“Wir sind kurz zusammengezuckt und haben schnell eine Videoschalte gemacht”, sagt der Vorsitzende der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), Uwe Cantner, auf die Frage, wie die EFI auf das Ampel-Aus reagiert hat. Wer nun das anstehende Gutachten Ende Februar 2025 – einige Tage nach der Bundestagswahl – annehmen wird, ist auch ihm logischerweise noch nicht bekannt. Normalerweise übergibt es Cantner dem Bundeskanzler persönlich.
Im Interview mit meinem Kollegen Tim Gabel nimmt der EFI-Chef aber schon vorweg, welche Hausaufgaben die EFI einer neuen Bundesregierung für den Koalitionsvertrag mit auf den Weg gibt und welche Fehler beim “Politikmachen” auf keinen Fall mehr unterlaufen dürfen. Seine Bilanz der Ampel-Koalition fällt verheerend aus. Nach handwerklichen Fehlern und einer “mageren” Umsetzung, könne er auf eine Neuauflage erstmal verzichten, sagt Cantner.
Der Titel “Wissenschaftskommunikation, Partizipation, Soziale Innovationen” sinkt im Haushalt 2025 um fünf Millionen Euro auf rund 23,75 Millionen Euro. Nach Informationen von Table.Briefings verteilen sich die Kürzungen relativ gleichmäßig auf die Bereiche. Einige Hoffnung hatten die Forschungspolitiker der Koalition in die Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses gesetzt. Dort wollten sie noch einige Dinge unterbringen, die sie im gemeinsamen Antrag selbst gefordert hatten, berichtet mein Kollege Markus Weisskopf. Was der Forschungsausschussvorsitzende Kai Gehring auf Anfrage dazu erklärt und weshalb die Kritik von Johannes Vogel, Direktor des Berliner Naturkundemuseums, besonders deutlich ausfällt, lesen Sie in dieser Ausgabe.
Herr Cantner, die Regierung ist zerbrochen, bevor wichtige Vorhaben im F&I-Bereich umgesetzt wurden. Welches gescheiterte Projekt der Ampel schmerzt am meisten?
Eigentlich alles, was in der Zukunftsstrategie Forschung & Innovation stand, die wir als EFI auch begrüßt haben. Die Aufgabe der Ampel war, die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft auf den Weg zu bringen. Man muss anerkennen, dass das um einiges komplexer ist als normale F&E-Politik. Die Bundesregierung hat sich auch dazu bekannt, aber die Bilanz der Umsetzung ist mager. Das Einzige, was funktioniert hat, war die Entfesselung der Sprind. Weder das Forschungsdatengesetz noch das WissZeitVG oder die Dati wurden umgesetzt. In einer Zeit, wo sich die Wettbewerbsfähigkeit und die Innovationstätigkeit der deutschen Unternehmen verschlechtert, sind die wichtigen Themen bei Forschung und Innovation zu spät und zu langsam angegangen worden.
Das heißt, Sie haben keinerlei Hoffnung, dass sich für wichtige Vorhaben noch vor der Neuwahl Mehrheiten finden?
Das ist unter den Bedingungen eines Wahlkampfs nahezu ausgeschlossen. Da gönnt keine Partei der anderen mehr irgendeinen Erfolg. Dass ein Kanzler Scholz mit einer Minderheitsregierung noch Gesetze durchbringt, kann ein Friedrich Merz nicht in der Zeitung lesen wollen, und andersherum wird die SPD nicht den Eindruck vermitteln wollen, dass man auf die Gnade der Union angewiesen ist. Ich glaube, man sollte realistisch sein: Die entscheidenden Dinge werden nicht mehr passieren.
Was wären diese entscheidenden Dinge gewesen? Was müsste sofort passieren?
Es mag ein bisschen eigennützig sein, weil es auch meine eigene Forschung betrifft: Das Forschungsdatengesetz wäre eine extreme Erleichterung. Dass man als Wissenschaftler einfacher an zentrale Daten kommt und die bürokratischen Hürden nicht mehr so hoch sind, das wäre sehr wichtig gewesen. Aber das ist subjektiv.
Und objektiv?
Das Abarbeiten der im Koalitionsvertrag festgelegten Ziele wäre schon mal ein wichtiger Schritt: Wissenschaftszeitvertragsgesetz verabschieden, Dateninstitut aufbauen, Bürokratie in Forschung und Verwaltung zurückschneiden. Darüber hinaus sollte der IP-Transfer bei Ausgründungen aus Wissenschaftseinrichtungen ganz dringend vereinfacht werden. Und dann gibt es natürlich auch noch die dicken Bretter, die sich nicht auf die Schnelle bohren lassen, wo wir aber dringend ranmüssen: Forschungs- und Innovationspolitik agiler machen, dazu Koordination zwischen Bund und Ländern, aber auch zur EU, verbessern, Transfer stärken, Schlüsseltechnologien fördern, strikte Trennung von militärischer und ziviler Forschung aufheben, klare, handhabbare Missionen formulieren und natürlich die Finanzierung der Grundlagenforschung dauerhaft sichern.
Sie hatten die Deutsche Agentur für Transfer und Innovation genannt. Kurz vor dem Bruch hatte die Bundesregierung das vorgelegte Gründungskonzept noch beschlossen. Kann das eine Grundlage für die Zukunft der Dati sein?
Das war unsäglich. Man hat das noch am Vortag des Koalitionsbruchs durchs Kabinett gejagt und dabei die vorgesehene Priorisierung der Fachhochschulen aus dem Papier geschmissen. Ich habe diese Priorisierung immer kritisiert, aber so kann man es meines Erachtens nicht machen. In der letzten Sekunde etwas rauszustreichen und es schnell durchzupeitschen. Ich finde das keinen guten Stil.
Als EFI schreiben Sie jedes Jahr ein Gutachten zur F&I-Politik, Sie verfolgen die Themen, Sie mahnen Reformen an. Wie ernüchtert sind Sie von der Arbeit im BMBF und auch der Resonanz Ihrer Forderungen?
Diese Ministeriumsleitung hat es nicht geschafft, das Ministerium in einen gemeinsamen Takt zu bekommen. Das wäre meines Erachtens die Voraussetzung gewesen, um das große – und an sich in der Zukunftsstrategie gut aufgeschriebene – Aufgabenvolumen einigermaßen sinnvoll und ergebnisorientiert in Arbeit zu bringen. Was unsere Forderungen als Expertenkommission betrifft: Wir gehen nie davon aus, dass eine Regierung unsere Forderungen und Empfehlungen zu 100 Prozent umsetzt. So ist das Leben nicht. Wir gehen da eher so von 20 Prozent aus. Aber in diesem Fall ist man selbst daruntergeblieben, obwohl man viel mehr hätte schaffen können.
Was waren Ihrer Meinung nach die handwerklichen Fehler?
Es funktioniert nicht, wenn man die ersten drei Linien im Ministerium mit Parteigängern besetzt, die mit den unteren Ebenen nicht kommunizieren. Ich kenne die Leute in den Abteilungen, das sind hervorragende Politstrategen, die wissen, wie man etwas aufsetzen muss, damit es funktioniert. Das ist von der Hausleitung nahezu vollkommen negiert worden. Man hat gedacht, dass man in der eigenen Wassersuppe genug Kraft findet. Für das Aufschreiben eines Konzepts in Form der Zukunftsstrategie hat es noch gereicht, aber für die Umsetzung dann nicht mehr.
Stehen Sie mit dem Forschungsministerium in dieser Übergangszeit in Kontakt?
Es sollte eigentlich noch ein Zwischengespräch mit der Forschungsministerin Stark-Watzinger anstehen. Das machen wir jedes Jahr mit dem BMBF zu dieser Zeit. Da konnte man im Vorfeld aber schon eine gewisse Zurückhaltung des BMBF bei der Terminabsprache beobachten. Letztes Jahr ging das wesentlich früher und schneller.
Ob es mit dem neuen Minister einen Austausch geben wird, ist bislang offen. Ohnehin ist fraglich, was so ein Austausch bringen kann. Er wird keiner neuen Bundesregierung angehören, weil er bereits angekündigt hat, dass er nach Baden-Württemberg gehen will. Von daher wünsche ich ihm für diese Rolle alles Gute.
Was darf in der nächsten Legislatur auf keinen Fall liegen bleiben?
Die zentralen Themen habe ich schon genannt. Es geht aber generell eher um das Vermeiden von Fehlern beim “Politikmachen”. Bei den großen Strukturveränderungen, die anstehen, muss die Regierung insbesondere auch die Benachteiligten und damit die Sozialkompensation im Blick haben. Des Weiteren muss ressortübergreifend und missionsorientiert gedacht und agiert werden. Nur dann kann eine gute F&I-Politik gelingen und genau das hat die letzte Regierung nicht gemacht. Ich erwarte von der nächsten, dass die Verantwortlichen verstehen, dass der Politikstil der letzten 30 Jahre nicht mehr funktioniert.
Auf welche Herausforderungen muss die Politik eine Antwort finden?
Wir stehen vor anderen Herausforderungen. Man hat in den vergangenen Jahrzehnten versucht, ein gut laufendes Wissenschafts- und Innovationssystem noch schneller zu machen. Angela Merkel hat so Deutschland an die Weltspitze herangeführt. In den herkömmlichen Technologiebereichen brauchen wir uns nicht zu schämen. Jetzt geht es aber nicht mehr darum, punktuell hier und da anzufüttern, sondern komplett umzuschwenken: vom Verbrenner- zum Elektroauto. Von der Kohle zu den Erneuerbaren. Von der Industrie 1.0 zur KI-gestützten Industrie 5.0. Kurzum: Dekarbonisierung und Digitalisierung sind dabei, die Welt von Grund auf zu verändern. Und wir werden uns dem nicht entziehen können, nach dem Motto: Oh, darauf haben wir jetzt aber keine Lust.
Wie muss man einen solchen Systemwandel aus Ihrer Sicht gestalten?
Das funktioniert jedenfalls nicht mit ein paar Förderprogrammen und einem Projektträger, der das nach Schema F verwaltet. Es geht darum, das ganze System umzulenken, und zwar indem man politisch eine Richtung oder zumindest mehrere Korridore und übergeordnete Ziele aufzeigt. Es braucht dazu nicht unbedingt immer mehr Staatsgeld, sondern ein smartes Management innovations- und investitionsförderlicher Rahmenbedingungen. Die Unternehmen haben Geld auf der hohen Kante, aber sie wissen nicht, wo Deutschland eigentlich hinwill. Fehlende Priorisierung seitens der Politik führt auch dazu, dass deutsche Unternehmen lieber im Ausland investieren. Die Konzepte sind da, jetzt müssen sie umgesetzt werden. Unsere Kritik wird da auch im Gutachten massiv sein, nach dem Motto: Himmel noch mal, macht eure Hausaufgaben.
Gibt es eine politische Wunschkombination für die nächste Amtszeit?
