Table.Briefing: Research

+++ Table.Alert +++ Exklusive Details zur Fördermittelaffäre: So agierte das BMBF intern

Liebe Leserin, lieber Leser,

Der forschungspolitische Sprecher der SPD, Oliver Kaczmarek, hatte in der Fördermittelaffäre Einsicht in die ungeschwärzte Kommunikation des Bundesforschungsministeriums rund um die Ereignisse im Mai gefordert. Die Union legte nach und wollte in einer ihrer Kleinen Anfragen vom BMBF wissen, ob das Haus dieser Bitte noch nachkommen wird.

Mitte November schrieb das Ministerium als Antwort, dass man sich “wiederholt transparent zu den Abläufen im BMBF geäußert” habe. Wie bereits in der Sondersitzung des Forschungsausschusses am 10. September durch Bettina Stark-Watzinger erklärt worden sei, wurden den Mitgliedern des Ausschusses bereits alle streitrelevanten Unterlagen übermittelt.  

Dies sehen viele der Abgeordneten aus dem Forschungsausschuss anders, viele offene Punkte verbleiben. “Es geht um unseren Wahrheitsanspruch”, sagte uns etwa Thomas Jarzombek, forschungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion.

Table.Briefings liegen die Mails und Dokumente zur BMBF-Affäre nun ungeschwärzt vor. Wir haben hunderte Seiten für Sie gelesen und das Wichtigste zusammengestellt. Längst ist nicht alles geklärt, doch mit den namentlich zuzuordnenden Aufträgen und Äußerungen kommt sehr viel mehr Transparenz in die Aufklärung der Fördermittelaffäre – und neue Namen tauchen auf (einige davon, von den Referatsebenen des BMBF, haben nun wir – zur Wahrung ihrer Privatsphäre – geschwärzt).

Ich wünsche Ihnen eine gute Lektüre,

Ihre
Nicola Kuhrt
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Analyse

Interne BMBF-Kommunikation zur Fördermittelaffäre: Was das ungeschwärzte Dokument verrät

Sondersitzung des Forschungsausschusses zur Fördermittelaffäre am 10. September 2024.
Sondersitzung des Forschungsausschusses zur Fördermittelaffäre am 10. September 2024.

Es ist schon einiges über die Fördermittelaffäre bekannt geworden, vor allem durch die offengelegte interne Kommunikation im BMBF. Hier zeichneten im Juni veröffentlichten BMBF-interne Mails durch die Plattform Frag den Staat ein erstes Bild der Kommunikation zu den Vorgängen rund um den offenen Brief von Wissenschaftlern. Durch massive Schwärzungen der beteiligten Akteure ließen sich die Vorgänge bisher jedoch nur lückenhaft nachvollziehen.

Nun liegen Table.Briefings diese Dokumente erstmals ohne Schwärzungen vor. Nach Durchsicht der einigen hundert Seiten lassen sich einige der zahlreichen Fragen, die immer noch offen sind, beantworten. Und für die Ungeklärten kommt mehr Transparenz in die Ereignisse im Mai dieses Jahres.

Die vorliegende E-Mail-Kommunikation aus der Zeit ab dem 10. Mai 2024 macht deutlich: Der BMBF-interne Austausch über eine fördermittelrechtliche Überprüfung der Wissenschaftler, die sich am 9. Mai in einem offenen Brief gegen die polizeiliche Räumung einer pro-palästinensischen Demonstration an der Freien Universität Berlin gewandt hatten, wird durch eine Anfrage der damaligen Staatssekretärin Sabine Döring angestoßen – jedenfalls schreiben dies drei Referatsleiter in einer E-Mail an die Zentralabteilung.

Wie die Dokumente ebenfalls zeigen, war die Frage, ob kritische Wissenschaftler einer Prüfung unterzogen werden könnten, bereits in der Morgenlage am 13. Mai Thema. Somit wussten sie alle von der Überlegung zu prüfen, ob kritischen Wissenschaftlern die Fördermittel entzogen werden können. In der dokumentierten Kommunikation finden sich keine Hinweise darauf, dass das genannte Leitungspersonal widersprach oder diese Prüfung gar verhindern wollte. Die bisher immer wieder öffentlich kommunizierte Version, der Anstoß zu den förderrechtlichen Prüfungen sei aus dem Pressereferat gekommen, um vorbereitet zu sein, kann demnach so nicht stimmen.

Die Chronik der wichtigsten Geschehnisse

7. Mai, Dienstag: Die Polizei löst ein pro-palästinensisches Protestcamp auf dem Campus der Freien Universität Berlin auf. 

9. Mai, Donnerstag: Lehrende von Berliner Hochschulen kritisieren in einem offenen Brief das schnelle Eingreifen der Polizei. “Unabhängig davon, ob wir mit den konkreten Forderungen des Protestcamps einverstanden sind, stellen wir uns vor unsere Studierenden und verteidigen ihr Recht auf friedlichen Protest, das auch die Besetzung von Uni-Gelände einschließt”, heißt es in der Stellungnahme, die bei Veröffentlichung rund 100 Unterzeichner hatte, mittlerweile sind es mehr als 1.000.

10. Mai, Freitag: Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger erklärt in der Bild-Zeitung: Der offene Brief mache sie “fassungslos”. Statt sich klar gegen Israel- und Judenhass zu stellen, würden Uni-Besetzer zu Opfern gemacht und Gewalt verharmlost.

Um 11.41 Uhr gibt Jochen Zachgo, Leiter der Abteilung 4 (Hochschul- und Wissenschaftssystem, Bildungsfinanzierung) Ulrich Scharlack (Referatsleiter 426) und dessen Kollegin aus dem Referat 415 einen folgenschweren Auftrag:

Nach Telefonat am 13. Mai: Jochen Zachgo vergibt mit "Blick auf das Statement von Lehrenden der Berliner Unis" einen Auftrag.

Um 12.43 Uhr wird es dann eilig. Eine Pressesprecherin übertitelt ihre Mail an einen Kollegen aus der Fachabteilung mit “EILT! M-Statement zu Offenem Brief FU – mdB um Rückmeldung bis 14 Uhr und Reaktiv- Sprache für Montag”, angesprochen ist ein großer Kreis, darunter auch Ulrich Scharlack.

In dieser Mail bittet sie, da es von zahlreichen TV-Sendern Anfragen nach einem O-Ton der Ministerin zu ihrem gestrigen Tweet und der Berichterstattung in der Bild-Zeitung gegeben habe, um Abnahme eines Zitats für die Pressestelle.

Bei der zweiten Bitte wird es komplizierter: Da “einige der Unterzeichner des Offenen Briefes von BMBF-Förderungen zu profitieren scheinen”, bittet die Pressefrau um vorbereitete Reaktionen auf mögliche Anfragen während der Regierungspressekonferenz am darauffolgenden Montag.

Während aus dem angesprochenen Fachreferat eine schnelle Einschätzung an die Pressesprecherin geschickt wird, leitet man die zweite Bitte an Ulrich Scharlack weiter.      

12. Mai, Sonntag: Der Druck ist aufgebaut. Ulrich Scharlack (Abteilung 426) antwortet an diesem Sonntag bereits um 7:44 Uhr (!) an das Pressereferat – in Kopie sind unter anderem Jochen Zachgo sowie der damalige Pressesprecher von Bettina Stark-Watzinger.

