Stiftungssteuer, Strafzahlungen und Kürzungen von Förderbudgets: Aus Sicht der Hochschulen in den USA könnte Donald Trumps zweite Amtszeit zum “perfect storm” werden, der absoluten Katastrophe. Im Interview mit Table.Briefings berichtet Jon Fansmith, Vizepräsident des American Council on Education und zuständig für dessen Politkontakte, wie sich die Mitglieder des größten Hochschulverbands der Vereinigten Staaten auf Attacken aus der eigenen Regierung vorbereiten.
Mit Blick auf den anstehenden Wahlkampf in Deutschland empfiehlt er auch hiesigen Institutionen, sich nicht im Kulturkampf zu verzetteln, sondern den eigenen Mehrwert für die globale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und die eigene Nachbarschaft herauszustellen: “Es geht nicht nur darum zu zeigen, was man für einzelne Studierende oder Wissenschaftler tut, sondern wie man auf regionaler Ebene die Wirtschaft fördert und welche Rolle man für die Menschen vor Ort als Arbeitgeber spielt”, meint Fansmith.
Cem Özdemir lässt seinen Worten aus der vergangenen Woche die ersten Taten folgen und hat eine Kleine Anfrage der Unionsfraktion zur Fördermittelaffäre im BMBF beantworten lassen. Mit Blick auf die Wire-Kommunikation im Ministerium hat sein neues Team allerdings nicht viel vorgefunden, Veraktung Fehlanzeige. Aus der BMBF-Antwort aber lässt sich zumindest ablesen, dass private Kommunikation sich grundsätzlich nicht auf Entscheidungen der Hausleitung auswirken darf. Die Union fordert nun, dass Özdemir seinen Abschlussbericht im Januar im Forschungsausschuss vorstellt.
Um die Wehrhaftigkeit Deutschlands geht es in dem Standpunkt-Beitrag von Georg Schütte. Der Generalsekretär der VolkswagenStiftung macht sechs Vorschläge, wie Forschung und Innovation dazu beitragen können, unser Land verteidigungsfähig zu machen. “Noch immer spüre ich inneren Widerstand, mir das Risiko eines Kriegs in Europa auszumalen”, schreibt er. Andererseits mahne das Beispiel der Ukraine dazu, das reale Bedrohungsszenario zu akzeptieren.
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“Es hat im Wahlkampf eine Kombination von Druckmitteln seitens der Republikaner gegeben und sehr feindselige Angriffe auf die Hochschulbildung”, sagt Jon Fansmith, Vizepräsident des American Council on Education im Gespräch mit Table.Briefings. Der American Council on Education (ACE) ist die landesweit größte Dachorganisation von Hochschulleitungen – vom kleinen Community-College zur forschungsstarken Elite-Universität. Die Organisation umfasst über 1.600 Hochschulen, an denen zusammengenommen Zweidrittel aller US-Studierenden eingeschrieben sind.
Fansmith, der für die Regierungsbeziehungen und die politische Lobbyarbeit des Verbands zuständig ist, bemüht sich angesichts des nahenden Regierungswechsels um Differenzierung und Zuversicht: “Die Kritik des künftigen Präsidenten und seines Teams hat sich stark auf Kulturfragen konzentriert, wie die DEI-Programme der Universitäten (DEI = Diversity, Equity and Integration), oder die Frage, ob Transgender-Studenten am Sport teilnehmen dürfen. Dinge, die für die Bildungs- und Forschungsfunktion von Hochschulen nicht zentral sind.”
Natürlich könne und wolle man die Themen “nicht gänzlich voneinander trennen”, aber es gebe jenseits der “teils uninformierten” Attacken auf Colleges und Universitäten in vielerlei Hinsicht ein überparteiliches “Verständnis für den Wert und die Bedeutung von Forschung an Hochschulen”. Zentrale Themen im Wahlkampf seien sowohl bei Republikanern als auch Demokraten die globale Wettbewerbsfähigkeit und die nationale Sicherheit gewesen.
Diese hingen in hohem Maße von der Erhaltung des technologischen Vorsprungs ab. “Und das geschieht in unserem Land im Wesentlichen durch die Forschung an den Hochschulen”, sagt Fansmith Table.Briefings. Der Hochschul-Lobbyist glaubt, dass der politische Druck und die Kritik – auch aus Teilen der Bevölkerung – abnehmen würde, wenn es den Hochschulen besser gelänge, ihren gesellschaftlichen Wert zu vermitteln.
“Wir haben traditionell über den Wert der Hochschulbildung als ein individuelles Gut gesprochen. Man geht aufs College, macht einen Abschluss, bekommt einen Job, der besser bezahlt wird als derjenige, für den man keinen Abschluss braucht.” Man verschaffe sich bessere Karrieremöglichkeiten und eine höhere Lebensqualität. “Aber viele Menschen, die keine Hochschule besucht haben, teilen diese Erfahrung nicht und genau bei denen verfangen die ,Kulturkampf’-Themen besonders stark.”
Auf die Frage, welche Lehren man beim ACE aus dem Wahlkampf gezogen und welchen Ratschlag er für deutsche Hochschulen hat, wie sie sich im anstehenden Bundestagswahlkampf positionieren können, rät Fansmith dazu, die eigene Region besser im Blick zu haben: “Ich denke, dass man sich sehr genau überlegen muss, wie man sich als Hochschule in seiner direkten Umgebung präsentiert.”
“Es geht nicht nur darum zu zeigen, was man für einzelne Studierende oder Wissenschaftler tut, sondern wie man auf regionaler Ebene die Wirtschaft fördert, welche Rolle man für die Menschen vor Ort als Arbeitgeber spielt und was man zur Ausbildung von Polizisten, Feuerwehrleuten, Krankenschwestern, Ärzten oder dem Militär beiträgt.” Seine Überzeugung sei, dass man so Angriffe und Generalkritik gegen die vermeintlich abgehobene Wissenschaft und Hochschulen abschwächen kann.
In den USA hofft Fansmith, so auch die Trump-Regierung zu besänftigen. Gelingt ihm dies nicht, droht unter anderem die Ausweitung einer Steuer, die bisher in den USA nur einige private Hochschulen betrifft. Donald Trump hatte sie 2016 in seiner ersten Amtszeit eingeführt. Nimmt eine Hochschule mehr als eine halbe Million Dollar Stiftungsgelder pro Studierenden ein, zahlt sie einen Betrag von 1,4 Prozent an den Staatshaushalt. Im Jahr 2022 – Biden ließ die Regelung unangetastet – kamen so rund 250 Millionen US-Dollar von 58 Hochschulen zusammen.
JD Vance, Trumps künftiger Vizepräsident, hatte zu Beginn des Wahlkampfs vorgeschlagen, die Steuer auf 35 Prozent anzuheben und auch auf öffentliche Hochschulen auszuweiten. Die Stiftungsgelder seien “auf dem Rücken der Steuerzahler unglaublich angewachsen” und würden die Hochschulen unabhängig von politischem Druck machen, sagte Vance. Das sei der Grund, “warum das Universitätssystem in diesem Land so wahnsinnig geworden ist”. Trump selbst hatte angekündigt, dass Hochschulen, “die von marxistischen Irren und Verrückten beherrscht” würden, mit Geldstrafen “bis zur gesamten Höhe ihrer Mittelausstattung” belegt werden könnten, wenn sie DEI-Initiativen fortsetzen.
Jon Fansmith hält Steuern und Strafzahlungen für “keine gute Idee” und das von Vance gezeichnete Szenario für “sehr bedrohlich”. Der größte Teil der Stiftungsgelder, die von wohltätigen Spendern steuerfrei an Hochschulen als gemeinnützige Organisationen gingen, sei für die Unterstützung von Studierenden gedacht. “Wir machen uns große Sorgen darüber, was das für den Zugang einkommensschwacher Studenten zu unseren Hochschulen bedeutet”, sagt Fansmith. Auch Mittel für die Ausstattung von Forschungslaboren und das Anwerben der besten Wissenschaftler würden so aufs Spiel gesetzt.
Ankündigungen zur Kürzung von Bundesmitteln für Wissenschaft und Forschung – die ebenfalls im Trump-Lager geäußert wurden – hält Fansmith dagegen für unwahrscheinlicher. Bereits seit über zwei Jahrzehnten würden Republikaner ankündigen, die Ausgaben für Forschung außerhalb des Militärs beschneiden zu wollen. Seither seien die Forschungsausgaben unabhängig von der Regierung immer weiter gestiegen. “Es gibt in beiden Parteien viel guten Willen für eine auskömmliche Forschungsfinanzierung.” Den unmittelbaren Nutzen von Forschung und Innovation könnte man unterschiedlichen Wählermilieus gut vermitteln.
Mit Blick auf die internationalen Forschungsbeziehungen glaubt Fansmith, dass der Rechtfertigungsdruck für die Hochschulen deutlich zunehmen wird. “Wir haben bereits bei Trump I gesehen, dass Hochschulen und Universitäten, die internationale Beziehungen in bestimmten Regionen der Welt unterhalten, zum Beispiel mit China, sehr genau unter die Lupe genommen werden.”
Auch Staaten im Nahen Osten oder Länder wie Nordkorea, Iran und Syrien seien “areas of concern”. Fansmith erinnert mit Blick auf Deutschland daran, dass der designierte Präsident auch über “unsere europäischen Freunde nicht immer in den besten Tönen gesprochen hat”. Die Regierung werde gegenüber Hochschulen und Universitäten mit globalen Verbindungen mindestens misstrauisch sein. Konkret erwartet Fansmith Verzögerungen bei der Bearbeitung von Visa und die Erhebung von Zöllen, die auch gemeinsame Forschung betreffen könnte.
Im ausführlichen Interview mit Table.Briefings äußert sich Fansmith zu Trumps Personalentscheidungen für das künftige Kabinett, die er diplomatisch als “nontraditional picks” bezeichnet. Er spricht außerdem über die Folgen, die es haben könnte, wenn eine republikanische Regierung bei pro-palästinensischen Protesten an Hochschulen und in Sachen Forschungssicherheit stärker durchgreift.
Rechtsextremismus ist kein alleiniges Ost-Problem, sondern im ganzen Land anzutreffen, in allen gesellschaftlichen Schichten. Wie er sich äußert, welche Entwicklungen er nimmt und was ihn attraktiv macht, wird an verschiedenen Stellen erforscht – oft mit schlechter Ausstattung und projektbezogen. Das Land Baden-Württemberg hat dem das Institut für Rechtsextremismusforschung (IRex) entgegengesetzt. Es ist fest verankert an der Universität Tübingen und langfristig finanziert mit 1,2 Millionen Euro pro Jahr, wobei zehn Prozent Eigenmittel der Uni sind.
