Table.Briefing: Research

+++ Table.Alert +++ Nach Ultimatum des Akademischen Senats: TU Berlin-Präsidentin Geraldine Rauch tritt nicht zurück

+++ Table.Alert +++ TU-Berlin: Geraldine Rauch will im Amt bleiben

Liebe Leserin, lieber Leser,

Geraldine Rauch (42) bleibt Präsidentin der TU Berlin. Das ist – ohne dies inhaltlich zu werten – eine couragierte Entscheidung. Sie will den Weg der Selbstläuterung (Rauch hat ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst beantragt) auch ohne die mehrheitliche Rückendeckung aus den Gremien ihrer Universität gehen. Die Wissenschaftsmanagerin, die den Stempel als Aktivistin im Amt wohl nicht mehr ablegen wird und das vermutlich auch nicht will – hat sich der medialen und politischen Hetzjagd der letzten Tage nicht ergeben.

Rauch hatte unüberlegt gehandelt und beinahe ihren Job verloren. Die notwendige Zweidrittelmehrheit für ihre Abwahl wird in den TU-Gremien wohl nicht zustande kommen, aber sie ist als öffentliche Figur deutlich beschädigt. Ihre Arbeit als Hochschulmanagerin, im Zukunftsrat des Bundeskanzlers und als Sprecherin des Exzellenzbündnisses der Berliner Universitäten wird nicht einfacher, wenn sie diese Aufgaben überhaupt weiter übernehmen darf.

Auch wenn sie die umstrittenen Likes nicht aus antisemitischen Motiven getätigt hat – dieser Auffassung schloss sich auch der Senat der TU an – hat die schnelle, manchmal eben vorschnelle Reaktion bei ihr System. Vermutlich erklärt sich Rauchs Aktivismus aus dem Glauben, politisch und moralisch auf der richtigen Seite zu stehen. Von der Seitenlinie leicht gesagt: aber manchmal ist weniger eben mehr, vor allem wenn man radikale Reformen in einem trägen System anstoßen will.

Ihre Universität fremdelt jetzt auch offiziell mit ihr, wenn sie es nicht schon vorher getan hat. Die Journalistin Anna-Lena Scholz hat es in der “Zeit” beschrieben: “Eine, die erst mit den Studierenden spricht, dann mit den Professoren. Die bei Campus-Partys auf dem Tisch tanzt, die gern drauflos duzt. Kollegen, Journalistinnen, egal, ,ich bin die Geraldine’. Die Haare rot, die Nase gepierct. Nicht so schwierig, in der Riege der Universitätspräsidenten, wo die dunkelblaue Krawatte dominiert, damit aufzufallen.”

Der vielleicht größte Verlierer der aktuellen Situation ist die (wissenschafts-)politische Debattenkultur: Der Umgang mit propalästinensischen Protesten an Universitäten ist komplex, der Konflikt ohnehin emotional aufgeladen und kaum zu befrieden. Rauch hat dieser Debatte mit ihren Likes nicht gutgetan. Aber auch Medienschaffende und Politiker haben in den vergangenen Tagen eine unrühmliche Hetzjagd geführt. Sie bemühten sich nach Kräften, aus dem schwerwiegenden Versehen einer Uni-Präsidentin eine aufgeheizte Antisemitismus-Affäre zu stricken. Sie müssen sich die Frage gefallen lassen, ob sie für die zunehmende Polarisierung des Diskurses mitverantwortlich sind.

Alle Informationen zur Entscheidung von Geraldine Rauch und dem Votum des Akademischen Senats fasst meine Kollegin Anne Brüning in einer Analyse für Sie zusammen.

Ich wünsche Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre,

Ihr
Tim Gabel
Bild von Tim  Gabel

Analyse

TU Berlin-Präsidentin Geraldine Rauch: “Ich trete nicht zurück”

Geraldine Rauch, Präsidentin der Technischen Universität Berlin, nimmt an einer regulären Sitzung des Erweiterten Akademischen Senats teil.
Geraldine Rauch am Mittwoch zu Beginn der Sitzung des Akademischen Senats der TU Berlin.