Scharlack rät zu besonnenem Verhalten: Seiner Einschätzung nach sollte mit äußerster Zurückhaltung reagiert werden. “Der Protestbrief ist sicher irritierend, weil er ausblendet, was die Ursachen für die Räumung waren”, dennoch von der Meinungsfreiheit gedeckt. Und später schreibt der Referatsleiter noch, “auf zuwendungsrechtliche Schlussfolgerungen oder auch nur Hinweise in diese Richtung sollte verzichtet werden.” Es sei nicht im Ansatz erkennbar, wie diese rechtlich begründet werden können, wenn der Brief sich im Rahmen von Art. 5 Absatz 1 GG bewegt. 

13. Mai, Montag: Um 9.56 Uhr schreibt Scharlacks Kollegin an das Referat Z15 in der Zentralabteilung, Betreff: Eilt sehr: Frist HEUTE DS (Dienstschluss, Anm. Der Red.), Bitte um juristische Bewertung des offenen Briefs von Hochschullehrern.

Sie schreibt darin, es hätten sich “in einem offenen Brief eine Reihe von Hochschullehrern gegen die Räumung der Besetzung an der FU Berlin positioniert” und dass sich “gegen diesen offenen Brief wiederum unsere Leitung positioniert habe”. Und dann nennt sie die Bitte von Staatssekretärin Sabine Döring:

Ungeschwärzt: Eine Mail aus der Abteilung 425 während der Fördermittel-Affäre.

Genau zu dieser Stelle wird Sabine Döring später erklären, sie sei missverstanden worden. Dann wäre es Zachgo gewesen, der am Telefon die Dinge falsch verstanden hätte, nachdem man am Morgen noch in der Morgenlage dazu gesprochen hatte.                             

“Wir sollten das nicht unnötig eskalieren lassen”

Der durch die Pressereferentin angesprochene Referent im Referat Z15 antwortet schon kurze Zeit später. Um 10.45 Uhr. Er sei irritiert über die Prüfbitte. “Zunächst kann ich Ihrer untenstehenden E-Mail – jenseits von Zuständigkeitsfragen – bereits keinen prüffähigen Sachverhalt erkennen. Bis auf den offenen Brief fehlt hier jeglicher Hintergrund zur adressierten polizeilichen Räumung sowie zur zuwendungsrechtlichen Ausgangslage. Z15 hat hierzu keinerlei Kenntnisse. Abstrakte Aussagen zu Rechtsfragen sind – wie Ihnen als Juristin bekannt sein dürfte – nur in den seltensten Fällen möglich.”

Weiterhin führt er einige Zuständigkeiten aus und schließt mit dem Hinweis, dass vor diesem Hintergrund die Abteilung Z15 bis auf weiteres nicht weiterhelfen könne. “Meine Vorgesetzten (u.a. Abteilungsleiter Dirk Schattschneider) erhalten die Angelegenheit in Kopie.” Und spätestens an dieser Stelle werden weitere leitende Akteure im BMBF über die Diskussion informiert.

Dass bereits in der Morgenlage vom 13. Mai über den offenen Brief und mögliche Prüfungen und Konsequenzen für kritische Wissenschaftler gesprochen wurde, zeigt ein E-Mail-Austausch von Schattschneider und Zachgo vom frühen Nachmittag des 13. Mai. Abteilungsleiter Schattschneider leitet die kritische Rückmeldung aus dem Referat Z15 vom Vormittag an den Kollegen Jochen Zachgo weiter: Auch wenn die Formulierungs-/Wortwahl nicht die seine sei, gibt er ihm in der Sache überwiegend recht. “Wir sollten das nicht unnötig eskalieren lassen. Der (von mir) gegilbte Teil der (vorangegangenen, Anm. Der Red.) Mail deckt sich zudem nicht mit meiner Wahrnehmung: in der heutigen Morgenlage, wo das Thema besprochen wurde (und aufgrund dessen vermutlich die Prüfbitte von StD ausgesprochen wurde), war es Konsens, dass eine verfassungs-/strafrechtliche Prüfung nicht unsere (des BMBF) Sache sei.”

Weiterer Prüfauftrag an die BMBF-Juristen

Ebenfalls am Montag, den 13. Mai um 12.26 Uhr, vergibt das Fachreferat einen weiteren Auftrag an die BMBF-Juristen aus der Abteilung Z. Wieder eilt es in der Mail. Sie sollen bitte eine förderrechtliche Bewertung des offenen Briefs von Hochschullehrern vornehmen, genauer, sie sollen bitte prüfen, ob eine Entziehung einer etwaigen BMBF-Förderung der Unterzeichner des offenen Briefs möglich wäre.

“Letztlich wäre so etwas natürlich eine politische Entscheidung, die sehr gut abgewogen sein müsste”, erklärt die Referatsleiterin. Als Grundlage hierfür bitte die Leitung zunächst um eine Einschätzung, ob dies zumindest theoretisch möglich wäre. Unterzeichnet ist die Mail mit besten Grüßen, auch von Ulrich Scharlack und seiner Referatsleiterkollegin.

Vermutlich am gleichen Tag geben Scharlack, der noch am Sonntag zur Vorsicht mahnte, und seine Co-Referatsleiterin, beim DLR Projektträger die Erstellung einer Liste der Wissenschaftler in Auftrag, die den offenen Brief unterzeichnet haben und Fördermittel oder sonstige Zuwendungen des BMBF empfangen. Ob dieser Auftrag schriftlich oder telefonisch erfolgt, ist unklar. In der vorliegenden Dokumentation ist er nicht festgehalten.

DLR Projektträger möchte keine Liste mit Namen senden – eigentlich

Dokumentiert ist jedoch die Antwort des DLR Projektträgers vom Dienstag, den 14. Mai. Auf den Wunsch nach einer Liste wird nicht eingegangen. Stattdessen bleibt man abstrakt: “Eine Durchsicht des offenen Briefes durch die Kolleginnen hat ergeben, dass sowohl hinsichtlich aktueller Zuwendungsempfänger als auch mit Blick auf ehemalige Gutachter und Gutachterinnen nur eine marginale Anzahl an Personen den offenen Brief unterschrieben haben (über beide Kategorien hinweg insgesamt ca. 15 Personen).”

Noch am selben Abend fragt Scharlack nach: “welche Zuwendungsempfänger sind das denn nun? Oder habe ich etwas übersehen?”

Der Abteilungsleiter beim DLR Projektträger wird nun direkt:

15. Mai, Mittwoch. Ulrich Scharnack reagiert irritiert – und verlangt nach der Liste. “Ich finde, diese Haltung sehr schwierig, um es etwas zurückhaltend zu formulieren. Ich bitte Sie, unserem Wunsch zu folgen.” Immerhin: Über die Bewertung des Vorgangs könne man reden.

Der DLR Projektträger folgt offenbar der Aufforderung. Scharnack arbeitet weiter an der Prüfung der Aussagen im offenen Brief, um sie in einem Prüfbericht zusammenzufassen.

Am 17. Mai (Freitag) engagiert sich auch Jörn Hasler in der Sache. Der damalige Leiter der Leitungsabteilung, jetzt Leiter der Abteilung 1 (Grundsatzfragen), schreibt an seinen Kollegen Schattschneider: “Ich hatte in der heutigen MoLa (Morgenlage, die Red.) auf der Grundlage der Empfehlung StD (Staatssekretärin Döring) das Statement der Lehrenden einmal verfassungsrechtlich/rechtlich einordnen zu lassen, Klärung mit AL Z zugesagt.”

Diese Erweiterung des Prüfauftrags erachtete die BMBF-Leitungsebene anscheinend als notwendig, da in dem vorherigen Prüfauftrag lediglich eine juristische Prüfung einer etwaigen strafrechtlichen Relevanz sowie eine förderrechtliche Bewertung enthalten waren. Kenntnis über diesen dritten Prüfauftrag hatte schließlich auch Bettina Stark-Watzinger eingeräumt. Von den beiden vorherigen habe sie nichts mitbekommen, bei den Morgenlagen am 10. und am 13. Mai sei sie nicht dabei gewesen, heißt es dazu schon im Sommer aus dem BMBF. Es erscheint jedoch zumindest fragwürdig, dass in der Morgenlage des 17. Mai dann nicht auch die bestehenden Prüfaufträge aus den Tagen zuvor zur Sprache kamen.