Ich denke, mit der neuen Regierung dürfen die grünen Ideen von einer nachhaltigen Wirtschaft und Gesellschaft nicht verschwinden. Es gibt da Gruppen, bei denen ist von Nachhaltigkeit immer weniger die Rede. Diese grünen Ideen sollten nicht auf der Oppositionsbank sitzen. Sie müssen mit zu den Kernthemen der neuen Regierung zählen. Marktwirtschaftliche Prinzipien sind grundsätzlich mit dem Nachhaltigkeitsgedanken vereinbar – beide müssen geschickt kombiniert werden. Dann wird das laufen. Diese Botschaft versuchen wir seit einiger Zeit über die EFI-Gutachten in die Politik zu tragen. Aber zurück zu Ihrer Frage: Leider hat die Ampel gezeigt, dass es in einer Dreierkoalition schwierig ist, die Macher konstruktiv zusammenzubringen. Auf einen zweiten Anlauf könnte ich daher erstmal verzichten.
Die akademische Freiheit in Russland ist seit Beginn des Kriegs gegen die Ukraine im Jahr 2014, insbesondere aber seit der vollumfänglichen Invasion 2022 zunehmend eingeschränkt. Die Repression in Forschung und Lehre nimmt zu, Hochschulen wurden ideologisch umstrukturiert und unterliegen militärischer Zensur. Das ist das Fazit einer vom Science at Risk Emergency Office in Auftrag gegebenen Studie, die am Montagabend in Berlin vorgestellt wurde.
“Im heutigen Russland gibt es keine akademische Freiheit und keine wissenschaftliche Tätigkeit nach europäischen Standards. Alle wissenschaftlichen Beziehungen zu Europa wurden abgebrochen. Alle ehemals liberalen Universitäten und Bildungseinrichtungen wurden geschlossen oder gleichgeschaltet”, schreibt der Direktor des Emergency Office, Philipp Christoph Schmädeke, im Vorwort des Reports.
Die Regierung mische sich zunehmend in die Leitung und die Lehrpläne ein und höhle die institutionelle Autonomie der Hochschulen aus. Dies berichten die Autoren Dmitry Dubrovskiy, bis März 2022 an der Higher School of Economics in Moskau, nun an der Karls-Universität in Prag, Yegor Albitskii vom Osteuropa-Institut der Freien Universität Berlin, und Ekaterina Trubnikova, bis 2022 an der HSE University in St. Petersburg. Diese Beispiele nennen sie:
Die Campus der russischen Universitäten werden streng kontrolliert. Eine Infrastruktur der Unterdrückung und Überwachung wurde aufgebaut:
Zensur und Selbstzensur dominieren das akademische Leben, schreiben die Autoren. Um weiterhin forschen zu können, wechselten Wissenschaftler in weniger sensible, neutrale Forschungsbereiche und ziehen sich in die innere Emigration zurück.
Andere Wissenschaftler unterstützen vehement das Regime und den Angriffskrieg, ein kleiner Teil der Akademiker leistet Widerstand. Sie versuchten, verdeckte Proteste oder Widerstandsaktionen zu organisieren, hätten offene Briefe gegen die Militäraktion ihres Landes in der Ukraine unterzeichnet und ihre Rektoren aufgefordert, ihre Unterschrift unter einem Brief der Rektorenunion zurückzuziehen, der die Invasion in die Ukraine unterstützt.
Mindestens 2.500 russische Wissenschaftler haben Schätzungen zufolge seit Februar 2022 das Land verlassen. Sie sind vor allem in Länder gegangen, die für sie visumfrei sind, etwa Kasachstan, Georgien, Armenien, Türkei, Serbien und Montenegro. Dort sind die Bedingungen für die Fortsetzung einer akademischen Karriere jedoch schlecht.
Neue Affiliationen haben ehemals russische Akademiker darüber hinaus in Deutschland, den baltischen Ländern, Israel, China, Italien und Spanien, zeigt eine Analyse der Identifizierungsnummern bei der Orcid-Organisation.
Für russische Wissenschaftler im Exil wünschen sich die Autoren mehr Hilfe. Vereinfachte Visa-Prozeduren, mehrjährige Gastforschungsprogramme und subventionierte Sprachkurse nennen sie als Beispiel. “Diese Maßnahmen würden die unabhängige russische Wissenschaft bewahren und ihre Position in der künftigen Entwicklung der russischen Gesellschaft stärken.”
11. Dezember 2024, Munich Urban Colab, Freddie-Mercury-Straße 5, 80797 München
Konferenz der TU München Future of Computing Conference
11.-12. Dezember, Berlin
Forum Wissenschaftskommunikation Wissenschaftskommunikation für eine starke Demokratie und offene Gesellschaft Mehr
12. Dezember 2024, 10:30 bis 18:00 Uhr. Vertretung des Landes Sachsen-Anhalt beim Bund, Luisenstraße 18, 10117 Berlin
Symposium der Leopoldina 10 Jahre Politikevaluierung in der Bundesregierung – Wo stehen wir heute? Ein Blick aus Wissenschaft und Politik Mehr
13. Dezember 2024, Leopoldina, Festsaal, Jägerberg 1, 06108 Halle (Saale)
Leopoldina-Weihnachtsvorlesung Über die Neandertaler und wie sie in uns weiterleben Mehr
18. Dezember 2024, WZB Berlin Social Science Center, Reichpietschufer 50, 10785 Berlin
Diskussion Islamismus und die politische Linke Mehr
14. Januar 2025, Deutsche Physikalische Gesellschaft, Humboldt-Universität zu Berlin, Invalidenstraße 42, 10115 Berlin
Festveranstaltung Eröffnung des Quantenjahres 2025 Mehr
Nur 30 Prozent der Bürgerinnen und Bürger fühlen sich laut Wissenschaftsbarometer gut über Wissenschaft und Forschung informiert. Gerne mal bei einem Forschungsprojekt mitmachen würden 43 Prozent und in einem Dialogformat mitdiskutieren immerhin 40 Prozent. Einiges an Potenzial also für Wissenschaftskommunikation und Citizen Science.
Mit einer fast 20-prozentigen Kürzung ist dieser Bereich jedoch mit am drastischsten von den Sparmaßnahmen im BMBF betroffen. Der Titel “Wissenschaftskommunikation, Partizipation, Soziale Innovationen” sinkt im Haushalt 2025 um fünf Millionen Euro auf rund 23,75 Millionen Euro. Nach Informationen von Table.Briefings verteilen sich die Kürzungen relativ gleichmäßig auf die Bereiche. Ob Projekte komplett gestrichen werden müssen oder ob Kürzungen bei den geplanten Maßnahmen ausreichen, wollte das Ministerium mit Verweis auf die zusätzlichen Unsicherheiten durch die vorläufige Haushaltsführung nicht sagen.
Einige Hoffnung hatten die Forschungspolitiker der Koalition in die jetzt abgesetzte Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses gesetzt. Dort wollten sie noch einige Dinge unterbringen, die sie im gemeinsamen Antrag zur Wissenschaftskommunikation selbst gefordert hatten.
Viele der dort benannten Vorhaben seien weiterhin “aktuell und sollten zukünftig in einer neuen Regierung aufgegleist werden”, sagte der Forschungsausschussvorsitzende Kai Gehring auf Anfrage. Das reiche von einer “Kontaktstelle für angefeindete Forschende bis hin zu einer unabhängigen und staatsfernen Stiftung zur Förderung des Wissenschaftsjournalismus”.
Harte Kritik an den Kürzungen äußerte Johannes Vogel, Direktor des Berliner Naturkundemuseums auf Anfrage von Table.Briefings. Die Einschnitte bei der Wissenschaftskommunikation und Partizipation seien in verschiedener Hinsicht “eine Ohrfeige”. Einerseits für “das Parlament, welches das Thema ausführlich und überparteilich besprochen hat und substantiell mehr Geld gefordert hatte”. Und andererseits für die aktive Community, die bei diesen Themen in den letzten Jahren an die internationalen Entwicklungen anschließen konnte.
Letztlich sei die Entscheidung “ein Beweis für die fehlende Weitsicht und Vision der letzten BMBF-Führung“, betont der Präsident der europäischen Citizen Science-Vereinigung. Mit derart falschen Prioritäten leiste man der erstarkenden Wissenschaftsskepsis und ihren parlamentarischen Eleven Vorschub. mw
Erstmals in Deutschland soll in der kommenden Woche eine Landesregierung mit dem BSW an den Start gehen: In Brandenburg will die SPD für die nächsten fünf Jahre mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht regieren.
Am Mittwoch steht im Landtag in Potsdam zunächst die Wiederwahl des brandenburgischen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD) an. Dann ernennt er die Ministerinnen und Minister – darunter etwa SPD-Landtagsfraktionschef Daniel Keller, der Wirtschaftsminister wird. Für diesen Posten war zwischenzeitlich auch Oliver Günther, Präsident der Universität Potsdam, im Gespräch. Steffen Freiberg soll das Bildungsressort weiterführen und Manja Schüle (SPD) bleibt Wissenschaftsministerin.
Seit November 2019 leitet Schüle das Ressort in Brandenburg. Die promovierte Politikwissenschaftlerin war bis dahin zwei Jahre lang Bundestagsabgeordnete und Mitglied des Forschungsausschusses. Anerkennung für ihre Arbeit bekam sie etwa für die Novelle des Hochschulgesetzes, mit der sie mehr Dauerstellen schaffen möchte. Auch der neue praxis-integrierende Studiengang “Lehramt Primarstufe” an der Brandenburgischen Technischen Universität geht auf ihr Engagement zurück.
Ein Großprojekt ist der Aufbau einer Universitätsmedizin in Cottbus. Im Juli ist die Medizinische Universität Lausitz gestartet. Sie ist in Rekordtempo entstanden und soll die Gesundheitsversorgung verbessern. Bis 2038 sind insgesamt etwas mehr als zwei Milliarden Euro eingeplant – der Großteil kommt aus den Strukturstärkungsmitteln des Bundes, etwa ein Viertel der Kosten wird durch das Land getragen.
Der bereits ausgehandelte Koalitionsvertrag bedeutet für Wissenschaft und Forschung eine Fortsetzung der bisherigen Linie: “Für uns ist klar: Wissenschaft und Forschung bilden ein Fundament für den Wohlstand von morgen, weshalb wir ihre Entwicklung nachhaltig fördern und unterstützen”, heißt es darin. SPD und BSW in Brandenburg haben vor, ihr Bündnis noch vor Weihnachten zu beschließen. Es wäre das erste dieser Art in Deutschland. nik
Google ist nach eigenen Angaben ein entscheidender Schritt zur Überwindung einer der größten Herausforderungen im Quantencomputing gelungen. Mit dem neuen Spezialchip “Willow” und einer neuen Anwendungsmethode habe man den Weg für die Entwicklung praktisch nutzbarer Quantencomputer geebnet, sagte der deutsche Informatiker Hartmut Neven, Gründer und Leiter des Quantum Artificial Intelligence Laboratory von Google.
In der Fachzeitschrift Nature berichten Neven und sein Team, dass zum ersten Mal eine Quantenfehlerkorrektur mit Fehlerraten unter einem relevanten Schwellenwert erreicht wurde. Die Fehlerkorrektur ist entscheidend für die Entwicklung von skalierbaren und anwendbaren Quantencomputern.