Geraldine Rauch beweist Standhaftigkeit. Nachdem der Akademische Senat keinen Abwahlantrag gestellt hat und sich lediglich 12 der 25 Senatorinnen für ihren Verbleib im Amt ausgesprochen haben, teilte sie heute am späten Nachmittag mit: “Ich trete nicht zurück”.

Die Grundordnung der TU Berlin sehe ein geordnetes Verfahren für die mögliche Abwahl der Universitätsleitung vor, heißt es in dem Statement. Der Akademische Senat habe keinen Abwahlantrag gestellt. “In einem Meinungsbild sprachen sich 13 Senator*innen für meinen Rücktritt und 12 Senator*innen dagegen aus.” Die Debatte sei konstruktiv gewesen.

Rauch setzt auf das Disziplinarverfahren

“Mich haben viele Aufrufe und Stellungnahmen erreicht, die mich auffordern zu bleiben“, heißt es in dem Statement. Rauch kündigt an, dass sie an ihren Fehlern arbeiten werde. “Im Akademischen Senat habe ich Maßnahmen für einen gemeinsamen Weg in die Zukunft genannt. Das von mir eingereichte Disziplinarverfahren wird eine juristische Bewertung hervorbringen.”

Der Eklat um ihre Person war entstanden, weil sie antisemitische Posts auf der Plattform X mit einem Like markiert hat. Dabei ging es insbesondere um einen Beitrag mit Fotos von Demonstranten, die ein Bild des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu mit aufgemaltem Hakenkreuz hochhalten.

Der Akademische Senat der TU Berlin hatte bei seiner Sitzung am gestrigen Mittwoch anders als erwartet nicht über einen Abwahlantrag Rauchs abgestimmt. Stattdessen hatte er die Präsidentin, gebeten, die Entscheidung selbst zu treffen und ihr dazu ein in einer geheimen Abstimmung erstelltes Meinungsbild der 25 Mitglieder übermittelt.

Knappes Ergebnis der Abstimmung im Akademischen Senat

Das Ergebnis ist erst nach Ablauf von 24 Stunden, heute am späten Nachmittag, öffentlich gemacht worden. Der Senat wollte Rauch die Gelegenheit geben, auf das Meinungsbild zu reagieren. Wie nun bekannt wurden, stimmten 13 Senatoren für den Rücktritt, 12 für ein Verbleiben im Amt, Enthaltungen gab es nicht.

Das Gremium, das sich aus Hochschullehrern, akademischen Mitarbeitern, Studenten und Mitarbeitern für Technik, Service und Verwaltung zusammensetzt, hatte zuvor deutlich gemacht, dass es der Auffassung sei, dass Rauch unbestreitbar einen schwerwiegenden Fehler begangen habe. Es hatte zwei Handlungsoptionen formuliert:

  • entweder muss Geraldine Rauch geeignete Lösungswege finden und den Vorgang aufarbeiten
  • oder vom Amt zurücktreten.

Zu den Antisemitismus-Vorwürfen stellte der Akademische Senat klar: “Es ist Konsens im Gremium, dass Geraldine Rauch, Präsidentin der TU Berlin, keine Antisemitin ist und sich stark gegen Antisemitismus an der TU Berlin einsetzt. Die Senator*innen sind entsetzt über die mediale Hetze, die sich auch persönlich gegen Geraldine Rauch richtet.”

Rücktrittsforderungen von CDU-Politikern, Unterstützung aus der SPD

Rauch hatte sich nach Bekanntwerden der Vorwürfe am 29. Mai in einem persönlichen Statement entschuldigt und sich von den antisemitischen Inhalten der Tweets klar distanziert. Vor allem aus der Politik mehrten sich dennoch die Rücktrittsforderungen.

Unter anderem forderte der Regierende Bürgermeister von Berlin, Kai Wegner (CDU), ihren Rücktritt. In dieser Woche sprach sich auch sein Parteikollege Armin Laschet für den Rücktritt Rauchs aus. CDU-Chef Friedrich Merz kritisierte am Donnerstag im Bundestag in der Antwort auf die Regierungserklärung von Olaf Scholz, dass Rauch immer noch im Amt sei. Er forderte den Bundeskanzler auf, Geraldine Rauch aus dem Zukunftsrat des Kanzleramts auszuschließen.

