fragen Sie sich auch manchmal, warum die Dinge immer auf den letzten Drücker geschehen müssen? Einige Abgeordnete des Haushalts- und Verteidigungsausschusses jedenfalls tun das gerade. Wie so häufig in der Vergangenheit legt ihnen das Verteidigungsministerium in dieser Woche, der letzten Sitzungswoche des Bundestags in diesem Jahr, einen ganzen Stapel an Beschlussvorlagen auf den Tisch. Es geht um etliche Milliarden für die Bundeswehr – Waffensysteme und anderes komplexes Gerät -, die sie innerhalb von ein, zwei Sitzungen freigeben sollen. Thomas Wiegold listet die wichtigsten Projekte auf.
Erinnern Sie sich noch an das G36? Richtig, das Sturmgewehr, das angeblich um die Ecke schießt. Tut es nicht, im Gegenteil, es bleibt noch weitere Jahre im Dienst, aber sein Nachfolger kann nun nach einer Farce bei der Ausschreibung endlich produziert werden.
Haben Sie gedient? Diese Frage hört man heute kaum noch. Der Wehrdienst ist abgeschafft und Reservisten gibt es nur wenige. Das soll sich wieder ändern. Die Bundeswehr will eine neue Reserve aufstellen, wie der zuständige stellvertretende Generalinspekteur berichtet. Vorbild dabei sind unter anderem die Finnen. Ihr Konzept für eine knappe Million Reservisten beschreibt Gabriel Bub.
Vor dem Mut und der Opferbereitschaft der ukrainischen Soldaten in ihrem Kampf gegen die Invasoren kann man nur den Hut ziehen. Doch auch die Zivilgesellschaft kämpft gegen Russland. Ein Beispiel dafür ist die Journalistin Anna Babinets. Sie dokumentiert russische Kriegsverbrechen in der Ukraine, damit die Täter eines Tages vor Gericht gebracht werden können. Wir stellen Anna Babinets in einem Porträt vor.
Wenige Tage nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hatte Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner “Zeitenwende”-Rede ein Sondervermögen für die Bundeswehr angekündigt: Ausgaben für die großen Beschaffungen der Streitkräfte, die zum Teil seit Jahren verzögert wurden, sollen damit finanziert werden.
Fast zehn Monate nach der Ankündigung sollen am Mittwoch (14. Dezember) die ersten Ausgaben aus diesem Sondervermögen bewilligt werden: Alle Beschaffungen im Wert von mehr als 25 Millionen Euro, ob aus dem neuen Topf oder dem normalen Etat, müssen gesondert vom Haushaltsausschuss des Bundestages gebilligt werden. Für die letzte Sitzung in diesem Jahr ist da einiges aufgelaufen.
Größter Posten bei den Vorlagen, die beschlossen werden sollen, und zugleich auch die größte Einzelausgabe aus dem Sondervermögen ist die Beschaffung eines neuen Kampfflugzeugs. Die Luftwaffe soll 35 Jets des US-Typs F-35 erhalten. Dafür sind zwar insgesamt knapp zehn Milliarden Euro vorgesehen, dem Haushaltsausschuss liegen aber zunächst nur Beschaffungsverträge über knapp 8,3 Milliarden Euro vor.
Darin sind neben den Flugzeugen selbst die Kosten für Bewaffnung enthalten, unter anderem 75 Luft-Luft-Lenkflugkörper “AIM-9X Sidewinder” für kurze, 105 Luft-Luft-Lenkflugkörper AAMRAM für mittlere Reichweite sowie mehrere hundert konventionelle Bomben.
Der wesentliche – politische – Grund für die Beschaffung der F-35 spiegelt sich in den Kosten zunächst nicht wider: Die Maschinen sollen als Teil der Nuklearen Teilhabe im Kriegsfall US-Atombomben ins Ziel bringen und in dieser Rolle die betagten Tornados der Luftwaffe ablösen. Diese Bomben selbst gehören den USA und bleiben auch unter US-Kontrolle.
Für deren Stationierung werden allerdings zusätzliche Infrastrukturkosten auf dem Fliegerhorst Büchel in der Eifel fällig. Sie fallen aber erst in den kommenden Jahren an und werden deshalb in diesem Jahr noch nicht dem Bundestag vorgelegt.
Ein weiterer Milliarden-Posten auf der Liste des Ausschusses ist die Beschaffung moderner digitaler Funkgeräte. Bereits seit Jahren kann vor allem das Heer mit veralteter, nur unzureichend verschlüsselter Kommunikation in gemeinsamen Nato-Einsätzen kaum noch mit Verbündeten kommunizieren. Aus dem Sondervermögen soll deshalb ein modernes, digitales Führungsfunksystem beschafft werden.
Der Rahmenvertrag, der den Abgeordneten zur Billigung vorliegt, hat ein Volumen von knapp 2,9 Milliarden Euro. Für die nächsten 15 Jahre sind darin feste Aufträge in Höhe von 1,35 Milliarden für zunächst rund 20.000 Funkgeräte vorgesehen. Mögliche weitere Bestellungen sollen mit knapp 1,52 Milliarden Euro zu Buche schlagen.
Die dafür vorgesehenen 14.000 Funkgeräte sind unter anderem wegen der Komplexität für Gefechtsstände teurer. Hinzu kommen Nutzungskosten, die über die nächsten 20 Jahre 2,2 Milliarden Euro betragen und aus dem normalen Verteidigungshaushalt bestritten werden sollen.
Formal ist der Auftrag, ein Teil des Programms “Digitalisierung landbasierter Operationen” (D-LBO), ein Änderungsvertrag zu bereits bestehenden Vereinbarungen mit dem Münchner Unternehmen Rohde & Schwarz. Damit gibt es auch keine neue europaweite Ausschreibung, für die sich vor der Verabschiedung des Haushalts einige Abgeordnete ausgesprochen, diese Forderung dann aber zurückgenommen hatten.
Eine solche Ausschreibung hätte vermutlich den Zeitplan infrage gestellt, bereits im kommenden Jahr die ersten Geräte in die Truppe einzuführen und die geplante vollständig ausgestattete “Division 2027” des Heers auszurüsten.
Ebenfalls aus dem Sondervermögen finanziert werden soll die Ausstattung von Infanteristen mit Funkgeräten, Teil des sogenannten Systems “Infanterist der Zukunft” (IdZ). Diese “Führungsmittelausstattungen” für 14 Infanteriezüge im Umfang von 53 Millionen Euro werden, das ist ein Sonderfall, noch in diesem Jahr geliefert und auch bezahlt – obwohl sonst das Sondervermögen erst ab dem kommenden Haushaltsjahr zur Verfügung steht.
Grund dafür ist, dass es sich zwar um Funktechnik handelt, das IdZ-System aber als Teil der persönlichen Ausstattung der Soldaten gilt – und dafür hatten die Abgeordneten bereits im Frühjahr, noch vor der parlamentarischen Freigabe des Sondervermögens, eine vorgezogene Genehmigung erteilt.
Vom Bundeskanzler bei Aufzählung der Beschaffungen aus dem Sondervermögen gerne erwähnt ist das Überschneefahrzeug: Ein Kettenfahrzeug für die Gebirgsjäger, das auf Schnee, aber auch in sumpfigem Gelände Mobilität garantiert. Aus dem “Collaborative All-Terrain Vehicle”-Programm gemeinsam mit Schweden und Großbritannien sollen zunächst 140 dieser Fahrzeuge für 552 Millionen Euro gebilligt werden. Bereits fest eingeplant, allerdings dem Parlament bislang nicht vorgelegt, ist ein zweites Los mit mindestens 210 Systemen für weitere 870 Millionen Euro.
Und noch ein großer Posten liegt dem Haushaltsausschuss zur Billigung vor: Nach fast zehn Jahren Debatte soll der Kauf neuer Sturmgewehre für die Truppe beschlossen werden (s. unten). Das allerdings ist ein Vorhaben, welches das Verteidigungsministerium aus dem normalen Haushalt stemmen muss; ins Sondervermögen wurde diese Beschaffung nicht aufgenommen.
Der Haushaltsausschuss des Bundestages wird am Mittwoch, voraussichtlich, den Kauf eines neuen Sturmgewehrs für die Bundeswehr billigen. Der Vertrag mit dem Schwarzwälder Rüstungsunternehmen Heckler & Koch sieht eine Lieferung von bis zu 118.718 neuen Gewehren für insgesamt rund 273,3 Millionen Euro vor.
Das HK416 soll die bisherige Standardwaffe G36 ablösen – das vorläufige Ende eines Beschaffungsprozesses, der mehr als zehn Jahre gedauert hat. Und dabei geht es um vergleichsweise einfache Technik, nicht ansatzweise so komplex wie ein neuer Kampfjet, eine Fregatte oder auch nur ein Lenkflugkörper.
Begonnen hatte die scheinbar unendliche Geschichte bereits 2012. Eine der ersten Meldungen veröffentlichte der “Spiegel” am 1. April jenes Jahres: “Nach mehreren hundert Schuss”, hieß es unter Berufung auf interne Berichte der Bundeswehr, “wird der Lauf der Waffe so heiß, dass auf 300 Meter Entfernung die Trefferwahrscheinlichkeit auf ein Drittel sinkt”.
Erfahrungen aus der Truppe im Afghanistan-Einsatz bestätigten die technischen Untersuchungen zwar nicht, aber das G36 kam auf den Prüfstand – und erwies sich in den Tests anfällig nicht nur gegen Dauerfeuer, sondern auch gegen intensive Sonneneinstrahlung in heißen Einsatzgebieten.
Gut drei Jahre später, nach vielen weiteren Untersuchungen und Bewertungen, gab die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen die Richtung vor. Im April 2015 fällte sie das Urteil, das den weiteren Kurs der Beschaffungsbürokratie bestimmte: “Das G36, so wie es heute konstruiert ist, [hat] keine Zukunft in der Bundeswehr.”
