Table.Briefing: Research

+++ Table.Alert +++ Exzellenzwettbewerb: Tübingen triumphiert, der Osten ist stark

Liebe Leserin, lieber Leser,

die erste Entscheidung in der aktuellen Runde der Exzellenzstrategie wurde mit Spannung erwartet. Heute Morgen gab die DFG bekannt, welche Exzellenzcluster-Anträge in die zweite Runde kommen.

Freuen kann sich vor allem der Süden, besonders Tübingen sticht hervor. Aber auch Dresden, die TU Darmstadt oder die rheinischen Universitäten in Aachen, Bonn und Köln waren erfolgreich. An einigen anderen Standorten hingegen dürfte Enttäuschung herrschen. Göttingen muss bereits jetzt seine Hoffnungen auf den Exzellenzuni-Status begraben.

Wir liefern Ihnen mit diesem Alert den Überblick über die Ergebnisse, haben die wichtigsten Reaktionen der Beteiligten zusammengefasst und darüber hinaus Einschätzungen eingeholt: Der Forschungsausschussvorsitzende Kai Gehring und Volker Meyer-Guckel, Generalsekretär des Stifterverbands, freuen sich über ein starkes ostdeutsches Abschneiden. Matthias Kleiner hat eine Vermutung, wie dieses zustande kommt.

Im Interview mit Anne Brüning ordnet Georg Schütte, Generalsekretär der VolkswagenStiftung, die Exzellenzstrategie und ihre Wirkungen international ein und benennt alternative Wege für eine stärkere Finanzierung der deutschen Hochschulen.

Ich wünsche Ihnen eine exzellente Lektüre

Ihr
Markus Weisskopf
Bild von Markus  Weisskopf

Analyse

Exzellenzcluster-Vorentscheid: Tübingen triumphiert, Deutschlands Süden bleibt stark 

Die Universität Tübingen ist der große Gewinner der Exzellenzcluster-Auswahl.

Mit der ersten Entscheidung über die Exzellenzcluster-Anträge wurde heute die zweite Runde der Exzellenzstrategie eingeläutet. Von 143 eingereichten Antragsskizzen wurden lediglich 41 ausgewählt. Sie kommen aus 37 Hochschulen aus 13 Bundesländern. Diese konkurrieren nun in einer zweiten Runde mit den schon bestehenden 57 Clustern um die bis zu 70 möglichen Förderplätze. Für diese 70 Cluster stehen ab Januar 2026 insgesamt 539 Millionen Euro Förderung jährlich zur Verfügung.  

Die endgültige Entscheidung zu den Clustern fällt im Mai 2025. Welche Hochschulen künftig den Titel Exzellenzuniversität tragen dürfen, wird erst 2026 final sein. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ist für diese erste Förderlinie der Exzellenzstrategie zuständig, der Wissenschaftsrat betreut den Prozess zu den Exzellenzunis in der zweiten Förderlinie. 

Konstanz enttäuscht, Bayern bleibt München  

Die Ausgangslage: 59 von 108 Universitäten in Deutschland haben sich an den Anträgen für die Exzellenzcluster beteiligt. 55 Anträge wurden im Zweier-Verbund gestellt, 14 davon gar im Verbund aus drei Universitäten. Mehr als die Hälfte der Anträge ordneten sich mehr als einem Fachbereich zu, sind also interdisziplinär und 80 Prozent der Anträge beziehen außeruniversitäre Partner mit ein.  

Die Universität Tübingen ist wohl die größte Gewinnerin dieser ersten Runde der Exzellenzcluster. Der gesamte Süden und Südwesten haben gut abgeschnitten – mit der Einschränkung, dass die Elite-Uni Konstanz gar kein Cluster in die zweite Runde bekam und das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) lediglich eines. Auch der Plan, dass Bayern neben München deutlich stärker werden soll, ist so nicht aufgegangen. 

So verteilen sich die 41 Exzellenzcluster-Anträge, die den Schritt in die zweite Runde geschafft haben. Dort konkurrieren sie mit den bereits bestehenden Clustern. Diese sind hier einzusehen.

Starkes Rheinland, schwaches Niedersachsen 

Stark auch der rheinische Teil von NRW mit Köln, Aachen und Bonn. Die für die Exzellenzuniversitätsförderung angestrebte Ruhr-Allianz ist zwar mit Duisburg-Essen und der TU Dortmund zweimal vertreten, hätte sich jedoch sicher etwas mehr ausgerechnet. Und auch die Uni Münster wird enttäuscht sein. Hier hat es kein Antrag in die zweite Runde geschafft. 

Mehr erwartet hatten sich sicherlich die niedersächsischen Universitäten, allen voran die Uni Göttingen. Ohne ein weiteres Exzellenzcluster wird hier auch weiterhin kein Antrag als Exzellenzuniversität möglich sein. Bemerkenswert auch, dass die TU Braunschweig kein neues Cluster in die zweite Runde bekommen konnte. 

Dresden und Leipzig überzeugen   

Freude wird hingegen vermutlich in Dresden über zwei eigene und ein Cluster im Verbund herrschen. Damit wird man vermutlich den Status als Exzellenzuniversität stärken können. Insgesamt kann sich Sachsen freuen: Auch Leipzig geht mit zwei Anträgen in die nächste Runde und hält sich damit auch die Tür für einen Exzellenz-Uni-Antrag offen. 

Der weitere Blick auf die ostdeutschen Bundesländer zeigt ein gemischtes Bild. Während man in Sachsen-Anhalt mit Clustern in Magdeburg und Halle zufrieden sein dürfte, gehen Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern komplett leer aus. Auch Thüringen dürfte mit nur einem Antrag in der nächsten Runde für Jena nicht glücklich sein.  

Ordentliches Ergebnis für Berlin 

Wenig überraschend das Abschneiden von Berlin und München. In Berlin dürfte man vor allem an der FU mit drei Clusterbeteiligungen mehr als beruhigt sein. Auch TU München und LMU schlossen mit jeweils einem eigenen Cluster und zwei Verbundbeteiligungen erwartbar gut ab.   

Was die Entscheidungen für die Bewerbungen als Exzellenzuni bedeuten  

Eine der spannendsten Fragen heute war, ob bereits einige Universitäten oder potenzielle Verbünde ihre Ambitionen auf den Titel Exzellenzuniversität begraben müssen. Um sich für die Förderung in dieser zweiten Förderlinie bewerben zu können, braucht es mindestens zwei Cluster für eine Uni oder drei im Verbund, wobei jeder Verbundpartner an mindestens einem Cluster beteiligt sein muss.  

Bis zu 15 Exzellenzuniversitäten können ab 2027 gefördert werden. Zu den elf bestehenden, die sich ebenfalls nochmals bewerben müssen, können also mindestens vier neue dazustoßen.  

Neue Uni-Verbünde in Sicht, Göttingen ist abermals raus 

Eine potenzielle Rhein-Main-Allianz Darmstadt, Frankfurt und Mainz wäre weiterhin im Rennen, nachdem alle drei Universitäten weiter im Rennen sind. Besonders die TU Darmstadt konnte überzeugen. Bei der Ruhr-Allianz Bochum, TU Dortmund und Duisburg-Essen bleiben die Chancen auch erhalten. Aber hier heißt es Zittern, denn Duisburg-Essen müsste dafür in der zweiten Runde mit dem einen Antrag auf jeden Fall durchkommen.  

