was Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft angeht, war Berlin bislang ein progressives Experimentierfeld. Der arbeitnehmerfreundliche rot-rot-grüne Senat hatte Postdocs ab Oktober 2023 Dauerstellen in Aussicht gestellt. Die Nachfolgeregierung von CDU und SPD verschob diese Verpflichtung für Hochschulen zunächst auf das Jahr 2025. Nun will man komplett “von der Regelung Abstand nehmen”, hat mein Kollege Markus Weisskopf von der SPD-Senatswissenschaftsverwaltung erfahren. Hintergrund der Entscheidung des Berliner Senats soll unter anderem eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die strengere Befristungsregel in § 110 des Berliner Hochschulgesetzes sein.
Damit die Länder in Zukunft rechtssicher eigene Schwerpunkte setzen können, schlägt Tobias Rosefeldt, Philosophie-Professor an der HU Berlin und Aktivist bei #ProfsfuerHanna eine Länderöffnungsklausel vor. Diese könnte in den aktuell im Parlament diskutierten Entwurf für die WissZeitVG-Novelle eingefügt werden. Dadurch hätten die Länder die Möglichkeit, individuelle Schwerpunkte zu setzen und in einen Wettbewerb um bessere Arbeitsbedingungen einzutreten, schreibt er in seiner öffentlichen Stellungnahme. Wir haben uns das Papier angeschaut und eine erste Reaktion dazu aus dem Parlament.
Nicht nur in den Nationalstaaten ist Forschungssicherheit derzeit ein heiß diskutiertes Thema. Auch die Nato interessiert sich zunehmend für Exportkontrolle in der Forschung und Wissenschaft. Die Sorge, geopolitischen Gegenspielern ungewollt Zugang zu Informationen über technologische Fortschritte zu gewähren, beschäftigt das Verteidigungsbündnis. Welche Gefahren die Experten sehen und wie sie ihnen begegnen wollen, hat mein Kollege Marcel Grzanna recherchiert.
Ich wünsche Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre,
Der Paragraf 110 des Berliner Hochschulgesetzes von 2021 sollte Postdocs verbindliche Anschlusszusagen für eine Dauerstelle ab 2023 bringen. Doch nachdem es zunächst eine Verschiebung auf 2025 gegeben hatte, will der schwarz-rote Senat nun ganz “von der Regelung Abstand nehmen“. Das erklärte die Senatswissenschaftsverwaltung auf Anfrage von Table.Briefings.
Offenbar haben Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra und Staatssekretär Henry Marx Sorge, dass die Regelung rechtlich gekippt werden könnte. Eine Rolle spielt dabei die geplante Novelle des WissZeitVG. Nachdem dort anscheinend die Befristungsregelungen für Postdocs im Wesentlichen erhalten bleiben sollen, hätte aus Sicht der Senatsverwaltung nur eine Länderöffnungsklausel geholfen. Doch diese soll wohl auf Widerstand aus den Ländern stoßen. Das berichtete Marx auf dem Forum “Gute Arbeit an Berliner Hochschulen” in der vergangenen Woche, wie Teilnehmende berichten. Dort sprach Marx dann laut ver.di auch von einer Aufweichung des § 110 (6).
Der rot-rot-grüne Senat wollte im Jahr 2021 Vorreiter sein und Postdocs auf einer Qualifizierungsstelle für eine Professur verbindliche Anschlusszusagen für eine Dauerstelle machen. Das wurde im Paragraf 110 (6) des Berliner Hochschulgesetzes festgehalten.
Doch bereits im selben Jahr gab es heftige Diskussionen um den Gesetzentwurf. Während Gewerkschaften und Personalräte genauso wie die #IchBinHanna-Bewegung die neue Regelung begrüßten und als Vorbild für andere Länder wahrnahmen, gab es Widerstände in den Hochschulleitungen. Diese wiesen darauf hin, dass die aktuellen Strukturen nur mit den bis dato geltenden Befristungsmöglichkeiten funktionierten.
Die damalige HU-Präsidentin Sabine Kunst trat sogar wegen dieser Neuregelung zum Jahresende 2021 zurück. Im Dezember 2021 reichte die HU beim Bundesverfassungsgericht ihre Verfassungsbeschwerde gegen das Hochschulgesetz ein. In einer Mitteilung begründete sie dies mit der fehlenden Gesetzgebungskompetenz des Landes Berlin im vorliegenden Fall. Diese liege vielmehr beim Bund.
Dieser Einschätzung schloss sich beispielsweise auch Christian von Coelln im Verfassungsblog an. Aus verfassungsrechtlicher Perspektive sehe sich speziell die Entfristungsregelung erheblichen inhaltlichen und formellen Bedenken ausgesetzt, schrieb er Ende 2021. Zu einer solchen Regelung sei das Land Berlin nach Art. 72 I GG nur befugt, solange und soweit der Bund von seiner Kompetenz nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht habe. Eben dies sei aber durch das WissZeitVG der Fall, argumentiert von Coelln.
Doch andere Juristen kommen zu anderen Urteilen und halten die Regelung für verfassungskonform. Darauf verweisen nun auch die Gewerkschaften. Sie zeigen sich empört über die neuen Aussagen der Senatsverwaltung für Wissenschaft. “Die Haltung der Senatsverwaltung ist ein glatter Wortbruch zu allen ihren vorherigen Aussagen”, sagt Martina Regulin, Berliner GEW-Vorsitzende. Alle Hochschulen hätten sich bereits an die Konzepte zur Umsetzung der neuen Regelung gesetzt und diese erarbeitet.
Das sieht auch Steffi Nickel, Personalrätin an der TU Berlin und aktiv bei ver.di, ähnlich: “Die Hochschulen haben belastbare Vorschläge zur Umsetzung von § 110 erarbeitet. Bei einer Abschaffung der verbindlichen Entfristungsregelung, war diese Arbeit für den Papierkorb. Das – und der Umgang mit uns als Beschäftigtenvertretungen im Forum – ist respektlos“, erklärt Nickel in einer Mitteilung von ver.di.
Die Reaktionen der Hochschulleitungen fallen unterschiedlich aus: Der § 110(6) versuche, Sicherheiten zu geben, verbaue aber auch Chancen und Gestaltungsmöglichkeiten und schaffe ja auch keine neuen Stellen, sagte FU-Präsident Günter M. Ziegler auf Anfrage von Table.Briefings. “Es war immer fraglich, ob der § 110(6) angesichts der Regelungen des WissZeitVG überhaupt verfassungsgemäß ist. Daher begrüßen wir, dass die Senatsverwaltung vom § 110(6) Abstand nehmen wird – und arbeiten um so härter an der Ermöglichung und Gestaltung von verlässlichen Karrierewegen in der Wissenschaft.”
Geraldine Rauch, Präsidentin der TU Berlin zeigt sich hingegen enttäuscht: “Wissenschaftliche Exzellenz erfordert verlässliche und planbare Karrierewege. Die verbindliche Anschlusszusage ist die viel beworbene Berliner Antwort drauf. Ohne Verbindlichkeit ist dieser wichtige Meilenstein gefährdet – und das ohne Grund, denn ein Urteil des Verfassungsgerichts liegt nicht vor.”
Die Nato interessiert sich zunehmend für Exportkontrolle in der Forschung und Wissenschaft. Die Sorge, geopolitischen Gegenspielern ungewollt Zugang zu Informationen über technologische Fortschritte zu gewähren, beschäftigt nicht nur Nationalstaaten, sondern auch das Verteidigungsbündnis.
Als klassischer Gegenspieler der Nato zählt in erster Linie Russland zu jenen Ländern, denen sensible Daten und Kenntnisse nicht in den Schoß fallen sollen. Doch auch China – obwohl weit entfernt vom Nato-Territorium – rückt zunehmend in den Fokus. Im September trafen Mitglieder des Wissenschafts- und Technologieausschusses (STB) der Nato in Stockholm zusammen. Das Ziel der Tagung: erste Schritte zur Entwicklung einer neuen Wissenschafts- und Technologiestrategie.
Das aktuelle Weißbuch ist inzwischen sechs Jahre alt und wird den neuen geopolitischen Herausforderungen zunehmend weniger gerecht. “Seit der Verabschiedung der alten Strategie im Jahr 2018 ist viel passiert. Wir haben große technologische Fortschritte gesehen, zum Beispiel bei sogenannten neuen und disruptiven Technologien. Wir sind auch mit neuen Sicherheitsbedrohungen und einem anhaltenden Krieg in Europa konfrontiert”, sagte der Schwede Jens Mattsson, der die Entwicklung der neuen Strategie verantwortet. Disruptive Technologien sind Innovationen, die bestehende Technologie vom Markt verdrängen. Eine technologisch fortschrittliche Nato sei für ein starkes Bündnis unerlässlich.
Zumal sich potenzielle kriegerische Auseinandersetzungen nicht mehr nur zu Lande, zu Wasser und in der Luft abspielen, sondern auch im Cyberspace. Angriffe auf die kritische Infrastruktur eines Gegners können wichtige Kommunikationswege abschneiden und Reaktionszeiten auf militärische Manöver beeinflussen. Beispiel Taiwan: Nach Ansicht von US-Sicherheitsbehörden arbeitet China daran, die Handlungsfähigkeit der USA am Tag einer möglichen Invasion der Insel entscheidend zu verlangsamen.
Zwölf Millionen Euro investiert die Nato pro Jahr in das Science for Peace and Security Programme (SPS), das den Dialog und die Zusammenarbeit zwischen Mitgliedstaaten und Partnerländern fördern soll. Grundlage für den Austausch bilden Forschung und Innovationen. SPS flankiert die Verknüpfung mit Geld, Beratung durch Experten und einer Unterstützung für “maßgeschneiderte, zivile, sicherheitsrelevante Aktivitäten, die den strategischen Zielen der NATO entsprechen”, heißt es.
Geladen nach Stockholm war auch Alicia Hennig von der IHI Zittau an der TU Dresden. Hennig war eigens vor Ort, um die Vertreter der Bündnisstaaten über die Gefahren in Kenntnis zu setzen, die speziell von der Volksrepublik für die internationale Forschungssicherheit ausgehen. Die Risiken beschäftigen die deutsche Wissenschaft schon seit einer Weile. China-Kompetenz in der Zusammenarbeit mit chinesischen Partnern gilt als essenziell wichtig, um zu verhindern, dass sensible Informationen und Innovationen aus Deutschland in die Volksrepublik gelangen.
Auch die Nato hat erkannt, dass China-Kompetenz für ihr eigenes Forschungsprogramm von wachsender Bedeutung ist. Durch die wissenschaftliche Integration des Bündnisses entsteht ein weiteres potenzielles Einfallstor für unbefugte Informationsbeschaffung.
Die Liste der Risiken, die Hennig den Mitgliedsstaaten vorlegte, war lang. Unter anderem wies sie hin auf:
Wie in Deutschland stellen sich auch die Nato-Mitglieder die Frage, wie unter diesen Umständen die zukünftige Kooperation mit China aussehen könnte. Doch auch die Nato kennt die Antwort noch nicht. Hennig brachte die Einführung eines “Cooperation case for research” auf den Tisch – also, eine Art Leitfaden, anhand dessen begründet werden muss, weshalb ein Forschungsprojekt mit China durchgeführt werden sollte – trotz aller Risiken. In der Vergangenheit war es meistens so, dass nicht hinterfragt wurde und nicht begründen werden musste, weshalb man mit China kooperierte.
Hennig empfahl auch, die verwundbare Angriffsfläche der eigenen Arbeit zu definieren. Den Wissenschaftlern müsse klar sein, welche Forschung China interessiert, um gerade in diesen Felder besondere Vorsicht walten zu lassen. Auch Geiz wird nicht weiterhelfen. EU-Universitäten müssten solide finanziert und der Zugang zu Fördermitteln für die Unis verbessert werden, um die die Abwerbung von Talenten durch lukrative Parallel-Affiliationen verhindern zu können.
Forschung ist jedoch keine Einbahnstraße. Auch China macht Fortschritte, die für die Nato-Staaten interessant sind. Schon im vergangenen Jahr hatte der scheidende Nato-Chef Jens Stoltenberg deshalb davor gewarnt, dass sich die Mitgliedsstaaten nicht von chinesischer Technologie abhängig machen dürften. “Wir haben die Ergebnisse gesehen, wenn wir uns bei unserer Energieversorgung auf Russland verlassen. Wir sollten diesen Fehler nicht wiederholen, indem wir uns darauf verlassen, dass China die Technologie für unsere kritischen Netzwerke bereitstellt”, sagte Stoltenberg damals.
Tatsächlich könnten Chinas Exportkontrollen für seine eigenen Technologien und Innovationen erhebliche Auswirkungen auf die internationale Forschungskooperation haben. Das Gleiche gilt für die Gesetze zur Datenverarbeitung und Datenübertragung. Der Zugriff auf Daten und ihre Nutzung für die Forschung der Nato könnten unter diesen Bedingungen deutlich erschwert werden.
