscheidung positiv bewerten. So wäre eine Freistellung des Generals ein erhebliches politisches Risiko für Selenskyj.

Konstruktive Zusammenarbeit nicht möglich

Bedeutende Proteste sind zu Kriegszeiten zwar unwahrscheinlich. Doch Selenskyj müsste mit einem Vertrauensverlust rechnen. An der Front geht es in den kommenden Monaten ohnehin eher um die Defensive, große Durchbrüche sind mit oder ohne Saluschnyj nicht zu erwarten. Für seinen Nachfolger wäre die Situation auch aufgrund des öffentlichen Drucks enorm schwierig.

Dass Saluschnyjs Absetzung trotzdem als unausweichlich gilt, zeigt vor allem eines: Die Differenzen zwischen dem Oberbefehlshaber und seinem Befehlshaber dürften inzwischen so groß sein, dass eine konstruktive Zusammenarbeit schlicht nicht mehr möglich ist.

Doch wo genau liegen diese Differenzen? Hauptsächlich geht es um drei Punkte: die Situation an der Front, Mobilmachung und die öffentliche Wirkung von Saluschnyj.

  • Offensichtlich ist Selenskyj mit der aktuellen militärischen Lage nicht zufrieden – und scheint zu glauben, Saluschnyj würde keine Auswege finden und auch keinen vernünftigen strategischen Plan anbieten. Saluschnyjs Umgebung beklagt sich dagegen über zu optimistische Erwartungen für den Verlauf des Krieges. In der Armee selbst ist Saluschnyj nicht ganz so unumstritten wie in der Gesellschaft allgemein. Es gibt sowohl reichlich Befürworter als auch Menschen, die sich darüber beklagen, dass Saluschnyj sich zu selten einen Blick vor Ort in Frontnähe verschaffe – und die auch die strategische Planung der Offensivoperation vom Sommer 2023 kritisieren. Die grundsätzliche Kompetenz des 50-Jährigen wird aber nicht infrage gestellt.
  • Bei der Mobilmachung ist Saluschnyj der Meinung, die Entlassung aller Chefs der regionalen Einberufungsämter im August 2023 sei falsch gewesen, die Mobilisierung müsse in den “alten Rahmen” zurückgebracht werden. In einem am Mittwochabend erschienenen Gastbeitrag für CNN kritisiert er offen “die Unfähigkeit der staatlichen Institutionen in der Ukraine, die Personalstärke der Armee ohne unpopuläre Maßnahmen zu erhöhen”. Das sei ein Nachteil gegenüber Russland. Tatsächlich mag Selenskyjs Entscheidung im Sommer zwar nicht durchdacht gewesen sein. Sie war aber die Folge zahlreicher Korruptionsfälle und der Tatsache, dass die Sollzahlen nicht erfüllt wurden.
  • Saluschnyj – so beliebt er ist, so unbekannt sind seine politischen Ansichten. Er ist für das Präsidentenbüro wenig greifbar, doch stören sich Selenskyjs Leute zuweilen an Kleinigkeiten, wie gelegentlichen netten Selfies des Befehlshabers auf Facebook und Instagram. In dieser Phase des Krieges wird das als unangebracht bewertet. Dass Saluschnyj gerade jetzt auch noch Zeit fand an einer zweifelhaften Universität zu promovieren, traf ebenfalls auf wenig Verständnis. Doch es gibt auch substanzielle Verstimmungen, etwa über Saluschnyjs Essay im Economist im vergangenen November. Der Inhalt des Essays war nicht mal ansatzweise abgesprochen, während das Präsidentenbüro gerne mit einer gemeinsamen Stimme nach außen auftreten würde. Dass Saluschnyjs neuer Meinungsbeitrag mit der Präsidialverwaltung abgestimmt wäre, ist angesichts der darin geäußerten Kritik ebenfalls schwer vorstellbar.

Schwierige Ausgangslage für jeden Nachfolger

Fest steht nur: Wer auch immer Saluschnyjs Job übernimmt, wird sich darüber kaum freuen. International werden vor allem zwei Personalien diskutiert: Kyrylo Budanow, Chef des Inlandsgeheimdienstes HUR, und Oleksandr Syrskyj, Kommandeur der Landstreitkräfte sowie das Mastermind hinter der Verteidigung von Kiew und der Offensivoperation im Bezirk Charkiw. Weil beide als “Lieblinge” von Selenskyj gelten, dürfte das in der aktuellen politisch angespannten Situation gegen sie sprechen. Als eine neutralere Figur könnte daher der weniger bekannte 44-jährige Jewhen Mojsjuk dienen, der aktuell zu Saluschnyjs Stellvertretern zählt und eine bemerkenswerte Karriere bei der Fallschirmjägertruppe hingelegt hat.

Sollte sich Selenskyj fest für einen von diesen drei Generälen oder für jemanden ganz anderen entscheiden, wird dieser die Position kaum ablehnen können. Die Position des Befehlshabers während des Abwehrkrieges gegen Russland ist kein Trainerposten bei einem Fußballclub – und letztlich hängt in diesem Fall alles vom Wunsch des Präsidenten und Oberbefehlshaber Selenskyj ab.

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Warum das Rüstungsexportkontrollgesetz auf sich warten lässt

Bevor am Montag Abgeordnete aus dem französischen Verteidigungsausschuss nach Berlin kamen, verfassten die Vorsitzenden des französischen Verteidigungs- und Auswärtigen Ausschusses präventiv einen Appell. Thomas Gassilloud und Cédric Perrin kündigten auf X an, sich in Berlin versichern zu wollen, dass “wir gemeinsam in der Lage sind, die künftigen militärischen Fähigkeiten aufzubauen, mit denen wir unsere Sicherheit und unsere industrielle strategische Souveränität garantieren”.

Die Abgeordneten sind sich größtenteils einig: Europa soll eine eigenständige Rüstungsindustrie haben, die nicht von Käufen aus den USA abhängig ist. “Eine echte Divergenz” blieb allerdings nach dem Treffen, wie der französische Republikaner Jean-Louis Thiériot auf X auf Deutsch schrieb. “Frankreich wird nicht akzeptieren, dass die Exportpolitik nicht auf nationaler Ebene gesteuert wird, während die Deutschen auf eine europäische Ebene Wert legen.” Eine Sorge dürfte sein, dass die restriktive deutsche Politik sich auf die lockere französische Exportpolitik auswirkt.

Uneinigkeit über den Grad der Europäisierung

Doch ganz so einig ist man sich auch in Deutschland nicht. Das verdeutlicht die Wartezeit auf das im Koalitionsvertrag vereinbarte Rüstungsexportkontrollgesetz (REKG). Die Eckpunkte sollten bereits Anfang 2023 finalisiert werden, im Oktober 2022 hatte das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) schon einen Eckpunkteentwurf vorgelegt. Das Gesetz ist aber noch nicht fertig. Aus Gesprächsrunden des BMWK dringt nach außen, dass es Uneinigkeit über den Grad der Europäisierung der deutschen Exportpolitik gebe. Dass das Gesetz auf sich warten lässt, liege an der sich ständig verändernden Sicherheitslage, die das Gesetz einbeziehen müsse, sagte ein Sprecher des BMWK noch kurz vor dem Jahreswechsel.

Sven Giegold, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, ist mit der Ausarbeitung des Gesetzes betraut und machte am Dienstag bei einer Konferenz des Handelsblatts mit dem Titel “Sicherheit und Verteidigung 2024 – Zeitenwende jetzt konkret” die Perspektive seines Hauses klar: “Wir liefern weiterhin nicht einfach an Länder, die mit Rechtsstaat und Demokratie wenig am Hut haben und die Menschenrechte brechen, blind Waffen.” Dennoch werde die Bundesregierung die Exportinteressen der Rüstungsbranche unterstützen, “weil das auch unsere Interessen sind”, sagt Giegold.

Gegenwind aus der Koalition

Grundsätzlich will Giegold also restriktiv bleiben. Aus der Koalition erhält er deshalb Gegenwind. Die Entscheidung der Bundesregierung, sich dem Export von Eurofighter-Kampfjets nach Saudi-Arabien nicht mehr in den Weg zu stellen, und Iris-T-Luft-Luft-Lenkflugkörper in das Königreich zu liefern, soll nicht als grundsätzlicher Kurswechsel für Lieferungen in Drittstaaten verstanden werden.

Eine lockerere Exportpolitik dürfte jedoch für Boris Pistorius die Treffen mit anderen Verteidigungsministern, insbesondere aus Großbritannien oder Frankreich, leichter machen. Das sagte auch Luftwaffeninspekteur Ingo Gerhartz bei der Konferenz. Wenn er in Paris oder London mit seinen Counterparts sitze, sagten sie ihm, dass es schön sei, gemeinsam Flugzeuge zu entwickeln, “aber am Ende muss es German free sein, damit wir es auch exportieren können”.

Nichtregierungsorganisationen fordern das Gesetz, weil sie mehr Transparenz bei Rüstungsexporten wollen. Auch der Koalitionspartner SPD hatte beim Parteitag im Dezember 2023 eine schnelle Umsetzung gefordert, um “auf nationaler Ebene einen transparenten und verbindlichen Rahmen für Rüstungsexporte [zu] setzen”, um “Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit” zu berücksichtigen.

Rüstungsindustrie will kein Gesetz

Die Rüstungsindustrie könnte gut auf das Gesetz verzichten. Es würde die Möglichkeit nehmen, sagt Susanne Wiegand, Chefin des Panzerzulieferers Renk bei der Konferenz, “Situationen neu zu bewerten, Schubladen wieder aufzumachen”, wie es bei Saudi-Arabien geschehen sei. Und ohne Exporte gebe es keine Planbarkeit für die Industrie. “Grundsätzlich ist die Industrie in Deutschland auf Exporte angewiesen.” Und die Politik solle Rüstungsexporte als “außenpolitisches Instrument” einsetzen, “wie andere Länder das ja auch machen”.