Dass er sie fälschlicherweise als Präsidentin der FU Berlin bezeichnete, mag ein Versprecher gewesen sein. Auf X hatte sein Team sie zuvor korrekt zugeordnet und geschrieben: “Wenn #Antisemitismus in Deutschland keinen Platz haben soll, dann muss TU-Präsidentin Rauch zurücktreten.” SPD-Forschungspolitiker kritisierten Merz für diese Äußerung. Carolin Wagner antwortete auf X: “Geliked wurde ein Post, dessen verlinktes Foto antisemitisch ist. Geraldine Rauch teilt diese Einstufung & hat sich entschuldigt. Sie in einem Post über ,Feinde d. Demokratie’ + ‘tief sitzendem Antisemitismus’ zu nennen, ist infam. Merz beteiligt sich an einer Hetzjagd.”

Asta und Universitätsbedienstete hatten kritische Unterstützung zugesichert

Auch ihr Partei- und Forschungsausschusskollege Ruppert Stüwe bezeichnete den Tweet als “infam statt sachorientiert” und warnte: “Wir müssen aufpassen, dass in unserem Diskurs noch Raum für Differenzierung bleibt und es nicht nur um Symbole und Trophäen geht.”

Zuvor hatte Rauch bereits von Studierenden- und Bedienstetenseite “kritische” Unterstützung erhalten. Der Asta hat ein Statement veröffentlicht, in dem er die Rücktrittsforderungen zurückweist. Und auch etliche TUB-Bedienstete stellten sich in einem offenen Brief hinter sie und appellierten daran, zwischen “berechtigter Kritik und ungerechtfertigter Hetze” zu unterscheiden.

Disziplinarverfahren gegen sich selbst beantragt

Zu Beginn der Sitzung des Akademischen Senats hatte Geraldine Rauch erklärt, bei der Wissenschaftsverwaltung ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst beantragt zu haben. Sie wolle sich den Vorwürfen gegen sich selbst stellen und eine objektive Aufklärung ermöglichen. Der Verwaltungsrechtler Markus Ogorek bezeichnete das im Gespräch mit Table.Briefings als taktisch klugen Schritt.

Rauch hatte am Mittwoch angekündigt, Sprechstunden für jüdische Studenten anbieten zu wollen. Auch eine Beratungsstelle für Betroffene von Antisemitismus soll nach ihren Aussagen ausgebaut werden. Außerdem will sie mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland, der Jüdischen Studierendenunion und anderen Vertretungen von Betroffenen ins Gespräch kommen, um eine “ehrliche Aufarbeitung der Geschehnisse bitten” und Vorschläge und Anregungen aufzugreifen. Bei möglichen antisemitischen Protesten auf dem Hochschulgelände wolle sie umgehend reagieren. Auch eine Beratungsstelle für Betroffene von Antisemitismus soll ausgebaut werden.

Zentralrat der Juden sieht nötiges Verständnis und Feingefühl nicht gegeben

Der Zentralrat der Juden in Deutschland bezeichnete Rauchs Schritt, ein Disziplinarverfahren gegen sich einzuleiten, als “Akt eines für die TU Berlin unwürdigen Vorgangs”. Sie habe in einer Zeit, in der Israel-Hass an deutschen Hochschulen grassiere, mit dem Liken mehrerer antisemitischer Postings und ihrem weiteren Verhalten bewiesen, dass sie nicht das nötige Verständnis und Feingefühl habe, den Ernst der Lage zu erkennen. “Daraus sollte sie die notwendigen Schlüsse ziehen”, hieß es am Mittwoch in einer Mitteilung.