Nun müsse “mit Hochdruck” Ersatz vor allem für die Auslandseinsätze beschafft werden, aber ein Austausch aller Gewehre in der Truppe werde “sicherlich nicht binnen Jahresfrist” passieren. Im September 2015 ließ dann das Ministerium den Bundestag wissen, dass bereits 2019 die rund 170.000 G36 in den Depots durch ein neues Sturmgewehr ersetzt werden sollten.
Tatsächlich dauerte es allein noch einmal fast zwei Jahre, bis der Auftrag für ein neues Sturmgewehr ausgeschrieben wurde. Im April 2017 veröffentlichte das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) den Text der europaweiten Ausschreibung: zunächst gut 17.000 Sturmgewehre mit der Option auf weitere, damals noch bewusst ohne Festlegung auf das Kaliber 5,56 mm oder 7,62 mm.
Das Test- und Auswahlverfahren zog sich dann noch mal mehr als drei Jahre hin, zwei Unternehmen – Steyr-Mannlicher und Sig Sauer – zogen ihre Bewerbungen um den Auftrag zurück. Im September 2020 dann die Überraschung: nicht der Hauslieferant der Bundeswehr, Heckler & Koch, sondern das Thüringer Unternehmen C.G. Haenel erhielt den Zuschlag für seinen Maschinenkarabiner MK556. “Das siegreiche Angebot hat alle Bewertungskriterien erfüllt und weist über die Lebensdauer die höchste Wirtschaftlichkeit aller Angebote auf”, schrieb der damalige Parlamentarische Staatssekretär Peter Tauber dem Bundestag.
Diese Entscheidung allerdings war erst der Startschuss für langwierige juristische Auseinandersetzungen, in denen unter anderem Patentstreitigkeiten eine Rolle spielten. Zwischendurch entschied das Verteidigungsministerium, C.G. Haenel deshalb vom Vergabeverfahren auszuschließen, was wiederum neue Gerichtsverfahren nach sich zog.
Erst nach der vorerst letzten Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf im Juni dieses Jahres war der Weg zum Vertrag wirklich frei. Das Beschaffungsamt konnte am 8. August den endgültigen Zuschlag für die Beschaffung des Gewehrs HK416 an Heckler & Koch erteilen, der nun dem Bundestag vorliegt.
Das Ende des bereits 1995 in die Bundeswehr eingeführten Sturmgewehrs G36 ist das allerdings dennoch nicht. Denn die Waffe wird weiter gebraucht: Bereits ab Mitte kommenden Jahres, so legte das Ministerium für die Reservisten der Bundeswehr fest, soll die Waffe schrittweise “an die nichtaktiven Truppenteile übergeben” werden. Für die Schutz- und Sicherungskräfte, die von der Reserve gestellt werden, bleibt das G36 vorerst die Standardwaffe.
Fast 900.000 Finnen könnten im Ernstfall eine Waffe nehmen, die Uniform anziehen und das Land gegen Invasoren verteidigen. Die Sicherheitsstrategie des 5,5-Millionen-Einwohnerlandes hängt essenziell von der Reserve ab. 280.000 Reservisten stellen die “Wartime Strength” und können für einen Krieg mobilisiert werden, der Rest würde nachrücken.
Die große Zahl an Reservisten hängt mit einer anderen Zahl zusammen: 1343. So viele Kilometer Grenze teilt sich Finnland mit Russland. “Mit unseren Ressourcen könnten wir uns sonst keine große Armee leisten, um Russland abzuwehren”, sagt Janne Kuusela, Leiter der Direktion für Verteidigungspolitik im finnischen Verteidigungsministerium, gegenüber Security.Table.
Weil Finnland sein Geld nicht in Gehälter von Berufssoldaten stecken muss, haben die Skandinavier ein Problem nicht, das Deutschland hat. Während es der Bundeswehr an Artilleriemunition mangelt oder Beschaffungspläne aus dem Sondervermögen gestrichen werden müssen, kann Finnland mehr in Ausrüstung investieren.
Mit rund 1.500 Artilleriewaffen, darunter 700 Haubitzen, 700 schweren Mörsern und 100 Raketenwerfern verfügt Finnland über mehr Feuerkraft als Deutschland, Polen, Norwegen und Schweden zusammen. 2022 betrug Finnlands Verteidigungsbudget geschätzt 5,1 Milliarden Euro.
80 Prozent der Männer machen Wehrdienst, sagt Kuusela. Rund 22.000 Wehrpflichtige werden jährlich ausgebildet. Etwa 1.000 Frauen leisten freiwillig Wehrdienst. Der Dienst dauert in Finnland je nach zugewiesener Einheit sechs Monate bis ein Jahr. Nach dem Wehrdienst werden die Reservisten zu Übungen einberufen. Wie oft, hängt auch von der Einheit ab. Arbeitgeber müssen Reservisten freistellen, Ausnahmen für kritische Berufe werden akzeptiert. Wer nicht kann, darf eine Verschiebung beantragen, muss dann aber zu einem späteren Termin erscheinen.
Vor dem Krieg in der Ukraine wurden jedes Jahr 20.000 Reservisten trainiert, mittlerweile hat Finnland auf fast 30.000 Reservisten erhöht, die in der Regel eine Woche trainieren. Je nach Einheit werden die Reservisten alle ein bis zwei Jahre oder seltener einberufen.
Den Kern der finnischen Verteidigung bilden die rund 8.000 Berufssoldaten, dazu kommen die Wehrdienstleistenden und die Reserve. “Etwa 95 Prozent unserer Kriegsstärke kommen aus der Reserve”, sagt Jyri Raitasalo, Leiter des strategischen Planungssektors bei den finnischen Streitkräften und Dozent an der Finnish National Defence University. “Quasi alle Positionen werden von Reservisten besetzt. Sogar Kompaniechefs, Bataillonskommandeure und so weiter.” Lediglich bei der Luftwaffe und der Marine setze man auf professionelles Personal, weil die mit Hochtechnologie zu tun haben, sagt Kuusela.
Je nach Funktion scheidet man mit 50 aus oder als Reserveoffiziere und -unteroffiziere. “Wir versuchen, die Reserve so jung wie möglich zu halten”, sagt Kuusela. Den höchsten Rang, den man erreichen kann, ist Major, selten auch Oberst, sagt Kuusela.
Damit so ein System funktioniert, müssen viele Gesellschaftsteile mitziehen. “Das ist der Kern unserer Verteidigung. Das hat eine lange Tradition in Finnland”, sagt Kuusela. Deshalb würden alle politischen Parteien in das System einbezogen, damit es ein gemeinsames Verständnis und keine großen Veränderungen nach Wahlen gibt, sagt Kuusela.
Wenn jemand Zivildienst macht, müsse er sich vor Freunden und Familie erklären, in anderen Ländern sei das umgekehrt, sagt Kuusela. Kollegen aus anderen Ländern sagten ihm, dass ein solches System politisch nur schwer implementierbar sei. Außerdem helfe ein absolvierter Wehrdienst bei der Jobsuche. “Junge Leute wissen, dass das ein Faktor ist”, sagt Kuusela.
Das finnische Reservekonzept weckt auch Interesse in der Bundeswehr. Besonders der ganzheitliche Ansatz der “Total Defence” habe die Deutschen interessiert, sagt Kuusela. Finnland hat eine robuste zivile Infrastruktur, Nahrungs- und Treibstoffreserven und ein ausgeprägtes Bunkersystem.
Anfang kommenden Jahres wird der stellvertretende Generalinspekteur der Bundeswehr, Markus Laubenthal, im Norden erwartet. Er ist in der Bundeswehr auch für die Reserve zuständig und will sich umfassend über das finnische Modell informieren (siehe Interview).
Dass die Streitkräfte der letzte Ort seien, an dem alle Gesellschaftsschichten zusammenkommen, sei für die nationale Einheit und Identität der Finnen wichtig, sagt Raitasalo. Dort träfen sich Nokia-Führungskräfte und Hausmeister. “Das ist ein Aspekt der Kohäsion, der auch die Resilienz gegen hybride Bedrohungen stärkt.”
Ein bisschen wird sich die finnische Verteidigung durch den Nato-Beitritt verändern müssen. Neues Equipment muss gekauft werden, ein paar Reservisten müssen Verträge erhalten, die sie schnell einsetzbar machen. Das Verteidigungssystem soll von 12.500 Vollzeitbeschäftigten auf 13.000 bis 14.000 aufgestockt werden, sagt Kuusela. Offiziere müssen in verschiedene Nato-Stäbe entsandt werden. Neben einer robusten Verteidigung der Nordflanke bekommt die Nato also auch ein paar Denkanstöße.
Herr Laubenthal, das künftige Nato-Mitglied Finnland hat 900.000 Reservisten, das ganze Land ist mehr oder weniger verteidigungsfähig. Wie groß ist Ihr Neid auf die Finnen?
Neidisch bin ich nicht, wir haben auch 900.000 Reservisten und Reservistinnen, allerdings nur in der Dienstleistungsüberwachung. Das heißt, die könnten wir im Krisenfall heranziehen, sie sind aber wahrscheinlich nicht mehr so ausgebildet und trainiert wie die Reservisten in Finnland. Deswegen blicken wir zu unseren Partnern, um zu bewerten, wie man eine Reserve unter verschiedenen Bedingungen organisiert, in Übung hält und rechtzeitig alarmiert.
Was interessiert Sie da besonders?
Mich interessiert zum Beispiel, wie diese 900.000 Reservisten ausgerüstet sind, welche Teile der Ausrüstung sie zu Hause haben und welche Teile wo und wie im Krisenfall zentral bereitgestellt werden. Ich glaube, wir können uns vielleicht etwas abschauen, auch wenn wir selbst derzeit mit 100.000 Reservisten und Reservistinnen planen.
Finnland hat eine 1300 Kilometer lange Grenze mit Russland. Sehen Sie Deutschland in einer ähnlichen Bedrohungslage?
Wir haben keine Grenze mit Russland, teilen aber die Bedrohungseinschätzung. Sie hat sich leider in der Ukraine durch den brutalen russischen Angriffskrieg bewahrheitet. Für eine Bundeswehr in der Landes- und Bündnisverteidigung brauchen wir mehr Reserven, um durchhaltefähiger zu werden, die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte zu erhöhen und um im Krisenfall kritische Infrastruktur vor allem hier bei uns in der Heimat schützen zu können.