Möglicherweise hält die Nato einen dänischen Ansatz für die eigene Forschung für attraktiv. Dänemark hat nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs versucht, seine Wissenschaft enger mit den Verteidigungskapazitäten zu verknüpfen – eine Strategie, die in China gang und gäbe ist. Auch die Unternehmensforschung könnte interessante militärische Ansätze liefern. Mitspielen müssten dabei allerdings auch die Wissenschaftler selbst, von denen einige bei einer solchen Verzahnung ganz sicher ethische Bedenken tragen. Vorteil China: Die Wissenschaftler dort müssen mögliche ethische Bedenken für sich behalten.
Volker Meyer-Guckel – Generalsekretär des Stifterverbands
Volker Meyer-Guckel ist ein Wissenschaftsmanager an der Schnittstelle von Forschung und Gesellschaft. Nach dem Studium der Anglistik, Chemie und Philosophie in Kiel, Belfast und New York arbeitete er bei der Studienstiftung des deutschen Volkes und im Planungsstab von Bundespräsident Roman Herzog. 1999 begann er beim Stifterverband, seit 2022 führt er die Geschäfte der Hauptverwaltung und verantwortet die operative Tätigkeit des Stifterverbands. Meyer-Guckel setzt auf Entwicklung und Future Skills für Wissenschaft und Bildung, etwa mit der Integration von KI in das Hochschulsystem. Seinen Schwung gibt er gern weiter, auch per Videoclip auf Social Media. Ein ausführliches Interview lesen Sie hier.
Irene Bertschek – Leiterin des Forschungsbereichs Digitale Ökonomie am ZEW Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung
Alle reden über die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft, Irene Bertschek will zum Gelingen beitragen. Die Leiterin des Forschungsbereichs Digitale Ökonomie am Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) setzt sich in ihren Forschungsarbeiten damit auseinander, wie die Digitalisierung wirtschaftliche Prozesse verändert und wie sie sich auf die Produktivität und das Innovationsverhalten von Unternehmen auswirkt. Im Jahr 2022 wurde sie von Bundeskanzler Olaf Scholz in den Zukunftsrat berufen. Außerdem ist sie stellvertretende Vorsitzende der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) der Bundesregierung. Das Wort der Volkswirtschaftlerin hat also Gewicht.
Armin Grunwald – Leiter des Instituts für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse am Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Wenn es um Technikfolgenabschätzung geht, dann fällt der Name Armin Grunwald. Der Inhaber des Lehrstuhls für Technikphilosophie und Technikethik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) leitet dort auch das international anerkannte ITAS – das Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse. In der Berliner Politikwelt noch bekannter ist er vermutlich als Leiter des Büros für Technikfolgenabschätzung im Bundestag. Dort liefert er mit seinen Kolleginnen und Kollegen wissenschaftliche Expertisen für Parlament und Ausschüsse. Themen sind beispielsweise Cybersicherheit, Künstliche Intelligenz oder auch die Krisenresilienz unserer Gesellschaft. Grunwald ist zudem Mitglied des Ethikrats, des Nationalen Begleitgremiums zur Endlagersuche sowie im Präsidium der acatech.
Jan Wörner – Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech)
Johann-Dietrich “Jan” Wörner war Präsident der TU Darmstadt (1995 bis 2007), Vorstandsvorsitzender des DLR (2007 bis 2015), Vizepräsident der Helmholtz-Gemeinschaft (seit 2007) und Generaldirektor der Europäischen Weltraumagentur ESA (2015 bis 2021). Der Bauingenieur war zudem Professor für Massivbau und Leiter der Prüf- und Versuchsanstalt an der TU Darmstadt und hatte die Professur für Statik an der TH Darmstadt inne. Seit 2021 ist er acatech-Präsident. Wörner ist Träger des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse. Im Interview mit Table.Briefings hat er sich frühzeitig dafür ausgesprochen, die Zivilklausel zu überdenken.
Roland Nolte – Geschäftsführer des Instituts für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT)
Der Physiker kam bereits 1993, ein Jahr nach seiner Promotion an der Humboldt-Universität zu Berlin und am Stevens-Institute of Technology, New Jersey, zum Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT). Seit 2001 ist er Geschäftsführer der Einrichtung, die sich der Nachhaltigkeit und der Gestaltbarkeit von Zukünften verpflichtet fühlt. Zu den Schwerpunkten von Roland Noltes Forschungstätigkeit gehören die umweltverträgliche Mobilität sowie speziell die Schienenverkehrsforschung. Sie bilden die Grundlage für die Entwicklung zukunftsorientierter Verkehrskonzepte. Nolte ist auch in beratender Funktion tätig, wenn es um die Anpassung der Verkehrsinfrastruktur an den Klimawandel geht.
Mikko Huotari – Direktor des Mercator Institute for China Studies (MERICS)
Mikko Huotari ist ein gefragter Gesprächspartner, wenn es um die Beziehungen Europas zu China geht. Der Direktor des Mercator Institute for China Studies (MERICS), der sich früh auf aktuelle Themen der China-Forschung spezialisierte, ist Experte für die innere Entwicklung sowie die Außenpolitik Chinas. Den in Deutschland führenden China-Thinktank leitet Huotari seit 2020. Neben transparenten Debatten wünscht er sich für die Zukunft “etwas mehr Ruhe”. Denn angesichts der intensiven Nachfrage nach China-Forschung sollten “die Akteure, die unsere Kompetenzen erfragen, auch bereit sind, den langfristigen Aufbau von Expertiseproduktion zu unterstützen, statt sie für selbstverständlich zu halten”, sagte er Table.Briefings anlässlich des zehnjährigen MERICS-Bestehens Ende 2023.
Frank Ziegele – Geschäftsführer des CHE – Centrum für Hochschulentwicklung
Frank Ziegele ist Geschäftsführer des CHE und Professor für Hochschul- und Wissenschaftsmanagement an der Hochschule Osnabrück. Bekannt ist unter anderem das CHE-Hochschulranking, das seit 25 Jahren Informationen für Studierende und Studieninteressierte liefert. Durch die entstandene Daten- und Informationsbasis ist Ziegele zugleich die Stimme im deutschen Wissenschaftssystem, wenn es um innovatives Hochschulmanagement und um Entwicklungspotenzial der Hochschulen geht. In diesem Jahr hat er sein Wissen darüber gemeinsam mit seinem Co-Autor Ulrich Müller in Buchform gepackt: “Die authentische Hochschule – Wirksame Hochschulidentitäten in Zeiten des Umbruchs” heißt es. Darin beschreiben Ziegele und Müller, dass der Schlüssel zur erfolgreichen Zukunft in einer mutigen Profilbildung der Hochschulen liegt.
Jeanette Hofmann – Forschungsdirektorin des Alexander von Humboldt Instituts für Internet und Gesellschaft (HIIG)
Wenn es um Internet und Gesellschaft sowie die Forschung zu diesem weltweit wichtigen Wissenschaftsthema geht, führen sehr viele Wege zu Jeanette Hofmann. Die Politikwissenschaftlerin ist nicht nur Forschungs- und Gründungsdirektorin des Alexander von Humboldt Instituts für Internet und Gesellschaft (HIIG) in Berlin, sondern auch Professorin für Internetpolitik an der FU Berlin. Zudem ist sie am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) tätig. Politikberatend engagiert sie sich schon lange, so etwa vor gut zehn Jahren in der Enquete-Kommission “Internet und digitale Gesellschaft” und später bei der Leopoldina. Bei der re:publica hat sie in diesem Jahr über “Desinformation in Zeiten demokratischer Regression” gesprochen.
Monika Jungbauer-Gans – Wissenschaftliche Geschäftsführerin des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW)
Die Soziologin Monika Jungbauer-Gans ist seit fast zehn Jahren die Wissenschaftliche Geschäftsführerin des DZHW. Zuvor hatte sie zwischen 2002 und 2015 Lehrstühle in Wuppertal, Kiel und Erlangen-Nürnberg inne. In aktuellen forschungspolitischen Debatten ist das DZHW oft die Stimme der Vernunft und liefert eine empirische Datengrundlage – zuletzt zum Beispiel mit Blick auf die Akademische Freiheit, die aus verschiedenen Richtungen und Gründen als beschädigt angesehen wird. Die DZHW-Ergebnisse gaben dagegen keinen Anlass zum Alarmismus. Ganz anders beim Thema Wissenschaftsfeindlichkeit, die sich laut DZHW-Untersuchung in den vergangenen Jahren deutlich verstärkt hat. Mit ihren Analysen liefern Jungbauer-Gans und ihr Team wichtige Impulse zu den Herausforderungen des deutschen Wissenschaftssystems.
Grit Würmseer – Geschäftsführende Vorständin des HIS-Instituts für Hochschulentwicklung (HIS-HE)
Grit Würmseer leitet das HIS-HE als Geschäftsführende Vorständin. Laut Satzung fungiert das in Hannover ansässige Institut als forschungsbasiertes, unabhängiges Kompetenzzentrum für die Beratung in Fragen der Hochschulentwicklung sowie der Organisation von Forschung und Lehre. Es geht also um Hochschulorganisation, Hochschulinfrastruktur und Hochschulbau – alles hochaktuelle Themen. Würmseer hat Soziologie, BWL und Arbeits- und Organisationspsychologie an der LMU München studiert und an der TU Dortmund mit einer Arbeit über die Entwicklung von Universitäten und Fachhochschulen promoviert. Bevor sie 2019 zum HIS-HE kam – zunächst leitete sie den Bereich Hochschulmanagement – war sie in führender Position bei der FOM Hochschule für Oekonomie & Management, im Hochschulmanagement an der Zeppelin Universität sowie in der Politikberatung tätig.
29.-30. Oktober 2024, Berlin Adlershof Science City
Konferenz Science for Future: On the Path to Carbon Neutrality Mehr
30. Oktober – 1. November 2024, Heidelberg
Konferenz Wissenswerte Mehr
4. November 2024, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung
Diskussion Bedrohte Wissenschaft: Ungeliebte Wahrheit Mehr
7.-9. November 2024, Berlin
Konferenz Falling Walls Science Summit 2024 Mehr
8. November 2024, Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung, Berlin
Diskussion Bedrohte Wissenschaft: Politische Einflussnahme Mehr
11.-12. Dezember, Berlin
Forum Wissenschaftskommunikation Wissenschaftskommunikation für eine starke Demokratie und offene Gesellschaft Mehr
Nachdem in der vergangenen Woche das parlamentarische Verfahren zur Novelle des WissZeitVG begonnen hat, ist von Seiten der Beschäftigten ein Konsensvorschlag für die verfahrene Debatte über eine angepasste Regelung der Postdoc-Phase vorgelegt worden. Tobias Rosefeldt, stellvertretender Direktor des Philosophie-Instituts an der HU Berlin und aktiv bei #ProfsfuerHanna, hat in einer öffentlichen Stellungnahme auf der Plattform X eine Länderöffnungsklausel vorgeschlagen, die es den Bundesländern gestatten würde, die “befristete Beschäftigung an ihren Hochschulen und Forschungseinrichtungen durch weitere Maßnahmen zu regulieren”, schreibt Rosefeldt darin.
Die derzeit im Gesetzesentwurf stehende “4 + 2-Regelung” wird von keiner der Regierungsparteien mehr unterstützt wird und auch keines der Alternativmodelle ist in der Regierungskoalition derzeit konsensfähig. Die Beibehaltung der bisher geltenden sechsjährigen Höchstbefristungsdauer ist für die Beschäftigten-Seite keine gangbare Lösung, denn sie war der Stein des Anstoßes für die Initiative #IchBinHanna.
Dass nach mehrjähriger intensiver Debatte im schlimmsten Falle alles so bliebe, wie es ist, wäre laut Rosefeldt “ein für den Wissenschaftsstandort Deutschland verheerendes und für die Betroffenen zutiefst frustrierendes Signal”. In seinen Ausführungen schlägt Rosefeldt vor, dass der Bund eine Klausel zur Postdoc-Phase in das WissZeitVG aufnimmt, mit deren Hilfe die Länder eigene Regelungen treffen können. Dadurch könnte “die Höchstbefristungsdauer in § 1 Abs. 1 S. 1, 2 WissZeitVG verkürzt sowie Voraussetzungen für die Befristung von Arbeitsverhältnissen, namentlich Anschlusszusagen, Tenure-Track-Optionen oder Befristungshöchstquoten, vorgesehen werden”, heißt es in dem Papier.
Aus Sicht von Rosefeldt hätte eine Länderöffnungsklausel mehrere Vorteile. Sie würde rechtliche Unsicherheiten beseitigen, weil der Bund den Ländern explizit Kompetenz einräume. “Zudem hätte sie eine politische Signalwirkung, weil die Bundesländer die Gelegenheit erhalten, individuelle Lösungen zu schaffen und damit in Konkurrenz um die besten Arbeitsbedingungen einzutreten”, schreibt er in seiner Stellungnahme.
Zuletzt war die teilweise Öffnung der Tarifsperre als wahrscheinlichste Lösung gehandelt worden, um noch zu einer gemeinsamen Lösung der Regierungsparteien zu kommen. Die Bundesländer hatten dies in ihrer Stellungnahme zum Gesetzesentwurf aber kategorisch abgelehnt und vor einem “Flickenteppich” in der Hochschulpolitik gewarnt. Laut Rosefeldt bleibt die zumindest partielle Öffnung der Tarifsperre ein wichtiger Baustein. Mit der Länderöffnungsklausel werde aber anerkannt, “dass die Verbesserung der Arbeitsbedingungen nicht allein in den Händen der Tarifparteien liegen sollte, sondern auch genuin politische Aufgabe ist.”
