beinah wäre es am Drängen Volker Wissings gescheitert, der empfohlen hatte, sich bei der Abstimmung lieber zu enthalten. Doch der Digitalminister konnte umgestimmt werden. Am morgigen Freitag entscheiden die EU-Mitgliedsstaaten über den AI Act – es wäre das erste KI-Gesetz der westlichen Welt. Es soll Rechtssicherheit und Planbarkeit für die Wirtschaft bringen und die Grundrechte der Menschen beschützen.
Was jetzt in Sachen KI-Gesetz wichtig wird, hat unsere Autorin Lilo Berg unter anderem Philipp Hacker gefragt. Der Professor für Recht und Ethik der digitalen Gesellschaft an der Europa-Universität Viadrina empfiehlt jetzt jeder Organisation, “umgehend mit der Vorbereitung zu beginnen und sich auf die neuen Regeln einzustellen”.
Ein erstes Ende fand am Dienstagabend das Ringen um den BMBF-Haushalt. Dieser wurde in zweiter Beratung gebilligt. Dabei hatte der Haushaltsausschuss die Globale Minderausgabe, die das Ministerium erwirtschaften muss, von 499,28 Millionen Euro auf 699,28 Millionen Euro erhöht. Bettina Stark-Watzinger (FDP) nannte die Aufstellung herausfordernd.
Kerstin Radomski (CDU/CSU) kritisierte die Sparpraxis. Über dem Haushalt schwebe die Globale Minderausgabe, erklärte sie. Mit den Einsparungen von vier Prozent sei das BMBF Spitzenreiter aller Ressorts. “Dies sei aber kein echtes Sparen, sondern echte Intransparenz.”
Für ein paar Minuten waren am gestrigen Mittwochabend keine harten politischen Wortwechsel zu hören. Table.Media hatte zum Neujahrsempfang eingeladen. Wie man es so macht, wenn man eine gute Party möchte: Man lädt viele Gäste ein – denn ein paar können dann leider doch nicht kommen. Gestern Abend sind sie alle gekommen. Es war sehr, sehr voll und heiter – und wir einfach nur beglückt über so viel starkes Interesse.
Ich wünsche Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre,
Die Europäische Kommission schlägt vor, im 10. Rahmenprogramm (RP10) die Finanzierung von Technologien mit zivilen und militärischen Anwendungen zu ermöglichen, um die strategische Autonomie der EU zu stärken. Dies ist eine der drei Möglichkeiten zur Förderung der Dual Use-Forschung, die in einem letzte Woche veröffentlichten Papier aufgeführt werden, zu dem die Kommission bis zum 30. April eine öffentliche Konsultation durchführt.
Die vorgeschlagene Reform sieht vor, den ausschließlichen Fokus auf zivile Anwendungen in “ausgewählten Teilen” des 2028 in Kraft tretenden Nachfolgeprogramms von Horizont Europa zu streichen. Derzeit sind Projekte, an denen die Rüstungsindustrie beteiligt oder in denen Dual-Use-Technologien involviert sind, zwar im Rahmen von Horizont Europa förderfähig, aber nur, wenn die Forschung ausschließlich für zivile Anwendungen bestimmt ist.
Die Kommission setzt sich für mehr Dual-Use-Forschung ein und hofft, dass die von ihr vorgelegten Vorschläge zu mehr Synergien zwischen Zivil- und Verteidigungssektor führen. Dies soll der europäischen Industrie zugutekommen und der EU helfen, sich an ein zunehmend angespanntes geopolitisches Klima anzupassen.
Viele moderne Technologien, die als entscheidend für die Sicherheit und den wirtschaftlichen Wohlstand Europas angesehen werden, sind potenziell sowohl zivil als auch militärisch nutzbar, unter anderem in den Bereichen Digitaltechnik, Energie, Mobilität und Raumfahrt. Beispiele hierfür sind Drohnen, GPS-Daten und Wärmebildtechnik.
Auf der Europäischen Raumfahrtkonferenz in Brüssel am vergangenen Dienstag erklärte der belgische Minister für Wissenschaftspolitik, Thomas Dermine, dass die belgische EU-Ratspräsidentschaft die Öffnung der Finanzierung für mehr Dual-Use-Forschung im Bereich der Raumfahrt unterstützen werde: “Es gibt nichts, was mehr wie ein militärischer Satellit aussieht als ein ziviler Satellit”, sagte er.
