in den kommenden Tagen werden die Details über den größten Gefangenenaustausch zwischen Russland und dem Westen seit dem Ende des Kalten Krieges bekannt werden. Und auch die Frage, ob ein demokratischer Staat einen nach rechtsstaatlichen Maßstäben verurteilten Mörder ausliefern sollte, der in der Heimat wohl geehrt wird, dürfte noch diskutiert werden.
Insgesamt war der gestrige Donnerstag aber ein guter Tag für Menschen, die das Regime des russischen Autokraten Putin infrage stellen. Viel Hoffnung, dass jetzt Gespräche etwa über das Ende des russischen Krieges gegen die Ukraine beginnen könnten, ist aber nicht angebracht. Warum, das lesen Sie hier im Berlin.Table.
Der Schwerpunkt dieser Ausgabe ist die drohende regionale Ausweitung Krieg in Nahost. Markus Bickel schreibt über die Gefahr einer weiteren Eskalation. Und Henning Hoff analysiert, wie London künftig mit den Waffenlieferungen nach Israel umgehen könnte.
Vier Monate nach Vorstellung der neuen Bundeswehrstruktur steht nun fest, welche Generäle die wichtigsten Posten bekommen sollen. Thomas Wiegold stellt ihnen das Personal vor. Im Porträt über Doug Weir schreibt Anouk Schlung, warum Umweltschutz und globale Konflikte zusammen gedacht werden müssen.
Eine gute Lektüre wünscht
Knapp zehn Monate nach dem Terrorüberfall der palästinensischen Hamas auf den Süden Israels hat das israelische Militär zwei der drei wichtigsten Führer der Islamistenorganisation getötet. Am Donnerstag gab ein Sprecher in Jerusalem bekannt, dass der Hamas-Militärchef Mohammed Deif bereits Mitte Juli bei einem Angriff im Gazastreifen ums Leben gekommen sei. Neben dem politischen Führer der Organisation, Ismail Hanija, der in der Nacht auf Mittwoch in Teheran getötet wurde, und dem Hamas-Chef im Gazastreifen, Jahia Sinwar, bildete Deif die Führungstroika der 1988 während der ersten Intifada gegen die israelische Besatzungsmacht gegründeten Hamas.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte Mossad-Direktor David Barnea unmittelbar nach dem Terrorüberfall im Oktober 2023 autorisiert, Kader der Hamas zu eliminieren, an welchem Ort auf der Welt auch immer. Damit unterstrich er das erklärte Kriegsziel Israels, die militärischen Strukturen der Hamas zu zerschlagen.
Doch nicht nur, dass die Tötung Hanijas auf iranischem Territorium erfolgte, könnte für Israel strategisch noch Nachteile bringen, so Yossi Melman, Sicherheitsfachmann der israelischen Tageszeitung Haaretz. “In der Vergangenheit hat Israel gezielte Tötungen von palästinensischen Terroristen oder iranischen Atomwissenschaftlern als letztes Mittel genutzt und als Teil einer größeren Strategie”, sagte er Table.Briefings. “Aber seit dem Beginn des Krieges scheint es so, dass die Doktrin gezielter Tötungen zum Selbstzweck geworden ist.”
So habe Netanjahu bis heute keinen Plan für ein Ende des Krieges gegen die Hamas im Gazastreifen vorgelegt, sondern sei getrieben von Rache – was dazu führen dürfte, dass das “Ping-Pong-Spiel von Angriff und Gegenangriff mit Hisbollah und Iran” immer weitergehe. Ganz zu schweigen von Fortschritten bei den von Katar geführten Verhandlungen über die Freilassung der im Oktober 2023 in den Gazastreifen entführten israelischen Geiseln. “Wie können Verhandlungen erfolgreich sein, wenn eine Seite den Verhandler der anderen umbringt?” fragte der Premierminister von Katar, Mohammed Al Thani, am Mittwoch.
Das gilt umso mehr nach dem Doppelschlag gegen die Spitzen von Hamas und Hisbollah diese Woche, der Iran und seine Verbündeten nach Melmans Einschätzung “noch sturer und entschlossener machen” werde: Nur sieben Stunden vor dem Beschuss des Gästehauses der iranischen Regierung in Teheran, in dem Hanija untergebracht war, war in Beirut am Dienstagabend der Militärkommandeur der Hisbollah, Fuad Shukr getötet worden. Unweit des Gebäudes, in dem sich die Nummer zwei der schiitischen Parteimiliz, die mit 15 Abgeordneten im libanesischen Parlament vertreten ist, befand hatte Israel bereits Anfang des Jahres zugeschlagen: Saleh al-Arouri, einer der Stellvertreter Hanijas, kam im Januar bei einem Drohnenangriff ums Leben.
Um ihr weiteres Vorgehen gegen Israel abzustimmen, kamen am Donnerstag in Teheran iranischen Quellen zufolge Vertreter der sogenannten “Achse des Widerstands” zusammen. Neben der Hisbollah und der Hamas zählen dazu die jemenitischen Houthi-Rebellen, aber auch der palästinensische Islamische Dschihad und irakische Schiitenmilizen. Bereits am Vortag hatte der Oberste Führer Irans, Ajatollah Ali Khamenei, Israel mit “harter Vergeltung” für die Tötung Hanijas gedroht: “Wir sehen es als unsere Pflicht an, sein Blut in diesem bitteren und schwierigen Vorfall auf dem Gebiet der Islamischen Republik zu rächen”, sagte der 85-Jährige.
Angeblich soll Khamenei einen Angriff auf Israel bereits angeordnet haben. Auch politische Beobachter in Israel und Libanon rechnen mit einem solchen Schritt, die israelische Militärführung ordnete für Flugabwehrkommando und andere Einheiten am Donnerstag die höchste Alarmstufe an. Im April hatte Iran mehr als 300 Drohnen, Marschflugkörper und ballistische Raketen Richtung Israel abgefeuert. Es war der erste direkte Angriff Irans auf Israel, das sich seit Jahrzehnten in einem Schattenkrieg aus gezielten Tötungen, Sabotageakten und Cyberattacken mit der Islamischen Republik befindet.
Mit dem Großangriff hatte Teheran im April auf die Tötung mehrerer hoher Offiziere der iranischen Revolutionsgarden auf dem Botschaftsgelände des Landes in Damaskus reagiert – allerdings erst zwölf Tage später. Dass der israelische Sicherheitsapparat auch dieses Mal hingehalten werden könnte, ehe eine Reaktion erfolgt, dürfte Teil der Drohkulisse sein, die Teheran aufbaut, um Israel im Unklaren über sein weiteres Vorgehen zu lassen. “Wie der Iran und die Widerstandsfront reagieren werden, wird derzeit geprüft”, sagte der iranische Generalstabschef, Generalmajor Mohammed Baqeri, am Donnerstag im staatlichen Fernsehen. “Das zionistische Regime”, wie Israel seitens der iranischen Führung bezeichnet wird, werde das “zweifellos bedauern”.
In der Nahostkrise setzt London weiter auf Vermittler und ein baldiges Ende des Kriegs im Gazastreifen. “Es ist unbedingt notwendig, dass wir uns eng mit Partnern wie Katar austauschen, die eine wichtige Mittlerrolle im Konflikt um Gaza spielen, damit wir diesen zerstörerischen Krieg zu einem Ende bringen können”, sagte Großbritanniens Außenminister David Lammy am Mittwoch nach Gesprächen mit dem Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al Thani. Zuvor hatte die neue Labour-Regierung erklärt, sich trotz des Drucks von Nichtregierungsorganisationen und aus den Reihen der eigenen Partei bei der Frage eines möglichen britischen Waffenembargos gegen Israel mehr Zeit nehmen zu wollen.
Er werde das Unterhaus informieren, “sobald es mir möglich ist”, versprach Lammy am Dienstag, kurz bevor sich das Parlament in die Sommerpause verabschiedete. Der Außenminister verwies darauf, dass die Regierung eine neue juristische Einschätzung in Auftrag gegeben habe, die klären soll, inwieweit sich Israel im Gaza-Krieg an das humanitäre Völkerrecht halte. Es handele sich um ein “sehr, sehr ernstes Thema”, so Lammy.
Eigentlich war eine Entscheidung für Ende Juli erwartet worden; London hatte die Regierung von Israels Premierminister Benjamin Netanyahu bereits vorgewarnt. Doch unter dem Eindruck des Raketenangriffs der Hisbollah auf die Golanhöhen, bei dem mindestens zwölf fußballspielende Kinder und Jugendliche ums Leben kamen, drückte die Labour-Regierung auf die Bremse. Auf Israels Antwort, die gezielte Tötung des hochrangigen Hisbollah-Kommandeurs Fuad Schukr in Beirut sowie des Hamas-Chefs Ismail Hanija in Teheran, gab es bislang keine offizielle Reaktion.