Parlamentarier und Landesministerien hielten sich auf Anfrage von Table.Briefings bedeckt. Laut der Berichterstatterin Laura Kraft (Grüne) ist der Vorschlag aber nicht gänzlich neu. Die Idee einer Länderöffnungsklausel sei immer mal wieder Teil des Diskurses rund ums WissZeitVG gewesen, teilte Kraft mit. “Ob und in welcher Form ein solcher Vorschlag ein Beitrag zur Umsetzung einer Reform des WissZeitVG sein kann, werde ich mir genauer anschauen”, versprach die Berichterstatterin. Der Berliner Staatssekretär Henry Marx soll bereits in der vergangenen Woche – laut Teilnehmenden – auf dem Forum “Gute Arbeit an Berliner Hochschulen” von einem Widerstand der Länder gegen die Länderöffnungsklausel berichtet haben. tg
Von fragwürdigen Besetzungen hoher Positionen im BMBF berichtete der Spiegel vergangene Woche. Ungewöhnlich viele Leitungspositionen seien hier mit zum großen Teil fachfremden Parteifreunden besetzt worden. Diese Personalpolitik lähme die Arbeitskraft des Ministeriums, “weil nun Parteifunktionäre Posten bekleiden, die eine Kenntnis der Hochschul- und Forschungswelt erfordern”, heißt es in dem Artikel. BMBF-Mitarbeiter sprächen von einer “Operation Abendsonne”, die bereits am ersten Tag der Amtszeit von Ministerin Stark-Watzinger begonnen habe.
Um welche Positionen geht es? Ein Überblick:
Dazu kommen weitere Personen in Zentral- und vor allem Leitungsabteilung, die zuvor in der FDP in verschiedenen Positionen tätig waren. Die mittlerweile aufgeblähte Leitungsabteilung wird als “Einfallstor” benannt. Von dort aus wurde zum Beispiel Nils Droste, ehemaliger Pressesprecher, in die Leitung des Referats 215, Forschungssicherheit und Investitionsprüfung, versetzt.
Während Staatssekretäre und Abteilungsleiter als politische Positionen gelten, die nach einer Bundestagswahl wieder neu besetzt werden könnten, sind Unterabteilungsleiter (Besoldungsstufe B6) oder auch Referatsleiter (bis zu B3) vor diesen Neubesetzungen weitgehend geschützt. Daher werde häufig von “oben nach unten” befördert. Auffällig seien auch die relativ hohen Eingruppierungen im BMBF. Dafür gab es anscheinend auch bereits einen Rüffel von Christian Lindner für Parteifreundin Stark-Watzinger.
Die Folge dieser Politik: Die Neuen verstopfen das System und versperren anderen im BMBF die Aufstiegschancen. Dadurch steigt die ohnehin bereits hohe Frustration im Haus. Aktuell sind zwei Unterabteilungsleitungen BMBF-intern ausgeschrieben. Ob der Frust nach der Besetzung nochmal steigt, bleibt abzuwarten. mw
Am gestrigen Montag ist die “Allianz für Future Skills” gestartet. Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft will damit die Hochschulbildung reformieren. Die Hochschulen sollen sich insgesamt zukunftsfähiger aufstellen und verschiedene “Future Skills” vermitteln. Damit sind Fähigkeiten und Fertigkeiten gemeint, die heute und in Zukunft für die Arbeitswelt, den Erhalt der Demokratie und die gesellschaftliche Teilhabe immer wichtiger werden.
Neben klassischen Schlüsselkompetenzen wie Lösungsfähigkeit und Kreativität sind dies vor allem technische und digitale Kompetenzen wie die Analyse und der kompetente Umgang mit Daten, das Erlernen und Anwenden von Programmiersprachen sowie Kompetenzen im Bereich KI oder Robotik.
Ziel der Allianz ist es, den Anteil der Hochschulen, die ihren Studierenden verpflichtend diese digitalen Kompetenzen vermitteln, deutlich zu erhöhen. Konkretes Etappenziel ist die Verankerung von KI in den Curricula von mindestens 100 Hochschulen. Als Anreiz will die Allianz das Prädikat “Excellence in Future Skills” vergeben, das auch finanziell honoriert werden soll. Bis 2027 sollen 20 Hochschulen diese Auszeichnung erlangen.
Die Allianz für Future Skills ist Teil der Zukunftsmission Bildung, mit der der Stifterverband mehr Menschen Zugang zu wichtigen Kompetenzen verschaffen möchte. Die Initiative vereint Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. mw
Nach der versuchten Besetzung des Präsidiums der Freien Universität (FU) Berlin sind Strafanzeigen erstattet worden. Es gehe um den Verdacht des Landfriedensbruchs, des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, um Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung, teilte die Polizei mit.
Etwa 40 vermummte pro-palästinensische Aktivisten waren am vergangenen Donnerstag gegen Mittag in das Präsidiumsgebäude eingedrungen, beschädigten Mobiliar und Elektronik und brachten Möbel nach draußen. Es kam zu körperlichen Auseinandersetzungen mit Mitarbeitern. An die Fassade des Gebäudes wurden Parolen und das Hamas-Dreieck gesprüht. Die versuchte Besetzung wurde durch die Polizei umgehend beendet, sie nahm vier Personen fest. Etwa 190 Einsatzkräfte waren vor Ort.
Zur Gruppe der Angreifer liegen der Universität bisher keine Informationen vor. Daher sei auch nicht klar, ob FU-Studierende an dem Angriff beteiligt waren. Universitätspräsident Günter Ziegler sprach von einer “massiven Gewalttat”, “absoluter Grenzüberschreitung” und erheblichem Sachschaden. “Wir sehen das als Angriff auf die Freie Universität Berlin und auch auf unsere Angebote, einen Dialog zu diesem schwierigen und wichtigen Thema zu ermöglichen.”
Die Hochschulleitung habe in den vergangenen Monaten initiiert und unterstützt, dass an der Universität, auch im Rahmen von zahlreichen Veranstaltungen, intensive Dialoge geführt werden, die sich mit Nahost-Themen aus unterschiedlichen Perspektiven befassen, teilte ein Sprecher auf Anfrage von Table.Briefings mit.
Für die FU seien der Nahostkonflikt, Geschichte, Politik und Gesellschaft, Antisemitismus und Rassismus, wie auch demokratische Prozesse mit Demonstrationen und Protest, selbstverständlich Themen von wissenschaftlicher Beschäftigung, von Forschung und Lehre. Sie sei ein Ort der offenen und demokratischen Diskussionskultur. “Auch in konfliktreichen Situationen. Auch nach dem Überfall werden weitere Veranstaltungen konzipiert”, teilte die Universität mit.
Um die Sicherheit der Mitarbeitenden und Studierenden zu verbessern, prüfe die Uni-Leitung bereits Maßnahmen. Über Details dazu wollte man sich nicht äußern.
Berlins Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra verurteilte die versuchte Besetzung “auf das Schärfste”. “Wir werden solche Aktionen nicht tolerieren und ihnen mit aller Entschlossenheit entgegentreten”, sagte sie. Begangene Straftaten müssten geahndet werden. Es sei der raschen Reaktion von Universitätsleitung und Polizei zu verdanken, dass die Aktion schnell beendet wurde und die Angehörigen der Hochschule außer Gefahr gebracht werden konnten.
Auch der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz Walter Rosenthal verurteilte die Tat und sprach Ziegler seine Solidarität aus: “Solche Handlungen stellen einen brutalen Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit dar – glücklicherweise war dieser nicht erfolgreich”, sagte er. abg mit dpa
Frankenpost: Teures Wasserinstitut. Der bayerische Landtag hat weitere 8,8 Millionen Euro zur Finanzierung des Wasserinstituts in Hof bewilligt. Bei dem Projekt stiegen die Kosten von den 2017 veranschlagten 17 Millionen Euro auf 22,6 Millionen Euro. (“Das Millionen-Grab des Freistaats “)
Wiarda-Blog: Sperre für Fördermittel. Das Bundesforschungsministerium hat Mittel für Förderprogramme gesperrt, weil sie im Haushalt nicht mehr zur Verfügung stehen. Betroffen sind Projekte in den Bereichen Strukturwandel, Industrietransformation und soziale Innovationen. (“Aus der “T!RAUM”?”)
FAZ: Universitäten ohne Führung. Die Universitäten in Göttingen und Vechta haben ihre Präsidenten abgewählt. In beiden Fällen müssen die Entscheidungen durch Hochschulgremien noch bestätigt werden. Die niedersächsische Landesregierung befindet sich in Gesprächen mit den Hochschulen. (“Uni-Präsidenten abgewählt: Ministerium weist Vorwürfe zurück”)
FAZ: KI für den Mittelstand. Ein neues KI-Forschungszentrum in Niedersachsen soll mittelständische Unternehmen bei der Umsetzung ihrer KI-Projekte beraten und begleiten. Es ist das erste seiner Art in Deutschland und soll später Teil eines Netzwerks werden, das Unternehmen beraten und Testumgebungen zur Verfügung stellen soll. (“Erstes KI-Labor für den Mittelstand kommt nach Niedersachsen”)
Süddeutsche: Forschungsstrategie ohne Mecklenburger und Vorpommern. Das Land Mecklenburg-Vorpommern arbeitet an einer neuen Wissenschafts- und Forschungsstrategie. Eine Kommission soll die Politik dabei unterstützen. Die Opposition kritisiert, dass keines ihrer Mitglieder aus dem Bundesland kommt. (“Worüber künftig forschen? MV setzt Kommission ein”)
Es klingt so schön und bedeutend, dass wir es uns fast selbst glauben: “Wissenschaftskommunikation hat eine demokratiestabilisierende Funktion. In Zeiten, in denen die Demokratie von einigen Akteur:innen angezweifelt wird, in denen die Einschränkung grundlegender Freiheitsrechte offen diskutiert wird, ist es wichtiger denn je, die Wissenschaftskommunikation auszubauen.” So war es im Rahmen der Anhörung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technologiefolgenabschätzung des Bundestags im April zu erfahren.
Es klingt, als würde Wissenschaftskommunikation nicht auch in einer Monarchie, Oligarchie oder Volksrepublik funktionieren. Und es klingt, als seien “undemokratisch” und “die Freiheitsrechte einschränken” nicht genau die Vorwürfe, die uns von diesen “Akteur:innen” (die hier bezeichnenderweise einmal nicht Bürger:innen genannt werden) gemacht werden, zum Beispiel im Hinblick auf pandemiebedingte Einschränkungen.
Wir haben also ein neues Narrativ. Dabei denken wir die Wisskomm aber offensichtlich immer noch wie vor 20 Jahren: Wir aus den Wissenschaftsinstitutionen machen attraktive und zunehmend professionelle Angebote an die Bürgerinnen und Bürger, die sich über unsere Themen informieren können, diese diskutieren und sich schließlich auch einbringen dürfen. Dadurch werden sie klüger und treffen bessere Entscheidungen. Es grüßt das (Demokratie-)Defizit-Modell.
Jüngstes Beispiel für dieses Denken: Kürzlich standen Vertreterinnen und Vertreter von BBAW, HRK und DFG mit der Aktion “Wissenschaft – und ich?!” auf den Marktplätzen in Zwickau, Brandenburg an der Havel und in Gera.
Das ist alles im Sinne des PUSH-Memorandums, das in diesem Jahr 25 Jahre alt geworden ist. Ich selbst habe seit fast 25 Jahren regelmäßig in der Innenstadt gestanden, wir haben Exponate gebaut und in Vorträgen aktuelle Ergebnisse vorgestellt und diskutiert.
Wenn es allerdings jemals unser Ziel gewesen wäre, mit Wisskomm die Demokratie zu stabilisieren – müssten wir uns nicht spätestens in diesem Jahr sehr ernsthaft fragen, was da schiefgelaufen ist? Wenn wir uns jetzt die Wahlergebnisse anschauen, sollten wir doch eigentlich alle zusammen einpacken und nach Hause gehen.
Die Wisskomm-Forschung ist in den letzten Jahren nicht müde geworden, uns vor den dysfunktionalen Auswirkungen von Wissenschafts-PR beziehungsweise Wissenschaftskommunikation zu warnen. Mein Petitum war stets: Wisskomm ist etwas Gutes, sie ist im Herzen gemeinwohl-orientiert, aufklärerisch, inklusiv. Das glaube ich immer noch.
Gleichzeitig erleben wir eine zunehmende Entkopplung der Themen, die wir kommunizieren, von den Themen, die Medien und Öffentlichkeit interessieren. Was finden wir für die Wisskomm relevant? Bei “Wissenschaft – und ich?!” geht es zum Beispiel um Themen wie Energie/Umwelt, Gesellschaft/Arbeitsmarkt, KI/Technik sowie Themen von lokalem Interesse wie zum Beispiel Stadtplanung.
Worum geht es jedoch bei den Medienanfragen und bei den Social Media-Posts von Bürgerinnen und Bürgern? Um Gendersterne, um sogenannte Cancel Culture, Machtmissbrauch, Studierendenproteste, Tierversuche und Dozierende am politischen Rand.