Die traditionellen Partner für Rüstungsunternehmungen Frankreich und Großbritannien haben eine lockerere Exportpolitik als Deutschland. Einfluss auf das Gesetz dürften deshalb auch Rüstungskooperationen in Europa nehmen. Der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) startete im Herbst 2023 eine Kampagne für eine Folgebeauftragung der Tranche 5 in der Eurofighter-Produktion noch in dieser Legislatur.

Ohne Exportgenehmigungen für diese fünfte Tranche wäre eine Produktion aber nicht rentabel. Gleiches gilt für die Entwicklung des deutsch-französisch-spanischen Future Combat Air System, das ab 2040 nutzbar sein soll. Auch dann wird sich die Frage nach Exporten in Autokratien stellen. Frankreich und Großbritannien haben sich da eindeutig positioniert.

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EU einigt sich auf ein Finanzpaket für die Ukraine

Sieben Wochen lang hatte Viktor Orbán die 26 anderen Staats- und Regierungschefs und den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hingehalten. Beim Sondergipfel am Donnerstag ging es dann schnell: Der ungarische Ministerpräsident ebnete bereits im Vorgespräch im kleinen Kreis den Weg für das Finanzpaket, das Hilfen für die Ukraine von 50 Milliarden Euro bis 2027 vorsieht.

Kanzler Olaf Scholz und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonten, es habe keinerlei Zusagen an Orbán gegeben, als Gegenleistung eingefrorene EU-Gelder für Ungarn freizugeben. “Die Antwort darauf ist ein klares Nein”, sagte von der Leyen. Orbán konnte sich auch nicht mit seiner Forderung durchsetzen, ein jährliches Vetorecht für die Auszahlung der Ukraine-Gelder zu erhalten. Die Abschlusserklärung sieht nur vor, dass die Staats- und Regierungschefs einmal im Jahr über das Thema diskutieren.

Kaum Zugeständnisse an Orbán

Orbán sprach auf X dennoch davon, er habe seine “Mission erfüllt”, es gebe einen Kontrollmechanismus zum Jahresende. Der ungarische Ministerpräsident hatte beim Gipfel Mitte Dezember die Verhandlungen über die Aufstockung des mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) an den Ukraine-Hilfen scheitern lassen – sehr zum Verdruss der anderen 26.

Ratspräsident Charles Michel berief daraufhin den Sondergipfel am gestrigen Donnerstag ein. Diplomaten werteten das Veto Orbáns auch als Versuch, weitere EU-Gelder loszueisen. Kommission und Rat halten noch rund 20 Milliarden Euro für Ungarn zurück, weil die Regierung in Budapest nicht die vereinbarten Reformen zur Korruptionsbekämpfung und Unabhängigkeit der Justiz umgesetzt habe.

In den Schlussfolgerungen des Sondergipfels wird auf die Formulierungen verwiesen, die die Staats- und Regierungschefs im Dezember 2020 zum neuen Konditionalitätsmechanismus beschlossen hatten. Dort wurde festgehalten, dass die Anwendung des neuen Rechtsstaatlichkeitsinstruments proportional zu den Auswirkungen der Missstände auf das EU-Budget sein solle. Orbán bezweifelt, dass dies in der Praxis der Fall ist. Der Verweis in der Abschlusserklärung gestern habe aber keine neue Qualität, betonten Diplomaten anderer Mitgliedstaaten.

“Signal an amerikanische Steuerzahler”

Mit dem Beschluss setzt die EU eine neue Ukraine-Fazilität ein, über die bis 2027 50 Milliarden Euro nach Kiew fließen soll. Davon sollen 33 Milliarden als zinsgünstige Kredite gewährt werden, der Rest erstmals als Zuschüsse. Die Gelder seien wichtig, um Wirtschaft und Finanzen der Ukraine langfristig zu stabilisieren, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj.

Die Entscheidung der Europäer sei auch “ein Signal an die amerikanischen Steuerzahler”, sagte Michel. Er hoffe, dies erleichtere es US-Präsident Joe Biden, seine Finanzhilfen durch den Kongress zu bekommen. Dort blockieren die Republikaner vor allem aus taktischen Gründen Milliardenzahlungen an die Regierung in Kiew.

Die Einigung ebnet auch den Weg für die Aufstockung des mehrjährigen Finanzrahmens bis 2027 um 64,6 Milliarden Euro. Von der Leyen zeigte sich “sehr zufrieden” mit dem Ergebnis – die Kommission bekomme 80 Prozent der zusätzlichen Mittel, um die sie im vergangenen Juni gebeten habe. Damit könne die EU ihre Aufgaben bei der Bekämpfung der illegalen Migration (plus zwei Milliarden Euro) oder bei der Unterstützung der Nachbarstaaten etwa auf dem Westbalkan erfüllen.   

EU-Parlament fordert Nachschlag

Jenseits des größten Blocks der Ukraine-Fazilität musste von der Leyen ihre Wunschliste allerdings stark zusammenstreichen. Insbesondere Scholz hatte darauf gepocht, einen erheblichen Teil der benötigten Gelder durch Einsparungen und Umschichtungen im EU-Haushalt aufzubringen. So werden etwa 2,1 Milliarden Euro aus dem Forschungsprogramm Horizont Europa umgewidmet.

Am stärksten unter die Räder geriet in den Verhandlungen aber die neue Investitionsplattform STEP, die zusätzliche Mittel für neue Technologien mobilisieren soll: Statt zehn Milliarden Euro zusätzlich für Fonds wie InvestEU wollen die Mitgliedstaaten nur 1,5 Milliarden für den Europäischen Verteidigungsfonds zur Verfügung stellen.

“So werden wir unseren Aufgaben nicht gerecht”, kritisierte der Grünen-Haushälter im Europaparlament, Rasmus Andresen. Die Abgeordneten sehen STEP als Testlauf für einen Europäischen Souveränitätsfonds und wollen noch über den Kommissionsvorschlag hinausgehen. Allerdings haben sie wenig Druckmittel in den anstehenden Trilog-Verhandlungen mit dem Rat, die im Eiltempo abgeschlossen werden sollen.

Scholz unzufrieden mit Borrells Waffen-Liste

Kanzler Scholz drängte überdies die anderen Staats- und Regierungschefs in Brüssel erneut, mehr Waffen an Kiew zu liefern. “Tun alle Mitgliedstaaten genug? Meine persönliche Einschätzung ist, das ist nicht der Fall”, sagte er. Deutschland habe im laufenden Jahr mehr als sieben Milliarden Euro für Rüstungsgüter an die Ukraine vorgesehen – und damit mehr als die Hälfte aller anderen EU-Staaten zusammen.

Die Zahlen, die der Außenbeauftragte Josep Borrell geliefert habe, seien “schwer zu durchschauen”, sagte Scholz. Der Spanier hatte am Vortag beim informellen Treffen der Verteidigungsminister von Zusagen auch anderer Mitgliedstaaten von insgesamt mehr als 20 Milliarden Euro für dieses Jahr gesprochen und die Aufstellung auch beim Gipfel präsentiert. Borrell habe wohl Beiträge für mehrere Jahre eingerechnet, sagte Scholz. Das habe ihn aber nicht sonderlich gewundert. Das Ziel seiner Abfrage sei aber ohnehin gewesen, in den anderen Mitgliedstaaten Prozesse auszulösen.

Scholz drängt darauf, bilaterale Leistungen der einzelnen Mitgliedstaaten stärker bei der Europäischen Friedensfazilität zu berücksichtigen, aus der gemeinschaftlich Rüstungsgüter für die Ukraine finanziert werden. Die Diskussion über die Aufstockung der Friedensfazilität wurde vertagt, der Rat soll nun bis Anfang März eine Einigung finden.

Die angestrebte Zahl von fünf Milliarden Euro für dieses Jahr fehlt in der Abschlusserklärung, anders als in früheren Entwürfen. Von der Leyen kündigte an, binnen weniger Wochen Verträge mit Rüstungsfirmen zu unterzeichnen, um der Ukraine die zugesagte Munition zu liefern.

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News

Frankreich reduziert Militär in Westafrika, Russland baut Afrika-Armee auf

Frankreich will Hunderte Soldaten von seinen Militärbasen im Senegal, in der Elfenbeinküste und in Gabun abziehen, wie die Zeitung Le Monde unter Berufung auf Regierungskreise berichtet. Genaue Angaben liegen demnach noch nicht vor. Allerdings habe Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Mitte Dezember eine drastische Reduzierung der Truppenstärke in Westafrika angekündigt.

In Dakar und Libreville sind laut Le Monde jeweils 350 Soldaten stationiert, in Abidjan 950. Nicht betroffen von dem Stellenabbau sind demnach Tschad und Dschibuti in Ostafrika. An beiden Orten ist die französische Armee mit 1.500 Soldaten präsent.

Macron hat seit Beginn seiner Amtszeit versucht, die Beziehungen zu Afrika umzugestalten und das insbesondere in den Sahelländern verbreitete schlechte Image Frankreichs abzulegen. Nach dem Ende des Anti-Terror-Einsatzes “Barkhane” in Mali im Sommer 2022 zog sich die französische Armee auch aus Burkina Faso und schließlich Niger zurück. Dort stürzten Militärs die Regierung des frankreich- und europafreundlichen Präsidenten Mohamed Bazoum, der sich immer noch in Gefangenschaft befindet.

