und plötzlich ging es ganz schnell: Nach wochenlangem Streit in der Koalition folgte auf den Rauswurf Christian Lindners (FDP) durch Bundeskanzler Olaf Scholz der Rücktritt weiterer FDP-Minister: Während Volker Wissing fix aus der Partei ausgetreten ist, um weiter Minister in der Regierung Scholz bleiben zu können – er wird künftig auch das Justizministerium von Marco Buschmann übernehmen – sind Buschmann und auch Bettina Stark-Watzinger raus aus der Regierungsverantwortung. Um 14 Uhr am Donnerstag wurden sie offiziell durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier entlassen.
Was aber folgt auf das Ampel-Aus für das BMBF? Davon möchten meine Kollegen Anne Brüning, Tim Gabel, Markus Weisskopf und ich Ihnen in diesem Spezial berichten. Was passiert jetzt im BMBF? Was wird aus den forschungspolitischen Vorhaben? Wie reagiert die forschungspolitische Community?
Darüber hinaus haben wir für Sie die wichtigsten Informationen zum Nachfolger Bettina Stark-Watzingers zusammengestellt: Cem Özdemir wird auf Bitten von Robert Habeck die nächsten neun (?) Wochen die Leitung des BMBF bis zu den Neuwahlen übernehmen. Der Anruf dazu erreichte ihn mitten auf einer Dienstreise in Sambia, wo er eigentlich gerade einen Baum pflanzen wollte. Mein Kollege Thorsten Denkler stellt Ihnen den umtriebigen Neu-Minister vor.
Ich wünsche Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre,
Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) soll zusätzlich das BMBF übernehmen. Das erfuhr Table.Briefings heute Nachmittag aus Regierungskreisen. Zunächst war Familienministerin Lisa Paus (Grüne) im Gespräch. Sie war die offizielle Vertreterin für das BMBF im Kabinett. Auch der Name von Oliver Kaczmarek wurde gehandelt, der bildungs- und forschungspolitische Sprecher der SPD gilt als Frontrunner der Bildungs- und Wissenschaftspolitik seiner Partei.
Anlässlich der Übernahme des BMBF sagte Özdemir: “Wir stehen in der Verantwortung, den Übergang zu Neuwahlen so geordnet und verlässlich wie möglich zu gestalten. Vize-Kanzler Robert Habeck hat mich nach Abstimmung mit dem Bundeskanzler gebeten, bis zu Neuwahlen die Leitung des BMBF zu übernehmen.”
Er habe sich – auch nach enger Abstimmung mit den grünen Kabinettsmitgliedern – entschieden, diese Aufgabe anzunehmen. “Ich will mich in dieser schwierigen Lage der Verantwortung für unser Land stellen. Eine gute Bildung und die Sicherung des Wissenschafts- und Forschungsstandortes sind für die Zukunft Deutschlands von überragender Bedeutung. Ich will dazu meinen Beitrag leisten”, sagte Özdemir.
Die beiden Parlamentarischen Staatssekretäre und FDP-Abgeordneten Jens Brandenburg und Mario Brandenburg scheiden ebenfalls aus. Über den Verbleib der verbeamteten Staatssekretäre Roland Philippi und Judith Pirscher ist noch nichts bekannt. Insider gehen allerdings davon aus, dass ihre bekannte und große FDP-Treue letztlich zu ihrer Entlassung führen wird. Philippi sei am Donnerstag erst gar nicht im BMBF anzutreffen gewesen.
Wen Özdemir als Nachfolger für die Parlamentarischen Staatssekretäre benennen wird, ist noch nicht bekannt. Möglicherweise wird er auf bereits in die Materie eingearbeitete Mitglieder des Forschungsausschusses zurückgreifen. So mancher scherzt, Özdemir könnte auch die frühzeitig entlassene Sabine Döring wieder zurückholen. Sie kennt sich in Projekten wie dem KI-Aktionsplan oder dem Digitalpakt bestens aus, hat die grundlegenden Papiere teils selbst geschrieben.
Bis klar ist, wie die Positionen besetzt werden, könnten Vertretungsregelungen eine Rolle spielen. Sie sind in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien festgelegt. Demnach erfolgt die Vertretung der Ministerin durch den Staatssekretär im jeweiligen Zuständigkeitsbereich, soweit nichts anderes geregelt ist. Staatssekretäre beziehungsweise Parlamentarische Staatssekretäre vertreten sich innerhalb eines Bundesministeriums grundsätzlich gegenseitig. Ihre Vertretung erfolgt durch die zuständige Abteilungsleitung.
Viele in Berlin rätseln nun, was mit bereits begonnenen Gesetzgebungsverfahren, aber auch mit anderen gestarteten Vorhaben der Ampel geschieht.
Für die nächste Woche ist die Tagesordnung für den Forschungsausschuss wohl fix. Damit sollten die geladenen Sachverständigen den Termin für die Anhörung zum WissZeitVG in ihren Kalendern behalten. Das bestätigte auch der Ausschussvorsitzende Kai Gehring auf Anfrage von Table.Briefings. “Solange sich die demokratische Mitte und Mehrheit des Ausschusses nicht umentscheidet, gehe ich davon aus, dass wir als Arbeitsparlament die Sachverständigen anhören”, sagte der Grünen-Politiker.