Wieder mit ins Rennen gehen könnte die ehemalige Exzellenzuniversität Bremen, falls sie den jetzt in der zweiten Runde befindlichen Antrag erfolgreich durchbringt. Neue Chancen haben jetzt auch Oldenburg, Gießen, Würzburg, Ulm und Jena – falls sie in der zweiten Runde erfolgreich sind und ihre “alten” Cluster behalten. Sicher wieder nicht antreten kann die Universität Göttingen, die keinen erfolgreichen Antrag verbuchen kann. 

Clusterverbünde unterdurchschnittlich erfolgreich 

Die Verbünde von Exzellenzclustern zeigten sich insgesamt nicht überdurchschnittlich erfolgreich. So wurden zum Beispiel von 14 Dreier-Verbünden nur drei gefördert. Auch bei den Zweier-Kooperationen war die Erfolgsquote leicht unterdurchschnittlich. 

Wie es weitergeht: 50-prozentige Chance für Newcomer 

Bis zum 22. August 2024 müssen nun die Vollanträge für die Cluster bei der DFG eingehen. Dabei werden den bestehenden Clustern bessere Chancen eingeräumt als den Neuanträgen. Insider rechnen mit einer Förderquote von circa 80 Prozent bei den bereits bestehenden 57 Clustern. Damit haben Neuanträge eine rund 50-prozentige Chance auf Förderung. 

Die finale Entscheidung über die Cluster fällt im Mai 2025. Der Förderstart für die neuen Cluster ist dann Januar 2026. Für die Förderlinie Exzellenzuniversitäten beginnt die neue Förderphase erst Anfang 2027. Neuanträge sind voraussichtlich bis Mitte November 2025 einzureichen. Einen Überblick über die gesamte Zeitschiene gibt es hier

  • DFG
  • Exzellenzstrategie
  • Wissenschaftsrat
Translation missing.

Reaktionen auf Vorentscheid: Ostdeutschland stärker, neue Uni-Allianzen formieren sich

Erfreut zeigte man sich vor allem im Südwesten der Republik. Allein zehn der 41 neuen Cluster, die nun in die nächste Runde kommen, sind in Baden-Württemberg angesiedelt. Entsprechend lobte Wissenschaftsministerin Petra Olschowski, dass die Landesuniversitäten “im harten Wettbewerb um neue Exzellenzcluster einen bedeutenden Etappensieg errungen” haben. Das sei ein “weiterer eindrucksvoller Beleg für Baden-Württembergs Forschungsstärke”.

Nach Ansicht von Georg Schütte, Generalsekretär der Volkswagenstiftung, spricht das auffällig gute Abschneiden Tübingens zugleich dafür, dass das Verfahren wissenschaftsgeleitet war und nicht strukturpolitisch. Das sei gut, sagte er im Interview mit Table.Media.

Glückliche Tübinger, Gemkow: “großer Tag für sächsische Wissenschaft”

Sechs von sieben Anträgen der Universität Tübingen wurden zu einem Vollantrag aufgefordert – bundesweit spitze. Entsprechend glücklich stellte die Rektorin Karla Pollmann fest: “Damit gehört Tübingen erneut zu den erfolgreichsten Universitäten Deutschlands und unterstreicht seine Stellung als Ort der Spitzenforschung national und international.”

Und auch in Sachsen sprach Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow von einem “außergewöhnlich großen Erfolg, dass zwei unserer Universitäten jetzt die Endrunde im Wettbewerb um Exzellenzcluster erreicht haben”. Sachsen sei überdurchschnittlich in der Endrunde vertreten. “Das ist ein großer Tag für die sächsische Wissenschaft und zeigt, dass exzellente Forscherinnen und Forscher in Sachsen ihre Heimat haben. Es zeigt aber auch, dass die Unterstützung des Freistaats für unsere Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen richtig und vor allem berechtigt ist.”

Bayern hofft auf Verbesserung im Vergleich zur laufenden Runde

Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis der bayerischen Universitäten. Mit immerhin fünf beteiligten Hochschulen könne man auf ein besseres Ergebnis als in der laufenden Förderrunde hoffen.

Trotz nur eines rheinland-pfälzischen Clusters in Mainz befand Wissenschaftsminister Clemens Hoch dies als “gute Basis” – vor allem mit Blick auf einen Exzellenz-Uni-Antrag der Allianz der Rhein-Main-Universitäten (Mainz, Frankfurt, Darmstadt).

Investitionen in Sachsen-Anhalt zahlen sich aus

Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, das Saarland und Sachsen-Anhalt sind die Bundesländer, die bisher gar kein Exzellenzcluster hatten. Vor allem in Sachsen-Anhalt waren die Ambitionen groß, endlich mitzumischen. Das könnte klappen: Die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg kommen jeweils mit einer Projektskizze in die nächste Wettbewerbsrunde. In Halle handelt es sich um einen Verbund von Clustern zusammen mit der FU Berlin und der Universität Regensburg. “Das ist eine großartige Nachricht für den Wissenschaftsstandort Sachsen-Anhalt”, erklärte Wissenschaftsminister Armin Willingmann (SPD).

 “Erstmals rückt die weitreichende Exzellenzförderung des Bundes für uns in greifbare Nähe.” Er sieht sich in seiner Strategie bestätigt, nachdrücklich auf Exzellenz zu setzen. Für eine solide Vorbereitung der Antragsskizzen habe sein Ministerium den Universitäten in den vergangenen zwei Jahren insgesamt 13 Millionen Euro zusätzlich bereitgestellt. Von vier eingereichten Skizzen kamen nun zwei in die nächste Runde.

Auch die Universität des Saarlandes ist mit einer Projektskizze in der nächsten Runde – was zusätzlich auf den Südwesten als starken Forschungsstandort einzahlt. Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern gingen leer aus. Bitter ist das unter anderem für die Universität Potsdam, die sich mit drei Anträgen ins Rennen begeben hatte.

Verbünde UA11+ und German U15 sind sehr zufrieden

Grund zur Freude hat der Potsdamer Unipräsident Oliver Günther dennoch, und zwar in seiner Funktion als Vorstandsvorsitzende der UA11+, dem Verbund der mittelgroßen forschungsstarken Universitäten, die erklärtermaßen aufschließen wollen. “Sechs Clusteranträge unserer Mitgliedshochschulen sind in die nächste Runde gekommen”, sagt Günther. “Dies zeigt die Leistungsfähigkeit der Spitzenforschung der in den UA 11+ vertretenen Universitäten sehr deutlich.”

Für die German U15 ordnete deren Vorsitzender und Rektor der Universität Bonn, Michael Hoch, die Ergebnisse ein. Dass an mehr als der Hälfte der ausgewählten Skizzen U15-Universitäten beteiligt waren, sei erfreulich und belege “die große Forschungsstärke unserer Universitäten”.

Kai Gehring: Viele ostdeutsche Vorhaben ein positives Signal

Der Vorsitzende des Forschungsausschusses, Kai Gehring bedankte sich bei den federführenden Organisationen DFG, Wissenschaftsrat und GWK sowie der Expertenkommission für die “schwierige Auswahl”.  Er freue sich, dass unter den Ausgewählten “auch viele ostdeutsche Vorhaben sind”. Dies sei “ein positives Signal für gesamtdeutsche Exzellenz – zumal auch Anträge von Standorten weitergekommen sind, die bislang keine Cluster haben”.

Auch Volker Meyer-Guckel, Generalsekretär des Stifterverbandes, betonte die ostdeutschen Resultate: “Neben den Erfolgen der Forschungsleuchttürme (München; Tübingen) scheint vor allem in den ostdeutschen Bundesländern eine zunehmende Exzellenzorientierung Früchte zu tragen. Umso wichtiger ist es, diese Standorte auch weiter attraktiv für internationale Wissenschaftler zu gestalten. Dazu bedarf es mehr als gute Forschung.”