Aber nicht nur die steigende Gefahr eines Großkonflikts, auch die Komplexität der Frage von Waffenexporten hat der neuen Regierung in London offenbar zu denken gegeben. Ein komplettes Embargo, wie es unter anderem Human Rights Watch, Oxfam, ActionAid UK und Amnesty International vehement fordern, hatte Lammy schon vorher ausgeschlossen. Angesichts der langen Sicherheitspartnerschaft zwischen beiden Ländern und der Tatsache, dass sich Israel mit der Hamas, der Hisbollah und den Houthis Feinden erwehren müsse, die das Land auslöschen wollten, sei ein “generelles Embargo nicht der richtige Schritt”, so der Außenminister. Lammy verwies auch auf den Iran, der die Spannungen in der Region anheize, und warnte vor den “katastrophalen” Folgen eines größeren Konflikts.
Lammy und seine Ministerkollegen – zuständig ist am Ende das Wirtschafts- und Handelsministerium, das Exportlizenzen erteilt – suchen stattdessen nach Wegen, wie sich gegebenenfalls partielle Embargos verhängen ließen. Dies wäre möglich, wenn sich der Einsatz von in Großbritannien hergestellten Waffen bei von den israelischen Streitkräften (IDF) begangenen Kriegsverbrechen nachweisen ließe. Zudem hatte Lammy angedeutet, zwischen “Offensiv- und Defensivwaffen” unterscheiden zu wollen, ein aus militärischer Sicht zweifelhaftes und juristisch wohl nicht weniger problematisches Unterfangen.
Die konservative Vorgängerregierung hatte Waffenembargos gegen Israel wiederholt ausgeschlossen und zwischen dem 7. Oktober 2023 und Ende Mai 2024 108 neue Waffenexportlizenzen erteilt, von denen 63 als “nicht-militärisch” eingestuft waren. Vor dem Regierungswechsel bestanden insgesamt 345 solcher Lizenzen, die allerdings wenig über Umfang und Qualität der Exporte aussagen. Laut Londoner “Times” sind die britischen Waffenexporte nach Israel mit einem Volumen von 18,2 Millionen britischen Pfund (rund 22 Millionen Euro) im Jahr 2023 eher gering.
Zudem dürften sich selbst Teilembargos als problematisch erweisen. Ein Beispiel ist das Kampfflugzeug F-35 der US-Rüstungsfirma Lookhead Martin, das sowohl von der britischen Royal Air Force und den IDF genutzt wird und bei dessen Herstellung Großbritannien ein “tier-one partner” ist. Nach Angaben der Campaign Against Arms Trade liefern britische Hersteller rund 15 Prozent der Bestandteile des Jets zu. Sollte die britische Regierung die entsprechenden Exportlizenzen aufheben und so die Lieferung der F-35 an Israel unterbinden, würde dies den zukünftigen Erwerb des US-Kampfflugzeugs für die britischen Streitkräfte zumindest erschweren und die Beziehungen zu Washington belasten.
Dass die Entscheidung über britische Waffenexportembargos vertagt wurde, wird in Israel als Erfolg gewertet; ein solcher Schritt Londons hätte womöglich eine Welle ähnlicher Embargos europäischer Partnerstaaten ausgelöst.
Für die Labour-Regierung bleibt das Thema sehr sensibel. Starmer hat dem unter seinem Vorgänger Jeremy Corbyn in der Partei grassierenden Antisemitismus einen klaren Riegel vorgeschoben, muss aber weiter darauf achten, unter jüdischen Wählerinnen und Wählern nicht wieder an Ansehen zu verlieren. So kritisierte Phil Rosenberg, Präsident des Board of Deputies of British Jews, in der “Sunday Times” jüngst die Entscheidung der Regierung, die im Gazastreifen tätige UNRWA mit 21 Millionen Pfund (25 Millionen Euro) wieder zu finanzieren – ohne dass Vorwürfe über deren Verwicklung in die Untaten der Hamas aufgeklärt seien. Ein Waffenembargo gegen den Sicherheitspartner Israel, erst recht zum jetzigen Zeitpunkt, wäre eine “erstaunliche” Entscheidung, so Rosenberg mit viel britischem Unterstatement.
Auf der anderen Seite drängen viele linksgerichtete Labour-Abgeordnete – und solche mit großem muslimischen Bevölkerungsanteil in ihren Wahlkreisen – die Regierung zu einem stärker Israel-kritischen Kurs. Bei der Unterhauswahl vom 4. Juli verlor Labour eine Handvoll Wahlkreise im Norden Englands an unabhängige Kandidaten, die sich gegen Starmers damaligen Pro-Israel-Kurs wandten. Für viele in der Partei ist ein Waffenembargo, wie es die Großbritannien-Direktorin von Human Rights Watch, Yasmine Ahmed, formuliert, ein “kritischer nächster Schritt.”
Wie hoch die Verluste auf Seiten der malischen Armee (Fama) und der russischen Wagner-Söldner am vergangenen Wochenende wirklich waren, ist nicht klar. Der auf islamistischen Terrorismus spezialisierte Analyst Wassim Nasr vom Soufan Center in New York spricht von etwa fünfzig Kämpfern, die am 27. Juli im Gefecht bei Tinzaouaten an der algerischen Grenze gefallen sind. Es handele sich um den “wichtigsten Rückschlag, den Wagner seit 2018 außerhalb der Ukraine einstecken musste”, so Nasr.
Die malische Armee räumte in einer Mitteilung vom 29. Juli “bedeutende” Verluste auf ihrer Seite ein. Auch einschlägige, wagnernahe Telegram-Kanäle sprachen von schweren Verlusten. Angreifer auf Fama und Wagner-Truppen waren vor allem Kämpfer des separatistischen CSP-PSD (Cadre stratégique permanent pour la paix, la sécurité et le développement), dem mehrere Gruppen angehören, zu denen mehrheitlich, aber nicht ausschließlich, Tuareg gehören.
Innerhalb der CSP gibt es zwei Fraktionen: Die eine lehnt Kontakte zu den Terroristen ab, die andere ist weniger strikt – wenn auch sie eine direkte Zusammenarbeit ausschließt. Am jüngsten Überfall waren offenbar auch Terroristen beteiligt. Laut Nasr sei dies aber ein kurzzeitiger Zusammenschluss gewesen, da beide sowohl die Fama wie auch Wagner zum Gegner haben.
Kurz nach Bekanntwerden der Kämpfe verbreitete sich in sozialen Medien und über die ukrainische Zeitung Kyiv Post ein Foto, das Kämpfer des CSP mit einer ukrainischen Flagge zeigt. Seine Echtheit bleibt fraglich. Vor einigen Monaten bereits gab es unbestätigte Berichte, denen zufolge ukrainische Kämpfer Wagner-Milizen im Sudan verfolgten.
Grundsätzlich verfügt der ukrainische Geheimdienst über eine Sondereinheit, die für Auslandsmissionen eingesetzt wird. Sie spielte unter anderem während der Evakuierung des Kabuler Flughafens im August 2021 eine wichtige Rolle.
“Die Tuareg haben intensiv versucht, weltweite Sympathie zu gewinnen, indem sie ihren Kampf als Teil desselben Kampfes wie den der Ukraine darstellen”, sagte der Afrika-Analyst Jedrzej Czerep vom polnischen Institut für Internationale Beziehungen (PISM) gegenüber Table.Briefings. “Es gab viele Nachrichten in sozialen Medien auf Ukrainisch, Hashtags und Flaggen, sodass die Flagge nicht unbedingt etwas bedeuten muss.”
Zwar will Czerep eine “gewisse Koordination und Verbindung” nicht ausschließen, ist im konkreten Fall aber skeptisch, was die Mitwirkung der Ukraine angeht. “Ich sehe in diesem Fall keinen wirklichen Mehrwert durch ukrainische Geheimdienste.” Nach der Einnahme Inafaraks (einem Ort, der ebenfalls an der malisch-algerischen Grenze liegt, Anm. d. Red.) durch malische Streitkräfte und Wagner-Einheiten erscheine es ihm glaubwürdig, “dass die Separatisten in einer guten Position waren, um es allein zu schaffen”, sagt Czerep vom PISM.
Der ukrainische Geheimdienst könnte also am globalen Informationskrieg mit Russland mitwirken und ein Gerücht für sich nutzen. Doch nach Aussagen von Kennern, die gute Verbindungen in den ukrainischen Geheimdienst haben, ist eine Hilfe realistisch. Diese Hilfe könnte technischer Art gewesen sein: Störung der Wagner-Kommunikation, sowie taktischer Art: Bereitstellung von Informationen über das übliche Vorgehen von Wagner-Kämpfern.
Für die Ukraine ist Mali kein unbekanntes Terrain. Das liegt an der technischen und personellen Beteiligung an der UN-Friedensmission Minusma. Die Ukraine hatte Hubschrauber gestellt, und ein privates ukrainisches Unternehmen vermittelte die Piloten dafür. Zumindest die Hubschrauber wurden nach Februar 2022 wieder in die Ukraine geholt.
