im Bereich Künstliche Intelligenz richten sich die Blicke zunehmend in den Südwesten der Republik: nach Heilbronn. Dort investiert die Dieter Schwarz Stiftung in den Aufbau des Innovationsparks AI (IPAI) und fördert auf dem Bildungscampus Ableger renommierter Universitäten wie der TU München und der ETH Zürich.
IPAI soll eines der größten Ökosysteme für anwendungsorientierte Künstliche Intelligenz in Europa werden. “Wir wollen Rahmenbedingungen schaffen, die auch für internationale Talente attraktiv sind”, sagt Reinhold Geilsdörfer, der bei der Stiftung Geschäftsführer für den Bereich Wissenschaft ist, im Interview. Ein Vorzeigepartner ist die deutsche KI-Hoffnung Aleph Alpha. Deren Abwanderung in die USA habe die Stiftung verhindern können, indem sie reichlich Mittel für Forschung und Entwicklung zur Verfügung stellt.
Engagement ganz anderer Art ist derzeit an Universitäten gefragt, denn jeder dritte jüdische Studierende hat bereits Diskriminierungserfahrungen gemacht. Das zeigt eine vom BMBF beauftragte Studie der Universität Konstanz zu Antisemitismus, über die Markus Weisskopf berichtet. Die Studie zeige, dass “sehr rechtsorientierte und muslimisch-fundamentalistisch eingestellte Studierende und vor allem Anhänger der BDS-Bewegung für Angriffe mobilisierbar sind”, sagt Extremismusforscher Andreas Zick.
Er plädiert dafür, den studentischen Gruppen an den Hochschulen wieder mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Überhaupt sollten sich Hochschulen Zeit nehmen für Strategien zum Umgang mit Antisemitismus und anderen Formen des Extremismus.
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Auf einem 23 Hektar großen kreisrunden Areal im Norden Heilbronns entsteht ab 2025 der neue Campus für den Innovationspark AI (IPAI). Es soll eines der größten Ökosysteme für anwendungsorientierte Künstliche Intelligenz in Europa werden, man erwartet private KI-Investitionen in Milliardenhöhe.
Dass Heilbronn im Jahr 2021 den Wettbewerb des Landes Baden-Württemberg um den Standort für den KI-Park gewonnen hat, verdankt es dem Engagement und der Finanzkraft der Dieter Schwarz Stiftung, die dort auf ihrem Bildungscampus schon länger in die akademische Forschung investiert. “Wir wollen Rahmenbedingungen schaffen, die auch für internationale Talente attraktiv sind”, sagt Reinhold Geilsdörfer, der bei der Stiftung Geschäftsführer für den Bereich Wissenschaft ist, im Interview mit Table.Briefings.
Dazu brauche man bekannte Namen wie die ETH Zürich, die TU München und auch die internationalen Top-Universitäten, die bereits an Bord seien, etwa die Oxford University. “Diese Partnerschaften haben unter anderem dazu beigetragen, dass wir im Wettbewerb um den KI-Innovationspark IPAI erfolgreich waren.”
Die TU München ist in Heilbronn schon seit einigen Jahren als Partner vor Ort. Vor kurzem wurde bekannt, dass auch die ETH Zürich einen Ableger plant. War es das Geld oder das Konzept, das diese renommierten Institutionen nach Heilbronn gelockt hat? “Wahrscheinlich beides”, sagt Geilsdörfer. “Ohne Geld wären sie sicher nicht gekommen. Aber die TU München zum Beispiel fand auch die Region Heilbronn interessant. Hier gibt es vielleicht weniger DAX-Unternehmen als in München, dafür aber viele Mittelstandsunternehmen, einige sind Weltmarktführer.”
Für die ETH sei es vermutlich wichtig, in einem EU-Land präsent zu sein. Noch dazu sei man bereits in Kontakt gewesen. “Wir haben in Zürich seit zwei Jahren Stiftungsprofessuren und die ETH hat festgestellt, dass unser Thema und unser Wertesystem gut passen.” Mit Wertesystem meint er vor allem akademische Freiheit: “Bei Stiftungsprofessuren definieren wir gemeinsam die Schwerpunkte, mischen uns ansonsten aber überhaupt nicht ein. Die Universitäten sind völlig frei bei der Besetzung der Professorenstellen und dem, was an Forschung geleistet wird.”
Die Aussicht auf Forschungsförderung war es auch, die hinter dem Coup der Dieter Schwarz Stiftung steckt, das viel beachtete KI-Start-up Aleph Alpha an die Region zu binden. Ende August 2023 kündigte man eine strategische Partnerschaft im Bereich der KI-Spitzenforschung an. Im November wurde bekannt, dass Aleph Alpha von einem Konsortium, an dem auch IPAI und die Unternehmen der Schwarz-Gruppe maßgeblich beteiligt sind, mehr als 500 Millionen US-Dollar Risikokapital erhält.
“Für den CEO Jonas Andrulis war es wichtig, dass ein großer Teil dieser Mittel für Forschung und Entwicklung eingesetzt werden kann”, sagt Geilsdörfer. Das Besondere an der Partnerschaft zwischen IPAI und Aleph Alpha sei, dass es “gewissermaßen gemeinnützige Mittel” sind, die von der Stiftung da hineinfließen. “Dahinter steht nicht die Erwartung hoher Erträge, wie es sonst bei Risikokapitalgebern in der Start-up-Branche der Fall ist.”
Bevor dieser Geldsegen kam, war zu hören, dass Aleph Alpha Abwanderungsgedanken hegt und Gespräche mit Investoren in den USA führt. Geilsdörfer bestätigt, dass das Engagement der Dieter Schwarz Stiftung die Abwanderung verhindert hat. “Jonas Andrulis hat gesehen, dass das Wertesystem, das wir in die Kooperation eingebracht haben, besser passt.”
Das Engagement der Dieter Schwarz Stiftung im Bereich KI erklärt er mit den Herausforderungen, vor denen die Gesellschaft stehe. “Die Industrie beispielsweise muss sich transformieren und weiterentwickeln. Mit unseren Förderungen möchten wir den Veränderungsprozess unterstützen.” Die Stiftung konzentriere sich auf Bildung, Forschung und Start-up-Ökosysteme. “Unser Engagement in diesen drei Feldern sehen wir als wichtige Zukunftsinvestition. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf Themen der Digitalisierung, vor allem Künstliche Intelligenz, auf Cybersicherheit und perspektivisch wird auch Quantenforschung eine wichtige Rolle spielen.”
Dass sich dieses Engagement auf das 125.000 Einwohner zählende Heilbronn im Norden Baden-Württembergs konzentriert, habe damit zu tun, dass der Stifter Dieter Schwarz in dieser Stadt geboren, aufgewachsen und Ehrenbürger ist. Die Stiftung erhalte jährlich einen festgelegten Betrag aus den Unternehmen der Schwarz-Gruppe, zu denen etwa die Supermarktketten Kaufland und Lidl zählen.
Genau beziffert sie ihr Budget nicht, auch über das Finanzvolumen der einzelnen Kooperationen wird geschwiegen. Geilsdörfer erklärt das so: “Bei anderen Stiftungen ist meist der Inhaber nicht mehr am Leben, etwa bei der Robert-Bosch- oder der Bertelsmann-Stiftung. Bei der Volkswagenstiftung steckt eine AG dahinter. Bei uns lebt der Stifter Dieter Schwarz noch – und er möchte das nicht.”
Gefragt nach der ungefähren Größenordnung der Forschungsförderung – etwa im Vergleich zur Volkswagenstiftung, die mit jährlich 100 Millionen Euro im Bereich Wissenschaft einer der größten Geldgeber unter den Stiftungen ist – verrät er immerhin, dass es vonseiten der Dieter Schwarz Stiftung eine noch größere Summe gebe. Aber im Vergleich mit öffentlichen Investitionen sei sie trotzdem nicht riesig. “Allein die TU München hat einen Etat von 900 Millionen Euro im Jahr.”