Ruhrgebiet: Nur Minimalziel erreicht, Infrastrukturreformen gefordert

In NRW, dem bevölkerungsreichsten Bundesland Deutschlands, fällt die Bilanz gemischt aus. Stark der rheinische Teil von NRW mit Köln, Aachen und Bonn. Im Ruhrgebiet hat man dagegen eher das Minimalziel erreicht und gibt sich trotzdem optimistisch. Mit den zwei erfolgreichen Clusterskizzen in der zweiten Auswahlrunde habe man eine “aussichtsreiche Zwischenbilanz”. Diese “unterstreiche, welches Potenzial die Kooperation der drei Universitäten im Ruhrgebiet entfaltet, um im kommenden Jahr gemeinsam als Exzellenzverbund anzutreten”, kündigen die Hochschulen in einer gemeinsamen Mitteilung an.

Der ehemalige DFG-Präsident und Professor für Umformtechnik an der TU Dortmund, Matthias Kleiner, wünscht sich allerdings mehr Beachtung für die Region: “Es geht langsam voran, man würde sich aber an der einen oder anderen Stelle schon wünschen, dass die Schwergewichte aus der Region auch die entsprechende Wahrnehmung erfahren”, sagte Kleiner Table.Media. Er sieht die Region infrastrukturell abgehängt und fordert entsprechende Maßnahmen des Bundes.

Kleiner: Strukturelle Fördermaßnahmen wirken

Matthias Kleiner freut sich ebenfalls über das gute Abschneiden der Universitäten in den ostdeutschen Bundesländern, etwas Dresden, Leipzig und Jena. “Ich glaube nicht daran, dass das eine politische Entscheidung war, die Jury ist ja international aufgestellt. Man sieht viel mehr, dass strukturelle Fördermaßnahmen etwas bewirken können, wenn sie gut gemacht sind.” Das BMBF-Programm Zwanzig20 aus den 2000er-Jahren zu Innovationskooperationen habe hier einen wirklichen Mehrwert geschaffen. Am Beispiel Tübingen lasse sich zudem erkennen, dass Universitäten, die hoch kooperativ sind, Erfolg haben. Die Grenzen zwischen universitärer, außeruniversitärer Forschung und Wirtschaft sollten möglichst durchlässig sein.

Ex-Wissenschaftsministerin Dorn: “Hessen is back”

Aus Hessen konnte Table.Media mit einer hocherfreuten Angela Dorn (Grüne) sprechen. Die ehemalige Wissenschaftsministerin, die ihr Amt erst vor wenigen Tagen an Timon Gremmels (SPD) übergeben hat, ist beglückt über das Abschneiden ihres Bundeslands. “Hessen is back”, sagt Dorn zu den fünf erfolgreichen Clusterskizzen in dieser Runde. Nach dem schlechten Abschneiden in der letzten Runde (nur eine erfolgreiche Skizze) habe sich eine ehrliche Stärken-Schwächen-Analyse ausgezahlt.

“Ich habe mich Anfang der Legislaturperiode vor die Hochschulpräsidenten gestellt und gesagt, dass auch das Ministerium aus den Fehlern lernen will, dass ich das aber auch von den Hochschulen erwarte”. Hessen habe mit einem eigenen Wettbewerb, mit einer kooperativen Strategie gemeinsam mit den Hochschulen und der Unterstützung von Exzellenzprofessuren durch das Loewe-Programm den Turnaround geschafft. “Das ist ein riesengroßer Erfolg unserer Universitäten und Forschungseinrichtungen, aber auch für meine Arbeit das beste Zeugnis, das ich jemals bekommen habe“, sagt Angela Dorn.

  • DFG
  • Exzellenzstrategie
  • Wissenschaftsrat

“Die strukturelle Unterfinanzierung der Universitäten in Deutschland ist nicht durch wettbewerblich zu vergebende Gelder zu lösen”

Der Exzellenzwettbewerb bringt Akteure zusammen, die sonst nicht zusammengekommen wären, sagt Georg Schütte, Generalsekretär der Volkswagenstiftung.

Herr Schütte, waren die Exzellenzinitiative, die vor knapp zwanzig Jahren begann, und die darauffolgende Exzellenzstrategie ein Glücksfall für die deutsche Wissenschaft?

Der Exzellenzwettbewerb hat die Sichtbarkeit des Wissenschaftsstandorts Deutschland auf alle Fälle gestärkt. Wir müssen uns aber auch fragen, ob sich die Situation im internationalen Wettbewerb verbessert hat. Und da muss man sagen: In internationalen Rankings haben wir uns ein Stück weit verbessert, aber deutsche Universitäten sind weiterhin im Mittelfeld. Es bleibt also ein Strukturmerkmal des deutschen Wissenschaftssystems erhalten: Wir sind in der Breite stark, aber in der internationalen Wahrnehmung der Spitze nicht vertreten. Die Schweiz beispielsweise steht mit ihren eidgenössischen Hochschulen viel besser da, ebenso Großbritannien mit seinen Spitzenuniversitäten.

In der bald anlaufenden zweiten Förderperiode der Exzellenzstrategie werden mehr Cluster und Spitzenunis als bisher gefördert, noch dazu sind jeweils Anträge im Verbund möglich. Verwässert dadurch die Exzellenz?

Die Gefahr der Verwässerung sehe ich nicht. Einerseits ist es wichtig, unter den Hochschulen zu einem Profilierungswettbewerb beizutragen. Auch Hochschulen, die sich bisher als nicht so forschungsstark profiliert haben, haben die vergangenen Jahre genutzt, um nachzusteuern und Forschungsschwerpunkte und -cluster zu entwickeln. Unter den ambitionierten Universitäten ist die Anreizwirkung, die der Wettbewerb entfaltet, also längst angekommen und wirkt konstruktiv. Andererseits ist es aber auch richtig, über eine Förderperiode hinaus Optionen zu bieten. Wissenschaft funktioniert nicht auf Knopfdruck und entfaltet sich in längeren Zyklen. Im Laufe der zweiten Förderperiode wird sich zeigen, wie viel Fluktuation im System möglich ist und wie viel Kontinuität gewährt wird. Beides ist wichtig.

Das Ergebnis spricht für ein wissenschaftsgeleitetes Verfahren

Ist in den heute verkündeten Entscheidungen diese Balance zwischen Kontinuität und Fluktuation zu erkennen?

Die Auswahl der 41 Cluster spricht dafür, dass das Gremium seine Entscheidungen ortsunabhängig getroffen hat. Dass zum Beispiel Tübingen mit sechs Clustern so überdurchschnittlich erfolgreich war, zeigt, dass das Verfahren wissenschaftsgeleitet war und nicht strukturpolitisch. Das ist gut. Dass Standorte wie München, Bonn und Berlin, die im vergangenen Wettbewerb bereits erfolgreich waren, nun mit neuen Konzepten überzeugen konnten, sehe ich ebenfalls als gutes Zeichen. Dort ist die wissenschaftliche Kreativität weiterhin hoch, das bestätigt das Vertrauen in diese Standorte.

Sind genügend Newcomer dabei?

Es hat sich gezeigt, dass neue Standorte durchaus eine Chance haben, etwa die Universität des Saarlandes und die Universitäten in Halle und Magdeburg.

Was sagen Sie zu den Inhalten?

Die Themenwahl ist beeindruckend. Sie ist aktuell, ohne aktualistisch zu sein. Es geht um bedeutende Bereiche und Aufgaben wie KI, Klimawandel und Transformation, und den Titeln ist zu entnehmen, dass die Forschungsansätze systemisch und interdisziplinär sind.