“Die meisten Piloten der eingestellten Minusma-Blauhelmmission kamen aus der Ukraine”, sagt Ulf Laessing, Leiter des Sahel-Programms der Konrad-Adenauer-Stiftung, gegenüber Table.Briefings. “Die kennen das Terrain sehr gut.” Die Ukraine habe kürzlich eine Botschaft in Mauretanien eröffnet. “Falls ukrainische Kommandos dabei waren, kamen die sicherlich über Mauretanien nach Nord-Mali”, meint Laessing. “Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass Mauretanien so etwas erlauben würde. Nouakchott hat bisher alle Konfrontationen mit Mali vermieden.”
Laessing bezweifelt dennoch eine mögliche Unterstützung der Tuareg durch die Ukraine. “Ich denke, dass die Ukraine versucht, die Wagner-Niederlage für eigene Informationskampagnen auszunutzen, aber nicht an dem Angriff beteiligt war.”
Inzwischen haben die Fama und die Wagner-Kämpfer einen ersten Vergeltungsschlag verübt. Am Dienstag wurde die Gegend um Tinzaouaten aus der Luft angegriffen. Dabei sollen auch türkische Bayar-Drohnen eingesetzt worden sein. Laut malischer Regierung sicherte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan dem malischen Staatschef General Goïta in einem Telefonat weiterhin seine Unterstützung zu.
Für die Umstrukturierung der Bundeswehr, die Verteidigungsminister Boris Pistorius angewiesen hat, steht die Besetzung der Führungspositionen fest. An die Spitze des neu zu schaffenden “Operativen Führungskommandos” der Streitkräfte soll Generalleutnant Alexander Sollfrank rücken, bisher Kommandeur des Joint Support and Enabling Command (JSEC) der Nato in Ulm. Der derzeitige Befehlshaber des Kommandos Territoriale Führung, Generalleutnant André Bodemann, ist als sein Stellvertreter vorgesehen.
Der neue Unterstützungsbereich der Bundeswehr wird künftig vom bisherigen Generalmajor und Chef des Logistikkommandos, Gerald Funke, geleitet. Der derzeitige Abteilungsleiter Einsatzbereitschaft und Unterstützung Streitkräfte im Verteidigungsministerium, Generalleutnant Kai Rohrschneider, folgt wiederum auf Sollfrank an der Spitze des Ulmer Kommandos.
Pistorius hatte Anfang April den Umbau für eine “Bundeswehr der Zeitenwende” angekündigt. Dabei ist das neue zentrale Führungskommando, in dem das bisherige Territoriale Führungskommando für das Inland und das Einsatzführungskommando für Auslandseinsätze verschmelzen sollen, ein wesentlicher Baustein. Außerdem soll es künftig nur noch die vier Teilstreitkräfte Heer, Luftwaffe, Marine sowie Cyber- und Informationsraum geben; die bislang eigenständige Streitkräftebasis mit ihren Logistikaufgaben und der Zentrale Sanitätsdienst gehen in einem gemeinsamen Unterstützungsbereich für die Bundeswehr auf.
Sollfrank und Bodemann unterrichteten nach Informationen von Table.Briefings in dieser Woche ihre jeweiligen Kommandos über den anstehenden Wechsel, der bislang vom Ministerium noch nicht offiziell mitgeteilt wurde. Mit der Entscheidung für Sollfrank wählte der Verteidigungsminister einen Befehlshaber, der nicht nur alle wesentlichen Auslandseinsätze der Bundeswehr selbst erlebt hat, von der UN-Mision in Somalia 1993 über den Einsatz im Kosovo bis zum Afghanistan-Einsatz. Der Generalleutnant war zudem in seiner militärischen Laufbahn Kommandeur der Gebirgsjägerbrigade wie auch des Kommandos Spezialkräfte (KSK) und Chef des Stabes im Kommando Heer.
Auffällig allerdings: Seit seiner Tätigkeit im damaligen Planungsstab des Wehrressorts vor gut 13 Jahren war er in keiner Verwendung mehr im Ministerium. Durch seine Arbeit seit März 2022 an der Spitze des Nato-Kommandos in Ulm, das für die Drehscheibe Deutschland im Falle von Krisen und Aufmarsch verbündeter Truppen entscheidend ist, verfügt er aber über enge Verbindungen in der Allianz. tw
Verteidigungsminister Boris Pistorius hat angekündigt, dass die Bundeswehr bald dauerhaft einen Verbindungsoffizier im Hauptquartier des Indo-Pazifik-Kommandos der USA (Indopacom) im US-Bundesstaat Hawaii stationieren werde. Er gehe davon aus, dass die Anträge in Kürze von den Amerikanern gebilligt würden, “und dann sind wir ein Teil dieser Operation”, sagte Pistorius am Mittwoch. Es sei ein weiterer Beweis der deutschen Verpflichtung in der internationalen Zusammenarbeit und Kooperation. Die Deutsche Marine wird dann einen Offizier im Rang eines Kapitäns vertreten sein.
Außerdem sei für kommendes Jahr eine weitere Teilnahme des Heeres an der Übung Talisman Sabre in Australien geplant, eine endgültige Entscheidung stehe aber noch aus, so Pistorius. Er besuchte am Mittwoch und Donnerstag die Besatzung der Fregatte “Baden-Württemberg”, die derzeit zusammen mit dem Einsatzgruppenversorger “Frankfurt am Main” am größten Militärmanöver der Welt vor Hawaii teilnimmt, der US-geführten “Rim of the Pacific” (Rimpac).
Auf seiner Reise zu den Partnern im Indo-Pazifik – neben Hawaii besucht Pistorius auch Südkorea und die Philippinen – will er vor allem den kleineren Staaten in der Region versichern, dass das derzeit laufende deutsche Engagement im Indo-Pazifik nachhaltig angelegt ist.
Seit Mai sind die beiden Kriegsschiffe der Deutschen Marine im Rahmen des Indo-Pazifik-Deployments unterwegs. Stationen in Japan, Südkorea, Indonesien, Singapur und Indien stehen noch aus. Zurück soll es durch das Rote Meer gehen, mit Stopps in Saudi-Arabien und Israel. Die Entscheidung, ob die Marineschiffe die Straße von Taiwan passieren werden, soll kurzfristig und je nach Sicherheitslage fallen. Die Luftwaffe ist von Juni bis August dabei und wird erstmals in Indien Stop machen (siehe Grafik).
Im südchinesischen Meer tritt China militärisch aggressiv auf und beansprucht internationale Gewässer für sich. Die Bundesregierung hat Bereitschaft signalisiert, mehr Verantwortung in der Region zu übernehmen. klm
Kurz nach der russischen Vollinvasion in die Ukraine im Februar 2022 meldeten Medien im russischen Nischni Tagil, dass die örtlichen Kindergärten die Arbeitszeiten ausweiteten. Der Grund: In dieser Stadt befindet sich das wichtigste russische Panzerwerk, Uralwagonsawod, und das fuhr seine Produktion hoch – die Kinder der Arbeiter mussten betreut werden.
Als klar geworden war, dass Kiew nicht in wenigen Tagen fallen würde, reagierte das Regime Wladimir Putins schnell und stellte das ökonomische und gesellschaftliche Leben auf den Krieg um. Welche bürokratischen Schritte dafür nötig und welche Bedingungen schon vor dem Februar 2022 dafür erfüllt worden waren – das fasst eine Untersuchung von Daivis Petraitis für die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) zusammen. Petraitis ist litauischer Militäranalyst und Spezialist für das russische Militär. Nach seiner Karriere im Militär ist er heute im Verteidigungsministerium des Landes tätig. Das Papier “Russia’s War Economy” liegt Table.Media exklusiv vorab vor.
Die wichtigsten Punkte aus dem Papier:
Seit Anfang 2022 hat die russische Regierung mehrere Behörden aufgebaut, deren Aufgabe eine Reform und eine Verbesserung der Arbeiten im Rüstungssektor ist. Auch die zwangsweise Wiederverstaatlichung militärisch wichtiger Unternehmen, wie von Table.Briefings berichtet, gehören zum Vorgehen der Regierung Putins. Dass dies alles ohne Widerstand in der Verwaltung oder Wirtschaft möglich ist, hängt nicht zuletzt auch mit der Tradition des russischen Militärs zusammen, das eine dominante Stellung in der Gesellschaft hat.
Insgesamt verdeutlicht Petraitis’ Untersuchung, dass Russland seine Wirtschaft in eine Kriegsökonomie umgewandelt hat. Auf die Frage, ob diese Pläne nicht eher vor allem auf dem Papier stattfinden, erklärte der Analyst: “Russland hat bereits einige Ziele bei der Reorganisation erreicht, etwa die Möglichkeit, ohne eine neue Mobilmachung den Kampf zu führen. Die Verteidigungsbranche hat zwar Probleme, Arbeitskräfte zu finden, aber diese Probleme gibt es im Westen auch. Dafür werden die Bedingungen angepasst, Gesetze für Arbeitszeiten geändert, Löhne angehoben und die Handwerksberufe wieder als sexy angepriesen.”
Petraitis sieht Russland aktuell in einem zeitlichen Vorteil, weil es bereits weiter sei als die westlichen Staaten, die gesamte Gesellschaft auf große Konflikte vorzubereiten. Er sieht in Europa aktuell keinen Staat, der genügend Anstrengungen als Antwort auf Russland unternimmt. “Wir sind einfach zu langsam und nicht entschlossen genug.”