Was die Zeit danach angeht, müssen sich die Obleute der Parteien auf Tagesordnungen einigen. Damit könnte also auch eine geplante Anhörung zur Batterieforschung am 4. Dezember noch wackeln. Gehring meint jedoch: “Das Parlament ist arbeits- und handlungsfähig und es gibt einen klaren Rahmen für einen geordneten Übergang zu Neuwahlen. Bis dahin sollten wir die Zeit für Entscheidungen nutzen.”
Die beiden ausstehenden Kleinen Anfragen der Union zur Fördermittelaffäre (unsere News dazu hier und hier) werden trotz des Wechsels an der Spitze des BMBF beantwortet. Ob neue Verantwortliche im Ministerium zu den Vorgängen noch andere, weitere Dokumente vorfinden werden, bleibt eine spannende Frage.
Der Bundestag muss für das laufende Jahr noch einen Nachtragshaushalt beschließen – sonst könnte eine Haushaltssperre drohen. Ohne die zusätzlichen Mittel könnte für manches Anliegen schlicht kein Geld mehr da sein. Bei einer Haushaltssperre müssen alle Ausgaben vom Finanzministerium genehmigt werden. Das bedeutet große Unsicherheit, zum Beispiel für viele Angestellte auf Projektbasis oder mit befristeten Arbeitsverträgen.
Auch der Haushalt für 2025 ist ja noch nicht unter Dach und Fach. Das Jahr startet also wahrscheinlich mit einer vorläufigen Haushaltsführung, während der man sich auf unerlässliche und dringende Ausgaben beschränken muss. Schließlich kann kaum eine abtretende Regierung eine künftige auf einen Haushaltsplan festlegen.
Bei einer vorläufigen Haushaltsführung sind vorerst nur Ausgaben möglich, die nötig sind, um die Verwaltung aufrechtzuerhalten und rechtliche Verpflichtungen zu erfüllen. In der Praxis kann das Finanzministerium den Ministerien aber bewilligen, pro Monat einen Prozentsatz der Mittel des noch nicht verabschiedeten Haushaltsentwurfs zu nutzen. Damit sollte das BMBF also seinen Verpflichtungen vor allem in der institutionellen Förderung und in bereits geplanten Förderrichtlinien nachkommen können. Impulse in der Projektförderung sind aber wohl erst mal nicht drin.
Eine längere Phase der Unsicherheit kann man sich weder in der Gesellschafts- noch in der Forschungspolitik leisten. Das ist der Tenor der Reaktionen aus der Scientific Community, einen Tag nach dem Ende der Koalition, in dessen Folge auch Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger ihren Rücktritt erklärt hatte.
“Der Bruch der Ampelkoalition und der Rücktritt von Ministerin Stark-Watzinger erfolgen in einer Phase, in der Wissenschaft und Forschung dringend für die Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen wie die Energiewende oder die Erforschung von Volkskrankheiten gebraucht werden”, sagt Otmar D. Wiestler, Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft auf Anfrage von Table.Briefings.
Es sei jetzt von zentraler Bedeutung, dass ohne weitere Verzögerungen eine stabile und funktionsfähige politische Führung etabliert wird. “Das betrifft nicht nur das BMBF, sondern die gesamte Bundesregierung. Nur so können wir gemeinsam Fortschritt und Wohlstand ermöglichen. Dazu brauchen wir weiterhin einen gesicherten Haushalt und ein weiterhin klares Bekenntnis zum Pakt für Forschung und Innovation.”
Als Zäsur bezeichnet der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Walter Rosenthal, das Ende der bisherigen Regierungskoalition im Bund. Auch er fordert “in Zeiten umfassender Herausforderungen”, dass möglichst rasch wieder klare Verhältnisse hergestellt werden. “Das gilt unmittelbar für den nächsten Bundeshaushalt und auch für die Arbeit des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) bis zu einer neuen, stabilen Regierungsmehrheit.”
Vor diesem Hintergrund falle die Bilanz der bisherigen Ampel-Regierung aus Sicht der Hochschulen eher gemischt aus. “Für die deutschen Hochschulen war vor allem die Dynamisierung des Zukunftsvertrags Studium und Lehre von elementarer Bedeutung. Auch das Engagement für nachhaltige und vielfältige Hochschulen oder für die Wissenschaftskommunikation haben wir begrüßt”. Der Koalitionsvertrag mit seinen vielen wegweisenden Vorhaben sei bislang “gleichwohl nur unzureichend abgearbeitet”.
Das Unterstützungsprogramm für die Digitalisierung der Hochschulen sei bislang nicht zustande gekommen. “Wir warten weiterhin auf eine grundlegende Strukturreform des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) und auf ein Bund-Länder-Programm für ‘Dauerstellen’ neben der Professur”, heißt es in dem Statement von Rosenthal. Auch das geplante Forschungsdatengesetz, die Weiterentwicklung des Kapazitätsrechts und die Steigerung der Programmpauschalen der Deutschen Forschungsgemeinschaft stehe weiter aus.