“Das Risiko des Scheiterns wird bewusst in Kauf genommen”

Für die Universitäten ist die Teilnahme am Exzellenzwettbewerb mit großem Aufwand in der Antragstellung verbunden. Ist das noch zeitgemäß?

Ob sich der Aufwand lohnt, müssen die Universitäten beurteilen. Mein Eindruck ist: Hier ist eine sehr konstruktive Dynamik entstanden. Es kommen Akteure zusammen, die sonst nicht zusammengekommen wären. Das Risiko des Scheiterns wird bewusst in Kauf genommen. Im besten Fall haben die Antragstellenden dann schon einen Plan B für das weitere Vorgehen.

Wollen Sie damit die Universitäten motivieren, die heute nicht in die nächste Runde des Exzellenzcluster-Wettbewerbs gekommen sind?

Einige Universitäten haben sich zum ersten Mal und mit nur einem Antrag beworben. Wenn sie Erfolg hatten, wird das ein Booster für ihr Selbstbewusstsein sein. Bei denen, die nicht zum Zuge gekommen sind, wird es zwar zuerst Tränen geben. Aber in zweiter Näherung werden sie sich hoffentlich sagen, dass es gut war, es versucht zu haben. Sie haben gezeigt, dass sie in Ansätzen das Kaliber haben, um einen solchen Antrag zu stellen. Sie können daraus lernen und weiter an ihren Strukturen arbeiten, um Forschungsmittel einzuwerben.

“Die zunehmende Drittmittelfinanzierung führt zu einer kurzatmigen Finanzierung”

Bund und Länder geben für die Exzellenzstrategie künftig 687 Millionen Euro im Jahr. Wie ist das einzuordnen, auch im Vergleich zur Forschungsförderung von Stiftungen?

Im Vergleich zu dem, was Stiftungen bieten können, ist das eine große Summe. Die Volkswagenstiftung etwa, einer der größten privaten Wissenschaftsförderer in diesem Land, gibt für die bundesweite Wissenschaft jährlich 100 Millionen Euro aus, die aus den Erträgen des Stiftungskapitals stammen. Der staatliche Anteil der Forschungsfinanzierung ist insgesamt extrem groß. Zur Relation: Grob geschätzt würde das Geld privater Wissenschaftsstiftungen, wenn es die Jahresausgaben des Staates für die Hochschulen vollständig ersetzen sollte, nur bis zum 4. Januar eines Jahres reichen.

Reichen 687 Millionen Euro im Jahr für die Ziele der Exzellenzstrategie?

Diese Summe entspricht ungefähr dem Jahresetat einer großen, drittmittelstarken Universität. Daran erkennt man: Die Idee, mit der Exzellenzstrategie eine Finanzierungsstruktur zu schaffen, die international konkurrenzfähig ist, trägt überhaupt nicht. Diesen Anspruch kann man nicht an diesen Wettbewerb stellen. Die Finanzierungsfrage verweist auf ein anderes Dilemma: die strukturelle Unterfinanzierung der Universitäten in Deutschland. Diese ist nicht durch wettbewerblich zu vergebende Gelder zu lösen. Da sind die öffentlichen Financiers anderweitig gefragt. Die zunehmende Drittmittelfinanzierung führt zu einer kurzatmigen Finanzierung und einem Finanzierungswettlauf, der auch im internationalen Wettbewerb nur bedingt tragfähig ist.

Ist es in Zeiten knapper öffentlicher Kassen also geboten, über andere Wege der Finanzierung des Wissenschaftssystems nachzudenken?

Der demografische Wandel bringt es mit sich, dass die Finanzierungsbasis öffentlicher Aufgaben künftig auf weniger Schultern verteilt wird und zu einer Überforderung führt. Hinzu kommen neue Finanzierungsherausforderungen durch die geopolitische Situation. Vor diesem Hintergrund ist es fraglich, ob Bildung und Hochschulbildung weiterhin allein aus staatlichen Mitteln zu finanzieren sind. Mittelfristig wird eine Debatte darüber entbrennen. Wir werden neu darüber nachdenken müssen, welche zusätzlichen Finanzierungsquellen wir erschließen können. Das können zum Teil auch Stiftungen sein. Sie kommen aber nicht als institutionelle Förderer infrage. Deshalb werden wir auch über eine finanzielle Beteiligung derer, die ausgebildet werden, nachdenken müssen. Die Frage ist: Welche Art von Grundbildung ist staatliche Aufgabe? Und ab wann kann man erwarten, dass diejenigen, die später von weiterführender Bildung profitieren, einen Beitrag zu dem Privileg leisten?

Meinen Sie hohe Studiengebühren wie in den USA und Großbritannien?

Das bedeutet aus meiner Sicht nicht, angloamerikanische Finanzierungsmodelle zu kopieren. Wir müssen vielmehr in Deutschland und europaweit über Wege der Ko-Finanzierung nachdenken, die zu unseren Hochschulsystemen passen.

“Das öffentliche Bauen muss dringend reformiert werden”

An deutschen Hochschulen beläuft sich der Sanierungsstau mittlerweile auf mehr als 70 Milliarden Euro. Was nützt es, Spitzenuni zu sein, wenn es von der Decke tropft oder Räume wegen Baufälligkeit gesperrt werden müssen?

Das ist eine katastrophale Schieflage. Sie hat sich dadurch ergeben, dass die Länder nach der Föderalismusreform ihrer Verantwortung für den Hochschulbau nicht nachgekommen sind. Die bauliche Infrastruktur muss wieder intakt gebracht werden. Diese Aufgabe ist politisch im Kontext der Infrastrukturertüchtigung im gesamten Land zu sehen. In diesem Zusammenhang muss das öffentliche Bauen in Deutschland dringend reformiert werden. Es ist himmelschreiend kompliziert und schlecht organisiert. Es kann nicht sein, dass ein Neubau an deutschen Hochschulen im Durchschnitt acht bis zehn Jahre dauert, wie es zurzeit der Fall ist.  

Wenn es um Exzellenz geht, kommt immer wieder die Idee der Bundesuniversitäten ins Spiel. Sind Sie ein Befürworter von Modellen wie der ETHZ und der EPFL in der Schweiz?

Damit wir uns nicht gleich in eine Debatte um die Zuständigkeiten von Bund und Ländern verrennen, würde ich eine Ebene tiefer ansetzen. Wir sollten uns ansehen, welche Merkmale den Erfolg dieser Hochschulen ausmachen, ihre Flexibilität und Innovationsfähigkeit. Beispielsweise genießen sie eine ganz andere Art von Finanzautonomie, sie erhalten Globalbudgets und damit mehr Eigenverantwortung. Wir sollten also darüber debattieren, wie es gelingen kann, in Deutschland zumindest eine Gruppe von in der Forschung exzellenten Universitäten so aufzustellen, dass sie derartige Wettbewerbsvorteile realisieren können. Erst im Nachgang stellt sich die Frage, ob das in der jetzigen Struktur gelingt oder ob wir dazu Bundesuniversitäten brauchen.  

Georg Schütte ist seit Januar 2020 Generalsekretär der Volkswagenstiftung. Zuvor war er Staatssekretär im BMBF (2009 bis 2019) und Generalsekretär der Alexander-von-Humboldt-Stiftung (2004 bis 2009). Im BMBF gehörte die Forschungsförderung zu seinen Schwerpunkten.

  • Deutschland
  • Exzellenzstrategie
  • Forschungsförderung
  • Forschungspolitik
  • Universitäten
  • VolkswagenStiftung
  • Wissenschaft

Research.Table Redaktion

RESEARCH.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    die erste Entscheidung in der aktuellen Runde der Exzellenzstrategie wurde mit Spannung erwartet. Heute Morgen gab die DFG bekannt, welche Exzellenzcluster-Anträge in die zweite Runde kommen.