Die gesamte Untersuchung lesen Sie hier auf Deutsch und Englisch.
RUSI: Venezuela’s Bolivarian Nightmare Continues: What Does it Mean for the West? Nicolás Maduro hat sich trotz einer umstrittenen Wahl in Venezuela erneut zum Präsidenten erklärt. Dadurch verstärke sich die Ausrichtung des Landes in Richtung Russland, China und Iran. Indem Maduro diesen Ländern billiges Öl verkauft, könnte er deren anti-westliche Ambitionen vorantreiben, schreibt der Autor Carlos Solar vom Royal United Services Institute (Rusi). Die westlichen Einflussmöglichkeiten in der Region würden geschwächt.
Handelsblatt: Wir brauchen wieder Vertrauen in multilaterale Institutionen. Volker Perthes, ehemaliger Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen und Senior Distinguished Fellow bei der Stiftung Wissenschaft und ‧Politik (SWP) erklärt in diesem Gastkommentar, wie der VN-Zukunftsgipfel in New York im September dazu beitragen kann, Vertrauen in ein angeschlagenes System multilateraler Institutionen zurückzugewinnen.
Intereconomics: Hardening Norms and Networks: Europe’s Cyber Defence Posture. Annegret Bendiek und Jakob Bund, von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), analysieren die Entwicklung der EU-Cyberverteidigung von einer reaktiven hin zu einer proaktiven Strategie. Sie betonen die Notwendigkeit klarer rechtlicher und normativer Grundlagen, um die Risiken einer Militarisierung des Cyberraums zu minimieren. Transparenz und öffentliche Kontrolle seien zudem entscheidend.
China.Table: Botschafter einbestellt: Deshalb hat China das Kartenamt ausgeforscht. Das deutsche Außenministerium hat den chinesischen Botschafter in Berlin einbestellt, weil die Bundesregierung China die Schuld für einen Cyberangriff im Jahr 2021 auf das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie gibt. Damit fülle die Bundesregierung die China-Strategie, wo der Schutz kritischer Infrastruktur und die Sicherheit im Cyberraum eigene Unterkapitel haben, mit Leben, schreibt unsere China.Table Redaktion.
Die Umwelt wird als stilles Opfer bewaffneter Konflikte häufig übersehen. Doug Weir will sie mehr in den Fokus der Sicherheitspolitik rücken. Er ist Direktor des Conflict and Environment Observatory (CEOBS), einer britischen Organisation, die das gesellschaftliche Bewusstsein für die ökologischen und humanitären Folgen von Konflikten und militärischen Aktivitäten schärfen will. Dabei forschen er und sein Team nicht nur zu den Umweltfolgen von Kriegen, sondern befassen sich auch mit der Rolle von Umweltfaktoren wie dem Klimawandel als Auslöser oder Treiber von Konflikten.
So war der Klimawandel beim Bürgerkrieg in Syrien, der seit 2011 tobt, einer der Auslöser: Aufgrund einer extremen Dürre zwischen 2007 und 2010, verstärkt durch den Klimawandel, brach im Nordosten Syriens das landwirtschaftliche System zusammen. Viele Familien verloren ihr landwirtschaftliches Einkommen und flüchteten in die Städte, wo zuvor schon irakische Flüchtlinge hingestrebt waren. Mit den steigenden Bevölkerungszahlen stieg auch die Konkurrenz um Ressourcen in den Städten. Das dürfte mit ein Grund für die Demonstrationen und Unruhen gewesen sein, die schließlich zum Bürgerkrieg führten, wie eine Studie im Fachmagazin PNAS 2015 zeigt.
Weir, im November 1976 im nordenglischen York geboren, studierte Geologie in Manchester und Zeitungsjournalismus in Sheffield. Während sein Interesse an der Umwelt bereits in Kindertagen begann, kam er zur militärischen Thematik eher zufällig durch seinen ersten Job: Nach dem Studium arbeitete er in einer Organisation, die sich gegen die Verbreitung von Atomwaffen einsetzte.
2011 gründete er das Toxic Remnants of War Project, das sich mit Umweltverschmutzung durch militärische Giftstoffe befasst. Fünf Jahre später beschlossen er und sein Team, das Projekt auszuweiten, und gründeten 2018 CEOBS. “Es gibt neue Instrumente, soziale Medien, Fernerkundung. Dadurch können wir die Zusammenhänge zwischen bewaffneten Konflikten und der Umwelt detaillierter untersuchen”, sagt er.
Das macht Weir aktuell besonders in Hinblick auf Russlands Angriffskrieg in der Ukraine. Es sei wichtig, dass diese Forschung jetzt stattfindet, sagt er: “Wenn wir über die Umwelt sprechen, während der Konflikt stattfindet, können wir kohärenter reagieren und einen nachhaltigen Wiederaufbau planen. Zudem können wir den Prozess der Dokumentation von Umweltschäden verbessern.”
Wichtig ist Weir, dass der Diskurs darüber, wie die Emissionen des Militärsektors reduziert werden können, jetzt beginnt: “Es gibt keine magischen technischen Lösungen. Militärs sind in hohem Maße von fossilen Brennstoffen abhängig, und ihre Ausrüstung hat eine lange Lebensdauer.” Deshalb müsse man sich schon jetzt Gedanken darüber machen, wie in Zukunft ausgemusterte Ausrüstung nachhaltig ersetzt werden könne.
Auch wenn Weir betont, dass das Militär niemals in sinnvollem Sinne nachhaltig sein werde, ist er optimistisch, dass der Sektor seine Umweltauswirkungen reduzieren kann – und plädiert deshalb für globale Standards für dessen Dekarbonisierung. Zudem müsse darüber “sowohl in Klima- als auch in Sicherheitsforen” gesprochen werden. Anouk Schlung
Maria Adebahr ist neue Cyberbotschafterin des Auswärtigen Amtes, heißt es aus diplomatischen Kreisen. Sie übernimmt den Posten von Regine Grienberger, die 2020 zur ersten Beauftragten für Cyberaußen- und Cybersicherheitspolitik der Bundesregierung ernannt wurde. Grienberger wird Berichten zufolge künftig das deutsche Generalkonsulat in Istanbul leiten.
Adebahr (Jahrgang 1976), die in Berlin aus ihren Zeiten als Sprecherin des Auswärtigen Amts bekannt ist, war zuletzt an der deutschen Botschaft in Rom tätig. In ihrer neuen Funktion wird sie dafür zuständig sein, Antworten auf die Bedrohungslage im Cyberraum zu entwickeln. Diese reichen vom Aufbau von Resilienz gegenüber Angriffen bis hin zu diplomatischen Reaktionen, also der Zuordnung von Cyberereignissen bestimmten Verursachern. Zudem ist sie als Cyberdiplomatin im Rahmen etwa der Vereinten Nationen daran beteiligt, globale Normen zu entwickeln, die sich an die technologischen Entwicklungen anpassen.
Ihr Verantwortungsbereich wurde zudem kürzlich um ein neues Referat erweitert, das sich auch mit Fragen der Künstliche Intelligenz beschäftig. wp
Die Nato ist jetzt 75 Jahre alt. Wie wird es um das Bündnis stehen, wenn es seinen 150. Geburtstag feiert? Diese Frage hat sich ein Team um Florence Gaub, Zukunftsforscherin und Direktorin des Forschungsbereichs am Nato Defense College, gestellt. Das Ergebnis ist ein Science-Fiction-Comic mit dem Namen “Nato 2099”.
Er spielt auf dem Mond, wo sich das Bündnis zu einem “historischen Gipfel” versammelt hat, um einen erneuten Weltkrieg zu vermeiden. Es ist eine fremde Welt, in der die Menschen in Raumschiffen im Weltall unterwegs sind und künstliche Intelligenz ganz selbstverständlich als Assistenz der Menschen eingesetzt wird. Andere Dinge klingen bekannter: Die Menschheit hat sich nach verheerenden Kriegen um Meeresressourcen im Jahr 2060 auf etwas geeinigt – nie wieder! Und doch droht zum Ende des Jahrhunderts im Jahr 2099 wieder ein Krieg – diesmal um die Ressourcen im Weltall.
Die potenziellen Auswirkungen von technologischem Fortschritt, Weltraum und Klimakrise werden mit Bildern und kurzen Dialogen zugänglich und greifbar. Die Idee, Science-Fiction-Autoren mit der Entwicklung von Zukunftsszenarien zu beauftragen, ist auch im militärischen Bereich nicht neu.
“Nato 2099” ist der Versuch, die Nato für Groß und Klein greifbar zu machen – mithilfe von echten Helden wie Sandy Masala, der fiktiven Nato-Generalsekretärin, die sicherlich nicht zufällig den Nachnamen von Gaubs Vorgänger, dem Militärexperten Carlo Masala trägt – für Pathos ist gesorgt. wp
“Nato 2099” – Der Graphic Novel hier zum Durchblättern und eine Leseversion mit Beiträgen internationaler Science-Fiction-Autorinnen und Autoren.
in den kommenden Tagen werden die Details über den größten Gefangenenaustausch zwischen Russland und dem Westen seit dem Ende des Kalten Krieges bekannt werden. Und auch die Frage, ob ein demokratischer Staat einen nach rechtsstaatlichen Maßstäben verurteilten Mörder ausliefern sollte, der in der Heimat wohl geehrt wird, dürfte noch diskutiert werden.
