man weiß gar nicht, ob man weinen oder lachen soll: Mitten in der Zeitenwende regelt die Bundeswehr ihre Vorschriften für Sex am Arbeitsplatz neu. “Sexuelle Betätigung im Dienst/während der Arbeit stört regelmäßig den Dienstbetrieb”, heißt es in Dienstvorschrift A-2610/2. Aber auch, und da hört der Spaß auf, dass “sexualisiertes Fehlverhalten” in der Truppe künftig stärker sanktioniert wird – Vorgesetzte sind angewiesen, “einzuschreiten und die notwendigen Maßnahmen umgehend und konsequent durchzuführen”.
Dass ausgerechnet der Verantwortliche für die neue Vorschrift, Generalmajor Markus Kurczyk, am Wochenende von seinen Aufgaben entbunden wurde, macht die Regelung umso brisanter. Thomas Wiegold schreibt, wie der Kommandeur des Zentrums Innere Führung zuletzt selbst mit sexueller Belästigung in der Truppe aufgefallen sein soll. Erst voriges Jahr hatte Kurczyk die Leitung des Zentrums in Koblenz übernommen, das Führungskräfte der Streitkräfte zu den ethischen Grundlagen des Soldatenberufes aus- und weiterbildet.
Am Tag nach den tödlichen Gefechten zwischen serbischen Paramilitärs und kosovarischer Polizei im Norden der Unruheprovinz schaut Stephan Israel auf die Scherben, die die EU im Kosovo mit ihrer Politik hinterlassen hat. Weshalb die EU im Kaukasus weniger Einfluss hat als die Türkei und Israel, erklären Frank Nordhausen und Yossi Melman in ihrer Analyse. An dem gewaltsamen Einmarsch der Armee Aserbaidschans in Bergkarabach konnte auch die EU-Polizeimission nichts ändern – Lisa-Martina Klein hat den deutschen Leiter der EU-Mission, Markus Ritter, porträtiert.
Der Eintageskrieg Aserbaidschans gegen Bergkarabach ist von den weitgehend gleichgeschalteten Medien der Türkei mit Schlagwörtern wie “Blitzkrieg” oder “24-Stunden-Sieg” gefeiert – und als strategischer Sieg Ankaras dargestellt worden. Zuvor hatte sich die Regierung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan klar auf die Seite ihres Verbündeten in Baku gestellt.
Am Tag des Angriffs am Dienstag vergangener Woche sagte er vor der UN-Vollversammlung in New York: “Wir unterstützen die Schritte Aserbaidschans – mit dem wir unter dem Motto ‘eine Nation, zwei Staaten’ zusammenarbeiten -, seine territoriale Integrität zu verteidigen.”
Erdoğan hatte zuvor noch versucht, ein Vermittlungstreffen zwischen der Türkei, Aserbaidschan, Armenien und dessen langjähriger Schutzmacht Russland einzuberufen, war aber bei Präsident Wladimir Putin auf Granit gestoßen. Zugleich war der Nato-Staat Türkei aber offenbar in die militärischen Vorbereitungen der Aseris direkt eingebunden, denn deren Generalstabschef und Vizeverteidigungsminister, Generaloberst Karim Valiyev hatte am 11. September noch Ankara besucht.
Die Denkfabrik International Crisis Group in Brüssel berichtete bereits im Juli, dass “mehrere Cargo-Flugzeuge hunderte Tonnen Waffen, darunter ballistische Raketen, aus Israel und der Türkei nach Baku transportierten”; die aserbaidschanische Luftwaffe habe zudem “eine neue Charge Bayraktar TB2-Drohnen aus der Türkei für eine bevorstehende Invasion Armeniens” erhalten.
Doch konnten politische Beobachter bislang keine direkte militärische Beteiligung türkischer Soldaten oder Techniker wie noch beim letzten Karabach-Krieg 2020 feststellen. Das türkische Verteidigungsministerium dementierte eine aktive Rolle bei der Militäroperation. Sie wäre wohl auch nicht nötig, hatte doch der aktive Eintritt der Türkei in den bis zum 44-Tagekrieg 2020 eingefrorenen Bergkarabach-Konflikt die strategische Balance im Südkaukasus entscheidend verändert. Erdogan verhalf es außerdem zu einem spektakulären außenpolitischen Erfolg.
Baku hat seine Armee mit den Einnahmen aus Öl- und Gasverkäufen im vergangenen Jahrzehnt stark aufgerüstet – laut der armenischen Nachrichtenwebseite panorama.am zu rund 70 Prozent mit Rüstungsgütern aus Israel und zu 30 Prozent aus der Türkei. Seit 2019 wurden die aserbaidschanischen Streitkräfte von Ankara mit modernen Waffensystemen, militärischen Trainings und Geheimdienstinformationen versorgt. Im Krieg von 2020 erwies sich die Bayraktar TB2-Drohne aus der Waffenschmiede des Erdoğan-Schwiegersohns Berat Bayraktar als verheerende “Geheimwaffe” im Einsatz gegen armenische Panzer- und Infanterieverbände, da Armenien über keine adäquaten Abwehrsysteme verfügte.
Wie 2020 wurden auch vergangene Woche wieder Artilleriesysteme und Kampfdrohnen aus türkischer Produktion – versehen mit elektronischen Komponenten aus Nato-Ländern – bei der Offensive eingesetzt. Die Türkei verspricht sich von dem Sieg Aserbaidschans und der Eingliederung Bergkarabachs in dessen Territorium einerseits eine Normalisierung der Beziehungen zu ihrem historischen Feind Armenien. Und eine Öffnung der bisher aus Rücksicht auf Baku geschlossenen Grenze und damit einen besseren Zugang für den Handel mit den Kaukasusrepubliken.
Die Türkei wandte sich aber auch an Israel, um den Angriff zu koordinieren. So formte Ankara seit dem Sommer ein Dreierbündnis mit Israel und Aserbaidschan, das sich bereits während des 44-Tage-Kriegs im Herbst 2020, bei dem mehr als 6.000 Menschen getötet wurden, bewährt hatte. Schon vor Wochen bat die Regierung in Baku Israel darum, die Lieferung von Drohnen, Artilleriegeschossen, Raketenwerfern und nachrichtendienstlicher Ausrüstung wie Abhörgeräten und Cybertechnologie zu verstärken.
Im Juli besuchte der israelische Verteidigungsminister Yoav Galant Baku, wo ihn sein Amtskollege Zakir Hasanov und die Armeeführung über die Angriffspläne unterrichteten. Nach dem Treffen flogen aserische Frachtflugzeuge mehr als zehn Mal den israelischen Flugplatz Uvda bei Eilat an, der von der israelischen Luftwaffe betrieben wird, aber auch für die zivile Luftfahrt geeignet ist, und lud die angeforderte Ausrüstung ein. Israel erhält im Gegenzug Öl aus Aserbaidschan – und darf das Land als Ausgangspunkt für Geheimdienst- und grenzüberschreitende Operationen gegen Iran nutzen.
Am Rande der UN-Generalversammlung erörterte Erdoğan mit Benjamin Netanjahu die militärischen Entwicklungen im Südkaukasus. Seit dem Besuch von Mossad-Chef David Barnea in der Türkei im Februar 2022 haben sich die türkisch-israelische Sicherheitsbeziehungen nach Jahren der Spannung wieder normalisiert.
Am Montag allerdings besuchte Erdoğan die aserbaidschanischen Exklave Nachitschewan gemeinsam mit dem aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alijev – ein hochprovokativer Akt gegenüber Armenien. Denn Ankara verlangt von Yerewan die Schaffung eines 43 Kilometer langen, exterritorialen Straßen- und Eisenbahnkorridors von Nachitschewan nach Aserbaidschan entlang der iranischen Grenze quer durch Armeniens südliche Sjunik-Provinz.
Armenien wäre damit effektiv von seinem wichtigen Wirtschaftspartner Iran abgeschnitten. Erdogan will damit seinerseits der türkischen Exportwirtschaft den Raum am Kaspischen Meer und in die zentralasiatischen Republiken erschließen. Bisher lehnt aber auch Teheran das Projekt vehement ab, weil es dadurch seine historische Landverbindung nach Armenien verlieren würde.
Es ist unklar, ob Russlands mangelnder Einsatz für die Verteidigung der armenischen Interessen auf die Schwächung durch den Ukraine-Kriegs zurückzuführen ist oder ob es Absprachen mit Erdogan gab. Putin benötigt den Nord-Süd-Korridor über Aserbaidschan in den Iran für die Umgehung der westlichen Sanktionen. Geopolitisch bedeutet der Blitzsieg Aserbaidschans gleichwohl einen erheblichen Machtverlust Russlands im Südkaukasus. Mit Yossi Melman, Tel Aviv
Alle Zufahrtsstraßen zum Militärflughafen in Powidz, etwa 70 Kilometer östlich von Poznań (Posen), sind weiträumig abgesperrt. Nur das Militärpersonal und ausgewiesene Bauarbeiter dürfen sich den im Wald verstreuten Anlagen nähern. Der Grund für die strenge Abschirmung ist allerdings nicht das 7. Geschwader der polnischen Luftwaffe, das seit Jahrzehnten in Powidz stationiert ist, sondern der Stützpunkt der US-Streitkräfte, der zurzeit gleich neben dem Flugplatz errichtet wird.