Der Schutz kritischer Infrastruktur erfordert vor allem klassische infanteristische Fähigkeiten. In den zwei Jahrzehnten der Einsätze brauchte die Bundeswehr vor allem Spezialisten aus der Reserve. Wird künftig wieder jeder wehrfähige Mann gebraucht?
Das nicht, und wir haben im Übrigen inzwischen auch viele Reservistinnen. Die Zeiten, in denen nur Männer Dienst als Reservist geleistet haben, sind vorbei. Aber zur Frage: Es geht um die ganze Bedarfspalette der Bundeswehr, also Reserveoffiziere und -unteroffiziere und Mannschaften, die aktive Soldaten und Soldatinnen vertreten und die Fähigkeiten in der Truppe vervielfältigen. Vorrangig müssen wir aber die Verstärkungsreserve in den Bataillonen und die Territoriale Reserve in den Heimatschutzregimentern aufbauen, um die Bundeswehr bis auf Einheitsebene insgesamt durchhaltefähiger zu machen.
Wie viele Reservistinnen und Reservisten hat die Bundeswehr derzeit?
Etwa 900.000 in der Dienstleistungsüberwachung und rund 34.000 beorderte Reservisten auf Dienstposten. Ziel ist es, für die Verstärkungsreserve und die Territoriale Reserve auf 100.000 Reservisten zu kommen: 60.000 “echte” Reservisten und Reservistinnen und 40.000 aus der militärischen Grundorganisation. Das sind Bundeswehrbedienstete aus Universitäten, Schulen und Ämtern der Bundeswehr, die in einer Zweitrolle Einsatzaufgaben übernehmen.
Die Zahl 60.000 kenne ich schon seit Jahren als Zielgröße für beorderte Reservisten. Warum sollten Sie jetzt hinbekommen, was die Bundeswehr seit Jahren nicht schafft?
Weil wir seit einem Jahr das Prinzip der Grundbeorderung haben. Etwa 12.000 Zeit- und Berufssoldaten und -soldatinnen bzw. Freiwillig Wehrdienstleistende verlassen pro Jahr die Bundeswehr, davon sind nach ersten Erfahrungen zwischen 7.000 und 8.000, wahrscheinlich auch deutlich mehr, geeignet für eine auf sechs Jahre verpflichtende Grundbeorderung. Das heißt, innerhalb von sechs Jahren kommen wir auf circa 42.000 Reservisten und dieser Bestand regeneriert sich dann jährlich selbst. Hinzu kommen bereits Beorderte und viele Ungediente, die sich freiwillig zum Heimatschutz oder auch als Spezialisten verpflichten.
Wann soll die Reserve diesen Umfang erreicht haben?
Bis sich die Strukturen und Verfahren eingelaufen haben, rechne ich mit einer Dauer von zehn Jahren. Gemeinsam mit dem aktiven Verstärkungspersonal lässt sich die Zahl 100.000 voraussichtlich bis Ende des Jahrzehnts erreichen. Mein Ziel ist es, dass bereits bis 2025 etwa 30 Prozent der Verstärkungsreserve und der Territorialen Reserve bei einer konkreten Einheit beordert, ausgerüstet, trainiert und innerhalb von 48 Stunden einsatzfähig sind. Dazu entwickeln wir eine App, um die Heranziehung zur Reservedienstleistung schnell, digital und unbürokratisch durchzuführen.
Innerhalb von zwei Tagen einsatzfähig, das bedeutet, die Arbeitgeber dieser Reservisten müssen ihr Personal von jetzt auf gleich freistellen. Das war in der Vergangenheit ein Problem. Wie soll das gehen?
Sie haben recht, wir haben hier nach wie vor die doppelte Freiwilligkeit. Der Reservist muss freiwillig zu uns kommen und der Arbeitgeber muss dem zustimmen. Unter den aktuell geltenden Friedens- und Arbeitsmarktbedingungen ist die Schaffung einer anderen Rechtslage schwierig. Ich kann aber sagen, dass sich das Problem beim Aufbau der Heimatschutzregimenter in Bayern und jetzt aktuell in Nordrhein-Westfalen nicht im befürchteten Ausmaß zeigt. Wir finden genügend Freiwillige, die an bis zu fünf Wochenenden pro Jahr und alle zwei Jahre für zehn Werktage am Stück zusammengezogen werden.
Und das soll reichen, um für den Krisenfall gewappnet zu sein?
Es wird reichen, um ehemalige Zeit- und Berufssoldaten, aber auch Ungediente auf einfache Sicherungsaufgaben vorzubereiten und in Übung zu halten. Für komplexere Aufgaben ist mehr Training erforderlich.
Wie sind diese Reservisten dann ausgerüstet?
Der Reservist bzw. Reservistin im Heimatschutz wird künftig 55 persönliche Ausrüstungsteile mit nach Hause bekommen, dazu zählt natürlich die Flecktarn-Uniform. Außerdem wird für jeden eine Waffe vorgehalten, zunächst das G36, perspektivisch aber auch das neue Sturmgewehr HK416.
Die Ukraine hätte den Krieg ohne Reservisten bereits verloren. Welche Schlüsse sind daraus für die Bundeswehr zu ziehen?
Ohne Reserve geht es in Krisenzeiten oder im Verteidigungsfall nicht. Wir brauchen künftig Reservistinnen und Reservisten auch, um Verluste und Ausfälle in aktiven Einheiten sofort ersetzen zu können. Das Heer wird dazu in den Truppengattungen wieder Feldersatzeinheiten aufstellen. Das gab es zuletzt im Kalten Krieg.
Als Reservist musste man in den zurückliegenden drei Jahrzehnten nicht befürchten, zum Dienst einberufen zu werden, wenn man nicht wollte. Wie wird es künftig sein?
Ein beorderter Reservist muss sich darauf einstellen, im Spannungs- und Verteidigungsfall sehr kurzfristig einberufen zu werden. Dafür braucht eine einsatzbereite Bundeswehr eine einsatzbereite Reserve.
Sicherheit und Verteidigung stehen im Fokus des EU-Gipfels am Donnerstag. Russlands Krieg gegen die Ukraine zwingt die EU, das Konzept der strategischen Autonomie mit Inhalt zu füllen.
Die noch junge Kriegskasse der EU nennt sich Europäische Friedensfazilität und ist demnächst leer. 5,7 Milliarden Euro waren ursprünglich für die siebenjährige Haushaltsperiode ab 2021 vorgesehen, um Drittstaaten wie Mali, Mosambik oder Somalia bei der Modernisierung ihrer Streitkräfte zu unterstützen. Nun hat die EU bereits 4,3 Milliarden Euro der Mittel in mehreren Tranchen der Ukraine für militärische Hilfe ausgezahlt beziehungsweise zugesagt.
Den Krieg in der Nachbarschaft hatte die EU bei der Haushaltsplanung vor zwei Jahren nicht auf dem Radar. Auf dem Gipfel diesen Donnerstag werden die Staats- und Regierungschefs die Aufstockung der Mittel für die sogenannte Friedensfazilität zur Kenntnis nehmen, ein kleiner Erfolg. Die Außenminister haben am Montag verschiedene Optionen diskutiert und eine politische Einigung über eine gestaffelte Erhöhung erzielt. Für 2023 sollen zwei Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung stehen, bis 2027 dann weitere 3,5 Milliarden Euro.
Im Vorfeld war befürchtet worden, Ungarn könnte die Aufstockung blockieren. Die Regierung von Viktor Orbán nimmt derzeit im Konflikt mit Brüssel um die Rechtsstaatlichkeit und den Zugang zu Kohäsionsgeldern eine Reihe von Dossiers als Geisel. Die Friedensfazilität ist ein neues Instrument der EU auf dem Weg zu mehr strategischer Autonomie. Der Krieg in der Ukraine überschattet überhaupt den Gipfel diese Woche und dominiert die Agenda der Staats- und Regierungschefs.
Die EU übernehme mehr Verantwortung für ihre eigene Sicherheit und dazu gehöre eine höhere Fähigkeit, autonom zu handeln zu erhöhen, heißt es im Entwurf zu den Schlussfolgerungen, die auf dem Gipfel verabschiedet werden sollen. Der Ministerrat und das EU-Parlament werden aufgefordert, die Verordnung zur Stärkung der Europäischen Verteidigungsindustrie durch Gemeinsame Beschaffung (EDIRPA) rasch zu verabschieden.
Das Instrument mit 500 Millionen Euro soll Anreize für gemeinsame Beschaffungen der Mitgliedstaaten auslösen. In einem weiteren Punkt der Schlussfolgerungen werden EU-Kommission und der Europäische Verteidigungsfonds aufgefordert, Bedürfnisse zu identifizieren und gemeinsame Beschaffungen zu koordinieren.
Dies mit dem Ziel, die leeren Waffenbestände rasch aufzufüllen. Die Vorräte seien aufgrund langjähriger Unterinvestitionen schnell aufgebraucht gewesen, beklagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Die EU-Staaten müssten ihre Ausgaben weiter erhöhen und die Zusammenarbeit intensivieren.
Gipfelthema ist auch ein Vorschlag der EU-Kommission, wie die militärische Mobilität zwischen den Mitgliedstaaten erhöht werden kann. Die EU-Staaten sollen ihre Verkehrsinfrastrukturen wie Straßen, Brücken oder Seehäfen für die Verlegung schweren Kriegsgeräts fit machen. Im EU-Haushalt sind dafür 1,69 Milliarden Euro vorgesehen.
Auch bürokratische Verfahren bei Truppenverlegungen sollen verschlankt werden. Heute seien oft mehr als fünf Tage nötig, um zwischen Mitgliedstaaten Kriegsgerät oder Truppen zu verschieben, sagte Borrell kürzlich. Das sei zu lang und müsse im digitalen Zeitalter schneller möglich sein. sti
Die militärischen Schlussfolgerungen aus dem Ukraine-Krieg führen dazu, dass die US-Streitkräfte im kommenden Jahr ihre Munitionsvorräte erheblich aufstocken werden. Der Etat des Pentagon für 2023 sieht ein riesiges Paket für Lenkflugkörper, Raketen, Granaten und Patronen vor, das nach Schätzung von Militärexperten in seinem Umfang von allen anderen Nato-Mitgliedern zusammen nicht erreicht wird.