Insgesamt war der gestrige Donnerstag aber ein guter Tag für Menschen, die das Regime des russischen Autokraten Putin infrage stellen. Viel Hoffnung, dass jetzt Gespräche etwa über das Ende des russischen Krieges gegen die Ukraine beginnen könnten, ist aber nicht angebracht. Warum, das lesen Sie hier im Berlin.Table.
Der Schwerpunkt dieser Ausgabe ist die drohende regionale Ausweitung Krieg in Nahost. Markus Bickel schreibt über die Gefahr einer weiteren Eskalation. Und Henning Hoff analysiert, wie London künftig mit den Waffenlieferungen nach Israel umgehen könnte.
Vier Monate nach Vorstellung der neuen Bundeswehrstruktur steht nun fest, welche Generäle die wichtigsten Posten bekommen sollen. Thomas Wiegold stellt ihnen das Personal vor. Im Porträt über Doug Weir schreibt Anouk Schlung, warum Umweltschutz und globale Konflikte zusammen gedacht werden müssen.
Eine gute Lektüre wünscht
Knapp zehn Monate nach dem Terrorüberfall der palästinensischen Hamas auf den Süden Israels hat das israelische Militär zwei der drei wichtigsten Führer der Islamistenorganisation getötet. Am Donnerstag gab ein Sprecher in Jerusalem bekannt, dass der Hamas-Militärchef Mohammed Deif bereits Mitte Juli bei einem Angriff im Gazastreifen ums Leben gekommen sei. Neben dem politischen Führer der Organisation, Ismail Hanija, der in der Nacht auf Mittwoch in Teheran getötet wurde, und dem Hamas-Chef im Gazastreifen, Jahia Sinwar, bildete Deif die Führungstroika der 1988 während der ersten Intifada gegen die israelische Besatzungsmacht gegründeten Hamas.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte Mossad-Direktor David Barnea unmittelbar nach dem Terrorüberfall im Oktober 2023 autorisiert, Kader der Hamas zu eliminieren, an welchem Ort auf der Welt auch immer. Damit unterstrich er das erklärte Kriegsziel Israels, die militärischen Strukturen der Hamas zu zerschlagen.
Doch nicht nur, dass die Tötung Hanijas auf iranischem Territorium erfolgte, könnte für Israel strategisch noch Nachteile bringen, so Yossi Melman, Sicherheitsfachmann der israelischen Tageszeitung Haaretz. “In der Vergangenheit hat Israel gezielte Tötungen von palästinensischen Terroristen oder iranischen Atomwissenschaftlern als letztes Mittel genutzt und als Teil einer größeren Strategie”, sagte er Table.Briefings. “Aber seit dem Beginn des Krieges scheint es so, dass die Doktrin gezielter Tötungen zum Selbstzweck geworden ist.”
So habe Netanjahu bis heute keinen Plan für ein Ende des Krieges gegen die Hamas im Gazastreifen vorgelegt, sondern sei getrieben von Rache – was dazu führen dürfte, dass das “Ping-Pong-Spiel von Angriff und Gegenangriff mit Hisbollah und Iran” immer weitergehe. Ganz zu schweigen von Fortschritten bei den von Katar geführten Verhandlungen über die Freilassung der im Oktober 2023 in den Gazastreifen entführten israelischen Geiseln. “Wie können Verhandlungen erfolgreich sein, wenn eine Seite den Verhandler der anderen umbringt?” fragte der Premierminister von Katar, Mohammed Al Thani, am Mittwoch.
Das gilt umso mehr nach dem Doppelschlag gegen die Spitzen von Hamas und Hisbollah diese Woche, der Iran und seine Verbündeten nach Melmans Einschätzung “noch sturer und entschlossener machen” werde: Nur sieben Stunden vor dem Beschuss des Gästehauses der iranischen Regierung in Teheran, in dem Hanija untergebracht war, war in Beirut am Dienstagabend der Militärkommandeur der Hisbollah, Fuad Shukr getötet worden. Unweit des Gebäudes, in dem sich die Nummer zwei der schiitischen Parteimiliz, die mit 15 Abgeordneten im libanesischen Parlament vertreten ist, befand hatte Israel bereits Anfang des Jahres zugeschlagen: Saleh al-Arouri, einer der Stellvertreter Hanijas, kam im Januar bei einem Drohnenangriff ums Leben.
Um ihr weiteres Vorgehen gegen Israel abzustimmen, kamen am Donnerstag in Teheran iranischen Quellen zufolge Vertreter der sogenannten “Achse des Widerstands” zusammen. Neben der Hisbollah und der Hamas zählen dazu die jemenitischen Houthi-Rebellen, aber auch der palästinensische Islamische Dschihad und irakische Schiitenmilizen. Bereits am Vortag hatte der Oberste Führer Irans, Ajatollah Ali Khamenei, Israel mit “harter Vergeltung” für die Tötung Hanijas gedroht: “Wir sehen es als unsere Pflicht an, sein Blut in diesem bitteren und schwierigen Vorfall auf dem Gebiet der Islamischen Republik zu rächen”, sagte der 85-Jährige.
Angeblich soll Khamenei einen Angriff auf Israel bereits angeordnet haben. Auch politische Beobachter in Israel und Libanon rechnen mit einem solchen Schritt, die israelische Militärführung ordnete für Flugabwehrkommando und andere Einheiten am Donnerstag die höchste Alarmstufe an. Im April hatte Iran mehr als 300 Drohnen, Marschflugkörper und ballistische Raketen Richtung Israel abgefeuert. Es war der erste direkte Angriff Irans auf Israel, das sich seit Jahrzehnten in einem Schattenkrieg aus gezielten Tötungen, Sabotageakten und Cyberattacken mit der Islamischen Republik befindet.
Mit dem Großangriff hatte Teheran im April auf die Tötung mehrerer hoher Offiziere der iranischen Revolutionsgarden auf dem Botschaftsgelände des Landes in Damaskus reagiert – allerdings erst zwölf Tage später. Dass der israelische Sicherheitsapparat auch dieses Mal hingehalten werden könnte, ehe eine Reaktion erfolgt, dürfte Teil der Drohkulisse sein, die Teheran aufbaut, um Israel im Unklaren über sein weiteres Vorgehen zu lassen. “Wie der Iran und die Widerstandsfront reagieren werden, wird derzeit geprüft”, sagte der iranische Generalstabschef, Generalmajor Mohammed Baqeri, am Donnerstag im staatlichen Fernsehen. “Das zionistische Regime”, wie Israel seitens der iranischen Führung bezeichnet wird, werde das “zweifellos bedauern”.
In der Nahostkrise setzt London weiter auf Vermittler und ein baldiges Ende des Kriegs im Gazastreifen. “Es ist unbedingt notwendig, dass wir uns eng mit Partnern wie Katar austauschen, die eine wichtige Mittlerrolle im Konflikt um Gaza spielen, damit wir diesen zerstörerischen Krieg zu einem Ende bringen können”, sagte Großbritanniens Außenminister David Lammy am Mittwoch nach Gesprächen mit dem Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al Thani. Zuvor hatte die neue Labour-Regierung erklärt, sich trotz des Drucks von Nichtregierungsorganisationen und aus den Reihen der eigenen Partei bei der Frage eines möglichen britischen Waffenembargos gegen Israel mehr Zeit nehmen zu wollen.
Er werde das Unterhaus informieren, “sobald es mir möglich ist”, versprach Lammy am Dienstag, kurz bevor sich das Parlament in die Sommerpause verabschiedete. Der Außenminister verwies darauf, dass die Regierung eine neue juristische Einschätzung in Auftrag gegeben habe, die klären soll, inwieweit sich Israel im Gaza-Krieg an das humanitäre Völkerrecht halte. Es handele sich um ein “sehr, sehr ernstes Thema”, so Lammy.
Eigentlich war eine Entscheidung für Ende Juli erwartet worden; London hatte die Regierung von Israels Premierminister Benjamin Netanyahu bereits vorgewarnt. Doch unter dem Eindruck des Raketenangriffs der Hisbollah auf die Golanhöhen, bei dem mindestens zwölf fußballspielende Kinder und Jugendliche ums Leben kamen, drückte die Labour-Regierung auf die Bremse. Auf Israels Antwort, die gezielte Tötung des hochrangigen Hisbollah-Kommandeurs Fuad Schukr in Beirut sowie des Hamas-Chefs Ismail Hanija in Teheran, gab es bislang keine offizielle Reaktion.