“In Belgien verwenden wir bereits militärische Mittel zur Finanzierung von Dual-Use-Technologie im Rahmen der Europäischen Weltraumorganisation, und wir sehen, dass es funktionieren kann und einen Mehrwert bringt – sowohl für den Minister, der das Budget für die ESA verteidigen muss, als auch für das Verteidigungsministerium.”
Die Vorschläge dürften in der europäischen Forschungsgemeinschaft, die auf Klarheit über die Auswirkungen dieser Vorschläge auf ihre Arbeit wartet, hitzige Debatten auslösen. Die Präsidentin des Europäischen Forschungsrats (ERC), Maria Leptin, sagte, der wissenschaftliche Rat des ERC werde die Auswirkungen der Vorschläge erörtern, sobald sie konkreter seien.
“Das Grundprinzip des ERC besteht darin, dass wir Projekte ausschließlich nach dem Bottom-up-Prinzip auswählen, mit wissenschaftlicher Exzellenz als einzigem Bewertungskriterium. Wir würden nicht wollen, dass sich unser Auftrag in irgendeiner Weise ändert”, sagte sie.
“Viele Universitäten würden es vorziehen, militärische und zivile Forschung getrennt zu halten”, sagte Claire Gray, Senior Policy Officer bei der League of European Research Universities (LERU). Die Streichung der “Nur-Zivil”-Klausel “spiegelt jedoch eine neue Realität wider”, die in der Dual-Use-Forschung allgegenwärtig ist. “Fast jede Forschung kann auf irgendeine Art für duale Zwecke genutzt werden, auch die sozial- und geisteswissenschaftliche Forschung”, sagte sie.
“Nach Ansicht der LERU sollte das Rahmenprogramm nicht offen militärische Forschung an sich fördern, aber wir sollten auch nicht zu vorsichtig sein, wenn es um einen Forschungsbereich geht, nur weil er Dual-Use Potenzial hat.”
Die LERU fordert Sicherheitsmechanismen, wie beispielsweise einen Rahmen für die ethische Bewertung des Risikos eines militärischen Missbrauchs, und fordert, dass die Forscher “die Möglichkeit behalten, militärische Anwendungen ihrer Forschung so weit wie möglich zu verhindern”.
Natürlich müssen jegliche Vorschläge der Kommission zur Ausweitung des RP10 auf Dual-Use-Forschung von den Mitgliedstaaten angenommen werden. Bei der Konzeption des aktuellen Programms, Horizont Europa, schlug die Kommission ursprünglich vor, bestimmte Dual-Use-Projekte zuzulassen. Dies wurde jedoch von den Mitgliedstaaten und den EU-Abgeordneten damals abgelehnt. Sie wollten ein ausschließlich ziviles Programm.
Sollte das 10. RP für Dual-Use-Forschung offen sein, könnte sich dies derweil auf die Beteiligung von Drittländern auswirken, darunter auch von Forschern aus Ländern, die mit Horizont Europa assoziiert sind. Die EU-Länder haben die Möglichkeit, assoziierte Länder wie das Vereinigte Königreich, Kanada oder Neuseeland von heiklen Ausschreibungen auszuschließen, und die Einbeziehung von Dual-Use-Projekten könnte die Zahl der Ausschlüsse erhöhen. “Die assoziierten Länder sind bereits nervös wegen der Anzahl der Verfahren, bei denen sie von der Teilnahme ausgeschlossen sind”, sagte Gray.
Jamie Arrowsmith, Direktor von Universities UK International, sagte, es sei noch zu früh, um zu beurteilen, wie sich dies auf das Vereinigte Königreich auswirken könnte, aber dass “alles, was den Zugang zu strategisch wichtigen Teilen des Programms einschränkt, sich auf das Wertangebot für jede künftige Regierung auswirken würde”.
In der Mitteilung der Kommission an das Parlament und den Rat über das Paket wird jedoch versprochen, “den Dialog über wirtschaftliche Sicherheitsbelange mit Drittländern, die mit Horizont Europa assoziiert sind, wie dem Vereinigten Königreich, Kanada oder Neuseeland, zu verstärken”.
Außerdem besteht die Verpflichtung, die Ergebnisse des Rahmenprogramms zu verwerten. Laut Gray könnte die Abschaffung des rein zivilen Fokus ein Problem für Universitäten darstellen, die Klauseln bezüglich der Ausübung friedlicher Forschung haben, oder für neutrale Länder wie die Schweiz.