Das Paket beinhaltet drei Hauptelemente: Artillerie-, Flugabwehr- und Anti-Schiffsmunition. Bei der Artillerie fällt vor allem die Beschaffung von 700 (!) HIMARS-Systemen und 106.000 Raketen (darunter 1.700 MGM-140 ATACMS, die ca. 300 km weit reichen) ins Auge. HIMARS hat sich in der Ukraine als sehr wirksam und effektiv erwiesen. Die vier Artillerie-Bataillone der Bundeswehr verfügen zusammen über 32 Systeme dieser Art. Außerdem im Paket: 876.000 Granaten 155 mm, darunter mehr als 12.000 Präzisionsgeschosse (“Excalibur”) und 2,25 Millionen Treibladungen (zum Beispiel für Granaten).
Bei der Munition für die bodengebundene Flugabwehr wollen die US-Streitkräfte auf gesamter Bandbreite einkaufen. Auch dies dürfte einerseits Folge umfangreicher Lieferungen an die Ukraine und damit dezimierter Lagerbestände und andererseits eines erhöhten Eigenbedarfs für den Fall eines intensiven Kriegs (der Nato mit Russland oder der USA mit China) sein. Dazu zählen unter anderem 3850 Patriot-Abwehrraketen PAC-3, 5600 Stinger (kurze Reichweite), 5100 AIM-120 (mittlere Reichweite) und 1500 Standard Missile-6 (große Reichweite).
Die Einkaufsliste für die Abwehr feindlicher Schiffe dürfte derweil weniger mit den Ukraine-Erfahrungen, sondern mehr mit einem möglichen Kriegsszenario im Indopazifik zu tun haben. Chinas Marine hat bereits heute einen ähnlichen Umfang wie die US Navy. Hier fällt besonders die geplante Beschaffung von 2600 Lenkflugkörpern Harpoon (Flugzeuge und Schiffe), 1250 Naval Strike Missiles (Bewaffnung der F35 zum Kampf gegen Seeziele) und 950 Seezielflugkörpern mit hoher Reichweite (AGM-158) ins Auge.
Zur Einordnung: Nach wie vor ist unklar, wie viel Munition die Bundeswehr benötigt, um wieder kampf- und verteidigungsfähig zu werden. Nach Aussage von Industrievertretern wurde in diesem Jahr bisher kein einziger Auftrag für die Munitionsproduktion durch das Beschaffungsamt erteilt. ms
Russische Behörden verschärfen massiv die Internetzensur. Innerhalb der vergangenen Woche sind fast 15.000 Seiten blockiert worden. Für gewöhnlich sind es 1.500 bis 7.000 Seiten pro Woche. Auffallend dieses Mal: 14 Prozent aller neuen Einträge in dem entsprechenden staatlichen Register erfolgten auf Weisungen einer nicht genannten Behörde.
Die russische NGO “Roskomswoboda”, die für Meinungs- und Informationsfreiheit im Internet kämpft, geht davon aus, dass die Generalstaatsanwaltschaft dies veranlasst habe, zitiert die Tageszeitung Kommersant eine Sprecherin. Das deutet darauf hin, dass es sich um Seiten mit politischen Inhalten handeln könnte.
Blockaden in solch einem Umfang gab es in Russland zuletzt im April 2021, als der russische Oppositionelle Alexey Nawalny während seiner Haft in einen Hungerstreik getreten war. Davor griffen die Behörden im April 2018 hart durch und blockierten überdurchschnittlich viele Seiten, als die russischen Behörden entschieden, das Netzwerk Telegram zu blockieren.
Seit dem Kriegsbeginn gegen die Ukraine hat die russische Regierung die Zensur im Land verschärft, zahlreiche kritische Medien wie DOXA, Novaya Gazeta, Echo Moscow, Meduza, aber auch BBC und Deutsche Welle sind in Russland im Internet nicht mehr direkt zugänglich. Teilweise mussten die Medien ihre Redaktionen ins Ausland verlagern. Auch soziale Netzwerke werden stärker reglementiert, der Konzern Meta, zu dem Instagram und Facebook gehören, gilt sogar als extremistisch, der Zugang ist blockiert. vf
The Aviation Geek Club: The Su-57 is marketed as stealth fighter but radars have between 6 to 10 times greater detection range against the Felon compared to F-22 & F-35. Here’s why: Die lange Überschrift erklärt, worum es geht und der Name der Webseite verrät: Ein Text für Nerds, die erfahren wollen, was die amerikanischen Kampfjets F-22 und F-35 haben, das die russische Su-57 nicht hat.
Newsweek – Lessons From the U.S. Civil War Show Why Ukraine Can’t Win: Man muss die Einschätzungen von David H. Rundell und Michael Gfoeller nicht teilen, aber sie bringen einen interessanten Gedanken auf, warum der Krieg in der Ukraine mit einer Eskalation des Konflikts zwischen Iran und Israel zu tun haben könnte.
The Guardian – In the ‘Bakhmut meat grinder’, deadlocked enemy forces slog it out: Dass Bachmut umkämpft ist, wirft Fragen auf. Die Gegend hat strategisch keinen großen Wert und beide Seiten haben hohe Verluste. Der Gründer der Wagner-Gruppe sagt, dass auch nicht die Eroberung der Stadt das Ziel sei, sondern die Zerstörung der ukrainischen Truppen dort.
The Wall Street Journal – Rise of Open-Source Intelligence Tests U.S. Spies (Paywall): Die USA hängen bei der Nutzung von öffentlich zugänglichen Daten hinterher. Die CIA könnte in dem Bereich von privaten Unternehmen oder China überflügelt werden.
The New York Times – Spat Over Patriot Missiles Reveals Deepening Rifts in Europe Over Ukraine: Das Hin und Her bei den deutschen Patriot-Raketen, die Berlin an Warschau liefern will, zeige, wie beschädigt die deutsch-polnischen Beziehungen sind. Hier erfährt man mehr darüber, warum das so ist.
Bis die Journalistin Anna Babinets vergangene Woche mal durchatmen konnte, musste sie am Flughafen Wien ankommen. Davor hatte die 38-jährige Ukrainerin stressige Tage in Berlin. Im positiven Sinne. Am Montag bekam sie den Sonderpreis des Reporter:innen-Forums, danach eilte sie von Termin zu Termin.
Babinets berichtet mit ihren Kollegen von slidstvo.info über russische Kriegsverbrechen in der Ukraine, sammelt Fotos von Tätern, befragt Zeuginnen und Zeugen und archiviert das in der Datenbank Russian War Criminals. Dass sie einen Preis aus Deutschland erhalten hat, freut sie besonders. “Gerade auch, weil die deutsche Gesellschaft uns zu Beginn des Krieges nicht gut genug unterstützt hat. Für viele Deutsche war schwer zu verstehen, was passierte. Jetzt sehen wir, dass wir mehr Aufmerksamkeit bekommen.”
Vor dem Krieg recherchierte sie zu Korruption in der Ukraine, dem Mord am Journalisten Pavel Sheremet, nahm an internationalen Recherchen wie den Panama Papers teil. “Wir haben schon vor dem Krieg mit harten Themen gearbeitet. Mit Verwandten von Ermordeten gesprochen, Opfern von Gewalt.” Trotzdem schockiert sie ihre Arbeit regelmäßig. “Wir denken oft, dass uns nichts überraschen kann, aber jede Woche staunen wir über Dinge, die unsere Reporter aus dem Einsatz berichten.”
Wie etwa in den ersten Kriegswochen. Damals suchten russische Soldaten bei Kiew nach Ukrainern, die mit der Armee oder der Polizei zusammengearbeitet haben sollen. “Sie haben sie gekidnappt, gefoltert, getötet oder ins Gefängnis gesteckt.”
Auch auf andere Verbrechen stößt Babinets immer wieder. “Wir haben sexuelle Gewalt gesehen, Vergewaltigung von ukrainischen Frauen, sogar Teenagern oder Kindern. Darüber haben wir berichtet.” Darin sieht sie eine Struktur. “Das passiert überall in der Ukraine, in jedem Gebiet, das besetzt war und wir glauben, dass das in allen besetzten Gebieten grade geschieht.”
Auch bei den Straftätern sieht Babinets einen Typus. “Die meisten Verbrechen werden von jungen Soldaten begangen. Von Mitte 20 bis Mitte 30. Manchmal sind es auch Offiziere.” Eine weitere Form von Verbrechen sind Deportationen, vor allem in der Ostukraine. “Wir sehen Kidnapping von Aktivisten und Journalistinnen in besetzten Gebieten, auch von Kindern, die nach Russland geschickt werden.”
Viele der Informationen finden Babinets und ihr Team frei zugänglich im Netz. Sie sammeln Fotos und Videos auf Sozialen Netzwerken, gleichen Bilder mit Face ID ab, nutzen Geolocations, um nachzuvollziehen, wo russische Soldaten waren, verbinden Telefonnummern mit Gesichtern, zeigen die Bilder den Zeugen. “Als der Krieg begann, haben wir uns besprochen und gefragt: Was können wir tun?”, sagt Babinets. Die Antwort war: “Beweise sammeln und sie dem Publikum präsentieren.”