Aber nicht nur die steigende Gefahr eines Großkonflikts, auch die Komplexität der Frage von Waffenexporten hat der neuen Regierung in London offenbar zu denken gegeben. Ein komplettes Embargo, wie es unter anderem Human Rights Watch, Oxfam, ActionAid UK und Amnesty International vehement fordern, hatte Lammy schon vorher ausgeschlossen. Angesichts der langen Sicherheitspartnerschaft zwischen beiden Ländern und der Tatsache, dass sich Israel mit der Hamas, der Hisbollah und den Houthis Feinden erwehren müsse, die das Land auslöschen wollten, sei ein “generelles Embargo nicht der richtige Schritt”, so der Außenminister. Lammy verwies auch auf den Iran, der die Spannungen in der Region anheize, und warnte vor den “katastrophalen” Folgen eines größeren Konflikts.
Lammy und seine Ministerkollegen – zuständig ist am Ende das Wirtschafts- und Handelsministerium, das Exportlizenzen erteilt – suchen stattdessen nach Wegen, wie sich gegebenenfalls partielle Embargos verhängen ließen. Dies wäre möglich, wenn sich der Einsatz von in Großbritannien hergestellten Waffen bei von den israelischen Streitkräften (IDF) begangenen Kriegsverbrechen nachweisen ließe. Zudem hatte Lammy angedeutet, zwischen “Offensiv- und Defensivwaffen” unterscheiden zu wollen, ein aus militärischer Sicht zweifelhaftes und juristisch wohl nicht weniger problematisches Unterfangen.
Die konservative Vorgängerregierung hatte Waffenembargos gegen Israel wiederholt ausgeschlossen und zwischen dem 7. Oktober 2023 und Ende Mai 2024 108 neue Waffenexportlizenzen erteilt, von denen 63 als “nicht-militärisch” eingestuft waren. Vor dem Regierungswechsel bestanden insgesamt 345 solcher Lizenzen, die allerdings wenig über Umfang und Qualität der Exporte aussagen. Laut Londoner “Times” sind die britischen Waffenexporte nach Israel mit einem Volumen von 18,2 Millionen britischen Pfund (rund 22 Millionen Euro) im Jahr 2023 eher gering.
Zudem dürften sich selbst Teilembargos als problematisch erweisen. Ein Beispiel ist das Kampfflugzeug F-35 der US-Rüstungsfirma Lookhead Martin, das sowohl von der britischen Royal Air Force und den IDF genutzt wird und bei dessen Herstellung Großbritannien ein “tier-one partner” ist. Nach Angaben der Campaign Against Arms Trade liefern britische Hersteller rund 15 Prozent der Bestandteile des Jets zu. Sollte die britische Regierung die entsprechenden Exportlizenzen aufheben und so die Lieferung der F-35 an Israel unterbinden, würde dies den zukünftigen Erwerb des US-Kampfflugzeugs für die britischen Streitkräfte zumindest erschweren und die Beziehungen zu Washington belasten.
Dass die Entscheidung über britische Waffenexportembargos vertagt wurde, wird in Israel als Erfolg gewertet; ein solcher Schritt Londons hätte womöglich eine Welle ähnlicher Embargos europäischer Partnerstaaten ausgelöst.
Für die Labour-Regierung bleibt das Thema sehr sensibel. Starmer hat dem unter seinem Vorgänger Jeremy Corbyn in der Partei grassierenden Antisemitismus einen klaren Riegel vorgeschoben, muss aber weiter darauf achten, unter jüdischen Wählerinnen und Wählern nicht wieder an Ansehen zu verlieren. So kritisierte Phil Rosenberg, Präsident des Board of Deputies of British Jews, in der “Sunday Times” jüngst die Entscheidung der Regierung, die im Gazastreifen tätige UNRWA mit 21 Millionen Pfund (25 Millionen Euro) wieder zu finanzieren – ohne dass Vorwürfe über deren Verwicklung in die Untaten der Hamas aufgeklärt seien. Ein Waffenembargo gegen den Sicherheitspartner Israel, erst recht zum jetzigen Zeitpunkt, wäre eine “erstaunliche” Entscheidung, so Rosenberg mit viel britischem Unterstatement.
Auf der anderen Seite drängen viele linksgerichtete Labour-Abgeordnete – und solche mit großem muslimischen Bevölkerungsanteil in ihren Wahlkreisen – die Regierung zu einem stärker Israel-kritischen Kurs. Bei der Unterhauswahl vom 4. Juli verlor Labour eine Handvoll Wahlkreise im Norden Englands an unabhängige Kandidaten, die sich gegen Starmers damaligen Pro-Israel-Kurs wandten. Für viele in der Partei ist ein Waffenembargo, wie es die Großbritannien-Direktorin von Human Rights Watch, Yasmine Ahmed, formuliert, ein “kritischer nächster Schritt.”
Wie hoch die Verluste auf Seiten der malischen Armee (Fama) und der russischen Wagner-Söldner am vergangenen Wochenende wirklich waren, ist nicht klar. Der auf islamistischen Terrorismus spezialisierte Analyst Wassim Nasr vom Soufan Center in New York spricht von etwa fünfzig Kämpfern, die am 27. Juli im Gefecht bei Tinzaouaten an der algerischen Grenze gefallen sind. Es handele sich um den “wichtigsten Rückschlag, den Wagner seit 2018 außerhalb der Ukraine einstecken musste”, so Nasr.
Die malische Armee räumte in einer Mitteilung vom 29. Juli “bedeutende” Verluste auf ihrer Seite ein. Auch einschlägige, wagnernahe Telegram-Kanäle sprachen von schweren Verlusten. Angreifer auf Fama und Wagner-Truppen waren vor allem Kämpfer des separatistischen CSP-PSD (Cadre stratégique permanent pour la paix, la sécurité et le développement), dem mehrere Gruppen angehören, zu denen mehrheitlich, aber nicht ausschließlich, Tuareg gehören.
Innerhalb der CSP gibt es zwei Fraktionen: Die eine lehnt Kontakte zu den Terroristen ab, die andere ist weniger strikt – wenn auch sie eine direkte Zusammenarbeit ausschließt. Am jüngsten Überfall waren offenbar auch Terroristen beteiligt. Laut Nasr sei dies aber ein kurzzeitiger Zusammenschluss gewesen, da beide sowohl die Fama wie auch Wagner zum Gegner haben.
Kurz nach Bekanntwerden der Kämpfe verbreitete sich in sozialen Medien und über die ukrainische Zeitung Kyiv Post ein Foto, das Kämpfer des CSP mit einer ukrainischen Flagge zeigt. Seine Echtheit bleibt fraglich. Vor einigen Monaten bereits gab es unbestätigte Berichte, denen zufolge ukrainische Kämpfer Wagner-Milizen im Sudan verfolgten.
Grundsätzlich verfügt der ukrainische Geheimdienst über eine Sondereinheit, die für Auslandsmissionen eingesetzt wird. Sie spielte unter anderem während der Evakuierung des Kabuler Flughafens im August 2021 eine wichtige Rolle.
“Die Tuareg haben intensiv versucht, weltweite Sympathie zu gewinnen, indem sie ihren Kampf als Teil desselben Kampfes wie den der Ukraine darstellen”, sagte der Afrika-Analyst Jedrzej Czerep vom polnischen Institut für Internationale Beziehungen (PISM) gegenüber Table.Briefings. “Es gab viele Nachrichten in sozialen Medien auf Ukrainisch, Hashtags und Flaggen, sodass die Flagge nicht unbedingt etwas bedeuten muss.”
Zwar will Czerep eine “gewisse Koordination und Verbindung” nicht ausschließen, ist im konkreten Fall aber skeptisch, was die Mitwirkung der Ukraine angeht. “Ich sehe in diesem Fall keinen wirklichen Mehrwert durch ukrainische Geheimdienste.” Nach der Einnahme Inafaraks (einem Ort, der ebenfalls an der malisch-algerischen Grenze liegt, Anm. d. Red.) durch malische Streitkräfte und Wagner-Einheiten erscheine es ihm glaubwürdig, “dass die Separatisten in einer guten Position waren, um es allein zu schaffen”, sagt Czerep vom PISM.
Der ukrainische Geheimdienst könnte also am globalen Informationskrieg mit Russland mitwirken und ein Gerücht für sich nutzen. Doch nach Aussagen von Kennern, die gute Verbindungen in den ukrainischen Geheimdienst haben, ist eine Hilfe realistisch. Diese Hilfe könnte technischer Art gewesen sein: Störung der Wagner-Kommunikation, sowie taktischer Art: Bereitstellung von Informationen über das übliche Vorgehen von Wagner-Kämpfern.
Für die Ukraine ist Mali kein unbekanntes Terrain. Das liegt an der technischen und personellen Beteiligung an der UN-Friedensmission Minusma. Die Ukraine hatte Hubschrauber gestellt, und ein privates ukrainisches Unternehmen vermittelte die Piloten dafür. Zumindest die Hubschrauber wurden nach Februar 2022 wieder in die Ukraine geholt.