Quantencomputer können mathematische Probleme sehr viel schneller lösen als bisherige Computer, beispielsweise beim Verschlüsseln von Daten, in der Materialforschung oder beim maschinellen Lernen für Anwendungen Künstlicher Intelligenz. Die bereits entwickelten Systeme sind jedoch zu klein und machen zu viele Fehler, um einen Mehrwert zu liefern. Problematisch ist auch, dass bislang mit zusätzlichen Recheneinheiten (Qubits) die Fehlerquote ansteigt.
Um dieses Problem in den Griff zu bekommen, fasste das Google-Team mehrere fehleranfällige physikalische Qubits zu einem weniger fehleranfälligen logischen Qubit zusammen. Für die Demonstration dieses Zusammenhangs verwendete die Forscherinnen und Forscher den neu entwickelten Quantenprozessor “Willow”.
Neven und sein Team betonen, mit der verwendeten Methode und dem neuen Chip seien skalierbare, fehlerkorrigierte Quantencomputer möglich. Allerdings merken die Forschenden auch an, dass die erzielte Fehlerrate weiterhin nicht für einen anwendbaren Quantencomputer ausreiche. Das Team rechnet damit, dass es für zufriedenstellende Raten deutlich mehr physikalische Qubits bräuchte. Der Einsatz von mehr Qubits mit der verwendeten Methode werde außerdem zu einer längeren Rechenzeit führen.
“Mit der derzeitigen Qualität von Qubits wird man 100.000 bis eine Million Qubits benötigen, um große, fehlertolerante Rechnungen durchführen zu können, die für klassische Supercomputer jenseits des Möglichen sind”, kommentiert Michael Hartmann, Professor für Theoretische Physik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. In der vorliegenden Arbeit würden Ergebnisse eines Chips mit 105 Qubits präsentiert. “Damit wird ersichtlich, wie weit der Weg noch ist.” dpa
Anfang 2025 wird das Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) ins Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) integriert. Damit wird das PIK im Rahmen eines “Sondertatbestands” strategisch erweitert. In Zukunft sollen so am PIK dann Gemeingüter innerhalb der planetaren Grenzen noch besser erforscht und wenig beforschte und zukunftsweisende Themen gezielt gestärkt werden. Dabei sollen zusätzliche Kapazitäten für die drei Themen Erdsystemresilienz, maschinelles Lernen sowie Ungleichheit und Wohlergehen aufgebaut werden.
Die gemeinsame Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern beschloss inzwischen formell die dafür nötige Erhöhung der dauerhaften staatlichen Grundfinanzierung: Das PIK erhält im Jahr nun 3,8 Millionen Euro zusätzlicher Grundfinanzierung. Die Zahl der Beschäftigten am PIK steigt durch die Erweiterung von 400 auf 480. Manja Schüle, Wissenschaftsministerin von Brandenburg, ist froh über die “Stärkung von Brandenburg als Wissenschaftsstandort”. kul
FAZ: Deutschland und Europa hinken hinterher. Der Chef der Innovationsagentur Sprind bescheinigt der Politik und Wirtschaft in Europa zu lange an ihren Altindustrien festzuhalten. Die Innovationskraft in Europa könne man stärken, in dem man unter anderem die Überregulierung bei Gründungen und Verträgen abschafft, meint Rafael Laguna de la Vera. Statt bei jetzigen Innovationen hinterherzuhecheln, solle man nun lieber auf den Sprung zur nächsten Zukunftstechnologie setzen: effizientere algorithmische Ansätze und neue Hardware. (“Die USA sind der Cowboy, Europa ist der Rechtsanwalt”)
Science: Open-Access als Chance. Lateinamerika ist führend bei gemeinnützigen Open-Access-Zeitschriften, kämpft jedoch darum, ihnen weltweite Sichtbarkeit zu verschaffen. Noch ist die Macht der kommerziellen Verlage sehr groß. Vor allem die Verpflichtung, auf Englisch zu publizieren, sei ein Problem. (“Breaking the glass”)
Spiegel: KI und Gentechnik. Das Zusammenwirken von Künstlicher Intelligenz und Gentechnik wird das 21. Jahrhundert prägen. Mit dem wachsenden Verständnis der Abläufe im menschlichen Körper werden durch die neuen technischen Möglichkeiten neue Therapieverfahren entstehen, die das Leben verändern werden. (“Das wird die wichtigste Wissenschaft des 21. Jahrhunderts”)
Zeit: Frauenanteil wächst minimal. Der Frauenanteil unter den 51.900 Professorinnen und Professoren in Deutschland ist im vergangenen Jahr leicht von 28 Prozent auf 29 Prozent gestiegen. Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden teilte mit, dass damit der kontinuierliche Anstieg der vergangenen Jahre fortgesetzt wurde. 2013 waren 21 Prozent der Professuren mit Frauen besetzt, 2003 waren es nur 13 Prozent. (“Frauenanteil in Professuren steigt nur geringfügig”)
Taz: EU will mehr Forschung. Die neue EU-Kommission legt keinen Schwerpunkt mehr auf Klimapolitik und den Green Deal. Stattdessen fokussiert sie sich auf Forschung und Innovation. Der Bericht von Mario Draghi, dem ehemaligen Chef der Europäischen Zentralbank, über die Ursachen des schleichenden Verlusts der Wettbewerbsfähigkeit Europas hat zu einem Umdenken in der Innovationspolitik geführt. (“Neue EU-Kommission setzt auf Forschung”)
Spiegel: Bafög-Erhöhung verpufft. Zum Wintersemester wurden die Bafög-Sätze gerade erhöht, doch könnten die Empfänger bald wieder mit weniger Geld dastehen. Die Bundesregierung plant, die höheren Versicherungsbeiträge nicht auszugleichen. (“Studenten droht versteckte Bafög-Kürzung”)
Forschung & Lehre: Defizite beim Hochschulbau. Der Hochschulbau in Deutschland ist unterfinanziert und überbürokratisiert. Über Jahrzehnte wurde zu wenig investiert, sagt Ulf Richter, Kanzler der Universität Siegen. Er spricht sich dafür aus, dass der Bund wieder in den Hochschulbau investiert. (“Zur prekären baulichen Infrastruktur der Universitäten”)
FAZ: Exzellenz und Kürzungen. In einem Gastbeitrag vertritt Axel Gelfert, Professor für Philosophie an der TU Berlin, die Ansicht, dass der Verbund der Berlin University Alliance auch in der nächsten Runde des Exzellenzwettbewerbs gute Chancen hat. Die Stadt und ihre politische Führung hätten den Exzellenztitel jedoch nicht verdient und sollten damit auch nicht werben. (“Exzellenz in Bruchbuden”)
Tagesspiegel: Einsparungen werden umverteilt. Nach Protesten hat der Berliner Senat seine Sparpläne modifiziert. Unter anderem muss die Berlin Quantum Alliance weniger Einsparungen hinnehmen, und auch beim Studierendenwerk wird weniger gekürzt als ursprünglich geplant. Dafür soll bei den Hochschulverträgen mehr eingespart werden: Statt der ursprünglich geplanten 100 Millionen Euro sollen es 106,7 Millionen Euro sein. (“Senat überarbeitet Kürzungen: Wo in Berlins Wissenschaft jetzt noch mehr gespart werden muss – und wo weniger”)
Mindener Tageblatt: Studium in der Schweiz wird teurer. Die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH) erhöht ihre Semestergebühren drastisch. Ab dem Herbstsemester 2025 wird das Dreifache des bisherigen Studiengeldes verlangt. Dasselbe gilt für die Universität EPFL in Lausanne. Derzeit betragen die Studiengebühren an beiden Universitäten 730 Franken pro Semester und steigen auf 2.190 Franken (circa 2.350 Euro). Hinzu kommen an der ETH noch weitere obligatorische Abgaben in Höhe von derzeit 74 Franken pro Semester. (“ETH Zürich-Studium wird für Ausländer viel teurer”)
Vieles ist in den vergangenen Wochen über die Abgründe von Elon Musks X geschrieben worden. Ohne Zweifel ist die Plattform zu einem Ort verkommen, der so gut wie nichts mehr mit dem Twitter von einst zu tun hat – und das auch nicht erst seit den US-Wahlen im November.
Man kann es daher keiner Wissenschaftlerin und keinem Wissenschaftler verübeln, X den Rücken zu kehren. Doch moralisierende Forderungen an Hochschulen und Forschungsinstitutionen, sich geschlossen mit ihren institutionellen Accounts zurückzuziehen, verschieben den Fokus der Debatte weg von den eigentlichen Problemen.
Nicht nur mit Blick auf X sollte es bei der Entscheidung für oder gegen die Nutzung von Plattformen für die Wissenschaftskommunikation weniger um Symbolik als um individuelle Strategien und Ressourcen gehen. Ein Verbleiben auf X bedeutet keinesfalls Zustimmung zu den Entwicklungen auf der Plattform oder gar zu den dort verbreiteten Thesen von Elon Musk.
Warum sonst würden etwa Robert Habeck und Kamala Harris – beide sicherlich keine großen Fans des Techmilliardärs - X für ihre Wahlkämpfe nutzen? Auch die Bundesregierung kommt zu einem ähnlichen Schluss: In der Abwägung sei es der Regierung wichtig, dort weiter vertreten zu sein, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin vor wenigen Wochen in der Bundespressekonferenz.
Dabei geht es längst nicht allein um quantitative Reichweiten, sondern auch um Kommunikation zwischen verschiedenen Systemen – also zum Beispiel von Wissenschaft zu Medien, Politik, Industrie oder Organisationen und umgekehrt. Heute ist X dafür immer noch eines der gängigen Netzwerke, auch wenn sich die Interaktion aufgrund von Musks Eingriffen zunehmend auf andere Plattformen verschiebt. Beispielsweise erlebt Bluesky derzeit einen bemerkenswerten Zuwachs.
Es ist im Übrigen kein Widerspruch, bei X zu bleiben und parallel dazu entschlossen neue Wege zu gehen. Schließlich geht es auch darum, dem in demokratiefeindlichen Kreisen verbreiteten Narrativ eines sich abschottenden Establishments den Nährboden zu entziehen.
Für die Wissenschaft noch wichtiger ist ein Blick auf die internationale Nutzung von Social-Media-Plattformen: Global gesehen sind noch immer sehr viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf X vertreten, obwohl sie das Dilemma genau verstehen. Sie alle machen es sich dort alles andere als leicht und wir haben ihnen gegenüber eine Verantwortung. Anstatt ihnen kopfschüttelnd bis bevormundend Fahrlässigkeit in einem Kampf gegen Windmühlen vorzuwerfen, sollten wir sie so gut es geht in ihrer Kommunikation unterstützen. Dafür müssen wir zumindest beobachten und uns einmischen können.
Anstatt wiederkehrend über die koordinierte Flucht von einer Plattform zur nächsten zu diskutieren, sollten wir vielmehr endlich an die Wurzeln des Problems gehen. Der Anfang des Jahres veröffentlichte Global Risks Report zum World Economic Forum bezeichnet Desinformation als das derzeit größte Risiko. Wie kann es vor dem Hintergrund sein, dass einzelne Menschen oder Konzerne in demokratischen Ländern eine nahezu uneingeschränkte Macht über Social Media, deren Community-Regeln und Algorithmen, ausüben können?