Die Investitionen, die der Staat in den Bereichen tätigt, in denen auch die Stiftung aktiv ist, haben demnach eine ganz andere Größenordnung. “Im Vergleich dazu setzen wir einen kleinen Leuchtpunkt in eine Region. Um das Land zu verändern und voranzubringen, bräuchten wir eigentlich hundert solche Investitionen.”
Das komplette Interview mit Reinhold Geilsdörfer lesen Sie hier.
18 Prozent der Gesamtbevölkerung teilen antisemitische Einstellungen. Bei den Studierenden sind es lediglich 8 Prozent. Das ist ein Hauptergebnis einer Studie der Arbeitsgruppe Hochschulforschung an der Universität Konstanz im Auftrag des BMBF. Allerdings hat etwa jeder dritte jüdische Studierende bereits Diskriminierungserfahrungen gemacht. Darüber hatte sich Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger bei der Präsentation der Studie besorgt gezeigt und entsprechende Maßnahmen seitens der Hochschulen und der Landesregierungen angemahnt.
Für die Studie führten Studienleiter Thomas Hinz und seine Mitarbeitenden im Dezember 2023 eine Onlineumfrage zu antisemitischen Vorurteilen unter 2.000 Studierenden und weiteren rund 2.000 Personen aus der allgemeinen Bevölkerung durch. Ziel war es, belastbare Zahlen und Fakten in die laufende Diskussion einzubringen.
Die Studie zeige, dass “sehr rechtsorientierte und muslimisch-fundamentalistisch eingestellte Studierende und vor allem Anhänger der BDS-Bewegung für Angriffe mobilisierbar sind”, sagt Extremismusforscher Andreas Zick. Der Anteil von 10 Prozent BDS (Boycott, Divestment and Sanctions)-Unterstützern und 16 Prozent, die potenziell dazugehören, sei hoch.
Muslimische Studierende neigen der Studie zufolge stärker zu antisemitischen Einstellungen als christliche oder konfessionslose Kommilitonen. Dies korreliert allerdings zum Teil mit der eigenen Herkunft oder der Herkunft der Familie aus einem Land in der Nähe der Konfliktregion. Ähnliches gilt nämlich für christliche Studierende, wenn ihre Eltern aus einem solchen Land stammen.
Generell zeigt sich: je ausgeprägter die Religiosität, desto stärker die antisemitischen Haltungen – sowohl bei muslimischen als auch bei christlichen Studierenden.
Ein weiteres Ergebnis, das der bisherigen medialen Wahrnehmung eher widerspricht: Studierende, die sich politisch links verorten, weisen deutlich seltener antisemitische Einstellungen auf (fünf Prozent). Dagegen finden sich bei 22 Prozent der sich als politisch rechts einordnenden Studierenden antisemitische Einstellungen.
Für die zunehmende Mobilisierung antisemitischer Gruppen an den Hochschulen macht Andreas Zick unter anderem die “Unkenntnis über den Nahostkonflikt, die Verbreitung von Falschnachrichten, Verschwörungsmythen und menschenverachtenden Bildern und Erzählungen” verantwortlich. Diese Entwicklungen machen es ideologisch orientierten Gruppierungen leicht, Studierende abzuholen, die sich stark für palästinensische Opfer interessieren.
Dabei sei übersehen worden, dass Hochschulen mit ihren studentischen Gruppen besonders anfällig für eine solche Mobilisierung seien. Dort werde Antisemitismus erzeugt und verankert. “Es gibt keine systematische Arbeit dazu in den Hochschulen”, meint Zick. “Ein Konsens, den wir beispielsweise über Schulen hinweg haben, dass dort Bildung zur Shoah, zum Antisemitismus stattfindet, den haben wir bei den Hochschulen gar nicht.”
Zick plädiert dafür, den studentischen Gruppen an den Hochschulen wieder mehr Aufmerksamkeit zu schenken. In den 1970er-Jahren habe es eine breitere Auseinandersetzung gegeben – damals vor allem mit linken Hochschulgruppen, das sei seither nicht mehr erfolgt. Gerade mit rechtsextremen Gruppen gebe es keine ausreichende Beschäftigung.
Es brauche nun Bildungs-, Präventions- und Interventionsarbeit in den Hochschulen, meinen auch andere Experten. Gerade vor dem Hintergrund, dass mittlerweile mehr als 50 Prozent eines Jahrgangs in den Hochschulen landen, könne man dort im Bereich der Demokratiebildung große Effekte erzielen.
“Einige Hochschulen machen Projektwochen, Gastvorträge und bieten Fortbildungen an. Hochschulen richten inzwischen Stellen für Antisemitismusbeauftragte ein, die aber wenig bewirken können, wenn sie nicht ausgestattet sind”, sagt Zick. Er empfiehlt allen Hochschulen, sich Zeit zu nehmen für Strategien zum Umgang mit Antisemitismus und anderen Formen des Extremismus an Hochschulen.
“Eigentlich müssten die Hochschulen genügend Potenzial haben, aber offensichtlich schöpfen sie ihre Kompetenzen im Bereich Toleranz und Schutz vor Herabwürdigung zu wenig aus”, sagt der Wissenschaftler der Uni Bielefeld. Das heißt: Die Hochschulen könnten, wenn sie nur wollten. Doch einerseits fürchten viele Hochschulen einen Imageschaden, wenn sie Probleme mit Antisemitismus oder anderem Extremismus zu stark thematisieren. Dabei könnte es gerade ein Standortvorteil sein, sich bewusst als Hochschule für Toleranz und Offenheit zu positionieren.
Auf der anderen Seite fehle teilweise die Unterstützung durch die Politik. Hier brauche es ein klares Bekenntnis, dass der Weg zu mehr Toleranz und Offenheit der richtige ist, so Zick. Dabei gehe es auch um konkrete, strukturelle Ressourcen. Denn: “Bildungsorganisationen müssen so stark sein, dass sie Konfliktsituationen aus sich heraus bearbeiten können“.
19. März 2024, 18:00 Uhr, Akademiegebäude am Gendarmenmarkt, Einstein-Saal, Jägerstraße 22/23, 10117 Berlin
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20. März, 13:00 bis 18:30 Uhr, Landesvertretung Sachsen-Anhalts beim Bund, Luisenstraße 18, 10117 Berlin
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Der am heutigen Dienstag veröffentlichte Patent Index 2023 weist für Deutschland das erste Mal nach drei Jahren wieder einen leichten Anstieg bei Patentanmeldungen aus. Erfinderinnen und Erfinder sowie Unternehmen aus Deutschland reichten beim Europäischen Patentamt (EPA) im vergangenen Jahr 24.966 Patentanmeldungen ein und damit 1,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Was die absolute Zahl der Patente angeht, bleibt Deutschland damit auch an der Spitze der europäischen Staaten. Im weltweiten Ranking des EPA steht Deutschland weiterhin auf dem zweiten Platz hinter den USA, neben Japan und noch einen Prozentpunkt vor China.
Bei der Wachstumsrate liegt Deutschland allerdings unter dem Durchschnitt europäischer Anmeldeländer (1,9 Prozent). Insgesamt wurden beim Europäischen Patentamt (EPA) im vergangenen Jahr 199.275 Patentanmeldungen eingereicht, was einem Anstieg von 2,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Der positive Trend aus den Jahren vergangenen Jahren (2021: +4,7 Prozent und 2022: +2,6 Prozent) hat sich damit fortgesetzt. Der Anstieg der Patentanmeldungen in 2023 beruht vor allem auf der weiterhin starken Zunahme aus Korea (21 Prozent zum Vorjahr) und China (+8,8 Prozent gegenüber 2022).