“Die meisten Piloten der eingestellten Minusma-Blauhelmmission kamen aus der Ukraine”, sagt Ulf Laessing, Leiter des Sahel-Programms der Konrad-Adenauer-Stiftung, gegenüber Table.Briefings. “Die kennen das Terrain sehr gut.” Die Ukraine habe kürzlich eine Botschaft in Mauretanien eröffnet. “Falls ukrainische Kommandos dabei waren, kamen die sicherlich über Mauretanien nach Nord-Mali”, meint Laessing. “Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass Mauretanien so etwas erlauben würde. Nouakchott hat bisher alle Konfrontationen mit Mali vermieden.”
Laessing bezweifelt dennoch eine mögliche Unterstützung der Tuareg durch die Ukraine. “Ich denke, dass die Ukraine versucht, die Wagner-Niederlage für eigene Informationskampagnen auszunutzen, aber nicht an dem Angriff beteiligt war.”
Inzwischen haben die Fama und die Wagner-Kämpfer einen ersten Vergeltungsschlag verübt. Am Dienstag wurde die Gegend um Tinzaouaten aus der Luft angegriffen. Dabei sollen auch türkische Bayar-Drohnen eingesetzt worden sein. Laut malischer Regierung sicherte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan dem malischen Staatschef General Goïta in einem Telefonat weiterhin seine Unterstützung zu.
Für die Umstrukturierung der Bundeswehr, die Verteidigungsminister Boris Pistorius angewiesen hat, steht die Besetzung der Führungspositionen fest. An die Spitze des neu zu schaffenden “Operativen Führungskommandos” der Streitkräfte soll Generalleutnant Alexander Sollfrank rücken, bisher Kommandeur des Joint Support and Enabling Command (JSEC) der Nato in Ulm. Der derzeitige Befehlshaber des Kommandos Territoriale Führung, Generalleutnant André Bodemann, ist als sein Stellvertreter vorgesehen.
Der neue Unterstützungsbereich der Bundeswehr wird künftig vom bisherigen Generalmajor und Chef des Logistikkommandos, Gerald Funke, geleitet. Der derzeitige Abteilungsleiter Einsatzbereitschaft und Unterstützung Streitkräfte im Verteidigungsministerium, Generalleutnant Kai Rohrschneider, folgt wiederum auf Sollfrank an der Spitze des Ulmer Kommandos.
Pistorius hatte Anfang April den Umbau für eine “Bundeswehr der Zeitenwende” angekündigt. Dabei ist das neue zentrale Führungskommando, in dem das bisherige Territoriale Führungskommando für das Inland und das Einsatzführungskommando für Auslandseinsätze verschmelzen sollen, ein wesentlicher Baustein. Außerdem soll es künftig nur noch die vier Teilstreitkräfte Heer, Luftwaffe, Marine sowie Cyber- und Informationsraum geben; die bislang eigenständige Streitkräftebasis mit ihren Logistikaufgaben und der Zentrale Sanitätsdienst gehen in einem gemeinsamen Unterstützungsbereich für die Bundeswehr auf.
Sollfrank und Bodemann unterrichteten nach Informationen von Table.Briefings in dieser Woche ihre jeweiligen Kommandos über den anstehenden Wechsel, der bislang vom Ministerium noch nicht offiziell mitgeteilt wurde. Mit der Entscheidung für Sollfrank wählte der Verteidigungsminister einen Befehlshaber, der nicht nur alle wesentlichen Auslandseinsätze der Bundeswehr selbst erlebt hat, von der UN-Mision in Somalia 1993 über den Einsatz im Kosovo bis zum Afghanistan-Einsatz. Der Generalleutnant war zudem in seiner militärischen Laufbahn Kommandeur der Gebirgsjägerbrigade wie auch des Kommandos Spezialkräfte (KSK) und Chef des Stabes im Kommando Heer.
Auffällig allerdings: Seit seiner Tätigkeit im damaligen Planungsstab des Wehrressorts vor gut 13 Jahren war er in keiner Verwendung mehr im Ministerium. Durch seine Arbeit seit März 2022 an der Spitze des Nato-Kommandos in Ulm, das für die Drehscheibe Deutschland im Falle von Krisen und Aufmarsch verbündeter Truppen entscheidend ist, verfügt er aber über enge Verbindungen in der Allianz. tw
Verteidigungsminister Boris Pistorius hat angekündigt, dass die Bundeswehr bald dauerhaft einen Verbindungsoffizier im Hauptquartier des Indo-Pazifik-Kommandos der USA (Indopacom) im US-Bundesstaat Hawaii stationieren werde. Er gehe davon aus, dass die Anträge in Kürze von den Amerikanern gebilligt würden, “und dann sind wir ein Teil dieser Operation”, sagte Pistorius am Mittwoch. Es sei ein weiterer Beweis der deutschen Verpflichtung in der internationalen Zusammenarbeit und Kooperation. Die Deutsche Marine wird dann einen Offizier im Rang eines Kapitäns vertreten sein.
Außerdem sei für kommendes Jahr eine weitere Teilnahme des Heeres an der Übung Talisman Sabre in Australien geplant, eine endgültige Entscheidung stehe aber noch aus, so Pistorius. Er besuchte am Mittwoch und Donnerstag die Besatzung der Fregatte “Baden-Württemberg”, die derzeit zusammen mit dem Einsatzgruppenversorger “Frankfurt am Main” am größten Militärmanöver der Welt vor Hawaii teilnimmt, der US-geführten “Rim of the Pacific” (Rimpac).
Auf seiner Reise zu den Partnern im Indo-Pazifik – neben Hawaii besucht Pistorius auch Südkorea und die Philippinen – will er vor allem den kleineren Staaten in der Region versichern, dass das derzeit laufende deutsche Engagement im Indo-Pazifik nachhaltig angelegt ist.
Seit Mai sind die beiden Kriegsschiffe der Deutschen Marine im Rahmen des Indo-Pazifik-Deployments unterwegs. Stationen in Japan, Südkorea, Indonesien, Singapur und Indien stehen noch aus. Zurück soll es durch das Rote Meer gehen, mit Stopps in Saudi-Arabien und Israel. Die Entscheidung, ob die Marineschiffe die Straße von Taiwan passieren werden, soll kurzfristig und je nach Sicherheitslage fallen. Die Luftwaffe ist von Juni bis August dabei und wird erstmals in Indien Stop machen (siehe Grafik).
Im südchinesischen Meer tritt China militärisch aggressiv auf und beansprucht internationale Gewässer für sich. Die Bundesregierung hat Bereitschaft signalisiert, mehr Verantwortung in der Region zu übernehmen. klm
Kurz nach der russischen Vollinvasion in die Ukraine im Februar 2022 meldeten Medien im russischen Nischni Tagil, dass die örtlichen Kindergärten die Arbeitszeiten ausweiteten. Der Grund: In dieser Stadt befindet sich das wichtigste russische Panzerwerk, Uralwagonsawod, und das fuhr seine Produktion hoch – die Kinder der Arbeiter mussten betreut werden.
Als klar geworden war, dass Kiew nicht in wenigen Tagen fallen würde, reagierte das Regime Wladimir Putins schnell und stellte das ökonomische und gesellschaftliche Leben auf den Krieg um. Welche bürokratischen Schritte dafür nötig und welche Bedingungen schon vor dem Februar 2022 dafür erfüllt worden waren – das fasst eine Untersuchung von Daivis Petraitis für die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) zusammen. Petraitis ist litauischer Militäranalyst und Spezialist für das russische Militär. Nach seiner Karriere im Militär ist er heute im Verteidigungsministerium des Landes tätig. Das Papier “Russia’s War Economy” liegt Table.Media exklusiv vorab vor.
Die wichtigsten Punkte aus dem Papier:
Seit Anfang 2022 hat die russische Regierung mehrere Behörden aufgebaut, deren Aufgabe eine Reform und eine Verbesserung der Arbeiten im Rüstungssektor ist. Auch die zwangsweise Wiederverstaatlichung militärisch wichtiger Unternehmen, wie von Table.Briefings berichtet, gehören zum Vorgehen der Regierung Putins. Dass dies alles ohne Widerstand in der Verwaltung oder Wirtschaft möglich ist, hängt nicht zuletzt auch mit der Tradition des russischen Militärs zusammen, das eine dominante Stellung in der Gesellschaft hat.
Insgesamt verdeutlicht Petraitis’ Untersuchung, dass Russland seine Wirtschaft in eine Kriegsökonomie umgewandelt hat. Auf die Frage, ob diese Pläne nicht eher vor allem auf dem Papier stattfinden, erklärte der Analyst: “Russland hat bereits einige Ziele bei der Reorganisation erreicht, etwa die Möglichkeit, ohne eine neue Mobilmachung den Kampf zu führen. Die Verteidigungsbranche hat zwar Probleme, Arbeitskräfte zu finden, aber diese Probleme gibt es im Westen auch. Dafür werden die Bedingungen angepasst, Gesetze für Arbeitszeiten geändert, Löhne angehoben und die Handwerksberufe wieder als sexy angepriesen.”
Petraitis sieht Russland aktuell in einem zeitlichen Vorteil, weil es bereits weiter sei als die westlichen Staaten, die gesamte Gesellschaft auf große Konflikte vorzubereiten. Er sieht in Europa aktuell keinen Staat, der genügend Anstrengungen als Antwort auf Russland unternimmt. “Wir sind einfach zu langsam und nicht entschlossen genug.”