Aus ihrem siebenköpfigen Team wurden zwei Journalisten in die Armee eingezogen. Ihre Berichte übersetzen Babinets und ihr Team auf Englisch und Russisch. 40 Millionen Mal wurden ihre Videos auf Youtube schon angeschaut. Einige Recherchen wurden von offiziellen Stellen aufgenommen. “Wir sind froh, dass sie dabei helfen, Kriminelle zu bestrafen”, sagt Babinets. “Ich hoffe nur, dass es endet und wir zurück zu unseren ursprünglichen Investigativthemen gehen können.” Gabriel Bub
fragen Sie sich auch manchmal, warum die Dinge immer auf den letzten Drücker geschehen müssen? Einige Abgeordnete des Haushalts- und Verteidigungsausschusses jedenfalls tun das gerade. Wie so häufig in der Vergangenheit legt ihnen das Verteidigungsministerium in dieser Woche, der letzten Sitzungswoche des Bundestags in diesem Jahr, einen ganzen Stapel an Beschlussvorlagen auf den Tisch. Es geht um etliche Milliarden für die Bundeswehr – Waffensysteme und anderes komplexes Gerät -, die sie innerhalb von ein, zwei Sitzungen freigeben sollen. Thomas Wiegold listet die wichtigsten Projekte auf.
Erinnern Sie sich noch an das G36? Richtig, das Sturmgewehr, das angeblich um die Ecke schießt. Tut es nicht, im Gegenteil, es bleibt noch weitere Jahre im Dienst, aber sein Nachfolger kann nun nach einer Farce bei der Ausschreibung endlich produziert werden.
Haben Sie gedient? Diese Frage hört man heute kaum noch. Der Wehrdienst ist abgeschafft und Reservisten gibt es nur wenige. Das soll sich wieder ändern. Die Bundeswehr will eine neue Reserve aufstellen, wie der zuständige stellvertretende Generalinspekteur berichtet. Vorbild dabei sind unter anderem die Finnen. Ihr Konzept für eine knappe Million Reservisten beschreibt Gabriel Bub.
Vor dem Mut und der Opferbereitschaft der ukrainischen Soldaten in ihrem Kampf gegen die Invasoren kann man nur den Hut ziehen. Doch auch die Zivilgesellschaft kämpft gegen Russland. Ein Beispiel dafür ist die Journalistin Anna Babinets. Sie dokumentiert russische Kriegsverbrechen in der Ukraine, damit die Täter eines Tages vor Gericht gebracht werden können. Wir stellen Anna Babinets in einem Porträt vor.
Wenige Tage nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hatte Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner “Zeitenwende”-Rede ein Sondervermögen für die Bundeswehr angekündigt: Ausgaben für die großen Beschaffungen der Streitkräfte, die zum Teil seit Jahren verzögert wurden, sollen damit finanziert werden.
Fast zehn Monate nach der Ankündigung sollen am Mittwoch (14. Dezember) die ersten Ausgaben aus diesem Sondervermögen bewilligt werden: Alle Beschaffungen im Wert von mehr als 25 Millionen Euro, ob aus dem neuen Topf oder dem normalen Etat, müssen gesondert vom Haushaltsausschuss des Bundestages gebilligt werden. Für die letzte Sitzung in diesem Jahr ist da einiges aufgelaufen.
Größter Posten bei den Vorlagen, die beschlossen werden sollen, und zugleich auch die größte Einzelausgabe aus dem Sondervermögen ist die Beschaffung eines neuen Kampfflugzeugs. Die Luftwaffe soll 35 Jets des US-Typs F-35 erhalten. Dafür sind zwar insgesamt knapp zehn Milliarden Euro vorgesehen, dem Haushaltsausschuss liegen aber zunächst nur Beschaffungsverträge über knapp 8,3 Milliarden Euro vor.
Darin sind neben den Flugzeugen selbst die Kosten für Bewaffnung enthalten, unter anderem 75 Luft-Luft-Lenkflugkörper “AIM-9X Sidewinder” für kurze, 105 Luft-Luft-Lenkflugkörper AAMRAM für mittlere Reichweite sowie mehrere hundert konventionelle Bomben.
Der wesentliche – politische – Grund für die Beschaffung der F-35 spiegelt sich in den Kosten zunächst nicht wider: Die Maschinen sollen als Teil der Nuklearen Teilhabe im Kriegsfall US-Atombomben ins Ziel bringen und in dieser Rolle die betagten Tornados der Luftwaffe ablösen. Diese Bomben selbst gehören den USA und bleiben auch unter US-Kontrolle.
Für deren Stationierung werden allerdings zusätzliche Infrastrukturkosten auf dem Fliegerhorst Büchel in der Eifel fällig. Sie fallen aber erst in den kommenden Jahren an und werden deshalb in diesem Jahr noch nicht dem Bundestag vorgelegt.
Ein weiterer Milliarden-Posten auf der Liste des Ausschusses ist die Beschaffung moderner digitaler Funkgeräte. Bereits seit Jahren kann vor allem das Heer mit veralteter, nur unzureichend verschlüsselter Kommunikation in gemeinsamen Nato-Einsätzen kaum noch mit Verbündeten kommunizieren. Aus dem Sondervermögen soll deshalb ein modernes, digitales Führungsfunksystem beschafft werden.
Der Rahmenvertrag, der den Abgeordneten zur Billigung vorliegt, hat ein Volumen von knapp 2,9 Milliarden Euro. Für die nächsten 15 Jahre sind darin feste Aufträge in Höhe von 1,35 Milliarden für zunächst rund 20.000 Funkgeräte vorgesehen. Mögliche weitere Bestellungen sollen mit knapp 1,52 Milliarden Euro zu Buche schlagen.
Die dafür vorgesehenen 14.000 Funkgeräte sind unter anderem wegen der Komplexität für Gefechtsstände teurer. Hinzu kommen Nutzungskosten, die über die nächsten 20 Jahre 2,2 Milliarden Euro betragen und aus dem normalen Verteidigungshaushalt bestritten werden sollen.
Formal ist der Auftrag, ein Teil des Programms “Digitalisierung landbasierter Operationen” (D-LBO), ein Änderungsvertrag zu bereits bestehenden Vereinbarungen mit dem Münchner Unternehmen Rohde & Schwarz. Damit gibt es auch keine neue europaweite Ausschreibung, für die sich vor der Verabschiedung des Haushalts einige Abgeordnete ausgesprochen, diese Forderung dann aber zurückgenommen hatten.
Eine solche Ausschreibung hätte vermutlich den Zeitplan infrage gestellt, bereits im kommenden Jahr die ersten Geräte in die Truppe einzuführen und die geplante vollständig ausgestattete “Division 2027” des Heers auszurüsten.
Ebenfalls aus dem Sondervermögen finanziert werden soll die Ausstattung von Infanteristen mit Funkgeräten, Teil des sogenannten Systems “Infanterist der Zukunft” (IdZ). Diese “Führungsmittelausstattungen” für 14 Infanteriezüge im Umfang von 53 Millionen Euro werden, das ist ein Sonderfall, noch in diesem Jahr geliefert und auch bezahlt – obwohl sonst das Sondervermögen erst ab dem kommenden Haushaltsjahr zur Verfügung steht.
Grund dafür ist, dass es sich zwar um Funktechnik handelt, das IdZ-System aber als Teil der persönlichen Ausstattung der Soldaten gilt – und dafür hatten die Abgeordneten bereits im Frühjahr, noch vor der parlamentarischen Freigabe des Sondervermögens, eine vorgezogene Genehmigung erteilt.
Vom Bundeskanzler bei Aufzählung der Beschaffungen aus dem Sondervermögen gerne erwähnt ist das Überschneefahrzeug: Ein Kettenfahrzeug für die Gebirgsjäger, das auf Schnee, aber auch in sumpfigem Gelände Mobilität garantiert. Aus dem “Collaborative All-Terrain Vehicle”-Programm gemeinsam mit Schweden und Großbritannien sollen zunächst 140 dieser Fahrzeuge für 552 Millionen Euro gebilligt werden. Bereits fest eingeplant, allerdings dem Parlament bislang nicht vorgelegt, ist ein zweites Los mit mindestens 210 Systemen für weitere 870 Millionen Euro.
Und noch ein großer Posten liegt dem Haushaltsausschuss zur Billigung vor: Nach fast zehn Jahren Debatte soll der Kauf neuer Sturmgewehre für die Truppe beschlossen werden (s. unten). Das allerdings ist ein Vorhaben, welches das Verteidigungsministerium aus dem normalen Haushalt stemmen muss; ins Sondervermögen wurde diese Beschaffung nicht aufgenommen.
Der Haushaltsausschuss des Bundestages wird am Mittwoch, voraussichtlich, den Kauf eines neuen Sturmgewehrs für die Bundeswehr billigen. Der Vertrag mit dem Schwarzwälder Rüstungsunternehmen Heckler & Koch sieht eine Lieferung von bis zu 118.718 neuen Gewehren für insgesamt rund 273,3 Millionen Euro vor.
Das HK416 soll die bisherige Standardwaffe G36 ablösen – das vorläufige Ende eines Beschaffungsprozesses, der mehr als zehn Jahre gedauert hat. Und dabei geht es um vergleichsweise einfache Technik, nicht ansatzweise so komplex wie ein neuer Kampfjet, eine Fregatte oder auch nur ein Lenkflugkörper.
Begonnen hatte die scheinbar unendliche Geschichte bereits 2012. Eine der ersten Meldungen veröffentlichte der “Spiegel” am 1. April jenes Jahres: “Nach mehreren hundert Schuss”, hieß es unter Berufung auf interne Berichte der Bundeswehr, “wird der Lauf der Waffe so heiß, dass auf 300 Meter Entfernung die Trefferwahrscheinlichkeit auf ein Drittel sinkt”.
Erfahrungen aus der Truppe im Afghanistan-Einsatz bestätigten die technischen Untersuchungen zwar nicht, aber das G36 kam auf den Prüfstand – und erwies sich in den Tests anfällig nicht nur gegen Dauerfeuer, sondern auch gegen intensive Sonneneinstrahlung in heißen Einsatzgebieten.
Gut drei Jahre später, nach vielen weiteren Untersuchungen und Bewertungen, gab die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen die Richtung vor. Im April 2015 fällte sie das Urteil, das den weiteren Kurs der Beschaffungsbürokratie bestimmte: “Das G36, so wie es heute konstruiert ist, [hat] keine Zukunft in der Bundeswehr.”