Zu den Schlusslichtern gehörte Deutschland im vergangenen Jahr bei den von Frauen eingereichten Patentanmeldungen. Lediglich in 22 Prozent der deutschen Anmeldungen wurde eine Frau als Erfinderin aufgeführt. Dies ist der zweitniedrigste Anteil unter den zwölf größeren europäischen Patentanmeldeländern, die mehr als 2.000 Anmeldungen pro Jahr einreichen. Er liegt auch unter dem Durchschnitt der 39 EPA-Mitgliedstaaten (27 Prozent). Am häufigsten reichen Frauen europaweit Patente im Bereich Chemie ein (50 Prozent). Prozentual am wenigsten Erfinderinnen mit Anmeldungen am EPA gibt es im Bereich Maschinenbau (14 Prozent).
Die zahlenmäßig stärksten Technologiefelder bei den Patentanmeldungen aus Deutschland waren erneut die traditionell patentintensiven Bereiche “Elektrische Maschinen/Geräte/Energie”, “Transport (einschließlich der Fahrzeugtechnologien)” sowie “Messtechnik”. Daneben haben deutsche Unternehmen sowie Erfinderinnen und Erfinder insbesondere in zukunftsträchtigen Segmenten wie der “Computertechnik” (+ 13,5 Prozent) und der “Biotechnologie” (+ 13,4 Prozent) wieder deutlich mehr Patente angemeldet. Unter den 25 stärksten Anmeldern aus Deutschland kommt die Fraunhofer-Gesellschaft hinter BASF, Siemens und Robert Bosch auf Platz 4 (514 Anmeldungen). Die eher für Grundlagenforschung bekannt Max-Planck-Gesellschaft schafft es mit Platz 27 (131 Anmeldungen) immerhin in die Top 30. tg
Die EU-Staaten und das Europäische Parlament haben sich auf ein neues Gesetz geeinigt, das den Austausch von und den Zugang zu Gesundheitsdaten erleichtern soll, wie beide am Freitag mitteilten. Derzeit sei der Zugang zu Gesundheitsdaten innerhalb der Europäischen Union unübersichtlich und sehr unterschiedlich.
Die Schaffung eines EU-Gesundheitsdatenraums ermögliche nun die effektive Nutzung dieser Daten durch die Forschung über die sogenannte Sekundärnutzung in pseudonymisierter Form – also ohne die Möglichkeit, sie einem bestimmten Patienten zuzuordnen.
“Die Einigung ist ein Meilenstein für die Gesundheitsforschung in Europa und kann Erkenntnisse und Verbesserungen für diverse Krankheitsbilder ermöglichen”, sagte Otmar D. Wiestler, Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft, dazu auf Anfrage von Table.Briefings. Vor allem für seltene Erkrankungen seien die Chancen enorm, weil es endlich leichter möglich sein werde, genügend Daten für Untersuchungen zu erhalten.
Entscheidend sei jedoch die Implementierung. Die nationalen Systeme müssten hierfür interoperabel sein. Es sei positiv, dass dazu bereits Projekte laufen, kommentiert Wiestler weiter. “Wichtig wird für die erfolgreiche Umsetzung auch sein, dass die Daten möglichst vieler Menschen im EHDS eingebunden werden. Daher begrüßen wir die Einigung auf eine Opt-out-Vorgehensweise.”
Dem digitalpolitischen Sprecher und Berichterstatter für Digital Health der FDP-Bundestagsfraktion, Maximilian Funke-Kaiser, zufolge hat die Bundesregierung mit dem Digitalgesetz und dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz in der nationalen Umsetzung des EHDS bereits ein breites und stabiles Fundament errichten können.
Die vorläufige Einigung von Rat und Parlament muss nun noch von beiden endgültig angenommen werden. Dies ist in den meisten Fällen Formsache. mw
In den Verhandlungen zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst des Landes Hessen haben sich am Freitag das Land und die Gewerkschaften auch über Rahmenbedingungen für die Beschäftigung studentischer Hilfskräfte und den weiteren Ausbau unbefristeter Beschäftigungsverhältnisse geeinigt. In der Tarifeinigung verpflichtet sich das Land, studentischen Hilfskräften einen Mindeststundenlohn von 13,46 Euro zu zahlen und diesen künftig entsprechend der Tarifsteigerungen zu erhöhen.
Erstmals ist bei den Verhandlungen ist deutschlandweit eine Mindestanzahl von unbefristeten Dauerstellen zwischen Land und Gewerkschaft vereinbart worden. Die Hochschulen müssen die Zahl ihrer unbefristeten Tarif-Vollzeitstellen für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler deutlich steigern, von 1.459 Ende 2022 auf mindestens 1.850 im Jahr 2030. Die Verabredung ist bindend und kann somit von den Gewerkschaften oder den Arbeitnehmern eingeklagt werden.
“Besonders erfreulich ist, dass wir in die Tarifeinigung endlich verbindliche Regelungen zur Schaffung von mehr unbefristeter Beschäftigung an Hochschulen aufnehmen konnten”, sagte Simone Claar, stellvertretende Vorsitzende der GEW Hessen zu dem Ergebnis. Hessen ist als einziges Bundesland nicht Mitglied des Arbeitgeberverbandes Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL). Die Tarifverhandlungen für die hessischen Landesbeschäftigten werden daher seit dem Austritt 2004 eigenständig geführt.
Andreas Keller, GEW-Vize und Hochschulexperte der Gewerkschaft, hält das Ergebnis für “sensationell”. Im Ergebnis zeige sich, dass sich die Flucht des Landes Hessen aus der TdL aus Arbeitgebersicht nicht auszahlt. Der neue hessische Wissenschaftsminister Timon Gremmels (SPD) zeigte sich ebenfalls zufrieden: “Es wurde ein guter Kompromiss ganz im Sinne des gemeinsamen Ziels erreicht, die Arbeitsbedingungen an den Hochschulen für den wissenschaftlichen Nachwuchs und den Mittelbau zu verbessern.”
Interessant ist das Ergebnis der Verhandlungen auch die für bundesweite Debatte für bessere Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft. Es zeigt Hessens Bereitschaft, mehr für unbefristete Stellen in der Wissenschaft zu tun. Das könnte auch eine Signalwirkung auf die Verhandlungen zum WissZeitVG haben, wo derzeit eine Lockerung der Tarifsperre diskutiert wird und das Instrument einer Befristungshöchstquote. Die GEW hatte sich optimistisch gezeigt, dass man in Tarifverhandlungen mit allen Ländern zu einer einheitlichen Lösung kommen könnte. Hochschulallianzen hatten sich zuletzt kritisch zu einer Tariföffnung geäußert. Sie befürchten ein Regelungswirrwarr. tg
US-Präsident Joe Biden will die Forschung zur Gesundheit von Frauen verbessern und Forschungslücken schließen. Er unterzeichnete am Montag eine entsprechende Verfügung, die es seinen Behörden vorschreibe, die Forschung zur Gesundheit von Frauen zu priorisieren, teilte das Weiße Haus mit. Konkret gehe es etwa darum, die Datenlage zu verbessern und frauenspezifische Krankheiten und Phänomene besser zu erforschen, etwa Endometriose oder die Menopause.
Gemeint sind den Angaben zufolge aber auch Krankheiten, bei denen Männer und Frauen unterschiedliche Symptome haben, was aber bislang oft nicht ausreichend berücksichtigt wird, zum Beispiel bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Auch bei der Erforschung von Krankheiten, von denen häufiger Frauen betroffen sind, etwa Rheuma oder Alzheimer, bestehe Handlungsbedarf. Es sei “längst an der Zeit, dafür zu sorgen, dass Frauen die Antworten bekommen, die sie brauchen, wenn es um ihre Gesundheit geht”, teilte das Weiße Haus mit. Expertinnen und Experten fordern seit Langem mehr frauenspezifische Forschung in der Medizin. dpa
Der Weg in die Wissenschaft war für die Soziologin und Geschlechterforscherin Paula-Irene Villa Braslavsky fast schon vorgezeichnet. Ihre Mutter ist die mehrfach ausgezeichnete Photochemikerin und mittlerweile emeritierte Professorin Silvia Braslavsky. Auch ihre Großmutter und ihre Tante waren Professorinnen. “Man könnte sagen, ich komme aus einem akademischen Matriarchat”, sagt Villa Braslavsky.