Rosenthal bedauert, dass die Regierung bislang bei der “wissenschaftsadäquaten Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG)” nicht entscheidend vorangekommen sei und das nach langer Diskussion auf den Weg gebrachte Konzept der Deutschen Agentur für Transfer und Innovation (Dati) noch unter einem Finanzierungsvorbehalt des Haushaltsausschusses stehe. Perspektivisch sei eine Neubewertung der Rolle des Bundes im Hochschulbau geboten. Zudem müsse das BMBF nach der Fördermittelaffäre die Vertrauensbeziehung zur Wissenschaft wieder stärken.
Auch von den Vorständen der Universitätsverbünde U15 und TU9 kommt der Wunsch nach mehr Stabilität: “Es ist jetzt mehr denn je wichtig, in Exzellenz, Spitzenforschung, Innovation und Transfer zu investieren, und zwar in langfristiger Weise, in Deutschland und in Europa.”
Kai Gehring, Vorsitzender des Forschungsausschusses, betont, dass man in schwierigen Zeiten als Koalition wesentliche Projekte zur Stärkung des Hochschul-, Wissenschafts- und Forschungsstandorts gemeinsam beschlossen habe. Dazu zähle unter anderem der jährliche Aufwuchs des “Zukunftsvertrags Studium und Lehre stärken” für die Hochschulen im Land oder der BAföG-Booster für chancengerechte Zugänge zum Studium.
Gehring wirbt dafür, sinnvolle Vorhaben für Bildung- und Forschung im Parlament weiter voranzutreiben und dafür die parlamentarischen Mehrheiten zu suchen. “Aktuell waren wir als Koalition auf einem guten Weg, weitere wesentliche Gesetzesvorhaben wie das WissZeitVG, das Aufstiegs-BAföG, das Forschungsdatengesetz oder Projekte wie die DATI und den Digitalpakt umzusetzen. All diese Vorhaben hatten wir uns als Koalition vorgenommen, weil sie notwendig sind, um den Hochschul-, Forschungs- und Innovationsstandort Deutschland sowie das Bildungssystem für die Zukunft aufzustellen.”
Für die Linken-Politikerin Nicole Gohlke war das Ampel-Aus absehbar, aber es sei dennoch an einem Tag wie gestern verantwortungslos, sagte sie auf Anfrage von Table.Briefings. “Die Demokratie resilient zu machen gegen Antidemokraten und Autoritäre hätte massive Investitionen in die soziale Infrastruktur, in Bildung, Gesundheit und bezahlbares Wohnen bedeuten müssen.” Dieser Aufgabe sei die Ampel nicht nachgekommen. “Die Rücktritte der zwei FDP-Minister lassen den Respekt vor dem Amt vermissen und sind vor allem wahltaktisch erklären”, sagt Gohlke.
Jetzt werde Stark-Watzinger als die Ministerin in die Geschichte eingehen, “die nicht nur kaum etwas in ihrem Bereich bewegt hat, die missliebige Wissenschaftler sanktionieren wollte und damit in eine peinliche Fördergeldaffäre verstrickt war, sondern auch eine, die noch hingeschmissen hat”. Für die Attraktivität des Wissenschaftsstandortes Deutschland bräuchte es dringend eine Reform des WissZeitVG, “die gute Arbeit in der Wissenschaft und planbare Karrierewege sichert”, sagt Gohlke. Auch der Kampf gegen den Sanierungsstau an den Hochschulen und Schulen und gegen den massiven Lehrkräftemangel dulde keinen Aufschub.
Auch in den sozialen Medien gab es viele Reaktionen zum Ampel-Aus und dem Rücktritt der Ministerin: “Die gute Nachricht: @starkwatzinger hat fertig mit @BMBF_Bund!”, schrieb der ehemalige Ethikratsvorsitzende Peter Dabrock kurz nach Mitternacht auf der Plattform X. “Bye-bye #StarkWatzinger, Zeitvertrag im @BMBF_Bund läuft leider aus …”, postete ebenfalls auf X der GEW-Vize Andreas Keller.
Andere kommentierten den Rücktritt vor allem vor dem Hintergrund der Fördermittelaffäre und sehen Stark-Watzinger als Gewinnerin, weil sie eine “absolut gesichtswahrende Gelegenheit zum Rücktritt bekommen und wahrgenommen hat”.
Amrei Bahr von der Initiative #IchBinHanna schrieb auf Bluesky: “Große Erleichterung immerhin: Bettina Stark-Watzinger wird nie wieder auf ihr Eingangsstatement verweisen. #Fördergeldaffäre”. Auch unter den Kommentaren zu Stark-Watzingers Post bei LinkedIn, in dem sie ihren Rücktritt ankündigte, finden sich nur wenige verständnisvolle Bemerkungen, dafür viel Ironie. “Keine Sorge. Eine Ampel funktioniert auch ohne Gelb”, heißt es da etwa.
Der Anruf von Vizekanzler Robert Habeck hat Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (beide Grüne) am Donnerstagmorgen in Sambia erreicht. Die Bitte des Wirtschaftsministers: Ob er nicht bis auf Weiteres auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung übernehmen wolle. Minister für Landwirtschaft und Ernährung, Bildung und Forschung – so einen Karrieresprung hatte Özdemir gerade sicher nicht erwartet.