Nun müsse “mit Hochdruck” Ersatz vor allem für die Auslandseinsätze beschafft werden, aber ein Austausch aller Gewehre in der Truppe werde “sicherlich nicht binnen Jahresfrist” passieren. Im September 2015 ließ dann das Ministerium den Bundestag wissen, dass bereits 2019 die rund 170.000 G36 in den Depots durch ein neues Sturmgewehr ersetzt werden sollten.
Tatsächlich dauerte es allein noch einmal fast zwei Jahre, bis der Auftrag für ein neues Sturmgewehr ausgeschrieben wurde. Im April 2017 veröffentlichte das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) den Text der europaweiten Ausschreibung: zunächst gut 17.000 Sturmgewehre mit der Option auf weitere, damals noch bewusst ohne Festlegung auf das Kaliber 5,56 mm oder 7,62 mm.
Das Test- und Auswahlverfahren zog sich dann noch mal mehr als drei Jahre hin, zwei Unternehmen – Steyr-Mannlicher und Sig Sauer – zogen ihre Bewerbungen um den Auftrag zurück. Im September 2020 dann die Überraschung: nicht der Hauslieferant der Bundeswehr, Heckler & Koch, sondern das Thüringer Unternehmen C.G. Haenel erhielt den Zuschlag für seinen Maschinenkarabiner MK556. “Das siegreiche Angebot hat alle Bewertungskriterien erfüllt und weist über die Lebensdauer die höchste Wirtschaftlichkeit aller Angebote auf”, schrieb der damalige Parlamentarische Staatssekretär Peter Tauber dem Bundestag.
Diese Entscheidung allerdings war erst der Startschuss für langwierige juristische Auseinandersetzungen, in denen unter anderem Patentstreitigkeiten eine Rolle spielten. Zwischendurch entschied das Verteidigungsministerium, C.G. Haenel deshalb vom Vergabeverfahren auszuschließen, was wiederum neue Gerichtsverfahren nach sich zog.
Erst nach der vorerst letzten Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf im Juni dieses Jahres war der Weg zum Vertrag wirklich frei. Das Beschaffungsamt konnte am 8. August den endgültigen Zuschlag für die Beschaffung des Gewehrs HK416 an Heckler & Koch erteilen, der nun dem Bundestag vorliegt.
Das Ende des bereits 1995 in die Bundeswehr eingeführten Sturmgewehrs G36 ist das allerdings dennoch nicht. Denn die Waffe wird weiter gebraucht: Bereits ab Mitte kommenden Jahres, so legte das Ministerium für die Reservisten der Bundeswehr fest, soll die Waffe schrittweise “an die nichtaktiven Truppenteile übergeben” werden. Für die Schutz- und Sicherungskräfte, die von der Reserve gestellt werden, bleibt das G36 vorerst die Standardwaffe.
Fast 900.000 Finnen könnten im Ernstfall eine Waffe nehmen, die Uniform anziehen und das Land gegen Invasoren verteidigen. Die Sicherheitsstrategie des 5,5-Millionen-Einwohnerlandes hängt essenziell von der Reserve ab. 280.000 Reservisten stellen die “Wartime Strength” und können für einen Krieg mobilisiert werden, der Rest würde nachrücken.
Die große Zahl an Reservisten hängt mit einer anderen Zahl zusammen: 1343. So viele Kilometer Grenze teilt sich Finnland mit Russland. “Mit unseren Ressourcen könnten wir uns sonst keine große Armee leisten, um Russland abzuwehren”, sagt Janne Kuusela, Leiter der Direktion für Verteidigungspolitik im finnischen Verteidigungsministerium, gegenüber Security.Table.
Weil Finnland sein Geld nicht in Gehälter von Berufssoldaten stecken muss, haben die Skandinavier ein Problem nicht, das Deutschland hat. Während es der Bundeswehr an Artilleriemunition mangelt oder Beschaffungspläne aus dem Sondervermögen gestrichen werden müssen, kann Finnland mehr in Ausrüstung investieren.
Mit rund 1.500 Artilleriewaffen, darunter 700 Haubitzen, 700 schweren Mörsern und 100 Raketenwerfern verfügt Finnland über mehr Feuerkraft als Deutschland, Polen, Norwegen und Schweden zusammen. 2022 betrug Finnlands Verteidigungsbudget geschätzt 5,1 Milliarden Euro.
80 Prozent der Männer machen Wehrdienst, sagt Kuusela. Rund 22.000 Wehrpflichtige werden jährlich ausgebildet. Etwa 1.000 Frauen leisten freiwillig Wehrdienst. Der Dienst dauert in Finnland je nach zugewiesener Einheit sechs Monate bis ein Jahr. Nach dem Wehrdienst werden die Reservisten zu Übungen einberufen. Wie oft, hängt auch von der Einheit ab. Arbeitgeber müssen Reservisten freistellen, Ausnahmen für kritische Berufe werden akzeptiert. Wer nicht kann, darf eine Verschiebung beantragen, muss dann aber zu einem späteren Termin erscheinen.
Vor dem Krieg in der Ukraine wurden jedes Jahr 20.000 Reservisten trainiert, mittlerweile hat Finnland auf fast 30.000 Reservisten erhöht, die in der Regel eine Woche trainieren. Je nach Einheit werden die Reservisten alle ein bis zwei Jahre oder seltener einberufen.
Den Kern der finnischen Verteidigung bilden die rund 8.000 Berufssoldaten, dazu kommen die Wehrdienstleistenden und die Reserve. “Etwa 95 Prozent unserer Kriegsstärke kommen aus der Reserve”, sagt Jyri Raitasalo, Leiter des strategischen Planungssektors bei den finnischen Streitkräften und Dozent an der Finnish National Defence University. “Quasi alle Positionen werden von Reservisten besetzt. Sogar Kompaniechefs, Bataillonskommandeure und so weiter.” Lediglich bei der Luftwaffe und der Marine setze man auf professionelles Personal, weil die mit Hochtechnologie zu tun haben, sagt Kuusela.
Je nach Funktion scheidet man mit 50 aus oder als Reserveoffiziere und -unteroffiziere. “Wir versuchen, die Reserve so jung wie möglich zu halten”, sagt Kuusela. Den höchsten Rang, den man erreichen kann, ist Major, selten auch Oberst, sagt Kuusela.
Damit so ein System funktioniert, müssen viele Gesellschaftsteile mitziehen. “Das ist der Kern unserer Verteidigung. Das hat eine lange Tradition in Finnland”, sagt Kuusela. Deshalb würden alle politischen Parteien in das System einbezogen, damit es ein gemeinsames Verständnis und keine großen Veränderungen nach Wahlen gibt, sagt Kuusela.
Wenn jemand Zivildienst macht, müsse er sich vor Freunden und Familie erklären, in anderen Ländern sei das umgekehrt, sagt Kuusela. Kollegen aus anderen Ländern sagten ihm, dass ein solches System politisch nur schwer implementierbar sei. Außerdem helfe ein absolvierter Wehrdienst bei der Jobsuche. “Junge Leute wissen, dass das ein Faktor ist”, sagt Kuusela.
Das finnische Reservekonzept weckt auch Interesse in der Bundeswehr. Besonders der ganzheitliche Ansatz der “Total Defence” habe die Deutschen interessiert, sagt Kuusela. Finnland hat eine robuste zivile Infrastruktur, Nahrungs- und Treibstoffreserven und ein ausgeprägtes Bunkersystem.
Anfang kommenden Jahres wird der stellvertretende Generalinspekteur der Bundeswehr, Markus Laubenthal, im Norden erwartet. Er ist in der Bundeswehr auch für die Reserve zuständig und will sich umfassend über das finnische Modell informieren (siehe Interview).
Dass die Streitkräfte der letzte Ort seien, an dem alle Gesellschaftsschichten zusammenkommen, sei für die nationale Einheit und Identität der Finnen wichtig, sagt Raitasalo. Dort träfen sich Nokia-Führungskräfte und Hausmeister. “Das ist ein Aspekt der Kohäsion, der auch die Resilienz gegen hybride Bedrohungen stärkt.”
Ein bisschen wird sich die finnische Verteidigung durch den Nato-Beitritt verändern müssen. Neues Equipment muss gekauft werden, ein paar Reservisten müssen Verträge erhalten, die sie schnell einsetzbar machen. Das Verteidigungssystem soll von 12.500 Vollzeitbeschäftigten auf 13.000 bis 14.000 aufgestockt werden, sagt Kuusela. Offiziere müssen in verschiedene Nato-Stäbe entsandt werden. Neben einer robusten Verteidigung der Nordflanke bekommt die Nato also auch ein paar Denkanstöße.
Herr Laubenthal, das künftige Nato-Mitglied Finnland hat 900.000 Reservisten, das ganze Land ist mehr oder weniger verteidigungsfähig. Wie groß ist Ihr Neid auf die Finnen?
Neidisch bin ich nicht, wir haben auch 900.000 Reservisten und Reservistinnen, allerdings nur in der Dienstleistungsüberwachung. Das heißt, die könnten wir im Krisenfall heranziehen, sie sind aber wahrscheinlich nicht mehr so ausgebildet und trainiert wie die Reservisten in Finnland. Deswegen blicken wir zu unseren Partnern, um zu bewerten, wie man eine Reserve unter verschiedenen Bedingungen organisiert, in Übung hält und rechtzeitig alarmiert.
Was interessiert Sie da besonders?
Mich interessiert zum Beispiel, wie diese 900.000 Reservisten ausgerüstet sind, welche Teile der Ausrüstung sie zu Hause haben und welche Teile wo und wie im Krisenfall zentral bereitgestellt werden. Ich glaube, wir können uns vielleicht etwas abschauen, auch wenn wir selbst derzeit mit 100.000 Reservisten und Reservistinnen planen.
Finnland hat eine 1300 Kilometer lange Grenze mit Russland. Sehen Sie Deutschland in einer ähnlichen Bedrohungslage?
Wir haben keine Grenze mit Russland, teilen aber die Bedrohungseinschätzung. Sie hat sich leider in der Ukraine durch den brutalen russischen Angriffskrieg bewahrheitet. Für eine Bundeswehr in der Landes- und Bündnisverteidigung brauchen wir mehr Reserven, um durchhaltefähiger zu werden, die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte zu erhöhen und um im Krisenfall kritische Infrastruktur vor allem hier bei uns in der Heimat schützen zu können.