Mittlerweile gilt die deutsch-argentinische Wissenschaftlerin als eine der führenden Soziologinnen Deutschlands. Die 55-Jährige ist Lehrstuhlinhaberin für Allgemeine Soziologie und Gender Studies am Institut für Soziologie der Universität München (LMU) und seit 2021 Vorsitzende der Gesellschaft für Soziologie. 2022 erhielt sie den Helge-Pross Preis für “herausragende Leistungen auf dem Gebiet der Familien- und Geschlechterforschung”.
Warum sie die Geschlechterforschung so fasziniert? “Es ist ein Feld, in dem relevante, gesellschaftliche, politische und kulturelle Dynamiken aufgegriffen werden“, sagt Villa Braslavsky. Man könne über ökonomische Fragen, über Ungleichheitsfragen, über Berufs- und Karrierefragen, über Fragen von Sexualität, Familie oder über Medien, Bilder, Normen nachdenken. “Das Feld hat sehr viele Facetten. Gerade diese Vielseitigkeit finde ich so interessant.”
Die Soziologin selbst forscht derzeit unter anderem zum Thema Sex und Gender, also wie die biologischen und sozialen Dimensionen von Geschlecht miteinander interagieren. Ein weiteres Thema, an dem sie seit vielen Jahren forscht, ist Care, also Fürsorge, Pflege, Kümmern. “Wie hängt das Kümmern mit Geschlechtlichkeit in spezifischen Gesellschaften zusammen? Das ist ein ganz wichtiges Thema im Moment”, sagt Villa Braslavsky. Zudem beschäftigt sie sich intensiv mit popkulturellen und geschlechtsbezogenen Themen, insbesondere im Kontext von Sexualität und Selbstbestimmung. Wenn sie nicht gerade mit ihrer Forschung beschäftigt ist, verbringt die 55-Jährige ihre Zeit meist beim Wandern oder in der Küche beim Backen, am liebsten gemeinsam mit ihrer Familie.
Villa Braslavsky beobachtet, dass das Interesse an der Genderforschung in den vergangenen Jahren stark zugenommen hat, besonders unter Studierenden. “Egal, ob man Germanistik, Kunstgeschichte, Soziologie oder Medizin studiert, die Auseinandersetzung mit Geschlecht als Thema ist mittlerweile weit verbreitet und vielfach völlig unaufgeregt normalisiert als Teil des Studiums.” Und ja, es freut sie sichtlich, dass das Thema Gender in vielen Forschungsfeldern fast schon selbstverständlich geworden ist.
“Es werden viele Drittmittel eingeworben, es wird viel geforscht und publiziert, und es gibt einen großen Einsatz für Öffentlichkeitsarbeit und Wissenschaftskommunikation“, sagt die Soziologin stolz. Doch die institutionelle Verankerung in Deutschland ist nach wie vor nicht besonders stark. So gibt es nur etwa 0,4 Prozent Professuren mit einer spezifischen Ausrichtung auf Gender Studies. Umso interessanter findet sie, dass das ganze Feld der Gender Studies in seiner Größe vielfach überschätzt wird.
“Es ist fast schon bizarr, wie stark und emotional Gender Studies diskutiert werden, gerade im politischen Umfeld”, sagt Villa Braslavsky. Die Forschung werde teilweise skandalisiert und stark delegitimiert – und das bekommt die Soziologin auch persönlich zu spüren. “Seit über 10 bis 15 Jahren sind Forscherinnen wie ich regelmäßig Bedrohungen, Angriffen und Diskreditierungen ausgesetzt, oft in Form von gewalttätigen, bedrohlichen und obszönen E-Mails”, sagt sie.
Wenn es antisemitisch wird, greift auch mal die Staatsanwaltschaft ein – mit Erfolg. Dies alles sei ein Teil der autoritär-populistischen Mobilisierung, die weltweit zu beobachten sei. Ungarn habe bereits Gender Studies verboten und die Forschenden aus dem Land gedrängt, und auch die AfD und andere Parteien in Deutschland positionieren sich vehement gegen Gender Studies.
Villa Braslavsky blickt daher besorgt auf die hohen Umfragewerte der AfD. Sie selbst wurde in Santiago de Chile geboren, hat also einen Migrationshintergrund und ist zudem Jüdin. “Natürlich bin ich besorgt, auch um die Forschung. Es wird mehr als deutlich, wie wenig Wert dieses politische Spektrum auf Wissenschaftsfreiheit und die Freiheit von Lehre und Forschung legt”, sagt Villa Braslavsky. “Besorgniserregend ist auch, wie oft in den Medien angenommen wird, dass Gender Studies lediglich ideologisches Brainwashing betreiben. Das bereitet mir natürlich große Sorgen.” Umso wichtiger ist es für sie, weiter zu forschen und die Forschungsergebnisse verständlich der Öffentlichkeit zu vermitteln.
Welches Thema ihrer Meinung nach in Zukunft in diesem Feld immer wichtiger werden wird? “Ich glaube, dass die Themen Geschlecht in der Medizin und Gender in den Naturwissenschaften in den nächsten Jahren weiter an Bedeutung gewinnen werden”, sagt Villa Braslavsky. “Es geht nicht nur darum, Herzinfarkte bei Frauen besser zu erkennen, sondern auch um grundlegendere Fragen, wie die Verschränkung von Natur und Kultur, die Bedeutung geschlechtsspezifischer Körper in der Medizin oder um Männergesundheit. Es gibt noch so vieles zu erforschen – das motiviert mich.”
Motiviert ist Villa Braslavsky darüber hinaus, auch ganz generell die Zukunft für junge Wissenschaftler*innen in Deutschland “progressiv” mitzugestalten. Im vergangenen Jahr hatte sie sich in die Debatte über bessere Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft eingeschaltet und mit anderen Forschenden die Initiative #profsfuerhanna gegründet. Die Wissenschaftlerin hatte eine Petition formuliert, die über 3.000 Professorinnen und Professoren unterzeichnet haben. Der Inhalt: Eine Ablehnung der – aus ihrer Sicht falschen – Reformvorschläge des BMBF zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG).
“Die vom BMBF angestrebte Regelung ist in keinem Fach ausreichend, um für eine klassische Professur danach national oder international wettbewerbsfähig zu sein”, sagt sie. Darüber seien ihre Kolleginnen und Kollegen verärgert, obwohl sie selber vom Status Quo augenscheinlich profitieren. Es brauche vielmehr grundlegende Reformen des Wissenschaftssystems, meint Villa Braslavsky. So findet die Inhaberin eines Lehrstuhls, die Abschaffung eben jenes sinnvoll und ist Befürworterin des Department-Systems an deutschen Hochschulen. “Wir wollen den Prozess auch als privilegierte Statusgruppe weiter begleiten”, kündigt Villa Braslavsky an. Vor Auseinandersetzung in der Sache ist ihr nicht bange. Elena Matera
Frank Dellmann, Präsident der FH Münster, wurde zum Vorsitzenden der UAS7, einem Bündnis von sieben forschungsorientierten deutschen Hochschulen für Angewandte Wissenschaften, gewählt.
Heyo Kroemer ist Vorsitzender des vom Bundeskanzleramt neu eingerichteten ExpertInnenrats “Gesundheit und Resilienz”, dem Nachfolgegremium des Corona-ExpertInnenrats. Den Co-Vorsitz hat Susanne Moebus. Das Gremium hat insgesamt 23 Mitglieder, darunter etwa Christian Drosten, Hendrik Streeck, Leif Sander und Alena Buyx.