Er bereitet sich eigentlich darauf vor, Ministerpräsident von Baden-Württemberg zu werden. Der Schwabe will Winfried Kretschmann beerben, wenn der spätestens mit der Wahl im Frühjahr 2026 die Rolle des grünen Landesvaters hinter sich lässt. Die Leitung des BMBF kann ihm da eine gute Vorbereitung sein. Bildung und auch Forschung sind in vielen Bereichen Ländersache. Für kurze Zeit mal aus Bundessicht auf die Fragen dieser Bereiche zu schauen, kann nicht schaden.
Mit Bildungspolitik und Forschungspolitik aber hat Özdemir bisher wenig bis nichts zu tun gehabt, von seiner Schul- und Studienzeit mal abgesehen. Er bringt eine bodenständige Bildungs- und eine migrantische Lebensperspektive ein. Letzteres hat er allen bisherigen Ministern in dem Amt voraus.
Sein Vater ist 1963 als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen, seine Mutter 1964. Özdemir, 1965 im schwäbischen Urach geboren, wuchs als Einzelkind auf. Nach der Grundschule ging er auf die Realschule und machte anschließend eine Ausbildung zum Erzieher.
An der Fachoberschule in Nürtingen holte er seine Fachhochschulreife nach und studierte anschließend Sozialpädagogik an der Evangelischen Fachhochschule für Sozialwesen in Reutlingen, die heute zur Evangelischen Hochschule Ludwigsburg gehört.
Mitglied der Grünen ist er seit 1981. Das gleiche Jahr, in dem er die deutsche Staatsbürgerschaft beantragte. Er stieg schnell in den Landesvorstand der Grünen auf, ab 1994 saß er erstmals im Bundestag und kümmerte sich vor allem um Innenpolitik. 2002 stolperte er über einen zinsgünstigen Kredit, den er sich von einem windigen Politikberater hat geben lassen. Er trat als innenpolitischer Sprecher zurück und nahm danach das erneut gewonnene Bundestagsmandat nicht an.
Es folgte eine Phase der relativen Ruhe. Bis er 2004 ins EU-Parlament einzog. Sein Thema dort war Außenpolitik. Er hielt es nicht lange aus. 2008 wurde er zum neuen Bundesvorsitzenden der Grünen gewählt. Ein Amt, dass er zehn Jahr innehatte.
2013 endlich schaffte er es zurück in den Bundestag. 2017 wurde er an der Seite von Katrin Göring-Eckardt Spitzenkandidat der Grünen für die Bundestagswahl. Nach dem Scheitern der Jamaika-Koalitionsverhandlungen zog sich Özdemir ins Abgeordnetendasein zurück. Bis er sich nach der Wahl 2021 wohl auch zur eigenen Überraschung im Amt des Landwirtschaftsministers wiederfand.
Obwohl fachfremd, gewann er Statur. Vor allem in den Bauernprotesten zu Beginn des Jahres. Er nahm Partei für die Bauern, kritisierte sie aber auch Auge in Auge auf allen erdenklichen Demonstrationen.
Aus Sicht des BMBF fiel er vor allem als strikter Gegner von Gen- und Bio-Technologien auf. Zuletzt blockierte er im Kabinett die Gründung der Deutschen Agentur für Transfer und Innovation (Dati). Angeblich, weil er wiederum mit seinem Waldgesetz nicht weiterkam. Das Konzept zur Dati-Gründung hat das Kabinett erst vergangenen Mittwoch beschließen können. Als letzten Amtssakt quasi.
Eigentlich wollte Özdemir wegen der Regierungskrise schon an diesem Donnerstag vorzeitig von seiner viertägigen Afrika-Reise zurückkehren. Das klappte nicht, es fehlten die nötigen Überflugrechte. Jetzt will er an diesem Freitag zurückkommen. Dann wird er einen Tag nach der Entlassung von Bettina Stark-Watzinger (FDP) seine Ernennungsurkunde zum Bundesminister für Bildung und Forschung aus der Hand des Bundespräsidenten entgegennehmen.
Seine erste bildungspolitische Ansage sendet Özdemir aus der Ferne: “Eine gute Bildung und die Sicherung des Wissenschafts- und Forschungsstandortes sind für die Zukunft Deutschlands von überragender Bedeutung. Ich will dazu meinen Beitrag leisten.” Viel mehr wird für die Restzeit bis zu den Neuwahlen von ihm nicht zu erwarten sein. Ohne Mehrheit im Bundestag wird er nichts von Belang durchsetzen können.
Eventuell könnte er noch die beamteten Staatssekretäre Roland Philippi und Judith Pirscher ersetzen, beides ausgewiesene FDP-Leute. Vielleicht sucht er nach auch nach einem neuen Ministeriumssprecher. Katrin Mendorf ist gerade erst als Sprecherin der FDP-Fraktion ins BMBF gewechselt. Gerüchteweise heißt es auch, er schaue sich im Parlament nach neuen, grünen Köpfen um, um die beiden parlamentarischen Staatssekretäre Jens und Mario Brandenburg (beide FDP) zu ersetzen. Beide sind, wie ihre ehemalige Chefin, seit Donnerstag nicht mehr im Amt.
und plötzlich ging es ganz schnell: Nach wochenlangem Streit in der Koalition folgte auf den Rauswurf Christian Lindners (FDP) durch Bundeskanzler Olaf Scholz der Rücktritt weiterer FDP-Minister: Während Volker Wissing fix aus der Partei ausgetreten ist, um weiter Minister in der Regierung Scholz bleiben zu können – er wird künftig auch das Justizministerium von Marco Buschmann übernehmen – sind Buschmann und auch Bettina Stark-Watzinger raus aus der Regierungsverantwortung. Um 14 Uhr am Donnerstag wurden sie offiziell durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier entlassen.