Die gesamte Untersuchung lesen Sie hier auf Deutsch und Englisch.
RUSI: Venezuela’s Bolivarian Nightmare Continues: What Does it Mean for the West? Nicolás Maduro hat sich trotz einer umstrittenen Wahl in Venezuela erneut zum Präsidenten erklärt. Dadurch verstärke sich die Ausrichtung des Landes in Richtung Russland, China und Iran. Indem Maduro diesen Ländern billiges Öl verkauft, könnte er deren anti-westliche Ambitionen vorantreiben, schreibt der Autor Carlos Solar vom Royal United Services Institute (Rusi). Die westlichen Einflussmöglichkeiten in der Region würden geschwächt.
Handelsblatt: Wir brauchen wieder Vertrauen in multilaterale Institutionen. Volker Perthes, ehemaliger Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen und Senior Distinguished Fellow bei der Stiftung Wissenschaft und ‧Politik (SWP) erklärt in diesem Gastkommentar, wie der VN-Zukunftsgipfel in New York im September dazu beitragen kann, Vertrauen in ein angeschlagenes System multilateraler Institutionen zurückzugewinnen.
Intereconomics: Hardening Norms and Networks: Europe’s Cyber Defence Posture. Annegret Bendiek und Jakob Bund, von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), analysieren die Entwicklung der EU-Cyberverteidigung von einer reaktiven hin zu einer proaktiven Strategie. Sie betonen die Notwendigkeit klarer rechtlicher und normativer Grundlagen, um die Risiken einer Militarisierung des Cyberraums zu minimieren. Transparenz und öffentliche Kontrolle seien zudem entscheidend.
China.Table: Botschafter einbestellt: Deshalb hat China das Kartenamt ausgeforscht. Das deutsche Außenministerium hat den chinesischen Botschafter in Berlin einbestellt, weil die Bundesregierung China die Schuld für einen Cyberangriff im Jahr 2021 auf das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie gibt. Damit fülle die Bundesregierung die China-Strategie, wo der Schutz kritischer Infrastruktur und die Sicherheit im Cyberraum eigene Unterkapitel haben, mit Leben, schreibt unsere China.Table Redaktion.
Die Umwelt wird als stilles Opfer bewaffneter Konflikte häufig übersehen. Doug Weir will sie mehr in den Fokus der Sicherheitspolitik rücken. Er ist Direktor des Conflict and Environment Observatory (CEOBS), einer britischen Organisation, die das gesellschaftliche Bewusstsein für die ökologischen und humanitären Folgen von Konflikten und militärischen Aktivitäten schärfen will. Dabei forschen er und sein Team nicht nur zu den Umweltfolgen von Kriegen, sondern befassen sich auch mit der Rolle von Umweltfaktoren wie dem Klimawandel als Auslöser oder Treiber von Konflikten.
So war der Klimawandel beim Bürgerkrieg in Syrien, der seit 2011 tobt, einer der Auslöser: Aufgrund einer extremen Dürre zwischen 2007 und 2010, verstärkt durch den Klimawandel, brach im Nordosten Syriens das landwirtschaftliche System zusammen. Viele Familien verloren ihr landwirtschaftliches Einkommen und flüchteten in die Städte, wo zuvor schon irakische Flüchtlinge hingestrebt waren. Mit den steigenden Bevölkerungszahlen stieg auch die Konkurrenz um Ressourcen in den Städten. Das dürfte mit ein Grund für die Demonstrationen und Unruhen gewesen sein, die schließlich zum Bürgerkrieg führten, wie eine Studie im Fachmagazin PNAS 2015 zeigt.
Weir, im November 1976 im nordenglischen York geboren, studierte Geologie in Manchester und Zeitungsjournalismus in Sheffield. Während sein Interesse an der Umwelt bereits in Kindertagen begann, kam er zur militärischen Thematik eher zufällig durch seinen ersten Job: Nach dem Studium arbeitete er in einer Organisation, die sich gegen die Verbreitung von Atomwaffen einsetzte.
2011 gründete er das Toxic Remnants of War Project, das sich mit Umweltverschmutzung durch militärische Giftstoffe befasst. Fünf Jahre später beschlossen er und sein Team, das Projekt auszuweiten, und gründeten 2018 CEOBS. “Es gibt neue Instrumente, soziale Medien, Fernerkundung. Dadurch können wir die Zusammenhänge zwischen bewaffneten Konflikten und der Umwelt detaillierter untersuchen”, sagt er.
Das macht Weir aktuell besonders in Hinblick auf Russlands Angriffskrieg in der Ukraine. Es sei wichtig, dass diese Forschung jetzt stattfindet, sagt er: “Wenn wir über die Umwelt sprechen, während der Konflikt stattfindet, können wir kohärenter reagieren und einen nachhaltigen Wiederaufbau planen. Zudem können wir den Prozess der Dokumentation von Umweltschäden verbessern.”
Wichtig ist Weir, dass der Diskurs darüber, wie die Emissionen des Militärsektors reduziert werden können, jetzt beginnt: “Es gibt keine magischen technischen Lösungen. Militärs sind in hohem Maße von fossilen Brennstoffen abhängig, und ihre Ausrüstung hat eine lange Lebensdauer.” Deshalb müsse man sich schon jetzt Gedanken darüber machen, wie in Zukunft ausgemusterte Ausrüstung nachhaltig ersetzt werden könne.
Auch wenn Weir betont, dass das Militär niemals in sinnvollem Sinne nachhaltig sein werde, ist er optimistisch, dass der Sektor seine Umweltauswirkungen reduzieren kann – und plädiert deshalb für globale Standards für dessen Dekarbonisierung. Zudem müsse darüber “sowohl in Klima- als auch in Sicherheitsforen” gesprochen werden. Anouk Schlung
Maria Adebahr ist neue Cyberbotschafterin des Auswärtigen Amtes, heißt es aus diplomatischen Kreisen. Sie übernimmt den Posten von Regine Grienberger, die 2020 zur ersten Beauftragten für Cyberaußen- und Cybersicherheitspolitik der Bundesregierung ernannt wurde. Grienberger wird Berichten zufolge künftig das deutsche Generalkonsulat in Istanbul leiten.
Adebahr (Jahrgang 1976), die in Berlin aus ihren Zeiten als Sprecherin des Auswärtigen Amts bekannt ist, war zuletzt an der deutschen Botschaft in Rom tätig. In ihrer neuen Funktion wird sie dafür zuständig sein, Antworten auf die Bedrohungslage im Cyberraum zu entwickeln. Diese reichen vom Aufbau von Resilienz gegenüber Angriffen bis hin zu diplomatischen Reaktionen, also der Zuordnung von Cyberereignissen bestimmten Verursachern. Zudem ist sie als Cyberdiplomatin im Rahmen etwa der Vereinten Nationen daran beteiligt, globale Normen zu entwickeln, die sich an die technologischen Entwicklungen anpassen.
Ihr Verantwortungsbereich wurde zudem kürzlich um ein neues Referat erweitert, das sich auch mit Fragen der Künstliche Intelligenz beschäftig. wp
Die Nato ist jetzt 75 Jahre alt. Wie wird es um das Bündnis stehen, wenn es seinen 150. Geburtstag feiert? Diese Frage hat sich ein Team um Florence Gaub, Zukunftsforscherin und Direktorin des Forschungsbereichs am Nato Defense College, gestellt. Das Ergebnis ist ein Science-Fiction-Comic mit dem Namen “Nato 2099”.
Er spielt auf dem Mond, wo sich das Bündnis zu einem “historischen Gipfel” versammelt hat, um einen erneuten Weltkrieg zu vermeiden. Es ist eine fremde Welt, in der die Menschen in Raumschiffen im Weltall unterwegs sind und künstliche Intelligenz ganz selbstverständlich als Assistenz der Menschen eingesetzt wird. Andere Dinge klingen bekannter: Die Menschheit hat sich nach verheerenden Kriegen um Meeresressourcen im Jahr 2060 auf etwas geeinigt – nie wieder! Und doch droht zum Ende des Jahrhunderts im Jahr 2099 wieder ein Krieg – diesmal um die Ressourcen im Weltall.
Die potenziellen Auswirkungen von technologischem Fortschritt, Weltraum und Klimakrise werden mit Bildern und kurzen Dialogen zugänglich und greifbar. Die Idee, Science-Fiction-Autoren mit der Entwicklung von Zukunftsszenarien zu beauftragen, ist auch im militärischen Bereich nicht neu.
“Nato 2099” ist der Versuch, die Nato für Groß und Klein greifbar zu machen – mithilfe von echten Helden wie Sandy Masala, der fiktiven Nato-Generalsekretärin, die sicherlich nicht zufällig den Nachnamen von Gaubs Vorgänger, dem Militärexperten Carlo Masala trägt – für Pathos ist gesorgt. wp
“Nato 2099” – Der Graphic Novel hier zum Durchblättern und eine Leseversion mit Beiträgen internationaler Science-Fiction-Autorinnen und Autoren.