24. Mai: Der Bericht “Statement der Lehrenden an Berliner Universitäten” wird von Ulrich Scharlack übergeben. Empfänger sind: Sabine Döring, die Abteilungs- und Unterabteilungsleiter AL 4, UAL 41, UAL 42. In Kopie geht er an “M, PSt JB, PSt MB, St P” – also die Ministerin, die Parlamentarischen Staatssekretäre und Staatssekretärin Judith Pirscher.

Bewertung der förderrechtlichen Prüfung kritischer Wissenschaftler: Deckblatt des Reports von AL 4 am 14 Mai
Prüfung kritischer Wissenschaftler: Deckblatt des Reports von AL 4 am 24. Mai.

Die frühere Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger taucht in den Dokumenten, die Table.Briefings vorliegen, genauso wie die übrigen Staatssekretäre neben Sabine Döring lediglich als (Neben-)Adressatin des Prüfberichts auf. In diesem ist jedoch die förderrechtliche Prüfung nicht enthalten.

Dennoch macht stutzig, dass die Kopie des ersten Prüfberichts vom 14. Mai bereits an die Ministerin ging. Dort war bereits auch eine verfassungsrechtliche Einschätzung enthalten. Warum also wurde diese – dann offiziell mit ihrer Kenntnis – am 17. Mai nochmals in Auftrag gegeben, nachdem man darüber anscheinend in der Morgenlage desselben Tages diskutiert hatte?

In der zweiten Fassung des Prüfberichts vom 24. Mai deutet dann der Satz “Für zuwendungsrechtliche Schlussfolgerungen, die auch von der Hausleitung nicht erbeten waren, gibt es damit keinen Anlass”, der am Anfang des Berichts vermutlich von Ulrich Scharlack eingefügt wurde, auf den skandalösen Vorgang zuvor hin.  

Hat die Ministerin, die auch von dieser zweiten Fassung eine Kopie bekam, den Satz überlesen? Oder wusste sie genau, worauf er sich bezog?          

Anmerk. der Redaktion: In einer früheren Fassung hatten wir geschrieben, dass Jochen Zachgo an der Morgenlage am 13. Mai teilgenommen hat. Dies stimmt so offenbar nicht. Wir bitten dies zu entschuldigen.

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Die Akteure der Fördermittelaffäre: Wer treibt, wer bremst, wer macht mit?

Dienstsitz des BMBF in Berlin: Zahlreiche Führungskräfte des Ministeriums waren an der sogenannten Fördergeld-Affäre beteiligt. Das zeigen die ungeschwärzten Dokumente, die Table.Briefings exklusiv vorliegen.
Dienstsitz des BMBF in Berlin: Zahlreiche Führungskräfte des Ministeriums waren an der sogenannten Fördergeld-Affäre beteiligt. Das zeigen die ungeschwärzten Dokumente zur Kommunikation im BMBF, die Table.Briefings exklusiv vorliegen.

Die ministeriumsinternen E-Mails zur juristischen Prüfung und förderrechtlichen Bewertung des offenen Briefs der Berliner Hochschullehrenden umfassen einen großen Verteilerkreis. Dies wird jetzt durch die ungeschwärzten Dokumente in der BMBF-Affäre bekannt: 

Sabine Döring, ehemalige verbeamtete Staatssekretärin im BMBF 

In den nun veröffentlichten Unterlagen wird deutlich, dass der Abteilungsleiter der Abteilung 4, Jochen Zachgo, den Auftrag für eine zuwendungsrechtliche Prüfung am 13. Mai von ihr telefonisch bekommen haben will. Auf diesen telefonischen Auftrag beziehen sich drei Referatsleiter, darunter Ulrich Scharlack, in ihrer Mail an einen Referenten der Zentralabteilung vom Montag, den 13. Mai um 9:56 Uhr. Darin bitten diese um Prüfung der “strafrechtlichen Relevanz” sowie um eine “förderrechtliche Bewertung”. Dazu kommt, dass aus einer Mail vom Abteilungsleiter der Zentralabteilung, Dirk Schattschneider, an Zachgo klar wird, dass in der Morgenlage vom 13. Mai über den Umgang mit dem offenen Brief diskutiert wurde. Dort, berichtet Schattschneider, wurde “das Thema besprochen” und “aufgrund dessen vermutlich die Prüfbitte von StD (Staatssekretärin Döring) ausgesprochen”.  

Zachgo gibt den Auftrag zur Erstellung der Liste

Jochen Zachgo, Leiter der Abteilung 4, Hochschul- und Wissenschaftssystem, Bildungsfinanzierung 

Gleich an zwei Stellen ist der Leiter der Abteilung 4 in die Fördermittelaffäre involviert und somit eine der zentralen Figuren. Am 10. Mai 2024 gibt er den Auftrag an Ulrich Scharlack und seine Kollegin, beide in seiner Abteilung, die Liste der Unterzeichnenden des offenen Briefes nach BMBF-Zuwendungsempfängern zu durchforsten.  

Und auch am Auftrag zur zuwendungsrechtlichen Prüfung, der am 13. Mai erteilt wird, ist Zachgo beteiligt. “Wie eben telefonisch erläutert habe ich hier im Auftrag meines Abteilungsleiters (Jochen Zachgo, die Red.) eine Bitte von Frau St Döring weitergegeben”, schreibt eine Kollegin Scharlacks zu ihrer Prüfbitte ebenfalls am 13. Mai. Er scheint die Prüfbitte von Sabine Döring telefonisch erhalten und auch telefonisch weitergegeben zu haben. Genau an dieser Stelle wird Sabine Döring später behaupten, sie sei missverstanden worden. Dann wäre es Zachgo gewesen, der am Telefon die Dinge falsch verstanden hätte, nachdem man zuvor noch in der Morgenlage dazu gesprochen hatte. 

Dirk Schattschneider, ehemaliger Leiter der Abteilung Z 

Schattschneider ist in die Kommunikation zur Prüfbitte von Döring von Anfang an eingebunden, da die Fachreferate diese Bitte an einen Referenten weiterleiten, der in Schattschneiders Abteilung Z sitzt und seinen Abteilungsleiter direkt in cc setzt. Auch Schattschneider selbst greift nicht ein. Seine Mail an Zachgo am Nachmittag des 13. Mai zeigt, dass in der Morgenlage über das Thema gesprochen wurde und dass der bisherige Vorgang, inklusive der zuwendungsrechtlichen Prüfung, auch dem entspricht, was dort diskutiert wurde. 

Schattschneider wurde vor kurzem von Cem Özdemir in den einstweiligen Ruhestand versetzt. 