Und wie kann es sein, dass Plattformanbieter auch bei drastischen Grenzüberschreitungen kaum Konsequenzen befürchten müssen? Eine langfristige und nachhaltige Lösung kann vor allem in einem ambitionierten Einsatz gegen illegale Inhalte, wie im EU Digital Services Act verhandelt, und in einem Überwinden der Monopolstellung großer Tech-Konzerne liegen, wie es unter anderem der Medienwissenschaftler Martin Andree seit längerem fordert.
Diese Lösung wird nicht unbedingt nur in dezentral verwalteten, strukturell dann aber eher reichweitenarmen Social-Media-Inseln liegen.
Bei all den anderen Herausforderungen, vor denen wir in Deutschland gerade stehen, muss die Zukunft der Sozialen Netzwerke und der gesellschaftliche Umgang mit Desinformation unbedingt eine Priorität in dem nächsten Koalitionsvertrag im Bund bekommen. Diese Arbeit an den Wurzeln ist zugegeben wesentlich anstrengender als ein affektiver Ausstieg bei X, aber die Sicherung des demokratischen Diskurses sollte es wert sein.
Sebastian Grote ist seit 2023 Head of Communications der Helmholtz-Gemeinschaft. Bereits in seinem Antrittsjahr wurde Grote zum Forschungssprecher des Jahres in der Kategorie “Forschungsorganisationen, -administration & Stiftung” gewählt. Zuvor leitete er die Stabsstelle Kommunikation und Medien am Alfred-Wegener-Institut, dem Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung.
Es ist eine Kleinigkeit, die viel verrät: Als Sascha Spoun zur Videokonferenz in den Raum huscht, kündigt ihn sein Sprecher mit staatstragender Formel gerade so an, als schreite Spoun huldvoll in einen Festsaal. “Da kommt der Präsident!”
Tatsächlich trägt Spoun auch heute wieder keinen Talar, noch nicht einmal eine Krawatte hat er sich umgebunden und seine Haare sind wie sie eben sind: wuschelig. Sascha Spoun wirkt, kurz gesagt, auch im 18. Jahr seiner Präsidentschaft an der Leuphana-Universität Lüneburg wie der Spitzbube von nebenan. So etwas gibt es selten im bundesdeutschen Wissenschaftsbetrieb – und mag den Respekt erklären, der in dem Satz “Da kommt der Präsident!” liegt.
Nur: Woher kommt diese scheinbare Unermüdlichkeit des Sascha Spoun? “Es ist das ewige Suchen, das immer wieder neu überrascht sein, das die nächste Idee hervorbringt, die dann wieder weiterführt in der Suche”, wird Sascha Spoun später erklären. Die Universität sei genau der Ort für solch einen Prozess beständiger Entwicklung. In ihr folgten “Menschen ihrer Neugier und verlassen die eigene Komfortzone”, sagt Spoun und ergänzt: “Diese Art von Betrieb hält einen unglaublich jung.”
37 Jahre alt war Sascha Spoun als er 2006 als damals jüngster Unipräsident Deutschlands in Lüneburg antrat. Heute, mit 55, arbeitet der deutsch-schweizerische Wirtschaftswissenschaftler bereits mit seinem sechsten Präsidium und ist einer der dienstältesten Uni-Chefs der Republik. Nur Bernd Huber von der LMU München ist länger im Amt. Doch während der Münchner in gut einem Jahr altersbedingt ausscheidet, bleibt Spoun bis 2028 im Amt. Was danach kommt – wer will das heute schon wissen?
Spoun und sein Team stellen sich gerade andere Fragen und Aufgaben: “Wie werden wir die Universität für das Transformationswissen aufstellen? Wie können wir also Wissen und Erfahrungen zusammenbringen, um die Transformation der Gesellschaft in Zukunftsthemen wie Nachhaltigkeit, Digitalität und KI zu ermöglichen?” Seit dem verkorksten Gebäudeenergiegesetz ahnt ganz Deutschland, wie viel beim klimafreundlichen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft schieflaufen kann. “Wir suchen konzeptionell nach Lösungen, um die Transformation zu schaffen”, sagt Spoun.
Das neue strategische Ziel passt zum Markenkern der Leuphana und schärft ihr Profil: Nachhaltigkeit, Digitales, interdisziplinäres Lehren und der Austausch mit der Gesellschaft bilden die DNA der Leuphana, seitdem sie vor ziemlich genau 20 Jahren aus einer Zwangsfusion der früheren Universität Lüneburg mit der damaligen Fachhochschule Nordostniedersachsen hervorging.
Dass die Reform damals glückte, liegt auch an Sascha Spoun. Mit seinen Plänen für eine Universität, die die Gemeinschaft von Forschenden und Lehrenden neu interpretiert, überstrahlte Spoun die Schmerzen der Fusion, einte die Hochschule und machte sie national bekannt. Im Jahr 2021 erhielt er für seine Führungsleistung schließlich den Titel “Hochschulmanager des Jahres“. Die Auszeichnung verleihen das CHE und die ZEIT an Hochschulleitungen, die besonders viel bewegen. Dabei blicken sie aber auch auf Kennzahlen zur Hochschulentwicklung. Tatsächlich zeigen die Graphen in Lüneburg nach oben: Die Summe eingeworbener Drittmittel hat sich nach Uniangaben seit 2007 auf mehr als 22,3 Millionen Euro verfünffacht, die Publikationszahl verachtfacht.
Doch wo Licht ist, ist auch Schatten: Mit dem “akademischen Unternehmer“, wie Spoun sich selbst einmal nannte, können selbst an der Leuphana nicht immer alle. 2011 etwa schlugen die Wogen hoch, als Spoun gegen den Willen des Senats seinen Wunschkandidaten Holm Keller als Vizepräsident wiederbestellte. Kritik hagelte es auch beim Neubau des Zentralgebäudes, dem sogenannten Libeskindbau. Als der Koloss 2017 endlich fertig war, waren die Baukosten explodiert, 110 Millionen Euro kamen zusammen, statt der geplanten 60 Millionen Euro.
Sascha Spoun hätte scheitern können und wäre mehrfach fast aus der Kurve geflogen. Doch die Uni hielt am Ende doch immer zu ihm. So wie im Sommer 2019. Als er eigentlich schon auf dem Absprung nach Göttingen war, um Präsident der dortigen Uni zu werden, musste er nach Verfahrensfehlern im Göttinger Wahlprozess zurückziehen. Sascha Spoun blieb in Lüneburg und das – wie er damals betonte – gern.
Daran hat sich offenbar bis heute nichts geändert: “Wir haben hier ein hervorragendes Kollegium, und die Uni entwickelt sich vielversprechend”, sagt Spoun und meint dabei nicht nur auf nationaler, sondern auch internationaler Ebene. Der einst als Evaluationsverein gestartete Verbund Norddeutscher Universitäten (VNU) soll künftig als Hanse University Alliance über Deutschland hinaus strahlen – mit Sascha Spoun an der Spitze. Zehn Universitäten, von Greifwald über Lüneburg bis Groningen, sind dabei.
Montag wurde der Verband bei einem Festakt gefeiert. Die wissenschaftspolitischen Erwartungen an die “strategische Weiterentwicklung” und “Neupositionierung” sind groß. Aus einer Quali-Runde einen wissenschaftlichen Leuchtturm machen zu wollen, auf solch eine Idee muss man erst einmal kommen. Sascha Spoun hatte sie und griff sie auf. Erst weiter in Lüneburg und jetzt auch in der Hanse University Alliance. Christine Prussky
Sophie Alexandrova, Andreas Schwarz, Manuel Aleixo und Ann-Sophie Ronnlund bilden das Kabinett der neuen EU-Kommissarin für Start-ups, Forschung und Innovation, Ekatarina Sachariewa. Schwarz ist Kabinettschef, Alexandrova seine Stellvertreterin.
Kateřina Čapková, Historikerin am Institut für Zeitgeschichte der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik, und der Literaturwissenschaftler Bala Venkat Mani von der University of Wisconsin-Madison, USA, erhalten die diesjährigen Reimar Lüst-Preise. Die mit je 60.000 Euro dotierte Auszeichnung wird von der Alexander von Humboldt-Stiftung und der Fritz Thyssen Stiftung für Wirtschaftsförderung verliehen.
Michael Ghadimi, Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Kinderchirurgie an der Universitätsmedizin Göttingen, wurde erneut zum Präsidenten der Deutschen Krebsgesellschaft gewählt. Er bekleidet das Amt seit 2022.
Gabriele Gien, seit 2016 Präsidentin der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU), ist Hochschulmanagerin des Jahres 2024. Die Auszeichnung von der Wochenzeitung Die Zeit und dem CHE Centrum für Hochschulentwicklung würdigt herausragende Führungsleistungen im deutschen Hochschulwesen.
Heike Riel wurde zur neuen Präsidentin der Deutschen Physikalischen Gesellschaft gewählt. Die Industriephysikerin übernimmt das Amt im April 2026 vom amtierenden Präsidenten Klaus Richter.
Stefan Stürmer ist neuer Rektor der FernUniversität in Hagen. Der Sozialpsychologe wird Nachfolger von Ada Pellert, die zum 1. Dezember an die Universität Klagenfurt wechselte.
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Eine Laudatio ist eigentlich eine einfache Sache. Man muss möglichst viel Positives über eine Person zusammentragen, das Ganze mit ein, zwei Anekdoten würzen – und nicht zu lange reden. Denn zu dieser Gelegenheit steht ja der Laureat, oder hier vielmehr die Laureatin, im Mittelpunkt.
Horst Seehofer scheint diese einfachen Regeln bei der Ehrung von Gabriele Gien als Hochschulmanagerin des Jahres in der vergangenen Woche herzlich ignoriert zu haben. Teilnehmende berichten von einer engagierten Lobrede – allerdings zu Beginn auf den ebenfalls anwesenden Ex-RKI-Präsidenten Lothar Wieler. Vor allem seinetwegen sei er überhaupt gekommen, betonte Ex-Gesundheitsminister Seehofer. Nicht gerade die netteste Geste gegenüber der Preisträgerin und Präsidentin der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt.
Und es ging noch weiter. In die Lobeshymnen, die der ehemalige bayerische Ministerpräsident dann doch noch auf die Geehrte anstimmte, mischte er viel Anerkennung für die Bischöfe und die bayerische Politik. Diese hätten in erster Linie für den heutigen Erfolg der Universität gesorgt. Die Hochschule ist eine Stiftungsuniversität und steht in der Trägerschaft der Freisinger Bischofskonferenz. Seehofer wiederum ist Vorsitzender des Stiftungsrats, ein Amt, das er offensiv anstrebte, wie Insider berichten.
