jetzt ist die Debatte um die Zukunft des WissZeitVG wieder genau an dem Punkt angekommen, an dem sich der ursprüngliche Streit entzündet hatte. Wenn es nicht für so viele Mitarbeitende im Wissenschaftssystem schmerzlich entscheidend wäre – die Situation nach der Empfehlung des Bundesrats zum WissZeitVG wäre beinahe komisch.
Die Stellungnahme der Länder ist zwar nicht bindend, hatte aber direkt Auswirkungen auf die Positionen der Koalitionsparteien. Der Sinneswandel der FDP führt nun zu der kuriosen Situation, dass keine Koalitionspartei mehr hinter der eigentlichen Regelung im Gesetzesentwurf steht. Während die SPD an der “2 + 4-Regelung” festhält, wollten die Grünen sich derzeit nicht festlegen, lehnen aber ebenfalls die “4 + 2-Regelung” ab. Die 1. Lesung des Gesetzesentwurfs steht für Anfang Juni an. Mein Kollege Tim Gabel hat die Details.
Und noch ein politisches Vorhaben, das zwischen Parteien, Köpfen und Organisationen ganz schön zerrieben wurde: 16 Ländersprecher der HAWs forderten 2021 selbstbewusst die Gründung einer Deutschen Transfergemeinschaft mit einer Ausstattung von 500 Millionen Euro jährlich. Dazu die Aufstockung des Programms “Forschung an Fachhochschulen” auf mindestens 150 Millionen pro Jahr und die deutliche Erhöhung der Mittel des “Innovative Hochschule“-Programms. Was daraus geworden ist, hat Markus Weisskopf zusammengefasst.
Das Präsidium der TU Berlin verurteilt die Diffamierung der Unterzeichner des offenen Briefes von Lehrenden zu propalästinensischen Protestcamps, insbesondere die Berichterstattung der Bild-Zeitung. Die mediale Darstellung stelle bewusst Menschen an den Pranger und sei ein nicht akzeptabler Angriff auf die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit, teilte die Universität am Donnerstag mit. Sie habe daher Beschwerde beim Presserat eingelegt. Am Freitag hat auch die FU Berlin Beschwerde eingereicht. Anne Brüning berichtet.
Ich wünsche Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre,
2021 forderten die 16 Ländersprecher der HAWs selbstbewusst die Gründung einer Deutschen Transfergemeinschaft mit einer Ausstattung von 500 Millionen Euro jährlich. Dazu die Aufstockung des Programms “Forschung an Fachhochschulen” auf mindestens 150 Millionen pro Jahr und die deutliche Erhöhung der Mittel des “Innovative Hochschule“-Programms.
Das Ergebnis gut drei Jahre später ist für HAWs ernüchternd. Lediglich bei der vierten Forderung – nach mehr DFG-Förderung – hat sich deutlich etwas getan. Dort ist man laut Auskunft der DFG 2023 bei 26 Millionen Euro oder 0,87 Prozent des DFG-Förderbudgets angekommen. Im ersten Quartal 2024 sei man gar bei dem anvisierten einen Prozent gelandet.
Bei allen anderen Punkten konnten die HAWs kaum etwas erreichen. Das “Forschung an Fachhochschulen”-Programm wurde nur marginal von 60 auf rund 70 Millionen im Jahr aufgestockt. Angesichts der Inflation ein kaum spürbarer Anstieg. Aus der Deutschen Transfergemeinschaft erwuchs zwar die Dati, aber diese war plötzlich kein reines HAW-Programm mehr. Vor allem kleine und mittlere Universitäten griffen beim Dati-Pilot-Programm viel von der Förderung ab. Und aus den geforderten 500 Millionen für das Programm wird eher die Hälfte durch das BMBF zur Verfügung gestellt werden – wenn überhaupt. Offen ist, was nach den aktuellen Steuerschätzungen noch davon übrigbleibt. “Das, was wir uns von der Dati erhofft hatten, ist nicht Realität geworden”, resümiert Carl Lange vom HAW-Verbund UAS7.
Dabei liegen die HAWs, was den Transfer angeht, deutlich hinter den Universitäten zurück. Lediglich fünf bis zehn Millionen Euro Drittmittel im Jahr sind es bei den meisten HAWs. Schätzungsweise nur rund 20 Prozent der HAW-Professoren beteiligen sich überhaupt an Forschung und Transfer. Pro Professorin und Professor standen den HAWs durchschnittlich 46.000 Euro Drittmittel im Jahr zur Verfügung. Bei den Universitäten sind es knapp 300.000 Euro, die die Professoren pro Jahr einwerben.
Obwohl also in den vergangenen Jahren Forschung und Transfer an den HAWs zugenommen haben, sind die Rahmenbedingungen nicht mitgewachsen. “Bisher hat die Politik kein passendes Instrument gefunden, das die Forschungserfolge der HAWs in der Breite fördert”, sagt die SPD-Bundestagsabgeordnete Ye-One Rhie.
Der Zugang zu Fördermitteln ist lediglich ein Teil des Problems, wesentlicher sind strukturelle Faktoren:
Das alles zeigt: Forschung und Transfer sind nach “nur” 20 Jahren noch kein immanenter Teil der HAW-Kultur. Die Aussichten auf Besserung sind angesichts der aktuellen Haushaltslage weder im Drittmittelbereich noch in der Grundfinanzierung für die transferunterstützenden Bereiche gut. Neben den bereits erwähnten Entwicklungen stellt auch die Einstellung des Förderprogramms Exist-Potentiale die Transferstellen an den HAWs vor Herausforderungen. Während vor allem größere Unis in Ballungsräumen die Möglichkeit haben, am Nachfolgeprogramm “Leuchtturmwettbewerb Start-up Factories” teilzunehmen, sind die HAWs für die Finanzierung der Transferstellen nun noch stärker auf Landesförderung angewiesen.
Oder darauf, dass die Overheadfinanzierung in den Förderprojekten stärker die Bedarfe der Hochschulen im Bereich des Mittelbaus berücksichtigt, meint Rhie. Eine weitere Möglichkeit erwähnt Christof Wolfmaier, der auch Sprecher des HAWTech-Verbunds ist: Eine Stärkung des Mittelbaus oder eine Reduktion des Lehrdeputats für besonders forschungsstarke Professoren können auch “über Stiftungsprofessuren geleistet werden, insofern ist hier ein Engagement von Unternehmen und Stiftungen gefragt”.
Doch weder Wolfmaier noch Carsten Busch, bis 2023 Präsident der HTW Berlin, wollen schwarzmalen. Es sei auch einiges erreicht worden in den vergangenen Jahren, betonen sie. Das Promotionsrecht in vielen Bundesländern, die Öffnungs-Bewegung in der DFG oder mehr Durchlässigkeit für Studierende, die an Universitäten wechseln. Busch betont, jetzt müsse die Politik weiter in die Pflicht genommen werden – in den Wahlprogrammen und mit Wahlprüfsteinen.
Ein Grundproblem der HAWs bleibt allerdings ihr vergleichsweise schlechtes Standing in der Bundespolitik. Dort sind Universitäten und die außeruniversitären Forschungseinrichtungen deutlich besser vernetzt und können ihre Interessen durchsetzen. Oft zum Nachteil der HAWs.
Nach Ansicht der Fraunhofer-Gesellschaft (FhG) ist das Europäische Innovations- und Technologieinstitut (EIT) “zu komplex, teuer und intransparent” und sollte “abgeschafft” werden. In einem Brandbrief schreibt die FhG, dass das EIT “keinen Mehrwert für Europas Innovations-Ökosysteme und seine industrielle Wettbewerbsfähigkeit bietet” und verweist auf den hohen Verwaltungsaufwand, der mit der Teilnahme an EIT-Aktivitäten verbunden ist, auf die mangelnde Einbeziehung von Universitäten und Forschungsinstituten sowie auf Bedenken hinsichtlich der finanziellen Tragfähigkeit des EIT.