Haslers Rolle ist unklar

Jörn Hasler, ehemaliger Leiter der Leitungsabteilung, jetzt Leiter der Abteilung 1 (Grundsatzfragen)  

Hasler taucht zunächst nicht im Mailverkehr auf. Erst am 17. Mai, vier Tage nach dem Prüfauftrag von Döring, schreibt er an Schattschneider: “Ich hatte in der heutigen MoLa (Morgenlage, Anm. d. Red.) auf der Grundlage der Empfehlung StD (Staatssekretärin Döring) das Statement der Lehrenden einmal verfassungsrechtlich/rechtlich einordnen zu lassen, Klärung mit AL Z zugesagt.” Diese Erweiterung des Prüfauftrags erachtete die BMBF-Leitungsebene anscheinend als notwendig, da in dem vorherigen Prüfauftrag lediglich eine juristische Prüfung einer etwaigen strafrechtlichen Relevanz sowie eine förderrechtliche Bewertung enthalten waren. Kenntnis über diesen dritten Prüfauftrag hatte schließlich auch Bettina Stark-Watzinger eingeräumt. Von den beiden vorherigen habe sie nichts mitbekommen, bei den Morgenlagen am 10. und am 13. Mai sei sie nicht dabei gewesen, heißt es dazu schon im Sommer aus dem BMBF. Es erscheint jedoch zumindest fragwürdig, dass in der Morgenlage des 17. Mai dann nicht auch die bestehenden Prüfaufträge aus den Tagen zuvor zur Sprache kamen.  

Unterabteilungsleiter für den Bereich Hochschulen in der Abteilung 4 

Der langjährige Unterabteilungsleiter für den Bereich Hochschulen ist in den Auftrag zur Erstellung der Liste am Freitag, dem 10. Mai eingebunden. Er bekommt die Mail an die Fachreferate in Kopie. Und auch den Prüfauftrag vom 13. Mai bekommt er, wie der Mailverlauf zeigt, spätestens am Nachmittag des 13. Mai zur Kenntnis. 

Ambivalente Rolle von Scharlack

Ulrich Scharlack, Referatsleiter, Referat 426, Sozial- und Geisteswissenschaften 

Der ehemalige Pressesprecher des BMBF spielt aufgrund seiner Referatsleiterposition für die Sozial- und Geisteswissenschaften eine wichtige Rolle in dem Prozess. Er verantwortet den Prüfbericht an Sabine Döring, bei ihm laufen alle Aufträge zusammen, die mit der Überprüfung der Unterzeichnenden des offenen Briefes zu tun haben.  

  • Der Auftrag von Jochen Zachgo vom 10. Mai, eine Liste der Zuwendungsempfänger unter den Unterzeichnern zu erstellen. 
  • Der Auftrag aus dem Pressereferat, ebenfalls vom 10. Mai, eine “Reaktiv-Sprache” für die Regierungs-Pressekonferenz am Montag, dem 13. Mai zu erstellen, da einige Unterzeichner des offenen Briefes von BMBF-Förderung profitieren. Dieser wird aus dem Referat 415 an ihn weitergereicht. 
  • Der Auftrag von Sabine Döring vom 13. Mai, der über Jochen Zachgo zu ihm kommt, über die juristische und die förderrechtliche Prüfung

Scharlack betont gegenüber dem Pressereferat bereits am Sonntag, dem 12. Mai: auf “zuwendungsrechtliche Schlussfolgerungen oder auch nur Hinweise in diese Richtung sollte verzichtet werden“. Da es nicht im Ansatz erkennbar sei, wie diese rechtlich begründet werden können.

Er ist es vermutlich auch, der im finalen Prüfbericht vom 24. Mai den süffisanten Satz “Für zuwendungsrechtliche Schlussfolgerungen, die auch von der Hausleitung nicht erbeten waren, gibt es damit keinen Anlass” voranstellt. Bereits in der ersten Version des Berichts vom 14. Mai hält er fest: “Das Statement bewegt sich im Rahmen von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, dem grundrechtlich geschützten Bereich der Meinungsfreiheit. Damit hat es auch keinen strafrechtsrelevanten Inhalt (s. hierzu auch Ersteinschätzung von Referat Z15).

Andererseits verlangt Scharlack hartnäckig gegen den Widerstand des Projektträgers DLR, dass dieser die Liste mit den Zuwendungsempfängern erstellt, auch wenn er “über die Bewertung des Vorgangs” noch reden möchte.  

Zentralabteilung will die Prüfung nicht übernehmen, sieht keinen Anfangsverdacht

Referent im Referat Z15 der Zentralabteilung  

Er will offensichtlich die erkennbar “heiße Kartoffel” der juristischen und förderrechtlichen Prüfung am Morgen des 13. Mai nicht auffangen. Dabei unterstützt ihn sein Abteilungsleiter Schattschneider zumindest im Grundsatz (“hat in der Sache überwiegend recht”). Damit müssen die Fachreferate aus der Abteilung 4 übernehmen. Die Z prüft und kommentiert dann den Arbeitsstand des Gutachtens.  

In dieser Kommentierung sieht der Referent keinen Anfangsverdacht im Hinblick auf die Begehung von Straftaten” bei den Unterzeichnern. Und fügt hinzu: “Grundsätzlich gebe ich zu bedenken, dass es sich beim Strafrecht um das ‘schärfste Schwert’ unserer Rechtsordnung handelt. Nicht zuletzt deshalb sind die Hürden der obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung für den Übergang von einer grundgesetzlich (noch) geschützten Meinungsäußerung zu strafrechtlich relevanten Äußerungen sehr hoch.” 

Abteilungsleiter Cedric Janowicz vom DLR Projektträger und seine Kolleginnen und Kollegen 

Er soll im Auftrag von Scharlack die Liste mit den Zuwendungsempfängern erstellen. Das löse bei ihm und seinen “Kolleginnen und Kollegen großes Unwohlsein” aus, schreibt er zurück. Gemeinsam mit seiner Vorgesetzten versucht er zunächst nur die Anzahl der Zuwendungsempfänger zu übermitteln und den Blick auf andere Aspekte zu richten (z. B. auf die Berichterstattung der Bild Zeitung – “Die Universitäter”). In einer zweiten Mail fragt er nochmal nach: “Ist das wirklich wichtig?”. Erst nach dem weiteren Insistieren von Scharlack gibt er nach und liefert die Liste. Von den mehr als tausend Unterzeichnern und Unterstützern des offenen Briefs (Stand 13. Mai 2024) sind 29 markiert – notiert ist, in welchem BMBF-Projekt sie Zuwendungsempfänger sind oder als Gutachter fungierten. 

Ministerin bekam Prüfberichte zur Kenntnis

Bettina Stark-Watzinger, ehemalige Ministerin

Sie war laut Aussage des BMBF weder bei der Morgenlage am 10. noch am 13. Mai dabei und habe daher keine Kenntnis der Prüfaufträge für die förderrechtliche Prüfung gehabt. Sie taucht in dem Schriftverkehr – genauso wie die übrigen Staatssekretäre neben Sabine Döring – lediglich als (Neben-)Adressatin des Prüfberichts auf. In diesem ist jedoch die förderrechtliche Prüfung nicht enthalten. Dennoch macht stutzig, dass die Kopie des ersten Prüfberichts vom 14. Mai bereits an die Ministerin ging. Dort war bereits auch eine verfassungsrechtliche Einschätzung enthalten. Warum also wurde diese – dann offiziell mit ihrer Kenntnis – am 17. Mai nochmals in Auftrag gegeben, nachdem man darüber anscheinend in der Morgenlage diskutiert desselben Tages diskutiert hatte?

In der zweiten Fassung des Prüfberichts vom 24. Mai deutet dann der Satz “Für zuwendungsrechtliche Schlussfolgerungen, die auch von der Hausleitung nicht erbeten waren, gibt es damit keinen Anlass”, der am Anfang des Berichts vermutlich von Ulrich Scharlack eingefügt wurde, auf den skandalösen Vorgang zuvor hin.  

Hat die Ministerin, die eine Kopie des Berichts bekam, den Satz überlesen? Oder wusste sie genau, worauf er sich bezog?