In Deutschland haben mehr als 70 der 423 öffentlich finanzierten Hochschulen eine Zivilklausel, die sie verpflichtet, Forschung ausschließlich zu friedlichen Zwecken durchzuführen, und dies werde voraussichtlich eine Rolle in der bevorstehenden Debatte spielen, so ein Sprecher der Hochschulrektorenkonferenz.
Diese Universitäten sollten weiterhin die Möglichkeit haben, an einem Rahmenprogramm teilzunehmen, das Dual-Use-Forschung ermöglicht. “Es ist jedoch wahrscheinlich, dass die Umsetzung eines solchen Programms große kontroverse Diskussionen in der wissenschaftlichen Gemeinschaft auslösen wird.” Von Martin Greenacre und David Matthews
Dieser Beitrag ist eine übersetzte Version eines Artikels von Science|Business. Mit einem Redaktionsteam, das in Brüssel und in der gesamten EU arbeitet, ist Science|Business Europas wichtigste englischsprachige Quelle für fundierte Berichterstattung über Forschungs- und Innovationspolitik.
Wie steht es um die China-Kompetenz in Deutschland?
Die Dringlichkeit, Chinas Handeln hierzulande besser zu verstehen, hat zugenommen. Wir bauen dennoch nur zögerlich China-Expertise auf. Das Interesse an einem Studium mit China-Bezug ist derzeit vergleichsweise gering, und auch die Euphorie, als Manager nach China zu gehen, hat abgenommen. Ohne einen vertieften Zugang zu China ist es jedoch schwierig, das relevante Wissen zu erlangen. Vereinfacht gesagt: Es gibt in Deutschland mehr Aufmerksamkeit für China, aber nicht in gleichem Maße mehr Expertise.
Welche Konsequenzen drohen?
Ohne ein Verständnis für die Steuerungsmechanismen und Strategien Chinas ist es für deutsche Politiker und Unternehmer schwierig, fundierte Entscheidungen zu treffen. Die Gestaltung und Umsetzung der chinesischen Wirtschaftspolitik ist sehr spezifisch. Umso wichtiger ist es, diese Besonderheiten zu verstehen. China ist ein bedeutender Handelspartner, technologischer Wettbewerber und geoökonomischer Rivale, der größtmögliche Aufmerksamkeit verdient.
Mit der Professur für Empirische Innovationsforschung mit Schwerpunkt China an der Goethe-Universität in Frankfurt wollen Sie die wirtschaftswissenschaftliche China-Expertise in Deutschland auf Basis evidenzbasierter Forschung stärken. Was heißt das?
Wir verfolgen einen in Deutschland bislang noch seltenen Ansatz: China-Forschung aus der Wirtschaftswissenschaft heraus, nicht aus der Sinologie oder den Regionalwissenschaften. Die Goethe-Universität bietet mit dem Fachbereich Wirtschaftswissenschaften und dem Interdisziplinären Zentrum für Ostasienstudien ein gutes Umfeld. Das kooperierende ZEW in Mannheim ist ergänzend auf Forschung und Politikberatung ausgerichtet.
Wie sieht dieser Ansatz konkret aus?
Der Forschungsschwerpunkt liegt auf der Innovations- und globalen Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in China. Wir interessieren uns für die Wirksamkeit der chinesischen Industriepolitik und für ihre Auswirkungen auf den internationalen Technologiewettbewerb. Dies erfordert zum einen die Binnenbetrachtung der chinesischen Wirtschaftsprozesse, zum anderen eine Betrachtung der Außenwirkung, zum Beispiel auf das Innovationsverhalten deutscher Unternehmen.
Wie funktioniert das in der Praxis?
Der Ansatz basiert auf der Nutzung großer Datensätze. So werden beispielsweise Patentschriften quantifiziert, mit Unternehmensmerkmalen kombiniert und empirisch analysiert. Auch in der quantitativen Forschung ist es notwendig, chinesische Texte lesen zu können, um die Prozesse der Datengenerierung in China verstehen und institutionell einordnen zu können. Beispiele dafür: Subventionen führen in China zu einer Patentinflation und die Zweckentfremdung von Fördermitteln zu einer reduzierten Effektivität der Innovationspolitik. Solche spezifischen Phänomene müssen inhaltlich erkannt und methodisch adäquat berücksichtigt werden.
Wo liegt der Erkenntnisgewinn?