Gegründet im Mai 2023, auf Empfehlung aus dem zweiten NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags und wettbewerblich nach Tübingen vergeben, startet es nun als erstes inter- und transdisziplinäres Universitätsinstitut dieser Art. Drei Professuren wurden jüngst besetzt, die Fachleute sind bereits vor Ort beziehungsweise werden im Laufe des Wintersemesters in Tübingen beginnen: Annett Heft hat den Schwerpunkt Medien und Öffentlichkeit, Heike Radvan den Schwerpunkt politische und kulturelle Bildung, im Januar stößt Léonie de Jonge für den Bereich politische Akteure und Ideologien dazu. Eine vierte Professur für sozialwissenschaftliche Antisemitismusforschung soll im Herbst 2025 besetzt sein.
“Der transdisziplinäre Ansatz ist uns sehr wichtig”, sagt Rolf Frankenberger, wissenschaftlicher Geschäftsführer des IRex. So sollen politik- und lebensweltliche Dimensionen des Rechtsextremismus erforscht werden. “Wir wollen nachvollziehen, wie extreme Rechte Anschluss finden an Menschen, die nicht dezidiert rechts sind, sondern beispielsweise konservativ.” Dies habe sich unter anderem bei den Bauernprotesten zu Jahresbeginn beobachten lassen.
Einzelnen Akteuren sei es gelungen, die Bewegung teilweise zu vereinnahmen und völkisches Gedankengut einzubringen. Das lasse sich etwa am Spruch “Stirbt der Bauer, stirbt das Land” erkennen. Werkzeuge der Rechtsextremismusforschung sind unter anderem qualitative Interviews oder Analysen, welche medialen Repräsentationen es gibt rund um Landschaft, Heimat und Raum.
Zudem, so Frankenberger, sollen Formate für den Wissenstransfer entwickelt werden. Dazu tausche man sich regelmäßig mit zivilgesellschaftlichen Akteuren aus. “Was braucht die Hochschule der Polizei, um ihre Ausbildung zu verbessern, was drängt bei der Beratung an Schulen, was erwarten Pfarrerinnen und Pfarrer in Fortbildungen?”, nennt er aktuelle Themen.
Der Transfer ist auch Heike Radvan wichtig, die im Oktober ihre IRex-Professur antrat. Zuvor war sie sieben Jahre an der BTU Cottbus. Dort hat sie zu Erfahrungen und kollektiven Gegenstrategien von Betroffenen rechter Gewalt geforscht. Fortgeführt hat sie ihre Arbeit zu “Rechtsextremismus als Herausforderung für die frühkindliche Pädagogik”, die sie in ihrer vorherigen Arbeit für die Amadeu Antonio Stiftung aufgebaut hat. “Da geht es beispielsweise um Kinder, die in völkischen Familien aufwachsen“, erläutert sie. Kitas, aber auch Grundschulen sollen den Kindern ermöglichen, Diversität und ein demokratisches Miteinander zu erleben, doch das stehe oft im Kontrast zu dem, was sie zu Hause erfahren.
Sie und ihr Team haben Strategien entwickelt, wie sich damit umgehen ließe. Wichtig sei, sich verständlich zu positionieren, betroffene Kinder zu schützen und eine diskriminierungskritische Auseinandersetzung in der gesamten Gruppe zu ermöglichen. Das bedeutet auch, diese Kinder zu unterstützen, vielfältige Erfahrungen zu sammeln und somit ein Fenster offenzuhalten, damit sie sich im Jugend- und Erwachsenenalter eine eigenständige Meinung bilden können: “Aussteigerbiografien zeigen, dass es wichtig ist, dass eine Person – und das kann eine Lehrerin oder ein Sozialpädagoge sein – sich gegen die rechte Ideologie verlässlich und verständlich positioniert und gleichzeitig menschlich erreichbar bleibt”. Nach dem Motto: Was Du ideologisch von Dir gibst, geht gar nicht, aber Du bist als Mensch wertvoll. Du kannst dort aussteigen.
Bei derlei Themen im Unterricht kommt rasch die Frage nach dem Neutralitätsgebot. Radvan nennt diese eine “rechte Strategie, um demokratisch positionierte Lehrkräfte zu diffamieren und zu begrenzen”. “Es gibt kein Neutralitätsgebot in der Bildung”, sagt sie. Im Gegenteil: “Ich bin als Pädagogin verpflichtet, mich gegen jede Form der Diskriminierung zu wenden, über Demokratie aufzuklären, aber auch über ihre Gefährdung.” Dazu gehöre auch, beispielsweise das Wahlprogramm der AfD kritisch zu besprechen.
Das IRex-Team ist eine Ausnahme unter den Einrichtungen der Rechtsextremismusforschung. “Es ist fest verankert an einer Volluni, durch echte Professuren, dauerhaft finanziert aus der Wissenschaft – und nicht abhängig von Etats eines Innenministeriums oder von Präventionsprogrammen”, sagt Gideon Botsch. Er leitet die Emil Julius Gumbel Forschungsstelle Antisemitismus und Rechtsextremismus des Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien in Potsdam und wurde vor der IRex-Gründung konsultiert. Zum Vergleich: Seine Forschungsstelle ist als An-Institut an die Universität Potsdam angebunden, hat zwei Wissenschaftlerstellen.
Botsch nennt die Forschungslandschaft seines Fachs “prekär”. “Wir sind alle überfordert”, sagt er. Neben der Forschung seien zahlreiche Expertiseanfragen zu bearbeiten, auch von Medien. “Wir machen das gern, aber es fordert uns sehr.” Nur schaue es nicht danach aus, dass die Rechtsextremismusforschung ausgebaut werde, obwohl es dringend nötig sei. Angesichts der Ergebnisse bei den Wahlen in den östlichen Ländern fürchtet er sogar Einschnitte. “Es besteht das Risiko, dass diese zurückgeschraubt wird.”
Diese Sorgen muss sich das Team des IRex kaum machen. “Die Hochschulleitung steht voll und ganz hinter uns”, sagt Frankenberger. Ob das für alle Uniangehörigen gilt, ist eine andere Frage. “Ein Fünftel der Bevölkerung wählt extrem rechts”, sagt er. “Wahrscheinlich gibt es auch einige davon hier an der Universität.” Kritik habe er aber nicht gehört, allenfalls die Frage, warum das Institut nicht ebenso Linksextremismus und Islamismus erforsche.
Das seien verschiedene Dinge, meint Frankenberger. “Als würde man einen Fußballwissenschaftler auffordern, zu Rugby und Handball zu forschen.” Den Bedarf sieht er durchaus. “Wir würden es sehr begrüßen, wenn auch andere Formen des Extremismus erforscht werden und entsprechende Institute gegründet werden.”
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In der vergangenen Woche hatte Cem Özdemir zugesagt, die Ereignisse rund um die Fördermittelaffäre im BMBF aufarbeiten zu wollen. Mit der Antwort auf die Kleine Anfrage der Union (KA 20/13569), die Table-Briefings vorliegt, ist sein Ministerium einen ersten Schritt gegangen. Die neue BMBF-Staatssekretärin, Claudia Müller, die unter Özdemir auch im Landwirtschaftsministerium arbeitet, hat das Papier unterschrieben.
Müller stellt zunächst klar, dass es um einen “Sachverhalt zu einem konkreten Vorgang” gehe, der in “Verantwortung der Hausleitung des BMBF stattfand, die vor dem 07.11.2024 amtierte” und endet ihre Vorbemerkung mit dem Satz: “Der hier gegenständliche Vorgang wird ressortintern geprüft” – will heißen “Wir sind dran.” In der Kleinen Anfrage, die 135 Fragen umfasst und die die Bundesregierung am 31. Oktober erreichte, ging es der Union vor allem um die interne Kommunikation des BMBF zum offenen Brief über den Nachrichtendienst Wire.
Die CDU-Fraktion erinnerte darin an den Grundsatz der ordnungsgemäßen Aktenführung, dem nach dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Absatz 3 des Grundgesetzes (GG) jedes Verwaltungshandeln verpflichtet ist. Es schließen sich Fragen nach Definitionen und der Abgrenzung von dienstlicher, persönlicher und privater Kommunikation an.
Zu vielen Fragen, etwa zur privaten Wire-Chat-Nutzung durch Stark-Watzinger und ihre “F-Gruppe“, in der über die mögliche Fördermittelprüfung kritischer Wissenschaftler verhandelt wurde – verweist nun auch Müller entweder auf frühere Antworten auf Kleine Anfragen oder auf die “laufenden ressortinternen Prüfungen und Beratungen”, weshalb keine Auskunft erteilt werden könne.
Immerhin werden durch die Antworten erste Hinweise gegeben, was die Zielrichtung der internen Untersuchungen ist. So heißt es in einer Antwort, dass die Nutzung von “Wire Bund” auf privaten Geräten nicht möglich ist und auch die dienstliche Nutzung privater Hard- und Software grundsätzlich nicht gestattet ist.
Auf die Frage, wie in der Bundesregierung in der Veraktungspraxis “private Kommunikation” von “dienstlicher Kommunikation” abgrenzt wird – was ebenfalls auf die Veraktung der kritischen Wire-Chats durch Stark-Watzinger und ihrem engsten Team abzielt -, schreibt Müller, dass alle entscheidungserheblichen Informationen zu aktenrelevanten Unterlagen zählen, unabhängig davon, auf welchem Weg sie die Behörde erreichen oder innerhalb der Behörde kommuniziert werden.
Thomas Jarzombek, CDU, sieht in der Antwort des BMBF und im Handeln Özdemirs “eine greifbare Chance” auf eine abschließende Klärung. “Offensichtlich ist bereits jetzt bekannt, dass es in der ehemaligen Hausleitung unter Führung von Frau Stark-Watzinger durch die dienstliche Nutzung privater Hard- und Software scheinbar zu Dienstvergehen gekommen ist”, sagt der bildungs- und forschungspolitische Sprecher seiner Fraktion. Viele Fragen seien aber weiterhin offen. Bundesminister Özdemir habe mit Blick auf seine Aufklärungsaktivitäten volle Rückendeckung.
Die Unionsfraktion will Özdemir bitten, seinen Abschlussbericht zur internen Prüfung und zu personellen wie administrativen Konsequenzen am 29. Januar 2025 im Bildungs- und Forschungsausschuss vorzustellen. Für diesen Tag soll auch Sabine Döring von ihrer Verschwiegenheitspflicht entbunden werden, zudem soll den Abgeordneten des Bildungs- und Forschungsausschusses im Vorfeld Einblick in die relevanten Akten ermöglicht werden.