Die Aussage der Fraunhofer-Gesellschaft verstärkt den Druck auf das EIT, nachdem sowohl Dänemark als auch Lettland gefordert hatten, das EIT im nächsten Forschungsrahmenprogramm FP10 auslaufen zu lassen.
Angesichts der langjährigen Erfahrung von Fraunhofer im Bereich der angewandten Forschung und der Tatsache, dass seine Mitgliedsinstitute direkte Erfahrungen als aktive Teilnehmer an EIT-Programmen haben, gewinnt die jüngste Kritik zusätzliches Gewicht. Die Forderung, das EIT einzustellen, erfolgte nach einer umfassenden Konsultation seiner Mitglieder.
Das Hauptargument der Fraunhofer-Gesellschaft ist, dass andere EU-Förderprogramme, wie beispielsweise die im Rahmen der zweiten Säule von Horizont Europa finanzierten großen Verbundprojekte oder der Europäische Innovationsrat, die Aufgaben des EIT besser erfüllen.
Angesichts des steigenden Drucks auf den EU-Gesamthaushalt ist man bei der Fraunhofer-Gesellschaft der Ansicht, dass man einen genauen Blick auf die Ausgaben für Forschung und Innovation haben muss. Wie auch viele andere Forschungsinstitute fordert Fraunhofer für das FP10 ein Budget von 200 Milliarden Euro – mehr als doppelt so viel wie für Horizont Europa. Dennoch ist man der Ansicht, dass sich das EIT auch innerhalb dieses Budgets nicht rentieren würde.
In dem Papier wird gefordert, dass die derzeit für das EIT bereitgestellten Mittel wieder in das FP10 fließen sollten, insbesondere zur Unterstützung des Europäischen Innovationsrates (EIC), dem wichtigsten Start-up-Fond der EU.
Wenig überraschend, ist man beim EIT anderer Meinung. “Das EIT wird heute mehr denn je gebraucht”, erklärte ein Sprecher gegenüber Science|Business. “Innovation entsteht, wenn man verschiedene Akteure an einen Tisch bringt, und genau das tut das EIT, indem es Forschung, Wirtschaft und Bildung zusammenbringt.”
Das EIT begrüße konstruktives und sachliches Feedback seiner Stakeholder, einschließlich derer, die eine stärkere Vereinfachung fordern. Man habe bereits Schritte in diese Richtung unternommen, beispielsweise durch die Einführung mehrjähriger Zuschüsse, um die Flexibilität zu maximieren.
“Wir sind uns bewusst, dass einige Rückmeldungen auf Missverständnissen beruhen, auf die wir direkt reagieren und einen Dialog auf individueller Basis anstreben”, sagte ein Sprecher. “Man sollte sich vor Augen halten, dass das EIT-Modell einzigartig ist, da es auf die Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen ausgerichtet ist und nicht auf die Maximierung der Zuschüsse für einzelne Partner. Wir bauen auf das Modell der offenen Zusammenarbeit und der offenen Partnerschaften, um die besten Ideen zu gewinnen, und bei der Schaffung von Innovations-Ökosystemen muss die Förderung des EIT private Mittel nutzen.”
Lettland forderte die Abschaffung des EIT in einem letzte Woche veröffentlichten Positionspapier zum FP10. Darin heißt es, dass die innovationsbezogenen Aktivitäten des EIT in den Europäischen Innovationsrat (EIC) integriert werden sollten, während unternehmerische Bildungs- und Ausbildungsprogramme wie die Hochschulinitiative und das EIT-Label im Rahmen von Erasmus+ weitergeführt werden könnten.
Der Sitz des EIT in Budapest könnte von den Wissens- und Innovationsgemeinschaften des EIC und des EIT genutzt werden, wobei man diese schrittweise auflösen könnte, “in Übereinstimmung mit den beschlossenen Zeitplänen für die finanzielle Nachhaltigkeit und den Fortschritten bei der Einwerbung externer Finanzmittel, um sicherzustellen, dass das Know-how nicht verloren geht”.
Die Fraunhofer-Gesellschaft ist nicht das einzige Gremium, das am EIT Kritik übt. Obwohl die “League of European Research Universities” nicht die Abschaffung des EIT verlangt, hat sie ebenfalls weitreichende Reformen gefordert. In einem kürzlich veröffentlichten Positionspapier zum FP10 heißt es, dass keine neuen KICs ohne klare Pläne für die finanzielle Nachhaltigkeit gegründet werden sollten, dass die Teilnahme an KICs “sehr kompliziert” sei und dass man die EIT-Prozesse “vereinfacht und die Regelungen stabiler gestaltet werden müsse”.
Auch “The Guild”, ein Zusammenschluss forschungsstarker europäischer Universitäten, äußerte in einem FP10-Positionspapier Bedenken gegenüber dem EIT und erklärte, dass die “Knowledge and Innovation Communities” (KIC) unternehmerischen Aktivitäten Vorrang vor Bildungsaktivitäten einräumen.
“Auch wenn wir die Autonomie der einzelnen KIC anerkennen, empfehlen wir der Europäischen Kommission nachdrücklich, dafür zu sorgen, dass sie im Einklang mit ihrem Hauptziel arbeiten und Bildung, Forschung und Innovation enger miteinander verknüpfen”, so The Guild. “Andernfalls wird der Mehrwert und damit die Relevanz ihrer Finanzierung über das FP10 stark geschmälert.”
Marc Lemaître, der Leiter der Generaldirektion Forschung und Innovation für Forschung der EU-Kommission, zeigte sich offen für den Vorschlag, das EIT mit dem EIC zusammenzulegen.
Die portugiesische Europaabgeordnete Maria da Graça Carvalho – eine der Initiatorinnen des EIT – stimmte zu, dass Änderungen notwendig seien. Auch wenn sie beide verteidige, so könne man dem EIC und dem EIT vermutlich gemeinsame Strukturen geben und benötige nicht zwei verschiedene Institutionen. Thomas Brent, Science.Business
27./28. Mai 2024, Dresden/International Congress Center Conference
Konferenz “Building Bridges for a Net Zero Future” Mehr
28. Mai 2024, 18:00-20:00 Uhr, Hans-Böckler-Haus, Keithstraße 1, 10787 Berlin, Ingeborg-Tönnesen-Saal und online
Veranstaltungsreihe über Grundfinanzierung statt Projektwettbewerb, u.a. von GEW und NGAWiss “Projektfinanzierung und/oder Wissenschaftsfreiheit?” Mehr
3. Juni 2024, 18:00-19:45 Uhr, Leopoldina, Jägerberg 1, 06108 Halle (Saale)
Dialogveranstaltung Europas Populisten im Aufwind: Ökonomische Ursachen und demokratische Herausforderungen Mehr
5. bis 7. Juni 2024, Berlin und online
Veranstaltung zur (digitalen) Zukunft der akademischen Bildung. University Future Festival: “Tales of Tomorrow” Mehr
Das Präsidium der TU Berlin verurteilt die Diffamierung der Unterzeichner des offenen Briefes von Lehrenden zu propalästinensischen Protestcamps, insbesondere die Berichterstattung der Bild-Zeitung. Die mediale Darstellung stelle bewusst Menschen an den Pranger und sei ein nicht akzeptabler Angriff auf die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit, teilte die Universität am Donnerstag mit. Sie habe daher Beschwerde beim Presserat eingelegt.
Die öffentliche Brandmarkung der Unterschreibenden des offenen Briefes als Täter*innen sei aus ihrer persönlichen Sicht aufs Schärfste zu kritisieren, sagte TU-Präsidentin Geraldine Rauch. Der Brief der Lehrenden betrachte die aktuelle Protestsituation durchaus differenziert, “auch wenn man nicht alle Positionen teilen muss”. Universitätsangehörige und -leitungen befänden sich derzeit unter massivem Druck. “Wir sollten alle versuchen, einen konstruktiven und diskriminierungsfreien Umgang miteinander zu finden in einer Zeit vieler Krisen. Es muss uns gelingen, in dieser aufgeheizten Situation einen kühlen Kopf zu bewahren und ausgewogen zu agieren. Wir sollten auf Dialog anstatt auf Eskalation setzen”, appellierte Rauch.