So manchem wurde das überbordende bayerisch-patriarchalische Mia san Mia dann doch zu viel, erfuhr Table.Briefings. Einige verließen den Saal, Applaus gab es am Schluss kaum. Und so mancher fragte sich am Ende, wie viel die Freiheit der Wissenschaft im Freistaat noch zählt, wenn selbst die Rolle erfolgreicher Präsidentinnen derart gering geschätzt wird. Markus Weisskopf
“Wir sind kurz zusammengezuckt und haben schnell eine Videoschalte gemacht”, sagt der Vorsitzende der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), Uwe Cantner, auf die Frage, wie die EFI auf das Ampel-Aus reagiert hat. Wer nun das anstehende Gutachten Ende Februar 2025 – einige Tage nach der Bundestagswahl – annehmen wird, ist auch ihm logischerweise noch nicht bekannt. Normalerweise übergibt es Cantner dem Bundeskanzler persönlich.
Im Interview mit meinem Kollegen Tim Gabel nimmt der EFI-Chef aber schon vorweg, welche Hausaufgaben die EFI einer neuen Bundesregierung für den Koalitionsvertrag mit auf den Weg gibt und welche Fehler beim “Politikmachen” auf keinen Fall mehr unterlaufen dürfen. Seine Bilanz der Ampel-Koalition fällt verheerend aus. Nach handwerklichen Fehlern und einer “mageren” Umsetzung, könne er auf eine Neuauflage erstmal verzichten, sagt Cantner.
Der Titel “Wissenschaftskommunikation, Partizipation, Soziale Innovationen” sinkt im Haushalt 2025 um fünf Millionen Euro auf rund 23,75 Millionen Euro. Nach Informationen von Table.Briefings verteilen sich die Kürzungen relativ gleichmäßig auf die Bereiche. Einige Hoffnung hatten die Forschungspolitiker der Koalition in die Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses gesetzt. Dort wollten sie noch einige Dinge unterbringen, die sie im gemeinsamen Antrag selbst gefordert hatten, berichtet mein Kollege Markus Weisskopf. Was der Forschungsausschussvorsitzende Kai Gehring auf Anfrage dazu erklärt und weshalb die Kritik von Johannes Vogel, Direktor des Berliner Naturkundemuseums, besonders deutlich ausfällt, lesen Sie in dieser Ausgabe.
Herr Cantner, die Regierung ist zerbrochen, bevor wichtige Vorhaben im F&I-Bereich umgesetzt wurden. Welches gescheiterte Projekt der Ampel schmerzt am meisten?
Eigentlich alles, was in der Zukunftsstrategie Forschung & Innovation stand, die wir als EFI auch begrüßt haben. Die Aufgabe der Ampel war, die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft auf den Weg zu bringen. Man muss anerkennen, dass das um einiges komplexer ist als normale F&E-Politik. Die Bundesregierung hat sich auch dazu bekannt, aber die Bilanz der Umsetzung ist mager. Das Einzige, was funktioniert hat, war die Entfesselung der Sprind. Weder das Forschungsdatengesetz noch das WissZeitVG oder die Dati wurden umgesetzt. In einer Zeit, wo sich die Wettbewerbsfähigkeit und die Innovationstätigkeit der deutschen Unternehmen verschlechtert, sind die wichtigen Themen bei Forschung und Innovation zu spät und zu langsam angegangen worden.
Das heißt, Sie haben keinerlei Hoffnung, dass sich für wichtige Vorhaben noch vor der Neuwahl Mehrheiten finden?
Das ist unter den Bedingungen eines Wahlkampfs nahezu ausgeschlossen. Da gönnt keine Partei der anderen mehr irgendeinen Erfolg. Dass ein Kanzler Scholz mit einer Minderheitsregierung noch Gesetze durchbringt, kann ein Friedrich Merz nicht in der Zeitung lesen wollen, und andersherum wird die SPD nicht den Eindruck vermitteln wollen, dass man auf die Gnade der Union angewiesen ist. Ich glaube, man sollte realistisch sein: Die entscheidenden Dinge werden nicht mehr passieren.
Was wären diese entscheidenden Dinge gewesen? Was müsste sofort passieren?
Es mag ein bisschen eigennützig sein, weil es auch meine eigene Forschung betrifft: Das Forschungsdatengesetz wäre eine extreme Erleichterung. Dass man als Wissenschaftler einfacher an zentrale Daten kommt und die bürokratischen Hürden nicht mehr so hoch sind, das wäre sehr wichtig gewesen. Aber das ist subjektiv.
Und objektiv?
Das Abarbeiten der im Koalitionsvertrag festgelegten Ziele wäre schon mal ein wichtiger Schritt: Wissenschaftszeitvertragsgesetz verabschieden, Dateninstitut aufbauen, Bürokratie in Forschung und Verwaltung zurückschneiden. Darüber hinaus sollte der IP-Transfer bei Ausgründungen aus Wissenschaftseinrichtungen ganz dringend vereinfacht werden. Und dann gibt es natürlich auch noch die dicken Bretter, die sich nicht auf die Schnelle bohren lassen, wo wir aber dringend ranmüssen: Forschungs- und Innovationspolitik agiler machen, dazu Koordination zwischen Bund und Ländern, aber auch zur EU, verbessern, Transfer stärken, Schlüsseltechnologien fördern, strikte Trennung von militärischer und ziviler Forschung aufheben, klare, handhabbare Missionen formulieren und natürlich die Finanzierung der Grundlagenforschung dauerhaft sichern.
Sie hatten die Deutsche Agentur für Transfer und Innovation genannt. Kurz vor dem Bruch hatte die Bundesregierung das vorgelegte Gründungskonzept noch beschlossen. Kann das eine Grundlage für die Zukunft der Dati sein?
Das war unsäglich. Man hat das noch am Vortag des Koalitionsbruchs durchs Kabinett gejagt und dabei die vorgesehene Priorisierung der Fachhochschulen aus dem Papier geschmissen. Ich habe diese Priorisierung immer kritisiert, aber so kann man es meines Erachtens nicht machen. In der letzten Sekunde etwas rauszustreichen und es schnell durchzupeitschen. Ich finde das keinen guten Stil.
Als EFI schreiben Sie jedes Jahr ein Gutachten zur F&I-Politik, Sie verfolgen die Themen, Sie mahnen Reformen an. Wie ernüchtert sind Sie von der Arbeit im BMBF und auch der Resonanz Ihrer Forderungen?
Diese Ministeriumsleitung hat es nicht geschafft, das Ministerium in einen gemeinsamen Takt zu bekommen. Das wäre meines Erachtens die Voraussetzung gewesen, um das große – und an sich in der Zukunftsstrategie gut aufgeschriebene – Aufgabenvolumen einigermaßen sinnvoll und ergebnisorientiert in Arbeit zu bringen. Was unsere Forderungen als Expertenkommission betrifft: Wir gehen nie davon aus, dass eine Regierung unsere Forderungen und Empfehlungen zu 100 Prozent umsetzt. So ist das Leben nicht. Wir gehen da eher so von 20 Prozent aus. Aber in diesem Fall ist man selbst daruntergeblieben, obwohl man viel mehr hätte schaffen können.
Was waren Ihrer Meinung nach die handwerklichen Fehler?
Es funktioniert nicht, wenn man die ersten drei Linien im Ministerium mit Parteigängern besetzt, die mit den unteren Ebenen nicht kommunizieren. Ich kenne die Leute in den Abteilungen, das sind hervorragende Politstrategen, die wissen, wie man etwas aufsetzen muss, damit es funktioniert. Das ist von der Hausleitung nahezu vollkommen negiert worden. Man hat gedacht, dass man in der eigenen Wassersuppe genug Kraft findet. Für das Aufschreiben eines Konzepts in Form der Zukunftsstrategie hat es noch gereicht, aber für die Umsetzung dann nicht mehr.
Stehen Sie mit dem Forschungsministerium in dieser Übergangszeit in Kontakt?
Es sollte eigentlich noch ein Zwischengespräch mit der Forschungsministerin Stark-Watzinger anstehen. Das machen wir jedes Jahr mit dem BMBF zu dieser Zeit. Da konnte man im Vorfeld aber schon eine gewisse Zurückhaltung des BMBF bei der Terminabsprache beobachten. Letztes Jahr ging das wesentlich früher und schneller.
Ob es mit dem neuen Minister einen Austausch geben wird, ist bislang offen. Ohnehin ist fraglich, was so ein Austausch bringen kann. Er wird keiner neuen Bundesregierung angehören, weil er bereits angekündigt hat, dass er nach Baden-Württemberg gehen will. Von daher wünsche ich ihm für diese Rolle alles Gute.
Was darf in der nächsten Legislatur auf keinen Fall liegen bleiben?
Die zentralen Themen habe ich schon genannt. Es geht aber generell eher um das Vermeiden von Fehlern beim “Politikmachen”. Bei den großen Strukturveränderungen, die anstehen, muss die Regierung insbesondere auch die Benachteiligten und damit die Sozialkompensation im Blick haben. Des Weiteren muss ressortübergreifend und missionsorientiert gedacht und agiert werden. Nur dann kann eine gute F&I-Politik gelingen und genau das hat die letzte Regierung nicht gemacht. Ich erwarte von der nächsten, dass die Verantwortlichen verstehen, dass der Politikstil der letzten 30 Jahre nicht mehr funktioniert.
Auf welche Herausforderungen muss die Politik eine Antwort finden?
Wir stehen vor anderen Herausforderungen. Man hat in den vergangenen Jahrzehnten versucht, ein gut laufendes Wissenschafts- und Innovationssystem noch schneller zu machen. Angela Merkel hat so Deutschland an die Weltspitze herangeführt. In den herkömmlichen Technologiebereichen brauchen wir uns nicht zu schämen. Jetzt geht es aber nicht mehr darum, punktuell hier und da anzufüttern, sondern komplett umzuschwenken: vom Verbrenner- zum Elektroauto. Von der Kohle zu den Erneuerbaren. Von der Industrie 1.0 zur KI-gestützten Industrie 5.0. Kurzum: Dekarbonisierung und Digitalisierung sind dabei, die Welt von Grund auf zu verändern. Und wir werden uns dem nicht entziehen können, nach dem Motto: Oh, darauf haben wir jetzt aber keine Lust.
Wie muss man einen solchen Systemwandel aus Ihrer Sicht gestalten?
Das funktioniert jedenfalls nicht mit ein paar Förderprogrammen und einem Projektträger, der das nach Schema F verwaltet. Es geht darum, das ganze System umzulenken, und zwar indem man politisch eine Richtung oder zumindest mehrere Korridore und übergeordnete Ziele aufzeigt. Es braucht dazu nicht unbedingt immer mehr Staatsgeld, sondern ein smartes Management innovations- und investitionsförderlicher Rahmenbedingungen. Die Unternehmen haben Geld auf der hohen Kante, aber sie wissen nicht, wo Deutschland eigentlich hinwill. Fehlende Priorisierung seitens der Politik führt auch dazu, dass deutsche Unternehmen lieber im Ausland investieren. Die Konzepte sind da, jetzt müssen sie umgesetzt werden. Unsere Kritik wird da auch im Gutachten massiv sein, nach dem Motto: Himmel noch mal, macht eure Hausaufgaben.
Gibt es eine politische Wunschkombination für die nächste Amtszeit?