Ob Özdemir für einen Abschlussbericht ausreichend veraktete Dokumente vorfindet, wird mittlerweile durch Insider stark bezweifelt. Die kritischen Gespräche und Chats, die Stark-Watzinger und ihr Team geführt haben sollen, wurden offenbar nicht veraktet. Darauf lassen nicht nur ihre Aussagen im Sonderausschuss schließen, sondern schlicht auch die jüngste Antwort zur CDU-Anfrage.
So schreibt Müller, dass nach Kenntnis der Bundesregierung zum genannten Themenkomplex “keine dienstliche Kommunikation über die App ,Wire (Bund)’ geführt” wurde. Und weiter: “Die Bundesregierung hat keine Kenntnisse über die Nutzung der privaten Version der ,Wire’-App durch Beschäftigte des BMBF.” Auf diese Server habe der Bund auch keinen Zugriff. Daher könne die Bundesregierung auf diesem Wege keine Kenntnis von einer etwaigen Nutzung des Messengerdienstes “Wire (privat)” durch Beschäftige des BMBF erlangen.” nik
Eine aktuelle Studie des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO), des Instituts für Höhere Studien und von Joanneum Research hat die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen der vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekte in Österreich (2009-2022) untersucht. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass ein FWF-Fördereuro 1,1 Euro an Staatseinnahmen und zwei Euro Bruttoinlandsprodukt auslöst. Das teilt der FWF mit, der die Studie in Auftrag gegeben hat.
Aufgrund dieser kurzfristigen Effekte wirkten sich die jährlich rund 350 Millionen Euro Fördermittel des FWF belebend auf die Konjunktur aus. “Konservativ geschätzt, finanzieren sich die FWF-Mittel demnach innerhalb eines Jahres über Steuer- und Sozialversicherungseinnahmen selbst”, schreibt der FWF – das österreichische Pendant zur DFG.
Die Effekte ergeben sich aus Umsätzen von Start-ups oder aus neuen Produkten, die Unternehmen auf den Markt bringen, sowie den Gehältern für die in den Projekten oder Start-ups beschäftigten Forschenden. Mittel- und langfristig kommen zu den Kurzzeiteffekten auch Produktivitätssteigerungen hinzu. Eine Erhöhung der Mittel für die FWF-finanzierte Grundlagenforschung um zehn Prozent könnte das Bruttoinlandsprodukt pro Arbeitsstunde um bis zu drei Prozent und pro Kopf um bis zu 0,6 Prozent wachsen lassen, schätzen die Studienautoren.
“Neben internationalen Analysen wie etwa dem Draghi-Report legt auch die neue Studie dringend nahe, das Wissenschafts- und Innovationssystem weiter in Richtung hochinnovativer Grundlagenforschung zu fokussieren und die Resultate rasch in die gesellschaftliche und wirtschaftliche Nutzung zu überführen”, sagte FWF-Präsident Christof Gattringer. Man appelliere daher an die Entscheidungsträger in den laufenden Regierungsverhandlungen, “mutige Schritte zum weiteren Ausbau der für Österreichs Zukunft so wichtigen Grundlagenforschung zu setzen”.
Die Ergebnisse der Studie beruhen auf vielfältigen Datenquellen, darunter eine repräsentative Befragung von rund 1.500 FWF-Projektleitern, die zwischen 2009 und 2022 FWF-Projekte erfolgreich abschlossen, bibliometrische und Start-up-Datenbanken sowie weitere volkswirtschaftliche Daten. Für Deutschland liegen derzeit keine ähnlichen Untersuchungen vor. Lediglich die wirtschaftlichen Effekte der baden-württembergischen Universitäten wurden bereits in einer Studie von 2019 untersucht. mw
Laut einer Mitteilung der Europäischen Kommission haben Brüssel und Tokio Verhandlungen über die Teilnahme Japans an Horizon Europe aufgenommen. Die Kommission kündigte die Aufnahme formeller Gespräche nur einen Tag vor Ablauf der Amtszeit von EU-Forschungskommissarin Iliana Ivanova an. Die Bulgarin Ekaterina Sachariewa löste sie am 1. Dezember ab.
Ziel der Verhandlungen ist Japans Assoziierung zu Säule II von Horizon Europe. Diese fördert multinationale Projekte zur Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen. Im Erfolgsfall könnten japanische Forscher eigene Projekte leiten und engere Kooperationen mit EU-Partnern eingehen.
Als vollwertiges assoziiertes Mitglied von Horizon würde Japan einen vereinbarten Betrag in den zentralen Horizon-Finanzierungstopf einzahlen. Im Gegenzug würden japanische Forscher gleichberechtigt mit europäischen Forschern um Horizon-Zuschüsse in Säule 2 konkurrieren. Gegenwärtig nehmen zwar einige japanische Forscher an Horizon-Projekten teil, doch müssen sie die Mittel dafür in der Regel aus Tokio und nicht direkt aus Brüssel erhalten.
Die Gespräche zwischen der EU-Kommission und der japanischen Regierung werden in den kommenden Monaten fortgesetzt. Nach der Assoziierung Kanadas im Juli umfasst das Programm nun 19 Länder. Südkorea soll ab 2025 teilnehmen, während Verhandlungen mit Ägypten und der Schweiz noch laufen. mw
Es ist ein neuer Rekord: Im Jahr 2023 haben die Unternehmen in Deutschland für interne Forschung und Entwicklung (FuE) 88,7 Milliarden Euro ausgegeben – ein Plus von 8,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Sogar um 14,5 Prozent sind die Aufwendungen für externe FuE gestiegen, 2023 betrugen sie 31,7 Milliarden Euro. Das sind die Ergebnisse erster Trenddaten aus der Erhebung zu FuE im Wirtschaftssektor, die der Stifterverband jährlich im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung durchführt.
Die höheren FuE-Aufwendungen seien zum Teil auf gestiegene Kosten aufgrund der hohen Inflation zurückzuführen. Ein erheblicher Teil gehe jedoch auf eine kräftige Ausweitung des FuE-Engagements der Unternehmen zurück, teilt der Stifterverband mit. “Auftragsforschung wird für Unternehmen seit Jahren immer bedeutsamer, um Zugang zu neuem Wissen oder neuen Märkten zu erlangen, Kosten und Risiken zu senken oder um Flexibilität zu gewinnen.” Wachstumstreiber seien vor allem Informations- und Kommunikationstechnologien sowie Biotech im Bereich der Spitzentechnik, aber auch Maschinenbau und Elektroindustrie.
Das Ergebnis der Befragung verwundert angesichts des Befunds der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die in ihrem Förderatlas 2024 einen abermals gesunkenen Anteil der Wirtschaft an den Hochschul-Drittmitteln konstatiert. Im Jahr 2006 stellte die Wirtschaft demnach noch 26 Prozent der Drittmittel, 2013 waren es 19,2 Prozent, 2022 waren es nur noch 14,7 Prozent. Offensichtlich profitieren Universitäten nicht von den wachsenden FuE-Aufwendungen der Unternehmen.
“Die Vergabe von Forschungsaufträgen an andere Unternehmen – dazu zählen auch Konzerntöchter – hat an Bedeutung gewonnen, der Anteil der Forschungsaufträge für Hochschulen sinkt seit Jahren”, sagt Gero Stenke, Leiter der Wissenschaftsstatistik im Stifterverband auf Anfrage von Table.Briefings. Vor rund 20 Jahren seien noch 21 Prozent der externen FuE-Ausgaben der Unternehmen an Hochschulen gegangen, aktuell liege der Anteil bei elf Prozent.
Als Gründe für die Abwendung von Hochschulen und Universitäten würden von den Unternehmen unterschiedliche Zeithorizonte, Interessenlagen sowie Zielkonflikte genannt. “Den Hochschulen geht es um Publikationen, Unternehmen sind an praktisch verwertbaren Ergebnissen interessiert – und die wollen sie möglichst schnell”, sagt Stenke. In der Wirtschaft sei zunehmend Agilität gefragt, dem stünden oftmals bürokratische und organisatorische Hemmnisse an den Hochschulen gegenüber.
Die vollständige Auswertung der diesjährigen FuE-Befragung veröffentlicht der Stifterverband im Frühjahr 2025. Befragt wurden rund 34.000 Unternehmen in Deutschland, die FuE betreiben. Von knapp der Hälfte liegen Antworten vor. abg
Zum ersten Mal in der neuen EU-Legislaturperiode tagte am Freitag der Rat für Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union. In diesem Rahmen verabschiedeten die EU-Forschungsminister “Schlussfolgerungen” zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der EU, zur Stärkung des Europäischen Forschungsraums (EFR) und zur Überwindung seiner Fragmentierung. Der Schwerpunkt lag dabei auf übergeordneten Prinzipien und weniger auf Details der Umsetzung.
Die Minister diskutierten unter anderem die Empfehlungen von Mario Draghi zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Europas. Relative Einigkeit herrschte über die Notwendigkeit zur Erhöhung der nationalen Investitionen in Forschung und Entwicklung. Mindestens drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts sollen es EU-weit sein. Während Deutschland, Österreich und Schweden dieses Ziel übertreffen, sind andere EU-Staaten davon noch weit entfernt.
Weniger Einigkeit herrschte im Rat über die vor allem von den Parlamentariern geforderte Erhöhung des Budgets für das Forschungsrahmenprogramm der EU. Während das Parlament eine Aufstockung auf bis zu 200 Milliarden Euro fordert, hielt sich auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Antrittsrede vergangene Woche zurück. Sie versprach lediglich, die Forschungsausgaben überhaupt zu erhöhen und den Europäischen Forschungsrat (ERC) und den Europäischen Innovationsrat (EIC) auszubauen.
Von der Leyen hatte auch die neue Forschungskommissarin Ekaterina Sachariewa beauftragt, ein Gesetz zum Europäischen Forschungsraum vorzulegen, das die Freizügigkeit von Forschern, wissenschaftlichen Erkenntnissen und Technologien garantiert. Das ist als Reaktion auf den Bericht von Enrico Letta zu verstehen, der forderte, dass Forschung und Innovation zur “fünften Grundfreiheit” des Binnenmarktes werden sollten.
Der Wettbewerbsfähigkeitsrat ruft nun dazu auf, die Empfehlungen der Berichte von Draghi und Letta zu berücksichtigen, “um einen voll funktionsfähigen EFR zu entwickeln”. Gleichzeitig findet sich in den Schlussfolgerungen keine konkrete Empfehlung für ein neues Gesetz zum EFR, wie es von der Leyen fordert. Kurt Deketelaere, Generalsekretär der League of European Research Universities (LERU), vermutet, dass die Mitgliedstaaten skeptisch gegenüber einer neuen Gesetzgebung zum EFR sind, die ihnen zu viele neue Verpflichtungen auferlegt. Aus seiner Sicht sollte man eher darauf hinzuwirken, dass bestehende Hindernisse für Mobilität und Zusammenarbeit in den Staaten abgebaut werden.