Auch die FU Berlin hat inzwischen Beschwerde beim Presserat eingelegt, wie sie am Freitag mitteilte. Der Beitrag der “Bild”-Zeitung vom 10. Mai 2024 mit dem Titel “Universitäter” stellt nach Auffassung der Universität eine schwerwiegende Verletzung journalistischer Sorgfaltspflichten und des Wahrhaftigkeitsgebots dar. Rechtliche Schritte gegen den Beitrag würden noch geprüft, teilte ein Sprecher auf Anfrage mit.
Der offene Brief war von Berliner Hochschullehrenden verfasst worden, nachdem die FU Berlin am 7. Mai ein propalästinensisches Protestcamp hatte räumen lassen. Die Unterzeichner setzen sich für das Recht auf friedlichen Protest ein, das ihrer Ansicht nach auch die Besetzung von Uni-Gelände einschließt.
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger äußerste deutliche Kritik an dieser Positionierung. Der offene Brief mache “fassungslos”, hatte sie der Bild-Zeitung gesagt. Uni-Besetzer würden zu Opfern gemacht und Gewalt verharmlost. Dass es sich bei den Unterstützern um Lehrende handelt, sei eine neue Qualität. Gerade sie müssen auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, betonte die Ministerin.
Zur darauf folgenden Berichterstattung der Bild-Zeitung gehörte eine Seite, auf der die Unterzeichner unter dem Titel “Die Universitäter” als “Israel-Hasser” verurteilt werden, zwölf von ihnen sind namentlich genannt und mit Fotos abgebildet.
Auch Fachgesellschaften wie der Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands und die Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS) haben sich im Laufe der vergangenen Woche gegen die diffamierende Berichterstattung positioniert. Die DGS kritisierte zudem die Rolle und Aussagen der Ministerin als “äußerst bedenklich”.
Am heutigen Dienstag sind die Proteste an Hochschulen Thema in der Bundespressekonferenz. Unter anderem äußern sich zwei der Unterzeichner: der Berliner Historiker Michael Wildt und Michael Barenboim von der Barenboim-Said Akademie. abg
Mit einer Stellungnahme zum BMBF-Gesetzesentwurf zur Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) heizt der Bundesrat die Diskussion über die Höchstbefristungsdauer in der Postdoc-Phase an. Die Länder fordern die Bundesregierung auf, auf die – in der Koalition ohnehin umstrittene – “4 + 2-Regelung” für Nachwuchswissenschaftler zu verzichten, wenn sie auf klassischem Wege habilitieren. Für diese Forschenden solle demnach weiterhin die alte Regelung gelten, nach der die Institutionen die Postdocs bis zu sechs Jahre befristen können.
Eine Begründung für diesen Punkt gibt der Bundesrat zwar nicht an, von Wissenschaftsorganisationen war in der Vergangenheit aber die Sorge geäußert worden, dass durch die geplante Verkürzung der Höchstbefristungsdauer der zeitliche Druck auf die Nachwuchswissenschaftler steigt. Beschäftigten-Initiativen und Gewerkschaften fordern dagegen eine Regelung, bei der Institutionen lediglich zwei Jahre befristen dürfen, und weitere vier Jahre nur dann, wenn dies mit einer Anschlusszusage für eine unbefristete Stelle verbunden ist (“2 + 4-Regelung”). Dies soll Beschäftigten mehr Planungssicherheit verschaffen.
Genau an dieser Stelle verläuft auch die Konfliktlinie der Koalition, die sich nach monatelangen Verhandlungen im vergangenen Jahr nicht auf einen gemeinsamen Gesetzesentwurf einigen konnte. Das FDP-geführte BMBF beharrte auf der “4 + 2-Regelung”, SPD und Grüne lehnten diese ab. Bettina Stark-Watzinger brachte ihren Gesetzesentwurf schließlich im April 2024 durchs Kabinett, weil sie sich mit Robert Habeck und Hubertus Heil darauf verständigte, eine Erweiterung der Tarifsperre für die Höchstbefristungsdauer in der Postdoc-Phase zu prüfen.
Die Länder lehnen eine Öffnung der Tarifsperre generell ab. “Durch die Tarifsperre wird einer Zersplitterung des Wissenschaftssystems durch unterschiedliche Regelungen in den Ländern vorgebeugt”, weist die Stellungnahme als Begründung aus. Die Länder haben Sorge, dass das Wissenschaftssystem geschwächt wird, wenn an Institutionen verschiedene Regeln gelten und ein Wechsel von Forschenden dadurch erschwert wird. Die Gewerkschaft GEW hält diese Kritik für unbegründet, weil es lediglich zwei Tarifverträge gibt, die zu harmonisieren wären.
Auch wenn die Koalition die Einmischung der Länder einfach ignorieren könnte, hat die Bundesrats-Stellungnahme schon erste Auswirkungen gezeigt. Wie der Wiarda-Blog berichtet, rückt die FDP-Bundestagsfraktion nach Veröffentlichung von der im BMBF-Entwurf favorisierten “4 + 2-Regelung” ab. Auf Anfrage von Table.Briefings sagte der forschungspolitischer Sprecher der Liberalen, Stephan Seiter: “Die Anregungen des Bundesrats zur Höchstbefristungsdauer in der Postdoc-Phase reihen sich in zahlreiche Forderungen nach einer Beibehaltung von sechs Jahren ein.” Die Koalition sei nun gefragt, die richtigen Schlüsse aus den Reaktionen der Community zu ziehen.
Der Sinneswandel der FDP führt zu der kuriosen Situation, dass keine Koalitionspartei mehr hinter der Regelung im Gesetzesentwurf steht. Während die SPD an der “2 + 4-Regelung” festhält, wollten die Grünen sich derzeit nicht festlegen, lehnen aber ebenfalls die “4 + 2-Regelung” ab. Die 1. Lesung des Gesetzesentwurfs steht für Anfang Juni an. Der Bundesrat hat die Bundesregierung in seiner Stellungnahme des Weiteren dazu aufgefordert, bei den Beratungen zu klären, wie genau eine Anschlusszusage definiert ist und welche finanziellen Mehrbelastungen durch das Gesetzesvorhaben auf die Landeshaushalte zukommt. tg
Franziska Krumwiede-Steiner bekommt noch immer Nachrichten von ehemaligen Schülerinnen und Schülern. Zum Beispiel, wenn an ihrer Schule mal wieder der Unterricht ausfällt. Dann fragen sie bei Krumwiede-Steiner nach Übungsaufgaben oder Erklärungen.
Bis Ende Februar war die 38-Jährige als Lehrerin für Deutsch und Geschichte an der Gustav-Heinemann-Gesamtschule in Mülheim tätig. Nach dem Studium schlug sie zunächst eine wissenschaftliche Laufbahn ein, promovierte an der Ruhr-Universität Bochum mit einer Arbeit über “Formen und Funktionen von Mündlichkeit in der Gegenwartsliteratur der ‘Sinti und Roma’” und arbeitete als Dozentin an einem Institut für Lehrerfortbildung. Erst 2020 schlug sie den weiteren Lehramtsweg ein und ging ins Referendariat – vor allem aufgrund der unsicheren Perspektive einer Wissenschaftskarriere.
Dass sie im März plötzlich in den Bundestag einzog, dürfte auch für eine Lehrerin schwierig zu erklären gewesen sein. Durch die Wiederholungswahl in Berlin war Nina Stahr aus dem Bundestag ausgeschieden. Zwar erzielten die Grünen ein ähnliches Ergebnis wie 2021. Da die Beteiligung an der Wiederholungswahl jedoch deutlich geringer ausfiel, verloren die Berliner Grünen ein Mandat – und mussten es an den nordrhein-westfälischen Landesverband abgeben. Und dort stand Krumwiede-Steiner ganz oben auf der Nachrückliste.