Ich denke, mit der neuen Regierung dürfen die grünen Ideen von einer nachhaltigen Wirtschaft und Gesellschaft nicht verschwinden. Es gibt da Gruppen, bei denen ist von Nachhaltigkeit immer weniger die Rede. Diese grünen Ideen sollten nicht auf der Oppositionsbank sitzen. Sie müssen mit zu den Kernthemen der neuen Regierung zählen. Marktwirtschaftliche Prinzipien sind grundsätzlich mit dem Nachhaltigkeitsgedanken vereinbar – beide müssen geschickt kombiniert werden. Dann wird das laufen. Diese Botschaft versuchen wir seit einiger Zeit über die EFI-Gutachten in die Politik zu tragen. Aber zurück zu Ihrer Frage: Leider hat die Ampel gezeigt, dass es in einer Dreierkoalition schwierig ist, die Macher konstruktiv zusammenzubringen. Auf einen zweiten Anlauf könnte ich daher erstmal verzichten.
Die akademische Freiheit in Russland ist seit Beginn des Kriegs gegen die Ukraine im Jahr 2014, insbesondere aber seit der vollumfänglichen Invasion 2022 zunehmend eingeschränkt. Die Repression in Forschung und Lehre nimmt zu, Hochschulen wurden ideologisch umstrukturiert und unterliegen militärischer Zensur. Das ist das Fazit einer vom Science at Risk Emergency Office in Auftrag gegebenen Studie, die am Montagabend in Berlin vorgestellt wurde.
“Im heutigen Russland gibt es keine akademische Freiheit und keine wissenschaftliche Tätigkeit nach europäischen Standards. Alle wissenschaftlichen Beziehungen zu Europa wurden abgebrochen. Alle ehemals liberalen Universitäten und Bildungseinrichtungen wurden geschlossen oder gleichgeschaltet”, schreibt der Direktor des Emergency Office, Philipp Christoph Schmädeke, im Vorwort des Reports.
Die Regierung mische sich zunehmend in die Leitung und die Lehrpläne ein und höhle die institutionelle Autonomie der Hochschulen aus. Dies berichten die Autoren Dmitry Dubrovskiy, bis März 2022 an der Higher School of Economics in Moskau, nun an der Karls-Universität in Prag, Yegor Albitskii vom Osteuropa-Institut der Freien Universität Berlin, und Ekaterina Trubnikova, bis 2022 an der HSE University in St. Petersburg. Diese Beispiele nennen sie:
Die Campus der russischen Universitäten werden streng kontrolliert. Eine Infrastruktur der Unterdrückung und Überwachung wurde aufgebaut:
Zensur und Selbstzensur dominieren das akademische Leben, schreiben die Autoren. Um weiterhin forschen zu können, wechselten Wissenschaftler in weniger sensible, neutrale Forschungsbereiche und ziehen sich in die innere Emigration zurück.
Andere Wissenschaftler unterstützen vehement das Regime und den Angriffskrieg, ein kleiner Teil der Akademiker leistet Widerstand. Sie versuchten, verdeckte Proteste oder Widerstandsaktionen zu organisieren, hätten offene Briefe gegen die Militäraktion ihres Landes in der Ukraine unterzeichnet und ihre Rektoren aufgefordert, ihre Unterschrift unter einem Brief der Rektorenunion zurückzuziehen, der die Invasion in die Ukraine unterstützt.
Mindestens 2.500 russische Wissenschaftler haben Schätzungen zufolge seit Februar 2022 das Land verlassen. Sie sind vor allem in Länder gegangen, die für sie visumfrei sind, etwa Kasachstan, Georgien, Armenien, Türkei, Serbien und Montenegro. Dort sind die Bedingungen für die Fortsetzung einer akademischen Karriere jedoch schlecht.
Neue Affiliationen haben ehemals russische Akademiker darüber hinaus in Deutschland, den baltischen Ländern, Israel, China, Italien und Spanien, zeigt eine Analyse der Identifizierungsnummern bei der Orcid-Organisation.
Für russische Wissenschaftler im Exil wünschen sich die Autoren mehr Hilfe. Vereinfachte Visa-Prozeduren, mehrjährige Gastforschungsprogramme und subventionierte Sprachkurse nennen sie als Beispiel. “Diese Maßnahmen würden die unabhängige russische Wissenschaft bewahren und ihre Position in der künftigen Entwicklung der russischen Gesellschaft stärken.”
11. Dezember 2024, Munich Urban Colab, Freddie-Mercury-Straße 5, 80797 München
Konferenz der TU München Future of Computing Conference
11.-12. Dezember, Berlin
Forum Wissenschaftskommunikation Wissenschaftskommunikation für eine starke Demokratie und offene Gesellschaft Mehr
12. Dezember 2024, 10:30 bis 18:00 Uhr. Vertretung des Landes Sachsen-Anhalt beim Bund, Luisenstraße 18, 10117 Berlin
Symposium der Leopoldina 10 Jahre Politikevaluierung in der Bundesregierung – Wo stehen wir heute? Ein Blick aus Wissenschaft und Politik Mehr
13. Dezember 2024, Leopoldina, Festsaal, Jägerberg 1, 06108 Halle (Saale)
Leopoldina-Weihnachtsvorlesung Über die Neandertaler und wie sie in uns weiterleben Mehr
18. Dezember 2024, WZB Berlin Social Science Center, Reichpietschufer 50, 10785 Berlin
Diskussion Islamismus und die politische Linke Mehr
14. Januar 2025, Deutsche Physikalische Gesellschaft, Humboldt-Universität zu Berlin, Invalidenstraße 42, 10115 Berlin
Festveranstaltung Eröffnung des Quantenjahres 2025 Mehr
Nur 30 Prozent der Bürgerinnen und Bürger fühlen sich laut Wissenschaftsbarometer gut über Wissenschaft und Forschung informiert. Gerne mal bei einem Forschungsprojekt mitmachen würden 43 Prozent und in einem Dialogformat mitdiskutieren immerhin 40 Prozent. Einiges an Potenzial also für Wissenschaftskommunikation und Citizen Science.
Mit einer fast 20-prozentigen Kürzung ist dieser Bereich jedoch mit am drastischsten von den Sparmaßnahmen im BMBF betroffen. Der Titel “Wissenschaftskommunikation, Partizipation, Soziale Innovationen” sinkt im Haushalt 2025 um fünf Millionen Euro auf rund 23,75 Millionen Euro. Nach Informationen von Table.Briefings verteilen sich die Kürzungen relativ gleichmäßig auf die Bereiche. Ob Projekte komplett gestrichen werden müssen oder ob Kürzungen bei den geplanten Maßnahmen ausreichen, wollte das Ministerium mit Verweis auf die zusätzlichen Unsicherheiten durch die vorläufige Haushaltsführung nicht sagen.
Einige Hoffnung hatten die Forschungspolitiker der Koalition in die jetzt abgesetzte Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses gesetzt. Dort wollten sie noch einige Dinge unterbringen, die sie im gemeinsamen Antrag zur Wissenschaftskommunikation selbst gefordert hatten.
Viele der dort benannten Vorhaben seien weiterhin “aktuell und sollten zukünftig in einer neuen Regierung aufgegleist werden”, sagte der Forschungsausschussvorsitzende Kai Gehring auf Anfrage. Das reiche von einer “Kontaktstelle für angefeindete Forschende bis hin zu einer unabhängigen und staatsfernen Stiftung zur Förderung des Wissenschaftsjournalismus”.
Harte Kritik an den Kürzungen äußerte Johannes Vogel, Direktor des Berliner Naturkundemuseums auf Anfrage von Table.Briefings. Die Einschnitte bei der Wissenschaftskommunikation und Partizipation seien in verschiedener Hinsicht “eine Ohrfeige”. Einerseits für “das Parlament, welches das Thema ausführlich und überparteilich besprochen hat und substantiell mehr Geld gefordert hatte”. Und andererseits für die aktive Community, die bei diesen Themen in den letzten Jahren an die internationalen Entwicklungen anschließen konnte.
Letztlich sei die Entscheidung “ein Beweis für die fehlende Weitsicht und Vision der letzten BMBF-Führung“, betont der Präsident der europäischen Citizen Science-Vereinigung. Mit derart falschen Prioritäten leiste man der erstarkenden Wissenschaftsskepsis und ihren parlamentarischen Eleven Vorschub. mw
Erstmals in Deutschland soll in der kommenden Woche eine Landesregierung mit dem BSW an den Start gehen: In Brandenburg will die SPD für die nächsten fünf Jahre mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht regieren.
Am Mittwoch steht im Landtag in Potsdam zunächst die Wiederwahl des brandenburgischen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD) an. Dann ernennt er die Ministerinnen und Minister – darunter etwa SPD-Landtagsfraktionschef Daniel Keller, der Wirtschaftsminister wird. Für diesen Posten war zwischenzeitlich auch Oliver Günther, Präsident der Universität Potsdam, im Gespräch. Steffen Freiberg soll das Bildungsressort weiterführen und Manja Schüle (SPD) bleibt Wissenschaftsministerin.
Seit November 2019 leitet Schüle das Ressort in Brandenburg. Die promovierte Politikwissenschaftlerin war bis dahin zwei Jahre lang Bundestagsabgeordnete und Mitglied des Forschungsausschusses. Anerkennung für ihre Arbeit bekam sie etwa für die Novelle des Hochschulgesetzes, mit der sie mehr Dauerstellen schaffen möchte. Auch der neue praxis-integrierende Studiengang “Lehramt Primarstufe” an der Brandenburgischen Technischen Universität geht auf ihr Engagement zurück.
Ein Großprojekt ist der Aufbau einer Universitätsmedizin in Cottbus. Im Juli ist die Medizinische Universität Lausitz gestartet. Sie ist in Rekordtempo entstanden und soll die Gesundheitsversorgung verbessern. Bis 2038 sind insgesamt etwas mehr als zwei Milliarden Euro eingeplant – der Großteil kommt aus den Strukturstärkungsmitteln des Bundes, etwa ein Viertel der Kosten wird durch das Land getragen.
Der bereits ausgehandelte Koalitionsvertrag bedeutet für Wissenschaft und Forschung eine Fortsetzung der bisherigen Linie: “Für uns ist klar: Wissenschaft und Forschung bilden ein Fundament für den Wohlstand von morgen, weshalb wir ihre Entwicklung nachhaltig fördern und unterstützen”, heißt es darin. SPD und BSW in Brandenburg haben vor, ihr Bündnis noch vor Weihnachten zu beschließen. Es wäre das erste dieser Art in Deutschland. nik
Google ist nach eigenen Angaben ein entscheidender Schritt zur Überwindung einer der größten Herausforderungen im Quantencomputing gelungen. Mit dem neuen Spezialchip “Willow” und einer neuen Anwendungsmethode habe man den Weg für die Entwicklung praktisch nutzbarer Quantencomputer geebnet, sagte der deutsche Informatiker Hartmut Neven, Gründer und Leiter des Quantum Artificial Intelligence Laboratory von Google.
In der Fachzeitschrift Nature berichten Neven und sein Team, dass zum ersten Mal eine Quantenfehlerkorrektur mit Fehlerraten unter einem relevanten Schwellenwert erreicht wurde. Die Fehlerkorrektur ist entscheidend für die Entwicklung von skalierbaren und anwendbaren Quantencomputern.