Jens Andreas Meinen wird zum 1. September neuer Kanzler der Universität Heidelberg. Aktuell ist der 55-jährige Kanzler der Universität Duisburg-Essen.
Klaus Überla wird neuer Vorsitzender der Ständigen Impfkommission (STIKO). Zur stellvertretenden Vorsitzenden wurde im Rahmen der konstituierenden Sitzung für die Berufungsperiode 2024 bis 2027 Marianne Röbl-Mathieu gewählt.
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Europe.Table. EU und Schweiz wagen einen neuen Anlauf. Am Montag haben die Verhandlungen zwischen Bern und Brüssel zu einer neuen Grundlage für die bilateralen Beziehungen begonnen. Für die Forschung steht eine Vollassoziierung an Horizon Europe im Raum. In der Schweiz haben die Gegner eines Deals mit der EU allerdings auch beim zweiten Anlauf vorerst die Meinungshoheit. Mehr
Berlin.Table. Krankenhausreform: Milliardenfonds soll kommen. Der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen, Janosch Dahmen, verspricht sich viel von der Krankenhausreform. Der für Dezember geplante Entwurf von Gesundheitsminister Karl Lauterbach werde die “wirtschaftliche Existenz” von Krankenhäusern absichern. Mehr
Bildung.Table. KMK-Reform: Abkehr von der Einstimmigkeit bekommt neue Dynamik. Die Strukturreform der KMK-Treffen nimmt eine immer konkretere Gestalt an. Die Gründung der neuen WissenschaftsMK rückt näher und eine Abkehr vom Einstimmigkeitsprinzip wird wahrscheinlicher. Im Raum steht ein Opt-Out-Modell als mögliche Variante. Mehr
Climate.Table. Klimaziele 2030 erreichbar: Habeck gibt sich optimistisch, doch die Daten weisen Lücken auf. Daten des Umweltbundesamts zufolge sind die 2030er-Klimaziele greifbar. Das Wirtschaftsministerium zeigt sich optimistisch, die von der Vorgängerregierung geerbte Klimalücke bis zum Ende des Jahrzehnts schließen zu können – sogar, wenn sich die Wirtschaft erholt. Doch es gibt Zweifel an den Zahlen. Mehr
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Die Aussicht auf Forschungsförderung war es auch, die hinter dem Coup der Dieter Schwarz Stiftung steckt, das viel beachtete KI-Start-up Aleph Alpha an die Region zu binden. Ende August 2023 kündigte man eine strategische Partnerschaft im Bereich der KI-Spitzenforschung an. Im November wurde bekannt, dass Aleph Alpha von einem Konsortium, an dem auch IPAI und die Unternehmen der Schwarz-Gruppe maßgeblich beteiligt sind, mehr als 500 Millionen US-Dollar Risikokapital erhält.
“Für den CEO Jonas Andrulis war es wichtig, dass ein großer Teil dieser Mittel für Forschung und Entwicklung eingesetzt werden kann”, sagt Geilsdörfer. Das Besondere an der Partnerschaft zwischen IPAI und Aleph Alpha sei, dass es “gewissermaßen gemeinnützige Mittel” sind, die von der Stiftung da hineinfließen. “Dahinter steht nicht die Erwartung hoher Erträge, wie es sonst bei Risikokapitalgebern in der Start-up-Branche der Fall ist.”
Bevor dieser Geldsegen kam, war zu hören, dass Aleph Alpha Abwanderungsgedanken hegt und Gespräche mit Investoren in den USA führt. Geilsdörfer bestätigt, dass das Engagement der Dieter Schwarz Stiftung die Abwanderung verhindert hat. “Jonas Andrulis hat gesehen, dass das Wertesystem, das wir in die Kooperation eingebracht haben, besser passt.”
Das Engagement der Dieter Schwarz Stiftung im Bereich KI erklärt er mit den Herausforderungen, vor denen die Gesellschaft stehe. “Die Industrie beispielsweise muss sich transformieren und weiterentwickeln. Mit unseren Förderungen möchten wir den Veränderungsprozess unterstützen.” Die Stiftung konzentriere sich auf Bildung, Forschung und Start-up-Ökosysteme. “Unser Engagement in diesen drei Feldern sehen wir als wichtige Zukunftsinvestition. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf Themen der Digitalisierung, vor allem Künstliche Intelligenz, auf Cybersicherheit und perspektivisch wird auch Quantenforschung eine wichtige Rolle spielen.”
Dass sich dieses Engagement auf das 125.000 Einwohner zählende Heilbronn im Norden Baden-Württembergs konzentriert, habe damit zu tun, dass der Stifter Dieter Schwarz in dieser Stadt geboren, aufgewachsen und Ehrenbürger ist. Die Stiftung erhalte jährlich einen festgelegten Betrag aus den Unternehmen der Schwarz-Gruppe, zu denen etwa die Supermarktketten Kaufland und Lidl zählen.
Genau beziffert sie ihr Budget nicht, auch über das Finanzvolumen der einzelnen Kooperationen wird geschwiegen. Geilsdörfer erklärt das so: “Bei anderen Stiftungen ist meist der Inhaber nicht mehr am Leben, etwa bei der Robert-Bosch- oder der Bertelsmann-Stiftung. Bei der Volkswagenstiftung steckt eine AG dahinter. Bei uns lebt der Stifter Dieter Schwarz noch – und er möchte das nicht.”
Gefragt nach der ungefähren Größenordnung der Forschungsförderung – etwa im Vergleich zur Volkswagenstiftung, die mit jährlich 100 Millionen Euro im Bereich Wissenschaft einer der größten Geldgeber unter den Stiftungen ist – verrät er immerhin, dass es vonseiten der Dieter Schwarz Stiftung eine noch größere Summe gebe. Aber im Vergleich mit öffentlichen Investitionen sei sie trotzdem nicht riesig. “Allein die TU München hat einen Etat von 900 Millionen Euro im Jahr.”
Die Investitionen, die der Staat in den Bereichen tätigt, in denen auch die Stiftung aktiv ist, haben demnach eine ganz andere Größenordnung. “Im Vergleich dazu setzen wir einen kleinen Leuchtpunkt in eine Region. Um das Land zu verändern und voranzubringen, bräuchten wir eigentlich hundert solche Investitionen.”
Das komplette Interview mit Reinhold Geilsdörfer lesen Sie hier.
18 Prozent der Gesamtbevölkerung teilen antisemitische Einstellungen. Bei den Studierenden sind es lediglich 8 Prozent. Das ist ein Hauptergebnis einer Studie der Arbeitsgruppe Hochschulforschung an der Universität Konstanz im Auftrag des BMBF. Allerdings hat etwa jeder dritte jüdische Studierende bereits Diskriminierungserfahrungen gemacht. Darüber hatte sich Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger bei der Präsentation der Studie besorgt gezeigt und entsprechende Maßnahmen seitens der Hochschulen und der Landesregierungen angemahnt.
Für die Studie führten Studienleiter Thomas Hinz und seine Mitarbeitenden im Dezember 2023 eine Onlineumfrage zu antisemitischen Vorurteilen unter 2.000 Studierenden und weiteren rund 2.000 Personen aus der allgemeinen Bevölkerung durch. Ziel war es, belastbare Zahlen und Fakten in die laufende Diskussion einzubringen.
Die Studie zeige, dass “sehr rechtsorientierte und muslimisch-fundamentalistisch eingestellte Studierende und vor allem Anhänger der BDS-Bewegung für Angriffe mobilisierbar sind”, sagt Extremismusforscher Andreas Zick. Der Anteil von 10 Prozent BDS (Boycott, Divestment and Sanctions)-Unterstützern und 16 Prozent, die potenziell dazugehören, sei hoch.