Dabei geht es vor allem um die Frage, ob die chinesische Regierung das Wirtschaftswachstum fördert oder ob ihr Einfluss verzerrend wirkt. Die Analyse ist ein fortlaufender Prozess, weil sich die nationalen und internationalen Rahmenbedingungen und somit auch das öffentliche Interesse ständig ändern. Früher war es Stahl, dann Solar- und Windenergie, heute sind es KI, Elektromobilität und Überwachungstechnologien. Mit einer aktuellen Analyse der Technologie-Souveränität Chinas im Vergleich zu Europa und den USA setzen wir ein erstes Schlaglicht: Wie ist die Verflechtung, wer ist souveräner, und variiert dies je nach Technologie?
Die Rückkopplung chinesischer Politik auf unsere eigene Wirtschaft wird seit Jahrzehnten thematisiert. Weshalb hat es bis 2024 gedauert, bis sich eine deutsche Universität diesen Zusammenhängen konkret annimmt?
In Deutschland wurde China als Forschungsgegenstand lange Zeit nur in der Sinologie oder in den Regionalwissenschaften verortet. Die Wirtschaftswissenschaften in Deutschland sind vergleichsweise konservativ aufgestellt. Eine Professur mit China-Schwerpunkt ist sehr speziell. Man fragt sich eventuell: Ist das in fünf Jahren noch relevant? Bei knappen Budgets scheuen sich die Entscheidungsträger in der Wissenschaft daher, Nägel mit Köpfen zu machen.
Weil sie glauben, dass China in fünf Jahren seine wirtschaftliche Relevanz verloren hat?
Diese Argumentation ist zumindest zu hören, wenn es um die langfristige Finanzierung geht. Hinzu kommt eine generelle Unsicherheit im Umgang mit China, wie sie aktuell wieder vom DAAD thematisiert wird. Es gibt durchaus Wirtschaftswissenschaftler in Deutschland, die über China publizieren. Aber eine Universitätsprofessur, die China systematisch als Forschungsschwerpunkt aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive aufgreift, ist eher selten. Das hat bislang dazu geführt, dass Länder wie die USA uns deutlich voraus sind und die wirtschaftswissenschaftliche China-Expertise in Deutschland ausbaufähig ist.
Sie wollen mit chinesischen Partnern zusammenarbeiten. Birgt das die Gefahr, dass Sie ungewollt Informationen im Interesse der chinesischen Regierung verbreiten?
Unser Ziel ist reziproker Erkenntnisgewinn. Es gibt konkurrierende Narrative über das wirtschaftliche und technologische Entwicklungspotenzial Chinas. Unsere Basis ist die empirische Forschung. Sie liefert einen objektiven, evidenzbasierten Beitrag, der im Zweifelsfall auch bestehende Narrative korrigiert.
Wie wollen Sie die Kooperation mit chinesischen Forschern organisieren?
Durch Einbindung, aber ohne einseitige Abhängigkeit von chinesischen Partnern. Wir untersuchen Prozesse und wollen diese Informationen sowohl der Wissenschaft als auch politischen Entscheidungsträgern zur Verfügung stellen. In der Regel arbeiten wir mit Co-Autoren zusammen, die vor allem institutionelle Expertise und Datenzugang einbringen. Im Gegensatz zu nationalen Publikationen bieten internationale Publikationen den chinesischen Kollegen auch mehr Freiheitsgrade bei der Themenwahl. Während der wirtschaftswissenschaftliche Diskurs in China zunehmend politisch geprägt ist und vor allem positive Aspekte betont, zeigen unsere Studien regelmäßig auch Optimierungspotenziale auf.
Philipp Böing, 41, ist Senior Researcher am ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim. Er hat als Assistant Professor an der Peking Universität gelehrt und unter anderem die Weltbank und die deutsche Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) beraten. Am 1. Februar 2024 wird er die Professur für Empirische Innovationsforschung mit Schwerpunkt China an der Goethe-Universität in Frankfurt/Main besetzen, bleibt aber weiterhin ZEW-Forscher.