Was aber folgt auf das Ampel-Aus für das BMBF? Davon möchten meine Kollegen Anne Brüning, Tim Gabel, Markus Weisskopf und ich Ihnen in diesem Spezial berichten. Was passiert jetzt im BMBF? Was wird aus den forschungspolitischen Vorhaben? Wie reagiert die forschungspolitische Community?
Darüber hinaus haben wir für Sie die wichtigsten Informationen zum Nachfolger Bettina Stark-Watzingers zusammengestellt: Cem Özdemir wird auf Bitten von Robert Habeck die nächsten neun (?) Wochen die Leitung des BMBF bis zu den Neuwahlen übernehmen. Der Anruf dazu erreichte ihn mitten auf einer Dienstreise in Sambia, wo er eigentlich gerade einen Baum pflanzen wollte. Mein Kollege Thorsten Denkler stellt Ihnen den umtriebigen Neu-Minister vor.
Ich wünsche Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre,
Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) soll zusätzlich das BMBF übernehmen. Das erfuhr Table.Briefings heute Nachmittag aus Regierungskreisen. Zunächst war Familienministerin Lisa Paus (Grüne) im Gespräch. Sie war die offizielle Vertreterin für das BMBF im Kabinett. Auch der Name von Oliver Kaczmarek wurde gehandelt, der bildungs- und forschungspolitische Sprecher der SPD gilt als Frontrunner der Bildungs- und Wissenschaftspolitik seiner Partei.
Anlässlich der Übernahme des BMBF sagte Özdemir: “Wir stehen in der Verantwortung, den Übergang zu Neuwahlen so geordnet und verlässlich wie möglich zu gestalten. Vize-Kanzler Robert Habeck hat mich nach Abstimmung mit dem Bundeskanzler gebeten, bis zu Neuwahlen die Leitung des BMBF zu übernehmen.”
Er habe sich – auch nach enger Abstimmung mit den grünen Kabinettsmitgliedern – entschieden, diese Aufgabe anzunehmen. “Ich will mich in dieser schwierigen Lage der Verantwortung für unser Land stellen. Eine gute Bildung und die Sicherung des Wissenschafts- und Forschungsstandortes sind für die Zukunft Deutschlands von überragender Bedeutung. Ich will dazu meinen Beitrag leisten”, sagte Özdemir.
Die beiden Parlamentarischen Staatssekretäre und FDP-Abgeordneten Jens Brandenburg und Mario Brandenburg scheiden ebenfalls aus. Über den Verbleib der verbeamteten Staatssekretäre Roland Philippi und Judith Pirscher ist noch nichts bekannt. Insider gehen allerdings davon aus, dass ihre bekannte und große FDP-Treue letztlich zu ihrer Entlassung führen wird. Philippi sei am Donnerstag erst gar nicht im BMBF anzutreffen gewesen.
Wen Özdemir als Nachfolger für die Parlamentarischen Staatssekretäre benennen wird, ist noch nicht bekannt. Möglicherweise wird er auf bereits in die Materie eingearbeitete Mitglieder des Forschungsausschusses zurückgreifen. So mancher scherzt, Özdemir könnte auch die frühzeitig entlassene Sabine Döring wieder zurückholen. Sie kennt sich in Projekten wie dem KI-Aktionsplan oder dem Digitalpakt bestens aus, hat die grundlegenden Papiere teils selbst geschrieben.
Bis klar ist, wie die Positionen besetzt werden, könnten Vertretungsregelungen eine Rolle spielen. Sie sind in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien festgelegt. Demnach erfolgt die Vertretung der Ministerin durch den Staatssekretär im jeweiligen Zuständigkeitsbereich, soweit nichts anderes geregelt ist. Staatssekretäre beziehungsweise Parlamentarische Staatssekretäre vertreten sich innerhalb eines Bundesministeriums grundsätzlich gegenseitig. Ihre Vertretung erfolgt durch die zuständige Abteilungsleitung.
Viele in Berlin rätseln nun, was mit bereits begonnenen Gesetzgebungsverfahren, aber auch mit anderen gestarteten Vorhaben der Ampel geschieht.
Für die nächste Woche ist die Tagesordnung für den Forschungsausschuss wohl fix. Damit sollten die geladenen Sachverständigen den Termin für die Anhörung zum WissZeitVG in ihren Kalendern behalten. Das bestätigte auch der Ausschussvorsitzende Kai Gehring auf Anfrage von Table.Briefings. “Solange sich die demokratische Mitte und Mehrheit des Ausschusses nicht umentscheidet, gehe ich davon aus, dass wir als Arbeitsparlament die Sachverständigen anhören”, sagte der Grünen-Politiker.