Es ist der erste permanente US-Stützpunkt in Polen und der achte in Europa. Nach der russischen Invasion der Ukraine nahmen die Bauarbeiten an Tempo zu – bis 2024 dürften die wichtigsten Einrichtungen weitgehend fertiggestellt sein. Experten schätzen, dass etwa 3.500 US-Soldaten in Powidz stationiert werden könnten – allen voran eine multifunktionale Heeresfliegerbrigade.
Im April wurde bereits der Komplex für die langfristige Lagerung und Wartung von Ausrüstung (LTESM-C) eingeweiht. In sieben riesigen Hallen werden etwa 2.700 Panzer, schwere Artilleriesysteme und gepanzerte Transporter untergebracht, um die Reaktionszeit der Allianz im Fall eines Überfalls an der Ostflanke auf ein Minimum zu reduzieren. Auch ein neues Munitionslager entsteht.
Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine ist Polen ein Frontstaat, über den der Großteil der humanitären Hilfe und militärischer Ausrüstung transportiert wird. Um diese Aufgaben erfüllen zu können und um die Sicherheit der Ostflanke zu verbessern, wurde die Präsenz der Nato erhöht – zurzeit befinden sich 11.600 Nato-Soldaten auf polnischem Boden, davon 10.000 Amerikaner an elf Standorten. Vieles deutet darauf hin, dass sie sich auf Dauer in Polen einrichten werden.
Um Polen auch bei der Modernisierung der eigenen Armee zu helfen, leihen die USA der Regierung Geld – unter anderem für Waffeneinkäufe aus den USA. Am gestrigen Montag wurde ein Vertrag über ein Darlehen in Höhe von 2 Milliarden Dollar unterzeichnet, teilte das US-Außenministerium mit.
“Der russische Überfall auf die Ukraine zwingt die USA und die Nato, ihre Politik im Osteuropa den neuen Begebenheiten anzupassen”, sagt Tomasz Smura, Chefanalytiker der Pulawski-Stiftung, die sich vor allem mit Sicherheits- und Verteidigungspolitik befasst. “Während sich die Nato früher auf die Bedrohung durch Schurkenstaaten konzentrierte, ist nun wieder eine Abschreckung entlang einer Front fast wie im Kalten Krieg gefragt.”
Die US-Stützpunkte im europäischen Süden büßen an Bedeutung ein, während der Osten wieder wichtiger wird. Vor allem der Suwalki-Korridor zwischen der russischen Exklave Kaliningrad und Belarus gilt als Risikozone – der Zugang zu den baltischen Nato-Mitgliedern könnte hier leicht durchtrennt werden. Die Stellung der US-Basis in Ramstein als das Kommandozentrum für Europa soll durch die Kompetenzverlagerung an die Ostflanke aber nicht infrage gestellt werden.
Schon 2017, als Reaktion auf die Besetzung der Krim und den Krieg in Donbass im Jahr 2014, hatten die USA eine 4.700 Mann starke Kampfgruppe (Armored Brigade Combat Team/ABCT) nach Polen verlegt. Sie ist mit etwa 80 Panzern, 140 Schützenpanzern und Dutzenden Raketenwerfern bewaffnet. Die Soldaten sind in Westen Polens rund um Zagan und Świętoszów stationiert.
Kurz vor Kriegsbeginn im Februar 2022 landeten Soldaten der 82. US-Luftlandedivision im südostpolnischen Rzeszów, um den Transfer des militärischen Geräts in die Ukraine zu sichern. Auf dem Flughafen in Rzeszów Jasionka, der nur 100 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt liegt, stellten sie mehrere aus Deutschland verlegte Patriot-Flugabwehrsysteme auf, die die Stadt schützen.
Der Flughafen ist strategisch enorm wichtig, 3.200 Meter ist die zweitlängste Landebahn Polens lang, somit können hier die größten Flugzeuge landen. Seit diesem Jahr wird in Jasionka eine der größten und modernsten Flugzeug-Wartungsbetriebe in Europa mit knapp 13.000 Quadratmeter Fläche errichtet – was den Flughafen für die US-Streitkräfte noch wichtiger macht.
Noch leben die US-Soldaten in einem Zelt-Camp, für den sie in der Nähe des Flughafens in Tajecina Land gepachtet haben. Die Verträge laufen für fünf Jahre, mit einer Verlängerungsoption für zehn Jahre. Da die Immobilienmakler mit dem Verbleib der US-Soldaten rechnen, haben sich die Grundstückspreise in der Umgebung verdoppelt. Nun soll aber auch der Flughafen in Lublin Swidnik als Alternative zu Rzeszów ausgebaut werden. Das Drehkreuz Lublin soll 2025 einspringen, wenn in Rzeszów die Landebahn erneuert wird.
In diesem Jahr soll eine Raketenabwehr-Installation Aegis BMD (Ballistic Missile Defense) in Redzikowo in Betrieb gehen. Sie ist Teil des US-amerikanischen EPAA-Raketenschutzschildes in Europa und soll – zusammen mit einer ähnlichen Anlage in Rumänien und einer Radarstation im Osten der Türkei – vor Angriffen mit ballistischen Raketen schützen.
Das Aegis System wird in Polen mit RIM-161 Standard Missile 3-Raketen bestückt. Kostenpunkt der Installation in Redzikowo: 900 Millionen US-Dollar. Zu dem US-Raketenschild gehören außerdem GMD-Systeme (Ground-Based Midcourse Defense) in Deutschland, sowie THAAD- und Patriot-Systeme, die zur Abwehr verschiedener Bedrohungen aus der Luft konzipiert sind.
Um der wachsenden Bedeutung Polens für die USA gerecht zu werden, wurde das Kommando des reaktivierten V. US-Armeecorps im vergangenen Jahr nach Poznań verlegt. Seine Aufgabe besteht darin, die amerikanischen Landstreitkräfte an der Nato-Ostflanke zu befehligen. Neben Truppen und Anlagen, die in Folge von bilateralen Abkommen nach Polen verlegt wurden, beteiligen sich US-Soldaten an zahlreichen Nato-Projekten.
Dazu gehören die 800 US-Soldaten, die den Kern der multinationalen Kampfgruppe der Nato, der “enhanced Forward Presence” (eFP) in Orzysz bilden, US-Instrukteure am Nato Joint Forces Training Center in Bydgoszcz sowie US-Soldaten der Nato-Spionageabwehr-Einheiten in Bydgoszcz und Krakau.
Für Mark Brzezinski, den US-Botschafter in Warschau, ist die Stationierung der US-Truppen ein “historischer Moment”. Der Sohn von Zbigniew Brzezinski, eines ehemaligen Sicherheitsberaters von US-Präsident Jimmy Carter, sagte vergangene Woche: “Das signalisiert der Welt, dass wir angesichts der russischen Aggression vereint sind.” Die USA wollen “jeden Inch” des Nato-Territoriums verteidigen.
Am Tag nach der blutigen Eskalation in Nordkosovo mit vier Toten empfängt Serbiens Präsident Aleksandar Vučić den russischen Botschafter in Belgrad. Er habe Wladimir Putins Gesandten informiert, dass “im Kosovo ethnische Säuberungen” durchgeführt würden, schreibt Vučić auf Instagram zum Bild mit dem Händedruck. Und zwar durch Kosovos Regierungschef Albin Kurti, mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft. Kein Wort auf der Social-Media-Plattform zum Überfall von schwerbewaffneten Paramilitärs auf die Polizei des Kosovo, mutmaßlich aus Belgrad gesteuert.
Es ist die Parallelwelt von Aleksandar Vučić. Serbiens Präsident lüge unverfroren, kommentiert der EU-Parlamentarier Reinhard Bütikofer auf dem Kurznachrichtendienst X. Es gebe keine ethnischen Säuberungen im Kosovo. Vučić rechtfertige mit seinem Narrativ den serbischen Extremismus. Und Bütikofer ist nicht der einzige, der es für unwahrscheinlich hält, dass die Paramilitärs ohne Unterstützung aus Belgrad agierten, wie Vučić behauptet.
Die Priorität des serbischen Präsidenten am Tag nach der Konfrontation zwischen der Kosovo-Polizei und schwer bewaffneten Paramilitärs ist aber vor allem ein Indiz, wie kläglich die Strategie der EU und der USA im Spannungsfeld zwischen Belgrad und Pristina gescheitert ist. Diese bestand kurz gefasst darin, den Druck auf Kosovo als vermeintlich schwächeren Part zu erhöhen und gleichzeitig Belgrad zu schonen.
Dies mit dem Ziel, Serbien aus der Einflusssphäre Putins zu holen. Die USA und ihr Sondergesandter Gabriel Escobar unterstützen diesen Kurs. Auch, weil Serbiens Rüstungsindustrie der Ukraine dringend benötigte Munition liefern soll. Wobei der Umfang dieser Lieferungen unklar ist.