Für kommenden Montag hat das Kuratorium der TU – der Aufsichtsrat – eine Sondersitzung zum Fall Rauch anberaumt. Auch dort sollte es um die mögliche Abwahl Rauchs gehen. Laut Grundordnung der TUB wäre für eine Abwahl eine Zweidrittelmehrheit im Senat erforderlich gewesen. Diese hätte dann mit dem gleichen Quorum im Erweiterten Senat und im Kuratorium der TU Berlin bestätigt werden müssen. Nun wird es interessant, wie sich das Kuratorium positioniert.  mit dpa

  • Antisemitismus
  • Forschungspolitik
  • Universitäten

Research.Table Redaktion

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    +++ Table.Alert +++ TU-Berlin: Geraldine Rauch will im Amt bleiben

    Liebe Leserin, lieber Leser,

    Geraldine Rauch (42) bleibt Präsidentin der TU Berlin. Das ist – ohne dies inhaltlich zu werten – eine couragierte Entscheidung. Sie will den Weg der Selbstläuterung (Rauch hat ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst beantragt) auch ohne die mehrheitliche Rückendeckung aus den Gremien ihrer Universität gehen. Die Wissenschaftsmanagerin, die den Stempel als Aktivistin im Amt wohl nicht mehr ablegen wird und das vermutlich auch nicht will – hat sich der medialen und politischen Hetzjagd der letzten Tage nicht ergeben.

    Rauch hatte unüberlegt gehandelt und beinahe ihren Job verloren. Die notwendige Zweidrittelmehrheit für ihre Abwahl wird in den TU-Gremien wohl nicht zustande kommen, aber sie ist als öffentliche Figur deutlich beschädigt. Ihre Arbeit als Hochschulmanagerin, im Zukunftsrat des Bundeskanzlers und als Sprecherin des Exzellenzbündnisses der Berliner Universitäten wird nicht einfacher, wenn sie diese Aufgaben überhaupt weiter übernehmen darf.

    Auch wenn sie die umstrittenen Likes nicht aus antisemitischen Motiven getätigt hat – dieser Auffassung schloss sich auch der Senat der TU an – hat die schnelle, manchmal eben vorschnelle Reaktion bei ihr System. Vermutlich erklärt sich Rauchs Aktivismus aus dem Glauben, politisch und moralisch auf der richtigen Seite zu stehen. Von der Seitenlinie leicht gesagt: aber manchmal ist weniger eben mehr, vor allem wenn man radikale Reformen in einem trägen System anstoßen will.

    Ihre Universität fremdelt jetzt auch offiziell mit ihr, wenn sie es nicht schon vorher getan hat. Die Journalistin Anna-Lena Scholz hat es in der “Zeit” beschrieben: “Eine, die erst mit den Studierenden spricht, dann mit den Professoren. Die bei Campus-Partys auf dem Tisch tanzt, die gern drauflos duzt. Kollegen, Journalistinnen, egal, ,ich bin die Geraldine’. Die Haare rot, die Nase gepierct. Nicht so schwierig, in der Riege der Universitätspräsidenten, wo die dunkelblaue Krawatte dominiert, damit aufzufallen.”

    Der vielleicht größte Verlierer der aktuellen Situation ist die (wissenschafts-)politische Debattenkultur: Der Umgang mit propalästinensischen Protesten an Universitäten ist komplex, der Konflikt ohnehin emotional aufgeladen und kaum zu befrieden. Rauch hat dieser Debatte mit ihren Likes nicht gutgetan. Aber auch Medienschaffende und Politiker haben in den vergangenen Tagen eine unrühmliche Hetzjagd geführt. Sie bemühten sich nach Kräften, aus dem schwerwiegenden Versehen einer Uni-Präsidentin eine aufgeheizte Antisemitismus-Affäre zu stricken. Sie müssen sich die Frage gefallen lassen, ob sie für die zunehmende Polarisierung des Diskurses mitverantwortlich sind.

    Alle Informationen zur Entscheidung von Geraldine Rauch und dem Votum des Akademischen Senats fasst meine Kollegin Anne Brüning in einer Analyse für Sie zusammen.

    Ich wünsche Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre,

    Ihr
    Tim Gabel
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    TU Berlin-Präsidentin Geraldine Rauch: “Ich trete nicht zurück”

    Geraldine Rauch, Präsidentin der Technischen Universität Berlin, nimmt an einer regulären Sitzung des Erweiterten Akademischen Senats teil.
    Geraldine Rauch am Mittwoch zu Beginn der Sitzung des Akademischen Senats der TU Berlin.