Es war ein Glücksfall für die Berliner Grünen, dass Krumwiede-Steiner ein ähnliches Profil hat wie Stahr. Beide sind Lehrerin von Beruf und sehen ihren fachlichen Schwerpunkt in der Bildungs- und Familienpolitik. Daher konnte Krumwiede-Steiner Stahrs Mitgliedschaften in den entsprechenden beiden Ausschüssen und die Berichterstattung für das wichtige Thema Kindergrundsicherung übernehmen. Stahrs Amt als bildungspolitische Sprecherin hat jedoch Anja Reinalter übernommen.
Lesen Sie auch: Anja Reinalter – neue Grünen-Sprecherin für Bildung und Forschung
Der Job als Berufspolitikerin ist für Krumwiede-Steiner Neuland. Bislang war die Mutter zweier Kinder (vier und neun Jahre alt) lediglich als ehrenamtliche Kommunalpolitikerin tätig. In ihrer Heimatstadt Mülheim war sie Sprecherin der Grünen-Ratsfraktion. Anders als viele andere Bundestagsabgeordnete, die ihre Sitze in Kommunalparlamenten behalten, gab Krumwiede-Steiner ihr Amt vor Ort direkt ab. Sie möchte sich ganz auf ihr Bundestagsmandat konzentrieren.
In Berlin angekommen, blieb ihr wenig Zeit für Einarbeitung: Schon in ihrer zweiten Sitzungswoche hielt sie ihre erste Rede zur Flexibilisierung der Arbeitszeit. Darin erzählte sie von ihrem Termin im nordrhein-westfälischen Innenministerium, um ihr Mandat anzunehmen und der Landeswahlleiterin, die extra Spielsachen für ihre Kinder bereitgestellt habe. “Sie kannte die Betreuungsprobleme noch von ihren eigenen Kindern. Unsere Kita war bereits seit einer Woche zu”, berichtet sie. Schon eine Woche später folgte ihre zweite Rede zur Ein-Jahres-Bilanz des Bildungsgipfels, in der sie die Zuhörer mitnahm “auf eine Reise in eine achte Klasse mit Zahnspangen, Jogginghosen und dem unwiderstehlichen Duft nach Trockennudeln”. Sie lobte das Startchancen-Programm der Ampel-Koalition und forderte eine Aufhebung der Schuldenbremse, um Geld für den Digitalpakt 2.0 zu haben.
Ein Vorteil für die schnelle Einarbeitungsphase sei gewesen, dass sie das Büro und alle Mitarbeiter von Nina Stahr übernehmen konnte. “Ich bin quasi auf einen fahrenden Zug aufgesprungen”, erzählt sie nach ihren ersten Wochen als Abgeordnete. Die Tage im politischen Berlin seien zwar anstrengend, doch das sei sie aus ihrem vorherigen Job gewohnt.
“Ich fühle mich weniger erschöpft als mit meiner Vollzeitstelle an einer Brennpunkt-Gesamtschule“, erzählt Krumwiede-Steiner. Das liege einerseits daran, dass sie sich in Berlin auf ihre Abgeordnetentätigkeit fokussieren könne. “Als Lehrerin ist man auch sehr fremdbestimmt”, berichtet Krumwiede-Steiner und erzählt von besonderen erzieherischen Aufgaben und unzähligen Elterngesprächen. Nun befasst sie sich mit anderen Problemen: Etwa der Kindergrundsicherung, bei der die Verhandlungen in der Ampel-Koalition ins Stocken geraten sind. Und dem Ausbau der Ganztagsbetreuung, bei dem es noch viel nachzuholen gibt. Auch das weiß Krumwiede-Steiner aus Erfahrung. Maximilian Stascheit
Yvonne Plaul wurde als Kanzlerin der Technischen Hochschule Lübeck für eine zweite Amtszeit von sechs Jahren wiedergewählt.
Thomas Ritz wurde zum neuen Rektor der FH Aachen gewählt. Er ist derzeit Prorektor für Forschung, Innovation und Transfer und folgt auf Josef Rosenkranz. Ritz wurde 2004 an die FH Aachen berufen. Er befasst sich mit innovativen Aspekten der Digitalisierung und ist Mitbegründer des European Center of Sustainable Mobility und des Instituts für Digitalisierung Aachen.
Matthias Ryma vom Uniklinikum Würzburg (UKW) erhält im Rahmen des Förderprogramms EIC Transition des European Innovation Council 2,5 Millionen Euro zur kommerziellen Herstellung künstlicher Blutgefäße.
Julia Sander wurde zur Kanzlerin und Peter J. Weber zum Vizepräsidenten der Vinzenz Pallotti University ernannt. Bis Dezember 2021 hieß die Institution Philosophisch-Theologische Hochschule Vallendar. Sander ist bereits seit 2020 als Geschäftsführerin an der Hochschule tätig, Weber wechselt im Oktober von der Hochschule Fresenius nach Vallendar.
Erin Schuman, Direktorin am Max-Planck-Institut für Hirnforschung, wurde zum Foreign Member der britischen Royal Society gewählt.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
Europe.Table. Regierungsbildung in den Niederlanden: Was die Rechtskoalition plant. Die künftige Regierung in Den Haag mit der Freiheitspartei von Geert Wilders fordert ein Opt-out aus der EU-Asyl- und Migrationspolitik, will aber an der Ukraine-Hilfe festhalten. Die Niederlande werden für Brüssel ein schwieriger Partner. Mehr
Berlin.Table. BSW-Parteitag: Landesvorsitzende Zimmermann über Pläne für die Bildung, Friedenspolitik und mögliche Koalitionspartner. Landesvorsitzende Sabine Zimmermann hat in den vergangenen Monaten das Bündnis Sahra Wagenknecht in Sachsen aufgebaut. Auf dem Parteitag am Samstag soll sie zur Co-Spitzenkandidatin gewählt werden und strebt wohl eine Regierungsbeteiligung an. Als möglichen Partner sieht sie Ministerpräsident Kretschmer. Mehr
China.Table. Photovoltaik: So stopft Biden die letzten Schlupflöcher für Solarimporte aus China. Die USA werden demnächst Zölle auf zweiseitige Solarmodule aus China erheben, die bislang davon befreit sind. Biden will damit die heimischen Hersteller noch besser schützen. Dabei droht ihm ein Zielkonflikt zwischen Energiewende und Schutz des Marktes. Mehr
Bildung.Table. Bildungsdialog: Warum er Signalwirkung für KMK und BMBF hat. Das Momentum scheint gut – hat doch die amtierende KMK-Präsidentin “Transformation” zum Motto ihrer Amtszeit gemacht. Die positive Reaktion seitens der KMK auf die Forderung nach einem Bildungsdialog deutet zumindest auf einen Kulturwandel hin. Mehr
Diese beiden Erdmännchen-Kinder sind ein süßer Abschluss unseres heutigen Briefings, fanden wir. Vor allem, da das Foto nicht nur herzerwärmend ist, sondern auch von neuen Forschungserkenntnissen erzählt. Konstanzer Forscher haben die stimmlichen Interaktionen von Erdmännchengruppen entschlüsselt. Sie fanden heraus, dass die Tiere zwei verschiedene Arten von Lauten nutzen, um in Kontakt zu bleiben.
Der erste Ruf ist ein Kontakt-Ruf. “Wenn ein Erdmännchen diesen Ruf ausstößt ist es wahrscheinlich, dass ein Nachbar antwortet”, sagt Postdoktorand Vlad Demartsev vom Exzellenzcluster Kollektives Verhalten der Universität Konstanz. Der zweite Ruf ist ein kurzer Ton. “Er verkündet ,Ich bin hier’, es folgt aber nicht unbedingt eine direkte Antwort von den Kommunikationspartnern.” Es handelt sich also eher um eine Bekanntgabe, die sich an die ganze Gruppe richtet. Vermutlich hat dieser Ruf damit zu tun, dass es für Erdmännchen wichtig ist, in der Gruppe zu bleiben – um nicht von anderen Gruppen angegriffen oder belästigt werden.