Was die Zeit danach angeht, müssen sich die Obleute der Parteien auf Tagesordnungen einigen. Damit könnte also auch eine geplante Anhörung zur Batterieforschung am 4. Dezember noch wackeln. Gehring meint jedoch: “Das Parlament ist arbeits- und handlungsfähig und es gibt einen klaren Rahmen für einen geordneten Übergang zu Neuwahlen. Bis dahin sollten wir die Zeit für Entscheidungen nutzen.”
Die beiden ausstehenden Kleinen Anfragen der Union zur Fördermittelaffäre (unsere News dazu hier und hier) werden trotz des Wechsels an der Spitze des BMBF beantwortet. Ob neue Verantwortliche im Ministerium zu den Vorgängen noch andere, weitere Dokumente vorfinden werden, bleibt eine spannende Frage.
Der Bundestag muss für das laufende Jahr noch einen Nachtragshaushalt beschließen – sonst könnte eine Haushaltssperre drohen. Ohne die zusätzlichen Mittel könnte für manches Anliegen schlicht kein Geld mehr da sein. Bei einer Haushaltssperre müssen alle Ausgaben vom Finanzministerium genehmigt werden. Das bedeutet große Unsicherheit, zum Beispiel für viele Angestellte auf Projektbasis oder mit befristeten Arbeitsverträgen.
Auch der Haushalt für 2025 ist ja noch nicht unter Dach und Fach. Das Jahr startet also wahrscheinlich mit einer vorläufigen Haushaltsführung, während der man sich auf unerlässliche und dringende Ausgaben beschränken muss. Schließlich kann kaum eine abtretende Regierung eine künftige auf einen Haushaltsplan festlegen.
Bei einer vorläufigen Haushaltsführung sind vorerst nur Ausgaben möglich, die nötig sind, um die Verwaltung aufrechtzuerhalten und rechtliche Verpflichtungen zu erfüllen. In der Praxis kann das Finanzministerium den Ministerien aber bewilligen, pro Monat einen Prozentsatz der Mittel des noch nicht verabschiedeten Haushaltsentwurfs zu nutzen. Damit sollte das BMBF also seinen Verpflichtungen vor allem in der institutionellen Förderung und in bereits geplanten Förderrichtlinien nachkommen können. Impulse in der Projektförderung sind aber wohl erst mal nicht drin.
Eine längere Phase der Unsicherheit kann man sich weder in der Gesellschafts- noch in der Forschungspolitik leisten. Das ist der Tenor der Reaktionen aus der Scientific Community, einen Tag nach dem Ende der Koalition, in dessen Folge auch Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger ihren Rücktritt erklärt hatte.
“Der Bruch der Ampelkoalition und der Rücktritt von Ministerin Stark-Watzinger erfolgen in einer Phase, in der Wissenschaft und Forschung dringend für die Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen wie die Energiewende oder die Erforschung von Volkskrankheiten gebraucht werden”, sagt Otmar D. Wiestler, Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft auf Anfrage von Table.Briefings.
Es sei jetzt von zentraler Bedeutung, dass ohne weitere Verzögerungen eine stabile und funktionsfähige politische Führung etabliert wird. “Das betrifft nicht nur das BMBF, sondern die gesamte Bundesregierung. Nur so können wir gemeinsam Fortschritt und Wohlstand ermöglichen. Dazu brauchen wir weiterhin einen gesicherten Haushalt und ein weiterhin klares Bekenntnis zum Pakt für Forschung und Innovation.”
Als Zäsur bezeichnet der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Walter Rosenthal, das Ende der bisherigen Regierungskoalition im Bund. Auch er fordert “in Zeiten umfassender Herausforderungen”, dass möglichst rasch wieder klare Verhältnisse hergestellt werden. “Das gilt unmittelbar für den nächsten Bundeshaushalt und auch für die Arbeit des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) bis zu einer neuen, stabilen Regierungsmehrheit.”
Vor diesem Hintergrund falle die Bilanz der bisherigen Ampel-Regierung aus Sicht der Hochschulen eher gemischt aus. “Für die deutschen Hochschulen war vor allem die Dynamisierung des Zukunftsvertrags Studium und Lehre von elementarer Bedeutung. Auch das Engagement für nachhaltige und vielfältige Hochschulen oder für die Wissenschaftskommunikation haben wir begrüßt”. Der Koalitionsvertrag mit seinen vielen wegweisenden Vorhaben sei bislang “gleichwohl nur unzureichend abgearbeitet”.
Das Unterstützungsprogramm für die Digitalisierung der Hochschulen sei bislang nicht zustande gekommen. “Wir warten weiterhin auf eine grundlegende Strukturreform des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) und auf ein Bund-Länder-Programm für ‘Dauerstellen’ neben der Professur”, heißt es in dem Statement von Rosenthal. Auch das geplante Forschungsdatengesetz, die Weiterentwicklung des Kapazitätsrechts und die Steigerung der Programmpauschalen der Deutschen Forschungsgemeinschaft stehe weiter aus.