    Geraldine Rauch beweist Standhaftigkeit. Nachdem der Akademische Senat keinen Abwahlantrag gestellt hat und sich lediglich 12 der 25 Senatorinnen für ihren Verbleib im Amt ausgesprochen haben, teilte sie heute am späten Nachmittag mit: “Ich trete nicht zurück”.

    Die Grundordnung der TU Berlin sehe ein geordnetes Verfahren für die mögliche Abwahl der Universitätsleitung vor, heißt es in dem Statement. Der Akademische Senat habe keinen Abwahlantrag gestellt. “In einem Meinungsbild sprachen sich 13 Senator*innen für meinen Rücktritt und 12 Senator*innen dagegen aus.” Die Debatte sei konstruktiv gewesen.

    Rauch setzt auf das Disziplinarverfahren

    “Mich haben viele Aufrufe und Stellungnahmen erreicht, die mich auffordern zu bleiben“, heißt es in dem Statement. Rauch kündigt an, dass sie an ihren Fehlern arbeiten werde. “Im Akademischen Senat habe ich Maßnahmen für einen gemeinsamen Weg in die Zukunft genannt. Das von mir eingereichte Disziplinarverfahren wird eine juristische Bewertung hervorbringen.”

    Der Eklat um ihre Person war entstanden, weil sie antisemitische Posts auf der Plattform X mit einem Like markiert hat. Dabei ging es insbesondere um einen Beitrag mit Fotos von Demonstranten, die ein Bild des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu mit aufgemaltem Hakenkreuz hochhalten.

    Der Akademische Senat der TU Berlin hatte bei seiner Sitzung am gestrigen Mittwoch anders als erwartet nicht über einen Abwahlantrag Rauchs abgestimmt. Stattdessen hatte er die Präsidentin, gebeten, die Entscheidung selbst zu treffen und ihr dazu ein in einer geheimen Abstimmung erstelltes Meinungsbild der 25 Mitglieder übermittelt.

    Knappes Ergebnis der Abstimmung im Akademischen Senat

    Das Ergebnis ist erst nach Ablauf von 24 Stunden, heute am späten Nachmittag, öffentlich gemacht worden. Der Senat wollte Rauch die Gelegenheit geben, auf das Meinungsbild zu reagieren. Wie nun bekannt wurden, stimmten 13 Senatoren für den Rücktritt, 12 für ein Verbleiben im Amt, Enthaltungen gab es nicht.

    Das Gremium, das sich aus Hochschullehrern, akademischen Mitarbeitern, Studenten und Mitarbeitern für Technik, Service und Verwaltung zusammensetzt, hatte zuvor deutlich gemacht, dass es der Auffassung sei, dass Rauch unbestreitbar einen schwerwiegenden Fehler begangen habe. Es hatte zwei Handlungsoptionen formuliert:

    • entweder muss Geraldine Rauch geeignete Lösungswege finden und den Vorgang aufarbeiten
    • oder vom Amt zurücktreten.

    Zu den Antisemitismus-Vorwürfen stellte der Akademische Senat klar: “Es ist Konsens im Gremium, dass Geraldine Rauch, Präsidentin der TU Berlin, keine Antisemitin ist und sich stark gegen Antisemitismus an der TU Berlin einsetzt. Die Senator*innen sind entsetzt über die mediale Hetze, die sich auch persönlich gegen Geraldine Rauch richtet.”

    Rücktrittsforderungen von CDU-Politikern, Unterstützung aus der SPD

    Rauch hatte sich nach Bekanntwerden der Vorwürfe am 29. Mai in einem persönlichen Statement entschuldigt und sich von den antisemitischen Inhalten der Tweets klar distanziert. Vor allem aus der Politik mehrten sich dennoch die Rücktrittsforderungen.

    Unter anderem forderte der Regierende Bürgermeister von Berlin, Kai Wegner (CDU), ihren Rücktritt. In dieser Woche sprach sich auch sein Parteikollege Armin Laschet für den Rücktritt Rauchs aus. CDU-Chef Friedrich Merz kritisierte am Donnerstag im Bundestag in der Antwort auf die Regierungserklärung von Olaf Scholz, dass Rauch immer noch im Amt sei. Er forderte den Bundeskanzler auf, Geraldine Rauch aus dem Zukunftsrat des Kanzleramts auszuschließen.