Es geht also auch um Geopolitik. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell und sein Sondergesandter Miroslav Lajčák führen den sogenannten Dialog zwischen Belgrad und Pristina seit drei Jahren ohne Erfolg. Eine Vereinbarung mit einer Liste von gegenseitigen Zugeständnissen hin zu einer Normalisierung liegt zwar seit dem Frühjahr auf dem Tisch.
Die Vermittler drängten aber zuletzt einseitig darauf, dass Kosovo zuerst Belgrads Forderung nach einer Autonomie für die serbische Minderheit erfüllt. In Pristina sieht man das nicht ohne Grund als ersten Schritt hin zu einer Abspaltung des Nordkosovo. Umso mehr, als dass es keine Garantie gibt, dass Serbiens Präsident ebenfalls liefert und Schritte zumindest hin zu einer de facto Anerkennung des jungen Staates unternimmt.
Das Misstrauen in Pristina ist begründet, denn Vučić hat wiederholt öffentlich deklariert, dass er zu keinen Konzessionen gegenüber Kosovo bereit ist. Nach der tödlichen Konfrontation in Nordkosovo sah sich erstmals auch Josep Borrell zu deutlicheren Worten gezwungen. Er sprach von einem “feigen terroristischen Angriff auf Kosovos Polizeioffiziere”. Ohne allerdings die Täter klar zu benennen.
Kosovos Polizei könnten die rund 30 Paramilitärs dabei ertappt haben, Waffen in ein nahes serbisch-orthodoxes Kloster zu bringen, vermuten Beobachter vor Ort. Ähnliche Vorwürfe zirkulieren schon länger. Die Kosovo-Polizei hat jedenfalls nach der Konfrontation, bei der mindestens vier Paramilitärs getötet wurden, größere Mengen an schweren Waffen sichergestellt.
Peinlich ist der schwerste Zwischenfall seit langem auch für die Nato-Truppe Kfor, offiziell für die Sicherheit zwischen Kosovo und Serbien zuständig. Kfor beobachte die Situation im Norden Kosovos, sei präsent und bereit, einzuschreiten, heißt es dort zugeknöpft. Der Zwischenfall trage die Handschrift von Aleksandar Vulin, Serbiens Geheimdienstchef mit besonders engen Beziehungen nach Moskau, so Beobachter. Der frühere Innenminister, auf der Sanktionsliste der USA, könnte im Auftrag aus Moskau eine Eskalation gezielt provoziert haben.
Die EU müsse klar Solidarität mit Kosovo zeigen, fordert der EU-Parlamentarier Bütikofer. Das Statement von Josep Borrell sei nicht ausreichend, die EU müsse jetzt Klartext reden. Andere EU-Abgeordnete kritisieren den Ansatz des Vermittlerduos Borrell-Lajčák schon länger als unausgewogen und kontraproduktiv. Die EU hat Kosovo zuletzt einseitig mit Strafmaßnahmen belegt, nachdem Premier Kurti im Mai entgegen der Absprachen gewählte Bürgermeister in Nordkosovo mit Polizei in ihre Rathäuser hat eskortieren lassen, was Ausschreitungen mit vielen Verletzten zur Folge hatte.
Auch einzelne EU-Diplomaten drängten zuletzt auf einen ausgewogeneren Ansatz, ohne aber Borrell und seinem Sonderbeauftragten Lajčák das Vertrauen zu entziehen. Der Terrorangriff auf die Kosovo-Polizei habe das Potential, ein Umdenken auszulösen, so ein EU-Diplomat jetzt. Nicht ausgeschlossen, dass es mit der Nachsicht gegenüber Belgrad bald vorbei ist und die EU-Staaten Borrell zu einer Kurskorrektur zwingen.
Sexuelle Beziehungen von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr gelten künftig als Privatangelegenheit, solange sie sich nicht auf den Dienstbetrieb der Streitkräfte auswirken. Gleichzeitig soll “sexualisiertes Fehlverhalten” in der Truppe stärker sanktioniert werden. Das sieht eine neue Dienstvorschrift vor, die den Umgang der Bundeswehr mit dem Sexualverhalten ihrer Soldatinnen und Soldaten aktualisieren soll und Table.Media vorliegt.
“Sexualisiertes Fehlverhalten geht immer mit unkameradschaftlichem oder unkollegialem Verhalten einher. Es läuft den Grundsätzen der Inneren Führung und dem zivilen Führungsverständnis zuwider”, steht in der Regelung A-2610/2 vom 1. September.
Unter anderem zuständig für diese Grundsätze ist das Zentrum Innere Führung, dessen Kommandeur, Generalmajor Markus Kurczyk am letzten Samstag vom Generalinspekteur der Bundeswehr Carsten Breuer vorläufig seines Amtes enthoben worden ist. Eine Begründung wurde offiziell nicht genannt. Der Zwei-Sterne-General soll, so heißt es aus Kreisen der Bundeswehr und des Verteidigungsministeriums, mit dem Vorwurf der sexuellen Belästigung in der Truppe konfrontiert worden sein.
Mit der neuen Regelung soll deutlicher gegen “sexuelle Belästigung im Dienst” vorgegangen werden. So gilt “jede Form von sexueller Belästigung im dienstlichen Umgang” als Verstoß gegen die Pflichten des Soldatengesetzes, auch dann, “wenn Ausdrucksweisen, Darstellungen oder Gesten mit sexuellem Bezug scherzhaft gemeint sein sollten. Es kommt allein auf den objektiv sexuellen Gehalt an.” Vorgesetzte werden zudem verpflichtet, bei solchen Fällen “einzuschreiten und die notwendigen Maßnahmen umgehend und konsequent durchzuführen oder zu veranlassen.”
Die Vorschrift “Umgang mit Sexualität und sexualisiertem Fehlverhalten” trat bereits Anfang September in Kraft, wurde bislang allerdings nicht veröffentlicht. Ende letzter Woche wurde sie den Mitgliedern des Verteidigungsausschusses des Bundestages übersandt.
Einschränkungen gelten zum Beispiel für Sex während der Arbeitszeit: “Sexuelle Betätigung im Dienst/während der Arbeit stört regelmäßig den Dienstbetrieb.” Auch eine Schädigung des öffentlichen Ansehens der Bundeswehr durch sexuelle Betätigung kann eine Pflichtverletzung sein – allerdings: “Von einer ernsthaften Beeinträchtigung des Ansehens der Bundeswehr oder der Achtung und des Vertrauens in die jeweilige dienstliche Stellung der Soldatin oder des Soldaten kann bei einem außerdienstlichen sexualbezogenen Verhalten ohne dienstlichen Bezug regelmäßig nicht ausgegangen werden, sofern das Verhalten nicht strafrechts- oder ordnungswidrig ist.” tw
Wenn es Zufälle sind, dann passen sie bestens in die Zeit: Während in Deutschland die Diskussion über die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern in die Ukraine anhält, zeigt die ukrainische Armee, was sie mit Waffen dieser Art ausrichten kann. Am Montag explodierte in der von russischen Truppen besetzten Stadt Sorokyne (Luhansker Region) ein Munitionslager mitten am Tage – mehr als 100 Kilometer von der Frontlinie entfernt, direkt an der Grenze zur Russland. Am vergangenen Freitag schon hatten ukrainische Streitkräfte – ebenfalls am Tage – die Kommandozentrale der russischen Schwarzmeerflotte auf der besetzten Krim angegriffen.
Russische Medien berichteten am gestrigen Montag von Angriffen aus der Luft in Sorokyne. Welche Waffen dabei zum Einsatz kamen, blieb vorläufig unbekannt. Den Stab auf der Krim hatten mindestens zwei britische Marschflugkörper Storm Shadow erreicht. Infolgedessen sollen laut ukrainischen Spezialkräften 34 russische Offiziere, darunter der Kommandeur der Schwarzmeerflotte, Wiktor Sokolow, getötet worden sein. Überprüfen lassen sich diese Angaben nicht. Das russische Verteidigungsministerium hat bis zum Redaktionsschuss dieser Ausgabe die Darstellung nicht kommentiert.
Waffen, die weit hinter die Frontlinie reichen, setzten die russische Armee unter immer größere Probleme. Und das ist aktuell nur ein Erfolgsmoment für die ukrainischen Streitkräfte. Auch direkt an der Front gibt es zumindest punktuell Durchbrüche: Einen wichtigen Etappensieg sollen ukrainische Kräfte auf der Saporischschja-Front beim Ort Werbowe errungen haben. Das sagte der für die Südfront verantwortliche Kommandeur Oleksandr Tarnawski gegenüber CNN.
Ein Zwischenziel sei die strategisch bedeutende Stadt Tokmak. Sie liegt auf der Kreuzung wichtiger Fernstraßen, ist ein relevanter Eisenbahnknoten und verfügt über einen Flugplatz. Solange die Witterungsbedingungen es noch zulassen, will die ukrainische Armee so weit wie möglich in Richtung Asowsches Meer vordringen, um die russische Landversorgung der Krim zu schwächen. Laut Tarnawski erschweren besonders Minen das Vorrücken.