Für ihre Studie haben die Forscher Erdmännchen im Kalahari Research Centre in Südafrika mit Chip-Halsbändern ausgestattet und Audiodaten und die GPS-Positionen im Sekundentakt aufgezeichnet. Mithilfe dieser Daten konnten sie exakt nachvollziehen, welches Tier wann und wo welchen Laut produzierte. Die Studie ist am gestrigen Montag in den Philosophical Transactions of the Royal Society B erschienen. Wir fiepen zum Abschluss nochmal kurz und wünschen einen schönen Tag! Anne Brüning
jetzt ist die Debatte um die Zukunft des WissZeitVG wieder genau an dem Punkt angekommen, an dem sich der ursprüngliche Streit entzündet hatte. Wenn es nicht für so viele Mitarbeitende im Wissenschaftssystem schmerzlich entscheidend wäre – die Situation nach der Empfehlung des Bundesrats zum WissZeitVG wäre beinahe komisch.
Die Stellungnahme der Länder ist zwar nicht bindend, hatte aber direkt Auswirkungen auf die Positionen der Koalitionsparteien. Der Sinneswandel der FDP führt nun zu der kuriosen Situation, dass keine Koalitionspartei mehr hinter der eigentlichen Regelung im Gesetzesentwurf steht. Während die SPD an der “2 + 4-Regelung” festhält, wollten die Grünen sich derzeit nicht festlegen, lehnen aber ebenfalls die “4 + 2-Regelung” ab. Die 1. Lesung des Gesetzesentwurfs steht für Anfang Juni an. Mein Kollege Tim Gabel hat die Details.
Und noch ein politisches Vorhaben, das zwischen Parteien, Köpfen und Organisationen ganz schön zerrieben wurde: 16 Ländersprecher der HAWs forderten 2021 selbstbewusst die Gründung einer Deutschen Transfergemeinschaft mit einer Ausstattung von 500 Millionen Euro jährlich. Dazu die Aufstockung des Programms “Forschung an Fachhochschulen” auf mindestens 150 Millionen pro Jahr und die deutliche Erhöhung der Mittel des “Innovative Hochschule“-Programms. Was daraus geworden ist, hat Markus Weisskopf zusammengefasst.
Das Präsidium der TU Berlin verurteilt die Diffamierung der Unterzeichner des offenen Briefes von Lehrenden zu propalästinensischen Protestcamps, insbesondere die Berichterstattung der Bild-Zeitung. Die mediale Darstellung stelle bewusst Menschen an den Pranger und sei ein nicht akzeptabler Angriff auf die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit, teilte die Universität am Donnerstag mit. Sie habe daher Beschwerde beim Presserat eingelegt. Am Freitag hat auch die FU Berlin Beschwerde eingereicht. Anne Brüning berichtet.
Ich wünsche Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre,
2021 forderten die 16 Ländersprecher der HAWs selbstbewusst die Gründung einer Deutschen Transfergemeinschaft mit einer Ausstattung von 500 Millionen Euro jährlich. Dazu die Aufstockung des Programms “Forschung an Fachhochschulen” auf mindestens 150 Millionen pro Jahr und die deutliche Erhöhung der Mittel des “Innovative Hochschule“-Programms.
Das Ergebnis gut drei Jahre später ist für HAWs ernüchternd. Lediglich bei der vierten Forderung – nach mehr DFG-Förderung – hat sich deutlich etwas getan. Dort ist man laut Auskunft der DFG 2023 bei 26 Millionen Euro oder 0,87 Prozent des DFG-Förderbudgets angekommen. Im ersten Quartal 2024 sei man gar bei dem anvisierten einen Prozent gelandet.
Bei allen anderen Punkten konnten die HAWs kaum etwas erreichen. Das “Forschung an Fachhochschulen”-Programm wurde nur marginal von 60 auf rund 70 Millionen im Jahr aufgestockt. Angesichts der Inflation ein kaum spürbarer Anstieg. Aus der Deutschen Transfergemeinschaft erwuchs zwar die Dati, aber diese war plötzlich kein reines HAW-Programm mehr. Vor allem kleine und mittlere Universitäten griffen beim Dati-Pilot-Programm viel von der Förderung ab. Und aus den geforderten 500 Millionen für das Programm wird eher die Hälfte durch das BMBF zur Verfügung gestellt werden – wenn überhaupt. Offen ist, was nach den aktuellen Steuerschätzungen noch davon übrigbleibt. “Das, was wir uns von der Dati erhofft hatten, ist nicht Realität geworden”, resümiert Carl Lange vom HAW-Verbund UAS7.
Dabei liegen die HAWs, was den Transfer angeht, deutlich hinter den Universitäten zurück. Lediglich fünf bis zehn Millionen Euro Drittmittel im Jahr sind es bei den meisten HAWs. Schätzungsweise nur rund 20 Prozent der HAW-Professoren beteiligen sich überhaupt an Forschung und Transfer. Pro Professorin und Professor standen den HAWs durchschnittlich 46.000 Euro Drittmittel im Jahr zur Verfügung. Bei den Universitäten sind es knapp 300.000 Euro, die die Professoren pro Jahr einwerben.
Obwohl also in den vergangenen Jahren Forschung und Transfer an den HAWs zugenommen haben, sind die Rahmenbedingungen nicht mitgewachsen. “Bisher hat die Politik kein passendes Instrument gefunden, das die Forschungserfolge der HAWs in der Breite fördert”, sagt die SPD-Bundestagsabgeordnete Ye-One Rhie.
Der Zugang zu Fördermitteln ist lediglich ein Teil des Problems, wesentlicher sind strukturelle Faktoren:
Das alles zeigt: Forschung und Transfer sind nach “nur” 20 Jahren noch kein immanenter Teil der HAW-Kultur. Die Aussichten auf Besserung sind angesichts der aktuellen Haushaltslage weder im Drittmittelbereich noch in der Grundfinanzierung für die transferunterstützenden Bereiche gut. Neben den bereits erwähnten Entwicklungen stellt auch die Einstellung des Förderprogramms Exist-Potentiale die Transferstellen an den HAWs vor Herausforderungen. Während vor allem größere Unis in Ballungsräumen die Möglichkeit haben, am Nachfolgeprogramm “Leuchtturmwettbewerb Start-up Factories” teilzunehmen, sind die HAWs für die Finanzierung der Transferstellen nun noch stärker auf Landesförderung angewiesen.
Oder darauf, dass die Overheadfinanzierung in den Förderprojekten stärker die Bedarfe der Hochschulen im Bereich des Mittelbaus berücksichtigt, meint Rhie. Eine weitere Möglichkeit erwähnt Christof Wolfmaier, der auch Sprecher des HAWTech-Verbunds ist: Eine Stärkung des Mittelbaus oder eine Reduktion des Lehrdeputats für besonders forschungsstarke Professoren können auch “über Stiftungsprofessuren geleistet werden, insofern ist hier ein Engagement von Unternehmen und Stiftungen gefragt”.
Doch weder Wolfmaier noch Carsten Busch, bis 2023 Präsident der HTW Berlin, wollen schwarzmalen. Es sei auch einiges erreicht worden in den vergangenen Jahren, betonen sie. Das Promotionsrecht in vielen Bundesländern, die Öffnungs-Bewegung in der DFG oder mehr Durchlässigkeit für Studierende, die an Universitäten wechseln. Busch betont, jetzt müsse die Politik weiter in die Pflicht genommen werden – in den Wahlprogrammen und mit Wahlprüfsteinen.
Ein Grundproblem der HAWs bleibt allerdings ihr vergleichsweise schlechtes Standing in der Bundespolitik. Dort sind Universitäten und die außeruniversitären Forschungseinrichtungen deutlich besser vernetzt und können ihre Interessen durchsetzen. Oft zum Nachteil der HAWs.
Nach Ansicht der Fraunhofer-Gesellschaft (FhG) ist das Europäische Innovations- und Technologieinstitut (EIT) “zu komplex, teuer und intransparent” und sollte “abgeschafft” werden. In einem Brandbrief schreibt die FhG, dass das EIT “keinen Mehrwert für Europas Innovations-Ökosysteme und seine industrielle Wettbewerbsfähigkeit bietet” und verweist auf den hohen Verwaltungsaufwand, der mit der Teilnahme an EIT-Aktivitäten verbunden ist, auf die mangelnde Einbeziehung von Universitäten und Forschungsinstituten sowie auf Bedenken hinsichtlich der finanziellen Tragfähigkeit des EIT.