  • Bettina Stark-Watzinger
  • BMBF
  • Cem Özdemir
  • Fördergeld-Affäre
  • Hochschulen
  • Sabine Döring

Research.Table Redaktion

RESEARCH.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    Der forschungspolitische Sprecher der SPD, Oliver Kaczmarek, hatte in der Fördermittelaffäre Einsicht in die ungeschwärzte Kommunikation des Bundesforschungsministeriums rund um die Ereignisse im Mai gefordert. Die Union legte nach und wollte in einer ihrer Kleinen Anfragen vom BMBF wissen, ob das Haus dieser Bitte noch nachkommen wird.

    Mitte November schrieb das Ministerium als Antwort, dass man sich “wiederholt transparent zu den Abläufen im BMBF geäußert” habe. Wie bereits in der Sondersitzung des Forschungsausschusses am 10. September durch Bettina Stark-Watzinger erklärt worden sei, wurden den Mitgliedern des Ausschusses bereits alle streitrelevanten Unterlagen übermittelt.  

    Dies sehen viele der Abgeordneten aus dem Forschungsausschuss anders, viele offene Punkte verbleiben. “Es geht um unseren Wahrheitsanspruch”, sagte uns etwa Thomas Jarzombek, forschungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion.

    Table.Briefings liegen die Mails und Dokumente zur BMBF-Affäre nun ungeschwärzt vor. Wir haben hunderte Seiten für Sie gelesen und das Wichtigste zusammengestellt. Längst ist nicht alles geklärt, doch mit den namentlich zuzuordnenden Aufträgen und Äußerungen kommt sehr viel mehr Transparenz in die Aufklärung der Fördermittelaffäre – und neue Namen tauchen auf (einige davon, von den Referatsebenen des BMBF, haben nun wir – zur Wahrung ihrer Privatsphäre – geschwärzt).

    Ich wünsche Ihnen eine gute Lektüre,

    Ihre
    Nicola Kuhrt
    Bild von Nicola  Kuhrt

    Analyse

    Interne BMBF-Kommunikation zur Fördermittelaffäre: Was das ungeschwärzte Dokument verrät

    Sondersitzung des Forschungsausschusses zur Fördermittelaffäre am 10. September 2024.
    Sondersitzung des Forschungsausschusses zur Fördermittelaffäre am 10. September 2024.

    Es ist schon einiges über die Fördermittelaffäre bekannt geworden, vor allem durch die offengelegte interne Kommunikation im BMBF. Hier zeichneten im Juni veröffentlichten BMBF-interne Mails durch die Plattform Frag den Staat ein erstes Bild der Kommunikation zu den Vorgängen rund um den offenen Brief von Wissenschaftlern. Durch massive Schwärzungen der beteiligten Akteure ließen sich die Vorgänge bisher jedoch nur lückenhaft nachvollziehen.

    Nun liegen Table.Briefings diese Dokumente erstmals ohne Schwärzungen vor. Nach Durchsicht der einigen hundert Seiten lassen sich einige der zahlreichen Fragen, die immer noch offen sind, beantworten. Und für die Ungeklärten kommt mehr Transparenz in die Ereignisse im Mai dieses Jahres.

    Die vorliegende E-Mail-Kommunikation aus der Zeit ab dem 10. Mai 2024 macht deutlich: Der BMBF-interne Austausch über eine fördermittelrechtliche Überprüfung der Wissenschaftler, die sich am 9. Mai in einem offenen Brief gegen die polizeiliche Räumung einer pro-palästinensischen Demonstration an der Freien Universität Berlin gewandt hatten, wird durch eine Anfrage der damaligen Staatssekretärin Sabine Döring angestoßen – jedenfalls schreiben dies drei Referatsleiter in einer E-Mail an die Zentralabteilung.

    Wie die Dokumente ebenfalls zeigen, war die Frage, ob kritische Wissenschaftler einer Prüfung unterzogen werden könnten, bereits in der Morgenlage am 13. Mai Thema. Somit wussten sie alle von der Überlegung zu prüfen, ob kritischen Wissenschaftlern die Fördermittel entzogen werden können. In der dokumentierten Kommunikation finden sich keine Hinweise darauf, dass das genannte Leitungspersonal widersprach oder diese Prüfung gar verhindern wollte. Die bisher immer wieder öffentlich kommunizierte Version, der Anstoß zu den förderrechtlichen Prüfungen sei aus dem Pressereferat gekommen, um vorbereitet zu sein, kann demnach so nicht stimmen.

    Die Chronik der wichtigsten Geschehnisse

    7. Mai, Dienstag: Die Polizei löst ein pro-palästinensisches Protestcamp auf dem Campus der Freien Universität Berlin auf. 

    9. Mai, Donnerstag: Lehrende von Berliner Hochschulen kritisieren in einem offenen Brief das schnelle Eingreifen der Polizei. “Unabhängig davon, ob wir mit den konkreten Forderungen des Protestcamps einverstanden sind, stellen wir uns vor unsere Studierenden und verteidigen ihr Recht auf friedlichen Protest, das auch die Besetzung von Uni-Gelände einschließt”, heißt es in der Stellungnahme, die bei Veröffentlichung rund 100 Unterzeichner hatte, mittlerweile sind es mehr als 1.000.

    10. Mai, Freitag: Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger erklärt in der Bild-Zeitung: Der offene Brief mache sie “fassungslos”. Statt sich klar gegen Israel- und Judenhass zu stellen, würden Uni-Besetzer zu Opfern gemacht und Gewalt verharmlost.

    Um 11.41 Uhr gibt Jochen Zachgo, Leiter der Abteilung 4 (Hochschul- und Wissenschaftssystem, Bildungsfinanzierung) Ulrich Scharlack (Referatsleiter 426) und dessen Kollegin aus dem Referat 415 einen folgenschweren Auftrag:

    Nach Telefonat am 13. Mai: Jochen Zachgo vergibt mit "Blick auf das Statement von Lehrenden der Berliner Unis" einen Auftrag.

    Um 12.43 Uhr wird es dann eilig. Eine Pressesprecherin übertitelt ihre Mail an einen Kollegen aus der Fachabteilung mit “EILT! M-Statement zu Offenem Brief FU – mdB um Rückmeldung bis 14 Uhr und Reaktiv- Sprache für Montag”, angesprochen ist ein großer Kreis, darunter auch Ulrich Scharlack.

    In dieser Mail bittet sie, da es von zahlreichen TV-Sendern Anfragen nach einem O-Ton der Ministerin zu ihrem gestrigen Tweet und der Berichterstattung in der Bild-Zeitung gegeben habe, um Abnahme eines Zitats für die Pressestelle.

    Bei der zweiten Bitte wird es komplizierter: Da “einige der Unterzeichner des Offenen Briefes von BMBF-Förderungen zu profitieren scheinen”, bittet die Pressefrau um vorbereitete Reaktionen auf mögliche Anfragen während der Regierungspressekonferenz am darauffolgenden Montag.

    Während aus dem angesprochenen Fachreferat eine schnelle Einschätzung an die Pressesprecherin geschickt wird, leitet man die zweite Bitte an Ulrich Scharlack weiter.      

    12. Mai, Sonntag: Der Druck ist aufgebaut. Ulrich Scharlack (Abteilung 426) antwortet an diesem Sonntag bereits um 7:44 Uhr (!) an das Pressereferat – in Kopie sind unter anderem Jochen Zachgo sowie der damalige Pressesprecher von Bettina Stark-Watzinger.