Massive geopolitische Neuordnung in Afrika steht bevor

Macron hatte bereits im Februar 2023 angekündigt, die französische Militärpräsenz in ganz Afrika zurückzufahren. Frankreich eruiert nach Informationen von Le Monde auch, ob und wie sich eine Kooperation mit den US-Streitkräften anbietet. Nach dem Coup in Niger ist die Zukunft der US-Drohnen-Basis in Agadez unklar. Die USA führen nach Recherchen des Wallstreet Journal bereits Vorgespräche für die Nutzung nationaler Basen in den westafrikanischen Küstenstaaten. Ende Januar besuchte US-Außenminister Blinken die Kapverden, die Elfenbeinküste, Nigeria und Angola.

Unterdessen ist Russland einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge dabei, eine Afrika-Armee aufzubauen. Das sogenannte “Afrika-Corps” solle dem Kreml unterstehen und die Nachfolge der nach dem plötzlichen Tod von Wagner-Chef Prigoschin zerfallenen Söldnertruppe antreten. Es geht auch darum, die ehemaligen Wagner-Einnahmequellen aus Gold- und Diamantenminen zu erhalten.

Mit dem Austritt der russlandnahen Sahel-Länder Mali, Burkina Faso und Niger aus der Ecowas ist eine massive geopolitische Neuordnung in Afrika wahrscheinlicher geworden: “Tschad hat in letzter Zeit Gespräche mit Russland geführt. Es besteht also die Möglichkeit, dass eine Subregion innerhalb Westafrikas entsteht, unterstützt von Russland. Dies würde es sicherlich noch schwieriger machen, gegen dschihadistische und andere bewaffnete nichtstaatliche Akteure vorzugehen”, sagt die Westafrika-Expertin Nina Wilén vom Egmont-Institut im Gespräch mit Table.Media. lcw

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Ukraine will häufiger in Russland mit Drohnen zuschlagen

Die Ukraine greift inzwischen fast täglich wichtige Infrastrukturobjekte in Russland mit Drohnen an und wird die Zahl der Angriffe weiter steigern. Darauf deuten Aussagen des ukrainischen Geheimdienstchefs Kyrylo Budanow hin.

Laut dem US-TV-Sender CNN, dem er ein Interview gab, gebe es “hypothetisch einen Plan”, dass die Zahl der Drohnenangriffe in Russland zunehmen werde. “Und ich glaube, dass dieser Plan alle größeren Bauwerke der Kritischen Infrastruktur und des Militärs in der Russischen Föderation enthält”, so Budanow. Gleichzeitig weigerte er sich, die bisherigen Angriffe in Russland der Ukraine zuzuschreiben.

Allein im Januar beschädigten Drohnen in Russland durch Abwurf von Granaten oder Abstürzen mehrere Öl- und Gas-Verarbeitungsstätten, darunter mindestens zwei große Anlagen bei St. Petersburg – mehr als 800 Kilometer von der Ukraine entfernt. Häufiger ist die Technik grenznaher Regionen wie Bryansk, Krasnodar und Belgorod betroffen. Wie am Donnerstag zudem bekannt wurde, hat die Ukraine nach Angaben des militärischen Geheimdienstes in der Nacht auf Donnerstag ein russisches Raketenschiff (Ivanovets) in einer Bucht der Krim versenkt – mit Wasserdrohnen.

Exportmenge für Treibstoff reduziert

Die russische Führung versucht, die Auswirkungen dieser Attacken auf Öl-Lager nicht spürbar werden zu lassen. So ist die Ausfuhrmenge von Benzin und Diesel in den vergangenen 25 Tagen um sieben Prozentpunkte beziehungsweise zwölf Prozentpunkte reduziert worden, berichtet das russische Fachportal neftegaz.ru. Im Vergleich zum Januar 2023 werden sogar 37 beziehungsweise 23 Prozent weniger ausgeführt. Zugleich wurde die Produktionsmenge an nicht betroffenen Standorten erhöht. Die Preise für Benzin und Diesel an Tankstellen schwanken bisher nur leicht.  

Mit den Angriffen in Russland selbst bindet die Ukraine die russische Flugabwehrtechnik weit von der Front entfernt. Die Vorfälle lösen zumindest kurzzeitig auch stets Aufregung in der Bevölkerung aus. Letztlich treibt die Ukraine damit auch auf vergleichsweise günstige Weise die Kosten Russlands für den Krieg in die Höhe. vf

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Biden verhängt Sanktionen gegen gewalttätige jüdische Siedler

Per exekutiver Anordnung hat US-Präsident Joe Biden am Donnerstag Sanktionen und Visabeschränkungen gegen jüdische Siedler im von Israel besetzten Westjordanland erlassen. In den vier Monaten seit Beginn des Gazakriegs im vergangenen Oktober hat sich die Zahl täglicher Angriffe auf Palästinenser verdoppelt. Rund 465.000 Jüdinnen und Juden leben in 146 nach internationalem Recht illegalen Siedlungen und 144 auch nach israelischem Recht illegalen Außenposten.

Biden und andere hochrangige US-Beamte haben wiederholt darauf hingewiesen, dass Israel handeln muss, um die Gewalt israelischer Siedler gegen Palästinenser im Westjordanland zu beenden. “Diese Handlungen stellen eine ernste Bedrohung für den Frieden, die Sicherheit und die Stabilität im Westjordanland, in Israel und im Nahen Osten dar”, sagte Bidens nationaler Sicherheitsberater, Jake Sullivan.

Jeder zweite Deutsche hält Israels Kriegsführung für unangemessen

In der Wahrnehmung des israelischen Kriegs gegen die Hamas hat es seit dem Überfall der Terrororganisation im Oktober 2023 eine deutliche Verschiebung gegeben. Empfanden vor vier Monaten noch 55,4 Prozent der Deutschen die militärische Reaktion Israels als angemessen, sind es jetzt nur noch 41,8 Prozent. Fast ebenso viele (41,1 Prozent) empfinden sie nicht als angemessen.

Das geht aus einer repräsentativen Umfrage hervor, die das Marktforschungsunternehmen Civey im Auftrag des European Leadership Network (Elnet) erhob. Unter 18 bis 29-Jährigen ist die Unterstützung für die israelische Militäroperation mit 44,5 Prozent am höchsten. FDP-Wähler stehen dem Vorgehen Israels am offensten gegenüber (59,2 Prozent). Unter Wählern der Linken (26 Prozent) ist die Ablehnung am ausgeprägtesten.

Deutsche Rolle im Friedensprozess eher unerwünscht

Bezüglich einer deutschen Rolle im Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern äußerten sich die 2.500 Befragten mehrheitlich skeptisch. So wünschen sich nur 36,3 Prozent eine aktivere Rolle der Bundesrepublik. Lediglich Wähler linker Parteien unterstützen eine prominentere Rolle Deutschlands (SPD 57,1 Prozent, Die Linke 66,5 Prozent). Nur eine Minderheit betrachtet dabei die Sicherheit Israels als deutsche Staatsräson (37,4 Prozent). Das bedeutet einen Rückgang von 5,5 Prozentpunkten im Vergleich zu Ende 2023. Nur unter Anhängern von Bündnis 90/Die Grünen (56,7 Prozent) und SPD (50,2 Prozent) findet die Aussage mehrheitliche Zustimmung.

Die Rolle der Terrororganisation Hamas wird von der überwiegenden Mehrheit der Befragten als negativ bewertet (77,9 Prozent). Im Vergleich zur letzten ELNET-Erhebung im Oktober 2023 ist das allerdings ein Rückgang von rund fünf Prozentpunkten. ELNET-CEO Carsten Ovens äußerte sich positiv darüber, “dass die meisten Deutschen die Hamas als das behandeln, was sie ist: eine terroristische Organisation”. Das mangelnde Interesse an einer deutschen Rolle im Friedensprozess zeige jedoch, “dass es für die deutsche Politik noch einiges zu tun gibt”. rtr/mrb

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Nachfolge von Horizont Europa: Auch nicht-zivile Forschung soll gefördert werden

Die Europäische Kommission will mit dem 2028 in Kraft tretenden Nachfolgeprogramm von Horizont Europa die Finanzierung von Technologien mit zivilen und militärischen Anwendungen ermöglichen. Der ausschließliche Fokus auf zivile Anwendungen soll in der Reform gestrichen werden. Dies ist eine der drei Möglichkeiten zur Förderung der Dual Use-Forschung, die in einem jüngst veröffentlichten Papier aufgeführt werden. Zu diesem Papier führt die Kommission bis zum 30. April eine öffentliche Konsultation durch.

Mit der Änderung will die Kommission die strategische Autonomie der EU stärken und sich besser an das angespannte geopolitische Klima anpassen. Derzeit sind Projekte, an denen die Rüstungsindustrie beteiligt oder in denen Dual-Use-Technologien involviert sind, zwar im Rahmen von Horizont Europa förderfähig, aber nur, wenn die Forschung ausschließlich für zivile Anwendungen bestimmt ist. Betroffene Bereiche sind etwa die Digitaltechnik, Energie, Mobilität und die Raumfahrt. Vor der Reform des Förderprogramms fordert die League of European Research Universities (LERU) Sicherheitsmechanismen, um militärischen Missbrauch zu verhindern. Lesen Sie die gesamte Analyse zur Strategie der EU-Kommission im Bereich der Dual-Use-Forschung hier. klm

  • Forschungspolitik

Presseschau

SPIEGEL: Bundeswehr steuert auf 56-Milliarden-Euro-Loch zu. Eine interne Finanzbedarfsanalyse des Verteidigungsministeriums legt nahe, dass der Bundeswehr 2028, wenn ihr Sondervermögen aufgebraucht sein wird, rund 56 Milliarden Euro fehlen werden. Dieser Artikel schlüsselt auf, welche Kosten in den nächsten Jahren anfallen werden. Und er sagt voraus: Der Haushaltsstreit diesen Freitag wird wohl nicht der letzte sein.