Die Aussage der Fraunhofer-Gesellschaft verstärkt den Druck auf das EIT, nachdem sowohl Dänemark als auch Lettland gefordert hatten, das EIT im nächsten Forschungsrahmenprogramm FP10 auslaufen zu lassen.
Angesichts der langjährigen Erfahrung von Fraunhofer im Bereich der angewandten Forschung und der Tatsache, dass seine Mitgliedsinstitute direkte Erfahrungen als aktive Teilnehmer an EIT-Programmen haben, gewinnt die jüngste Kritik zusätzliches Gewicht. Die Forderung, das EIT einzustellen, erfolgte nach einer umfassenden Konsultation seiner Mitglieder.
Das Hauptargument der Fraunhofer-Gesellschaft ist, dass andere EU-Förderprogramme, wie beispielsweise die im Rahmen der zweiten Säule von Horizont Europa finanzierten großen Verbundprojekte oder der Europäische Innovationsrat, die Aufgaben des EIT besser erfüllen.
Angesichts des steigenden Drucks auf den EU-Gesamthaushalt ist man bei der Fraunhofer-Gesellschaft der Ansicht, dass man einen genauen Blick auf die Ausgaben für Forschung und Innovation haben muss. Wie auch viele andere Forschungsinstitute fordert Fraunhofer für das FP10 ein Budget von 200 Milliarden Euro – mehr als doppelt so viel wie für Horizont Europa. Dennoch ist man der Ansicht, dass sich das EIT auch innerhalb dieses Budgets nicht rentieren würde.
In dem Papier wird gefordert, dass die derzeit für das EIT bereitgestellten Mittel wieder in das FP10 fließen sollten, insbesondere zur Unterstützung des Europäischen Innovationsrates (EIC), dem wichtigsten Start-up-Fond der EU.
Wenig überraschend, ist man beim EIT anderer Meinung. “Das EIT wird heute mehr denn je gebraucht”, erklärte ein Sprecher gegenüber Science|Business. “Innovation entsteht, wenn man verschiedene Akteure an einen Tisch bringt, und genau das tut das EIT, indem es Forschung, Wirtschaft und Bildung zusammenbringt.”
Das EIT begrüße konstruktives und sachliches Feedback seiner Stakeholder, einschließlich derer, die eine stärkere Vereinfachung fordern. Man habe bereits Schritte in diese Richtung unternommen, beispielsweise durch die Einführung mehrjähriger Zuschüsse, um die Flexibilität zu maximieren.
“Wir sind uns bewusst, dass einige Rückmeldungen auf Missverständnissen beruhen, auf die wir direkt reagieren und einen Dialog auf individueller Basis anstreben”, sagte ein Sprecher. “Man sollte sich vor Augen halten, dass das EIT-Modell einzigartig ist, da es auf die Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen ausgerichtet ist und nicht auf die Maximierung der Zuschüsse für einzelne Partner. Wir bauen auf das Modell der offenen Zusammenarbeit und der offenen Partnerschaften, um die besten Ideen zu gewinnen, und bei der Schaffung von Innovations-Ökosystemen muss die Förderung des EIT private Mittel nutzen.”
Lettland forderte die Abschaffung des EIT in einem letzte Woche veröffentlichten Positionspapier zum FP10. Darin heißt es, dass die innovationsbezogenen Aktivitäten des EIT in den Europäischen Innovationsrat (EIC) integriert werden sollten, während unternehmerische Bildungs- und Ausbildungsprogramme wie die Hochschulinitiative und das EIT-Label im Rahmen von Erasmus+ weitergeführt werden könnten.
Der Sitz des EIT in Budapest könnte von den Wissens- und Innovationsgemeinschaften des EIC und des EIT genutzt werden, wobei man diese schrittweise auflösen könnte, “in Übereinstimmung mit den beschlossenen Zeitplänen für die finanzielle Nachhaltigkeit und den Fortschritten bei der Einwerbung externer Finanzmittel, um sicherzustellen, dass das Know-how nicht verloren geht”.
Die Fraunhofer-Gesellschaft ist nicht das einzige Gremium, das am EIT Kritik übt. Obwohl die “League of European Research Universities” nicht die Abschaffung des EIT verlangt, hat sie ebenfalls weitreichende Reformen gefordert. In einem kürzlich veröffentlichten Positionspapier zum FP10 heißt es, dass keine neuen KICs ohne klare Pläne für die finanzielle Nachhaltigkeit gegründet werden sollten, dass die Teilnahme an KICs “sehr kompliziert” sei und dass man die EIT-Prozesse “vereinfacht und die Regelungen stabiler gestaltet werden müsse”.
Auch “The Guild”, ein Zusammenschluss forschungsstarker europäischer Universitäten, äußerte in einem FP10-Positionspapier Bedenken gegenüber dem EIT und erklärte, dass die “Knowledge and Innovation Communities” (KIC) unternehmerischen Aktivitäten Vorrang vor Bildungsaktivitäten einräumen.
“Auch wenn wir die Autonomie der einzelnen KIC anerkennen, empfehlen wir der Europäischen Kommission nachdrücklich, dafür zu sorgen, dass sie im Einklang mit ihrem Hauptziel arbeiten und Bildung, Forschung und Innovation enger miteinander verknüpfen”, so The Guild. “Andernfalls wird der Mehrwert und damit die Relevanz ihrer Finanzierung über das FP10 stark geschmälert.”
Marc Lemaître, der Leiter der Generaldirektion Forschung und Innovation für Forschung der EU-Kommission, zeigte sich offen für den Vorschlag, das EIT mit dem EIC zusammenzulegen.
Die portugiesische Europaabgeordnete Maria da Graça Carvalho – eine der Initiatorinnen des EIT – stimmte zu, dass Änderungen notwendig seien. Auch wenn sie beide verteidige, so könne man dem EIC und dem EIT vermutlich gemeinsame Strukturen geben und benötige nicht zwei verschiedene Institutionen. Thomas Brent, Science.Business
27./28. Mai 2024, Dresden/International Congress Center Conference
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28. Mai 2024, 18:00-20:00 Uhr, Hans-Böckler-Haus, Keithstraße 1, 10787 Berlin, Ingeborg-Tönnesen-Saal und online
Veranstaltungsreihe über Grundfinanzierung statt Projektwettbewerb, u.a. von GEW und NGAWiss “Projektfinanzierung und/oder Wissenschaftsfreiheit?” Mehr
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Das Präsidium der TU Berlin verurteilt die Diffamierung der Unterzeichner des offenen Briefes von Lehrenden zu propalästinensischen Protestcamps, insbesondere die Berichterstattung der Bild-Zeitung. Die mediale Darstellung stelle bewusst Menschen an den Pranger und sei ein nicht akzeptabler Angriff auf die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit, teilte die Universität am Donnerstag mit. Sie habe daher Beschwerde beim Presserat eingelegt.
Die öffentliche Brandmarkung der Unterschreibenden des offenen Briefes als Täter*innen sei aus ihrer persönlichen Sicht aufs Schärfste zu kritisieren, sagte TU-Präsidentin Geraldine Rauch. Der Brief der Lehrenden betrachte die aktuelle Protestsituation durchaus differenziert, “auch wenn man nicht alle Positionen teilen muss”. Universitätsangehörige und -leitungen befänden sich derzeit unter massivem Druck. “Wir sollten alle versuchen, einen konstruktiven und diskriminierungsfreien Umgang miteinander zu finden in einer Zeit vieler Krisen. Es muss uns gelingen, in dieser aufgeheizten Situation einen kühlen Kopf zu bewahren und ausgewogen zu agieren. Wir sollten auf Dialog anstatt auf Eskalation setzen”, appellierte Rauch.