Quantencomputer können mathematische Probleme sehr viel schneller lösen als bisherige Computer, beispielsweise beim Verschlüsseln von Daten, in der Materialforschung oder beim maschinellen Lernen für Anwendungen Künstlicher Intelligenz. Die bereits entwickelten Systeme sind jedoch zu klein und machen zu viele Fehler, um einen Mehrwert zu liefern. Problematisch ist auch, dass bislang mit zusätzlichen Recheneinheiten (Qubits) die Fehlerquote ansteigt.
Um dieses Problem in den Griff zu bekommen, fasste das Google-Team mehrere fehleranfällige physikalische Qubits zu einem weniger fehleranfälligen logischen Qubit zusammen. Für die Demonstration dieses Zusammenhangs verwendete die Forscherinnen und Forscher den neu entwickelten Quantenprozessor “Willow”.
Neven und sein Team betonen, mit der verwendeten Methode und dem neuen Chip seien skalierbare, fehlerkorrigierte Quantencomputer möglich. Allerdings merken die Forschenden auch an, dass die erzielte Fehlerrate weiterhin nicht für einen anwendbaren Quantencomputer ausreiche. Das Team rechnet damit, dass es für zufriedenstellende Raten deutlich mehr physikalische Qubits bräuchte. Der Einsatz von mehr Qubits mit der verwendeten Methode werde außerdem zu einer längeren Rechenzeit führen.
“Mit der derzeitigen Qualität von Qubits wird man 100.000 bis eine Million Qubits benötigen, um große, fehlertolerante Rechnungen durchführen zu können, die für klassische Supercomputer jenseits des Möglichen sind”, kommentiert Michael Hartmann, Professor für Theoretische Physik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. In der vorliegenden Arbeit würden Ergebnisse eines Chips mit 105 Qubits präsentiert. “Damit wird ersichtlich, wie weit der Weg noch ist.” dpa
Anfang 2025 wird das Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) ins Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) integriert. Damit wird das PIK im Rahmen eines “Sondertatbestands” strategisch erweitert. In Zukunft sollen so am PIK dann Gemeingüter innerhalb der planetaren Grenzen noch besser erforscht und wenig beforschte und zukunftsweisende Themen gezielt gestärkt werden. Dabei sollen zusätzliche Kapazitäten für die drei Themen Erdsystemresilienz, maschinelles Lernen sowie Ungleichheit und Wohlergehen aufgebaut werden.
Die gemeinsame Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern beschloss inzwischen formell die dafür nötige Erhöhung der dauerhaften staatlichen Grundfinanzierung: Das PIK erhält im Jahr nun 3,8 Millionen Euro zusätzlicher Grundfinanzierung. Die Zahl der Beschäftigten am PIK steigt durch die Erweiterung von 400 auf 480. Manja Schüle, Wissenschaftsministerin von Brandenburg, ist froh über die “Stärkung von Brandenburg als Wissenschaftsstandort”. kul
FAZ: Deutschland und Europa hinken hinterher. Der Chef der Innovationsagentur Sprind bescheinigt der Politik und Wirtschaft in Europa zu lange an ihren Altindustrien festzuhalten. Die Innovationskraft in Europa könne man stärken, in dem man unter anderem die Überregulierung bei Gründungen und Verträgen abschafft, meint Rafael Laguna de la Vera. Statt bei jetzigen Innovationen hinterherzuhecheln, solle man nun lieber auf den Sprung zur nächsten Zukunftstechnologie setzen: effizientere algorithmische Ansätze und neue Hardware. (“Die USA sind der Cowboy, Europa ist der Rechtsanwalt”)
Science: Open-Access als Chance. Lateinamerika ist führend bei gemeinnützigen Open-Access-Zeitschriften, kämpft jedoch darum, ihnen weltweite Sichtbarkeit zu verschaffen. Noch ist die Macht der kommerziellen Verlage sehr groß. Vor allem die Verpflichtung, auf Englisch zu publizieren, sei ein Problem. (“Breaking the glass”)
Spiegel: KI und Gentechnik. Das Zusammenwirken von Künstlicher Intelligenz und Gentechnik wird das 21. Jahrhundert prägen. Mit dem wachsenden Verständnis der Abläufe im menschlichen Körper werden durch die neuen technischen Möglichkeiten neue Therapieverfahren entstehen, die das Leben verändern werden. (“Das wird die wichtigste Wissenschaft des 21. Jahrhunderts”)
Zeit: Frauenanteil wächst minimal. Der Frauenanteil unter den 51.900 Professorinnen und Professoren in Deutschland ist im vergangenen Jahr leicht von 28 Prozent auf 29 Prozent gestiegen. Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden teilte mit, dass damit der kontinuierliche Anstieg der vergangenen Jahre fortgesetzt wurde. 2013 waren 21 Prozent der Professuren mit Frauen besetzt, 2003 waren es nur 13 Prozent. (“Frauenanteil in Professuren steigt nur geringfügig”)
Taz: EU will mehr Forschung. Die neue EU-Kommission legt keinen Schwerpunkt mehr auf Klimapolitik und den Green Deal. Stattdessen fokussiert sie sich auf Forschung und Innovation. Der Bericht von Mario Draghi, dem ehemaligen Chef der Europäischen Zentralbank, über die Ursachen des schleichenden Verlusts der Wettbewerbsfähigkeit Europas hat zu einem Umdenken in der Innovationspolitik geführt. (“Neue EU-Kommission setzt auf Forschung”)
Spiegel: Bafög-Erhöhung verpufft. Zum Wintersemester wurden die Bafög-Sätze gerade erhöht, doch könnten die Empfänger bald wieder mit weniger Geld dastehen. Die Bundesregierung plant, die höheren Versicherungsbeiträge nicht auszugleichen. (“Studenten droht versteckte Bafög-Kürzung”)
Forschung & Lehre: Defizite beim Hochschulbau. Der Hochschulbau in Deutschland ist unterfinanziert und überbürokratisiert. Über Jahrzehnte wurde zu wenig investiert, sagt Ulf Richter, Kanzler der Universität Siegen. Er spricht sich dafür aus, dass der Bund wieder in den Hochschulbau investiert. (“Zur prekären baulichen Infrastruktur der Universitäten”)
FAZ: Exzellenz und Kürzungen. In einem Gastbeitrag vertritt Axel Gelfert, Professor für Philosophie an der TU Berlin, die Ansicht, dass der Verbund der Berlin University Alliance auch in der nächsten Runde des Exzellenzwettbewerbs gute Chancen hat. Die Stadt und ihre politische Führung hätten den Exzellenztitel jedoch nicht verdient und sollten damit auch nicht werben. (“Exzellenz in Bruchbuden”)
Tagesspiegel: Einsparungen werden umverteilt. Nach Protesten hat der Berliner Senat seine Sparpläne modifiziert. Unter anderem muss die Berlin Quantum Alliance weniger Einsparungen hinnehmen, und auch beim Studierendenwerk wird weniger gekürzt als ursprünglich geplant. Dafür soll bei den Hochschulverträgen mehr eingespart werden: Statt der ursprünglich geplanten 100 Millionen Euro sollen es 106,7 Millionen Euro sein. (“Senat überarbeitet Kürzungen: Wo in Berlins Wissenschaft jetzt noch mehr gespart werden muss – und wo weniger”)
Mindener Tageblatt: Studium in der Schweiz wird teurer. Die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH) erhöht ihre Semestergebühren drastisch. Ab dem Herbstsemester 2025 wird das Dreifache des bisherigen Studiengeldes verlangt. Dasselbe gilt für die Universität EPFL in Lausanne. Derzeit betragen die Studiengebühren an beiden Universitäten 730 Franken pro Semester und steigen auf 2.190 Franken (circa 2.350 Euro). Hinzu kommen an der ETH noch weitere obligatorische Abgaben in Höhe von derzeit 74 Franken pro Semester. (“ETH Zürich-Studium wird für Ausländer viel teurer”)
Vieles ist in den vergangenen Wochen über die Abgründe von Elon Musks X geschrieben worden. Ohne Zweifel ist die Plattform zu einem Ort verkommen, der so gut wie nichts mehr mit dem Twitter von einst zu tun hat – und das auch nicht erst seit den US-Wahlen im November.
Man kann es daher keiner Wissenschaftlerin und keinem Wissenschaftler verübeln, X den Rücken zu kehren. Doch moralisierende Forderungen an Hochschulen und Forschungsinstitutionen, sich geschlossen mit ihren institutionellen Accounts zurückzuziehen, verschieben den Fokus der Debatte weg von den eigentlichen Problemen.
Nicht nur mit Blick auf X sollte es bei der Entscheidung für oder gegen die Nutzung von Plattformen für die Wissenschaftskommunikation weniger um Symbolik als um individuelle Strategien und Ressourcen gehen. Ein Verbleiben auf X bedeutet keinesfalls Zustimmung zu den Entwicklungen auf der Plattform oder gar zu den dort verbreiteten Thesen von Elon Musk.
Warum sonst würden etwa Robert Habeck und Kamala Harris – beide sicherlich keine großen Fans des Techmilliardärs - X für ihre Wahlkämpfe nutzen? Auch die Bundesregierung kommt zu einem ähnlichen Schluss: In der Abwägung sei es der Regierung wichtig, dort weiter vertreten zu sein, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin vor wenigen Wochen in der Bundespressekonferenz.
Dabei geht es längst nicht allein um quantitative Reichweiten, sondern auch um Kommunikation zwischen verschiedenen Systemen – also zum Beispiel von Wissenschaft zu Medien, Politik, Industrie oder Organisationen und umgekehrt. Heute ist X dafür immer noch eines der gängigen Netzwerke, auch wenn sich die Interaktion aufgrund von Musks Eingriffen zunehmend auf andere Plattformen verschiebt. Beispielsweise erlebt Bluesky derzeit einen bemerkenswerten Zuwachs.
Es ist im Übrigen kein Widerspruch, bei X zu bleiben und parallel dazu entschlossen neue Wege zu gehen. Schließlich geht es auch darum, dem in demokratiefeindlichen Kreisen verbreiteten Narrativ eines sich abschottenden Establishments den Nährboden zu entziehen.
Für die Wissenschaft noch wichtiger ist ein Blick auf die internationale Nutzung von Social-Media-Plattformen: Global gesehen sind noch immer sehr viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf X vertreten, obwohl sie das Dilemma genau verstehen. Sie alle machen es sich dort alles andere als leicht und wir haben ihnen gegenüber eine Verantwortung. Anstatt ihnen kopfschüttelnd bis bevormundend Fahrlässigkeit in einem Kampf gegen Windmühlen vorzuwerfen, sollten wir sie so gut es geht in ihrer Kommunikation unterstützen. Dafür müssen wir zumindest beobachten und uns einmischen können.
Anstatt wiederkehrend über die koordinierte Flucht von einer Plattform zur nächsten zu diskutieren, sollten wir vielmehr endlich an die Wurzeln des Problems gehen. Der Anfang des Jahres veröffentlichte Global Risks Report zum World Economic Forum bezeichnet Desinformation als das derzeit größte Risiko. Wie kann es vor dem Hintergrund sein, dass einzelne Menschen oder Konzerne in demokratischen Ländern eine nahezu uneingeschränkte Macht über Social Media, deren Community-Regeln und Algorithmen, ausüben können?