Muslimische Studierende neigen der Studie zufolge stärker zu antisemitischen Einstellungen als christliche oder konfessionslose Kommilitonen. Dies korreliert allerdings zum Teil mit der eigenen Herkunft oder der Herkunft der Familie aus einem Land in der Nähe der Konfliktregion. Ähnliches gilt nämlich für christliche Studierende, wenn ihre Eltern aus einem solchen Land stammen.
Generell zeigt sich: je ausgeprägter die Religiosität, desto stärker die antisemitischen Haltungen – sowohl bei muslimischen als auch bei christlichen Studierenden.
Ein weiteres Ergebnis, das der bisherigen medialen Wahrnehmung eher widerspricht: Studierende, die sich politisch links verorten, weisen deutlich seltener antisemitische Einstellungen auf (fünf Prozent). Dagegen finden sich bei 22 Prozent der sich als politisch rechts einordnenden Studierenden antisemitische Einstellungen.
Für die zunehmende Mobilisierung antisemitischer Gruppen an den Hochschulen macht Andreas Zick unter anderem die “Unkenntnis über den Nahostkonflikt, die Verbreitung von Falschnachrichten, Verschwörungsmythen und menschenverachtenden Bildern und Erzählungen” verantwortlich. Diese Entwicklungen machen es ideologisch orientierten Gruppierungen leicht, Studierende abzuholen, die sich stark für palästinensische Opfer interessieren.
Dabei sei übersehen worden, dass Hochschulen mit ihren studentischen Gruppen besonders anfällig für eine solche Mobilisierung seien. Dort werde Antisemitismus erzeugt und verankert. “Es gibt keine systematische Arbeit dazu in den Hochschulen”, meint Zick. “Ein Konsens, den wir beispielsweise über Schulen hinweg haben, dass dort Bildung zur Shoah, zum Antisemitismus stattfindet, den haben wir bei den Hochschulen gar nicht.”
Zick plädiert dafür, den studentischen Gruppen an den Hochschulen wieder mehr Aufmerksamkeit zu schenken. In den 1970er-Jahren habe es eine breitere Auseinandersetzung gegeben – damals vor allem mit linken Hochschulgruppen, das sei seither nicht mehr erfolgt. Gerade mit rechtsextremen Gruppen gebe es keine ausreichende Beschäftigung.
Es brauche nun Bildungs-, Präventions- und Interventionsarbeit in den Hochschulen, meinen auch andere Experten. Gerade vor dem Hintergrund, dass mittlerweile mehr als 50 Prozent eines Jahrgangs in den Hochschulen landen, könne man dort im Bereich der Demokratiebildung große Effekte erzielen.
“Einige Hochschulen machen Projektwochen, Gastvorträge und bieten Fortbildungen an. Hochschulen richten inzwischen Stellen für Antisemitismusbeauftragte ein, die aber wenig bewirken können, wenn sie nicht ausgestattet sind”, sagt Zick. Er empfiehlt allen Hochschulen, sich Zeit zu nehmen für Strategien zum Umgang mit Antisemitismus und anderen Formen des Extremismus an Hochschulen.
“Eigentlich müssten die Hochschulen genügend Potenzial haben, aber offensichtlich schöpfen sie ihre Kompetenzen im Bereich Toleranz und Schutz vor Herabwürdigung zu wenig aus”, sagt der Wissenschaftler der Uni Bielefeld. Das heißt: Die Hochschulen könnten, wenn sie nur wollten. Doch einerseits fürchten viele Hochschulen einen Imageschaden, wenn sie Probleme mit Antisemitismus oder anderem Extremismus zu stark thematisieren. Dabei könnte es gerade ein Standortvorteil sein, sich bewusst als Hochschule für Toleranz und Offenheit zu positionieren.
Auf der anderen Seite fehle teilweise die Unterstützung durch die Politik. Hier brauche es ein klares Bekenntnis, dass der Weg zu mehr Toleranz und Offenheit der richtige ist, so Zick. Dabei gehe es auch um konkrete, strukturelle Ressourcen. Denn: “Bildungsorganisationen müssen so stark sein, dass sie Konfliktsituationen aus sich heraus bearbeiten können“.
19. März 2024, 18:00 Uhr, Akademiegebäude am Gendarmenmarkt, Einstein-Saal, Jägerstraße 22/23, 10117 Berlin
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Der am heutigen Dienstag veröffentlichte Patent Index 2023 weist für Deutschland das erste Mal nach drei Jahren wieder einen leichten Anstieg bei Patentanmeldungen aus. Erfinderinnen und Erfinder sowie Unternehmen aus Deutschland reichten beim Europäischen Patentamt (EPA) im vergangenen Jahr 24.966 Patentanmeldungen ein und damit 1,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Was die absolute Zahl der Patente angeht, bleibt Deutschland damit auch an der Spitze der europäischen Staaten. Im weltweiten Ranking des EPA steht Deutschland weiterhin auf dem zweiten Platz hinter den USA, neben Japan und noch einen Prozentpunkt vor China.
Bei der Wachstumsrate liegt Deutschland allerdings unter dem Durchschnitt europäischer Anmeldeländer (1,9 Prozent). Insgesamt wurden beim Europäischen Patentamt (EPA) im vergangenen Jahr 199.275 Patentanmeldungen eingereicht, was einem Anstieg von 2,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Der positive Trend aus den Jahren vergangenen Jahren (2021: +4,7 Prozent und 2022: +2,6 Prozent) hat sich damit fortgesetzt. Der Anstieg der Patentanmeldungen in 2023 beruht vor allem auf der weiterhin starken Zunahme aus Korea (21 Prozent zum Vorjahr) und China (+8,8 Prozent gegenüber 2022).
Zu den Schlusslichtern gehörte Deutschland im vergangenen Jahr bei den von Frauen eingereichten Patentanmeldungen. Lediglich in 22 Prozent der deutschen Anmeldungen wurde eine Frau als Erfinderin aufgeführt. Dies ist der zweitniedrigste Anteil unter den zwölf größeren europäischen Patentanmeldeländern, die mehr als 2.000 Anmeldungen pro Jahr einreichen. Er liegt auch unter dem Durchschnitt der 39 EPA-Mitgliedstaaten (27 Prozent). Am häufigsten reichen Frauen europaweit Patente im Bereich Chemie ein (50 Prozent). Prozentual am wenigsten Erfinderinnen mit Anmeldungen am EPA gibt es im Bereich Maschinenbau (14 Prozent).
Die zahlenmäßig stärksten Technologiefelder bei den Patentanmeldungen aus Deutschland waren erneut die traditionell patentintensiven Bereiche “Elektrische Maschinen/Geräte/Energie”, “Transport (einschließlich der Fahrzeugtechnologien)” sowie “Messtechnik”. Daneben haben deutsche Unternehmen sowie Erfinderinnen und Erfinder insbesondere in zukunftsträchtigen Segmenten wie der “Computertechnik” (+ 13,5 Prozent) und der “Biotechnologie” (+ 13,4 Prozent) wieder deutlich mehr Patente angemeldet. Unter den 25 stärksten Anmeldern aus Deutschland kommt die Fraunhofer-Gesellschaft hinter BASF, Siemens und Robert Bosch auf Platz 4 (514 Anmeldungen). Die eher für Grundlagenforschung bekannt Max-Planck-Gesellschaft schafft es mit Platz 27 (131 Anmeldungen) immerhin in die Top 30. tg
Die EU-Staaten und das Europäische Parlament haben sich auf ein neues Gesetz geeinigt, das den Austausch von und den Zugang zu Gesundheitsdaten erleichtern soll, wie beide am Freitag mitteilten. Derzeit sei der Zugang zu Gesundheitsdaten innerhalb der Europäischen Union unübersichtlich und sehr unterschiedlich.
Die Schaffung eines EU-Gesundheitsdatenraums ermögliche nun die effektive Nutzung dieser Daten durch die Forschung über die sogenannte Sekundärnutzung in pseudonymisierter Form – also ohne die Möglichkeit, sie einem bestimmten Patienten zuzuordnen.