    Dass er sie fälschlicherweise als Präsidentin der FU Berlin bezeichnete, mag ein Versprecher gewesen sein. Auf X hatte sein Team sie zuvor korrekt zugeordnet und geschrieben: “Wenn #Antisemitismus in Deutschland keinen Platz haben soll, dann muss TU-Präsidentin Rauch zurücktreten.” SPD-Forschungspolitiker kritisierten Merz für diese Äußerung. Carolin Wagner antwortete auf X: “Geliked wurde ein Post, dessen verlinktes Foto antisemitisch ist. Geraldine Rauch teilt diese Einstufung & hat sich entschuldigt. Sie in einem Post über ,Feinde d. Demokratie’ + ‘tief sitzendem Antisemitismus’ zu nennen, ist infam. Merz beteiligt sich an einer Hetzjagd.”

    Asta und Universitätsbedienstete hatten kritische Unterstützung zugesichert

    Auch ihr Partei- und Forschungsausschusskollege Ruppert Stüwe bezeichnete den Tweet als “infam statt sachorientiert” und warnte: “Wir müssen aufpassen, dass in unserem Diskurs noch Raum für Differenzierung bleibt und es nicht nur um Symbole und Trophäen geht.”

    Zuvor hatte Rauch bereits von Studierenden- und Bedienstetenseite “kritische” Unterstützung erhalten. Der Asta hat ein Statement veröffentlicht, in dem er die Rücktrittsforderungen zurückweist. Und auch etliche TUB-Bedienstete stellten sich in einem offenen Brief hinter sie und appellierten daran, zwischen “berechtigter Kritik und ungerechtfertigter Hetze” zu unterscheiden.

    Disziplinarverfahren gegen sich selbst beantragt

    Zu Beginn der Sitzung des Akademischen Senats hatte Geraldine Rauch erklärt, bei der Wissenschaftsverwaltung ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst beantragt zu haben. Sie wolle sich den Vorwürfen gegen sich selbst stellen und eine objektive Aufklärung ermöglichen. Der Verwaltungsrechtler Markus Ogorek bezeichnete das im Gespräch mit Table.Briefings als taktisch klugen Schritt.

    Rauch hatte am Mittwoch angekündigt, Sprechstunden für jüdische Studenten anbieten zu wollen. Auch eine Beratungsstelle für Betroffene von Antisemitismus soll nach ihren Aussagen ausgebaut werden. Außerdem will sie mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland, der Jüdischen Studierendenunion und anderen Vertretungen von Betroffenen ins Gespräch kommen, um eine “ehrliche Aufarbeitung der Geschehnisse bitten” und Vorschläge und Anregungen aufzugreifen. Bei möglichen antisemitischen Protesten auf dem Hochschulgelände wolle sie umgehend reagieren. Auch eine Beratungsstelle für Betroffene von Antisemitismus soll ausgebaut werden.

    Zentralrat der Juden sieht nötiges Verständnis und Feingefühl nicht gegeben

    Der Zentralrat der Juden in Deutschland bezeichnete Rauchs Schritt, ein Disziplinarverfahren gegen sich einzuleiten, als “Akt eines für die TU Berlin unwürdigen Vorgangs”. Sie habe in einer Zeit, in der Israel-Hass an deutschen Hochschulen grassiere, mit dem Liken mehrerer antisemitischer Postings und ihrem weiteren Verhalten bewiesen, dass sie nicht das nötige Verständnis und Feingefühl habe, den Ernst der Lage zu erkennen. “Daraus sollte sie die notwendigen Schlüsse ziehen”, hieß es am Mittwoch in einer Mitteilung.

    Für kommenden Montag hat das Kuratorium der TU – der Aufsichtsrat – eine Sondersitzung zum Fall Rauch anberaumt. Auch dort sollte es um die mögliche Abwahl Rauchs gehen. Laut Grundordnung der TUB wäre für eine Abwahl eine Zweidrittelmehrheit im Senat erforderlich gewesen. Diese hätte dann mit dem gleichen Quorum im Erweiterten Senat und im Kuratorium der TU Berlin bestätigt werden müssen. Nun wird es interessant, wie sich das Kuratorium positioniert.  mit dpa

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