    Scharlack rät zu besonnenem Verhalten: Seiner Einschätzung nach sollte mit äußerster Zurückhaltung reagiert werden. “Der Protestbrief ist sicher irritierend, weil er ausblendet, was die Ursachen für die Räumung waren”, dennoch von der Meinungsfreiheit gedeckt. Und später schreibt der Referatsleiter noch, “auf zuwendungsrechtliche Schlussfolgerungen oder auch nur Hinweise in diese Richtung sollte verzichtet werden.” Es sei nicht im Ansatz erkennbar, wie diese rechtlich begründet werden können, wenn der Brief sich im Rahmen von Art. 5 Absatz 1 GG bewegt. 

    13. Mai, Montag: Um 9.56 Uhr schreibt Scharlacks Kollegin an das Referat Z15 in der Zentralabteilung, Betreff: Eilt sehr: Frist HEUTE DS (Dienstschluss, Anm. Der Red.), Bitte um juristische Bewertung des offenen Briefs von Hochschullehrern.

    Sie schreibt darin, es hätten sich “in einem offenen Brief eine Reihe von Hochschullehrern gegen die Räumung der Besetzung an der FU Berlin positioniert” und dass sich “gegen diesen offenen Brief wiederum unsere Leitung positioniert habe”. Und dann nennt sie die Bitte von Staatssekretärin Sabine Döring:

    Ungeschwärzt: Eine Mail aus der Abteilung 425 während der Fördermittel-Affäre.

    Genau zu dieser Stelle wird Sabine Döring später erklären, sie sei missverstanden worden. Dann wäre es Zachgo gewesen, der am Telefon die Dinge falsch verstanden hätte, nachdem man am Morgen noch in der Morgenlage dazu gesprochen hatte.                             

    “Wir sollten das nicht unnötig eskalieren lassen”

    Der durch die Pressereferentin angesprochene Referent im Referat Z15 antwortet schon kurze Zeit später. Um 10.45 Uhr. Er sei irritiert über die Prüfbitte. “Zunächst kann ich Ihrer untenstehenden E-Mail – jenseits von Zuständigkeitsfragen – bereits keinen prüffähigen Sachverhalt erkennen. Bis auf den offenen Brief fehlt hier jeglicher Hintergrund zur adressierten polizeilichen Räumung sowie zur zuwendungsrechtlichen Ausgangslage. Z15 hat hierzu keinerlei Kenntnisse. Abstrakte Aussagen zu Rechtsfragen sind – wie Ihnen als Juristin bekannt sein dürfte – nur in den seltensten Fällen möglich.”

    Weiterhin führt er einige Zuständigkeiten aus und schließt mit dem Hinweis, dass vor diesem Hintergrund die Abteilung Z15 bis auf weiteres nicht weiterhelfen könne. “Meine Vorgesetzten (u.a. Abteilungsleiter Dirk Schattschneider) erhalten die Angelegenheit in Kopie.” Und spätestens an dieser Stelle werden weitere leitende Akteure im BMBF über die Diskussion informiert.

    Dass bereits in der Morgenlage vom 13. Mai über den offenen Brief und mögliche Prüfungen und Konsequenzen für kritische Wissenschaftler gesprochen wurde, zeigt ein E-Mail-Austausch von Schattschneider und Zachgo vom frühen Nachmittag des 13. Mai. Abteilungsleiter Schattschneider leitet die kritische Rückmeldung aus dem Referat Z15 vom Vormittag an den Kollegen Jochen Zachgo weiter: Auch wenn die Formulierungs-/Wortwahl nicht die seine sei, gibt er ihm in der Sache überwiegend recht. “Wir sollten das nicht unnötig eskalieren lassen. Der (von mir) gegilbte Teil der (vorangegangenen, Anm. Der Red.) Mail deckt sich zudem nicht mit meiner Wahrnehmung: in der heutigen Morgenlage, wo das Thema besprochen wurde (und aufgrund dessen vermutlich die Prüfbitte von StD ausgesprochen wurde), war es Konsens, dass eine verfassungs-/strafrechtliche Prüfung nicht unsere (des BMBF) Sache sei.”

    Weiterer Prüfauftrag an die BMBF-Juristen

    Ebenfalls am Montag, den 13. Mai um 12.26 Uhr, vergibt das Fachreferat einen weiteren Auftrag an die BMBF-Juristen aus der Abteilung Z. Wieder eilt es in der Mail. Sie sollen bitte eine förderrechtliche Bewertung des offenen Briefs von Hochschullehrern vornehmen, genauer, sie sollen bitte prüfen, ob eine Entziehung einer etwaigen BMBF-Förderung der Unterzeichner des offenen Briefs möglich wäre.

    “Letztlich wäre so etwas natürlich eine politische Entscheidung, die sehr gut abgewogen sein müsste”, erklärt die Referatsleiterin. Als Grundlage hierfür bitte die Leitung zunächst um eine Einschätzung, ob dies zumindest theoretisch möglich wäre. Unterzeichnet ist die Mail mit besten Grüßen, auch von Ulrich Scharlack und seiner Referatsleiterkollegin.

    Vermutlich am gleichen Tag geben Scharlack, der noch am Sonntag zur Vorsicht mahnte, und seine Co-Referatsleiterin, beim DLR Projektträger die Erstellung einer Liste der Wissenschaftler in Auftrag, die den offenen Brief unterzeichnet haben und Fördermittel oder sonstige Zuwendungen des BMBF empfangen. Ob dieser Auftrag schriftlich oder telefonisch erfolgt, ist unklar. In der vorliegenden Dokumentation ist er nicht festgehalten.

    DLR Projektträger möchte keine Liste mit Namen senden – eigentlich

    Dokumentiert ist jedoch die Antwort des DLR Projektträgers vom Dienstag, den 14. Mai. Auf den Wunsch nach einer Liste wird nicht eingegangen. Stattdessen bleibt man abstrakt: “Eine Durchsicht des offenen Briefes durch die Kolleginnen hat ergeben, dass sowohl hinsichtlich aktueller Zuwendungsempfänger als auch mit Blick auf ehemalige Gutachter und Gutachterinnen nur eine marginale Anzahl an Personen den offenen Brief unterschrieben haben (über beide Kategorien hinweg insgesamt ca. 15 Personen).”

    Noch am selben Abend fragt Scharlack nach: “welche Zuwendungsempfänger sind das denn nun? Oder habe ich etwas übersehen?”

    Der Abteilungsleiter beim DLR Projektträger wird nun direkt:

    15. Mai, Mittwoch. Ulrich Scharnack reagiert irritiert – und verlangt nach der Liste. “Ich finde, diese Haltung sehr schwierig, um es etwas zurückhaltend zu formulieren. Ich bitte Sie, unserem Wunsch zu folgen.” Immerhin: Über die Bewertung des Vorgangs könne man reden.

    Der DLR Projektträger folgt offenbar der Aufforderung. Scharnack arbeitet weiter an der Prüfung der Aussagen im offenen Brief, um sie in einem Prüfbericht zusammenzufassen.

    Am 17. Mai (Freitag) engagiert sich auch Jörn Hasler in der Sache. Der damalige Leiter der Leitungsabteilung, jetzt Leiter der Abteilung 1 (Grundsatzfragen), schreibt an seinen Kollegen Schattschneider: “Ich hatte in der heutigen MoLa (Morgenlage, die Red.) auf der Grundlage der Empfehlung StD (Staatssekretärin Döring) das Statement der Lehrenden einmal verfassungsrechtlich/rechtlich einordnen zu lassen, Klärung mit AL Z zugesagt.”