Der Schutz kritischer Infrastruktur erfordert vor allem klassische infanteristische Fähigkeiten. In den zwei Jahrzehnten der Einsätze brauchte die Bundeswehr vor allem Spezialisten aus der Reserve. Wird künftig wieder jeder wehrfähige Mann gebraucht?
Das nicht, und wir haben im Übrigen inzwischen auch viele Reservistinnen. Die Zeiten, in denen nur Männer Dienst als Reservist geleistet haben, sind vorbei. Aber zur Frage: Es geht um die ganze Bedarfspalette der Bundeswehr, also Reserveoffiziere und -unteroffiziere und Mannschaften, die aktive Soldaten und Soldatinnen vertreten und die Fähigkeiten in der Truppe vervielfältigen. Vorrangig müssen wir aber die Verstärkungsreserve in den Bataillonen und die Territoriale Reserve in den Heimatschutzregimentern aufbauen, um die Bundeswehr bis auf Einheitsebene insgesamt durchhaltefähiger zu machen.
Wie viele Reservistinnen und Reservisten hat die Bundeswehr derzeit?
Etwa 900.000 in der Dienstleistungsüberwachung und rund 34.000 beorderte Reservisten auf Dienstposten. Ziel ist es, für die Verstärkungsreserve und die Territoriale Reserve auf 100.000 Reservisten zu kommen: 60.000 “echte” Reservisten und Reservistinnen und 40.000 aus der militärischen Grundorganisation. Das sind Bundeswehrbedienstete aus Universitäten, Schulen und Ämtern der Bundeswehr, die in einer Zweitrolle Einsatzaufgaben übernehmen.
Die Zahl 60.000 kenne ich schon seit Jahren als Zielgröße für beorderte Reservisten. Warum sollten Sie jetzt hinbekommen, was die Bundeswehr seit Jahren nicht schafft?
Weil wir seit einem Jahr das Prinzip der Grundbeorderung haben. Etwa 12.000 Zeit- und Berufssoldaten und -soldatinnen bzw. Freiwillig Wehrdienstleistende verlassen pro Jahr die Bundeswehr, davon sind nach ersten Erfahrungen zwischen 7.000 und 8.000, wahrscheinlich auch deutlich mehr, geeignet für eine auf sechs Jahre verpflichtende Grundbeorderung. Das heißt, innerhalb von sechs Jahren kommen wir auf circa 42.000 Reservisten und dieser Bestand regeneriert sich dann jährlich selbst. Hinzu kommen bereits Beorderte und viele Ungediente, die sich freiwillig zum Heimatschutz oder auch als Spezialisten verpflichten.
Wann soll die Reserve diesen Umfang erreicht haben?
Bis sich die Strukturen und Verfahren eingelaufen haben, rechne ich mit einer Dauer von zehn Jahren. Gemeinsam mit dem aktiven Verstärkungspersonal lässt sich die Zahl 100.000 voraussichtlich bis Ende des Jahrzehnts erreichen. Mein Ziel ist es, dass bereits bis 2025 etwa 30 Prozent der Verstärkungsreserve und der Territorialen Reserve bei einer konkreten Einheit beordert, ausgerüstet, trainiert und innerhalb von 48 Stunden einsatzfähig sind. Dazu entwickeln wir eine App, um die Heranziehung zur Reservedienstleistung schnell, digital und unbürokratisch durchzuführen.
Innerhalb von zwei Tagen einsatzfähig, das bedeutet, die Arbeitgeber dieser Reservisten müssen ihr Personal von jetzt auf gleich freistellen. Das war in der Vergangenheit ein Problem. Wie soll das gehen?
Sie haben recht, wir haben hier nach wie vor die doppelte Freiwilligkeit. Der Reservist muss freiwillig zu uns kommen und der Arbeitgeber muss dem zustimmen. Unter den aktuell geltenden Friedens- und Arbeitsmarktbedingungen ist die Schaffung einer anderen Rechtslage schwierig. Ich kann aber sagen, dass sich das Problem beim Aufbau der Heimatschutzregimenter in Bayern und jetzt aktuell in Nordrhein-Westfalen nicht im befürchteten Ausmaß zeigt. Wir finden genügend Freiwillige, die an bis zu fünf Wochenenden pro Jahr und alle zwei Jahre für zehn Werktage am Stück zusammengezogen werden.
Und das soll reichen, um für den Krisenfall gewappnet zu sein?
Es wird reichen, um ehemalige Zeit- und Berufssoldaten, aber auch Ungediente auf einfache Sicherungsaufgaben vorzubereiten und in Übung zu halten. Für komplexere Aufgaben ist mehr Training erforderlich.
Wie sind diese Reservisten dann ausgerüstet?
Der Reservist bzw. Reservistin im Heimatschutz wird künftig 55 persönliche Ausrüstungsteile mit nach Hause bekommen, dazu zählt natürlich die Flecktarn-Uniform. Außerdem wird für jeden eine Waffe vorgehalten, zunächst das G36, perspektivisch aber auch das neue Sturmgewehr HK416.
Die Ukraine hätte den Krieg ohne Reservisten bereits verloren. Welche Schlüsse sind daraus für die Bundeswehr zu ziehen?
Ohne Reserve geht es in Krisenzeiten oder im Verteidigungsfall nicht. Wir brauchen künftig Reservistinnen und Reservisten auch, um Verluste und Ausfälle in aktiven Einheiten sofort ersetzen zu können. Das Heer wird dazu in den Truppengattungen wieder Feldersatzeinheiten aufstellen. Das gab es zuletzt im Kalten Krieg.
Als Reservist musste man in den zurückliegenden drei Jahrzehnten nicht befürchten, zum Dienst einberufen zu werden, wenn man nicht wollte. Wie wird es künftig sein?
Ein beorderter Reservist muss sich darauf einstellen, im Spannungs- und Verteidigungsfall sehr kurzfristig einberufen zu werden. Dafür braucht eine einsatzbereite Bundeswehr eine einsatzbereite Reserve.
Sicherheit und Verteidigung stehen im Fokus des EU-Gipfels am Donnerstag. Russlands Krieg gegen die Ukraine zwingt die EU, das Konzept der strategischen Autonomie mit Inhalt zu füllen.
Die noch junge Kriegskasse der EU nennt sich Europäische Friedensfazilität und ist demnächst leer. 5,7 Milliarden Euro waren ursprünglich für die siebenjährige Haushaltsperiode ab 2021 vorgesehen, um Drittstaaten wie Mali, Mosambik oder Somalia bei der Modernisierung ihrer Streitkräfte zu unterstützen. Nun hat die EU bereits 4,3 Milliarden Euro der Mittel in mehreren Tranchen der Ukraine für militärische Hilfe ausgezahlt beziehungsweise zugesagt.
Den Krieg in der Nachbarschaft hatte die EU bei der Haushaltsplanung vor zwei Jahren nicht auf dem Radar. Auf dem Gipfel diesen Donnerstag werden die Staats- und Regierungschefs die Aufstockung der Mittel für die sogenannte Friedensfazilität zur Kenntnis nehmen, ein kleiner Erfolg. Die Außenminister haben am Montag verschiedene Optionen diskutiert und eine politische Einigung über eine gestaffelte Erhöhung erzielt. Für 2023 sollen zwei Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung stehen, bis 2027 dann weitere 3,5 Milliarden Euro.
Im Vorfeld war befürchtet worden, Ungarn könnte die Aufstockung blockieren. Die Regierung von Viktor Orbán nimmt derzeit im Konflikt mit Brüssel um die Rechtsstaatlichkeit und den Zugang zu Kohäsionsgeldern eine Reihe von Dossiers als Geisel. Die Friedensfazilität ist ein neues Instrument der EU auf dem Weg zu mehr strategischer Autonomie. Der Krieg in der Ukraine überschattet überhaupt den Gipfel diese Woche und dominiert die Agenda der Staats- und Regierungschefs.
Die EU übernehme mehr Verantwortung für ihre eigene Sicherheit und dazu gehöre eine höhere Fähigkeit, autonom zu handeln zu erhöhen, heißt es im Entwurf zu den Schlussfolgerungen, die auf dem Gipfel verabschiedet werden sollen. Der Ministerrat und das EU-Parlament werden aufgefordert, die Verordnung zur Stärkung der Europäischen Verteidigungsindustrie durch Gemeinsame Beschaffung (EDIRPA) rasch zu verabschieden.
Das Instrument mit 500 Millionen Euro soll Anreize für gemeinsame Beschaffungen der Mitgliedstaaten auslösen. In einem weiteren Punkt der Schlussfolgerungen werden EU-Kommission und der Europäische Verteidigungsfonds aufgefordert, Bedürfnisse zu identifizieren und gemeinsame Beschaffungen zu koordinieren.
Dies mit dem Ziel, die leeren Waffenbestände rasch aufzufüllen. Die Vorräte seien aufgrund langjähriger Unterinvestitionen schnell aufgebraucht gewesen, beklagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Die EU-Staaten müssten ihre Ausgaben weiter erhöhen und die Zusammenarbeit intensivieren.
Gipfelthema ist auch ein Vorschlag der EU-Kommission, wie die militärische Mobilität zwischen den Mitgliedstaaten erhöht werden kann. Die EU-Staaten sollen ihre Verkehrsinfrastrukturen wie Straßen, Brücken oder Seehäfen für die Verlegung schweren Kriegsgeräts fit machen. Im EU-Haushalt sind dafür 1,69 Milliarden Euro vorgesehen.
Auch bürokratische Verfahren bei Truppenverlegungen sollen verschlankt werden. Heute seien oft mehr als fünf Tage nötig, um zwischen Mitgliedstaaten Kriegsgerät oder Truppen zu verschieben, sagte Borrell kürzlich. Das sei zu lang und müsse im digitalen Zeitalter schneller möglich sein. sti
Die militärischen Schlussfolgerungen aus dem Ukraine-Krieg führen dazu, dass die US-Streitkräfte im kommenden Jahr ihre Munitionsvorräte erheblich aufstocken werden. Der Etat des Pentagon für 2023 sieht ein riesiges Paket für Lenkflugkörper, Raketen, Granaten und Patronen vor, das nach Schätzung von Militärexperten in seinem Umfang von allen anderen Nato-Mitgliedern zusammen nicht erreicht wird.