Rosenthal bedauert, dass die Regierung bislang bei der “wissenschaftsadäquaten Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG)” nicht entscheidend vorangekommen sei und das nach langer Diskussion auf den Weg gebrachte Konzept der Deutschen Agentur für Transfer und Innovation (Dati) noch unter einem Finanzierungsvorbehalt des Haushaltsausschusses stehe. Perspektivisch sei eine Neubewertung der Rolle des Bundes im Hochschulbau geboten. Zudem müsse das BMBF nach der Fördermittelaffäre die Vertrauensbeziehung zur Wissenschaft wieder stärken.
Auch von den Vorständen der Universitätsverbünde U15 und TU9 kommt der Wunsch nach mehr Stabilität: “Es ist jetzt mehr denn je wichtig, in Exzellenz, Spitzenforschung, Innovation und Transfer zu investieren, und zwar in langfristiger Weise, in Deutschland und in Europa.”
Kai Gehring, Vorsitzender des Forschungsausschusses, betont, dass man in schwierigen Zeiten als Koalition wesentliche Projekte zur Stärkung des Hochschul-, Wissenschafts- und Forschungsstandorts gemeinsam beschlossen habe. Dazu zähle unter anderem der jährliche Aufwuchs des “Zukunftsvertrags Studium und Lehre stärken” für die Hochschulen im Land oder der BAföG-Booster für chancengerechte Zugänge zum Studium.
Gehring wirbt dafür, sinnvolle Vorhaben für Bildung- und Forschung im Parlament weiter voranzutreiben und dafür die parlamentarischen Mehrheiten zu suchen. “Aktuell waren wir als Koalition auf einem guten Weg, weitere wesentliche Gesetzesvorhaben wie das WissZeitVG, das Aufstiegs-BAföG, das Forschungsdatengesetz oder Projekte wie die DATI und den Digitalpakt umzusetzen. All diese Vorhaben hatten wir uns als Koalition vorgenommen, weil sie notwendig sind, um den Hochschul-, Forschungs- und Innovationsstandort Deutschland sowie das Bildungssystem für die Zukunft aufzustellen.”
Für die Linken-Politikerin Nicole Gohlke war das Ampel-Aus absehbar, aber es sei dennoch an einem Tag wie gestern verantwortungslos, sagte sie auf Anfrage von Table.Briefings. “Die Demokratie resilient zu machen gegen Antidemokraten und Autoritäre hätte massive Investitionen in die soziale Infrastruktur, in Bildung, Gesundheit und bezahlbares Wohnen bedeuten müssen.” Dieser Aufgabe sei die Ampel nicht nachgekommen. “Die Rücktritte der zwei FDP-Minister lassen den Respekt vor dem Amt vermissen und sind vor allem wahltaktisch erklären”, sagt Gohlke.
Jetzt werde Stark-Watzinger als die Ministerin in die Geschichte eingehen, “die nicht nur kaum etwas in ihrem Bereich bewegt hat, die missliebige Wissenschaftler sanktionieren wollte und damit in eine peinliche Fördergeldaffäre verstrickt war, sondern auch eine, die noch hingeschmissen hat”. Für die Attraktivität des Wissenschaftsstandortes Deutschland bräuchte es dringend eine Reform des WissZeitVG, “die gute Arbeit in der Wissenschaft und planbare Karrierewege sichert”, sagt Gohlke. Auch der Kampf gegen den Sanierungsstau an den Hochschulen und Schulen und gegen den massiven Lehrkräftemangel dulde keinen Aufschub.
Auch in den sozialen Medien gab es viele Reaktionen zum Ampel-Aus und dem Rücktritt der Ministerin: “Die gute Nachricht: @starkwatzinger hat fertig mit @BMBF_Bund!”, schrieb der ehemalige Ethikratsvorsitzende Peter Dabrock kurz nach Mitternacht auf der Plattform X. “Bye-bye #StarkWatzinger, Zeitvertrag im @BMBF_Bund läuft leider aus …”, postete ebenfalls auf X der GEW-Vize Andreas Keller.
Andere kommentierten den Rücktritt vor allem vor dem Hintergrund der Fördermittelaffäre und sehen Stark-Watzinger als Gewinnerin, weil sie eine “absolut gesichtswahrende Gelegenheit zum Rücktritt bekommen und wahrgenommen hat”.
Amrei Bahr von der Initiative #IchBinHanna schrieb auf Bluesky: “Große Erleichterung immerhin: Bettina Stark-Watzinger wird nie wieder auf ihr Eingangsstatement verweisen. #Fördergeldaffäre”. Auch unter den Kommentaren zu Stark-Watzingers Post bei LinkedIn, in dem sie ihren Rücktritt ankündigte, finden sich nur wenige verständnisvolle Bemerkungen, dafür viel Ironie. “Keine Sorge. Eine Ampel funktioniert auch ohne Gelb”, heißt es da etwa.
Der Anruf von Vizekanzler Robert Habeck hat Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (beide Grüne) am Donnerstagmorgen in Sambia erreicht. Die Bitte des Wirtschaftsministers: Ob er nicht bis auf Weiteres auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung übernehmen wolle. Minister für Landwirtschaft und Ernährung, Bildung und Forschung – so einen Karrieresprung hatte Özdemir gerade sicher nicht erwartet.