    Diese Erweiterung des Prüfauftrags erachtete die BMBF-Leitungsebene anscheinend als notwendig, da in dem vorherigen Prüfauftrag lediglich eine juristische Prüfung einer etwaigen strafrechtlichen Relevanz sowie eine förderrechtliche Bewertung enthalten waren. Kenntnis über diesen dritten Prüfauftrag hatte schließlich auch Bettina Stark-Watzinger eingeräumt. Von den beiden vorherigen habe sie nichts mitbekommen, bei den Morgenlagen am 10. und am 13. Mai sei sie nicht dabei gewesen, heißt es dazu schon im Sommer aus dem BMBF. Es erscheint jedoch zumindest fragwürdig, dass in der Morgenlage des 17. Mai dann nicht auch die bestehenden Prüfaufträge aus den Tagen zuvor zur Sprache kamen.

    24. Mai: Der Bericht “Statement der Lehrenden an Berliner Universitäten” wird von Ulrich Scharlack übergeben. Empfänger sind: Sabine Döring, die Abteilungs- und Unterabteilungsleiter AL 4, UAL 41, UAL 42. In Kopie geht er an “M, PSt JB, PSt MB, St P” – also die Ministerin, die Parlamentarischen Staatssekretäre und Staatssekretärin Judith Pirscher.

    Bewertung der förderrechtlichen Prüfung kritischer Wissenschaftler: Deckblatt des Reports von AL 4 am 14 Mai
    Prüfung kritischer Wissenschaftler: Deckblatt des Reports von AL 4 am 24. Mai.

    Die frühere Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger taucht in den Dokumenten, die Table.Briefings vorliegen, genauso wie die übrigen Staatssekretäre neben Sabine Döring lediglich als (Neben-)Adressatin des Prüfberichts auf. In diesem ist jedoch die förderrechtliche Prüfung nicht enthalten.

    Dennoch macht stutzig, dass die Kopie des ersten Prüfberichts vom 14. Mai bereits an die Ministerin ging. Dort war bereits auch eine verfassungsrechtliche Einschätzung enthalten. Warum also wurde diese – dann offiziell mit ihrer Kenntnis – am 17. Mai nochmals in Auftrag gegeben, nachdem man darüber anscheinend in der Morgenlage desselben Tages diskutiert hatte?

    In der zweiten Fassung des Prüfberichts vom 24. Mai deutet dann der Satz “Für zuwendungsrechtliche Schlussfolgerungen, die auch von der Hausleitung nicht erbeten waren, gibt es damit keinen Anlass”, der am Anfang des Berichts vermutlich von Ulrich Scharlack eingefügt wurde, auf den skandalösen Vorgang zuvor hin.  

    Hat die Ministerin, die auch von dieser zweiten Fassung eine Kopie bekam, den Satz überlesen? Oder wusste sie genau, worauf er sich bezog?          

    Anmerk. der Redaktion: In einer früheren Fassung hatten wir geschrieben, dass Jochen Zachgo an der Morgenlage am 13. Mai teilgenommen hat. Dies stimmt so offenbar nicht. Wir bitten dies zu entschuldigen.

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    Die Akteure der Fördermittelaffäre: Wer treibt, wer bremst, wer macht mit?

    Dienstsitz des BMBF in Berlin: Zahlreiche Führungskräfte des Ministeriums waren an der sogenannten Fördergeld-Affäre beteiligt. Das zeigen die ungeschwärzten Dokumente, die Table.Briefings exklusiv vorliegen.
    Dienstsitz des BMBF in Berlin: Zahlreiche Führungskräfte des Ministeriums waren an der sogenannten Fördergeld-Affäre beteiligt. Das zeigen die ungeschwärzten Dokumente zur Kommunikation im BMBF, die Table.Briefings exklusiv vorliegen.

    Die ministeriumsinternen E-Mails zur juristischen Prüfung und förderrechtlichen Bewertung des offenen Briefs der Berliner Hochschullehrenden umfassen einen großen Verteilerkreis. Dies wird jetzt durch die ungeschwärzten Dokumente in der BMBF-Affäre bekannt: 

    Sabine Döring, ehemalige verbeamtete Staatssekretärin im BMBF 

    In den nun veröffentlichten Unterlagen wird deutlich, dass der Abteilungsleiter der Abteilung 4, Jochen Zachgo, den Auftrag für eine zuwendungsrechtliche Prüfung am 13. Mai von ihr telefonisch bekommen haben will. Auf diesen telefonischen Auftrag beziehen sich drei Referatsleiter, darunter Ulrich Scharlack, in ihrer Mail an einen Referenten der Zentralabteilung vom Montag, den 13. Mai um 9:56 Uhr. Darin bitten diese um Prüfung der “strafrechtlichen Relevanz” sowie um eine “förderrechtliche Bewertung”. Dazu kommt, dass aus einer Mail vom Abteilungsleiter der Zentralabteilung, Dirk Schattschneider, an Zachgo klar wird, dass in der Morgenlage vom 13. Mai über den Umgang mit dem offenen Brief diskutiert wurde. Dort, berichtet Schattschneider, wurde “das Thema besprochen” und “aufgrund dessen vermutlich die Prüfbitte von StD (Staatssekretärin Döring) ausgesprochen”.  

    Zachgo gibt den Auftrag zur Erstellung der Liste

    Jochen Zachgo, Leiter der Abteilung 4, Hochschul- und Wissenschaftssystem, Bildungsfinanzierung 

    Gleich an zwei Stellen ist der Leiter der Abteilung 4 in die Fördermittelaffäre involviert und somit eine der zentralen Figuren. Am 10. Mai 2024 gibt er den Auftrag an Ulrich Scharlack und seine Kollegin, beide in seiner Abteilung, die Liste der Unterzeichnenden des offenen Briefes nach BMBF-Zuwendungsempfängern zu durchforsten.  

    Und auch am Auftrag zur zuwendungsrechtlichen Prüfung, der am 13. Mai erteilt wird, ist Zachgo beteiligt. “Wie eben telefonisch erläutert habe ich hier im Auftrag meines Abteilungsleiters (Jochen Zachgo, die Red.) eine Bitte von Frau St Döring weitergegeben”, schreibt eine Kollegin Scharlacks zu ihrer Prüfbitte ebenfalls am 13. Mai. Er scheint die Prüfbitte von Sabine Döring telefonisch erhalten und auch telefonisch weitergegeben zu haben. Genau an dieser Stelle wird Sabine Döring später behaupten, sie sei missverstanden worden. Dann wäre es Zachgo gewesen, der am Telefon die Dinge falsch verstanden hätte, nachdem man zuvor noch in der Morgenlage dazu gesprochen hatte. 

    Dirk Schattschneider, ehemaliger Leiter der Abteilung Z 

    Schattschneider ist in die Kommunikation zur Prüfbitte von Döring von Anfang an eingebunden, da die Fachreferate diese Bitte an einen Referenten weiterleiten, der in Schattschneiders Abteilung Z sitzt und seinen Abteilungsleiter direkt in cc setzt. Auch Schattschneider selbst greift nicht ein. Seine Mail an Zachgo am Nachmittag des 13. Mai zeigt, dass in der Morgenlage über das Thema gesprochen wurde und dass der bisherige Vorgang, inklusive der zuwendungsrechtlichen Prüfung, auch dem entspricht, was dort diskutiert wurde. 

    Schattschneider wurde vor kurzem von Cem Özdemir in den einstweiligen Ruhestand versetzt. 