The Kyiv Independent: These are the most important Russian ships destroyed by Ukraine. Bis Dezember 2023 wurden rund 20 Prozent der russischen Schwarzmeerflotte zerstört – beachtenswert, wenn man bedenkt, dass die Ukraine selbst eigentlich keine Marine hat. Die ukrainischen Exporte von Agrar- und Industriegütern auf dem Seeweg konnten so bereits wieder das Vorkriegsniveau erreichen. Dieser Text liefert eine Liste der wichtigsten Schiffe, die bisher zerstört wurden.

Financial Times: EU shifts spending focus from climate to defence. Die EU verlagert ihren Ausgabenfokus von der Ökologisierung der Wirtschaft auf Investitionen in die Verteidigungsfähigkeit des Bündnisses. Die Mitgliedstaaten kürzten einen gemeinsamen Fonds zur Förderung von Innovationen von 10 auf 1,5 Milliarden Euro – und stellten sicher, dass das Geld nur für Verteidigungsprojekte verwendet werden kann.

The Guardian: Huge and secretive prison expansion in Myanmar revealed by satellite images. Eine aktuelle Satellitenanalyse zeigt, dass Myanmars Militär ein umfangreiches geheimes Programm zum Bau von Gefängnissen durchgeführt hat. Die Befürchtung, dass pro-demokratische Demonstranten eingesperrt werden sollen, liegt nahe. Seit dem Staatsstreich 2021 wurden mehr als 25.900 “politische Gefangene” inhaftiert.

Arte: Der Feind im Inneren – US-Veteranen gegen die Demokratie. Drei Jahre ist es her, dass Hunderte Anhänger Donald Trumps das Kapitol in Washington stürmten. Etwa 15 Prozent von ihnen waren ehemalige Angehörige des US-Militärs oder der Polizei. Diese Doku taucht tief ein in die Welt der Veteranen, der gewalttätigen rechtsextremistischen Szene und beleuchtet die Gefahr für die Demokratie.

Heads

Siemtje Möller – “Dual Use” im Bundestag und Verteidigungsministerium

Siemtje Möller (SPD) ist seit 2017 Bundestagsabgeordnete und seit 2021 Parlamentarische Staatssekretärin im Verteidigungsministerium.

Sich in der männerdominierten Sicherheits- und Verteidigungspolitik für die Belange von Frauen einzusetzen, gehört heutzutage schon fast dazu – nicht nur, aber vor allem als Frau. Siemtje Möller, SPD-Abgeordnete und Parlamentarische Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, sieht die Dinge aber etwas anders. Sie wolle gar nicht unbedingt nur was für die Frauen tun. Sie wolle vielmehr etwas für die Bundeswehr tun, sagt sie, denn “fehlende Frauen sind verschenktes Potenzial.” 

Mit Leidenschaft setzte sich Möller Ende vergangenen Jahres deshalb für die Novellierung des Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetzes ein. “In manchen Bereichen sind Posten nicht mal zu zehn Prozent mit Frauen besetzt, null Prozent sind es bei den Kommandosoldaten. Es geht also nicht darum, nett zu Frauen zu sein, wir brauchen sie dringend”, ist Möller überzeugt. Und dafür müsse die Bundeswehr ein attraktiverer Arbeitgeber werden.

Aus Protest gegen Studiengebühren in die Politik

Dass die Bundespolitik ein ebenso herausfordernder Arbeitgeber für das Familienleben sein kann, wissen ihr Mann, selbst Politikwissenschaftler, und sie. Als sich ihr 2016 die Chance bietet, in ihrem Wahlkreis Friesland/Wilhelmshaven/Wittmund für den Bundestag zu kandidieren, bespricht sie sich lange mit ihrem Mann. Ein kleines Kind haben sie schon, ein zweites ist auf dem Weg. Geht das mit den langen Abwesenheiten, die der Job mit sich bringen würde? Es geht, weil es muss, solche Chancen kommen nicht oft, entscheiden sie. 

In die Politik zieht es Möller, die bis vor ihrem Bundestagsmandat als Lehrerin für Französisch, Spanisch und Politik an Gymnasien in Berlin und Wilhelmshaven unterrichtete, als die schwarz-gelbe Regierung in Niedersachsen 2005 Studiengebühren einführen will. Zwar richtet Möllers Protest, damals Studentin an der Universität Göttingen, nichts dagegen aus, aber ihr wird bewusst, dass sie über die Arbeit in einer Partei Einfluss nehmen kann. Der SPD tritt sie 2010 bei.

Während ihrer Stationen im In- und Ausland, unter anderem bei den Vereinten Nationen in New York, bei der Weltbank in Washington und bei einer Politikberatungsagentur in Brüssel, interessiert sie vor allem eine Frage: Wie kann die internationale Gemeinschaft dazu beitragen, dass Staaten ihre Interessen friedlich durchsetzen?

Froh, nicht Lambrechts Nachfolgerin zu sein

Auf bundespolitischer Ebene angekommen, gehören sicherheits- und verteidigungspolitische Themen zu Möllers Prioritäten. 10.000 Dienstposten der Bundeswehr in ihrem Wahlkreis – darunter der größte Standort der Marine in Wilhelmshaven mit Marinearsenal, Standorten der Luftwaffe und dem Logistikzentrum der Streitkräftebasis – verpflichten. Seit 2017 sitzt sie im Verteidigungsausschuss, 2021 ist sie verteidigungspolitische Sprecherin der SPD.

Ende Dezember 2021, unter der damaligen Ministerin Christine Lambrecht (SPD), wird Möller zudem Parlamentarische Staatssekretärin im Verteidigungsministerium (BMVg) – “Dual Use” sei sie nun, scherzt sie. Ob sie gerne Lambrechts Nachfolgerin geworden wäre? “Nein. Ich übe meine Tätigkeit als parlamentarische Staatssekretärin mit großer Freude aus und stehe Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius gerne zur Seite”, sagt Möller. Mit Verteidigungsminister Boris Pistorius verstehe sie sich sehr gut, nicht nur aufgrund der gleichen parteilichen Herkunft, sondern auch der regionalen: “Man muss ihm nicht erklären, dass man ein Moin zu jeder Tages- und Nachtzeit sagen kann”. 

Dialog mit der Bundeswehr und Veteranen

Zuständig ist sie im BMVg für die Bereiche Personal, Cyber- und Informationstechnik, Politik, Strategie und Einsatz und Führung Streitkräfte. Als “Küstenkind” – geboren wurde Möller 1983 im ostfriesischen Emden direkt an der Nordsee – liegt ihr auch die Maritime Sicherheit nahe. Die Drohnen, die die Marine über und unter Wasser zur Aufklärung und Lagebilderstellung einsetzten, seien ein sehr spannendes Thema, wenn auch alles sehr geheim sei.

Ihren persönlichen Schwerpunkt legt die 40-Jährige zudem auf die Belange der Truppe, und denen, die sie verlassen haben, den Veteraninnen und Veteranen. Der Diskurs über die Stellung der Bundeswehr bewege die Gesellschaft seit Jahrzehnten, werde aber nicht mit der Bundeswehr oder den Veteranen geführt. Stattdessen gäbe es einen ungelenken Umgang mit ihnen, sagte sie bei der Eröffnung des Veteranenbüros Mitte Januar in Berlin. Lisa-Martina Klein 

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    es ist das bestimmende Thema in der Ukraine diese Tage: Wann wird der Oberbefehlshaber der ukrainischen Armee, Walerij Saluschnyj, ersetzt – und vor allem, wer soll’s machen? Die Bevölkerung hat er zwar weitestgehend hinter sich, für die Politik, allen voran Präsident Wolodymyr Selenskyj, ist er aber nicht richtig greifbar. Denis Trubetskoy berichtet aus Kiew über mögliche Nachfolger.

    Zumindest ist der Weg frei für die von der Ukraine erhofften EU-Finanzhilfen. Ungarns Präsident Viktor Orbán hat beim Sondergipfel seinen Widerstand gegen die 50 Milliarden bis 2027 aufgegeben, und dabei nichts gewonnen, berichten Stephan Israel und Till Hoppe.

    Ganz so schnell wird es in der deutschen Politik wohl nicht gehen: Beim Rüstungsexportkontrollgesetz geht es nicht vor, nicht zurück. Wie viel Europa darf’s wohl sein in dem von der Rüstungsindustrie gefürchteten Gesetz? Mein Kollege Gabriel Bub wirft einen Blick auf den Stand der Dinge und die Aussichten.

    Zu guter Letzt stelle ich Ihnen im Portrait Siemtje Möller, SPD-Abgeordnete und Parlamentarische Staatssekretärin im Verteidigungsministerium vor. Als Küstenkind hat sie das Maritime im Blick, aber vor allem die Truppe und die, die ihr nicht mehr aktiv angehören.

    Eine interessante Lektüre wünscht

    Ihre
    Lisa-Martina Klein
    Bild von Lisa-Martina  Klein

    Analyse

    Die Absetzung des ukrainischen Befehlshaber Saluschnyj gilt als unausweichlich – der Nachfolger hat eine schwierige Ausgangslage

    Insgesamt lässt sich die wohl turbulenteste Woche im politischen Kiew seit dem russischen Überfall im Februar 2022 in wenigen Sätzen so zusammenfassen: Dass Walerij Saluschnyj, der beliebte Befehlshaber der ukrainischen Armee, noch lange im Amt bleibt, ist unvorstellbar. Trotz unzähliger Spekulationen ist allerdings noch offen, wann genau er geht und wer auf ihn folgt.