Die russische Armee greift ihrerseits verstärkt mit Shahed-Drohnen und Raketen vom Typ Iskander und Antischiffsraketen Oniks zivile Ziele an und zerstörte in der Nacht auf Montag ein leerstehendes Hotel und einen Getreidespeicher im Odessa-Hafen. Dabei wurde ein Beschäftigter des Hafens getötet. Nach ukrainischen Angaben sei es nicht gelungen, die zwei Oniks-Raketen abzufangen, dafür aber elf von zwölf Iskander und alle 19 Shahed-Drohnen. vf
Mit den Stimmen von demokratischen wie republikanischen Senatoren ist General Charles Q. Brown vergangene Woche als neuer Generalstabschef der US-Streitkräfte vom US-Senat bestätigt worden. Am 1. Oktober tritt der bisherige Luftwaffenstabschef die Nachfolge von General Mark Milley an und wird damit zum wichtigsten militärische Berater Präsident Joe Bidens und Außenminister Antony Blinkens. Neben Brown bestätigte der Senat auch die Nominierungen von General Randy George zum Stabschef des Heeres und von General Eric Smith zum Kommandanten des Marinekorps.
Zum ersten Mal in der Geschichte der USA stehen mit Verteidigungsminister Lloyd Austin und Generalstabschef Brown künftig zwei Afroamerikaner an der Spitze von Militär und Pentagon. Browns Beförderung und die von mehr als 300 weiteren US-Offizieren hatte der republikanischen Senator Tummy Tubberville über Monate blockiert, ehe der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer, die Abstimmung über die drei höchsten militärischen Posten vergangene Woche schließlich durchsetzte. Tubberville, ein Hardliner aus Alabama, protestierte mit der Blockade gegen die Politik des Pentagons, Soldatinnen die Reisekosten für eine Abtreibung zu erstatten.
Der 61-jährige Luftwaffengeneral Brown stammt aus einer Soldatenfamilie und ist nach Colin Powell (1989-1993) erst der zweite schwarze US-Generalstabschef. “CQ” Brown, wie er genannt wird, machte im Mai 2020 Schlagzeilen, als er nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd ein Video veröffentlichte, in dem er den Rassismus in den USA anprangerte. Als Chef der US Air Force kündigte er an, Diversität und Inklusion in seinen Personalentscheidungen zu berücksichtigen. Vor zwei Monaten präsentierte Biden die Admiralin Lisa Franchetti als Kandidatin für den Posten der Oberkommandierenden der Navy. Sie wäre damit die erste Frau auf diesem Posten und die erste Frau im US-Generalstab überhaupt. Ihre Nominierung ist noch nicht vom Senat bestätigt. nana
Tagesanzeiger – Schweizer Armeechef: “Haben Verkauf von Bunkern gestoppt” (Paywall). Thomas Süssli ist erst seit 2015 Berufsoffizier, davor war er Bänker. Seit 2020 bereitet er als Chef die Schweizer Armee auf die Herausforderungen einer multipolaren Welt vor. Aufgaben gibt es dabei viele: neben der Verbesserung des Eigenschutzes und der Spionageabwehr will Süssli die Truppe besser ausstatten und mehr mit der Nato kooperieren.
The Guardian – Hidden in the Arctic, Sweden is quietly winning Europe’s next big space race (Paywall). Knapp 200 Kilometer südlich des Polarkreises steht in Schweden das Esrange Space Center (SCC). Dieses Raumfahrtzentrum mag unscheinbar aussehen, ist aber führend im hart umkämpften Wettbewerb um die erste europäische Basis außerhalb Russlands, von der aus ein Satellit in die Umlaufbahn gebracht werden kann.
Konrad-Adenauer-Stiftung – Stagnation statt Trendwende Personal der Bundeswehr. 203.000 aktive Soldaten bis 2031 – kaum jemand hält diese Zahl für erreichbar und wenn, dann nur zulasten von “Eignung, Leistung, Befähigung”. Um ein attraktiverer Arbeitgeber zu werden, müsste die Bundeswehr altbekannte Probleme angehen: bessere Vergütung, stärkere Anwerbung jüngerer Köpfe und bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, so die Autoren des Papers. Ein Gesellschaftsjahr könnte Menschen an die Streitkräfte heranführen.
The Atlantic – The Patriot: How General Mark Milley protected the Constitution from Donald Trump. Dieser Text braucht Zeit, Zeit, die sich zu nehmen lohnt. Er handelt davon, wie die Spitze der US-Armee, namentlich der scheidende Vorsitzende des Vereinigten Generalstabs der US-Streitkräfte, Mark Milley, den Missbrauch der Armee durch Trump verhinderte. Er handelt aber auch davon, was drohen könnte, wenn Trump wieder US-Präsident werden sollte.
Hilflos musste Markus Ritter, Chef der zivilen EU-Mission in Armenien (EUMA), vergangene Woche mitansehen, wie aserbaidschanische Soldaten rund 24 Stunden lang die Region Bergkarabach mit Raketen beschossen. Die Hoffnung, mit der EUMA die Spannungen zwischen Armenien und Aserbaidschan zu reduzieren oder gar Vertrauen zu schaffen, starb spätestens mit diesem Tag wohl endgültig.
Dabei war sich Ritter, Jurist und seit 1996 bei der Bundespolizei, den Limitierungen seiner Beobachtermission immer bewusst. Die einzigen “Waffen”, die er und seine Beobachtertruppe im Februar 2023 nach Armenien mitbrachten, waren Ferngläser, Kameras und Notizblöcke.
Bei Patrouillenfahrten zeigen die 100 EU-Beobachter Flagge und melden etwaige Verstöße gegen das Waffenstillstandsabkommen zwischen Armenien und Aserbaidschan nach Brüssel. Nach Aserbaidschan dürfen sie dabei nicht. “Was wir tun können, ist, Öffentlichkeit in dieses Gebiet zu bringen und den Menschen das Gefühl zu geben, dass sie nicht allein sind, dass die internationale Gemeinschaft die Situation beobachtet”, hatte Ritter kurz nach Beginn der Mission gesagt.
Er gilt als erfahrener Kopf in internationalen Krisengebieten. Bevor er am 24. Januar 2023 vom Rat der Europäischen Union zum Leiter der zunächst auf zwei Jahre mandatierten Mission ernannt wurde, hatte er bereits fünf Auslandseinsätze hinter sich, zwei davon unter der europäischen Flagge.
So war er 2004/2005 Stabschef der United Nations Mission im Kosovo, zwei Jahre später in gleicher Position bei der United Nations Observer Mission in Georgien. Wiederum zwei Jahre später ging er als Leiter des German Police Project Teams nach Afghanistan und war 2012/2013 Planungs- und Einsatzleiter der Luftsicherheitsmission der EU im Südsudan. 2017 bis 2019 leitete er die Beratungsmission der EU im Irak.
In Deutschland war Ritter, Jahrgang 1962 und Vater zweier Töchter, Chef einer Einheit bei der Bereitschaftspolizei und hatte verschiedene Positionen beim Grenzschutz, unter anderem am Frankfurter Flughafen, und im Bundespolizeipräsidium in Potsdam inne. 2020 wurde er schließlich zum Präsidenten der Bundespolizeidirektion Stuttgart befördert.
Zuvor studierte er Jura an der Universität Heidelberg, und machte dort 1996 sein Zweites Staatsexamen. Parallel dazu studierte er Verwaltungswissenschaften in Speyer und promovierte darin 1999. Von 1981 bis 1985 diente er in der Bundeswehr.
Die EUMA war im Januar 2023 mit großer Unterstützung der europäischen Mitgliedstaaten auf Antrag der Regierung in Yerevan eingerichtet worden. Armenien hatte nach den Angriffen im September 2022 eine stetige Ausweitung des Konflikts befürchtet. Aserbaidschans jüngste Eskalation in der Region Bergkarabach, aber auch auf Ortschaften entlang der armenisch-aserbaidschanischen Grenze bestätigten nun diese Sorgen. Lisa-Martina Klein
Flottillenadmiral Stephan Haisch (56) ist neuer Kommandeur Einsatzkräfte Marine und Abteilungsleiter Operationen. Er übernimmt das Kommando von Konteradmiral Jürgen zur Mühlen (63), der in den Ruhestand geht. Haisch baute ab 2019 als stellvertretender Befehlshaber den militärischen maritimen Führungsstab German Maritime Forces Staff (DEU MARFOR) im Marinekommando in Rostock auf und wird diesen künftig als Kommandeur leiten. Eine Beförderung zum Konteradmiral ist geplant.
Aufgewachsen nahe Stuttgart, begann er 1986 seine Offizierslaufbahn bei der Marine. An der Universität der Bundeswehr in Hamburg studierte Haisch von 1987 bis 1991 Wirtschafts- und Organisationswissenschaften, bevor er mehrere Verwendungen als Wachoffizier durchlief. Auslandseinsätze brachten ihn mit der UNIFIL-Mission vor die Küste Libanons.