“Die Einigung ist ein Meilenstein für die Gesundheitsforschung in Europa und kann Erkenntnisse und Verbesserungen für diverse Krankheitsbilder ermöglichen”, sagte Otmar D. Wiestler, Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft, dazu auf Anfrage von Table.Briefings. Vor allem für seltene Erkrankungen seien die Chancen enorm, weil es endlich leichter möglich sein werde, genügend Daten für Untersuchungen zu erhalten.
Entscheidend sei jedoch die Implementierung. Die nationalen Systeme müssten hierfür interoperabel sein. Es sei positiv, dass dazu bereits Projekte laufen, kommentiert Wiestler weiter. “Wichtig wird für die erfolgreiche Umsetzung auch sein, dass die Daten möglichst vieler Menschen im EHDS eingebunden werden. Daher begrüßen wir die Einigung auf eine Opt-out-Vorgehensweise.”
Dem digitalpolitischen Sprecher und Berichterstatter für Digital Health der FDP-Bundestagsfraktion, Maximilian Funke-Kaiser, zufolge hat die Bundesregierung mit dem Digitalgesetz und dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz in der nationalen Umsetzung des EHDS bereits ein breites und stabiles Fundament errichten können.
Die vorläufige Einigung von Rat und Parlament muss nun noch von beiden endgültig angenommen werden. Dies ist in den meisten Fällen Formsache. mw
In den Verhandlungen zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst des Landes Hessen haben sich am Freitag das Land und die Gewerkschaften auch über Rahmenbedingungen für die Beschäftigung studentischer Hilfskräfte und den weiteren Ausbau unbefristeter Beschäftigungsverhältnisse geeinigt. In der Tarifeinigung verpflichtet sich das Land, studentischen Hilfskräften einen Mindeststundenlohn von 13,46 Euro zu zahlen und diesen künftig entsprechend der Tarifsteigerungen zu erhöhen.
Erstmals ist bei den Verhandlungen ist deutschlandweit eine Mindestanzahl von unbefristeten Dauerstellen zwischen Land und Gewerkschaft vereinbart worden. Die Hochschulen müssen die Zahl ihrer unbefristeten Tarif-Vollzeitstellen für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler deutlich steigern, von 1.459 Ende 2022 auf mindestens 1.850 im Jahr 2030. Die Verabredung ist bindend und kann somit von den Gewerkschaften oder den Arbeitnehmern eingeklagt werden.
“Besonders erfreulich ist, dass wir in die Tarifeinigung endlich verbindliche Regelungen zur Schaffung von mehr unbefristeter Beschäftigung an Hochschulen aufnehmen konnten”, sagte Simone Claar, stellvertretende Vorsitzende der GEW Hessen zu dem Ergebnis. Hessen ist als einziges Bundesland nicht Mitglied des Arbeitgeberverbandes Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL). Die Tarifverhandlungen für die hessischen Landesbeschäftigten werden daher seit dem Austritt 2004 eigenständig geführt.
Andreas Keller, GEW-Vize und Hochschulexperte der Gewerkschaft, hält das Ergebnis für “sensationell”. Im Ergebnis zeige sich, dass sich die Flucht des Landes Hessen aus der TdL aus Arbeitgebersicht nicht auszahlt. Der neue hessische Wissenschaftsminister Timon Gremmels (SPD) zeigte sich ebenfalls zufrieden: “Es wurde ein guter Kompromiss ganz im Sinne des gemeinsamen Ziels erreicht, die Arbeitsbedingungen an den Hochschulen für den wissenschaftlichen Nachwuchs und den Mittelbau zu verbessern.”
Interessant ist das Ergebnis der Verhandlungen auch die für bundesweite Debatte für bessere Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft. Es zeigt Hessens Bereitschaft, mehr für unbefristete Stellen in der Wissenschaft zu tun. Das könnte auch eine Signalwirkung auf die Verhandlungen zum WissZeitVG haben, wo derzeit eine Lockerung der Tarifsperre diskutiert wird und das Instrument einer Befristungshöchstquote. Die GEW hatte sich optimistisch gezeigt, dass man in Tarifverhandlungen mit allen Ländern zu einer einheitlichen Lösung kommen könnte. Hochschulallianzen hatten sich zuletzt kritisch zu einer Tariföffnung geäußert. Sie befürchten ein Regelungswirrwarr. tg
US-Präsident Joe Biden will die Forschung zur Gesundheit von Frauen verbessern und Forschungslücken schließen. Er unterzeichnete am Montag eine entsprechende Verfügung, die es seinen Behörden vorschreibe, die Forschung zur Gesundheit von Frauen zu priorisieren, teilte das Weiße Haus mit. Konkret gehe es etwa darum, die Datenlage zu verbessern und frauenspezifische Krankheiten und Phänomene besser zu erforschen, etwa Endometriose oder die Menopause.
Gemeint sind den Angaben zufolge aber auch Krankheiten, bei denen Männer und Frauen unterschiedliche Symptome haben, was aber bislang oft nicht ausreichend berücksichtigt wird, zum Beispiel bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Auch bei der Erforschung von Krankheiten, von denen häufiger Frauen betroffen sind, etwa Rheuma oder Alzheimer, bestehe Handlungsbedarf. Es sei “längst an der Zeit, dafür zu sorgen, dass Frauen die Antworten bekommen, die sie brauchen, wenn es um ihre Gesundheit geht”, teilte das Weiße Haus mit. Expertinnen und Experten fordern seit Langem mehr frauenspezifische Forschung in der Medizin. dpa
Der Weg in die Wissenschaft war für die Soziologin und Geschlechterforscherin Paula-Irene Villa Braslavsky fast schon vorgezeichnet. Ihre Mutter ist die mehrfach ausgezeichnete Photochemikerin und mittlerweile emeritierte Professorin Silvia Braslavsky. Auch ihre Großmutter und ihre Tante waren Professorinnen. “Man könnte sagen, ich komme aus einem akademischen Matriarchat”, sagt Villa Braslavsky.
Mittlerweile gilt die deutsch-argentinische Wissenschaftlerin als eine der führenden Soziologinnen Deutschlands. Die 55-Jährige ist Lehrstuhlinhaberin für Allgemeine Soziologie und Gender Studies am Institut für Soziologie der Universität München (LMU) und seit 2021 Vorsitzende der Gesellschaft für Soziologie. 2022 erhielt sie den Helge-Pross Preis für “herausragende Leistungen auf dem Gebiet der Familien- und Geschlechterforschung”.
Warum sie die Geschlechterforschung so fasziniert? “Es ist ein Feld, in dem relevante, gesellschaftliche, politische und kulturelle Dynamiken aufgegriffen werden“, sagt Villa Braslavsky. Man könne über ökonomische Fragen, über Ungleichheitsfragen, über Berufs- und Karrierefragen, über Fragen von Sexualität, Familie oder über Medien, Bilder, Normen nachdenken. “Das Feld hat sehr viele Facetten. Gerade diese Vielseitigkeit finde ich so interessant.”
Die Soziologin selbst forscht derzeit unter anderem zum Thema Sex und Gender, also wie die biologischen und sozialen Dimensionen von Geschlecht miteinander interagieren. Ein weiteres Thema, an dem sie seit vielen Jahren forscht, ist Care, also Fürsorge, Pflege, Kümmern. “Wie hängt das Kümmern mit Geschlechtlichkeit in spezifischen Gesellschaften zusammen? Das ist ein ganz wichtiges Thema im Moment”, sagt Villa Braslavsky. Zudem beschäftigt sie sich intensiv mit popkulturellen und geschlechtsbezogenen Themen, insbesondere im Kontext von Sexualität und Selbstbestimmung. Wenn sie nicht gerade mit ihrer Forschung beschäftigt ist, verbringt die 55-Jährige ihre Zeit meist beim Wandern oder in der Küche beim Backen, am liebsten gemeinsam mit ihrer Familie.