Es ist also nicht so, dass Wissenschaft und Universitäten keine gesellschaftliche Relevanz hätten. Im Gegenteil: Wir stehen mitten im Diskurs. Leider nur nicht mit den Themen, die uns am liebsten wären. Die Fragen beziehen sich auf den Wissenschaftsbetrieb als soziales System, das in den letzten Jahren enorm gewachsen ist und noch mehr an Macht gewonnen hat. Dessen elaborierte Fachsprachen, Methoden, Regeln und soziale Mechanismen können viele Menschen nicht mehr verstehen.
Wenn es uns wirklich um die Demokratie geht, müssen wir uns womöglich eingestehen, dass wir einen nicht unerheblichen Teil der Bürgerinnen und Bürger überhaupt nicht erreichen. Wir müssten wohl auch bekennen, dass wir uns meist in unseren Komfortzonen aufhalten und zum Chor der Bekehrten predigen – und dass somit nicht nur die anderen in ihren Filterblasen verharren, sondern wir ebenso. Wir könnten schließlich sehen, dass wir nicht immer Teil der Lösung sind, sondern mit pauschalen Forderungen à la “follow the science und gebt uns mehr Geld” auch Teil des Problems sein können.
Die oben genannten Themen wie Energie/Umwelt und Gesellschaft/Arbeitsmarkt sind wichtig. Doch wenn es tatsächlich um die Demokratie geht, stehen wir längst nicht dort, wo wir stehen sollten, nämlich im Gespräch mit den sogenannten “Akteur:innen” und oftmals mitten im Gegenwind. Sind wir dazu bereit? Ist die Wissenschaft dafür überhaupt gemacht? Trauen wir uns noch in die Arenen der harten Skeptiker? Haben wir überhaupt das argumentative Rüstzeug?
Es gibt jede Menge Fragen zu beantworten – und umzudenken. Ich möchte einfordern, dass wir uns weiterhin an die Leitlinien zur guten Wissenschafts-PR halten. Das gilt auch, wenn wir über uns selbst und die Wisskomm reden. Auch dabei müssen wir präzise und wahrhaftig bleiben, nicht übertreiben und uns nicht vorschnell und pauschal mit Begriffen und Kausalitäten schmücken, die so einfach nicht stimmen. Es ist wichtig, dass wir selbstkritisch bleiben und uns von außen kritisieren lassen – auch wenn wir es hier nicht mit fachvertrauten Peers, sondern meist mit Laien zu tun haben.
Wisskomm ist, wie Wissenschaft selbst, nicht per se gut oder demokratisch. Es kommt darauf an, dass wir genauer hinschauen und im konkreten Fall das tun, was nötig ist, damit Wissenschaft weiterhin unabhängig und pluralistisch bleibt und nach den Prinzipien guter wissenschaftlicher Praxis arbeiten kann. Das scheint mir persönlich schon ein sehr erstrebenswertes Ziel zu sein. Und das wäre dann indirekt wiederum auch gut für unsere Demokratie.
Der Text basiert auf einer Keynote im Rahmen der Tagung “Wisskomm connected – Forschung und Praxis der Wissenschaftskommunikation gemeinsam gestalten” der Transfer-Unit von Wissenschaft im Dialog und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 11. und 12. September 2024.
Dr. Elisabeth Hoffmann ist Chief Communication Officer der Universität zu Köln. Bis 2022 war sie Kommunikationschefin der TU Braunschweig und Prokuristin der Haus der Wissenschaft Braunschweig GmbH. Sie ist Mit-Organisatorin des Siggener Kreises zur Zukunft der Wissenschaftskommunikation.
Michiel Scheffer verbringt bereits sein ganzes Leben an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Politik und Wirtschaft. Geboren wurde der Niederländer in eine Unternehmerfamilie – Vater und Großvater waren CEOs. “Ich bin als Kind schon immer zwischen den Maschinen umhergelaufen”, sagt Scheffer in einem Interview. Schon bald fing er an, sich dafür zu interessieren, wie Wirtschaft, aber vor allem auch wie Innovation funktioniert. Heute ist er Vorstandsvorsitzender des European Innovation Council (EIC) – und diskutiert über das Thema am 8. November beim Falling Walls Science Summit in Berlin.
In seiner Doktorarbeit an der Universität Utrecht schrieb Scheffer über “Handelsplätze, Mode, Einzelhandel und die sich verändernde Geografie der Bekleidungsproduktion in den Niederlanden, Belgien, Frankreich und dem Vereinigten Königreich”. Danach war er sowohl in der Wirtschaft als auch in der Wissenschaft erfolgreich. Er ist mit der Welt der Start-ups vertraut und hat mit vielen Universitäten zusammengearbeitet.
Scheffer ist Gründer und CEO von Polisema, einem Unternehmen, das Beratungs- und Investitionsdienstleistungen für Start-ups in Bereichen von IKT und Textilien bis hin zu medizinischen Geräten und Energiespeicherung anbietet. Er war CEO von “Noéton Policy in Innovation”, das Beratungsdienste in den Bereichen Innovationsmanagement und öffentliche Angelegenheiten anbietet.
Die teilweise schlechten Erfahrungen, die er mit EU-Anträgen und Förderprojekten machte, bewogen ihn, in die Politik zu gehen. Er wurde Regionalminister von Gelderland. In dieser Funktion war er verantwortlich für ein EFRE-Programm und für Interreg DE-NL. Zudem war Scheffer Mitglied des Ausschusses der Regionen.
Damit war der Weg für den nächsten logischen Schritt in Richtung EU bereitet. 2023 übernahm der begeisterte Hobby-Radfahrer den Chefposten beim EIC. Und das in politisch komplizierten Zeiten. Die 2018 noch vom damaligen EU-Forschungskommissar Carlos Moedas ins Leben gerufene Agentur kam anfangs nicht in Gang. Die Kommission stritt zu der Zeit noch darüber, wie das mit Kapitalbeteiligungen an Start-up-Unternehmen verbundene Risiko zu handhaben sei.
Ziel des EIC ist es, bahnbrechende Technologien und disruptive Innovationen zu identifizieren, zu fördern und zu verbreiten, ein Bereich, in dem die EU zuvor keine nennenswerten Fortschritte gemacht hat. Trotz guter Forschungs- und Entwicklungsleistungen hat die EU noch immer Schwierigkeiten, Spitzenforschung in skalierbare Produkte und Dienstleistungen umzusetzen. Vor allem Deep Tech will Scheffer fördern und den Start-ups dort mit seiner Unterstützung über das Valley of Death helfen. Dabei geht es nicht nur um Geld, sondern auch um Beratung und die Vernetzung mit Gleichgesinnten.
Mittlerweile ist die Agentur auf einem besseren Weg. Scheffer scheint mit seinem, wie er selbst sagt, offenen Führungsstil den Turnaround geschafft zu haben. Er fahre viel in die Mitgliedstaaten und spreche dort vor allem mit denen, die es nicht geschafft haben, eine EIC-Förderung zu bekommen, erzählt er. Er kennt aber natürlich auch einige Best-Practice-Beispiele und freut sich sichtlich über deren positive Entwicklung.
Mit dem aktuellen Budget sei er sich jedoch “nicht sicher, ob wir damit das Leben unserer Enkelkinder retten”, sagt Scheffer. “Selbst wenn man das Budget des Accelerators verdoppelt, steigt es von sieben Milliarden Euro auf 14 Milliarden Euro in sieben Jahren.” Im Jahr 2024 hat Scheffer gerade mal 1,2 Milliarden Euro zur Verfügung. Entsprechend niedrig ist auch die Bewilligungsquote (acht Prozent).
Vor diesem Hintergrund ist auch die Diskussion um die Zukunft des EIC in vollem Gange. Werden ERC und EIC zu großen, eigenständigen Agenturen, während das Horizon-Programm in einem großen Wettbewerbsfond aufgeht? Soll das EIC zu einer “ARPA-type-Agency” werden, mit schnelleren Verfahren und einer verbesserten Governance, wie es der Draghi-Bericht fordert? Oder bleibt es bei einer Stärkung, wie jüngst der Heitor-Report empfiehlt?
Scheffer wird diesen Diskussionen vermutlich gelassen entgegenblicken und kurze, präzise Antworten parat haben – wie er es in seinen Interviews zeigt. Wann wollen Sie in Rente? Mit 72. Wie viel Kaffee am Tag? Vier Tassen. Wie lange brauchen Sie morgens? 20 Minuten. Wo war ihr bester Kuss? In Malaga. Markus Weisskopf
Beim Falling Walls Science Summit in Berlin nimmt Michiel Scheffer am 8. November um 15 Uhr an einer von der Boston Consulting Group und der Sprind-Agentur organisierten Diskussion über “Europe’s Path to Innovation” teil. Das Programm des Summit finden Sie hier, weitere Porträts der Table.Briefings-Reihe “Breakthrough-Minds” lesen Sie hier.
Jutta Allmendinger, Petra Bahr, Cornelia Betsch, Hans-Georg Dederer, Uta Eser, Aldo Faisal, Helmut Frister, Nils Goldschmidt, Winfried Hardinghaus, Ute Kalender, Hedy Kerek-Bodden, Armin Nassehi, Annette Riedel, Frauke Rostalski, Kerstin Schlögl-Flierl, Susanne Schreiber, Josef Schuster, Muna Tatari, Gregor Thüsing, Achim Wambach und Eva Winkler sind von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas jetzt offiziell mit Wirkung zum 10. Oktober in den Deutschen Ethikrat berufen worden.
Anna Christmann soll nach Informationen von Table.Briefings voraussichtlich neue Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium werden. Sie soll Franziska Brantner nachfolgen, die Mitte November zur neuen Grünen-Vorsitzenden gewählt werden soll. Die 41-jährige Christmann, die zum Realo-Flügel zählt, sitzt seit 2017 im Bundestag und ist Beauftragte für digitale Wirtschaft und Start-ups.
Andreas Gundelwein übernimmt im April kommenden Jahres die Leitung des Science Center der Dieter Schwarz Stiftung in Heilbronn, die experimenta. Er folgt auf Bärbel Renner, die im Februar in die Geschäftsführung der Stiftung wechselt. Gundelwein leitet seit 2013 das Mannheimer Landesmuseum für Technik und Arbeit.
Verena Pietzner wurde vom Senat der Universität Vechta als Präsidentin der Hochschule abgewählt. Die Abwahl erfolgte einstimmig in einer nicht öffentlichen Sondersitzung. Pietzner bleibt noch bis zur Bestätigung des Votums durch den Hochschulrat und die Umsetzung im MWK im Amt.
Christiane Werner, Ökosystemphysiologin an der Universität Freiburg und Lena Maier-Hein, Leiterin der Abteilung Intelligente Medizinische Systeme am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und Direktorin des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg, werden in diesem Jahr mit dem Landesforschungspreis Baden-Württemberg ausgezeichnet. Werners Forschungsarbeiten bilden die Grundlage zur Entwicklung von Strategien zur Verbesserung der Widerstandsfähigkeit von Ökosystemen gegenüber immer extremeren Bedingungen. Maier-Hein bekommt die mit jeweils 100.000 Euro dotierte Auszeichnung für die Eröffnung neuer Forschungsfelder mit höchster Relevanz für medizinische Forschung und für direkte klinische Anwendungen. Mit dem Preis für mutige Wissenschaft zeichnet das Land Baden-Württemberg in diesem Jahr Kira Rehfeld vom Geo- und Umweltforschungszentrum der Universität Tübingen (GUZ) aus. Sie wird für ihre interdisziplinäre Forschung in der experimentellen Paläoklimarekonstruktion und der numerischen Klimasimulation geehrt.
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Bildung.Table. Experimentierklausel: Welche Freiheiten Schulleitungen für Innovationen haben. Schleswig-Holstein hat mit der Experimentierklausel den Schulen mehr Freiheit für ihre Schulentwicklung versprochen. Projekte, die als Versuche genehmigt wurden, sind zu diesem Schuljahr gestartet. Vorreiter ist das nördlichste Bundesland aber nur bedingt. Mehr
China.Table. Frederick Fooy: Wie Schweden gegen Desinformation kämpft. Schweden hat vor zwei Jahren eine staatliche Agentur gegründet, die sich gegen Desinformation und “psychologische Kriegsführung” wehren soll. Besonders China und Russland verstärken ihre Propaganda im Ausland. Zum Glück nicht immer gut koordiniert, wie Frederick Fooy von der Psychological Defence Agency (PDA) erklärt. Mehr
Climate.Table. Klima in Zahlen: Warum die Welt vor einem “Zeitalter des Stroms” steht. Laut Internationaler Energieagentur (IEA) steht die Welt vor einem “Zeitalter des Stroms”. Die Nachfrage nach fossilen Energien könnte noch vor dem Jahr 2030 leicht zurückgehen. Auch die OPEC korrigiert ihre Prognosen und geht von einem geringeren Wachstum der Erdölnachfrage aus. Mehr
ESG.Table. Transformation: Wie Aufsichtsräte ihrer Aufgabe gerecht werden können. Ein neues Institut will Aufsichtsräte dabei unterstützen, Transformation in ihren Unternehmen voranzubringen. Worauf es dabei ankommt, erklären die Vorsitzende des Vorstands und ihre Stellvertreterin im Interview. Mehr
was Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft angeht, war Berlin bislang ein progressives Experimentierfeld. Der arbeitnehmerfreundliche rot-rot-grüne Senat hatte Postdocs ab Oktober 2023 Dauerstellen in Aussicht gestellt. Die Nachfolgeregierung von CDU und SPD verschob diese Verpflichtung für Hochschulen zunächst auf das Jahr 2025. Nun will man komplett “von der Regelung Abstand nehmen”, hat mein Kollege Markus Weisskopf von der SPD-Senatswissenschaftsverwaltung erfahren. Hintergrund der Entscheidung des Berliner Senats soll unter anderem eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die strengere Befristungsregel in § 110 des Berliner Hochschulgesetzes sein.