Und wie kann es sein, dass Plattformanbieter auch bei drastischen Grenzüberschreitungen kaum Konsequenzen befürchten müssen? Eine langfristige und nachhaltige Lösung kann vor allem in einem ambitionierten Einsatz gegen illegale Inhalte, wie im EU Digital Services Act verhandelt, und in einem Überwinden der Monopolstellung großer Tech-Konzerne liegen, wie es unter anderem der Medienwissenschaftler Martin Andree seit längerem fordert.
Diese Lösung wird nicht unbedingt nur in dezentral verwalteten, strukturell dann aber eher reichweitenarmen Social-Media-Inseln liegen.
Bei all den anderen Herausforderungen, vor denen wir in Deutschland gerade stehen, muss die Zukunft der Sozialen Netzwerke und der gesellschaftliche Umgang mit Desinformation unbedingt eine Priorität in dem nächsten Koalitionsvertrag im Bund bekommen. Diese Arbeit an den Wurzeln ist zugegeben wesentlich anstrengender als ein affektiver Ausstieg bei X, aber die Sicherung des demokratischen Diskurses sollte es wert sein.
Sebastian Grote ist seit 2023 Head of Communications der Helmholtz-Gemeinschaft. Bereits in seinem Antrittsjahr wurde Grote zum Forschungssprecher des Jahres in der Kategorie “Forschungsorganisationen, -administration & Stiftung” gewählt. Zuvor leitete er die Stabsstelle Kommunikation und Medien am Alfred-Wegener-Institut, dem Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung.
Es ist eine Kleinigkeit, die viel verrät: Als Sascha Spoun zur Videokonferenz in den Raum huscht, kündigt ihn sein Sprecher mit staatstragender Formel gerade so an, als schreite Spoun huldvoll in einen Festsaal. “Da kommt der Präsident!”
Tatsächlich trägt Spoun auch heute wieder keinen Talar, noch nicht einmal eine Krawatte hat er sich umgebunden und seine Haare sind wie sie eben sind: wuschelig. Sascha Spoun wirkt, kurz gesagt, auch im 18. Jahr seiner Präsidentschaft an der Leuphana-Universität Lüneburg wie der Spitzbube von nebenan. So etwas gibt es selten im bundesdeutschen Wissenschaftsbetrieb – und mag den Respekt erklären, der in dem Satz “Da kommt der Präsident!” liegt.
Nur: Woher kommt diese scheinbare Unermüdlichkeit des Sascha Spoun? “Es ist das ewige Suchen, das immer wieder neu überrascht sein, das die nächste Idee hervorbringt, die dann wieder weiterführt in der Suche”, wird Sascha Spoun später erklären. Die Universität sei genau der Ort für solch einen Prozess beständiger Entwicklung. In ihr folgten “Menschen ihrer Neugier und verlassen die eigene Komfortzone”, sagt Spoun und ergänzt: “Diese Art von Betrieb hält einen unglaublich jung.”
37 Jahre alt war Sascha Spoun als er 2006 als damals jüngster Unipräsident Deutschlands in Lüneburg antrat. Heute, mit 55, arbeitet der deutsch-schweizerische Wirtschaftswissenschaftler bereits mit seinem sechsten Präsidium und ist einer der dienstältesten Uni-Chefs der Republik. Nur Bernd Huber von der LMU München ist länger im Amt. Doch während der Münchner in gut einem Jahr altersbedingt ausscheidet, bleibt Spoun bis 2028 im Amt. Was danach kommt – wer will das heute schon wissen?
Spoun und sein Team stellen sich gerade andere Fragen und Aufgaben: “Wie werden wir die Universität für das Transformationswissen aufstellen? Wie können wir also Wissen und Erfahrungen zusammenbringen, um die Transformation der Gesellschaft in Zukunftsthemen wie Nachhaltigkeit, Digitalität und KI zu ermöglichen?” Seit dem verkorksten Gebäudeenergiegesetz ahnt ganz Deutschland, wie viel beim klimafreundlichen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft schieflaufen kann. “Wir suchen konzeptionell nach Lösungen, um die Transformation zu schaffen”, sagt Spoun.
Das neue strategische Ziel passt zum Markenkern der Leuphana und schärft ihr Profil: Nachhaltigkeit, Digitales, interdisziplinäres Lehren und der Austausch mit der Gesellschaft bilden die DNA der Leuphana, seitdem sie vor ziemlich genau 20 Jahren aus einer Zwangsfusion der früheren Universität Lüneburg mit der damaligen Fachhochschule Nordostniedersachsen hervorging.
Dass die Reform damals glückte, liegt auch an Sascha Spoun. Mit seinen Plänen für eine Universität, die die Gemeinschaft von Forschenden und Lehrenden neu interpretiert, überstrahlte Spoun die Schmerzen der Fusion, einte die Hochschule und machte sie national bekannt. Im Jahr 2021 erhielt er für seine Führungsleistung schließlich den Titel “Hochschulmanager des Jahres“. Die Auszeichnung verleihen das CHE und die ZEIT an Hochschulleitungen, die besonders viel bewegen. Dabei blicken sie aber auch auf Kennzahlen zur Hochschulentwicklung. Tatsächlich zeigen die Graphen in Lüneburg nach oben: Die Summe eingeworbener Drittmittel hat sich nach Uniangaben seit 2007 auf mehr als 22,3 Millionen Euro verfünffacht, die Publikationszahl verachtfacht.
Doch wo Licht ist, ist auch Schatten: Mit dem “akademischen Unternehmer“, wie Spoun sich selbst einmal nannte, können selbst an der Leuphana nicht immer alle. 2011 etwa schlugen die Wogen hoch, als Spoun gegen den Willen des Senats seinen Wunschkandidaten Holm Keller als Vizepräsident wiederbestellte. Kritik hagelte es auch beim Neubau des Zentralgebäudes, dem sogenannten Libeskindbau. Als der Koloss 2017 endlich fertig war, waren die Baukosten explodiert, 110 Millionen Euro kamen zusammen, statt der geplanten 60 Millionen Euro.
Sascha Spoun hätte scheitern können und wäre mehrfach fast aus der Kurve geflogen. Doch die Uni hielt am Ende doch immer zu ihm. So wie im Sommer 2019. Als er eigentlich schon auf dem Absprung nach Göttingen war, um Präsident der dortigen Uni zu werden, musste er nach Verfahrensfehlern im Göttinger Wahlprozess zurückziehen. Sascha Spoun blieb in Lüneburg und das – wie er damals betonte – gern.
Daran hat sich offenbar bis heute nichts geändert: “Wir haben hier ein hervorragendes Kollegium, und die Uni entwickelt sich vielversprechend”, sagt Spoun und meint dabei nicht nur auf nationaler, sondern auch internationaler Ebene. Der einst als Evaluationsverein gestartete Verbund Norddeutscher Universitäten (VNU) soll künftig als Hanse University Alliance über Deutschland hinaus strahlen – mit Sascha Spoun an der Spitze. Zehn Universitäten, von Greifwald über Lüneburg bis Groningen, sind dabei.
Montag wurde der Verband bei einem Festakt gefeiert. Die wissenschaftspolitischen Erwartungen an die “strategische Weiterentwicklung” und “Neupositionierung” sind groß. Aus einer Quali-Runde einen wissenschaftlichen Leuchtturm machen zu wollen, auf solch eine Idee muss man erst einmal kommen. Sascha Spoun hatte sie und griff sie auf. Erst weiter in Lüneburg und jetzt auch in der Hanse University Alliance. Christine Prussky
Sophie Alexandrova, Andreas Schwarz, Manuel Aleixo und Ann-Sophie Ronnlund bilden das Kabinett der neuen EU-Kommissarin für Start-ups, Forschung und Innovation, Ekatarina Sachariewa. Schwarz ist Kabinettschef, Alexandrova seine Stellvertreterin.
Kateřina Čapková, Historikerin am Institut für Zeitgeschichte der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik, und der Literaturwissenschaftler Bala Venkat Mani von der University of Wisconsin-Madison, USA, erhalten die diesjährigen Reimar Lüst-Preise. Die mit je 60.000 Euro dotierte Auszeichnung wird von der Alexander von Humboldt-Stiftung und der Fritz Thyssen Stiftung für Wirtschaftsförderung verliehen.
Michael Ghadimi, Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Kinderchirurgie an der Universitätsmedizin Göttingen, wurde erneut zum Präsidenten der Deutschen Krebsgesellschaft gewählt. Er bekleidet das Amt seit 2022.
Gabriele Gien, seit 2016 Präsidentin der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU), ist Hochschulmanagerin des Jahres 2024. Die Auszeichnung von der Wochenzeitung Die Zeit und dem CHE Centrum für Hochschulentwicklung würdigt herausragende Führungsleistungen im deutschen Hochschulwesen.
Heike Riel wurde zur neuen Präsidentin der Deutschen Physikalischen Gesellschaft gewählt. Die Industriephysikerin übernimmt das Amt im April 2026 vom amtierenden Präsidenten Klaus Richter.
Stefan Stürmer ist neuer Rektor der FernUniversität in Hagen. Der Sozialpsychologe wird Nachfolger von Ada Pellert, die zum 1. Dezember an die Universität Klagenfurt wechselte.
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Eine Laudatio ist eigentlich eine einfache Sache. Man muss möglichst viel Positives über eine Person zusammentragen, das Ganze mit ein, zwei Anekdoten würzen – und nicht zu lange reden. Denn zu dieser Gelegenheit steht ja der Laureat, oder hier vielmehr die Laureatin, im Mittelpunkt.
Horst Seehofer scheint diese einfachen Regeln bei der Ehrung von Gabriele Gien als Hochschulmanagerin des Jahres in der vergangenen Woche herzlich ignoriert zu haben. Teilnehmende berichten von einer engagierten Lobrede – allerdings zu Beginn auf den ebenfalls anwesenden Ex-RKI-Präsidenten Lothar Wieler. Vor allem seinetwegen sei er überhaupt gekommen, betonte Ex-Gesundheitsminister Seehofer. Nicht gerade die netteste Geste gegenüber der Preisträgerin und Präsidentin der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt.
Und es ging noch weiter. In die Lobeshymnen, die der ehemalige bayerische Ministerpräsident dann doch noch auf die Geehrte anstimmte, mischte er viel Anerkennung für die Bischöfe und die bayerische Politik. Diese hätten in erster Linie für den heutigen Erfolg der Universität gesorgt. Die Hochschule ist eine Stiftungsuniversität und steht in der Trägerschaft der Freisinger Bischofskonferenz. Seehofer wiederum ist Vorsitzender des Stiftungsrats, ein Amt, das er offensiv anstrebte, wie Insider berichten.
So manchem wurde das überbordende bayerisch-patriarchalische Mia san Mia dann doch zu viel, erfuhr Table.Briefings. Einige verließen den Saal, Applaus gab es am Schluss kaum. Und so mancher fragte sich am Ende, wie viel die Freiheit der Wissenschaft im Freistaat noch zählt, wenn selbst die Rolle erfolgreicher Präsidentinnen derart gering geschätzt wird. Markus Weisskopf