    Freuen kann sich vor allem der Süden, besonders Tübingen sticht hervor. Aber auch Dresden, die TU Darmstadt oder die rheinischen Universitäten in Aachen, Bonn und Köln waren erfolgreich. An einigen anderen Standorten hingegen dürfte Enttäuschung herrschen. Göttingen muss bereits jetzt seine Hoffnungen auf den Exzellenzuni-Status begraben.

    Wir liefern Ihnen mit diesem Alert den Überblick über die Ergebnisse, haben die wichtigsten Reaktionen der Beteiligten zusammengefasst und darüber hinaus Einschätzungen eingeholt: Der Forschungsausschussvorsitzende Kai Gehring und Volker Meyer-Guckel, Generalsekretär des Stifterverbands, freuen sich über ein starkes ostdeutsches Abschneiden. Matthias Kleiner hat eine Vermutung, wie dieses zustande kommt.

    Im Interview mit Anne Brüning ordnet Georg Schütte, Generalsekretär der VolkswagenStiftung, die Exzellenzstrategie und ihre Wirkungen international ein und benennt alternative Wege für eine stärkere Finanzierung der deutschen Hochschulen.

    Ich wünsche Ihnen eine exzellente Lektüre

    Ihr
    Markus Weisskopf
    Bild von Markus  Weisskopf

    Analyse

    Exzellenzcluster-Vorentscheid: Tübingen triumphiert, Deutschlands Süden bleibt stark 

    Die Universität Tübingen ist der große Gewinner der Exzellenzcluster-Auswahl.

    Mit der ersten Entscheidung über die Exzellenzcluster-Anträge wurde heute die zweite Runde der Exzellenzstrategie eingeläutet. Von 143 eingereichten Antragsskizzen wurden lediglich 41 ausgewählt. Sie kommen aus 37 Hochschulen aus 13 Bundesländern. Diese konkurrieren nun in einer zweiten Runde mit den schon bestehenden 57 Clustern um die bis zu 70 möglichen Förderplätze. Für diese 70 Cluster stehen ab Januar 2026 insgesamt 539 Millionen Euro Förderung jährlich zur Verfügung.  

    Die endgültige Entscheidung zu den Clustern fällt im Mai 2025. Welche Hochschulen künftig den Titel Exzellenzuniversität tragen dürfen, wird erst 2026 final sein. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ist für diese erste Förderlinie der Exzellenzstrategie zuständig, der Wissenschaftsrat betreut den Prozess zu den Exzellenzunis in der zweiten Förderlinie. 

    Konstanz enttäuscht, Bayern bleibt München  

    Die Ausgangslage: 59 von 108 Universitäten in Deutschland haben sich an den Anträgen für die Exzellenzcluster beteiligt. 55 Anträge wurden im Zweier-Verbund gestellt, 14 davon gar im Verbund aus drei Universitäten. Mehr als die Hälfte der Anträge ordneten sich mehr als einem Fachbereich zu, sind also interdisziplinär und 80 Prozent der Anträge beziehen außeruniversitäre Partner mit ein.  

    Die Universität Tübingen ist wohl die größte Gewinnerin dieser ersten Runde der Exzellenzcluster. Der gesamte Süden und Südwesten haben gut abgeschnitten – mit der Einschränkung, dass die Elite-Uni Konstanz gar kein Cluster in die zweite Runde bekam und das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) lediglich eines. Auch der Plan, dass Bayern neben München deutlich stärker werden soll, ist so nicht aufgegangen. 

    So verteilen sich die 41 Exzellenzcluster-Anträge, die den Schritt in die zweite Runde geschafft haben. Dort konkurrieren sie mit den bereits bestehenden Clustern. Diese sind hier einzusehen.

    Starkes Rheinland, schwaches Niedersachsen 

    Stark auch der rheinische Teil von NRW mit Köln, Aachen und Bonn. Die für die Exzellenzuniversitätsförderung angestrebte Ruhr-Allianz ist zwar mit Duisburg-Essen und der TU Dortmund zweimal vertreten, hätte sich jedoch sicher etwas mehr ausgerechnet. Und auch die Uni Münster wird enttäuscht sein. Hier hat es kein Antrag in die zweite Runde geschafft. 

    Mehr erwartet hatten sich sicherlich die niedersächsischen Universitäten, allen voran die Uni Göttingen. Ohne ein weiteres Exzellenzcluster wird hier auch weiterhin kein Antrag als Exzellenzuniversität möglich sein. Bemerkenswert auch, dass die TU Braunschweig kein neues Cluster in die zweite Runde bekommen konnte. 

    Dresden und Leipzig überzeugen   

    Freude wird hingegen vermutlich in Dresden über zwei eigene und ein Cluster im Verbund herrschen. Damit wird man vermutlich den Status als Exzellenzuniversität stärken können. Insgesamt kann sich Sachsen freuen: Auch Leipzig geht mit zwei Anträgen in die nächste Runde und hält sich damit auch die Tür für einen Exzellenz-Uni-Antrag offen. 

    Der weitere Blick auf die ostdeutschen Bundesländer zeigt ein gemischtes Bild. Während man in Sachsen-Anhalt mit Clustern in Magdeburg und Halle zufrieden sein dürfte, gehen Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern komplett leer aus. Auch Thüringen dürfte mit nur einem Antrag in der nächsten Runde für Jena nicht glücklich sein.  

    Ordentliches Ergebnis für Berlin 

    Wenig überraschend das Abschneiden von Berlin und München. In Berlin dürfte man vor allem an der FU mit drei Clusterbeteiligungen mehr als beruhigt sein. Auch TU München und LMU schlossen mit jeweils einem eigenen Cluster und zwei Verbundbeteiligungen erwartbar gut ab.   

    Was die Entscheidungen für die Bewerbungen als Exzellenzuni bedeuten  

    Eine der spannendsten Fragen heute war, ob bereits einige Universitäten oder potenzielle Verbünde ihre Ambitionen auf den Titel Exzellenzuniversität begraben müssen. Um sich für die Förderung in dieser zweiten Förderlinie bewerben zu können, braucht es mindestens zwei Cluster für eine Uni oder drei im Verbund, wobei jeder Verbundpartner an mindestens einem Cluster beteiligt sein muss.  

    Bis zu 15 Exzellenzuniversitäten können ab 2027 gefördert werden. Zu den elf bestehenden, die sich ebenfalls nochmals bewerben müssen, können also mindestens vier neue dazustoßen.  

    Neue Uni-Verbünde in Sicht, Göttingen ist abermals raus 

    Eine potenzielle Rhein-Main-Allianz Darmstadt, Frankfurt und Mainz wäre weiterhin im Rennen, nachdem alle drei Universitäten weiter im Rennen sind. Besonders die TU Darmstadt konnte überzeugen. Bei der Ruhr-Allianz Bochum, TU Dortmund und Duisburg-Essen bleiben die Chancen auch erhalten. Aber hier heißt es Zittern, denn Duisburg-Essen müsste dafür in der zweiten Runde mit dem einen Antrag auf jeden Fall durchkommen.  

    Wieder mit ins Rennen gehen könnte die ehemalige Exzellenzuniversität Bremen, falls sie den jetzt in der zweiten Runde befindlichen Antrag erfolgreich durchbringt. Neue Chancen haben jetzt auch Oldenburg, Gießen, Würzburg, Ulm und Jena – falls sie in der zweiten Runde erfolgreich sind und ihre “alten” Cluster behalten. Sicher wieder nicht antreten kann die Universität Göttingen, die keinen erfolgreichen Antrag verbuchen kann. 