Damit die Länder in Zukunft rechtssicher eigene Schwerpunkte setzen können, schlägt Tobias Rosefeldt, Philosophie-Professor an der HU Berlin und Aktivist bei #ProfsfuerHanna eine Länderöffnungsklausel vor. Diese könnte in den aktuell im Parlament diskutierten Entwurf für die WissZeitVG-Novelle eingefügt werden. Dadurch hätten die Länder die Möglichkeit, individuelle Schwerpunkte zu setzen und in einen Wettbewerb um bessere Arbeitsbedingungen einzutreten, schreibt er in seiner öffentlichen Stellungnahme. Wir haben uns das Papier angeschaut und eine erste Reaktion dazu aus dem Parlament.
Nicht nur in den Nationalstaaten ist Forschungssicherheit derzeit ein heiß diskutiertes Thema. Auch die Nato interessiert sich zunehmend für Exportkontrolle in der Forschung und Wissenschaft. Die Sorge, geopolitischen Gegenspielern ungewollt Zugang zu Informationen über technologische Fortschritte zu gewähren, beschäftigt das Verteidigungsbündnis. Welche Gefahren die Experten sehen und wie sie ihnen begegnen wollen, hat mein Kollege Marcel Grzanna recherchiert.
Ich wünsche Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre,
Der Paragraf 110 des Berliner Hochschulgesetzes von 2021 sollte Postdocs verbindliche Anschlusszusagen für eine Dauerstelle ab 2023 bringen. Doch nachdem es zunächst eine Verschiebung auf 2025 gegeben hatte, will der schwarz-rote Senat nun ganz “von der Regelung Abstand nehmen“. Das erklärte die Senatswissenschaftsverwaltung auf Anfrage von Table.Briefings.
Offenbar haben Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra und Staatssekretär Henry Marx Sorge, dass die Regelung rechtlich gekippt werden könnte. Eine Rolle spielt dabei die geplante Novelle des WissZeitVG. Nachdem dort anscheinend die Befristungsregelungen für Postdocs im Wesentlichen erhalten bleiben sollen, hätte aus Sicht der Senatsverwaltung nur eine Länderöffnungsklausel geholfen. Doch diese soll wohl auf Widerstand aus den Ländern stoßen. Das berichtete Marx auf dem Forum “Gute Arbeit an Berliner Hochschulen” in der vergangenen Woche, wie Teilnehmende berichten. Dort sprach Marx dann laut ver.di auch von einer Aufweichung des § 110 (6).
Der rot-rot-grüne Senat wollte im Jahr 2021 Vorreiter sein und Postdocs auf einer Qualifizierungsstelle für eine Professur verbindliche Anschlusszusagen für eine Dauerstelle machen. Das wurde im Paragraf 110 (6) des Berliner Hochschulgesetzes festgehalten.
Doch bereits im selben Jahr gab es heftige Diskussionen um den Gesetzentwurf. Während Gewerkschaften und Personalräte genauso wie die #IchBinHanna-Bewegung die neue Regelung begrüßten und als Vorbild für andere Länder wahrnahmen, gab es Widerstände in den Hochschulleitungen. Diese wiesen darauf hin, dass die aktuellen Strukturen nur mit den bis dato geltenden Befristungsmöglichkeiten funktionierten.
Die damalige HU-Präsidentin Sabine Kunst trat sogar wegen dieser Neuregelung zum Jahresende 2021 zurück. Im Dezember 2021 reichte die HU beim Bundesverfassungsgericht ihre Verfassungsbeschwerde gegen das Hochschulgesetz ein. In einer Mitteilung begründete sie dies mit der fehlenden Gesetzgebungskompetenz des Landes Berlin im vorliegenden Fall. Diese liege vielmehr beim Bund.
Dieser Einschätzung schloss sich beispielsweise auch Christian von Coelln im Verfassungsblog an. Aus verfassungsrechtlicher Perspektive sehe sich speziell die Entfristungsregelung erheblichen inhaltlichen und formellen Bedenken ausgesetzt, schrieb er Ende 2021. Zu einer solchen Regelung sei das Land Berlin nach Art. 72 I GG nur befugt, solange und soweit der Bund von seiner Kompetenz nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht habe. Eben dies sei aber durch das WissZeitVG der Fall, argumentiert von Coelln.
Doch andere Juristen kommen zu anderen Urteilen und halten die Regelung für verfassungskonform. Darauf verweisen nun auch die Gewerkschaften. Sie zeigen sich empört über die neuen Aussagen der Senatsverwaltung für Wissenschaft. “Die Haltung der Senatsverwaltung ist ein glatter Wortbruch zu allen ihren vorherigen Aussagen”, sagt Martina Regulin, Berliner GEW-Vorsitzende. Alle Hochschulen hätten sich bereits an die Konzepte zur Umsetzung der neuen Regelung gesetzt und diese erarbeitet.
Das sieht auch Steffi Nickel, Personalrätin an der TU Berlin und aktiv bei ver.di, ähnlich: “Die Hochschulen haben belastbare Vorschläge zur Umsetzung von § 110 erarbeitet. Bei einer Abschaffung der verbindlichen Entfristungsregelung, war diese Arbeit für den Papierkorb. Das – und der Umgang mit uns als Beschäftigtenvertretungen im Forum – ist respektlos“, erklärt Nickel in einer Mitteilung von ver.di.
Die Reaktionen der Hochschulleitungen fallen unterschiedlich aus: Der § 110(6) versuche, Sicherheiten zu geben, verbaue aber auch Chancen und Gestaltungsmöglichkeiten und schaffe ja auch keine neuen Stellen, sagte FU-Präsident Günter M. Ziegler auf Anfrage von Table.Briefings. “Es war immer fraglich, ob der § 110(6) angesichts der Regelungen des WissZeitVG überhaupt verfassungsgemäß ist. Daher begrüßen wir, dass die Senatsverwaltung vom § 110(6) Abstand nehmen wird – und arbeiten um so härter an der Ermöglichung und Gestaltung von verlässlichen Karrierewegen in der Wissenschaft.”
Geraldine Rauch, Präsidentin der TU Berlin zeigt sich hingegen enttäuscht: “Wissenschaftliche Exzellenz erfordert verlässliche und planbare Karrierewege. Die verbindliche Anschlusszusage ist die viel beworbene Berliner Antwort drauf. Ohne Verbindlichkeit ist dieser wichtige Meilenstein gefährdet – und das ohne Grund, denn ein Urteil des Verfassungsgerichts liegt nicht vor.”
Die Nato interessiert sich zunehmend für Exportkontrolle in der Forschung und Wissenschaft. Die Sorge, geopolitischen Gegenspielern ungewollt Zugang zu Informationen über technologische Fortschritte zu gewähren, beschäftigt nicht nur Nationalstaaten, sondern auch das Verteidigungsbündnis.
Als klassischer Gegenspieler der Nato zählt in erster Linie Russland zu jenen Ländern, denen sensible Daten und Kenntnisse nicht in den Schoß fallen sollen. Doch auch China – obwohl weit entfernt vom Nato-Territorium – rückt zunehmend in den Fokus. Im September trafen Mitglieder des Wissenschafts- und Technologieausschusses (STB) der Nato in Stockholm zusammen. Das Ziel der Tagung: erste Schritte zur Entwicklung einer neuen Wissenschafts- und Technologiestrategie.
Das aktuelle Weißbuch ist inzwischen sechs Jahre alt und wird den neuen geopolitischen Herausforderungen zunehmend weniger gerecht. “Seit der Verabschiedung der alten Strategie im Jahr 2018 ist viel passiert. Wir haben große technologische Fortschritte gesehen, zum Beispiel bei sogenannten neuen und disruptiven Technologien. Wir sind auch mit neuen Sicherheitsbedrohungen und einem anhaltenden Krieg in Europa konfrontiert”, sagte der Schwede Jens Mattsson, der die Entwicklung der neuen Strategie verantwortet. Disruptive Technologien sind Innovationen, die bestehende Technologie vom Markt verdrängen. Eine technologisch fortschrittliche Nato sei für ein starkes Bündnis unerlässlich.
Zumal sich potenzielle kriegerische Auseinandersetzungen nicht mehr nur zu Lande, zu Wasser und in der Luft abspielen, sondern auch im Cyberspace. Angriffe auf die kritische Infrastruktur eines Gegners können wichtige Kommunikationswege abschneiden und Reaktionszeiten auf militärische Manöver beeinflussen. Beispiel Taiwan: Nach Ansicht von US-Sicherheitsbehörden arbeitet China daran, die Handlungsfähigkeit der USA am Tag einer möglichen Invasion der Insel entscheidend zu verlangsamen.
Zwölf Millionen Euro investiert die Nato pro Jahr in das Science for Peace and Security Programme (SPS), das den Dialog und die Zusammenarbeit zwischen Mitgliedstaaten und Partnerländern fördern soll. Grundlage für den Austausch bilden Forschung und Innovationen. SPS flankiert die Verknüpfung mit Geld, Beratung durch Experten und einer Unterstützung für “maßgeschneiderte, zivile, sicherheitsrelevante Aktivitäten, die den strategischen Zielen der NATO entsprechen”, heißt es.
Geladen nach Stockholm war auch Alicia Hennig von der IHI Zittau an der TU Dresden. Hennig war eigens vor Ort, um die Vertreter der Bündnisstaaten über die Gefahren in Kenntnis zu setzen, die speziell von der Volksrepublik für die internationale Forschungssicherheit ausgehen. Die Risiken beschäftigen die deutsche Wissenschaft schon seit einer Weile. China-Kompetenz in der Zusammenarbeit mit chinesischen Partnern gilt als essenziell wichtig, um zu verhindern, dass sensible Informationen und Innovationen aus Deutschland in die Volksrepublik gelangen.
Auch die Nato hat erkannt, dass China-Kompetenz für ihr eigenes Forschungsprogramm von wachsender Bedeutung ist. Durch die wissenschaftliche Integration des Bündnisses entsteht ein weiteres potenzielles Einfallstor für unbefugte Informationsbeschaffung.
Die Liste der Risiken, die Hennig den Mitgliedsstaaten vorlegte, war lang. Unter anderem wies sie hin auf:
Wie in Deutschland stellen sich auch die Nato-Mitglieder die Frage, wie unter diesen Umständen die zukünftige Kooperation mit China aussehen könnte. Doch auch die Nato kennt die Antwort noch nicht. Hennig brachte die Einführung eines “Cooperation case for research” auf den Tisch – also, eine Art Leitfaden, anhand dessen begründet werden muss, weshalb ein Forschungsprojekt mit China durchgeführt werden sollte – trotz aller Risiken. In der Vergangenheit war es meistens so, dass nicht hinterfragt wurde und nicht begründen werden musste, weshalb man mit China kooperierte.
Hennig empfahl auch, die verwundbare Angriffsfläche der eigenen Arbeit zu definieren. Den Wissenschaftlern müsse klar sein, welche Forschung China interessiert, um gerade in diesen Felder besondere Vorsicht walten zu lassen. Auch Geiz wird nicht weiterhelfen. EU-Universitäten müssten solide finanziert und der Zugang zu Fördermitteln für die Unis verbessert werden, um die die Abwerbung von Talenten durch lukrative Parallel-Affiliationen verhindern zu können.
Forschung ist jedoch keine Einbahnstraße. Auch China macht Fortschritte, die für die Nato-Staaten interessant sind. Schon im vergangenen Jahr hatte der scheidende Nato-Chef Jens Stoltenberg deshalb davor gewarnt, dass sich die Mitgliedsstaaten nicht von chinesischer Technologie abhängig machen dürften. “Wir haben die Ergebnisse gesehen, wenn wir uns bei unserer Energieversorgung auf Russland verlassen. Wir sollten diesen Fehler nicht wiederholen, indem wir uns darauf verlassen, dass China die Technologie für unsere kritischen Netzwerke bereitstellt”, sagte Stoltenberg damals.
Tatsächlich könnten Chinas Exportkontrollen für seine eigenen Technologien und Innovationen erhebliche Auswirkungen auf die internationale Forschungskooperation haben. Das Gleiche gilt für die Gesetze zur Datenverarbeitung und Datenübertragung. Der Zugriff auf Daten und ihre Nutzung für die Forschung der Nato könnten unter diesen Bedingungen deutlich erschwert werden.