Auch die FU Berlin hat inzwischen Beschwerde beim Presserat eingelegt, wie sie am Freitag mitteilte. Der Beitrag der “Bild”-Zeitung vom 10. Mai 2024 mit dem Titel “Universitäter” stellt nach Auffassung der Universität eine schwerwiegende Verletzung journalistischer Sorgfaltspflichten und des Wahrhaftigkeitsgebots dar. Rechtliche Schritte gegen den Beitrag würden noch geprüft, teilte ein Sprecher auf Anfrage mit.
Der offene Brief war von Berliner Hochschullehrenden verfasst worden, nachdem die FU Berlin am 7. Mai ein propalästinensisches Protestcamp hatte räumen lassen. Die Unterzeichner setzen sich für das Recht auf friedlichen Protest ein, das ihrer Ansicht nach auch die Besetzung von Uni-Gelände einschließt.
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger äußerste deutliche Kritik an dieser Positionierung. Der offene Brief mache “fassungslos”, hatte sie der Bild-Zeitung gesagt. Uni-Besetzer würden zu Opfern gemacht und Gewalt verharmlost. Dass es sich bei den Unterstützern um Lehrende handelt, sei eine neue Qualität. Gerade sie müssen auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, betonte die Ministerin.
Zur darauf folgenden Berichterstattung der Bild-Zeitung gehörte eine Seite, auf der die Unterzeichner unter dem Titel “Die Universitäter” als “Israel-Hasser” verurteilt werden, zwölf von ihnen sind namentlich genannt und mit Fotos abgebildet.
Auch Fachgesellschaften wie der Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands und die Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS) haben sich im Laufe der vergangenen Woche gegen die diffamierende Berichterstattung positioniert. Die DGS kritisierte zudem die Rolle und Aussagen der Ministerin als “äußerst bedenklich”.
Am heutigen Dienstag sind die Proteste an Hochschulen Thema in der Bundespressekonferenz. Unter anderem äußern sich zwei der Unterzeichner: der Berliner Historiker Michael Wildt und Michael Barenboim von der Barenboim-Said Akademie. abg
Mit einer Stellungnahme zum BMBF-Gesetzesentwurf zur Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) heizt der Bundesrat die Diskussion über die Höchstbefristungsdauer in der Postdoc-Phase an. Die Länder fordern die Bundesregierung auf, auf die – in der Koalition ohnehin umstrittene – “4 + 2-Regelung” für Nachwuchswissenschaftler zu verzichten, wenn sie auf klassischem Wege habilitieren. Für diese Forschenden solle demnach weiterhin die alte Regelung gelten, nach der die Institutionen die Postdocs bis zu sechs Jahre befristen können.
Eine Begründung für diesen Punkt gibt der Bundesrat zwar nicht an, von Wissenschaftsorganisationen war in der Vergangenheit aber die Sorge geäußert worden, dass durch die geplante Verkürzung der Höchstbefristungsdauer der zeitliche Druck auf die Nachwuchswissenschaftler steigt. Beschäftigten-Initiativen und Gewerkschaften fordern dagegen eine Regelung, bei der Institutionen lediglich zwei Jahre befristen dürfen, und weitere vier Jahre nur dann, wenn dies mit einer Anschlusszusage für eine unbefristete Stelle verbunden ist (“2 + 4-Regelung”). Dies soll Beschäftigten mehr Planungssicherheit verschaffen.
Genau an dieser Stelle verläuft auch die Konfliktlinie der Koalition, die sich nach monatelangen Verhandlungen im vergangenen Jahr nicht auf einen gemeinsamen Gesetzesentwurf einigen konnte. Das FDP-geführte BMBF beharrte auf der “4 + 2-Regelung”, SPD und Grüne lehnten diese ab. Bettina Stark-Watzinger brachte ihren Gesetzesentwurf schließlich im April 2024 durchs Kabinett, weil sie sich mit Robert Habeck und Hubertus Heil darauf verständigte, eine Erweiterung der Tarifsperre für die Höchstbefristungsdauer in der Postdoc-Phase zu prüfen.
Die Länder lehnen eine Öffnung der Tarifsperre generell ab. “Durch die Tarifsperre wird einer Zersplitterung des Wissenschaftssystems durch unterschiedliche Regelungen in den Ländern vorgebeugt”, weist die Stellungnahme als Begründung aus. Die Länder haben Sorge, dass das Wissenschaftssystem geschwächt wird, wenn an Institutionen verschiedene Regeln gelten und ein Wechsel von Forschenden dadurch erschwert wird. Die Gewerkschaft GEW hält diese Kritik für unbegründet, weil es lediglich zwei Tarifverträge gibt, die zu harmonisieren wären.
Auch wenn die Koalition die Einmischung der Länder einfach ignorieren könnte, hat die Bundesrats-Stellungnahme schon erste Auswirkungen gezeigt. Wie der Wiarda-Blog berichtet, rückt die FDP-Bundestagsfraktion nach Veröffentlichung von der im BMBF-Entwurf favorisierten “4 + 2-Regelung” ab. Auf Anfrage von Table.Briefings sagte der forschungspolitischer Sprecher der Liberalen, Stephan Seiter: “Die Anregungen des Bundesrats zur Höchstbefristungsdauer in der Postdoc-Phase reihen sich in zahlreiche Forderungen nach einer Beibehaltung von sechs Jahren ein.” Die Koalition sei nun gefragt, die richtigen Schlüsse aus den Reaktionen der Community zu ziehen.
Der Sinneswandel der FDP führt zu der kuriosen Situation, dass keine Koalitionspartei mehr hinter der Regelung im Gesetzesentwurf steht. Während die SPD an der “2 + 4-Regelung” festhält, wollten die Grünen sich derzeit nicht festlegen, lehnen aber ebenfalls die “4 + 2-Regelung” ab. Die 1. Lesung des Gesetzesentwurfs steht für Anfang Juni an. Der Bundesrat hat die Bundesregierung in seiner Stellungnahme des Weiteren dazu aufgefordert, bei den Beratungen zu klären, wie genau eine Anschlusszusage definiert ist und welche finanziellen Mehrbelastungen durch das Gesetzesvorhaben auf die Landeshaushalte zukommt. tg
Franziska Krumwiede-Steiner bekommt noch immer Nachrichten von ehemaligen Schülerinnen und Schülern. Zum Beispiel, wenn an ihrer Schule mal wieder der Unterricht ausfällt. Dann fragen sie bei Krumwiede-Steiner nach Übungsaufgaben oder Erklärungen.
Bis Ende Februar war die 38-Jährige als Lehrerin für Deutsch und Geschichte an der Gustav-Heinemann-Gesamtschule in Mülheim tätig. Nach dem Studium schlug sie zunächst eine wissenschaftliche Laufbahn ein, promovierte an der Ruhr-Universität Bochum mit einer Arbeit über “Formen und Funktionen von Mündlichkeit in der Gegenwartsliteratur der ‘Sinti und Roma’” und arbeitete als Dozentin an einem Institut für Lehrerfortbildung. Erst 2020 schlug sie den weiteren Lehramtsweg ein und ging ins Referendariat – vor allem aufgrund der unsicheren Perspektive einer Wissenschaftskarriere.
Dass sie im März plötzlich in den Bundestag einzog, dürfte auch für eine Lehrerin schwierig zu erklären gewesen sein. Durch die Wiederholungswahl in Berlin war Nina Stahr aus dem Bundestag ausgeschieden. Zwar erzielten die Grünen ein ähnliches Ergebnis wie 2021. Da die Beteiligung an der Wiederholungswahl jedoch deutlich geringer ausfiel, verloren die Berliner Grünen ein Mandat – und mussten es an den nordrhein-westfälischen Landesverband abgeben. Und dort stand Krumwiede-Steiner ganz oben auf der Nachrückliste.
Es war ein Glücksfall für die Berliner Grünen, dass Krumwiede-Steiner ein ähnliches Profil hat wie Stahr. Beide sind Lehrerin von Beruf und sehen ihren fachlichen Schwerpunkt in der Bildungs- und Familienpolitik. Daher konnte Krumwiede-Steiner Stahrs Mitgliedschaften in den entsprechenden beiden Ausschüssen und die Berichterstattung für das wichtige Thema Kindergrundsicherung übernehmen. Stahrs Amt als bildungspolitische Sprecherin hat jedoch Anja Reinalter übernommen.