Im Verteidigungsministerium war Haisch von 2003 bis 2005 und von 2012 bis 2015 in verschiedenen Positionen zur Personalplanung, -werbung und -führung verantwortlich. 2015 bis 2017 war er Chef des Stabes/Stellvertretender Kommandeur der Einsatzflottille 1 in Kiel. Die höchste Priorität bei der kommenden Aufgabe habe für ihn die Einsatzbereitschaft der Flotte, sagt Haisch. klm
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man weiß gar nicht, ob man weinen oder lachen soll: Mitten in der Zeitenwende regelt die Bundeswehr ihre Vorschriften für Sex am Arbeitsplatz neu. “Sexuelle Betätigung im Dienst/während der Arbeit stört regelmäßig den Dienstbetrieb”, heißt es in Dienstvorschrift A-2610/2. Aber auch, und da hört der Spaß auf, dass “sexualisiertes Fehlverhalten” in der Truppe künftig stärker sanktioniert wird – Vorgesetzte sind angewiesen, “einzuschreiten und die notwendigen Maßnahmen umgehend und konsequent durchzuführen”.
Dass ausgerechnet der Verantwortliche für die neue Vorschrift, Generalmajor Markus Kurczyk, am Wochenende von seinen Aufgaben entbunden wurde, macht die Regelung umso brisanter. Thomas Wiegold schreibt, wie der Kommandeur des Zentrums Innere Führung zuletzt selbst mit sexueller Belästigung in der Truppe aufgefallen sein soll. Erst voriges Jahr hatte Kurczyk die Leitung des Zentrums in Koblenz übernommen, das Führungskräfte der Streitkräfte zu den ethischen Grundlagen des Soldatenberufes aus- und weiterbildet.
Am Tag nach den tödlichen Gefechten zwischen serbischen Paramilitärs und kosovarischer Polizei im Norden der Unruheprovinz schaut Stephan Israel auf die Scherben, die die EU im Kosovo mit ihrer Politik hinterlassen hat. Weshalb die EU im Kaukasus weniger Einfluss hat als die Türkei und Israel, erklären Frank Nordhausen und Yossi Melman in ihrer Analyse. An dem gewaltsamen Einmarsch der Armee Aserbaidschans in Bergkarabach konnte auch die EU-Polizeimission nichts ändern – Lisa-Martina Klein hat den deutschen Leiter der EU-Mission, Markus Ritter, porträtiert.
Der Eintageskrieg Aserbaidschans gegen Bergkarabach ist von den weitgehend gleichgeschalteten Medien der Türkei mit Schlagwörtern wie “Blitzkrieg” oder “24-Stunden-Sieg” gefeiert – und als strategischer Sieg Ankaras dargestellt worden. Zuvor hatte sich die Regierung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan klar auf die Seite ihres Verbündeten in Baku gestellt.
Am Tag des Angriffs am Dienstag vergangener Woche sagte er vor der UN-Vollversammlung in New York: “Wir unterstützen die Schritte Aserbaidschans – mit dem wir unter dem Motto ‘eine Nation, zwei Staaten’ zusammenarbeiten -, seine territoriale Integrität zu verteidigen.”
Erdoğan hatte zuvor noch versucht, ein Vermittlungstreffen zwischen der Türkei, Aserbaidschan, Armenien und dessen langjähriger Schutzmacht Russland einzuberufen, war aber bei Präsident Wladimir Putin auf Granit gestoßen. Zugleich war der Nato-Staat Türkei aber offenbar in die militärischen Vorbereitungen der Aseris direkt eingebunden, denn deren Generalstabschef und Vizeverteidigungsminister, Generaloberst Karim Valiyev hatte am 11. September noch Ankara besucht.
Die Denkfabrik International Crisis Group in Brüssel berichtete bereits im Juli, dass “mehrere Cargo-Flugzeuge hunderte Tonnen Waffen, darunter ballistische Raketen, aus Israel und der Türkei nach Baku transportierten”; die aserbaidschanische Luftwaffe habe zudem “eine neue Charge Bayraktar TB2-Drohnen aus der Türkei für eine bevorstehende Invasion Armeniens” erhalten.
Doch konnten politische Beobachter bislang keine direkte militärische Beteiligung türkischer Soldaten oder Techniker wie noch beim letzten Karabach-Krieg 2020 feststellen. Das türkische Verteidigungsministerium dementierte eine aktive Rolle bei der Militäroperation. Sie wäre wohl auch nicht nötig, hatte doch der aktive Eintritt der Türkei in den bis zum 44-Tagekrieg 2020 eingefrorenen Bergkarabach-Konflikt die strategische Balance im Südkaukasus entscheidend verändert. Erdogan verhalf es außerdem zu einem spektakulären außenpolitischen Erfolg.
Baku hat seine Armee mit den Einnahmen aus Öl- und Gasverkäufen im vergangenen Jahrzehnt stark aufgerüstet – laut der armenischen Nachrichtenwebseite panorama.am zu rund 70 Prozent mit Rüstungsgütern aus Israel und zu 30 Prozent aus der Türkei. Seit 2019 wurden die aserbaidschanischen Streitkräfte von Ankara mit modernen Waffensystemen, militärischen Trainings und Geheimdienstinformationen versorgt. Im Krieg von 2020 erwies sich die Bayraktar TB2-Drohne aus der Waffenschmiede des Erdoğan-Schwiegersohns Berat Bayraktar als verheerende “Geheimwaffe” im Einsatz gegen armenische Panzer- und Infanterieverbände, da Armenien über keine adäquaten Abwehrsysteme verfügte.
Wie 2020 wurden auch vergangene Woche wieder Artilleriesysteme und Kampfdrohnen aus türkischer Produktion – versehen mit elektronischen Komponenten aus Nato-Ländern – bei der Offensive eingesetzt. Die Türkei verspricht sich von dem Sieg Aserbaidschans und der Eingliederung Bergkarabachs in dessen Territorium einerseits eine Normalisierung der Beziehungen zu ihrem historischen Feind Armenien. Und eine Öffnung der bisher aus Rücksicht auf Baku geschlossenen Grenze und damit einen besseren Zugang für den Handel mit den Kaukasusrepubliken.
Die Türkei wandte sich aber auch an Israel, um den Angriff zu koordinieren. So formte Ankara seit dem Sommer ein Dreierbündnis mit Israel und Aserbaidschan, das sich bereits während des 44-Tage-Kriegs im Herbst 2020, bei dem mehr als 6.000 Menschen getötet wurden, bewährt hatte. Schon vor Wochen bat die Regierung in Baku Israel darum, die Lieferung von Drohnen, Artilleriegeschossen, Raketenwerfern und nachrichtendienstlicher Ausrüstung wie Abhörgeräten und Cybertechnologie zu verstärken.
Im Juli besuchte der israelische Verteidigungsminister Yoav Galant Baku, wo ihn sein Amtskollege Zakir Hasanov und die Armeeführung über die Angriffspläne unterrichteten. Nach dem Treffen flogen aserische Frachtflugzeuge mehr als zehn Mal den israelischen Flugplatz Uvda bei Eilat an, der von der israelischen Luftwaffe betrieben wird, aber auch für die zivile Luftfahrt geeignet ist, und lud die angeforderte Ausrüstung ein. Israel erhält im Gegenzug Öl aus Aserbaidschan – und darf das Land als Ausgangspunkt für Geheimdienst- und grenzüberschreitende Operationen gegen Iran nutzen.
Am Rande der UN-Generalversammlung erörterte Erdoğan mit Benjamin Netanjahu die militärischen Entwicklungen im Südkaukasus. Seit dem Besuch von Mossad-Chef David Barnea in der Türkei im Februar 2022 haben sich die türkisch-israelische Sicherheitsbeziehungen nach Jahren der Spannung wieder normalisiert.
Am Montag allerdings besuchte Erdoğan die aserbaidschanischen Exklave Nachitschewan gemeinsam mit dem aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alijev – ein hochprovokativer Akt gegenüber Armenien. Denn Ankara verlangt von Yerewan die Schaffung eines 43 Kilometer langen, exterritorialen Straßen- und Eisenbahnkorridors von Nachitschewan nach Aserbaidschan entlang der iranischen Grenze quer durch Armeniens südliche Sjunik-Provinz.
Armenien wäre damit effektiv von seinem wichtigen Wirtschaftspartner Iran abgeschnitten. Erdogan will damit seinerseits der türkischen Exportwirtschaft den Raum am Kaspischen Meer und in die zentralasiatischen Republiken erschließen. Bisher lehnt aber auch Teheran das Projekt vehement ab, weil es dadurch seine historische Landverbindung nach Armenien verlieren würde.
Es ist unklar, ob Russlands mangelnder Einsatz für die Verteidigung der armenischen Interessen auf die Schwächung durch den Ukraine-Kriegs zurückzuführen ist oder ob es Absprachen mit Erdogan gab. Putin benötigt den Nord-Süd-Korridor über Aserbaidschan in den Iran für die Umgehung der westlichen Sanktionen. Geopolitisch bedeutet der Blitzsieg Aserbaidschans gleichwohl einen erheblichen Machtverlust Russlands im Südkaukasus. Mit Yossi Melman, Tel Aviv
Alle Zufahrtsstraßen zum Militärflughafen in Powidz, etwa 70 Kilometer östlich von Poznań (Posen), sind weiträumig abgesperrt. Nur das Militärpersonal und ausgewiesene Bauarbeiter dürfen sich den im Wald verstreuten Anlagen nähern. Der Grund für die strenge Abschirmung ist allerdings nicht das 7. Geschwader der polnischen Luftwaffe, das seit Jahrzehnten in Powidz stationiert ist, sondern der Stützpunkt der US-Streitkräfte, der zurzeit gleich neben dem Flugplatz errichtet wird.