Der Europäische Wettbewerbsrat unterstützte weiterhin eine Initiative der kommenden dänischen Präsidentschaft. Diese führt eine Gruppe von Ländern an, die sich für die Autonomie des Europäischen Forschungsrates (ERC) einsetzen.
Einigkeit schien auch darüber zu bestehen, dass die Innovationslücke zwischen Europa und seinen Hauptkonkurrenten verringert werden muss. Umstritten war jedoch, ob EU-Mittel auch zur Verringerung der Innovationslücke innerhalb Europas eingesetzt werden sollten oder ob es in der Verantwortung der Mitgliedstaaten liegt, die Investitionen zu erhöhen und die Forschungssysteme zu stärken. mw
Süddeutsche: Lauterbach setzte sich gegen RKI durch. Als im Frühjahr 2022 die schwere Coronawelle des Winters abebbte, wollte das RKI die Risikostufe von “sehr hoch” auf “hoch” herabsetzen. Das Institut scheiterte damals an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, der dieses Vorgehen verhinderte. Lauterbach verwehrte dem RKI monatelang, das Corona-Risiko herabzustufen. (“Lauterbach verwehrte dem RKI monatelang, das Corona-Risiko herabzustufen”)
Science: Angriffe gegen Wissenschaftler. Wissenschaftler sind in so unterschiedlichen Staaten wie den USA, Russland und Uganda zunehmend Angriffen ausgesetzt. Im Zentrum stehen Themen wie Impfstoffe, die menschliche Sexualität und die Erforschung des Klimawandels. (“Scientists as political advocates”)
Zeit: Vogelgrippevirus immer gefährlicher. Nach Einschätzung von Wissenschaftlern hat sich das Vogelgrippevirus H5N1 an den Menschen angepasst. Eine Infektion von Mensch zu Mensch sei nun möglich und könne bei den Infizierten zu schweren Krankheitsverläufen führen. (“Das Virus tut, was viele befürchtet haben”)
Tagesspiegel: Einsparungen blockieren Sanierungen. In einem Gastbeitrag beklagt TU-Präsidentin Geraldine Rauch, dass dringende Sanierungsprojekte an den Hochschulen wegen des Sparkurses des Senats blockiert würden. Dabei ginge es um Brandschutzmaßnahmen und beschädigte elektrische Anlagen. (“Keine Sanierungen und Neubauten für Berlins Unis: Mahnmale des politischen Scheitern”)
Standard: Wissenschaftler sollen X verlassen. Die Universität Wien hat sich bereits von X zurückgezogen. Nun fordern zahlreiche österreichische Wissenschaftler dazu auf, dass weitere Forscher diesem Schritt der Uni folgen. In einem offenen Brief schreiben sie, unter Führung von Elon Musk wäre X von Sensationsgier, Desinformation und Feindseligkeit geprägt. (“Österreichische Forschende rufen zum Boykott von X auf”)
Spiegel: Israelischer Historiker ausgeladen. Die Universität Leipzig hat nach Protesten einen Vortrag des israelischen Historikers Benny Morris abgesagt. Der Vortrag sollte im Rahmen der Ringvorlesung “Traditionen und Gegenwart des Antisemitismus” stattfinden. Über Morris’ Thesen, zum Beispiel über den Gründungsprozess Israels, sollte kritisch diskutiert werden. (“Uni Leipzig sagt Vortrag israelischen Professors ab”)
Bei einem kürzlichen Besuch der Universität von Mariupol, die in Kyjiw Zuflucht gefunden hat, wird uns eine traurige Bilanz präsentiert: Mehr als 250 Studierende sind vermisst, 18 Professoren tot. Insgesamt 400.000 Schüler und Studierende sind aus dem Land geflohen, mit ihnen eine große Zahl Forschender. Und dennoch ist der Verteidigungswille in der Ukraine ungebrochen: Studierende entwickeln und programmieren Drohnen, entwickeln Sensoren und Steuerungselektronik für das Militär.
In Ermangelung von Nachschub aus dem Ausland hat der ukrainische Forschungssektor die Innovations-Pipeline zum Militär weit geöffnet und Prozesse radikal verkürzt. Der Krieg lässt keine Zeit für bürokratische Bedenken. Die Verteidigung von Freiheit und Unabhängigkeit schließt die Reihen im ungleichen Kampf mit einem zahlenmäßig übermächtigen Gegner und sorgt für eine Bündelung der Kräfte.
Und Deutschland? Der Generalinspekteur der Bundeswehr Carsten Breuer mahnte, dass die Neuausrichtung der russischen Streitkräfte 2029 abgeschlossen sein würde. Bis dahin müsse Deutschland verteidigungsfähig sein. Diese Aufgabe könne das Militär nicht allein lösen. Hierzu bedürfe es einer gesellschaftlichen Anstrengung.
Noch immer spüre ich inneren Widerstand, mir das Risiko eines Kriegs in Europa auszumalen. Andererseits mahnt das Beispiel der Ukraine dazu, das reale Bedrohungsszenario zu akzeptieren. Was, so frage ich mich also, sollten Forschung und Innovation beitragen, um die Wehrhaftigkeit Deutschlands bis 2029 herzustellen? Hierzu sechs Vorschläge:
Astrid Fischer ist neue kaufmännische Geschäftsführerin des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München. Die Juristin bildet gemeinsam mit der wissenschaftlichen Direktorin Veronika Somoza den Vorstand des Instituts.
Anke Kaysser-Pyzalla bleibt Vorstandsvorsitzende des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Der Senat wählte sie für weitere fünf Jahre in das Amt. Ihre zweite Amtszeit beginnt 2025.
Axel Klarmann ist neuer Prorektor für Bildung der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig). Der Professor für Softwareengineering und IT Architecture Management folgt auf Barbara Mikus, die seit 2019 Prorektorin war. Faouzi Derbel bleibt Prorektor für Forschung und Nachhaltigkeit. Er hat das Amt seit September 2023 inne.
Christoph Markschies ist für weitere fünf Jahre ins Amt des Präsidenten der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) gewählt worden. Die zweite Amtszeit des evangelischen Theologen und Historikers beginnt am 1. Oktober 2025.
Martin Mittelbach von der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung in Frankfurt am Main ist neuer Vizepräsident der Leibniz-Gemeinschaft.
Thomas Nilsson ist neuer Wissenschaftlicher Geschäftsführer von FAIR und GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung. Der schwedische Experimentalphysiker hat am 1. Dezember 2024 seine neue Position angetreten.
Dirk Schattschneider, bisheriger Leiter der Zentralabteilung im BMBF und Vertrauter von Ex-Ministerin Bettina Stark-Watzinger, ist von Forschungsminister Cem Özdemir in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden. Seine Aufgaben soll sein bisheriger Stellvertreter übernehmen.
Fabian Schulz ist neuer Generalsekretär der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste. Zuvor war der Politikwissenschaftler in verschiedenen Positionen im Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes tätig.
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ESG.Table. Batterieproduktion: Der europäischen Autoindustrie fehlt es an Geduld. Um Chinas Vorsprung bei Batterien aufzuholen, braucht es technisches Know-how. Dafür müsse die europäische Autoindustrie bereit sein, Zeit und Geld zu investieren, sagt Maximilian Fichtner vom Helmholtz-Institut Ulm im Interview. Mehr
China.Table. Feiyu Xu: Europa braucht ein eigenes KI-Ökosystem. Die USA und China sind bei der Künstlichen Intelligenz mit Abstand führend. Deutschland und Europa können sich dennoch einen Platz unter den Besten der Welt erkämpfen, sagt KI-Unternehmerin Feiyu Xu – wenn sie bereit sind, die richtigen Weichen zu stellen. Mehr
Africa.Table. GABS 2024: BDI fordert deutsche Investitionen in digitale Infrastruktur. Vor dem German African Business Summit fordert der BDI mehr deutsche Investitionen in die afrikanische Digitalwirtschaft. Was sich der Verband von der Politik im Einzelnen wünscht, hat Table.Briefings exklusiv erfahren. Mehr
ESG.Table. Nachhaltigkeit und Digitalisierung: Wie Unternehmen die doppelte Transformation meistern. Eine neue Studie der Bertelsmann Stiftung und des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation hat ermittelt, wie Unternehmen zugleich Nachhaltigkeit und Digitalisierung erfolgreich angehen. Mehr
In der Royal Society rumort es. Es geht darum, ob Elon Musk weiterhin Mitglied der ehrwürdigen britischen Wissenschaftsakademie bleiben kann. Im Sommer hatten 74 Mitglieder den Vorstand aufgefordert, Musk auszuschließen, nachdem er auf der Plattform X aufrührerische Kommentare über die Unruhen in Großbritannien gemacht hatte.
Die Akademie teilte später mit, ihr Anwalt habe keinen Verstoß Musks gegen den Verhaltenskodex festgestellt. Aus Protest über diese Entscheidung ist die renommierte Neuropsychologin Dorothy Bishop von der University of Oxford in der vergangenen Woche nun selbst ausgetreten.
Elon Musk ist seit 2018 Mitglied der Royal Society. Damit wurde er für seine technologischen Innovationen geehrt. “Leider hat sich sein Interesse seitdem auf die Nutzung sozialer Medien für politische Propaganda ausgeweitet, während er gleichzeitig gegen das kämpft, was er als ,Woke Mind Virus’ und Angriffe auf die Meinungsfreiheit betrachtet”, schreibt Bishop in ihrem Blog. Während Musk früher in Fragen wie dem Klimawandel und der Medizin mit der wissenschaftlichen Mainstream-Meinung übereinzustimmen schien, habe er in den letzten ein oder zwei Jahren begonnen, alternative Ideen zu fördern.
Dass die Royal Society sich von einem Mitglied wieder trennt, kommt nicht häufig vor. Der Economist berichtet von zwei Präzedenzfällen: John Flamsteed, der erste königliche Astronom Großbritanniens, wurde 1709 ausgeschlossen, weil er seine Beiträge nicht bezahlt hatte. Möglicherweise waren aber auch Meinungsverschiedenheiten mit dem tyrannischen Newton der Grund. Und Rudolf Raspe, ein deutscher Geologe, wurde 1775 wegen Veruntreuung aus der Akademie geworfen. Zeit für Nummer drei? Anne Brüning
Stiftungssteuer, Strafzahlungen und Kürzungen von Förderbudgets: Aus Sicht der Hochschulen in den USA könnte Donald Trumps zweite Amtszeit zum “perfect storm” werden, der absoluten Katastrophe. Im Interview mit Table.Briefings berichtet Jon Fansmith, Vizepräsident des American Council on Education und zuständig für dessen Politkontakte, wie sich die Mitglieder des größten Hochschulverbands der Vereinigten Staaten auf Attacken aus der eigenen Regierung vorbereiten.