    Rechtlich betrachtet darf Präsident Wolodymyr Selenskyj, Oberbefehlshaber der Streitkräfte, seinen Untergebenen Saluschnyj, den er im Juli 2021 selbst ernannt hatte, jederzeit entlassen. Dafür ist der Präsident – anders als bei der Ernennung – nicht einmal auf einen Vorschlag des Verteidigungsministers angewiesen. Das wäre ohnehin nur eine Formalie. Der 50-jährige Saluschnyj ist aber nicht nur irgendein Untergebener. Niemandem vertrauen die Ukrainer mehr als ihrem Top-General: 88 Prozent laut einer Anfang Dezember durchgeführten Umfrage des Kiewer Internationalen Soziologie-Institut (KIIS).

    Machtkampf zwischen zwei beliebten Figuren

    In die Institution des Präsidenten allgemein vertrauen dagegen 62 Prozent, wobei Selenskyj als politische Figur 77 Prozent erreicht. Auch das sind weiterhin enorm hohe Werte, zumal Selenskyj vor dem Krieg von rund einem Fünftel der ukrainischen Wählerschaft kategorisch abgelehnt und nach dem 24. Februar 2022 eher toleriert als unterstützt wurde. Klar ist aber, dass alle anderen öffentlichen Figuren hinter Saluschnyj und Selenskyj weit abgeschlagen liegen – und dass der aktuelle Befehlshaber, über dessen politische Ansichten nichts bekannt ist, die Ukrainer besser vereint.

    Umso weniger überraschend ist, dass 72 Prozent der Ukrainer negativ auf die mögliche Saluschnyj-Entlassung reagieren würden – ebenfalls laut einer Dezember-Umfrage von KIIS. Lediglich zwei Prozent würden eine solche Entscheidung positiv bewerten. So wäre eine Freistellung des Generals ein erhebliches politisches Risiko für Selenskyj.

    Konstruktive Zusammenarbeit nicht möglich

    Bedeutende Proteste sind zu Kriegszeiten zwar unwahrscheinlich. Doch Selenskyj müsste mit einem Vertrauensverlust rechnen. An der Front geht es in den kommenden Monaten ohnehin eher um die Defensive, große Durchbrüche sind mit oder ohne Saluschnyj nicht zu erwarten. Für seinen Nachfolger wäre die Situation auch aufgrund des öffentlichen Drucks enorm schwierig.

    Dass Saluschnyjs Absetzung trotzdem als unausweichlich gilt, zeigt vor allem eines: Die Differenzen zwischen dem Oberbefehlshaber und seinem Befehlshaber dürften inzwischen so groß sein, dass eine konstruktive Zusammenarbeit schlicht nicht mehr möglich ist.

    Doch wo genau liegen diese Differenzen? Hauptsächlich geht es um drei Punkte: die Situation an der Front, Mobilmachung und die öffentliche Wirkung von Saluschnyj.

    • Offensichtlich ist Selenskyj mit der aktuellen militärischen Lage nicht zufrieden – und scheint zu glauben, Saluschnyj würde keine Auswege finden und auch keinen vernünftigen strategischen Plan anbieten. Saluschnyjs Umgebung beklagt sich dagegen über zu optimistische Erwartungen für den Verlauf des Krieges. In der Armee selbst ist Saluschnyj nicht ganz so unumstritten wie in der Gesellschaft allgemein. Es gibt sowohl reichlich Befürworter als auch Menschen, die sich darüber beklagen, dass Saluschnyj sich zu selten einen Blick vor Ort in Frontnähe verschaffe – und die auch die strategische Planung der Offensivoperation vom Sommer 2023 kritisieren. Die grundsätzliche Kompetenz des 50-Jährigen wird aber nicht infrage gestellt.
    • Bei der Mobilmachung ist Saluschnyj der Meinung, die Entlassung aller Chefs der regionalen Einberufungsämter im August 2023 sei falsch gewesen, die Mobilisierung müsse in den “alten Rahmen” zurückgebracht werden. In einem am Mittwochabend erschienenen Gastbeitrag für CNN kritisiert er offen “die Unfähigkeit der staatlichen Institutionen in der Ukraine, die Personalstärke der Armee ohne unpopuläre Maßnahmen zu erhöhen”. Das sei ein Nachteil gegenüber Russland. Tatsächlich mag Selenskyjs Entscheidung im Sommer zwar nicht durchdacht gewesen sein. Sie war aber die Folge zahlreicher Korruptionsfälle und der Tatsache, dass die Sollzahlen nicht erfüllt wurden.
    • Saluschnyj – so beliebt er ist, so unbekannt sind seine politischen Ansichten. Er ist für das Präsidentenbüro wenig greifbar, doch stören sich Selenskyjs Leute zuweilen an Kleinigkeiten, wie gelegentlichen netten Selfies des Befehlshabers auf Facebook und Instagram. In dieser Phase des Krieges wird das als unangebracht bewertet. Dass Saluschnyj gerade jetzt auch noch Zeit fand an einer zweifelhaften Universität zu promovieren, traf ebenfalls auf wenig Verständnis. Doch es gibt auch substanzielle Verstimmungen, etwa über Saluschnyjs Essay im Economist im vergangenen November. Der Inhalt des Essays war nicht mal ansatzweise abgesprochen, während das Präsidentenbüro gerne mit einer gemeinsamen Stimme nach außen auftreten würde. Dass Saluschnyjs neuer Meinungsbeitrag mit der Präsidialverwaltung abgestimmt wäre, ist angesichts der darin geäußerten Kritik ebenfalls schwer vorstellbar.

    Schwierige Ausgangslage für jeden Nachfolger

    Fest steht nur: Wer auch immer Saluschnyjs Job übernimmt, wird sich darüber kaum freuen. International werden vor allem zwei Personalien diskutiert: Kyrylo Budanow, Chef des Inlandsgeheimdienstes HUR, und Oleksandr Syrskyj, Kommandeur der Landstreitkräfte sowie das Mastermind hinter der Verteidigung von Kiew und der Offensivoperation im Bezirk Charkiw. Weil beide als “Lieblinge” von Selenskyj gelten, dürfte das in der aktuellen politisch angespannten Situation gegen sie sprechen. Als eine neutralere Figur könnte daher der weniger bekannte 44-jährige Jewhen Mojsjuk dienen, der aktuell zu Saluschnyjs Stellvertretern zählt und eine bemerkenswerte Karriere bei der Fallschirmjägertruppe hingelegt hat.

    Sollte sich Selenskyj fest für einen von diesen drei Generälen oder für jemanden ganz anderen entscheiden, wird dieser die Position kaum ablehnen können. Die Position des Befehlshabers während des Abwehrkrieges gegen Russland ist kein Trainerposten bei einem Fußballclub – und letztlich hängt in diesem Fall alles vom Wunsch des Präsidenten und Oberbefehlshaber Selenskyj ab.

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    Warum das Rüstungsexportkontrollgesetz auf sich warten lässt

    Bevor am Montag Abgeordnete aus dem französischen Verteidigungsausschuss nach Berlin kamen, verfassten die Vorsitzenden des französischen Verteidigungs- und Auswärtigen Ausschusses präventiv einen Appell. Thomas Gassilloud und Cédric Perrin kündigten auf X an, sich in Berlin versichern zu wollen, dass “wir gemeinsam in der Lage sind, die künftigen militärischen Fähigkeiten aufzubauen, mit denen wir unsere Sicherheit und unsere industrielle strategische Souveränität garantieren”.

    Die Abgeordneten sind sich größtenteils einig: Europa soll eine eigenständige Rüstungsindustrie haben, die nicht von Käufen aus den USA abhängig ist. “Eine echte Divergenz” blieb allerdings nach dem Treffen, wie der französische Republikaner Jean-Louis Thiériot auf X auf Deutsch schrieb. “Frankreich wird nicht akzeptieren, dass die Exportpolitik nicht auf nationaler Ebene gesteuert wird, während die Deutschen auf eine europäische Ebene Wert legen.” Eine Sorge dürfte sein, dass die restriktive deutsche Politik sich auf die lockere französische Exportpolitik auswirkt.

    Uneinigkeit über den Grad der Europäisierung

    Doch ganz so einig ist man sich auch in Deutschland nicht. Das verdeutlicht die Wartezeit auf das im Koalitionsvertrag vereinbarte Rüstungsexportkontrollgesetz (REKG). Die Eckpunkte sollten bereits Anfang 2023 finalisiert werden, im Oktober 2022 hatte das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) schon einen Eckpunkteentwurf vorgelegt. Das Gesetz ist aber noch nicht fertig. Aus Gesprächsrunden des BMWK dringt nach außen, dass es Uneinigkeit über den Grad der Europäisierung der deutschen Exportpolitik gebe. Dass das Gesetz auf sich warten lässt, liege an der sich ständig verändernden Sicherheitslage, die das Gesetz einbeziehen müsse, sagte ein Sprecher des BMWK noch kurz vor dem Jahreswechsel.

    Sven Giegold, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, ist mit der Ausarbeitung des Gesetzes betraut und machte am Dienstag bei einer Konferenz des Handelsblatts mit dem Titel “Sicherheit und Verteidigung 2024 – Zeitenwende jetzt konkret” die Perspektive seines Hauses klar: “Wir liefern weiterhin nicht einfach an Länder, die mit Rechtsstaat und Demokratie wenig am Hut haben und die Menschenrechte brechen, blind Waffen.” Dennoch werde die Bundesregierung die Exportinteressen der Rüstungsbranche unterstützen, “weil das auch unsere Interessen sind”, sagt Giegold.