Es ist der erste permanente US-Stützpunkt in Polen und der achte in Europa. Nach der russischen Invasion der Ukraine nahmen die Bauarbeiten an Tempo zu – bis 2024 dürften die wichtigsten Einrichtungen weitgehend fertiggestellt sein. Experten schätzen, dass etwa 3.500 US-Soldaten in Powidz stationiert werden könnten – allen voran eine multifunktionale Heeresfliegerbrigade.
Im April wurde bereits der Komplex für die langfristige Lagerung und Wartung von Ausrüstung (LTESM-C) eingeweiht. In sieben riesigen Hallen werden etwa 2.700 Panzer, schwere Artilleriesysteme und gepanzerte Transporter untergebracht, um die Reaktionszeit der Allianz im Fall eines Überfalls an der Ostflanke auf ein Minimum zu reduzieren. Auch ein neues Munitionslager entsteht.
Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine ist Polen ein Frontstaat, über den der Großteil der humanitären Hilfe und militärischer Ausrüstung transportiert wird. Um diese Aufgaben erfüllen zu können und um die Sicherheit der Ostflanke zu verbessern, wurde die Präsenz der Nato erhöht – zurzeit befinden sich 11.600 Nato-Soldaten auf polnischem Boden, davon 10.000 Amerikaner an elf Standorten. Vieles deutet darauf hin, dass sie sich auf Dauer in Polen einrichten werden.
Um Polen auch bei der Modernisierung der eigenen Armee zu helfen, leihen die USA der Regierung Geld – unter anderem für Waffeneinkäufe aus den USA. Am gestrigen Montag wurde ein Vertrag über ein Darlehen in Höhe von 2 Milliarden Dollar unterzeichnet, teilte das US-Außenministerium mit.
“Der russische Überfall auf die Ukraine zwingt die USA und die Nato, ihre Politik im Osteuropa den neuen Begebenheiten anzupassen”, sagt Tomasz Smura, Chefanalytiker der Pulawski-Stiftung, die sich vor allem mit Sicherheits- und Verteidigungspolitik befasst. “Während sich die Nato früher auf die Bedrohung durch Schurkenstaaten konzentrierte, ist nun wieder eine Abschreckung entlang einer Front fast wie im Kalten Krieg gefragt.”
Die US-Stützpunkte im europäischen Süden büßen an Bedeutung ein, während der Osten wieder wichtiger wird. Vor allem der Suwalki-Korridor zwischen der russischen Exklave Kaliningrad und Belarus gilt als Risikozone – der Zugang zu den baltischen Nato-Mitgliedern könnte hier leicht durchtrennt werden. Die Stellung der US-Basis in Ramstein als das Kommandozentrum für Europa soll durch die Kompetenzverlagerung an die Ostflanke aber nicht infrage gestellt werden.
Schon 2017, als Reaktion auf die Besetzung der Krim und den Krieg in Donbass im Jahr 2014, hatten die USA eine 4.700 Mann starke Kampfgruppe (Armored Brigade Combat Team/ABCT) nach Polen verlegt. Sie ist mit etwa 80 Panzern, 140 Schützenpanzern und Dutzenden Raketenwerfern bewaffnet. Die Soldaten sind in Westen Polens rund um Zagan und Świętoszów stationiert.
Kurz vor Kriegsbeginn im Februar 2022 landeten Soldaten der 82. US-Luftlandedivision im südostpolnischen Rzeszów, um den Transfer des militärischen Geräts in die Ukraine zu sichern. Auf dem Flughafen in Rzeszów Jasionka, der nur 100 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt liegt, stellten sie mehrere aus Deutschland verlegte Patriot-Flugabwehrsysteme auf, die die Stadt schützen.
Der Flughafen ist strategisch enorm wichtig, 3.200 Meter ist die zweitlängste Landebahn Polens lang, somit können hier die größten Flugzeuge landen. Seit diesem Jahr wird in Jasionka eine der größten und modernsten Flugzeug-Wartungsbetriebe in Europa mit knapp 13.000 Quadratmeter Fläche errichtet – was den Flughafen für die US-Streitkräfte noch wichtiger macht.
Noch leben die US-Soldaten in einem Zelt-Camp, für den sie in der Nähe des Flughafens in Tajecina Land gepachtet haben. Die Verträge laufen für fünf Jahre, mit einer Verlängerungsoption für zehn Jahre. Da die Immobilienmakler mit dem Verbleib der US-Soldaten rechnen, haben sich die Grundstückspreise in der Umgebung verdoppelt. Nun soll aber auch der Flughafen in Lublin Swidnik als Alternative zu Rzeszów ausgebaut werden. Das Drehkreuz Lublin soll 2025 einspringen, wenn in Rzeszów die Landebahn erneuert wird.
In diesem Jahr soll eine Raketenabwehr-Installation Aegis BMD (Ballistic Missile Defense) in Redzikowo in Betrieb gehen. Sie ist Teil des US-amerikanischen EPAA-Raketenschutzschildes in Europa und soll – zusammen mit einer ähnlichen Anlage in Rumänien und einer Radarstation im Osten der Türkei – vor Angriffen mit ballistischen Raketen schützen.
Das Aegis System wird in Polen mit RIM-161 Standard Missile 3-Raketen bestückt. Kostenpunkt der Installation in Redzikowo: 900 Millionen US-Dollar. Zu dem US-Raketenschild gehören außerdem GMD-Systeme (Ground-Based Midcourse Defense) in Deutschland, sowie THAAD- und Patriot-Systeme, die zur Abwehr verschiedener Bedrohungen aus der Luft konzipiert sind.
Um der wachsenden Bedeutung Polens für die USA gerecht zu werden, wurde das Kommando des reaktivierten V. US-Armeecorps im vergangenen Jahr nach Poznań verlegt. Seine Aufgabe besteht darin, die amerikanischen Landstreitkräfte an der Nato-Ostflanke zu befehligen. Neben Truppen und Anlagen, die in Folge von bilateralen Abkommen nach Polen verlegt wurden, beteiligen sich US-Soldaten an zahlreichen Nato-Projekten.
Dazu gehören die 800 US-Soldaten, die den Kern der multinationalen Kampfgruppe der Nato, der “enhanced Forward Presence” (eFP) in Orzysz bilden, US-Instrukteure am Nato Joint Forces Training Center in Bydgoszcz sowie US-Soldaten der Nato-Spionageabwehr-Einheiten in Bydgoszcz und Krakau.
Für Mark Brzezinski, den US-Botschafter in Warschau, ist die Stationierung der US-Truppen ein “historischer Moment”. Der Sohn von Zbigniew Brzezinski, eines ehemaligen Sicherheitsberaters von US-Präsident Jimmy Carter, sagte vergangene Woche: “Das signalisiert der Welt, dass wir angesichts der russischen Aggression vereint sind.” Die USA wollen “jeden Inch” des Nato-Territoriums verteidigen.
Am Tag nach der blutigen Eskalation in Nordkosovo mit vier Toten empfängt Serbiens Präsident Aleksandar Vučić den russischen Botschafter in Belgrad. Er habe Wladimir Putins Gesandten informiert, dass “im Kosovo ethnische Säuberungen” durchgeführt würden, schreibt Vučić auf Instagram zum Bild mit dem Händedruck. Und zwar durch Kosovos Regierungschef Albin Kurti, mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft. Kein Wort auf der Social-Media-Plattform zum Überfall von schwerbewaffneten Paramilitärs auf die Polizei des Kosovo, mutmaßlich aus Belgrad gesteuert.
Es ist die Parallelwelt von Aleksandar Vučić. Serbiens Präsident lüge unverfroren, kommentiert der EU-Parlamentarier Reinhard Bütikofer auf dem Kurznachrichtendienst X. Es gebe keine ethnischen Säuberungen im Kosovo. Vučić rechtfertige mit seinem Narrativ den serbischen Extremismus. Und Bütikofer ist nicht der einzige, der es für unwahrscheinlich hält, dass die Paramilitärs ohne Unterstützung aus Belgrad agierten, wie Vučić behauptet.
Die Priorität des serbischen Präsidenten am Tag nach der Konfrontation zwischen der Kosovo-Polizei und schwer bewaffneten Paramilitärs ist aber vor allem ein Indiz, wie kläglich die Strategie der EU und der USA im Spannungsfeld zwischen Belgrad und Pristina gescheitert ist. Diese bestand kurz gefasst darin, den Druck auf Kosovo als vermeintlich schwächeren Part zu erhöhen und gleichzeitig Belgrad zu schonen.
Dies mit dem Ziel, Serbien aus der Einflusssphäre Putins zu holen. Die USA und ihr Sondergesandter Gabriel Escobar unterstützen diesen Kurs. Auch, weil Serbiens Rüstungsindustrie der Ukraine dringend benötigte Munition liefern soll. Wobei der Umfang dieser Lieferungen unklar ist.