Mit Blick auf den anstehenden Wahlkampf in Deutschland empfiehlt er auch hiesigen Institutionen, sich nicht im Kulturkampf zu verzetteln, sondern den eigenen Mehrwert für die globale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und die eigene Nachbarschaft herauszustellen: “Es geht nicht nur darum zu zeigen, was man für einzelne Studierende oder Wissenschaftler tut, sondern wie man auf regionaler Ebene die Wirtschaft fördert und welche Rolle man für die Menschen vor Ort als Arbeitgeber spielt”, meint Fansmith.
Cem Özdemir lässt seinen Worten aus der vergangenen Woche die ersten Taten folgen und hat eine Kleine Anfrage der Unionsfraktion zur Fördermittelaffäre im BMBF beantworten lassen. Mit Blick auf die Wire-Kommunikation im Ministerium hat sein neues Team allerdings nicht viel vorgefunden, Veraktung Fehlanzeige. Aus der BMBF-Antwort aber lässt sich zumindest ablesen, dass private Kommunikation sich grundsätzlich nicht auf Entscheidungen der Hausleitung auswirken darf. Die Union fordert nun, dass Özdemir seinen Abschlussbericht im Januar im Forschungsausschuss vorstellt.
Um die Wehrhaftigkeit Deutschlands geht es in dem Standpunkt-Beitrag von Georg Schütte. Der Generalsekretär der VolkswagenStiftung macht sechs Vorschläge, wie Forschung und Innovation dazu beitragen können, unser Land verteidigungsfähig zu machen. “Noch immer spüre ich inneren Widerstand, mir das Risiko eines Kriegs in Europa auszumalen”, schreibt er. Andererseits mahne das Beispiel der Ukraine dazu, das reale Bedrohungsszenario zu akzeptieren.
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“Es hat im Wahlkampf eine Kombination von Druckmitteln seitens der Republikaner gegeben und sehr feindselige Angriffe auf die Hochschulbildung”, sagt Jon Fansmith, Vizepräsident des American Council on Education im Gespräch mit Table.Briefings. Der American Council on Education (ACE) ist die landesweit größte Dachorganisation von Hochschulleitungen – vom kleinen Community-College zur forschungsstarken Elite-Universität. Die Organisation umfasst über 1.600 Hochschulen, an denen zusammengenommen Zweidrittel aller US-Studierenden eingeschrieben sind.
Fansmith, der für die Regierungsbeziehungen und die politische Lobbyarbeit des Verbands zuständig ist, bemüht sich angesichts des nahenden Regierungswechsels um Differenzierung und Zuversicht: “Die Kritik des künftigen Präsidenten und seines Teams hat sich stark auf Kulturfragen konzentriert, wie die DEI-Programme der Universitäten (DEI = Diversity, Equity and Integration), oder die Frage, ob Transgender-Studenten am Sport teilnehmen dürfen. Dinge, die für die Bildungs- und Forschungsfunktion von Hochschulen nicht zentral sind.”
Natürlich könne und wolle man die Themen “nicht gänzlich voneinander trennen”, aber es gebe jenseits der “teils uninformierten” Attacken auf Colleges und Universitäten in vielerlei Hinsicht ein überparteiliches “Verständnis für den Wert und die Bedeutung von Forschung an Hochschulen”. Zentrale Themen im Wahlkampf seien sowohl bei Republikanern als auch Demokraten die globale Wettbewerbsfähigkeit und die nationale Sicherheit gewesen.
Diese hingen in hohem Maße von der Erhaltung des technologischen Vorsprungs ab. “Und das geschieht in unserem Land im Wesentlichen durch die Forschung an den Hochschulen”, sagt Fansmith Table.Briefings. Der Hochschul-Lobbyist glaubt, dass der politische Druck und die Kritik – auch aus Teilen der Bevölkerung – abnehmen würde, wenn es den Hochschulen besser gelänge, ihren gesellschaftlichen Wert zu vermitteln.
“Wir haben traditionell über den Wert der Hochschulbildung als ein individuelles Gut gesprochen. Man geht aufs College, macht einen Abschluss, bekommt einen Job, der besser bezahlt wird als derjenige, für den man keinen Abschluss braucht.” Man verschaffe sich bessere Karrieremöglichkeiten und eine höhere Lebensqualität. “Aber viele Menschen, die keine Hochschule besucht haben, teilen diese Erfahrung nicht und genau bei denen verfangen die ,Kulturkampf’-Themen besonders stark.”
Auf die Frage, welche Lehren man beim ACE aus dem Wahlkampf gezogen und welchen Ratschlag er für deutsche Hochschulen hat, wie sie sich im anstehenden Bundestagswahlkampf positionieren können, rät Fansmith dazu, die eigene Region besser im Blick zu haben: “Ich denke, dass man sich sehr genau überlegen muss, wie man sich als Hochschule in seiner direkten Umgebung präsentiert.”
“Es geht nicht nur darum zu zeigen, was man für einzelne Studierende oder Wissenschaftler tut, sondern wie man auf regionaler Ebene die Wirtschaft fördert, welche Rolle man für die Menschen vor Ort als Arbeitgeber spielt und was man zur Ausbildung von Polizisten, Feuerwehrleuten, Krankenschwestern, Ärzten oder dem Militär beiträgt.” Seine Überzeugung sei, dass man so Angriffe und Generalkritik gegen die vermeintlich abgehobene Wissenschaft und Hochschulen abschwächen kann.
In den USA hofft Fansmith, so auch die Trump-Regierung zu besänftigen. Gelingt ihm dies nicht, droht unter anderem die Ausweitung einer Steuer, die bisher in den USA nur einige private Hochschulen betrifft. Donald Trump hatte sie 2016 in seiner ersten Amtszeit eingeführt. Nimmt eine Hochschule mehr als eine halbe Million Dollar Stiftungsgelder pro Studierenden ein, zahlt sie einen Betrag von 1,4 Prozent an den Staatshaushalt. Im Jahr 2022 – Biden ließ die Regelung unangetastet – kamen so rund 250 Millionen US-Dollar von 58 Hochschulen zusammen.
JD Vance, Trumps künftiger Vizepräsident, hatte zu Beginn des Wahlkampfs vorgeschlagen, die Steuer auf 35 Prozent anzuheben und auch auf öffentliche Hochschulen auszuweiten. Die Stiftungsgelder seien “auf dem Rücken der Steuerzahler unglaublich angewachsen” und würden die Hochschulen unabhängig von politischem Druck machen, sagte Vance. Das sei der Grund, “warum das Universitätssystem in diesem Land so wahnsinnig geworden ist”. Trump selbst hatte angekündigt, dass Hochschulen, “die von marxistischen Irren und Verrückten beherrscht” würden, mit Geldstrafen “bis zur gesamten Höhe ihrer Mittelausstattung” belegt werden könnten, wenn sie DEI-Initiativen fortsetzen.
Jon Fansmith hält Steuern und Strafzahlungen für “keine gute Idee” und das von Vance gezeichnete Szenario für “sehr bedrohlich”. Der größte Teil der Stiftungsgelder, die von wohltätigen Spendern steuerfrei an Hochschulen als gemeinnützige Organisationen gingen, sei für die Unterstützung von Studierenden gedacht. “Wir machen uns große Sorgen darüber, was das für den Zugang einkommensschwacher Studenten zu unseren Hochschulen bedeutet”, sagt Fansmith. Auch Mittel für die Ausstattung von Forschungslaboren und das Anwerben der besten Wissenschaftler würden so aufs Spiel gesetzt.
Ankündigungen zur Kürzung von Bundesmitteln für Wissenschaft und Forschung – die ebenfalls im Trump-Lager geäußert wurden – hält Fansmith dagegen für unwahrscheinlicher. Bereits seit über zwei Jahrzehnten würden Republikaner ankündigen, die Ausgaben für Forschung außerhalb des Militärs beschneiden zu wollen. Seither seien die Forschungsausgaben unabhängig von der Regierung immer weiter gestiegen. “Es gibt in beiden Parteien viel guten Willen für eine auskömmliche Forschungsfinanzierung.” Den unmittelbaren Nutzen von Forschung und Innovation könnte man unterschiedlichen Wählermilieus gut vermitteln.
Mit Blick auf die internationalen Forschungsbeziehungen glaubt Fansmith, dass der Rechtfertigungsdruck für die Hochschulen deutlich zunehmen wird. “Wir haben bereits bei Trump I gesehen, dass Hochschulen und Universitäten, die internationale Beziehungen in bestimmten Regionen der Welt unterhalten, zum Beispiel mit China, sehr genau unter die Lupe genommen werden.”
Auch Staaten im Nahen Osten oder Länder wie Nordkorea, Iran und Syrien seien “areas of concern”. Fansmith erinnert mit Blick auf Deutschland daran, dass der designierte Präsident auch über “unsere europäischen Freunde nicht immer in den besten Tönen gesprochen hat”. Die Regierung werde gegenüber Hochschulen und Universitäten mit globalen Verbindungen mindestens misstrauisch sein. Konkret erwartet Fansmith Verzögerungen bei der Bearbeitung von Visa und die Erhebung von Zöllen, die auch gemeinsame Forschung betreffen könnte.
Im ausführlichen Interview mit Table.Briefings äußert sich Fansmith zu Trumps Personalentscheidungen für das künftige Kabinett, die er diplomatisch als “nontraditional picks” bezeichnet. Er spricht außerdem über die Folgen, die es haben könnte, wenn eine republikanische Regierung bei pro-palästinensischen Protesten an Hochschulen und in Sachen Forschungssicherheit stärker durchgreift.
Rechtsextremismus ist kein alleiniges Ost-Problem, sondern im ganzen Land anzutreffen, in allen gesellschaftlichen Schichten. Wie er sich äußert, welche Entwicklungen er nimmt und was ihn attraktiv macht, wird an verschiedenen Stellen erforscht – oft mit schlechter Ausstattung und projektbezogen. Das Land Baden-Württemberg hat dem das Institut für Rechtsextremismusforschung (IRex) entgegengesetzt. Es ist fest verankert an der Universität Tübingen und langfristig finanziert mit 1,2 Millionen Euro pro Jahr, wobei zehn Prozent Eigenmittel der Uni sind.