    Gegenwind aus der Koalition

    Grundsätzlich will Giegold also restriktiv bleiben. Aus der Koalition erhält er deshalb Gegenwind. Die Entscheidung der Bundesregierung, sich dem Export von Eurofighter-Kampfjets nach Saudi-Arabien nicht mehr in den Weg zu stellen, und Iris-T-Luft-Luft-Lenkflugkörper in das Königreich zu liefern, soll nicht als grundsätzlicher Kurswechsel für Lieferungen in Drittstaaten verstanden werden.

    Eine lockerere Exportpolitik dürfte jedoch für Boris Pistorius die Treffen mit anderen Verteidigungsministern, insbesondere aus Großbritannien oder Frankreich, leichter machen. Das sagte auch Luftwaffeninspekteur Ingo Gerhartz bei der Konferenz. Wenn er in Paris oder London mit seinen Counterparts sitze, sagten sie ihm, dass es schön sei, gemeinsam Flugzeuge zu entwickeln, “aber am Ende muss es German free sein, damit wir es auch exportieren können”.

    Nichtregierungsorganisationen fordern das Gesetz, weil sie mehr Transparenz bei Rüstungsexporten wollen. Auch der Koalitionspartner SPD hatte beim Parteitag im Dezember 2023 eine schnelle Umsetzung gefordert, um “auf nationaler Ebene einen transparenten und verbindlichen Rahmen für Rüstungsexporte [zu] setzen”, um “Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit” zu berücksichtigen.

    Rüstungsindustrie will kein Gesetz

    Die Rüstungsindustrie könnte gut auf das Gesetz verzichten. Es würde die Möglichkeit nehmen, sagt Susanne Wiegand, Chefin des Panzerzulieferers Renk bei der Konferenz, “Situationen neu zu bewerten, Schubladen wieder aufzumachen”, wie es bei Saudi-Arabien geschehen sei. Und ohne Exporte gebe es keine Planbarkeit für die Industrie. “Grundsätzlich ist die Industrie in Deutschland auf Exporte angewiesen.” Und die Politik solle Rüstungsexporte als “außenpolitisches Instrument” einsetzen, “wie andere Länder das ja auch machen”.

    Die traditionellen Partner für Rüstungsunternehmungen Frankreich und Großbritannien haben eine lockerere Exportpolitik als Deutschland. Einfluss auf das Gesetz dürften deshalb auch Rüstungskooperationen in Europa nehmen. Der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) startete im Herbst 2023 eine Kampagne für eine Folgebeauftragung der Tranche 5 in der Eurofighter-Produktion noch in dieser Legislatur.

    Ohne Exportgenehmigungen für diese fünfte Tranche wäre eine Produktion aber nicht rentabel. Gleiches gilt für die Entwicklung des deutsch-französisch-spanischen Future Combat Air System, das ab 2040 nutzbar sein soll. Auch dann wird sich die Frage nach Exporten in Autokratien stellen. Frankreich und Großbritannien haben sich da eindeutig positioniert.

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    EU einigt sich auf ein Finanzpaket für die Ukraine

    Sieben Wochen lang hatte Viktor Orbán die 26 anderen Staats- und Regierungschefs und den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hingehalten. Beim Sondergipfel am Donnerstag ging es dann schnell: Der ungarische Ministerpräsident ebnete bereits im Vorgespräch im kleinen Kreis den Weg für das Finanzpaket, das Hilfen für die Ukraine von 50 Milliarden Euro bis 2027 vorsieht.

    Kanzler Olaf Scholz und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonten, es habe keinerlei Zusagen an Orbán gegeben, als Gegenleistung eingefrorene EU-Gelder für Ungarn freizugeben. “Die Antwort darauf ist ein klares Nein”, sagte von der Leyen. Orbán konnte sich auch nicht mit seiner Forderung durchsetzen, ein jährliches Vetorecht für die Auszahlung der Ukraine-Gelder zu erhalten. Die Abschlusserklärung sieht nur vor, dass die Staats- und Regierungschefs einmal im Jahr über das Thema diskutieren.

    Kaum Zugeständnisse an Orbán

    Orbán sprach auf X dennoch davon, er habe seine “Mission erfüllt”, es gebe einen Kontrollmechanismus zum Jahresende. Der ungarische Ministerpräsident hatte beim Gipfel Mitte Dezember die Verhandlungen über die Aufstockung des mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) an den Ukraine-Hilfen scheitern lassen – sehr zum Verdruss der anderen 26.

    Ratspräsident Charles Michel berief daraufhin den Sondergipfel am gestrigen Donnerstag ein. Diplomaten werteten das Veto Orbáns auch als Versuch, weitere EU-Gelder loszueisen. Kommission und Rat halten noch rund 20 Milliarden Euro für Ungarn zurück, weil die Regierung in Budapest nicht die vereinbarten Reformen zur Korruptionsbekämpfung und Unabhängigkeit der Justiz umgesetzt habe.

    In den Schlussfolgerungen des Sondergipfels wird auf die Formulierungen verwiesen, die die Staats- und Regierungschefs im Dezember 2020 zum neuen Konditionalitätsmechanismus beschlossen hatten. Dort wurde festgehalten, dass die Anwendung des neuen Rechtsstaatlichkeitsinstruments proportional zu den Auswirkungen der Missstände auf das EU-Budget sein solle. Orbán bezweifelt, dass dies in der Praxis der Fall ist. Der Verweis in der Abschlusserklärung gestern habe aber keine neue Qualität, betonten Diplomaten anderer Mitgliedstaaten.

    “Signal an amerikanische Steuerzahler”

    Mit dem Beschluss setzt die EU eine neue Ukraine-Fazilität ein, über die bis 2027 50 Milliarden Euro nach Kiew fließen soll. Davon sollen 33 Milliarden als zinsgünstige Kredite gewährt werden, der Rest erstmals als Zuschüsse. Die Gelder seien wichtig, um Wirtschaft und Finanzen der Ukraine langfristig zu stabilisieren, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj.

    Die Entscheidung der Europäer sei auch “ein Signal an die amerikanischen Steuerzahler”, sagte Michel. Er hoffe, dies erleichtere es US-Präsident Joe Biden, seine Finanzhilfen durch den Kongress zu bekommen. Dort blockieren die Republikaner vor allem aus taktischen Gründen Milliardenzahlungen an die Regierung in Kiew.

    Die Einigung ebnet auch den Weg für die Aufstockung des mehrjährigen Finanzrahmens bis 2027 um 64,6 Milliarden Euro. Von der Leyen zeigte sich “sehr zufrieden” mit dem Ergebnis – die Kommission bekomme 80 Prozent der zusätzlichen Mittel, um die sie im vergangenen Juni gebeten habe. Damit könne die EU ihre Aufgaben bei der Bekämpfung der illegalen Migration (plus zwei Milliarden Euro) oder bei der Unterstützung der Nachbarstaaten etwa auf dem Westbalkan erfüllen.   

    EU-Parlament fordert Nachschlag

    Jenseits des größten Blocks der Ukraine-Fazilität musste von der Leyen ihre Wunschliste allerdings stark zusammenstreichen. Insbesondere Scholz hatte darauf gepocht, einen erheblichen Teil der benötigten Gelder durch Einsparungen und Umschichtungen im EU-Haushalt aufzubringen. So werden etwa 2,1 Milliarden Euro aus dem Forschungsprogramm Horizont Europa umgewidmet.

    Am stärksten unter die Räder geriet in den Verhandlungen aber die neue Investitionsplattform STEP, die zusätzliche Mittel für neue Technologien mobilisieren soll: Statt zehn Milliarden Euro zusätzlich für Fonds wie InvestEU wollen die Mitgliedstaaten nur 1,5 Milliarden für den Europäischen Verteidigungsfonds zur Verfügung stellen.

    “So werden wir unseren Aufgaben nicht gerecht”, kritisierte der Grünen-Haushälter im Europaparlament, Rasmus Andresen. Die Abgeordneten sehen STEP als Testlauf für einen Europäischen Souveränitätsfonds und wollen noch über den Kommissionsvorschlag hinausgehen. Allerdings haben sie wenig Druckmittel in den anstehenden Trilog-Verhandlungen mit dem Rat, die im Eiltempo abgeschlossen werden sollen.

    Scholz unzufrieden mit Borrells Waffen-Liste

    Kanzler Scholz drängte überdies die anderen Staats- und Regierungschefs in Brüssel erneut, mehr Waffen an Kiew zu liefern. “Tun alle Mitgliedstaaten genug? Meine persönliche Einschätzung ist, das ist nicht der Fall”, sagte er. Deutschland habe im laufenden Jahr mehr als sieben Milliarden Euro für Rüstungsgüter an die Ukraine vorgesehen – und damit mehr als die Hälfte aller anderen EU-Staaten zusammen.

    Die Zahlen, die der Außenbeauftragte Josep Borrell geliefert habe, seien “schwer zu durchschauen”, sagte Scholz. Der Spanier hatte am Vortag beim informellen Treffen der Verteidigungsminister von Zusagen auch anderer Mitgliedstaaten von insgesamt mehr als 20 Milliarden Euro für dieses Jahr gesprochen und die Aufstellung auch beim Gipfel präsentiert. Borrell habe wohl Beiträge für mehrere Jahre eingerechnet, sagte Scholz. Das habe ihn aber nicht sonderlich gewundert. Das Ziel seiner Abfrage sei aber ohnehin gewesen, in den anderen Mitgliedstaaten Prozesse auszulösen.