Möglicherweise hält die Nato einen dänischen Ansatz für die eigene Forschung für attraktiv. Dänemark hat nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs versucht, seine Wissenschaft enger mit den Verteidigungskapazitäten zu verknüpfen – eine Strategie, die in China gang und gäbe ist. Auch die Unternehmensforschung könnte interessante militärische Ansätze liefern. Mitspielen müssten dabei allerdings auch die Wissenschaftler selbst, von denen einige bei einer solchen Verzahnung ganz sicher ethische Bedenken tragen. Vorteil China: Die Wissenschaftler dort müssen mögliche ethische Bedenken für sich behalten.
Volker Meyer-Guckel – Generalsekretär des Stifterverbands
Volker Meyer-Guckel ist ein Wissenschaftsmanager an der Schnittstelle von Forschung und Gesellschaft. Nach dem Studium der Anglistik, Chemie und Philosophie in Kiel, Belfast und New York arbeitete er bei der Studienstiftung des deutschen Volkes und im Planungsstab von Bundespräsident Roman Herzog. 1999 begann er beim Stifterverband, seit 2022 führt er die Geschäfte der Hauptverwaltung und verantwortet die operative Tätigkeit des Stifterverbands. Meyer-Guckel setzt auf Entwicklung und Future Skills für Wissenschaft und Bildung, etwa mit der Integration von KI in das Hochschulsystem. Seinen Schwung gibt er gern weiter, auch per Videoclip auf Social Media. Ein ausführliches Interview lesen Sie hier.
Irene Bertschek – Leiterin des Forschungsbereichs Digitale Ökonomie am ZEW Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung
Alle reden über die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft, Irene Bertschek will zum Gelingen beitragen. Die Leiterin des Forschungsbereichs Digitale Ökonomie am Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) setzt sich in ihren Forschungsarbeiten damit auseinander, wie die Digitalisierung wirtschaftliche Prozesse verändert und wie sie sich auf die Produktivität und das Innovationsverhalten von Unternehmen auswirkt. Im Jahr 2022 wurde sie von Bundeskanzler Olaf Scholz in den Zukunftsrat berufen. Außerdem ist sie stellvertretende Vorsitzende der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) der Bundesregierung. Das Wort der Volkswirtschaftlerin hat also Gewicht.
Armin Grunwald – Leiter des Instituts für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse am Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Wenn es um Technikfolgenabschätzung geht, dann fällt der Name Armin Grunwald. Der Inhaber des Lehrstuhls für Technikphilosophie und Technikethik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) leitet dort auch das international anerkannte ITAS – das Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse. In der Berliner Politikwelt noch bekannter ist er vermutlich als Leiter des Büros für Technikfolgenabschätzung im Bundestag. Dort liefert er mit seinen Kolleginnen und Kollegen wissenschaftliche Expertisen für Parlament und Ausschüsse. Themen sind beispielsweise Cybersicherheit, Künstliche Intelligenz oder auch die Krisenresilienz unserer Gesellschaft. Grunwald ist zudem Mitglied des Ethikrats, des Nationalen Begleitgremiums zur Endlagersuche sowie im Präsidium der acatech.
Jan Wörner – Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech)
Johann-Dietrich “Jan” Wörner war Präsident der TU Darmstadt (1995 bis 2007), Vorstandsvorsitzender des DLR (2007 bis 2015), Vizepräsident der Helmholtz-Gemeinschaft (seit 2007) und Generaldirektor der Europäischen Weltraumagentur ESA (2015 bis 2021). Der Bauingenieur war zudem Professor für Massivbau und Leiter der Prüf- und Versuchsanstalt an der TU Darmstadt und hatte die Professur für Statik an der TH Darmstadt inne. Seit 2021 ist er acatech-Präsident. Wörner ist Träger des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse. Im Interview mit Table.Briefings hat er sich frühzeitig dafür ausgesprochen, die Zivilklausel zu überdenken.
Roland Nolte – Geschäftsführer des Instituts für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT)
Der Physiker kam bereits 1993, ein Jahr nach seiner Promotion an der Humboldt-Universität zu Berlin und am Stevens-Institute of Technology, New Jersey, zum Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT). Seit 2001 ist er Geschäftsführer der Einrichtung, die sich der Nachhaltigkeit und der Gestaltbarkeit von Zukünften verpflichtet fühlt. Zu den Schwerpunkten von Roland Noltes Forschungstätigkeit gehören die umweltverträgliche Mobilität sowie speziell die Schienenverkehrsforschung. Sie bilden die Grundlage für die Entwicklung zukunftsorientierter Verkehrskonzepte. Nolte ist auch in beratender Funktion tätig, wenn es um die Anpassung der Verkehrsinfrastruktur an den Klimawandel geht.
Mikko Huotari – Direktor des Mercator Institute for China Studies (MERICS)
Mikko Huotari ist ein gefragter Gesprächspartner, wenn es um die Beziehungen Europas zu China geht. Der Direktor des Mercator Institute for China Studies (MERICS), der sich früh auf aktuelle Themen der China-Forschung spezialisierte, ist Experte für die innere Entwicklung sowie die Außenpolitik Chinas. Den in Deutschland führenden China-Thinktank leitet Huotari seit 2020. Neben transparenten Debatten wünscht er sich für die Zukunft “etwas mehr Ruhe”. Denn angesichts der intensiven Nachfrage nach China-Forschung sollten “die Akteure, die unsere Kompetenzen erfragen, auch bereit sind, den langfristigen Aufbau von Expertiseproduktion zu unterstützen, statt sie für selbstverständlich zu halten”, sagte er Table.Briefings anlässlich des zehnjährigen MERICS-Bestehens Ende 2023.
Frank Ziegele – Geschäftsführer des CHE – Centrum für Hochschulentwicklung
Frank Ziegele ist Geschäftsführer des CHE und Professor für Hochschul- und Wissenschaftsmanagement an der Hochschule Osnabrück. Bekannt ist unter anderem das CHE-Hochschulranking, das seit 25 Jahren Informationen für Studierende und Studieninteressierte liefert. Durch die entstandene Daten- und Informationsbasis ist Ziegele zugleich die Stimme im deutschen Wissenschaftssystem, wenn es um innovatives Hochschulmanagement und um Entwicklungspotenzial der Hochschulen geht. In diesem Jahr hat er sein Wissen darüber gemeinsam mit seinem Co-Autor Ulrich Müller in Buchform gepackt: “Die authentische Hochschule – Wirksame Hochschulidentitäten in Zeiten des Umbruchs” heißt es. Darin beschreiben Ziegele und Müller, dass der Schlüssel zur erfolgreichen Zukunft in einer mutigen Profilbildung der Hochschulen liegt.
Jeanette Hofmann – Forschungsdirektorin des Alexander von Humboldt Instituts für Internet und Gesellschaft (HIIG)
Wenn es um Internet und Gesellschaft sowie die Forschung zu diesem weltweit wichtigen Wissenschaftsthema geht, führen sehr viele Wege zu Jeanette Hofmann. Die Politikwissenschaftlerin ist nicht nur Forschungs- und Gründungsdirektorin des Alexander von Humboldt Instituts für Internet und Gesellschaft (HIIG) in Berlin, sondern auch Professorin für Internetpolitik an der FU Berlin. Zudem ist sie am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) tätig. Politikberatend engagiert sie sich schon lange, so etwa vor gut zehn Jahren in der Enquete-Kommission “Internet und digitale Gesellschaft” und später bei der Leopoldina. Bei der re:publica hat sie in diesem Jahr über “Desinformation in Zeiten demokratischer Regression” gesprochen.
Monika Jungbauer-Gans – Wissenschaftliche Geschäftsführerin des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW)
Die Soziologin Monika Jungbauer-Gans ist seit fast zehn Jahren die Wissenschaftliche Geschäftsführerin des DZHW. Zuvor hatte sie zwischen 2002 und 2015 Lehrstühle in Wuppertal, Kiel und Erlangen-Nürnberg inne. In aktuellen forschungspolitischen Debatten ist das DZHW oft die Stimme der Vernunft und liefert eine empirische Datengrundlage – zuletzt zum Beispiel mit Blick auf die Akademische Freiheit, die aus verschiedenen Richtungen und Gründen als beschädigt angesehen wird. Die DZHW-Ergebnisse gaben dagegen keinen Anlass zum Alarmismus. Ganz anders beim Thema Wissenschaftsfeindlichkeit, die sich laut DZHW-Untersuchung in den vergangenen Jahren deutlich verstärkt hat. Mit ihren Analysen liefern Jungbauer-Gans und ihr Team wichtige Impulse zu den Herausforderungen des deutschen Wissenschaftssystems.
Grit Würmseer – Geschäftsführende Vorständin des HIS-Instituts für Hochschulentwicklung (HIS-HE)
Grit Würmseer leitet das HIS-HE als Geschäftsführende Vorständin. Laut Satzung fungiert das in Hannover ansässige Institut als forschungsbasiertes, unabhängiges Kompetenzzentrum für die Beratung in Fragen der Hochschulentwicklung sowie der Organisation von Forschung und Lehre. Es geht also um Hochschulorganisation, Hochschulinfrastruktur und Hochschulbau – alles hochaktuelle Themen. Würmseer hat Soziologie, BWL und Arbeits- und Organisationspsychologie an der LMU München studiert und an der TU Dortmund mit einer Arbeit über die Entwicklung von Universitäten und Fachhochschulen promoviert. Bevor sie 2019 zum HIS-HE kam – zunächst leitete sie den Bereich Hochschulmanagement – war sie in führender Position bei der FOM Hochschule für Oekonomie & Management, im Hochschulmanagement an der Zeppelin Universität sowie in der Politikberatung tätig.
29.-30. Oktober 2024, Berlin Adlershof Science City
Konferenz Science for Future: On the Path to Carbon Neutrality Mehr
30. Oktober – 1. November 2024, Heidelberg
Konferenz Wissenswerte Mehr
4. November 2024, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung
Diskussion Bedrohte Wissenschaft: Ungeliebte Wahrheit Mehr
7.-9. November 2024, Berlin
Konferenz Falling Walls Science Summit 2024 Mehr
8. November 2024, Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung, Berlin
Diskussion Bedrohte Wissenschaft: Politische Einflussnahme Mehr
11.-12. Dezember, Berlin
Forum Wissenschaftskommunikation Wissenschaftskommunikation für eine starke Demokratie und offene Gesellschaft Mehr
Nachdem in der vergangenen Woche das parlamentarische Verfahren zur Novelle des WissZeitVG begonnen hat, ist von Seiten der Beschäftigten ein Konsensvorschlag für die verfahrene Debatte über eine angepasste Regelung der Postdoc-Phase vorgelegt worden. Tobias Rosefeldt, stellvertretender Direktor des Philosophie-Instituts an der HU Berlin und aktiv bei #ProfsfuerHanna, hat in einer öffentlichen Stellungnahme auf der Plattform X eine Länderöffnungsklausel vorgeschlagen, die es den Bundesländern gestatten würde, die “befristete Beschäftigung an ihren Hochschulen und Forschungseinrichtungen durch weitere Maßnahmen zu regulieren”, schreibt Rosefeldt darin.
Die derzeit im Gesetzesentwurf stehende “4 + 2-Regelung” wird von keiner der Regierungsparteien mehr unterstützt wird und auch keines der Alternativmodelle ist in der Regierungskoalition derzeit konsensfähig. Die Beibehaltung der bisher geltenden sechsjährigen Höchstbefristungsdauer ist für die Beschäftigten-Seite keine gangbare Lösung, denn sie war der Stein des Anstoßes für die Initiative #IchBinHanna.
Dass nach mehrjähriger intensiver Debatte im schlimmsten Falle alles so bliebe, wie es ist, wäre laut Rosefeldt “ein für den Wissenschaftsstandort Deutschland verheerendes und für die Betroffenen zutiefst frustrierendes Signal”. In seinen Ausführungen schlägt Rosefeldt vor, dass der Bund eine Klausel zur Postdoc-Phase in das WissZeitVG aufnimmt, mit deren Hilfe die Länder eigene Regelungen treffen können. Dadurch könnte “die Höchstbefristungsdauer in § 1 Abs. 1 S. 1, 2 WissZeitVG verkürzt sowie Voraussetzungen für die Befristung von Arbeitsverhältnissen, namentlich Anschlusszusagen, Tenure-Track-Optionen oder Befristungshöchstquoten, vorgesehen werden”, heißt es in dem Papier.
Aus Sicht von Rosefeldt hätte eine Länderöffnungsklausel mehrere Vorteile. Sie würde rechtliche Unsicherheiten beseitigen, weil der Bund den Ländern explizit Kompetenz einräume. “Zudem hätte sie eine politische Signalwirkung, weil die Bundesländer die Gelegenheit erhalten, individuelle Lösungen zu schaffen und damit in Konkurrenz um die besten Arbeitsbedingungen einzutreten”, schreibt er in seiner Stellungnahme.
Zuletzt war die teilweise Öffnung der Tarifsperre als wahrscheinlichste Lösung gehandelt worden, um noch zu einer gemeinsamen Lösung der Regierungsparteien zu kommen. Die Bundesländer hatten dies in ihrer Stellungnahme zum Gesetzesentwurf aber kategorisch abgelehnt und vor einem “Flickenteppich” in der Hochschulpolitik gewarnt. Laut Rosefeldt bleibt die zumindest partielle Öffnung der Tarifsperre ein wichtiger Baustein. Mit der Länderöffnungsklausel werde aber anerkannt, “dass die Verbesserung der Arbeitsbedingungen nicht allein in den Händen der Tarifparteien liegen sollte, sondern auch genuin politische Aufgabe ist.”