Er bereitet sich eigentlich darauf vor, Ministerpräsident von Baden-Württemberg zu werden. Der Schwabe will Winfried Kretschmann beerben, wenn der spätestens mit der Wahl im Frühjahr 2026 die Rolle des grünen Landesvaters hinter sich lässt. Die Leitung des BMBF kann ihm da eine gute Vorbereitung sein. Bildung und auch Forschung sind in vielen Bereichen Ländersache. Für kurze Zeit mal aus Bundessicht auf die Fragen dieser Bereiche zu schauen, kann nicht schaden.
Mit Bildungspolitik und Forschungspolitik aber hat Özdemir bisher wenig bis nichts zu tun gehabt, von seiner Schul- und Studienzeit mal abgesehen. Er bringt eine bodenständige Bildungs- und eine migrantische Lebensperspektive ein. Letzteres hat er allen bisherigen Ministern in dem Amt voraus.
Sein Vater ist 1963 als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen, seine Mutter 1964. Özdemir, 1965 im schwäbischen Urach geboren, wuchs als Einzelkind auf. Nach der Grundschule ging er auf die Realschule und machte anschließend eine Ausbildung zum Erzieher.
An der Fachoberschule in Nürtingen holte er seine Fachhochschulreife nach und studierte anschließend Sozialpädagogik an der Evangelischen Fachhochschule für Sozialwesen in Reutlingen, die heute zur Evangelischen Hochschule Ludwigsburg gehört.
Mitglied der Grünen ist er seit 1981. Das gleiche Jahr, in dem er die deutsche Staatsbürgerschaft beantragte. Er stieg schnell in den Landesvorstand der Grünen auf, ab 1994 saß er erstmals im Bundestag und kümmerte sich vor allem um Innenpolitik. 2002 stolperte er über einen zinsgünstigen Kredit, den er sich von einem windigen Politikberater hat geben lassen. Er trat als innenpolitischer Sprecher zurück und nahm danach das erneut gewonnene Bundestagsmandat nicht an.
Es folgte eine Phase der relativen Ruhe. Bis er 2004 ins EU-Parlament einzog. Sein Thema dort war Außenpolitik. Er hielt es nicht lange aus. 2008 wurde er zum neuen Bundesvorsitzenden der Grünen gewählt. Ein Amt, dass er zehn Jahr innehatte.
2013 endlich schaffte er es zurück in den Bundestag. 2017 wurde er an der Seite von Katrin Göring-Eckardt Spitzenkandidat der Grünen für die Bundestagswahl. Nach dem Scheitern der Jamaika-Koalitionsverhandlungen zog sich Özdemir ins Abgeordnetendasein zurück. Bis er sich nach der Wahl 2021 wohl auch zur eigenen Überraschung im Amt des Landwirtschaftsministers wiederfand.
Obwohl fachfremd, gewann er Statur. Vor allem in den Bauernprotesten zu Beginn des Jahres. Er nahm Partei für die Bauern, kritisierte sie aber auch Auge in Auge auf allen erdenklichen Demonstrationen.
Aus Sicht des BMBF fiel er vor allem als strikter Gegner von Gen- und Bio-Technologien auf. Zuletzt blockierte er im Kabinett die Gründung der Deutschen Agentur für Transfer und Innovation (Dati). Angeblich, weil er wiederum mit seinem Waldgesetz nicht weiterkam. Das Konzept zur Dati-Gründung hat das Kabinett erst vergangenen Mittwoch beschließen können. Als letzten Amtssakt quasi.
Eigentlich wollte Özdemir wegen der Regierungskrise schon an diesem Donnerstag vorzeitig von seiner viertägigen Afrika-Reise zurückkehren. Das klappte nicht, es fehlten die nötigen Überflugrechte. Jetzt will er an diesem Freitag zurückkommen. Dann wird er einen Tag nach der Entlassung von Bettina Stark-Watzinger (FDP) seine Ernennungsurkunde zum Bundesminister für Bildung und Forschung aus der Hand des Bundespräsidenten entgegennehmen.
Seine erste bildungspolitische Ansage sendet Özdemir aus der Ferne: “Eine gute Bildung und die Sicherung des Wissenschafts- und Forschungsstandortes sind für die Zukunft Deutschlands von überragender Bedeutung. Ich will dazu meinen Beitrag leisten.” Viel mehr wird für die Restzeit bis zu den Neuwahlen von ihm nicht zu erwarten sein. Ohne Mehrheit im Bundestag wird er nichts von Belang durchsetzen können.
Eventuell könnte er noch die beamteten Staatssekretäre Roland Philippi und Judith Pirscher ersetzen, beides ausgewiesene FDP-Leute. Vielleicht sucht er nach auch nach einem neuen Ministeriumssprecher. Katrin Mendorf ist gerade erst als Sprecherin der FDP-Fraktion ins BMBF gewechselt. Gerüchteweise heißt es auch, er schaue sich im Parlament nach neuen, grünen Köpfen um, um die beiden parlamentarischen Staatssekretäre Jens und Mario Brandenburg (beide FDP) zu ersetzen. Beide sind, wie ihre ehemalige Chefin, seit Donnerstag nicht mehr im Amt.