Es geht also auch um Geopolitik. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell und sein Sondergesandter Miroslav Lajčák führen den sogenannten Dialog zwischen Belgrad und Pristina seit drei Jahren ohne Erfolg. Eine Vereinbarung mit einer Liste von gegenseitigen Zugeständnissen hin zu einer Normalisierung liegt zwar seit dem Frühjahr auf dem Tisch.
Die Vermittler drängten aber zuletzt einseitig darauf, dass Kosovo zuerst Belgrads Forderung nach einer Autonomie für die serbische Minderheit erfüllt. In Pristina sieht man das nicht ohne Grund als ersten Schritt hin zu einer Abspaltung des Nordkosovo. Umso mehr, als dass es keine Garantie gibt, dass Serbiens Präsident ebenfalls liefert und Schritte zumindest hin zu einer de facto Anerkennung des jungen Staates unternimmt.
Das Misstrauen in Pristina ist begründet, denn Vučić hat wiederholt öffentlich deklariert, dass er zu keinen Konzessionen gegenüber Kosovo bereit ist. Nach der tödlichen Konfrontation in Nordkosovo sah sich erstmals auch Josep Borrell zu deutlicheren Worten gezwungen. Er sprach von einem “feigen terroristischen Angriff auf Kosovos Polizeioffiziere”. Ohne allerdings die Täter klar zu benennen.
Kosovos Polizei könnten die rund 30 Paramilitärs dabei ertappt haben, Waffen in ein nahes serbisch-orthodoxes Kloster zu bringen, vermuten Beobachter vor Ort. Ähnliche Vorwürfe zirkulieren schon länger. Die Kosovo-Polizei hat jedenfalls nach der Konfrontation, bei der mindestens vier Paramilitärs getötet wurden, größere Mengen an schweren Waffen sichergestellt.
Peinlich ist der schwerste Zwischenfall seit langem auch für die Nato-Truppe Kfor, offiziell für die Sicherheit zwischen Kosovo und Serbien zuständig. Kfor beobachte die Situation im Norden Kosovos, sei präsent und bereit, einzuschreiten, heißt es dort zugeknöpft. Der Zwischenfall trage die Handschrift von Aleksandar Vulin, Serbiens Geheimdienstchef mit besonders engen Beziehungen nach Moskau, so Beobachter. Der frühere Innenminister, auf der Sanktionsliste der USA, könnte im Auftrag aus Moskau eine Eskalation gezielt provoziert haben.
Die EU müsse klar Solidarität mit Kosovo zeigen, fordert der EU-Parlamentarier Bütikofer. Das Statement von Josep Borrell sei nicht ausreichend, die EU müsse jetzt Klartext reden. Andere EU-Abgeordnete kritisieren den Ansatz des Vermittlerduos Borrell-Lajčák schon länger als unausgewogen und kontraproduktiv. Die EU hat Kosovo zuletzt einseitig mit Strafmaßnahmen belegt, nachdem Premier Kurti im Mai entgegen der Absprachen gewählte Bürgermeister in Nordkosovo mit Polizei in ihre Rathäuser hat eskortieren lassen, was Ausschreitungen mit vielen Verletzten zur Folge hatte.
Auch einzelne EU-Diplomaten drängten zuletzt auf einen ausgewogeneren Ansatz, ohne aber Borrell und seinem Sonderbeauftragten Lajčák das Vertrauen zu entziehen. Der Terrorangriff auf die Kosovo-Polizei habe das Potential, ein Umdenken auszulösen, so ein EU-Diplomat jetzt. Nicht ausgeschlossen, dass es mit der Nachsicht gegenüber Belgrad bald vorbei ist und die EU-Staaten Borrell zu einer Kurskorrektur zwingen.
Sexuelle Beziehungen von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr gelten künftig als Privatangelegenheit, solange sie sich nicht auf den Dienstbetrieb der Streitkräfte auswirken. Gleichzeitig soll “sexualisiertes Fehlverhalten” in der Truppe stärker sanktioniert werden. Das sieht eine neue Dienstvorschrift vor, die den Umgang der Bundeswehr mit dem Sexualverhalten ihrer Soldatinnen und Soldaten aktualisieren soll und Table.Media vorliegt.
“Sexualisiertes Fehlverhalten geht immer mit unkameradschaftlichem oder unkollegialem Verhalten einher. Es läuft den Grundsätzen der Inneren Führung und dem zivilen Führungsverständnis zuwider”, steht in der Regelung A-2610/2 vom 1. September.
Unter anderem zuständig für diese Grundsätze ist das Zentrum Innere Führung, dessen Kommandeur, Generalmajor Markus Kurczyk am letzten Samstag vom Generalinspekteur der Bundeswehr Carsten Breuer vorläufig seines Amtes enthoben worden ist. Eine Begründung wurde offiziell nicht genannt. Der Zwei-Sterne-General soll, so heißt es aus Kreisen der Bundeswehr und des Verteidigungsministeriums, mit dem Vorwurf der sexuellen Belästigung in der Truppe konfrontiert worden sein.
Mit der neuen Regelung soll deutlicher gegen “sexuelle Belästigung im Dienst” vorgegangen werden. So gilt “jede Form von sexueller Belästigung im dienstlichen Umgang” als Verstoß gegen die Pflichten des Soldatengesetzes, auch dann, “wenn Ausdrucksweisen, Darstellungen oder Gesten mit sexuellem Bezug scherzhaft gemeint sein sollten. Es kommt allein auf den objektiv sexuellen Gehalt an.” Vorgesetzte werden zudem verpflichtet, bei solchen Fällen “einzuschreiten und die notwendigen Maßnahmen umgehend und konsequent durchzuführen oder zu veranlassen.”
Die Vorschrift “Umgang mit Sexualität und sexualisiertem Fehlverhalten” trat bereits Anfang September in Kraft, wurde bislang allerdings nicht veröffentlicht. Ende letzter Woche wurde sie den Mitgliedern des Verteidigungsausschusses des Bundestages übersandt.
Einschränkungen gelten zum Beispiel für Sex während der Arbeitszeit: “Sexuelle Betätigung im Dienst/während der Arbeit stört regelmäßig den Dienstbetrieb.” Auch eine Schädigung des öffentlichen Ansehens der Bundeswehr durch sexuelle Betätigung kann eine Pflichtverletzung sein – allerdings: “Von einer ernsthaften Beeinträchtigung des Ansehens der Bundeswehr oder der Achtung und des Vertrauens in die jeweilige dienstliche Stellung der Soldatin oder des Soldaten kann bei einem außerdienstlichen sexualbezogenen Verhalten ohne dienstlichen Bezug regelmäßig nicht ausgegangen werden, sofern das Verhalten nicht strafrechts- oder ordnungswidrig ist.” tw
Wenn es Zufälle sind, dann passen sie bestens in die Zeit: Während in Deutschland die Diskussion über die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern in die Ukraine anhält, zeigt die ukrainische Armee, was sie mit Waffen dieser Art ausrichten kann. Am Montag explodierte in der von russischen Truppen besetzten Stadt Sorokyne (Luhansker Region) ein Munitionslager mitten am Tage – mehr als 100 Kilometer von der Frontlinie entfernt, direkt an der Grenze zur Russland. Am vergangenen Freitag schon hatten ukrainische Streitkräfte – ebenfalls am Tage – die Kommandozentrale der russischen Schwarzmeerflotte auf der besetzten Krim angegriffen.
Russische Medien berichteten am gestrigen Montag von Angriffen aus der Luft in Sorokyne. Welche Waffen dabei zum Einsatz kamen, blieb vorläufig unbekannt. Den Stab auf der Krim hatten mindestens zwei britische Marschflugkörper Storm Shadow erreicht. Infolgedessen sollen laut ukrainischen Spezialkräften 34 russische Offiziere, darunter der Kommandeur der Schwarzmeerflotte, Wiktor Sokolow, getötet worden sein. Überprüfen lassen sich diese Angaben nicht. Das russische Verteidigungsministerium hat bis zum Redaktionsschuss dieser Ausgabe die Darstellung nicht kommentiert.
Waffen, die weit hinter die Frontlinie reichen, setzten die russische Armee unter immer größere Probleme. Und das ist aktuell nur ein Erfolgsmoment für die ukrainischen Streitkräfte. Auch direkt an der Front gibt es zumindest punktuell Durchbrüche: Einen wichtigen Etappensieg sollen ukrainische Kräfte auf der Saporischschja-Front beim Ort Werbowe errungen haben. Das sagte der für die Südfront verantwortliche Kommandeur Oleksandr Tarnawski gegenüber CNN.
Ein Zwischenziel sei die strategisch bedeutende Stadt Tokmak. Sie liegt auf der Kreuzung wichtiger Fernstraßen, ist ein relevanter Eisenbahnknoten und verfügt über einen Flugplatz. Solange die Witterungsbedingungen es noch zulassen, will die ukrainische Armee so weit wie möglich in Richtung Asowsches Meer vordringen, um die russische Landversorgung der Krim zu schwächen. Laut Tarnawski erschweren besonders Minen das Vorrücken.