    Scholz drängt darauf, bilaterale Leistungen der einzelnen Mitgliedstaaten stärker bei der Europäischen Friedensfazilität zu berücksichtigen, aus der gemeinschaftlich Rüstungsgüter für die Ukraine finanziert werden. Die Diskussion über die Aufstockung der Friedensfazilität wurde vertagt, der Rat soll nun bis Anfang März eine Einigung finden.

    Die angestrebte Zahl von fünf Milliarden Euro für dieses Jahr fehlt in der Abschlusserklärung, anders als in früheren Entwürfen. Von der Leyen kündigte an, binnen weniger Wochen Verträge mit Rüstungsfirmen zu unterzeichnen, um der Ukraine die zugesagte Munition zu liefern.

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    Frankreich reduziert Militär in Westafrika, Russland baut Afrika-Armee auf

    Frankreich will Hunderte Soldaten von seinen Militärbasen im Senegal, in der Elfenbeinküste und in Gabun abziehen, wie die Zeitung Le Monde unter Berufung auf Regierungskreise berichtet. Genaue Angaben liegen demnach noch nicht vor. Allerdings habe Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Mitte Dezember eine drastische Reduzierung der Truppenstärke in Westafrika angekündigt.

    In Dakar und Libreville sind laut Le Monde jeweils 350 Soldaten stationiert, in Abidjan 950. Nicht betroffen von dem Stellenabbau sind demnach Tschad und Dschibuti in Ostafrika. An beiden Orten ist die französische Armee mit 1.500 Soldaten präsent.

    Macron hat seit Beginn seiner Amtszeit versucht, die Beziehungen zu Afrika umzugestalten und das insbesondere in den Sahelländern verbreitete schlechte Image Frankreichs abzulegen. Nach dem Ende des Anti-Terror-Einsatzes “Barkhane” in Mali im Sommer 2022 zog sich die französische Armee auch aus Burkina Faso und schließlich Niger zurück. Dort stürzten Militärs die Regierung des frankreich- und europafreundlichen Präsidenten Mohamed Bazoum, der sich immer noch in Gefangenschaft befindet.

    Massive geopolitische Neuordnung in Afrika steht bevor

    Macron hatte bereits im Februar 2023 angekündigt, die französische Militärpräsenz in ganz Afrika zurückzufahren. Frankreich eruiert nach Informationen von Le Monde auch, ob und wie sich eine Kooperation mit den US-Streitkräften anbietet. Nach dem Coup in Niger ist die Zukunft der US-Drohnen-Basis in Agadez unklar. Die USA führen nach Recherchen des Wallstreet Journal bereits Vorgespräche für die Nutzung nationaler Basen in den westafrikanischen Küstenstaaten. Ende Januar besuchte US-Außenminister Blinken die Kapverden, die Elfenbeinküste, Nigeria und Angola.

    Unterdessen ist Russland einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge dabei, eine Afrika-Armee aufzubauen. Das sogenannte “Afrika-Corps” solle dem Kreml unterstehen und die Nachfolge der nach dem plötzlichen Tod von Wagner-Chef Prigoschin zerfallenen Söldnertruppe antreten. Es geht auch darum, die ehemaligen Wagner-Einnahmequellen aus Gold- und Diamantenminen zu erhalten.

    Mit dem Austritt der russlandnahen Sahel-Länder Mali, Burkina Faso und Niger aus der Ecowas ist eine massive geopolitische Neuordnung in Afrika wahrscheinlicher geworden: “Tschad hat in letzter Zeit Gespräche mit Russland geführt. Es besteht also die Möglichkeit, dass eine Subregion innerhalb Westafrikas entsteht, unterstützt von Russland. Dies würde es sicherlich noch schwieriger machen, gegen dschihadistische und andere bewaffnete nichtstaatliche Akteure vorzugehen”, sagt die Westafrika-Expertin Nina Wilén vom Egmont-Institut im Gespräch mit Table.Media. lcw

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    Ukraine will häufiger in Russland mit Drohnen zuschlagen

    Die Ukraine greift inzwischen fast täglich wichtige Infrastrukturobjekte in Russland mit Drohnen an und wird die Zahl der Angriffe weiter steigern. Darauf deuten Aussagen des ukrainischen Geheimdienstchefs Kyrylo Budanow hin.

    Laut dem US-TV-Sender CNN, dem er ein Interview gab, gebe es “hypothetisch einen Plan”, dass die Zahl der Drohnenangriffe in Russland zunehmen werde. “Und ich glaube, dass dieser Plan alle größeren Bauwerke der Kritischen Infrastruktur und des Militärs in der Russischen Föderation enthält”, so Budanow. Gleichzeitig weigerte er sich, die bisherigen Angriffe in Russland der Ukraine zuzuschreiben.

    Allein im Januar beschädigten Drohnen in Russland durch Abwurf von Granaten oder Abstürzen mehrere Öl- und Gas-Verarbeitungsstätten, darunter mindestens zwei große Anlagen bei St. Petersburg – mehr als 800 Kilometer von der Ukraine entfernt. Häufiger ist die Technik grenznaher Regionen wie Bryansk, Krasnodar und Belgorod betroffen. Wie am Donnerstag zudem bekannt wurde, hat die Ukraine nach Angaben des militärischen Geheimdienstes in der Nacht auf Donnerstag ein russisches Raketenschiff (Ivanovets) in einer Bucht der Krim versenkt – mit Wasserdrohnen.

    Exportmenge für Treibstoff reduziert

    Die russische Führung versucht, die Auswirkungen dieser Attacken auf Öl-Lager nicht spürbar werden zu lassen. So ist die Ausfuhrmenge von Benzin und Diesel in den vergangenen 25 Tagen um sieben Prozentpunkte beziehungsweise zwölf Prozentpunkte reduziert worden, berichtet das russische Fachportal neftegaz.ru. Im Vergleich zum Januar 2023 werden sogar 37 beziehungsweise 23 Prozent weniger ausgeführt. Zugleich wurde die Produktionsmenge an nicht betroffenen Standorten erhöht. Die Preise für Benzin und Diesel an Tankstellen schwanken bisher nur leicht.  

    Mit den Angriffen in Russland selbst bindet die Ukraine die russische Flugabwehrtechnik weit von der Front entfernt. Die Vorfälle lösen zumindest kurzzeitig auch stets Aufregung in der Bevölkerung aus. Letztlich treibt die Ukraine damit auch auf vergleichsweise günstige Weise die Kosten Russlands für den Krieg in die Höhe. vf

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    Biden verhängt Sanktionen gegen gewalttätige jüdische Siedler

    Per exekutiver Anordnung hat US-Präsident Joe Biden am Donnerstag Sanktionen und Visabeschränkungen gegen jüdische Siedler im von Israel besetzten Westjordanland erlassen. In den vier Monaten seit Beginn des Gazakriegs im vergangenen Oktober hat sich die Zahl täglicher Angriffe auf Palästinenser verdoppelt. Rund 465.000 Jüdinnen und Juden leben in 146 nach internationalem Recht illegalen Siedlungen und 144 auch nach israelischem Recht illegalen Außenposten.

    Biden und andere hochrangige US-Beamte haben wiederholt darauf hingewiesen, dass Israel handeln muss, um die Gewalt israelischer Siedler gegen Palästinenser im Westjordanland zu beenden. “Diese Handlungen stellen eine ernste Bedrohung für den Frieden, die Sicherheit und die Stabilität im Westjordanland, in Israel und im Nahen Osten dar”, sagte Bidens nationaler Sicherheitsberater, Jake Sullivan.

    Jeder zweite Deutsche hält Israels Kriegsführung für unangemessen

    In der Wahrnehmung des israelischen Kriegs gegen die Hamas hat es seit dem Überfall der Terrororganisation im Oktober 2023 eine deutliche Verschiebung gegeben. Empfanden vor vier Monaten noch 55,4 Prozent der Deutschen die militärische Reaktion Israels als angemessen, sind es jetzt nur noch 41,8 Prozent. Fast ebenso viele (41,1 Prozent) empfinden sie nicht als angemessen.

    Das geht aus einer repräsentativen Umfrage hervor, die das Marktforschungsunternehmen Civey im Auftrag des European Leadership Network (Elnet) erhob. Unter 18 bis 29-Jährigen ist die Unterstützung für die israelische Militäroperation mit 44,5 Prozent am höchsten. FDP-Wähler stehen dem Vorgehen Israels am offensten gegenüber (59,2 Prozent). Unter Wählern der Linken (26 Prozent) ist die Ablehnung am ausgeprägtesten.

    Deutsche Rolle im Friedensprozess eher unerwünscht

    Bezüglich einer deutschen Rolle im Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern äußerten sich die 2.500 Befragten mehrheitlich skeptisch. So wünschen sich nur 36,3 Prozent eine aktivere Rolle der Bundesrepublik. Lediglich Wähler linker Parteien unterstützen eine prominentere Rolle Deutschlands (SPD 57,1 Prozent, Die Linke 66,5 Prozent). Nur eine Minderheit betrachtet dabei die Sicherheit Israels als deutsche Staatsräson (37,4 Prozent). Das bedeutet einen Rückgang von 5,5 Prozentpunkten im Vergleich zu Ende 2023. Nur unter Anhängern von Bündnis 90/Die Grünen (56,7 Prozent) und SPD (50,2 Prozent) findet die Aussage mehrheitliche Zustimmung.