Das Paket beinhaltet drei Hauptelemente: Artillerie-, Flugabwehr- und Anti-Schiffsmunition. Bei der Artillerie fällt vor allem die Beschaffung von 700 (!) HIMARS-Systemen und 106.000 Raketen (darunter 1.700 MGM-140 ATACMS, die ca. 300 km weit reichen) ins Auge. HIMARS hat sich in der Ukraine als sehr wirksam und effektiv erwiesen. Die vier Artillerie-Bataillone der Bundeswehr verfügen zusammen über 32 Systeme dieser Art. Außerdem im Paket: 876.000 Granaten 155 mm, darunter mehr als 12.000 Präzisionsgeschosse (“Excalibur”) und 2,25 Millionen Treibladungen (zum Beispiel für Granaten).
Bei der Munition für die bodengebundene Flugabwehr wollen die US-Streitkräfte auf gesamter Bandbreite einkaufen. Auch dies dürfte einerseits Folge umfangreicher Lieferungen an die Ukraine und damit dezimierter Lagerbestände und andererseits eines erhöhten Eigenbedarfs für den Fall eines intensiven Kriegs (der Nato mit Russland oder der USA mit China) sein. Dazu zählen unter anderem 3850 Patriot-Abwehrraketen PAC-3, 5600 Stinger (kurze Reichweite), 5100 AIM-120 (mittlere Reichweite) und 1500 Standard Missile-6 (große Reichweite).
Die Einkaufsliste für die Abwehr feindlicher Schiffe dürfte derweil weniger mit den Ukraine-Erfahrungen, sondern mehr mit einem möglichen Kriegsszenario im Indopazifik zu tun haben. Chinas Marine hat bereits heute einen ähnlichen Umfang wie die US Navy. Hier fällt besonders die geplante Beschaffung von 2600 Lenkflugkörpern Harpoon (Flugzeuge und Schiffe), 1250 Naval Strike Missiles (Bewaffnung der F35 zum Kampf gegen Seeziele) und 950 Seezielflugkörpern mit hoher Reichweite (AGM-158) ins Auge.
Zur Einordnung: Nach wie vor ist unklar, wie viel Munition die Bundeswehr benötigt, um wieder kampf- und verteidigungsfähig zu werden. Nach Aussage von Industrievertretern wurde in diesem Jahr bisher kein einziger Auftrag für die Munitionsproduktion durch das Beschaffungsamt erteilt. ms
Russische Behörden verschärfen massiv die Internetzensur. Innerhalb der vergangenen Woche sind fast 15.000 Seiten blockiert worden. Für gewöhnlich sind es 1.500 bis 7.000 Seiten pro Woche. Auffallend dieses Mal: 14 Prozent aller neuen Einträge in dem entsprechenden staatlichen Register erfolgten auf Weisungen einer nicht genannten Behörde.
Die russische NGO “Roskomswoboda”, die für Meinungs- und Informationsfreiheit im Internet kämpft, geht davon aus, dass die Generalstaatsanwaltschaft dies veranlasst habe, zitiert die Tageszeitung Kommersant eine Sprecherin. Das deutet darauf hin, dass es sich um Seiten mit politischen Inhalten handeln könnte.
Blockaden in solch einem Umfang gab es in Russland zuletzt im April 2021, als der russische Oppositionelle Alexey Nawalny während seiner Haft in einen Hungerstreik getreten war. Davor griffen die Behörden im April 2018 hart durch und blockierten überdurchschnittlich viele Seiten, als die russischen Behörden entschieden, das Netzwerk Telegram zu blockieren.
Seit dem Kriegsbeginn gegen die Ukraine hat die russische Regierung die Zensur im Land verschärft, zahlreiche kritische Medien wie DOXA, Novaya Gazeta, Echo Moscow, Meduza, aber auch BBC und Deutsche Welle sind in Russland im Internet nicht mehr direkt zugänglich. Teilweise mussten die Medien ihre Redaktionen ins Ausland verlagern. Auch soziale Netzwerke werden stärker reglementiert, der Konzern Meta, zu dem Instagram und Facebook gehören, gilt sogar als extremistisch, der Zugang ist blockiert. vf
The Aviation Geek Club: The Su-57 is marketed as stealth fighter but radars have between 6 to 10 times greater detection range against the Felon compared to F-22 & F-35. Here’s why: Die lange Überschrift erklärt, worum es geht und der Name der Webseite verrät: Ein Text für Nerds, die erfahren wollen, was die amerikanischen Kampfjets F-22 und F-35 haben, das die russische Su-57 nicht hat.
Newsweek – Lessons From the U.S. Civil War Show Why Ukraine Can’t Win: Man muss die Einschätzungen von David H. Rundell und Michael Gfoeller nicht teilen, aber sie bringen einen interessanten Gedanken auf, warum der Krieg in der Ukraine mit einer Eskalation des Konflikts zwischen Iran und Israel zu tun haben könnte.
The Guardian – In the ‘Bakhmut meat grinder’, deadlocked enemy forces slog it out: Dass Bachmut umkämpft ist, wirft Fragen auf. Die Gegend hat strategisch keinen großen Wert und beide Seiten haben hohe Verluste. Der Gründer der Wagner-Gruppe sagt, dass auch nicht die Eroberung der Stadt das Ziel sei, sondern die Zerstörung der ukrainischen Truppen dort.
The Wall Street Journal – Rise of Open-Source Intelligence Tests U.S. Spies (Paywall): Die USA hängen bei der Nutzung von öffentlich zugänglichen Daten hinterher. Die CIA könnte in dem Bereich von privaten Unternehmen oder China überflügelt werden.
The New York Times – Spat Over Patriot Missiles Reveals Deepening Rifts in Europe Over Ukraine: Das Hin und Her bei den deutschen Patriot-Raketen, die Berlin an Warschau liefern will, zeige, wie beschädigt die deutsch-polnischen Beziehungen sind. Hier erfährt man mehr darüber, warum das so ist.
Bis die Journalistin Anna Babinets vergangene Woche mal durchatmen konnte, musste sie am Flughafen Wien ankommen. Davor hatte die 38-jährige Ukrainerin stressige Tage in Berlin. Im positiven Sinne. Am Montag bekam sie den Sonderpreis des Reporter:innen-Forums, danach eilte sie von Termin zu Termin.
Babinets berichtet mit ihren Kollegen von slidstvo.info über russische Kriegsverbrechen in der Ukraine, sammelt Fotos von Tätern, befragt Zeuginnen und Zeugen und archiviert das in der Datenbank Russian War Criminals. Dass sie einen Preis aus Deutschland erhalten hat, freut sie besonders. “Gerade auch, weil die deutsche Gesellschaft uns zu Beginn des Krieges nicht gut genug unterstützt hat. Für viele Deutsche war schwer zu verstehen, was passierte. Jetzt sehen wir, dass wir mehr Aufmerksamkeit bekommen.”
Vor dem Krieg recherchierte sie zu Korruption in der Ukraine, dem Mord am Journalisten Pavel Sheremet, nahm an internationalen Recherchen wie den Panama Papers teil. “Wir haben schon vor dem Krieg mit harten Themen gearbeitet. Mit Verwandten von Ermordeten gesprochen, Opfern von Gewalt.” Trotzdem schockiert sie ihre Arbeit regelmäßig. “Wir denken oft, dass uns nichts überraschen kann, aber jede Woche staunen wir über Dinge, die unsere Reporter aus dem Einsatz berichten.”
Wie etwa in den ersten Kriegswochen. Damals suchten russische Soldaten bei Kiew nach Ukrainern, die mit der Armee oder der Polizei zusammengearbeitet haben sollen. “Sie haben sie gekidnappt, gefoltert, getötet oder ins Gefängnis gesteckt.”
Auch auf andere Verbrechen stößt Babinets immer wieder. “Wir haben sexuelle Gewalt gesehen, Vergewaltigung von ukrainischen Frauen, sogar Teenagern oder Kindern. Darüber haben wir berichtet.” Darin sieht sie eine Struktur. “Das passiert überall in der Ukraine, in jedem Gebiet, das besetzt war und wir glauben, dass das in allen besetzten Gebieten grade geschieht.”
Auch bei den Straftätern sieht Babinets einen Typus. “Die meisten Verbrechen werden von jungen Soldaten begangen. Von Mitte 20 bis Mitte 30. Manchmal sind es auch Offiziere.” Eine weitere Form von Verbrechen sind Deportationen, vor allem in der Ostukraine. “Wir sehen Kidnapping von Aktivisten und Journalistinnen in besetzten Gebieten, auch von Kindern, die nach Russland geschickt werden.”
Viele der Informationen finden Babinets und ihr Team frei zugänglich im Netz. Sie sammeln Fotos und Videos auf Sozialen Netzwerken, gleichen Bilder mit Face ID ab, nutzen Geolocations, um nachzuvollziehen, wo russische Soldaten waren, verbinden Telefonnummern mit Gesichtern, zeigen die Bilder den Zeugen. “Als der Krieg begann, haben wir uns besprochen und gefragt: Was können wir tun?”, sagt Babinets. Die Antwort war: “Beweise sammeln und sie dem Publikum präsentieren.”
Aus ihrem siebenköpfigen Team wurden zwei Journalisten in die Armee eingezogen. Ihre Berichte übersetzen Babinets und ihr Team auf Englisch und Russisch. 40 Millionen Mal wurden ihre Videos auf Youtube schon angeschaut. Einige Recherchen wurden von offiziellen Stellen aufgenommen. “Wir sind froh, dass sie dabei helfen, Kriminelle zu bestrafen”, sagt Babinets. “Ich hoffe nur, dass es endet und wir zurück zu unseren ursprünglichen Investigativthemen gehen können.” Gabriel Bub