    Haslers Rolle ist unklar

    Jörn Hasler, ehemaliger Leiter der Leitungsabteilung, jetzt Leiter der Abteilung 1 (Grundsatzfragen)  

    Hasler taucht zunächst nicht im Mailverkehr auf. Erst am 17. Mai, vier Tage nach dem Prüfauftrag von Döring, schreibt er an Schattschneider: “Ich hatte in der heutigen MoLa (Morgenlage, Anm. d. Red.) auf der Grundlage der Empfehlung StD (Staatssekretärin Döring) das Statement der Lehrenden einmal verfassungsrechtlich/rechtlich einordnen zu lassen, Klärung mit AL Z zugesagt.” Diese Erweiterung des Prüfauftrags erachtete die BMBF-Leitungsebene anscheinend als notwendig, da in dem vorherigen Prüfauftrag lediglich eine juristische Prüfung einer etwaigen strafrechtlichen Relevanz sowie eine förderrechtliche Bewertung enthalten waren. Kenntnis über diesen dritten Prüfauftrag hatte schließlich auch Bettina Stark-Watzinger eingeräumt. Von den beiden vorherigen habe sie nichts mitbekommen, bei den Morgenlagen am 10. und am 13. Mai sei sie nicht dabei gewesen, heißt es dazu schon im Sommer aus dem BMBF. Es erscheint jedoch zumindest fragwürdig, dass in der Morgenlage des 17. Mai dann nicht auch die bestehenden Prüfaufträge aus den Tagen zuvor zur Sprache kamen.  

    Unterabteilungsleiter für den Bereich Hochschulen in der Abteilung 4 

    Der langjährige Unterabteilungsleiter für den Bereich Hochschulen ist in den Auftrag zur Erstellung der Liste am Freitag, dem 10. Mai eingebunden. Er bekommt die Mail an die Fachreferate in Kopie. Und auch den Prüfauftrag vom 13. Mai bekommt er, wie der Mailverlauf zeigt, spätestens am Nachmittag des 13. Mai zur Kenntnis. 

    Ambivalente Rolle von Scharlack

    Ulrich Scharlack, Referatsleiter, Referat 426, Sozial- und Geisteswissenschaften 

    Der ehemalige Pressesprecher des BMBF spielt aufgrund seiner Referatsleiterposition für die Sozial- und Geisteswissenschaften eine wichtige Rolle in dem Prozess. Er verantwortet den Prüfbericht an Sabine Döring, bei ihm laufen alle Aufträge zusammen, die mit der Überprüfung der Unterzeichnenden des offenen Briefes zu tun haben.  

    • Der Auftrag von Jochen Zachgo vom 10. Mai, eine Liste der Zuwendungsempfänger unter den Unterzeichnern zu erstellen. 
    • Der Auftrag aus dem Pressereferat, ebenfalls vom 10. Mai, eine “Reaktiv-Sprache” für die Regierungs-Pressekonferenz am Montag, dem 13. Mai zu erstellen, da einige Unterzeichner des offenen Briefes von BMBF-Förderung profitieren. Dieser wird aus dem Referat 415 an ihn weitergereicht. 
    • Der Auftrag von Sabine Döring vom 13. Mai, der über Jochen Zachgo zu ihm kommt, über die juristische und die förderrechtliche Prüfung

    Scharlack betont gegenüber dem Pressereferat bereits am Sonntag, dem 12. Mai: auf “zuwendungsrechtliche Schlussfolgerungen oder auch nur Hinweise in diese Richtung sollte verzichtet werden“. Da es nicht im Ansatz erkennbar sei, wie diese rechtlich begründet werden können.

    Er ist es vermutlich auch, der im finalen Prüfbericht vom 24. Mai den süffisanten Satz “Für zuwendungsrechtliche Schlussfolgerungen, die auch von der Hausleitung nicht erbeten waren, gibt es damit keinen Anlass” voranstellt. Bereits in der ersten Version des Berichts vom 14. Mai hält er fest: “Das Statement bewegt sich im Rahmen von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, dem grundrechtlich geschützten Bereich der Meinungsfreiheit. Damit hat es auch keinen strafrechtsrelevanten Inhalt (s. hierzu auch Ersteinschätzung von Referat Z15).

    Andererseits verlangt Scharlack hartnäckig gegen den Widerstand des Projektträgers DLR, dass dieser die Liste mit den Zuwendungsempfängern erstellt, auch wenn er “über die Bewertung des Vorgangs” noch reden möchte.  

    Zentralabteilung will die Prüfung nicht übernehmen, sieht keinen Anfangsverdacht

    Referent im Referat Z15 der Zentralabteilung  

    Er will offensichtlich die erkennbar “heiße Kartoffel” der juristischen und förderrechtlichen Prüfung am Morgen des 13. Mai nicht auffangen. Dabei unterstützt ihn sein Abteilungsleiter Schattschneider zumindest im Grundsatz (“hat in der Sache überwiegend recht”). Damit müssen die Fachreferate aus der Abteilung 4 übernehmen. Die Z prüft und kommentiert dann den Arbeitsstand des Gutachtens.  

    In dieser Kommentierung sieht der Referent keinen Anfangsverdacht im Hinblick auf die Begehung von Straftaten” bei den Unterzeichnern. Und fügt hinzu: “Grundsätzlich gebe ich zu bedenken, dass es sich beim Strafrecht um das ‘schärfste Schwert’ unserer Rechtsordnung handelt. Nicht zuletzt deshalb sind die Hürden der obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung für den Übergang von einer grundgesetzlich (noch) geschützten Meinungsäußerung zu strafrechtlich relevanten Äußerungen sehr hoch.” 

    Abteilungsleiter Cedric Janowicz vom DLR Projektträger und seine Kolleginnen und Kollegen 

    Er soll im Auftrag von Scharlack die Liste mit den Zuwendungsempfängern erstellen. Das löse bei ihm und seinen “Kolleginnen und Kollegen großes Unwohlsein” aus, schreibt er zurück. Gemeinsam mit seiner Vorgesetzten versucht er zunächst nur die Anzahl der Zuwendungsempfänger zu übermitteln und den Blick auf andere Aspekte zu richten (z. B. auf die Berichterstattung der Bild Zeitung – “Die Universitäter”). In einer zweiten Mail fragt er nochmal nach: “Ist das wirklich wichtig?”. Erst nach dem weiteren Insistieren von Scharlack gibt er nach und liefert die Liste. Von den mehr als tausend Unterzeichnern und Unterstützern des offenen Briefs (Stand 13. Mai 2024) sind 29 markiert – notiert ist, in welchem BMBF-Projekt sie Zuwendungsempfänger sind oder als Gutachter fungierten. 

    Ministerin bekam Prüfberichte zur Kenntnis

    Bettina Stark-Watzinger, ehemalige Ministerin

    Sie war laut Aussage des BMBF weder bei der Morgenlage am 10. noch am 13. Mai dabei und habe daher keine Kenntnis der Prüfaufträge für die förderrechtliche Prüfung gehabt. Sie taucht in dem Schriftverkehr – genauso wie die übrigen Staatssekretäre neben Sabine Döring – lediglich als (Neben-)Adressatin des Prüfberichts auf. In diesem ist jedoch die förderrechtliche Prüfung nicht enthalten. Dennoch macht stutzig, dass die Kopie des ersten Prüfberichts vom 14. Mai bereits an die Ministerin ging. Dort war bereits auch eine verfassungsrechtliche Einschätzung enthalten. Warum also wurde diese – dann offiziell mit ihrer Kenntnis – am 17. Mai nochmals in Auftrag gegeben, nachdem man darüber anscheinend in der Morgenlage diskutiert desselben Tages diskutiert hatte?

    In der zweiten Fassung des Prüfberichts vom 24. Mai deutet dann der Satz “Für zuwendungsrechtliche Schlussfolgerungen, die auch von der Hausleitung nicht erbeten waren, gibt es damit keinen Anlass”, der am Anfang des Berichts vermutlich von Ulrich Scharlack eingefügt wurde, auf den skandalösen Vorgang zuvor hin.  

    Hat die Ministerin, die eine Kopie des Berichts bekam, den Satz überlesen? Oder wusste sie genau, worauf er sich bezog?

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