Parlamentarier und Landesministerien hielten sich auf Anfrage von Table.Briefings bedeckt. Laut der Berichterstatterin Laura Kraft (Grüne) ist der Vorschlag aber nicht gänzlich neu. Die Idee einer Länderöffnungsklausel sei immer mal wieder Teil des Diskurses rund ums WissZeitVG gewesen, teilte Kraft mit. “Ob und in welcher Form ein solcher Vorschlag ein Beitrag zur Umsetzung einer Reform des WissZeitVG sein kann, werde ich mir genauer anschauen”, versprach die Berichterstatterin. Der Berliner Staatssekretär Henry Marx soll bereits in der vergangenen Woche – laut Teilnehmenden – auf dem Forum “Gute Arbeit an Berliner Hochschulen” von einem Widerstand der Länder gegen die Länderöffnungsklausel berichtet haben. tg
Von fragwürdigen Besetzungen hoher Positionen im BMBF berichtete der Spiegel vergangene Woche. Ungewöhnlich viele Leitungspositionen seien hier mit zum großen Teil fachfremden Parteifreunden besetzt worden. Diese Personalpolitik lähme die Arbeitskraft des Ministeriums, “weil nun Parteifunktionäre Posten bekleiden, die eine Kenntnis der Hochschul- und Forschungswelt erfordern”, heißt es in dem Artikel. BMBF-Mitarbeiter sprächen von einer “Operation Abendsonne”, die bereits am ersten Tag der Amtszeit von Ministerin Stark-Watzinger begonnen habe.
Um welche Positionen geht es? Ein Überblick:
Dazu kommen weitere Personen in Zentral- und vor allem Leitungsabteilung, die zuvor in der FDP in verschiedenen Positionen tätig waren. Die mittlerweile aufgeblähte Leitungsabteilung wird als “Einfallstor” benannt. Von dort aus wurde zum Beispiel Nils Droste, ehemaliger Pressesprecher, in die Leitung des Referats 215, Forschungssicherheit und Investitionsprüfung, versetzt.
Während Staatssekretäre und Abteilungsleiter als politische Positionen gelten, die nach einer Bundestagswahl wieder neu besetzt werden könnten, sind Unterabteilungsleiter (Besoldungsstufe B6) oder auch Referatsleiter (bis zu B3) vor diesen Neubesetzungen weitgehend geschützt. Daher werde häufig von “oben nach unten” befördert. Auffällig seien auch die relativ hohen Eingruppierungen im BMBF. Dafür gab es anscheinend auch bereits einen Rüffel von Christian Lindner für Parteifreundin Stark-Watzinger.
Die Folge dieser Politik: Die Neuen verstopfen das System und versperren anderen im BMBF die Aufstiegschancen. Dadurch steigt die ohnehin bereits hohe Frustration im Haus. Aktuell sind zwei Unterabteilungsleitungen BMBF-intern ausgeschrieben. Ob der Frust nach der Besetzung nochmal steigt, bleibt abzuwarten. mw
Am gestrigen Montag ist die “Allianz für Future Skills” gestartet. Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft will damit die Hochschulbildung reformieren. Die Hochschulen sollen sich insgesamt zukunftsfähiger aufstellen und verschiedene “Future Skills” vermitteln. Damit sind Fähigkeiten und Fertigkeiten gemeint, die heute und in Zukunft für die Arbeitswelt, den Erhalt der Demokratie und die gesellschaftliche Teilhabe immer wichtiger werden.
Neben klassischen Schlüsselkompetenzen wie Lösungsfähigkeit und Kreativität sind dies vor allem technische und digitale Kompetenzen wie die Analyse und der kompetente Umgang mit Daten, das Erlernen und Anwenden von Programmiersprachen sowie Kompetenzen im Bereich KI oder Robotik.
Ziel der Allianz ist es, den Anteil der Hochschulen, die ihren Studierenden verpflichtend diese digitalen Kompetenzen vermitteln, deutlich zu erhöhen. Konkretes Etappenziel ist die Verankerung von KI in den Curricula von mindestens 100 Hochschulen. Als Anreiz will die Allianz das Prädikat “Excellence in Future Skills” vergeben, das auch finanziell honoriert werden soll. Bis 2027 sollen 20 Hochschulen diese Auszeichnung erlangen.
Die Allianz für Future Skills ist Teil der Zukunftsmission Bildung, mit der der Stifterverband mehr Menschen Zugang zu wichtigen Kompetenzen verschaffen möchte. Die Initiative vereint Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. mw
Nach der versuchten Besetzung des Präsidiums der Freien Universität (FU) Berlin sind Strafanzeigen erstattet worden. Es gehe um den Verdacht des Landfriedensbruchs, des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, um Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung, teilte die Polizei mit.
Etwa 40 vermummte pro-palästinensische Aktivisten waren am vergangenen Donnerstag gegen Mittag in das Präsidiumsgebäude eingedrungen, beschädigten Mobiliar und Elektronik und brachten Möbel nach draußen. Es kam zu körperlichen Auseinandersetzungen mit Mitarbeitern. An die Fassade des Gebäudes wurden Parolen und das Hamas-Dreieck gesprüht. Die versuchte Besetzung wurde durch die Polizei umgehend beendet, sie nahm vier Personen fest. Etwa 190 Einsatzkräfte waren vor Ort.
Zur Gruppe der Angreifer liegen der Universität bisher keine Informationen vor. Daher sei auch nicht klar, ob FU-Studierende an dem Angriff beteiligt waren. Universitätspräsident Günter Ziegler sprach von einer “massiven Gewalttat”, “absoluter Grenzüberschreitung” und erheblichem Sachschaden. “Wir sehen das als Angriff auf die Freie Universität Berlin und auch auf unsere Angebote, einen Dialog zu diesem schwierigen und wichtigen Thema zu ermöglichen.”
Die Hochschulleitung habe in den vergangenen Monaten initiiert und unterstützt, dass an der Universität, auch im Rahmen von zahlreichen Veranstaltungen, intensive Dialoge geführt werden, die sich mit Nahost-Themen aus unterschiedlichen Perspektiven befassen, teilte ein Sprecher auf Anfrage von Table.Briefings mit.
Für die FU seien der Nahostkonflikt, Geschichte, Politik und Gesellschaft, Antisemitismus und Rassismus, wie auch demokratische Prozesse mit Demonstrationen und Protest, selbstverständlich Themen von wissenschaftlicher Beschäftigung, von Forschung und Lehre. Sie sei ein Ort der offenen und demokratischen Diskussionskultur. “Auch in konfliktreichen Situationen. Auch nach dem Überfall werden weitere Veranstaltungen konzipiert”, teilte die Universität mit.
Um die Sicherheit der Mitarbeitenden und Studierenden zu verbessern, prüfe die Uni-Leitung bereits Maßnahmen. Über Details dazu wollte man sich nicht äußern.
Berlins Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra verurteilte die versuchte Besetzung “auf das Schärfste”. “Wir werden solche Aktionen nicht tolerieren und ihnen mit aller Entschlossenheit entgegentreten”, sagte sie. Begangene Straftaten müssten geahndet werden. Es sei der raschen Reaktion von Universitätsleitung und Polizei zu verdanken, dass die Aktion schnell beendet wurde und die Angehörigen der Hochschule außer Gefahr gebracht werden konnten.
Auch der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz Walter Rosenthal verurteilte die Tat und sprach Ziegler seine Solidarität aus: “Solche Handlungen stellen einen brutalen Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit dar – glücklicherweise war dieser nicht erfolgreich”, sagte er. abg mit dpa
Frankenpost: Teures Wasserinstitut. Der bayerische Landtag hat weitere 8,8 Millionen Euro zur Finanzierung des Wasserinstituts in Hof bewilligt. Bei dem Projekt stiegen die Kosten von den 2017 veranschlagten 17 Millionen Euro auf 22,6 Millionen Euro. (“Das Millionen-Grab des Freistaats “)
Wiarda-Blog: Sperre für Fördermittel. Das Bundesforschungsministerium hat Mittel für Förderprogramme gesperrt, weil sie im Haushalt nicht mehr zur Verfügung stehen. Betroffen sind Projekte in den Bereichen Strukturwandel, Industrietransformation und soziale Innovationen. (“Aus der “T!RAUM”?”)
FAZ: Universitäten ohne Führung. Die Universitäten in Göttingen und Vechta haben ihre Präsidenten abgewählt. In beiden Fällen müssen die Entscheidungen durch Hochschulgremien noch bestätigt werden. Die niedersächsische Landesregierung befindet sich in Gesprächen mit den Hochschulen. (“Uni-Präsidenten abgewählt: Ministerium weist Vorwürfe zurück”)
FAZ: KI für den Mittelstand. Ein neues KI-Forschungszentrum in Niedersachsen soll mittelständische Unternehmen bei der Umsetzung ihrer KI-Projekte beraten und begleiten. Es ist das erste seiner Art in Deutschland und soll später Teil eines Netzwerks werden, das Unternehmen beraten und Testumgebungen zur Verfügung stellen soll. (“Erstes KI-Labor für den Mittelstand kommt nach Niedersachsen”)
Süddeutsche: Forschungsstrategie ohne Mecklenburger und Vorpommern. Das Land Mecklenburg-Vorpommern arbeitet an einer neuen Wissenschafts- und Forschungsstrategie. Eine Kommission soll die Politik dabei unterstützen. Die Opposition kritisiert, dass keines ihrer Mitglieder aus dem Bundesland kommt. (“Worüber künftig forschen? MV setzt Kommission ein”)
Es klingt so schön und bedeutend, dass wir es uns fast selbst glauben: “Wissenschaftskommunikation hat eine demokratiestabilisierende Funktion. In Zeiten, in denen die Demokratie von einigen Akteur:innen angezweifelt wird, in denen die Einschränkung grundlegender Freiheitsrechte offen diskutiert wird, ist es wichtiger denn je, die Wissenschaftskommunikation auszubauen.” So war es im Rahmen der Anhörung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technologiefolgenabschätzung des Bundestags im April zu erfahren.
Es klingt, als würde Wissenschaftskommunikation nicht auch in einer Monarchie, Oligarchie oder Volksrepublik funktionieren. Und es klingt, als seien “undemokratisch” und “die Freiheitsrechte einschränken” nicht genau die Vorwürfe, die uns von diesen “Akteur:innen” (die hier bezeichnenderweise einmal nicht Bürger:innen genannt werden) gemacht werden, zum Beispiel im Hinblick auf pandemiebedingte Einschränkungen.
Wir haben also ein neues Narrativ. Dabei denken wir die Wisskomm aber offensichtlich immer noch wie vor 20 Jahren: Wir aus den Wissenschaftsinstitutionen machen attraktive und zunehmend professionelle Angebote an die Bürgerinnen und Bürger, die sich über unsere Themen informieren können, diese diskutieren und sich schließlich auch einbringen dürfen. Dadurch werden sie klüger und treffen bessere Entscheidungen. Es grüßt das (Demokratie-)Defizit-Modell.
Jüngstes Beispiel für dieses Denken: Kürzlich standen Vertreterinnen und Vertreter von BBAW, HRK und DFG mit der Aktion “Wissenschaft – und ich?!” auf den Marktplätzen in Zwickau, Brandenburg an der Havel und in Gera.
Das ist alles im Sinne des PUSH-Memorandums, das in diesem Jahr 25 Jahre alt geworden ist. Ich selbst habe seit fast 25 Jahren regelmäßig in der Innenstadt gestanden, wir haben Exponate gebaut und in Vorträgen aktuelle Ergebnisse vorgestellt und diskutiert.
Wenn es allerdings jemals unser Ziel gewesen wäre, mit Wisskomm die Demokratie zu stabilisieren – müssten wir uns nicht spätestens in diesem Jahr sehr ernsthaft fragen, was da schiefgelaufen ist? Wenn wir uns jetzt die Wahlergebnisse anschauen, sollten wir doch eigentlich alle zusammen einpacken und nach Hause gehen.
Die Wisskomm-Forschung ist in den letzten Jahren nicht müde geworden, uns vor den dysfunktionalen Auswirkungen von Wissenschafts-PR beziehungsweise Wissenschaftskommunikation zu warnen. Mein Petitum war stets: Wisskomm ist etwas Gutes, sie ist im Herzen gemeinwohl-orientiert, aufklärerisch, inklusiv. Das glaube ich immer noch.
Gleichzeitig erleben wir eine zunehmende Entkopplung der Themen, die wir kommunizieren, von den Themen, die Medien und Öffentlichkeit interessieren. Was finden wir für die Wisskomm relevant? Bei “Wissenschaft – und ich?!” geht es zum Beispiel um Themen wie Energie/Umwelt, Gesellschaft/Arbeitsmarkt, KI/Technik sowie Themen von lokalem Interesse wie zum Beispiel Stadtplanung.
Worum geht es jedoch bei den Medienanfragen und bei den Social Media-Posts von Bürgerinnen und Bürgern? Um Gendersterne, um sogenannte Cancel Culture, Machtmissbrauch, Studierendenproteste, Tierversuche und Dozierende am politischen Rand.