Gegründet im Mai 2023, auf Empfehlung aus dem zweiten NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags und wettbewerblich nach Tübingen vergeben, startet es nun als erstes inter- und transdisziplinäres Universitätsinstitut dieser Art. Drei Professuren wurden jüngst besetzt, die Fachleute sind bereits vor Ort beziehungsweise werden im Laufe des Wintersemesters in Tübingen beginnen: Annett Heft hat den Schwerpunkt Medien und Öffentlichkeit, Heike Radvan den Schwerpunkt politische und kulturelle Bildung, im Januar stößt Léonie de Jonge für den Bereich politische Akteure und Ideologien dazu. Eine vierte Professur für sozialwissenschaftliche Antisemitismusforschung soll im Herbst 2025 besetzt sein.
“Der transdisziplinäre Ansatz ist uns sehr wichtig”, sagt Rolf Frankenberger, wissenschaftlicher Geschäftsführer des IRex. So sollen politik- und lebensweltliche Dimensionen des Rechtsextremismus erforscht werden. “Wir wollen nachvollziehen, wie extreme Rechte Anschluss finden an Menschen, die nicht dezidiert rechts sind, sondern beispielsweise konservativ.” Dies habe sich unter anderem bei den Bauernprotesten zu Jahresbeginn beobachten lassen.
Einzelnen Akteuren sei es gelungen, die Bewegung teilweise zu vereinnahmen und völkisches Gedankengut einzubringen. Das lasse sich etwa am Spruch “Stirbt der Bauer, stirbt das Land” erkennen. Werkzeuge der Rechtsextremismusforschung sind unter anderem qualitative Interviews oder Analysen, welche medialen Repräsentationen es gibt rund um Landschaft, Heimat und Raum.
Zudem, so Frankenberger, sollen Formate für den Wissenstransfer entwickelt werden. Dazu tausche man sich regelmäßig mit zivilgesellschaftlichen Akteuren aus. “Was braucht die Hochschule der Polizei, um ihre Ausbildung zu verbessern, was drängt bei der Beratung an Schulen, was erwarten Pfarrerinnen und Pfarrer in Fortbildungen?”, nennt er aktuelle Themen.
Der Transfer ist auch Heike Radvan wichtig, die im Oktober ihre IRex-Professur antrat. Zuvor war sie sieben Jahre an der BTU Cottbus. Dort hat sie zu Erfahrungen und kollektiven Gegenstrategien von Betroffenen rechter Gewalt geforscht. Fortgeführt hat sie ihre Arbeit zu “Rechtsextremismus als Herausforderung für die frühkindliche Pädagogik”, die sie in ihrer vorherigen Arbeit für die Amadeu Antonio Stiftung aufgebaut hat. “Da geht es beispielsweise um Kinder, die in völkischen Familien aufwachsen“, erläutert sie. Kitas, aber auch Grundschulen sollen den Kindern ermöglichen, Diversität und ein demokratisches Miteinander zu erleben, doch das stehe oft im Kontrast zu dem, was sie zu Hause erfahren.
Sie und ihr Team haben Strategien entwickelt, wie sich damit umgehen ließe. Wichtig sei, sich verständlich zu positionieren, betroffene Kinder zu schützen und eine diskriminierungskritische Auseinandersetzung in der gesamten Gruppe zu ermöglichen. Das bedeutet auch, diese Kinder zu unterstützen, vielfältige Erfahrungen zu sammeln und somit ein Fenster offenzuhalten, damit sie sich im Jugend- und Erwachsenenalter eine eigenständige Meinung bilden können: “Aussteigerbiografien zeigen, dass es wichtig ist, dass eine Person – und das kann eine Lehrerin oder ein Sozialpädagoge sein – sich gegen die rechte Ideologie verlässlich und verständlich positioniert und gleichzeitig menschlich erreichbar bleibt”. Nach dem Motto: Was Du ideologisch von Dir gibst, geht gar nicht, aber Du bist als Mensch wertvoll. Du kannst dort aussteigen.
Bei derlei Themen im Unterricht kommt rasch die Frage nach dem Neutralitätsgebot. Radvan nennt diese eine “rechte Strategie, um demokratisch positionierte Lehrkräfte zu diffamieren und zu begrenzen”. “Es gibt kein Neutralitätsgebot in der Bildung”, sagt sie. Im Gegenteil: “Ich bin als Pädagogin verpflichtet, mich gegen jede Form der Diskriminierung zu wenden, über Demokratie aufzuklären, aber auch über ihre Gefährdung.” Dazu gehöre auch, beispielsweise das Wahlprogramm der AfD kritisch zu besprechen.
Das IRex-Team ist eine Ausnahme unter den Einrichtungen der Rechtsextremismusforschung. “Es ist fest verankert an einer Volluni, durch echte Professuren, dauerhaft finanziert aus der Wissenschaft – und nicht abhängig von Etats eines Innenministeriums oder von Präventionsprogrammen”, sagt Gideon Botsch. Er leitet die Emil Julius Gumbel Forschungsstelle Antisemitismus und Rechtsextremismus des Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien in Potsdam und wurde vor der IRex-Gründung konsultiert. Zum Vergleich: Seine Forschungsstelle ist als An-Institut an die Universität Potsdam angebunden, hat zwei Wissenschaftlerstellen.
Botsch nennt die Forschungslandschaft seines Fachs “prekär”. “Wir sind alle überfordert”, sagt er. Neben der Forschung seien zahlreiche Expertiseanfragen zu bearbeiten, auch von Medien. “Wir machen das gern, aber es fordert uns sehr.” Nur schaue es nicht danach aus, dass die Rechtsextremismusforschung ausgebaut werde, obwohl es dringend nötig sei. Angesichts der Ergebnisse bei den Wahlen in den östlichen Ländern fürchtet er sogar Einschnitte. “Es besteht das Risiko, dass diese zurückgeschraubt wird.”
Diese Sorgen muss sich das Team des IRex kaum machen. “Die Hochschulleitung steht voll und ganz hinter uns”, sagt Frankenberger. Ob das für alle Uniangehörigen gilt, ist eine andere Frage. “Ein Fünftel der Bevölkerung wählt extrem rechts”, sagt er. “Wahrscheinlich gibt es auch einige davon hier an der Universität.” Kritik habe er aber nicht gehört, allenfalls die Frage, warum das Institut nicht ebenso Linksextremismus und Islamismus erforsche.
Das seien verschiedene Dinge, meint Frankenberger. “Als würde man einen Fußballwissenschaftler auffordern, zu Rugby und Handball zu forschen.” Den Bedarf sieht er durchaus. “Wir würden es sehr begrüßen, wenn auch andere Formen des Extremismus erforscht werden und entsprechende Institute gegründet werden.”
4.-6. Dezember, silent green Kulturquartier, Gerichtsstraße 35, Berlin
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4. Dezember 2024, Alte Universität, Aula, Grabengasse 1, 69117 Heidelberg
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12. Dezember 2024, 10:30 bis 18:00 Uhr. Vertretung des Landes Sachsen-Anhalt beim Bund, Luisenstraße 18, 10117 Berlin
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In der vergangenen Woche hatte Cem Özdemir zugesagt, die Ereignisse rund um die Fördermittelaffäre im BMBF aufarbeiten zu wollen. Mit der Antwort auf die Kleine Anfrage der Union (KA 20/13569), die Table-Briefings vorliegt, ist sein Ministerium einen ersten Schritt gegangen. Die neue BMBF-Staatssekretärin, Claudia Müller, die unter Özdemir auch im Landwirtschaftsministerium arbeitet, hat das Papier unterschrieben.
Müller stellt zunächst klar, dass es um einen “Sachverhalt zu einem konkreten Vorgang” gehe, der in “Verantwortung der Hausleitung des BMBF stattfand, die vor dem 07.11.2024 amtierte” und endet ihre Vorbemerkung mit dem Satz: “Der hier gegenständliche Vorgang wird ressortintern geprüft” – will heißen “Wir sind dran.” In der Kleinen Anfrage, die 135 Fragen umfasst und die die Bundesregierung am 31. Oktober erreichte, ging es der Union vor allem um die interne Kommunikation des BMBF zum offenen Brief über den Nachrichtendienst Wire.
Die CDU-Fraktion erinnerte darin an den Grundsatz der ordnungsgemäßen Aktenführung, dem nach dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Absatz 3 des Grundgesetzes (GG) jedes Verwaltungshandeln verpflichtet ist. Es schließen sich Fragen nach Definitionen und der Abgrenzung von dienstlicher, persönlicher und privater Kommunikation an.
Zu vielen Fragen, etwa zur privaten Wire-Chat-Nutzung durch Stark-Watzinger und ihre “F-Gruppe“, in der über die mögliche Fördermittelprüfung kritischer Wissenschaftler verhandelt wurde – verweist nun auch Müller entweder auf frühere Antworten auf Kleine Anfragen oder auf die “laufenden ressortinternen Prüfungen und Beratungen”, weshalb keine Auskunft erteilt werden könne.
Immerhin werden durch die Antworten erste Hinweise gegeben, was die Zielrichtung der internen Untersuchungen ist. So heißt es in einer Antwort, dass die Nutzung von “Wire Bund” auf privaten Geräten nicht möglich ist und auch die dienstliche Nutzung privater Hard- und Software grundsätzlich nicht gestattet ist.
Auf die Frage, wie in der Bundesregierung in der Veraktungspraxis “private Kommunikation” von “dienstlicher Kommunikation” abgrenzt wird – was ebenfalls auf die Veraktung der kritischen Wire-Chats durch Stark-Watzinger und ihrem engsten Team abzielt -, schreibt Müller, dass alle entscheidungserheblichen Informationen zu aktenrelevanten Unterlagen zählen, unabhängig davon, auf welchem Weg sie die Behörde erreichen oder innerhalb der Behörde kommuniziert werden.
Thomas Jarzombek, CDU, sieht in der Antwort des BMBF und im Handeln Özdemirs “eine greifbare Chance” auf eine abschließende Klärung. “Offensichtlich ist bereits jetzt bekannt, dass es in der ehemaligen Hausleitung unter Führung von Frau Stark-Watzinger durch die dienstliche Nutzung privater Hard- und Software scheinbar zu Dienstvergehen gekommen ist”, sagt der bildungs- und forschungspolitische Sprecher seiner Fraktion. Viele Fragen seien aber weiterhin offen. Bundesminister Özdemir habe mit Blick auf seine Aufklärungsaktivitäten volle Rückendeckung.
Die Unionsfraktion will Özdemir bitten, seinen Abschlussbericht zur internen Prüfung und zu personellen wie administrativen Konsequenzen am 29. Januar 2025 im Bildungs- und Forschungsausschuss vorzustellen. Für diesen Tag soll auch Sabine Döring von ihrer Verschwiegenheitspflicht entbunden werden, zudem soll den Abgeordneten des Bildungs- und Forschungsausschusses im Vorfeld Einblick in die relevanten Akten ermöglicht werden.