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Der Job als Berufspolitikerin ist für Krumwiede-Steiner Neuland. Bislang war die Mutter zweier Kinder (vier und neun Jahre alt) lediglich als ehrenamtliche Kommunalpolitikerin tätig. In ihrer Heimatstadt Mülheim war sie Sprecherin der Grünen-Ratsfraktion. Anders als viele andere Bundestagsabgeordnete, die ihre Sitze in Kommunalparlamenten behalten, gab Krumwiede-Steiner ihr Amt vor Ort direkt ab. Sie möchte sich ganz auf ihr Bundestagsmandat konzentrieren.
In Berlin angekommen, blieb ihr wenig Zeit für Einarbeitung: Schon in ihrer zweiten Sitzungswoche hielt sie ihre erste Rede zur Flexibilisierung der Arbeitszeit. Darin erzählte sie von ihrem Termin im nordrhein-westfälischen Innenministerium, um ihr Mandat anzunehmen und der Landeswahlleiterin, die extra Spielsachen für ihre Kinder bereitgestellt habe. “Sie kannte die Betreuungsprobleme noch von ihren eigenen Kindern. Unsere Kita war bereits seit einer Woche zu”, berichtet sie. Schon eine Woche später folgte ihre zweite Rede zur Ein-Jahres-Bilanz des Bildungsgipfels, in der sie die Zuhörer mitnahm “auf eine Reise in eine achte Klasse mit Zahnspangen, Jogginghosen und dem unwiderstehlichen Duft nach Trockennudeln”. Sie lobte das Startchancen-Programm der Ampel-Koalition und forderte eine Aufhebung der Schuldenbremse, um Geld für den Digitalpakt 2.0 zu haben.
Ein Vorteil für die schnelle Einarbeitungsphase sei gewesen, dass sie das Büro und alle Mitarbeiter von Nina Stahr übernehmen konnte. “Ich bin quasi auf einen fahrenden Zug aufgesprungen”, erzählt sie nach ihren ersten Wochen als Abgeordnete. Die Tage im politischen Berlin seien zwar anstrengend, doch das sei sie aus ihrem vorherigen Job gewohnt.
“Ich fühle mich weniger erschöpft als mit meiner Vollzeitstelle an einer Brennpunkt-Gesamtschule“, erzählt Krumwiede-Steiner. Das liege einerseits daran, dass sie sich in Berlin auf ihre Abgeordnetentätigkeit fokussieren könne. “Als Lehrerin ist man auch sehr fremdbestimmt”, berichtet Krumwiede-Steiner und erzählt von besonderen erzieherischen Aufgaben und unzähligen Elterngesprächen. Nun befasst sie sich mit anderen Problemen: Etwa der Kindergrundsicherung, bei der die Verhandlungen in der Ampel-Koalition ins Stocken geraten sind. Und dem Ausbau der Ganztagsbetreuung, bei dem es noch viel nachzuholen gibt. Auch das weiß Krumwiede-Steiner aus Erfahrung. Maximilian Stascheit
Yvonne Plaul wurde als Kanzlerin der Technischen Hochschule Lübeck für eine zweite Amtszeit von sechs Jahren wiedergewählt.
Thomas Ritz wurde zum neuen Rektor der FH Aachen gewählt. Er ist derzeit Prorektor für Forschung, Innovation und Transfer und folgt auf Josef Rosenkranz. Ritz wurde 2004 an die FH Aachen berufen. Er befasst sich mit innovativen Aspekten der Digitalisierung und ist Mitbegründer des European Center of Sustainable Mobility und des Instituts für Digitalisierung Aachen.
Matthias Ryma vom Uniklinikum Würzburg (UKW) erhält im Rahmen des Förderprogramms EIC Transition des European Innovation Council 2,5 Millionen Euro zur kommerziellen Herstellung künstlicher Blutgefäße.
Julia Sander wurde zur Kanzlerin und Peter J. Weber zum Vizepräsidenten der Vinzenz Pallotti University ernannt. Bis Dezember 2021 hieß die Institution Philosophisch-Theologische Hochschule Vallendar. Sander ist bereits seit 2020 als Geschäftsführerin an der Hochschule tätig, Weber wechselt im Oktober von der Hochschule Fresenius nach Vallendar.
Erin Schuman, Direktorin am Max-Planck-Institut für Hirnforschung, wurde zum Foreign Member der britischen Royal Society gewählt.
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Europe.Table. Regierungsbildung in den Niederlanden: Was die Rechtskoalition plant. Die künftige Regierung in Den Haag mit der Freiheitspartei von Geert Wilders fordert ein Opt-out aus der EU-Asyl- und Migrationspolitik, will aber an der Ukraine-Hilfe festhalten. Die Niederlande werden für Brüssel ein schwieriger Partner. Mehr
Berlin.Table. BSW-Parteitag: Landesvorsitzende Zimmermann über Pläne für die Bildung, Friedenspolitik und mögliche Koalitionspartner. Landesvorsitzende Sabine Zimmermann hat in den vergangenen Monaten das Bündnis Sahra Wagenknecht in Sachsen aufgebaut. Auf dem Parteitag am Samstag soll sie zur Co-Spitzenkandidatin gewählt werden und strebt wohl eine Regierungsbeteiligung an. Als möglichen Partner sieht sie Ministerpräsident Kretschmer. Mehr
China.Table. Photovoltaik: So stopft Biden die letzten Schlupflöcher für Solarimporte aus China. Die USA werden demnächst Zölle auf zweiseitige Solarmodule aus China erheben, die bislang davon befreit sind. Biden will damit die heimischen Hersteller noch besser schützen. Dabei droht ihm ein Zielkonflikt zwischen Energiewende und Schutz des Marktes. Mehr
Bildung.Table. Bildungsdialog: Warum er Signalwirkung für KMK und BMBF hat. Das Momentum scheint gut – hat doch die amtierende KMK-Präsidentin “Transformation” zum Motto ihrer Amtszeit gemacht. Die positive Reaktion seitens der KMK auf die Forderung nach einem Bildungsdialog deutet zumindest auf einen Kulturwandel hin. Mehr
Diese beiden Erdmännchen-Kinder sind ein süßer Abschluss unseres heutigen Briefings, fanden wir. Vor allem, da das Foto nicht nur herzerwärmend ist, sondern auch von neuen Forschungserkenntnissen erzählt. Konstanzer Forscher haben die stimmlichen Interaktionen von Erdmännchengruppen entschlüsselt. Sie fanden heraus, dass die Tiere zwei verschiedene Arten von Lauten nutzen, um in Kontakt zu bleiben.
Der erste Ruf ist ein Kontakt-Ruf. “Wenn ein Erdmännchen diesen Ruf ausstößt ist es wahrscheinlich, dass ein Nachbar antwortet”, sagt Postdoktorand Vlad Demartsev vom Exzellenzcluster Kollektives Verhalten der Universität Konstanz. Der zweite Ruf ist ein kurzer Ton. “Er verkündet ,Ich bin hier’, es folgt aber nicht unbedingt eine direkte Antwort von den Kommunikationspartnern.” Es handelt sich also eher um eine Bekanntgabe, die sich an die ganze Gruppe richtet. Vermutlich hat dieser Ruf damit zu tun, dass es für Erdmännchen wichtig ist, in der Gruppe zu bleiben – um nicht von anderen Gruppen angegriffen oder belästigt werden.
Für ihre Studie haben die Forscher Erdmännchen im Kalahari Research Centre in Südafrika mit Chip-Halsbändern ausgestattet und Audiodaten und die GPS-Positionen im Sekundentakt aufgezeichnet. Mithilfe dieser Daten konnten sie exakt nachvollziehen, welches Tier wann und wo welchen Laut produzierte. Die Studie ist am gestrigen Montag in den Philosophical Transactions of the Royal Society B erschienen. Wir fiepen zum Abschluss nochmal kurz und wünschen einen schönen Tag! Anne Brüning