Es ist also nicht so, dass Wissenschaft und Universitäten keine gesellschaftliche Relevanz hätten. Im Gegenteil: Wir stehen mitten im Diskurs. Leider nur nicht mit den Themen, die uns am liebsten wären. Die Fragen beziehen sich auf den Wissenschaftsbetrieb als soziales System, das in den letzten Jahren enorm gewachsen ist und noch mehr an Macht gewonnen hat. Dessen elaborierte Fachsprachen, Methoden, Regeln und soziale Mechanismen können viele Menschen nicht mehr verstehen.
Wenn es uns wirklich um die Demokratie geht, müssen wir uns womöglich eingestehen, dass wir einen nicht unerheblichen Teil der Bürgerinnen und Bürger überhaupt nicht erreichen. Wir müssten wohl auch bekennen, dass wir uns meist in unseren Komfortzonen aufhalten und zum Chor der Bekehrten predigen – und dass somit nicht nur die anderen in ihren Filterblasen verharren, sondern wir ebenso. Wir könnten schließlich sehen, dass wir nicht immer Teil der Lösung sind, sondern mit pauschalen Forderungen à la “follow the science und gebt uns mehr Geld” auch Teil des Problems sein können.
Die oben genannten Themen wie Energie/Umwelt und Gesellschaft/Arbeitsmarkt sind wichtig. Doch wenn es tatsächlich um die Demokratie geht, stehen wir längst nicht dort, wo wir stehen sollten, nämlich im Gespräch mit den sogenannten “Akteur:innen” und oftmals mitten im Gegenwind. Sind wir dazu bereit? Ist die Wissenschaft dafür überhaupt gemacht? Trauen wir uns noch in die Arenen der harten Skeptiker? Haben wir überhaupt das argumentative Rüstzeug?
Es gibt jede Menge Fragen zu beantworten – und umzudenken. Ich möchte einfordern, dass wir uns weiterhin an die Leitlinien zur guten Wissenschafts-PR halten. Das gilt auch, wenn wir über uns selbst und die Wisskomm reden. Auch dabei müssen wir präzise und wahrhaftig bleiben, nicht übertreiben und uns nicht vorschnell und pauschal mit Begriffen und Kausalitäten schmücken, die so einfach nicht stimmen. Es ist wichtig, dass wir selbstkritisch bleiben und uns von außen kritisieren lassen – auch wenn wir es hier nicht mit fachvertrauten Peers, sondern meist mit Laien zu tun haben.
Wisskomm ist, wie Wissenschaft selbst, nicht per se gut oder demokratisch. Es kommt darauf an, dass wir genauer hinschauen und im konkreten Fall das tun, was nötig ist, damit Wissenschaft weiterhin unabhängig und pluralistisch bleibt und nach den Prinzipien guter wissenschaftlicher Praxis arbeiten kann. Das scheint mir persönlich schon ein sehr erstrebenswertes Ziel zu sein. Und das wäre dann indirekt wiederum auch gut für unsere Demokratie.
Der Text basiert auf einer Keynote im Rahmen der Tagung “Wisskomm connected – Forschung und Praxis der Wissenschaftskommunikation gemeinsam gestalten” der Transfer-Unit von Wissenschaft im Dialog und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 11. und 12. September 2024.
Dr. Elisabeth Hoffmann ist Chief Communication Officer der Universität zu Köln. Bis 2022 war sie Kommunikationschefin der TU Braunschweig und Prokuristin der Haus der Wissenschaft Braunschweig GmbH. Sie ist Mit-Organisatorin des Siggener Kreises zur Zukunft der Wissenschaftskommunikation.
Michiel Scheffer verbringt bereits sein ganzes Leben an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Politik und Wirtschaft. Geboren wurde der Niederländer in eine Unternehmerfamilie – Vater und Großvater waren CEOs. “Ich bin als Kind schon immer zwischen den Maschinen umhergelaufen”, sagt Scheffer in einem Interview. Schon bald fing er an, sich dafür zu interessieren, wie Wirtschaft, aber vor allem auch wie Innovation funktioniert. Heute ist er Vorstandsvorsitzender des European Innovation Council (EIC) – und diskutiert über das Thema am 8. November beim Falling Walls Science Summit in Berlin.
In seiner Doktorarbeit an der Universität Utrecht schrieb Scheffer über “Handelsplätze, Mode, Einzelhandel und die sich verändernde Geografie der Bekleidungsproduktion in den Niederlanden, Belgien, Frankreich und dem Vereinigten Königreich”. Danach war er sowohl in der Wirtschaft als auch in der Wissenschaft erfolgreich. Er ist mit der Welt der Start-ups vertraut und hat mit vielen Universitäten zusammengearbeitet.
Scheffer ist Gründer und CEO von Polisema, einem Unternehmen, das Beratungs- und Investitionsdienstleistungen für Start-ups in Bereichen von IKT und Textilien bis hin zu medizinischen Geräten und Energiespeicherung anbietet. Er war CEO von “Noéton Policy in Innovation”, das Beratungsdienste in den Bereichen Innovationsmanagement und öffentliche Angelegenheiten anbietet.
Die teilweise schlechten Erfahrungen, die er mit EU-Anträgen und Förderprojekten machte, bewogen ihn, in die Politik zu gehen. Er wurde Regionalminister von Gelderland. In dieser Funktion war er verantwortlich für ein EFRE-Programm und für Interreg DE-NL. Zudem war Scheffer Mitglied des Ausschusses der Regionen.
Damit war der Weg für den nächsten logischen Schritt in Richtung EU bereitet. 2023 übernahm der begeisterte Hobby-Radfahrer den Chefposten beim EIC. Und das in politisch komplizierten Zeiten. Die 2018 noch vom damaligen EU-Forschungskommissar Carlos Moedas ins Leben gerufene Agentur kam anfangs nicht in Gang. Die Kommission stritt zu der Zeit noch darüber, wie das mit Kapitalbeteiligungen an Start-up-Unternehmen verbundene Risiko zu handhaben sei.
Ziel des EIC ist es, bahnbrechende Technologien und disruptive Innovationen zu identifizieren, zu fördern und zu verbreiten, ein Bereich, in dem die EU zuvor keine nennenswerten Fortschritte gemacht hat. Trotz guter Forschungs- und Entwicklungsleistungen hat die EU noch immer Schwierigkeiten, Spitzenforschung in skalierbare Produkte und Dienstleistungen umzusetzen. Vor allem Deep Tech will Scheffer fördern und den Start-ups dort mit seiner Unterstützung über das Valley of Death helfen. Dabei geht es nicht nur um Geld, sondern auch um Beratung und die Vernetzung mit Gleichgesinnten.
Mittlerweile ist die Agentur auf einem besseren Weg. Scheffer scheint mit seinem, wie er selbst sagt, offenen Führungsstil den Turnaround geschafft zu haben. Er fahre viel in die Mitgliedstaaten und spreche dort vor allem mit denen, die es nicht geschafft haben, eine EIC-Förderung zu bekommen, erzählt er. Er kennt aber natürlich auch einige Best-Practice-Beispiele und freut sich sichtlich über deren positive Entwicklung.
Mit dem aktuellen Budget sei er sich jedoch “nicht sicher, ob wir damit das Leben unserer Enkelkinder retten”, sagt Scheffer. “Selbst wenn man das Budget des Accelerators verdoppelt, steigt es von sieben Milliarden Euro auf 14 Milliarden Euro in sieben Jahren.” Im Jahr 2024 hat Scheffer gerade mal 1,2 Milliarden Euro zur Verfügung. Entsprechend niedrig ist auch die Bewilligungsquote (acht Prozent).
Vor diesem Hintergrund ist auch die Diskussion um die Zukunft des EIC in vollem Gange. Werden ERC und EIC zu großen, eigenständigen Agenturen, während das Horizon-Programm in einem großen Wettbewerbsfond aufgeht? Soll das EIC zu einer “ARPA-type-Agency” werden, mit schnelleren Verfahren und einer verbesserten Governance, wie es der Draghi-Bericht fordert? Oder bleibt es bei einer Stärkung, wie jüngst der Heitor-Report empfiehlt?
Scheffer wird diesen Diskussionen vermutlich gelassen entgegenblicken und kurze, präzise Antworten parat haben – wie er es in seinen Interviews zeigt. Wann wollen Sie in Rente? Mit 72. Wie viel Kaffee am Tag? Vier Tassen. Wie lange brauchen Sie morgens? 20 Minuten. Wo war ihr bester Kuss? In Malaga. Markus Weisskopf
Beim Falling Walls Science Summit in Berlin nimmt Michiel Scheffer am 8. November um 15 Uhr an einer von der Boston Consulting Group und der Sprind-Agentur organisierten Diskussion über “Europe’s Path to Innovation” teil. Das Programm des Summit finden Sie hier, weitere Porträts der Table.Briefings-Reihe “Breakthrough-Minds” lesen Sie hier.
Jutta Allmendinger, Petra Bahr, Cornelia Betsch, Hans-Georg Dederer, Uta Eser, Aldo Faisal, Helmut Frister, Nils Goldschmidt, Winfried Hardinghaus, Ute Kalender, Hedy Kerek-Bodden, Armin Nassehi, Annette Riedel, Frauke Rostalski, Kerstin Schlögl-Flierl, Susanne Schreiber, Josef Schuster, Muna Tatari, Gregor Thüsing, Achim Wambach und Eva Winkler sind von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas jetzt offiziell mit Wirkung zum 10. Oktober in den Deutschen Ethikrat berufen worden.
Anna Christmann soll nach Informationen von Table.Briefings voraussichtlich neue Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium werden. Sie soll Franziska Brantner nachfolgen, die Mitte November zur neuen Grünen-Vorsitzenden gewählt werden soll. Die 41-jährige Christmann, die zum Realo-Flügel zählt, sitzt seit 2017 im Bundestag und ist Beauftragte für digitale Wirtschaft und Start-ups.
Andreas Gundelwein übernimmt im April kommenden Jahres die Leitung des Science Center der Dieter Schwarz Stiftung in Heilbronn, die experimenta. Er folgt auf Bärbel Renner, die im Februar in die Geschäftsführung der Stiftung wechselt. Gundelwein leitet seit 2013 das Mannheimer Landesmuseum für Technik und Arbeit.
Verena Pietzner wurde vom Senat der Universität Vechta als Präsidentin der Hochschule abgewählt. Die Abwahl erfolgte einstimmig in einer nicht öffentlichen Sondersitzung. Pietzner bleibt noch bis zur Bestätigung des Votums durch den Hochschulrat und die Umsetzung im MWK im Amt.
Christiane Werner, Ökosystemphysiologin an der Universität Freiburg und Lena Maier-Hein, Leiterin der Abteilung Intelligente Medizinische Systeme am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und Direktorin des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg, werden in diesem Jahr mit dem Landesforschungspreis Baden-Württemberg ausgezeichnet. Werners Forschungsarbeiten bilden die Grundlage zur Entwicklung von Strategien zur Verbesserung der Widerstandsfähigkeit von Ökosystemen gegenüber immer extremeren Bedingungen. Maier-Hein bekommt die mit jeweils 100.000 Euro dotierte Auszeichnung für die Eröffnung neuer Forschungsfelder mit höchster Relevanz für medizinische Forschung und für direkte klinische Anwendungen. Mit dem Preis für mutige Wissenschaft zeichnet das Land Baden-Württemberg in diesem Jahr Kira Rehfeld vom Geo- und Umweltforschungszentrum der Universität Tübingen (GUZ) aus. Sie wird für ihre interdisziplinäre Forschung in der experimentellen Paläoklimarekonstruktion und der numerischen Klimasimulation geehrt.
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Bildung.Table. Experimentierklausel: Welche Freiheiten Schulleitungen für Innovationen haben. Schleswig-Holstein hat mit der Experimentierklausel den Schulen mehr Freiheit für ihre Schulentwicklung versprochen. Projekte, die als Versuche genehmigt wurden, sind zu diesem Schuljahr gestartet. Vorreiter ist das nördlichste Bundesland aber nur bedingt. Mehr
China.Table. Frederick Fooy: Wie Schweden gegen Desinformation kämpft. Schweden hat vor zwei Jahren eine staatliche Agentur gegründet, die sich gegen Desinformation und “psychologische Kriegsführung” wehren soll. Besonders China und Russland verstärken ihre Propaganda im Ausland. Zum Glück nicht immer gut koordiniert, wie Frederick Fooy von der Psychological Defence Agency (PDA) erklärt. Mehr
Climate.Table. Klima in Zahlen: Warum die Welt vor einem “Zeitalter des Stroms” steht. Laut Internationaler Energieagentur (IEA) steht die Welt vor einem “Zeitalter des Stroms”. Die Nachfrage nach fossilen Energien könnte noch vor dem Jahr 2030 leicht zurückgehen. Auch die OPEC korrigiert ihre Prognosen und geht von einem geringeren Wachstum der Erdölnachfrage aus. Mehr
ESG.Table. Transformation: Wie Aufsichtsräte ihrer Aufgabe gerecht werden können. Ein neues Institut will Aufsichtsräte dabei unterstützen, Transformation in ihren Unternehmen voranzubringen. Worauf es dabei ankommt, erklären die Vorsitzende des Vorstands und ihre Stellvertreterin im Interview. Mehr