    Die Rolle der Terrororganisation Hamas wird von der überwiegenden Mehrheit der Befragten als negativ bewertet (77,9 Prozent). Im Vergleich zur letzten ELNET-Erhebung im Oktober 2023 ist das allerdings ein Rückgang von rund fünf Prozentpunkten. ELNET-CEO Carsten Ovens äußerte sich positiv darüber, “dass die meisten Deutschen die Hamas als das behandeln, was sie ist: eine terroristische Organisation”. Das mangelnde Interesse an einer deutschen Rolle im Friedensprozess zeige jedoch, “dass es für die deutsche Politik noch einiges zu tun gibt”. rtr/mrb

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    Nachfolge von Horizont Europa: Auch nicht-zivile Forschung soll gefördert werden

    Die Europäische Kommission will mit dem 2028 in Kraft tretenden Nachfolgeprogramm von Horizont Europa die Finanzierung von Technologien mit zivilen und militärischen Anwendungen ermöglichen. Der ausschließliche Fokus auf zivile Anwendungen soll in der Reform gestrichen werden. Dies ist eine der drei Möglichkeiten zur Förderung der Dual Use-Forschung, die in einem jüngst veröffentlichten Papier aufgeführt werden. Zu diesem Papier führt die Kommission bis zum 30. April eine öffentliche Konsultation durch.

    Mit der Änderung will die Kommission die strategische Autonomie der EU stärken und sich besser an das angespannte geopolitische Klima anpassen. Derzeit sind Projekte, an denen die Rüstungsindustrie beteiligt oder in denen Dual-Use-Technologien involviert sind, zwar im Rahmen von Horizont Europa förderfähig, aber nur, wenn die Forschung ausschließlich für zivile Anwendungen bestimmt ist. Betroffene Bereiche sind etwa die Digitaltechnik, Energie, Mobilität und die Raumfahrt. Vor der Reform des Förderprogramms fordert die League of European Research Universities (LERU) Sicherheitsmechanismen, um militärischen Missbrauch zu verhindern. Lesen Sie die gesamte Analyse zur Strategie der EU-Kommission im Bereich der Dual-Use-Forschung hier. klm

    • Forschungspolitik

    Presseschau

    SPIEGEL: Bundeswehr steuert auf 56-Milliarden-Euro-Loch zu. Eine interne Finanzbedarfsanalyse des Verteidigungsministeriums legt nahe, dass der Bundeswehr 2028, wenn ihr Sondervermögen aufgebraucht sein wird, rund 56 Milliarden Euro fehlen werden. Dieser Artikel schlüsselt auf, welche Kosten in den nächsten Jahren anfallen werden. Und er sagt voraus: Der Haushaltsstreit diesen Freitag wird wohl nicht der letzte sein.

    The Kyiv Independent: These are the most important Russian ships destroyed by Ukraine. Bis Dezember 2023 wurden rund 20 Prozent der russischen Schwarzmeerflotte zerstört – beachtenswert, wenn man bedenkt, dass die Ukraine selbst eigentlich keine Marine hat. Die ukrainischen Exporte von Agrar- und Industriegütern auf dem Seeweg konnten so bereits wieder das Vorkriegsniveau erreichen. Dieser Text liefert eine Liste der wichtigsten Schiffe, die bisher zerstört wurden.

    Financial Times: EU shifts spending focus from climate to defence. Die EU verlagert ihren Ausgabenfokus von der Ökologisierung der Wirtschaft auf Investitionen in die Verteidigungsfähigkeit des Bündnisses. Die Mitgliedstaaten kürzten einen gemeinsamen Fonds zur Förderung von Innovationen von 10 auf 1,5 Milliarden Euro – und stellten sicher, dass das Geld nur für Verteidigungsprojekte verwendet werden kann.

    The Guardian: Huge and secretive prison expansion in Myanmar revealed by satellite images. Eine aktuelle Satellitenanalyse zeigt, dass Myanmars Militär ein umfangreiches geheimes Programm zum Bau von Gefängnissen durchgeführt hat. Die Befürchtung, dass pro-demokratische Demonstranten eingesperrt werden sollen, liegt nahe. Seit dem Staatsstreich 2021 wurden mehr als 25.900 “politische Gefangene” inhaftiert.

    Arte: Der Feind im Inneren – US-Veteranen gegen die Demokratie. Drei Jahre ist es her, dass Hunderte Anhänger Donald Trumps das Kapitol in Washington stürmten. Etwa 15 Prozent von ihnen waren ehemalige Angehörige des US-Militärs oder der Polizei. Diese Doku taucht tief ein in die Welt der Veteranen, der gewalttätigen rechtsextremistischen Szene und beleuchtet die Gefahr für die Demokratie.

    Heads

    Siemtje Möller – “Dual Use” im Bundestag und Verteidigungsministerium

    Siemtje Möller (SPD) ist seit 2017 Bundestagsabgeordnete und seit 2021 Parlamentarische Staatssekretärin im Verteidigungsministerium.

    Sich in der männerdominierten Sicherheits- und Verteidigungspolitik für die Belange von Frauen einzusetzen, gehört heutzutage schon fast dazu – nicht nur, aber vor allem als Frau. Siemtje Möller, SPD-Abgeordnete und Parlamentarische Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, sieht die Dinge aber etwas anders. Sie wolle gar nicht unbedingt nur was für die Frauen tun. Sie wolle vielmehr etwas für die Bundeswehr tun, sagt sie, denn “fehlende Frauen sind verschenktes Potenzial.” 

    Mit Leidenschaft setzte sich Möller Ende vergangenen Jahres deshalb für die Novellierung des Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetzes ein. “In manchen Bereichen sind Posten nicht mal zu zehn Prozent mit Frauen besetzt, null Prozent sind es bei den Kommandosoldaten. Es geht also nicht darum, nett zu Frauen zu sein, wir brauchen sie dringend”, ist Möller überzeugt. Und dafür müsse die Bundeswehr ein attraktiverer Arbeitgeber werden.

    Aus Protest gegen Studiengebühren in die Politik

    Dass die Bundespolitik ein ebenso herausfordernder Arbeitgeber für das Familienleben sein kann, wissen ihr Mann, selbst Politikwissenschaftler, und sie. Als sich ihr 2016 die Chance bietet, in ihrem Wahlkreis Friesland/Wilhelmshaven/Wittmund für den Bundestag zu kandidieren, bespricht sie sich lange mit ihrem Mann. Ein kleines Kind haben sie schon, ein zweites ist auf dem Weg. Geht das mit den langen Abwesenheiten, die der Job mit sich bringen würde? Es geht, weil es muss, solche Chancen kommen nicht oft, entscheiden sie. 

    In die Politik zieht es Möller, die bis vor ihrem Bundestagsmandat als Lehrerin für Französisch, Spanisch und Politik an Gymnasien in Berlin und Wilhelmshaven unterrichtete, als die schwarz-gelbe Regierung in Niedersachsen 2005 Studiengebühren einführen will. Zwar richtet Möllers Protest, damals Studentin an der Universität Göttingen, nichts dagegen aus, aber ihr wird bewusst, dass sie über die Arbeit in einer Partei Einfluss nehmen kann. Der SPD tritt sie 2010 bei.

    Während ihrer Stationen im In- und Ausland, unter anderem bei den Vereinten Nationen in New York, bei der Weltbank in Washington und bei einer Politikberatungsagentur in Brüssel, interessiert sie vor allem eine Frage: Wie kann die internationale Gemeinschaft dazu beitragen, dass Staaten ihre Interessen friedlich durchsetzen?

    Froh, nicht Lambrechts Nachfolgerin zu sein

    Auf bundespolitischer Ebene angekommen, gehören sicherheits- und verteidigungspolitische Themen zu Möllers Prioritäten. 10.000 Dienstposten der Bundeswehr in ihrem Wahlkreis – darunter der größte Standort der Marine in Wilhelmshaven mit Marinearsenal, Standorten der Luftwaffe und dem Logistikzentrum der Streitkräftebasis – verpflichten. Seit 2017 sitzt sie im Verteidigungsausschuss, 2021 ist sie verteidigungspolitische Sprecherin der SPD.

    Ende Dezember 2021, unter der damaligen Ministerin Christine Lambrecht (SPD), wird Möller zudem Parlamentarische Staatssekretärin im Verteidigungsministerium (BMVg) – “Dual Use” sei sie nun, scherzt sie. Ob sie gerne Lambrechts Nachfolgerin geworden wäre? “Nein. Ich übe meine Tätigkeit als parlamentarische Staatssekretärin mit großer Freude aus und stehe Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius gerne zur Seite”, sagt Möller. Mit Verteidigungsminister Boris Pistorius verstehe sie sich sehr gut, nicht nur aufgrund der gleichen parteilichen Herkunft, sondern auch der regionalen: “Man muss ihm nicht erklären, dass man ein Moin zu jeder Tages- und Nachtzeit sagen kann”. 

    Dialog mit der Bundeswehr und Veteranen

    Zuständig ist sie im BMVg für die Bereiche Personal, Cyber- und Informationstechnik, Politik, Strategie und Einsatz und Führung Streitkräfte. Als “Küstenkind” – geboren wurde Möller 1983 im ostfriesischen Emden direkt an der Nordsee – liegt ihr auch die Maritime Sicherheit nahe. Die Drohnen, die die Marine über und unter Wasser zur Aufklärung und Lagebilderstellung einsetzten, seien ein sehr spannendes Thema, wenn auch alles sehr geheim sei.

    Ihren persönlichen Schwerpunkt legt die 40-Jährige zudem auf die Belange der Truppe, und denen, die sie verlassen haben, den Veteraninnen und Veteranen. Der Diskurs über die Stellung der Bundeswehr bewege die Gesellschaft seit Jahrzehnten, werde aber nicht mit der Bundeswehr oder den Veteranen geführt. Stattdessen gäbe es einen ungelenken Umgang mit ihnen, sagte sie bei der Eröffnung des Veteranenbüros Mitte Januar in Berlin. Lisa-Martina Klein 

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