Ob Özdemir für einen Abschlussbericht ausreichend veraktete Dokumente vorfindet, wird mittlerweile durch Insider stark bezweifelt. Die kritischen Gespräche und Chats, die Stark-Watzinger und ihr Team geführt haben sollen, wurden offenbar nicht veraktet. Darauf lassen nicht nur ihre Aussagen im Sonderausschuss schließen, sondern schlicht auch die jüngste Antwort zur CDU-Anfrage.
So schreibt Müller, dass nach Kenntnis der Bundesregierung zum genannten Themenkomplex “keine dienstliche Kommunikation über die App ,Wire (Bund)’ geführt” wurde. Und weiter: “Die Bundesregierung hat keine Kenntnisse über die Nutzung der privaten Version der ,Wire’-App durch Beschäftigte des BMBF.” Auf diese Server habe der Bund auch keinen Zugriff. Daher könne die Bundesregierung auf diesem Wege keine Kenntnis von einer etwaigen Nutzung des Messengerdienstes “Wire (privat)” durch Beschäftige des BMBF erlangen.” nik
Eine aktuelle Studie des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO), des Instituts für Höhere Studien und von Joanneum Research hat die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen der vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekte in Österreich (2009-2022) untersucht. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass ein FWF-Fördereuro 1,1 Euro an Staatseinnahmen und zwei Euro Bruttoinlandsprodukt auslöst. Das teilt der FWF mit, der die Studie in Auftrag gegeben hat.
Aufgrund dieser kurzfristigen Effekte wirkten sich die jährlich rund 350 Millionen Euro Fördermittel des FWF belebend auf die Konjunktur aus. “Konservativ geschätzt, finanzieren sich die FWF-Mittel demnach innerhalb eines Jahres über Steuer- und Sozialversicherungseinnahmen selbst”, schreibt der FWF – das österreichische Pendant zur DFG.
Die Effekte ergeben sich aus Umsätzen von Start-ups oder aus neuen Produkten, die Unternehmen auf den Markt bringen, sowie den Gehältern für die in den Projekten oder Start-ups beschäftigten Forschenden. Mittel- und langfristig kommen zu den Kurzzeiteffekten auch Produktivitätssteigerungen hinzu. Eine Erhöhung der Mittel für die FWF-finanzierte Grundlagenforschung um zehn Prozent könnte das Bruttoinlandsprodukt pro Arbeitsstunde um bis zu drei Prozent und pro Kopf um bis zu 0,6 Prozent wachsen lassen, schätzen die Studienautoren.
“Neben internationalen Analysen wie etwa dem Draghi-Report legt auch die neue Studie dringend nahe, das Wissenschafts- und Innovationssystem weiter in Richtung hochinnovativer Grundlagenforschung zu fokussieren und die Resultate rasch in die gesellschaftliche und wirtschaftliche Nutzung zu überführen”, sagte FWF-Präsident Christof Gattringer. Man appelliere daher an die Entscheidungsträger in den laufenden Regierungsverhandlungen, “mutige Schritte zum weiteren Ausbau der für Österreichs Zukunft so wichtigen Grundlagenforschung zu setzen”.
Die Ergebnisse der Studie beruhen auf vielfältigen Datenquellen, darunter eine repräsentative Befragung von rund 1.500 FWF-Projektleitern, die zwischen 2009 und 2022 FWF-Projekte erfolgreich abschlossen, bibliometrische und Start-up-Datenbanken sowie weitere volkswirtschaftliche Daten. Für Deutschland liegen derzeit keine ähnlichen Untersuchungen vor. Lediglich die wirtschaftlichen Effekte der baden-württembergischen Universitäten wurden bereits in einer Studie von 2019 untersucht. mw
Laut einer Mitteilung der Europäischen Kommission haben Brüssel und Tokio Verhandlungen über die Teilnahme Japans an Horizon Europe aufgenommen. Die Kommission kündigte die Aufnahme formeller Gespräche nur einen Tag vor Ablauf der Amtszeit von EU-Forschungskommissarin Iliana Ivanova an. Die Bulgarin Ekaterina Sachariewa löste sie am 1. Dezember ab.
Ziel der Verhandlungen ist Japans Assoziierung zu Säule II von Horizon Europe. Diese fördert multinationale Projekte zur Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen. Im Erfolgsfall könnten japanische Forscher eigene Projekte leiten und engere Kooperationen mit EU-Partnern eingehen.
Als vollwertiges assoziiertes Mitglied von Horizon würde Japan einen vereinbarten Betrag in den zentralen Horizon-Finanzierungstopf einzahlen. Im Gegenzug würden japanische Forscher gleichberechtigt mit europäischen Forschern um Horizon-Zuschüsse in Säule 2 konkurrieren. Gegenwärtig nehmen zwar einige japanische Forscher an Horizon-Projekten teil, doch müssen sie die Mittel dafür in der Regel aus Tokio und nicht direkt aus Brüssel erhalten.
Die Gespräche zwischen der EU-Kommission und der japanischen Regierung werden in den kommenden Monaten fortgesetzt. Nach der Assoziierung Kanadas im Juli umfasst das Programm nun 19 Länder. Südkorea soll ab 2025 teilnehmen, während Verhandlungen mit Ägypten und der Schweiz noch laufen. mw
Es ist ein neuer Rekord: Im Jahr 2023 haben die Unternehmen in Deutschland für interne Forschung und Entwicklung (FuE) 88,7 Milliarden Euro ausgegeben – ein Plus von 8,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Sogar um 14,5 Prozent sind die Aufwendungen für externe FuE gestiegen, 2023 betrugen sie 31,7 Milliarden Euro. Das sind die Ergebnisse erster Trenddaten aus der Erhebung zu FuE im Wirtschaftssektor, die der Stifterverband jährlich im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung durchführt.
Die höheren FuE-Aufwendungen seien zum Teil auf gestiegene Kosten aufgrund der hohen Inflation zurückzuführen. Ein erheblicher Teil gehe jedoch auf eine kräftige Ausweitung des FuE-Engagements der Unternehmen zurück, teilt der Stifterverband mit. “Auftragsforschung wird für Unternehmen seit Jahren immer bedeutsamer, um Zugang zu neuem Wissen oder neuen Märkten zu erlangen, Kosten und Risiken zu senken oder um Flexibilität zu gewinnen.” Wachstumstreiber seien vor allem Informations- und Kommunikationstechnologien sowie Biotech im Bereich der Spitzentechnik, aber auch Maschinenbau und Elektroindustrie.
Das Ergebnis der Befragung verwundert angesichts des Befunds der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die in ihrem Förderatlas 2024 einen abermals gesunkenen Anteil der Wirtschaft an den Hochschul-Drittmitteln konstatiert. Im Jahr 2006 stellte die Wirtschaft demnach noch 26 Prozent der Drittmittel, 2013 waren es 19,2 Prozent, 2022 waren es nur noch 14,7 Prozent. Offensichtlich profitieren Universitäten nicht von den wachsenden FuE-Aufwendungen der Unternehmen.
“Die Vergabe von Forschungsaufträgen an andere Unternehmen – dazu zählen auch Konzerntöchter – hat an Bedeutung gewonnen, der Anteil der Forschungsaufträge für Hochschulen sinkt seit Jahren”, sagt Gero Stenke, Leiter der Wissenschaftsstatistik im Stifterverband auf Anfrage von Table.Briefings. Vor rund 20 Jahren seien noch 21 Prozent der externen FuE-Ausgaben der Unternehmen an Hochschulen gegangen, aktuell liege der Anteil bei elf Prozent.
Als Gründe für die Abwendung von Hochschulen und Universitäten würden von den Unternehmen unterschiedliche Zeithorizonte, Interessenlagen sowie Zielkonflikte genannt. “Den Hochschulen geht es um Publikationen, Unternehmen sind an praktisch verwertbaren Ergebnissen interessiert – und die wollen sie möglichst schnell”, sagt Stenke. In der Wirtschaft sei zunehmend Agilität gefragt, dem stünden oftmals bürokratische und organisatorische Hemmnisse an den Hochschulen gegenüber.
Die vollständige Auswertung der diesjährigen FuE-Befragung veröffentlicht der Stifterverband im Frühjahr 2025. Befragt wurden rund 34.000 Unternehmen in Deutschland, die FuE betreiben. Von knapp der Hälfte liegen Antworten vor. abg
Zum ersten Mal in der neuen EU-Legislaturperiode tagte am Freitag der Rat für Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union. In diesem Rahmen verabschiedeten die EU-Forschungsminister “Schlussfolgerungen” zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der EU, zur Stärkung des Europäischen Forschungsraums (EFR) und zur Überwindung seiner Fragmentierung. Der Schwerpunkt lag dabei auf übergeordneten Prinzipien und weniger auf Details der Umsetzung.
Die Minister diskutierten unter anderem die Empfehlungen von Mario Draghi zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Europas. Relative Einigkeit herrschte über die Notwendigkeit zur Erhöhung der nationalen Investitionen in Forschung und Entwicklung. Mindestens drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts sollen es EU-weit sein. Während Deutschland, Österreich und Schweden dieses Ziel übertreffen, sind andere EU-Staaten davon noch weit entfernt.
Weniger Einigkeit herrschte im Rat über die vor allem von den Parlamentariern geforderte Erhöhung des Budgets für das Forschungsrahmenprogramm der EU. Während das Parlament eine Aufstockung auf bis zu 200 Milliarden Euro fordert, hielt sich auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Antrittsrede vergangene Woche zurück. Sie versprach lediglich, die Forschungsausgaben überhaupt zu erhöhen und den Europäischen Forschungsrat (ERC) und den Europäischen Innovationsrat (EIC) auszubauen.
Von der Leyen hatte auch die neue Forschungskommissarin Ekaterina Sachariewa beauftragt, ein Gesetz zum Europäischen Forschungsraum vorzulegen, das die Freizügigkeit von Forschern, wissenschaftlichen Erkenntnissen und Technologien garantiert. Das ist als Reaktion auf den Bericht von Enrico Letta zu verstehen, der forderte, dass Forschung und Innovation zur “fünften Grundfreiheit” des Binnenmarktes werden sollten.