Die russische Armee greift ihrerseits verstärkt mit Shahed-Drohnen und Raketen vom Typ Iskander und Antischiffsraketen Oniks zivile Ziele an und zerstörte in der Nacht auf Montag ein leerstehendes Hotel und einen Getreidespeicher im Odessa-Hafen. Dabei wurde ein Beschäftigter des Hafens getötet. Nach ukrainischen Angaben sei es nicht gelungen, die zwei Oniks-Raketen abzufangen, dafür aber elf von zwölf Iskander und alle 19 Shahed-Drohnen. vf
Mit den Stimmen von demokratischen wie republikanischen Senatoren ist General Charles Q. Brown vergangene Woche als neuer Generalstabschef der US-Streitkräfte vom US-Senat bestätigt worden. Am 1. Oktober tritt der bisherige Luftwaffenstabschef die Nachfolge von General Mark Milley an und wird damit zum wichtigsten militärische Berater Präsident Joe Bidens und Außenminister Antony Blinkens. Neben Brown bestätigte der Senat auch die Nominierungen von General Randy George zum Stabschef des Heeres und von General Eric Smith zum Kommandanten des Marinekorps.
Zum ersten Mal in der Geschichte der USA stehen mit Verteidigungsminister Lloyd Austin und Generalstabschef Brown künftig zwei Afroamerikaner an der Spitze von Militär und Pentagon. Browns Beförderung und die von mehr als 300 weiteren US-Offizieren hatte der republikanischen Senator Tummy Tubberville über Monate blockiert, ehe der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer, die Abstimmung über die drei höchsten militärischen Posten vergangene Woche schließlich durchsetzte. Tubberville, ein Hardliner aus Alabama, protestierte mit der Blockade gegen die Politik des Pentagons, Soldatinnen die Reisekosten für eine Abtreibung zu erstatten.
Der 61-jährige Luftwaffengeneral Brown stammt aus einer Soldatenfamilie und ist nach Colin Powell (1989-1993) erst der zweite schwarze US-Generalstabschef. “CQ” Brown, wie er genannt wird, machte im Mai 2020 Schlagzeilen, als er nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd ein Video veröffentlichte, in dem er den Rassismus in den USA anprangerte. Als Chef der US Air Force kündigte er an, Diversität und Inklusion in seinen Personalentscheidungen zu berücksichtigen. Vor zwei Monaten präsentierte Biden die Admiralin Lisa Franchetti als Kandidatin für den Posten der Oberkommandierenden der Navy. Sie wäre damit die erste Frau auf diesem Posten und die erste Frau im US-Generalstab überhaupt. Ihre Nominierung ist noch nicht vom Senat bestätigt. nana
Tagesanzeiger – Schweizer Armeechef: “Haben Verkauf von Bunkern gestoppt” (Paywall). Thomas Süssli ist erst seit 2015 Berufsoffizier, davor war er Bänker. Seit 2020 bereitet er als Chef die Schweizer Armee auf die Herausforderungen einer multipolaren Welt vor. Aufgaben gibt es dabei viele: neben der Verbesserung des Eigenschutzes und der Spionageabwehr will Süssli die Truppe besser ausstatten und mehr mit der Nato kooperieren.
The Guardian – Hidden in the Arctic, Sweden is quietly winning Europe’s next big space race (Paywall). Knapp 200 Kilometer südlich des Polarkreises steht in Schweden das Esrange Space Center (SCC). Dieses Raumfahrtzentrum mag unscheinbar aussehen, ist aber führend im hart umkämpften Wettbewerb um die erste europäische Basis außerhalb Russlands, von der aus ein Satellit in die Umlaufbahn gebracht werden kann.
Konrad-Adenauer-Stiftung – Stagnation statt Trendwende Personal der Bundeswehr. 203.000 aktive Soldaten bis 2031 – kaum jemand hält diese Zahl für erreichbar und wenn, dann nur zulasten von “Eignung, Leistung, Befähigung”. Um ein attraktiverer Arbeitgeber zu werden, müsste die Bundeswehr altbekannte Probleme angehen: bessere Vergütung, stärkere Anwerbung jüngerer Köpfe und bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, so die Autoren des Papers. Ein Gesellschaftsjahr könnte Menschen an die Streitkräfte heranführen.
The Atlantic – The Patriot: How General Mark Milley protected the Constitution from Donald Trump. Dieser Text braucht Zeit, Zeit, die sich zu nehmen lohnt. Er handelt davon, wie die Spitze der US-Armee, namentlich der scheidende Vorsitzende des Vereinigten Generalstabs der US-Streitkräfte, Mark Milley, den Missbrauch der Armee durch Trump verhinderte. Er handelt aber auch davon, was drohen könnte, wenn Trump wieder US-Präsident werden sollte.
Hilflos musste Markus Ritter, Chef der zivilen EU-Mission in Armenien (EUMA), vergangene Woche mitansehen, wie aserbaidschanische Soldaten rund 24 Stunden lang die Region Bergkarabach mit Raketen beschossen. Die Hoffnung, mit der EUMA die Spannungen zwischen Armenien und Aserbaidschan zu reduzieren oder gar Vertrauen zu schaffen, starb spätestens mit diesem Tag wohl endgültig.
Dabei war sich Ritter, Jurist und seit 1996 bei der Bundespolizei, den Limitierungen seiner Beobachtermission immer bewusst. Die einzigen “Waffen”, die er und seine Beobachtertruppe im Februar 2023 nach Armenien mitbrachten, waren Ferngläser, Kameras und Notizblöcke.
Bei Patrouillenfahrten zeigen die 100 EU-Beobachter Flagge und melden etwaige Verstöße gegen das Waffenstillstandsabkommen zwischen Armenien und Aserbaidschan nach Brüssel. Nach Aserbaidschan dürfen sie dabei nicht. “Was wir tun können, ist, Öffentlichkeit in dieses Gebiet zu bringen und den Menschen das Gefühl zu geben, dass sie nicht allein sind, dass die internationale Gemeinschaft die Situation beobachtet”, hatte Ritter kurz nach Beginn der Mission gesagt.
Er gilt als erfahrener Kopf in internationalen Krisengebieten. Bevor er am 24. Januar 2023 vom Rat der Europäischen Union zum Leiter der zunächst auf zwei Jahre mandatierten Mission ernannt wurde, hatte er bereits fünf Auslandseinsätze hinter sich, zwei davon unter der europäischen Flagge.
So war er 2004/2005 Stabschef der United Nations Mission im Kosovo, zwei Jahre später in gleicher Position bei der United Nations Observer Mission in Georgien. Wiederum zwei Jahre später ging er als Leiter des German Police Project Teams nach Afghanistan und war 2012/2013 Planungs- und Einsatzleiter der Luftsicherheitsmission der EU im Südsudan. 2017 bis 2019 leitete er die Beratungsmission der EU im Irak.
In Deutschland war Ritter, Jahrgang 1962 und Vater zweier Töchter, Chef einer Einheit bei der Bereitschaftspolizei und hatte verschiedene Positionen beim Grenzschutz, unter anderem am Frankfurter Flughafen, und im Bundespolizeipräsidium in Potsdam inne. 2020 wurde er schließlich zum Präsidenten der Bundespolizeidirektion Stuttgart befördert.
Zuvor studierte er Jura an der Universität Heidelberg, und machte dort 1996 sein Zweites Staatsexamen. Parallel dazu studierte er Verwaltungswissenschaften in Speyer und promovierte darin 1999. Von 1981 bis 1985 diente er in der Bundeswehr.
Die EUMA war im Januar 2023 mit großer Unterstützung der europäischen Mitgliedstaaten auf Antrag der Regierung in Yerevan eingerichtet worden. Armenien hatte nach den Angriffen im September 2022 eine stetige Ausweitung des Konflikts befürchtet. Aserbaidschans jüngste Eskalation in der Region Bergkarabach, aber auch auf Ortschaften entlang der armenisch-aserbaidschanischen Grenze bestätigten nun diese Sorgen. Lisa-Martina Klein
Flottillenadmiral Stephan Haisch (56) ist neuer Kommandeur Einsatzkräfte Marine und Abteilungsleiter Operationen. Er übernimmt das Kommando von Konteradmiral Jürgen zur Mühlen (63), der in den Ruhestand geht. Haisch baute ab 2019 als stellvertretender Befehlshaber den militärischen maritimen Führungsstab German Maritime Forces Staff (DEU MARFOR) im Marinekommando in Rostock auf und wird diesen künftig als Kommandeur leiten. Eine Beförderung zum Konteradmiral ist geplant.
Aufgewachsen nahe Stuttgart, begann er 1986 seine Offizierslaufbahn bei der Marine. An der Universität der Bundeswehr in Hamburg studierte Haisch von 1987 bis 1991 Wirtschafts- und Organisationswissenschaften, bevor er mehrere Verwendungen als Wachoffizier durchlief. Auslandseinsätze brachten ihn mit der UNIFIL-Mission vor die Küste Libanons.
Im Verteidigungsministerium war Haisch von 2003 bis 2005 und von 2012 bis 2015 in verschiedenen Positionen zur Personalplanung, -werbung und -führung verantwortlich. 2015 bis 2017 war er Chef des Stabes/Stellvertretender Kommandeur der Einsatzflottille 1 in Kiel. Die höchste Priorität bei der kommenden Aufgabe habe für ihn die Einsatzbereitschaft der Flotte, sagt Haisch. klm
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