    Clusterverbünde unterdurchschnittlich erfolgreich 

    Die Verbünde von Exzellenzclustern zeigten sich insgesamt nicht überdurchschnittlich erfolgreich. So wurden zum Beispiel von 14 Dreier-Verbünden nur drei gefördert. Auch bei den Zweier-Kooperationen war die Erfolgsquote leicht unterdurchschnittlich. 

    Wie es weitergeht: 50-prozentige Chance für Newcomer 

    Bis zum 22. August 2024 müssen nun die Vollanträge für die Cluster bei der DFG eingehen. Dabei werden den bestehenden Clustern bessere Chancen eingeräumt als den Neuanträgen. Insider rechnen mit einer Förderquote von circa 80 Prozent bei den bereits bestehenden 57 Clustern. Damit haben Neuanträge eine rund 50-prozentige Chance auf Förderung. 

    Die finale Entscheidung über die Cluster fällt im Mai 2025. Der Förderstart für die neuen Cluster ist dann Januar 2026. Für die Förderlinie Exzellenzuniversitäten beginnt die neue Förderphase erst Anfang 2027. Neuanträge sind voraussichtlich bis Mitte November 2025 einzureichen. Einen Überblick über die gesamte Zeitschiene gibt es hier

    • DFG
    • Exzellenzstrategie
    • Wissenschaftsrat
    Translation missing.

    Reaktionen auf Vorentscheid: Ostdeutschland stärker, neue Uni-Allianzen formieren sich

    Erfreut zeigte man sich vor allem im Südwesten der Republik. Allein zehn der 41 neuen Cluster, die nun in die nächste Runde kommen, sind in Baden-Württemberg angesiedelt. Entsprechend lobte Wissenschaftsministerin Petra Olschowski, dass die Landesuniversitäten “im harten Wettbewerb um neue Exzellenzcluster einen bedeutenden Etappensieg errungen” haben. Das sei ein “weiterer eindrucksvoller Beleg für Baden-Württembergs Forschungsstärke”.

    Nach Ansicht von Georg Schütte, Generalsekretär der Volkswagenstiftung, spricht das auffällig gute Abschneiden Tübingens zugleich dafür, dass das Verfahren wissenschaftsgeleitet war und nicht strukturpolitisch. Das sei gut, sagte er im Interview mit Table.Media.

    Glückliche Tübinger, Gemkow: “großer Tag für sächsische Wissenschaft”

    Sechs von sieben Anträgen der Universität Tübingen wurden zu einem Vollantrag aufgefordert – bundesweit spitze. Entsprechend glücklich stellte die Rektorin Karla Pollmann fest: “Damit gehört Tübingen erneut zu den erfolgreichsten Universitäten Deutschlands und unterstreicht seine Stellung als Ort der Spitzenforschung national und international.”

    Und auch in Sachsen sprach Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow von einem “außergewöhnlich großen Erfolg, dass zwei unserer Universitäten jetzt die Endrunde im Wettbewerb um Exzellenzcluster erreicht haben”. Sachsen sei überdurchschnittlich in der Endrunde vertreten. “Das ist ein großer Tag für die sächsische Wissenschaft und zeigt, dass exzellente Forscherinnen und Forscher in Sachsen ihre Heimat haben. Es zeigt aber auch, dass die Unterstützung des Freistaats für unsere Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen richtig und vor allem berechtigt ist.”

    Bayern hofft auf Verbesserung im Vergleich zur laufenden Runde

    Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis der bayerischen Universitäten. Mit immerhin fünf beteiligten Hochschulen könne man auf ein besseres Ergebnis als in der laufenden Förderrunde hoffen.

    Trotz nur eines rheinland-pfälzischen Clusters in Mainz befand Wissenschaftsminister Clemens Hoch dies als “gute Basis” – vor allem mit Blick auf einen Exzellenz-Uni-Antrag der Allianz der Rhein-Main-Universitäten (Mainz, Frankfurt, Darmstadt).

    Investitionen in Sachsen-Anhalt zahlen sich aus

    Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, das Saarland und Sachsen-Anhalt sind die Bundesländer, die bisher gar kein Exzellenzcluster hatten. Vor allem in Sachsen-Anhalt waren die Ambitionen groß, endlich mitzumischen. Das könnte klappen: Die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg kommen jeweils mit einer Projektskizze in die nächste Wettbewerbsrunde. In Halle handelt es sich um einen Verbund von Clustern zusammen mit der FU Berlin und der Universität Regensburg. “Das ist eine großartige Nachricht für den Wissenschaftsstandort Sachsen-Anhalt”, erklärte Wissenschaftsminister Armin Willingmann (SPD).

     “Erstmals rückt die weitreichende Exzellenzförderung des Bundes für uns in greifbare Nähe.” Er sieht sich in seiner Strategie bestätigt, nachdrücklich auf Exzellenz zu setzen. Für eine solide Vorbereitung der Antragsskizzen habe sein Ministerium den Universitäten in den vergangenen zwei Jahren insgesamt 13 Millionen Euro zusätzlich bereitgestellt. Von vier eingereichten Skizzen kamen nun zwei in die nächste Runde.

    Auch die Universität des Saarlandes ist mit einer Projektskizze in der nächsten Runde – was zusätzlich auf den Südwesten als starken Forschungsstandort einzahlt. Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern gingen leer aus. Bitter ist das unter anderem für die Universität Potsdam, die sich mit drei Anträgen ins Rennen begeben hatte.

    Verbünde UA11+ und German U15 sind sehr zufrieden

    Grund zur Freude hat der Potsdamer Unipräsident Oliver Günther dennoch, und zwar in seiner Funktion als Vorstandsvorsitzende der UA11+, dem Verbund der mittelgroßen forschungsstarken Universitäten, die erklärtermaßen aufschließen wollen. “Sechs Clusteranträge unserer Mitgliedshochschulen sind in die nächste Runde gekommen”, sagt Günther. “Dies zeigt die Leistungsfähigkeit der Spitzenforschung der in den UA 11+ vertretenen Universitäten sehr deutlich.”

    Für die German U15 ordnete deren Vorsitzender und Rektor der Universität Bonn, Michael Hoch, die Ergebnisse ein. Dass an mehr als der Hälfte der ausgewählten Skizzen U15-Universitäten beteiligt waren, sei erfreulich und belege “die große Forschungsstärke unserer Universitäten”.

    Kai Gehring: Viele ostdeutsche Vorhaben ein positives Signal

    Der Vorsitzende des Forschungsausschusses, Kai Gehring bedankte sich bei den federführenden Organisationen DFG, Wissenschaftsrat und GWK sowie der Expertenkommission für die “schwierige Auswahl”.  Er freue sich, dass unter den Ausgewählten “auch viele ostdeutsche Vorhaben sind”. Dies sei “ein positives Signal für gesamtdeutsche Exzellenz – zumal auch Anträge von Standorten weitergekommen sind, die bislang keine Cluster haben”.

    Auch Volker Meyer-Guckel, Generalsekretär des Stifterverbandes, betonte die ostdeutschen Resultate: “Neben den Erfolgen der Forschungsleuchttürme (München; Tübingen) scheint vor allem in den ostdeutschen Bundesländern eine zunehmende Exzellenzorientierung Früchte zu tragen. Umso wichtiger ist es, diese Standorte auch weiter attraktiv für internationale Wissenschaftler zu gestalten. Dazu bedarf es mehr als gute Forschung.”