Der Wettbewerbsfähigkeitsrat ruft nun dazu auf, die Empfehlungen der Berichte von Draghi und Letta zu berücksichtigen, “um einen voll funktionsfähigen EFR zu entwickeln”. Gleichzeitig findet sich in den Schlussfolgerungen keine konkrete Empfehlung für ein neues Gesetz zum EFR, wie es von der Leyen fordert. Kurt Deketelaere, Generalsekretär der League of European Research Universities (LERU), vermutet, dass die Mitgliedstaaten skeptisch gegenüber einer neuen Gesetzgebung zum EFR sind, die ihnen zu viele neue Verpflichtungen auferlegt. Aus seiner Sicht sollte man eher darauf hinzuwirken, dass bestehende Hindernisse für Mobilität und Zusammenarbeit in den Staaten abgebaut werden.
Der Europäische Wettbewerbsrat unterstützte weiterhin eine Initiative der kommenden dänischen Präsidentschaft. Diese führt eine Gruppe von Ländern an, die sich für die Autonomie des Europäischen Forschungsrates (ERC) einsetzen.
Einigkeit schien auch darüber zu bestehen, dass die Innovationslücke zwischen Europa und seinen Hauptkonkurrenten verringert werden muss. Umstritten war jedoch, ob EU-Mittel auch zur Verringerung der Innovationslücke innerhalb Europas eingesetzt werden sollten oder ob es in der Verantwortung der Mitgliedstaaten liegt, die Investitionen zu erhöhen und die Forschungssysteme zu stärken. mw
Süddeutsche: Lauterbach setzte sich gegen RKI durch. Als im Frühjahr 2022 die schwere Coronawelle des Winters abebbte, wollte das RKI die Risikostufe von “sehr hoch” auf “hoch” herabsetzen. Das Institut scheiterte damals an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, der dieses Vorgehen verhinderte. Lauterbach verwehrte dem RKI monatelang, das Corona-Risiko herabzustufen. (“Lauterbach verwehrte dem RKI monatelang, das Corona-Risiko herabzustufen”)
Science: Angriffe gegen Wissenschaftler. Wissenschaftler sind in so unterschiedlichen Staaten wie den USA, Russland und Uganda zunehmend Angriffen ausgesetzt. Im Zentrum stehen Themen wie Impfstoffe, die menschliche Sexualität und die Erforschung des Klimawandels. (“Scientists as political advocates”)
Zeit: Vogelgrippevirus immer gefährlicher. Nach Einschätzung von Wissenschaftlern hat sich das Vogelgrippevirus H5N1 an den Menschen angepasst. Eine Infektion von Mensch zu Mensch sei nun möglich und könne bei den Infizierten zu schweren Krankheitsverläufen führen. (“Das Virus tut, was viele befürchtet haben”)
Tagesspiegel: Einsparungen blockieren Sanierungen. In einem Gastbeitrag beklagt TU-Präsidentin Geraldine Rauch, dass dringende Sanierungsprojekte an den Hochschulen wegen des Sparkurses des Senats blockiert würden. Dabei ginge es um Brandschutzmaßnahmen und beschädigte elektrische Anlagen. (“Keine Sanierungen und Neubauten für Berlins Unis: Mahnmale des politischen Scheitern”)
Standard: Wissenschaftler sollen X verlassen. Die Universität Wien hat sich bereits von X zurückgezogen. Nun fordern zahlreiche österreichische Wissenschaftler dazu auf, dass weitere Forscher diesem Schritt der Uni folgen. In einem offenen Brief schreiben sie, unter Führung von Elon Musk wäre X von Sensationsgier, Desinformation und Feindseligkeit geprägt. (“Österreichische Forschende rufen zum Boykott von X auf”)
Spiegel: Israelischer Historiker ausgeladen. Die Universität Leipzig hat nach Protesten einen Vortrag des israelischen Historikers Benny Morris abgesagt. Der Vortrag sollte im Rahmen der Ringvorlesung “Traditionen und Gegenwart des Antisemitismus” stattfinden. Über Morris’ Thesen, zum Beispiel über den Gründungsprozess Israels, sollte kritisch diskutiert werden. (“Uni Leipzig sagt Vortrag israelischen Professors ab”)
Bei einem kürzlichen Besuch der Universität von Mariupol, die in Kyjiw Zuflucht gefunden hat, wird uns eine traurige Bilanz präsentiert: Mehr als 250 Studierende sind vermisst, 18 Professoren tot. Insgesamt 400.000 Schüler und Studierende sind aus dem Land geflohen, mit ihnen eine große Zahl Forschender. Und dennoch ist der Verteidigungswille in der Ukraine ungebrochen: Studierende entwickeln und programmieren Drohnen, entwickeln Sensoren und Steuerungselektronik für das Militär.
In Ermangelung von Nachschub aus dem Ausland hat der ukrainische Forschungssektor die Innovations-Pipeline zum Militär weit geöffnet und Prozesse radikal verkürzt. Der Krieg lässt keine Zeit für bürokratische Bedenken. Die Verteidigung von Freiheit und Unabhängigkeit schließt die Reihen im ungleichen Kampf mit einem zahlenmäßig übermächtigen Gegner und sorgt für eine Bündelung der Kräfte.
Und Deutschland? Der Generalinspekteur der Bundeswehr Carsten Breuer mahnte, dass die Neuausrichtung der russischen Streitkräfte 2029 abgeschlossen sein würde. Bis dahin müsse Deutschland verteidigungsfähig sein. Diese Aufgabe könne das Militär nicht allein lösen. Hierzu bedürfe es einer gesellschaftlichen Anstrengung.
Noch immer spüre ich inneren Widerstand, mir das Risiko eines Kriegs in Europa auszumalen. Andererseits mahnt das Beispiel der Ukraine dazu, das reale Bedrohungsszenario zu akzeptieren. Was, so frage ich mich also, sollten Forschung und Innovation beitragen, um die Wehrhaftigkeit Deutschlands bis 2029 herzustellen? Hierzu sechs Vorschläge:
Astrid Fischer ist neue kaufmännische Geschäftsführerin des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München. Die Juristin bildet gemeinsam mit der wissenschaftlichen Direktorin Veronika Somoza den Vorstand des Instituts.
Anke Kaysser-Pyzalla bleibt Vorstandsvorsitzende des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Der Senat wählte sie für weitere fünf Jahre in das Amt. Ihre zweite Amtszeit beginnt 2025.
Axel Klarmann ist neuer Prorektor für Bildung der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig). Der Professor für Softwareengineering und IT Architecture Management folgt auf Barbara Mikus, die seit 2019 Prorektorin war. Faouzi Derbel bleibt Prorektor für Forschung und Nachhaltigkeit. Er hat das Amt seit September 2023 inne.
Christoph Markschies ist für weitere fünf Jahre ins Amt des Präsidenten der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) gewählt worden. Die zweite Amtszeit des evangelischen Theologen und Historikers beginnt am 1. Oktober 2025.
Martin Mittelbach von der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung in Frankfurt am Main ist neuer Vizepräsident der Leibniz-Gemeinschaft.
Thomas Nilsson ist neuer Wissenschaftlicher Geschäftsführer von FAIR und GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung. Der schwedische Experimentalphysiker hat am 1. Dezember 2024 seine neue Position angetreten.
Dirk Schattschneider, bisheriger Leiter der Zentralabteilung im BMBF und Vertrauter von Ex-Ministerin Bettina Stark-Watzinger, ist von Forschungsminister Cem Özdemir in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden. Seine Aufgaben soll sein bisheriger Stellvertreter übernehmen.
Fabian Schulz ist neuer Generalsekretär der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste. Zuvor war der Politikwissenschaftler in verschiedenen Positionen im Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes tätig.
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ESG.Table. Batterieproduktion: Der europäischen Autoindustrie fehlt es an Geduld. Um Chinas Vorsprung bei Batterien aufzuholen, braucht es technisches Know-how. Dafür müsse die europäische Autoindustrie bereit sein, Zeit und Geld zu investieren, sagt Maximilian Fichtner vom Helmholtz-Institut Ulm im Interview. Mehr
China.Table. Feiyu Xu: Europa braucht ein eigenes KI-Ökosystem. Die USA und China sind bei der Künstlichen Intelligenz mit Abstand führend. Deutschland und Europa können sich dennoch einen Platz unter den Besten der Welt erkämpfen, sagt KI-Unternehmerin Feiyu Xu – wenn sie bereit sind, die richtigen Weichen zu stellen. Mehr
Africa.Table. GABS 2024: BDI fordert deutsche Investitionen in digitale Infrastruktur. Vor dem German African Business Summit fordert der BDI mehr deutsche Investitionen in die afrikanische Digitalwirtschaft. Was sich der Verband von der Politik im Einzelnen wünscht, hat Table.Briefings exklusiv erfahren. Mehr
ESG.Table. Nachhaltigkeit und Digitalisierung: Wie Unternehmen die doppelte Transformation meistern. Eine neue Studie der Bertelsmann Stiftung und des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation hat ermittelt, wie Unternehmen zugleich Nachhaltigkeit und Digitalisierung erfolgreich angehen. Mehr
In der Royal Society rumort es. Es geht darum, ob Elon Musk weiterhin Mitglied der ehrwürdigen britischen Wissenschaftsakademie bleiben kann. Im Sommer hatten 74 Mitglieder den Vorstand aufgefordert, Musk auszuschließen, nachdem er auf der Plattform X aufrührerische Kommentare über die Unruhen in Großbritannien gemacht hatte.
Die Akademie teilte später mit, ihr Anwalt habe keinen Verstoß Musks gegen den Verhaltenskodex festgestellt. Aus Protest über diese Entscheidung ist die renommierte Neuropsychologin Dorothy Bishop von der University of Oxford in der vergangenen Woche nun selbst ausgetreten.
Elon Musk ist seit 2018 Mitglied der Royal Society. Damit wurde er für seine technologischen Innovationen geehrt. “Leider hat sich sein Interesse seitdem auf die Nutzung sozialer Medien für politische Propaganda ausgeweitet, während er gleichzeitig gegen das kämpft, was er als ,Woke Mind Virus’ und Angriffe auf die Meinungsfreiheit betrachtet”, schreibt Bishop in ihrem Blog. Während Musk früher in Fragen wie dem Klimawandel und der Medizin mit der wissenschaftlichen Mainstream-Meinung übereinzustimmen schien, habe er in den letzten ein oder zwei Jahren begonnen, alternative Ideen zu fördern.
Dass die Royal Society sich von einem Mitglied wieder trennt, kommt nicht häufig vor. Der Economist berichtet von zwei Präzedenzfällen: John Flamsteed, der erste königliche Astronom Großbritanniens, wurde 1709 ausgeschlossen, weil er seine Beiträge nicht bezahlt hatte. Möglicherweise waren aber auch Meinungsverschiedenheiten mit dem tyrannischen Newton der Grund. Und Rudolf Raspe, ein deutscher Geologe, wurde 1775 wegen Veruntreuung aus der Akademie geworfen. Zeit für Nummer drei? Anne Brüning