Villa Braslavsky beobachtet, dass das Interesse an der Genderforschung in den vergangenen Jahren stark zugenommen hat, besonders unter Studierenden. “Egal, ob man Germanistik, Kunstgeschichte, Soziologie oder Medizin studiert, die Auseinandersetzung mit Geschlecht als Thema ist mittlerweile weit verbreitet und vielfach völlig unaufgeregt normalisiert als Teil des Studiums.” Und ja, es freut sie sichtlich, dass das Thema Gender in vielen Forschungsfeldern fast schon selbstverständlich geworden ist.
“Es werden viele Drittmittel eingeworben, es wird viel geforscht und publiziert, und es gibt einen großen Einsatz für Öffentlichkeitsarbeit und Wissenschaftskommunikation“, sagt die Soziologin stolz. Doch die institutionelle Verankerung in Deutschland ist nach wie vor nicht besonders stark. So gibt es nur etwa 0,4 Prozent Professuren mit einer spezifischen Ausrichtung auf Gender Studies. Umso interessanter findet sie, dass das ganze Feld der Gender Studies in seiner Größe vielfach überschätzt wird.
“Es ist fast schon bizarr, wie stark und emotional Gender Studies diskutiert werden, gerade im politischen Umfeld”, sagt Villa Braslavsky. Die Forschung werde teilweise skandalisiert und stark delegitimiert – und das bekommt die Soziologin auch persönlich zu spüren. “Seit über 10 bis 15 Jahren sind Forscherinnen wie ich regelmäßig Bedrohungen, Angriffen und Diskreditierungen ausgesetzt, oft in Form von gewalttätigen, bedrohlichen und obszönen E-Mails”, sagt sie.
Wenn es antisemitisch wird, greift auch mal die Staatsanwaltschaft ein – mit Erfolg. Dies alles sei ein Teil der autoritär-populistischen Mobilisierung, die weltweit zu beobachten sei. Ungarn habe bereits Gender Studies verboten und die Forschenden aus dem Land gedrängt, und auch die AfD und andere Parteien in Deutschland positionieren sich vehement gegen Gender Studies.
Villa Braslavsky blickt daher besorgt auf die hohen Umfragewerte der AfD. Sie selbst wurde in Santiago de Chile geboren, hat also einen Migrationshintergrund und ist zudem Jüdin. “Natürlich bin ich besorgt, auch um die Forschung. Es wird mehr als deutlich, wie wenig Wert dieses politische Spektrum auf Wissenschaftsfreiheit und die Freiheit von Lehre und Forschung legt”, sagt Villa Braslavsky. “Besorgniserregend ist auch, wie oft in den Medien angenommen wird, dass Gender Studies lediglich ideologisches Brainwashing betreiben. Das bereitet mir natürlich große Sorgen.” Umso wichtiger ist es für sie, weiter zu forschen und die Forschungsergebnisse verständlich der Öffentlichkeit zu vermitteln.
Welches Thema ihrer Meinung nach in Zukunft in diesem Feld immer wichtiger werden wird? “Ich glaube, dass die Themen Geschlecht in der Medizin und Gender in den Naturwissenschaften in den nächsten Jahren weiter an Bedeutung gewinnen werden”, sagt Villa Braslavsky. “Es geht nicht nur darum, Herzinfarkte bei Frauen besser zu erkennen, sondern auch um grundlegendere Fragen, wie die Verschränkung von Natur und Kultur, die Bedeutung geschlechtsspezifischer Körper in der Medizin oder um Männergesundheit. Es gibt noch so vieles zu erforschen – das motiviert mich.”
Motiviert ist Villa Braslavsky darüber hinaus, auch ganz generell die Zukunft für junge Wissenschaftler*innen in Deutschland “progressiv” mitzugestalten. Im vergangenen Jahr hatte sie sich in die Debatte über bessere Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft eingeschaltet und mit anderen Forschenden die Initiative #profsfuerhanna gegründet. Die Wissenschaftlerin hatte eine Petition formuliert, die über 3.000 Professorinnen und Professoren unterzeichnet haben. Der Inhalt: Eine Ablehnung der – aus ihrer Sicht falschen – Reformvorschläge des BMBF zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG).
“Die vom BMBF angestrebte Regelung ist in keinem Fach ausreichend, um für eine klassische Professur danach national oder international wettbewerbsfähig zu sein”, sagt sie. Darüber seien ihre Kolleginnen und Kollegen verärgert, obwohl sie selber vom Status Quo augenscheinlich profitieren. Es brauche vielmehr grundlegende Reformen des Wissenschaftssystems, meint Villa Braslavsky. So findet die Inhaberin eines Lehrstuhls, die Abschaffung eben jenes sinnvoll und ist Befürworterin des Department-Systems an deutschen Hochschulen. “Wir wollen den Prozess auch als privilegierte Statusgruppe weiter begleiten”, kündigt Villa Braslavsky an. Vor Auseinandersetzung in der Sache ist ihr nicht bange. Elena Matera
Frank Dellmann, Präsident der FH Münster, wurde zum Vorsitzenden der UAS7, einem Bündnis von sieben forschungsorientierten deutschen Hochschulen für Angewandte Wissenschaften, gewählt.
Heyo Kroemer ist Vorsitzender des vom Bundeskanzleramt neu eingerichteten ExpertInnenrats “Gesundheit und Resilienz”, dem Nachfolgegremium des Corona-ExpertInnenrats. Den Co-Vorsitz hat Susanne Moebus. Das Gremium hat insgesamt 23 Mitglieder, darunter etwa Christian Drosten, Hendrik Streeck, Leif Sander und Alena Buyx.
Jens Andreas Meinen wird zum 1. September neuer Kanzler der Universität Heidelberg. Aktuell ist der 55-jährige Kanzler der Universität Duisburg-Essen.
Klaus Überla wird neuer Vorsitzender der Ständigen Impfkommission (STIKO). Zur stellvertretenden Vorsitzenden wurde im Rahmen der konstituierenden Sitzung für die Berufungsperiode 2024 bis 2027 Marianne Röbl-Mathieu gewählt.
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Europe.Table. EU und Schweiz wagen einen neuen Anlauf. Am Montag haben die Verhandlungen zwischen Bern und Brüssel zu einer neuen Grundlage für die bilateralen Beziehungen begonnen. Für die Forschung steht eine Vollassoziierung an Horizon Europe im Raum. In der Schweiz haben die Gegner eines Deals mit der EU allerdings auch beim zweiten Anlauf vorerst die Meinungshoheit. Mehr
Berlin.Table. Krankenhausreform: Milliardenfonds soll kommen. Der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen, Janosch Dahmen, verspricht sich viel von der Krankenhausreform. Der für Dezember geplante Entwurf von Gesundheitsminister Karl Lauterbach werde die “wirtschaftliche Existenz” von Krankenhäusern absichern. Mehr
Bildung.Table. KMK-Reform: Abkehr von der Einstimmigkeit bekommt neue Dynamik. Die Strukturreform der KMK-Treffen nimmt eine immer konkretere Gestalt an. Die Gründung der neuen WissenschaftsMK rückt näher und eine Abkehr vom Einstimmigkeitsprinzip wird wahrscheinlicher. Im Raum steht ein Opt-Out-Modell als mögliche Variante. Mehr
Climate.Table. Klimaziele 2030 erreichbar: Habeck gibt sich optimistisch, doch die Daten weisen Lücken auf. Daten des Umweltbundesamts zufolge sind die 2030er-Klimaziele greifbar. Das Wirtschaftsministerium zeigt sich optimistisch, die von der Vorgängerregierung geerbte Klimalücke bis zum Ende des Jahrzehnts schließen zu können – sogar, wenn sich die Wirtschaft erholt. Doch es gibt Zweifel an den Zahlen. Mehr