    Ruhrgebiet: Nur Minimalziel erreicht, Infrastrukturreformen gefordert

    In NRW, dem bevölkerungsreichsten Bundesland Deutschlands, fällt die Bilanz gemischt aus. Stark der rheinische Teil von NRW mit Köln, Aachen und Bonn. Im Ruhrgebiet hat man dagegen eher das Minimalziel erreicht und gibt sich trotzdem optimistisch. Mit den zwei erfolgreichen Clusterskizzen in der zweiten Auswahlrunde habe man eine “aussichtsreiche Zwischenbilanz”. Diese “unterstreiche, welches Potenzial die Kooperation der drei Universitäten im Ruhrgebiet entfaltet, um im kommenden Jahr gemeinsam als Exzellenzverbund anzutreten”, kündigen die Hochschulen in einer gemeinsamen Mitteilung an.

    Der ehemalige DFG-Präsident und Professor für Umformtechnik an der TU Dortmund, Matthias Kleiner, wünscht sich allerdings mehr Beachtung für die Region: “Es geht langsam voran, man würde sich aber an der einen oder anderen Stelle schon wünschen, dass die Schwergewichte aus der Region auch die entsprechende Wahrnehmung erfahren”, sagte Kleiner Table.Media. Er sieht die Region infrastrukturell abgehängt und fordert entsprechende Maßnahmen des Bundes.

    Kleiner: Strukturelle Fördermaßnahmen wirken

    Matthias Kleiner freut sich ebenfalls über das gute Abschneiden der Universitäten in den ostdeutschen Bundesländern, etwas Dresden, Leipzig und Jena. “Ich glaube nicht daran, dass das eine politische Entscheidung war, die Jury ist ja international aufgestellt. Man sieht viel mehr, dass strukturelle Fördermaßnahmen etwas bewirken können, wenn sie gut gemacht sind.” Das BMBF-Programm Zwanzig20 aus den 2000er-Jahren zu Innovationskooperationen habe hier einen wirklichen Mehrwert geschaffen. Am Beispiel Tübingen lasse sich zudem erkennen, dass Universitäten, die hoch kooperativ sind, Erfolg haben. Die Grenzen zwischen universitärer, außeruniversitärer Forschung und Wirtschaft sollten möglichst durchlässig sein.

    Ex-Wissenschaftsministerin Dorn: “Hessen is back”

    Aus Hessen konnte Table.Media mit einer hocherfreuten Angela Dorn (Grüne) sprechen. Die ehemalige Wissenschaftsministerin, die ihr Amt erst vor wenigen Tagen an Timon Gremmels (SPD) übergeben hat, ist beglückt über das Abschneiden ihres Bundeslands. “Hessen is back”, sagt Dorn zu den fünf erfolgreichen Clusterskizzen in dieser Runde. Nach dem schlechten Abschneiden in der letzten Runde (nur eine erfolgreiche Skizze) habe sich eine ehrliche Stärken-Schwächen-Analyse ausgezahlt.

    “Ich habe mich Anfang der Legislaturperiode vor die Hochschulpräsidenten gestellt und gesagt, dass auch das Ministerium aus den Fehlern lernen will, dass ich das aber auch von den Hochschulen erwarte”. Hessen habe mit einem eigenen Wettbewerb, mit einer kooperativen Strategie gemeinsam mit den Hochschulen und der Unterstützung von Exzellenzprofessuren durch das Loewe-Programm den Turnaround geschafft. “Das ist ein riesengroßer Erfolg unserer Universitäten und Forschungseinrichtungen, aber auch für meine Arbeit das beste Zeugnis, das ich jemals bekommen habe“, sagt Angela Dorn.

    • DFG
    • Exzellenzstrategie
    • Wissenschaftsrat

    “Die strukturelle Unterfinanzierung der Universitäten in Deutschland ist nicht durch wettbewerblich zu vergebende Gelder zu lösen”

    Der Exzellenzwettbewerb bringt Akteure zusammen, die sonst nicht zusammengekommen wären, sagt Georg Schütte, Generalsekretär der Volkswagenstiftung.

    Herr Schütte, waren die Exzellenzinitiative, die vor knapp zwanzig Jahren begann, und die darauffolgende Exzellenzstrategie ein Glücksfall für die deutsche Wissenschaft?

    Der Exzellenzwettbewerb hat die Sichtbarkeit des Wissenschaftsstandorts Deutschland auf alle Fälle gestärkt. Wir müssen uns aber auch fragen, ob sich die Situation im internationalen Wettbewerb verbessert hat. Und da muss man sagen: In internationalen Rankings haben wir uns ein Stück weit verbessert, aber deutsche Universitäten sind weiterhin im Mittelfeld. Es bleibt also ein Strukturmerkmal des deutschen Wissenschaftssystems erhalten: Wir sind in der Breite stark, aber in der internationalen Wahrnehmung der Spitze nicht vertreten. Die Schweiz beispielsweise steht mit ihren eidgenössischen Hochschulen viel besser da, ebenso Großbritannien mit seinen Spitzenuniversitäten.

    In der bald anlaufenden zweiten Förderperiode der Exzellenzstrategie werden mehr Cluster und Spitzenunis als bisher gefördert, noch dazu sind jeweils Anträge im Verbund möglich. Verwässert dadurch die Exzellenz?

    Die Gefahr der Verwässerung sehe ich nicht. Einerseits ist es wichtig, unter den Hochschulen zu einem Profilierungswettbewerb beizutragen. Auch Hochschulen, die sich bisher als nicht so forschungsstark profiliert haben, haben die vergangenen Jahre genutzt, um nachzusteuern und Forschungsschwerpunkte und -cluster zu entwickeln. Unter den ambitionierten Universitäten ist die Anreizwirkung, die der Wettbewerb entfaltet, also längst angekommen und wirkt konstruktiv. Andererseits ist es aber auch richtig, über eine Förderperiode hinaus Optionen zu bieten. Wissenschaft funktioniert nicht auf Knopfdruck und entfaltet sich in längeren Zyklen. Im Laufe der zweiten Förderperiode wird sich zeigen, wie viel Fluktuation im System möglich ist und wie viel Kontinuität gewährt wird. Beides ist wichtig.

    Das Ergebnis spricht für ein wissenschaftsgeleitetes Verfahren

    Ist in den heute verkündeten Entscheidungen diese Balance zwischen Kontinuität und Fluktuation zu erkennen?

    Die Auswahl der 41 Cluster spricht dafür, dass das Gremium seine Entscheidungen ortsunabhängig getroffen hat. Dass zum Beispiel Tübingen mit sechs Clustern so überdurchschnittlich erfolgreich war, zeigt, dass das Verfahren wissenschaftsgeleitet war und nicht strukturpolitisch. Das ist gut. Dass Standorte wie München, Bonn und Berlin, die im vergangenen Wettbewerb bereits erfolgreich waren, nun mit neuen Konzepten überzeugen konnten, sehe ich ebenfalls als gutes Zeichen. Dort ist die wissenschaftliche Kreativität weiterhin hoch, das bestätigt das Vertrauen in diese Standorte.

    Sind genügend Newcomer dabei?

    Es hat sich gezeigt, dass neue Standorte durchaus eine Chance haben, etwa die Universität des Saarlandes und die Universitäten in Halle und Magdeburg.

    Was sagen Sie zu den Inhalten?

    Die Themenwahl ist beeindruckend. Sie ist aktuell, ohne aktualistisch zu sein. Es geht um bedeutende Bereiche und Aufgaben wie KI, Klimawandel und Transformation, und den Titeln ist zu entnehmen, dass die Forschungsansätze systemisch und interdisziplinär sind.

    “Das Risiko des Scheiterns wird bewusst in Kauf genommen”

    Für die Universitäten ist die Teilnahme am Exzellenzwettbewerb mit großem Aufwand in der Antragstellung verbunden. Ist das noch zeitgemäß?

    Ob sich der Aufwand lohnt, müssen die Universitäten beurteilen. Mein Eindruck ist: Hier ist eine sehr konstruktive Dynamik entstanden. Es kommen Akteure zusammen, die sonst nicht zusammengekommen wären. Das Risiko des Scheiterns wird bewusst in Kauf genommen. Im besten Fall haben die Antragstellenden dann schon einen Plan B für das weitere Vorgehen.

    Wollen Sie damit die Universitäten motivieren, die heute nicht in die nächste Runde des Exzellenzcluster-Wettbewerbs gekommen sind?

    Einige Universitäten haben sich zum ersten Mal und mit nur einem Antrag beworben. Wenn sie Erfolg hatten, wird das ein Booster für ihr Selbstbewusstsein sein. Bei denen, die nicht zum Zuge gekommen sind, wird es zwar zuerst Tränen geben. Aber in zweiter Näherung werden sie sich hoffentlich sagen, dass es gut war, es versucht zu haben. Sie haben gezeigt, dass sie in Ansätzen das Kaliber haben, um einen solchen Antrag zu stellen. Sie können daraus lernen und weiter an ihren Strukturen arbeiten, um Forschungsmittel einzuwerben.

    “Die zunehmende Drittmittelfinanzierung führt zu einer kurzatmigen Finanzierung”

    Bund und Länder geben für die Exzellenzstrategie künftig 687 Millionen Euro im Jahr. Wie ist das einzuordnen, auch im Vergleich zur Forschungsförderung von Stiftungen?

    Im Vergleich zu dem, was Stiftungen bieten können, ist das eine große Summe. Die Volkswagenstiftung etwa, einer der größten privaten Wissenschaftsförderer in diesem Land, gibt für die bundesweite Wissenschaft jährlich 100 Millionen Euro aus, die aus den Erträgen des Stiftungskapitals stammen. Der staatliche Anteil der Forschungsfinanzierung ist insgesamt extrem groß. Zur Relation: Grob geschätzt würde das Geld privater Wissenschaftsstiftungen, wenn es die Jahresausgaben des Staates für die Hochschulen vollständig ersetzen sollte, nur bis zum 4. Januar eines Jahres reichen.

    Reichen 687 Millionen Euro im Jahr für die Ziele der Exzellenzstrategie?

    Diese Summe entspricht ungefähr dem Jahresetat einer großen, drittmittelstarken Universität. Daran erkennt man: Die Idee, mit der Exzellenzstrategie eine Finanzierungsstruktur zu schaffen, die international konkurrenzfähig ist, trägt überhaupt nicht. Diesen Anspruch kann man nicht an diesen Wettbewerb stellen. Die Finanzierungsfrage verweist auf ein anderes Dilemma: die strukturelle Unterfinanzierung der Universitäten in Deutschland. Diese ist nicht durch wettbewerblich zu vergebende Gelder zu lösen. Da sind die öffentlichen Financiers anderweitig gefragt. Die zunehmende Drittmittelfinanzierung führt zu einer kurzatmigen Finanzierung und einem Finanzierungswettlauf, der auch im internationalen Wettbewerb nur bedingt tragfähig ist.

    Ist es in Zeiten knapper öffentlicher Kassen also geboten, über andere Wege der Finanzierung des Wissenschaftssystems nachzudenken?

    Der demografische Wandel bringt es mit sich, dass die Finanzierungsbasis öffentlicher Aufgaben künftig auf weniger Schultern verteilt wird und zu einer Überforderung führt. Hinzu kommen neue Finanzierungsherausforderungen durch die geopolitische Situation. Vor diesem Hintergrund ist es fraglich, ob Bildung und Hochschulbildung weiterhin allein aus staatlichen Mitteln zu finanzieren sind. Mittelfristig wird eine Debatte darüber entbrennen. Wir werden neu darüber nachdenken müssen, welche zusätzlichen Finanzierungsquellen wir erschließen können. Das können zum Teil auch Stiftungen sein. Sie kommen aber nicht als institutionelle Förderer infrage. Deshalb werden wir auch über eine finanzielle Beteiligung derer, die ausgebildet werden, nachdenken müssen. Die Frage ist: Welche Art von Grundbildung ist staatliche Aufgabe? Und ab wann kann man erwarten, dass diejenigen, die später von weiterführender Bildung profitieren, einen Beitrag zu dem Privileg leisten?

    Meinen Sie hohe Studiengebühren wie in den USA und Großbritannien?

    Das bedeutet aus meiner Sicht nicht, angloamerikanische Finanzierungsmodelle zu kopieren. Wir müssen vielmehr in Deutschland und europaweit über Wege der Ko-Finanzierung nachdenken, die zu unseren Hochschulsystemen passen.

    “Das öffentliche Bauen muss dringend reformiert werden”

    An deutschen Hochschulen beläuft sich der Sanierungsstau mittlerweile auf mehr als 70 Milliarden Euro. Was nützt es, Spitzenuni zu sein, wenn es von der Decke tropft oder Räume wegen Baufälligkeit gesperrt werden müssen?

    Das ist eine katastrophale Schieflage. Sie hat sich dadurch ergeben, dass die Länder nach der Föderalismusreform ihrer Verantwortung für den Hochschulbau nicht nachgekommen sind. Die bauliche Infrastruktur muss wieder intakt gebracht werden. Diese Aufgabe ist politisch im Kontext der Infrastrukturertüchtigung im gesamten Land zu sehen. In diesem Zusammenhang muss das öffentliche Bauen in Deutschland dringend reformiert werden. Es ist himmelschreiend kompliziert und schlecht organisiert. Es kann nicht sein, dass ein Neubau an deutschen Hochschulen im Durchschnitt acht bis zehn Jahre dauert, wie es zurzeit der Fall ist.  

    Wenn es um Exzellenz geht, kommt immer wieder die Idee der Bundesuniversitäten ins Spiel. Sind Sie ein Befürworter von Modellen wie der ETHZ und der EPFL in der Schweiz?

    Damit wir uns nicht gleich in eine Debatte um die Zuständigkeiten von Bund und Ländern verrennen, würde ich eine Ebene tiefer ansetzen. Wir sollten uns ansehen, welche Merkmale den Erfolg dieser Hochschulen ausmachen, ihre Flexibilität und Innovationsfähigkeit. Beispielsweise genießen sie eine ganz andere Art von Finanzautonomie, sie erhalten Globalbudgets und damit mehr Eigenverantwortung. Wir sollten also darüber debattieren, wie es gelingen kann, in Deutschland zumindest eine Gruppe von in der Forschung exzellenten Universitäten so aufzustellen, dass sie derartige Wettbewerbsvorteile realisieren können. Erst im Nachgang stellt sich die Frage, ob das in der jetzigen Struktur gelingt oder ob wir dazu Bundesuniversitäten brauchen.  

    Georg Schütte ist seit Januar 2020 Generalsekretär der Volkswagenstiftung. Zuvor war er Staatssekretär im BMBF (2009 bis 2019) und Generalsekretär der Alexander-von-Humboldt-Stiftung (2004 bis 2009). Im BMBF gehörte die Forschungsförderung zu seinen Schwerpunkten.

    • Deutschland
    • Exzellenzstrategie
    • Forschungsförderung
    • Forschungspolitik
    • Universitäten
    • VolkswagenStiftung
    • Wissenschaft

    Research.Table Redaktion

    RESEARCH.TABLE REDAKTION

    Licenses:

      Jetzt kostenlos anmelden und sofort weiterlesen

      Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

      Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

      Anmelden und weiterlesen