Grünes Licht aus Brüssel vorausgesetzt, tritt mit dem EU AI Act das erste KI-Gesetz der westlichen Welt in Kraft. Es bringt Rechtssicherheit und Planbarkeit für die Wirtschaft und schützt Grundrechte von Bürgerinnen und Bürgern. Dieser Konsens eint viele Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft, die die Bundesregierung in den vergangenen Wochen zur Zustimmung im EU-Rat drängten. Angesichts der im Juni anstehenden Wahlen zum Europaparlament sei es wichtig, das Gesetz jetzt zu beschließen, um es nicht komplett aufs Spiel zu setzen. Sollte das Projekt scheitern, schade das nicht nur dem Image Europas, auch die Wirtschaft falle noch weiter hinter USA und China zurück.
Eigentlich war das KI-Gesetz schon am 9. Dezember beschlossene Sache. Nach jahrelangen Verhandlungen hatten sich die EU-Entscheidungsgremien auf ein rund 250 Seiten umfassendes Dokument geeinigt. Daraufhin meldeten mehrere Mitgliedsstaaten Änderungswünsche an, die sich vor allem auf die biometrische Überwachung durch KI und Hürden für Unternehmen im eigenen Land bezogen. In Deutschland drängte Digitalminister Volker Wissing (FDP) seine Ministerkollegen, sich bei der Abstimmung zu enthalten. Das hätte möglicherweise zum Scheitern des AI Acts geführt. Wissing konnte umgestimmt werden, seit Dienstag ist das deutsche “Ja” gewiss.
Läuft am Freitag im Rat der EU alles glatt und stimmt dann auch das Parlament noch zu, wird der AI Act im Mai oder Juni in Kraft treten. Das bedeutet erst einmal viel Arbeit für Behörden und Verwaltungen. Schließlich müssen die neuen KI-Regeln mit bereits geltenden nationalen und europäischen Rechtsvorschriften in Einklang gebracht werden, etwa in den Bereichen Medizinprodukte oder Kreditwesen. Kleine und mittlere Unternehmen der KI-Wirtschaft müssen sich auf zusätzliche Kosten einstellen, die bei der Anpassung ihrer Produkte an die neuen Regeln entstehen. Je nach Risikoklasse der KI-Anwendung sieht der AI Act Übergangsfristen von sechs bis 36 Monaten für die Angleichung vor. Die Regeln für Basismodelle wie ChatGPT würden demnach schon von Mitte 2025 an gelten.
“Ich empfehle Organisationen jedweder Art, umgehend mit der Vorbereitung zu beginnen und sich auf die neuen Regeln einzustellen”, sagt Philipp Hacker, Professor für Recht und Ethik der digitalen Gesellschaft an der Europa-Universität Viadrina. Hacker ist Erstunterzeichner eines offenen Briefs an die Bundesregierung, in dem führende Köpfe aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft für die Zustimmung zum KI-Gesetz plädieren. Man sehe durchaus Verbesserungsbedarf, heißt es in dem Appell, doch dieser lasse sich auch im Rahmen der Umsetzung und durch nationale Gesetzgebung angehen. Insbesondere bei der Ausarbeitung von technischen Standards und beim Aufbau von Aufsichtsstrukturen, möglichst auf europäischer Ebene, müssten wirtschaftliche und zivilgesellschaftliche Stimmen Gehör finden.
Philipp Hacker hat eine eigene Stellungnahme zur finalen Version des AI Acts verfasst. Er zeigt Schwachstellen auf, benennt aber auch Vorzüge des Gesetzes, das zum Beispiel Mindeststandards für die biometrische Fernüberwachung definiert. Für die Zukunft sei es dringend erforderlich, KI-Anwendungen nicht bloß als Risiko zu begreifen, sondern primär als Chance zu sehen, ob in Medizin, Bildung oder Arbeitswelt. In einer globalisierten Welt könne der EU AI Act nur ein erster Schritt sein, heißt es in dem Papier – perspektivisch sei ein internationales Regelwerk erforderlich. Es würde idealerweise auch für Länder gelten, die sich heute gern als Safe Harbors darstellen, um mit viel Kapital und wenig Vorschriften von überallher die besten KI-Köpfe anzulocken.
15.-17. Februar 2024, Denver und online
Tagung AAAS Annual Meeting – Toward Science Without Walls Mehr
19. Februar 2024, 12 bis 13 Uhr, online
Leibniz-Wirtschaftsgipfel Wie krank ist die deutsche Wirtschaft – und was muss passieren, damit sie sich erholt? Mehr
21. Februar, 9.30 bis 12.55 Uhr, Berlin, Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, Sitzungssaal 3.101
Ausschusssitzung Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung / Öffentliche Anhörung zum Thema “Internationalisierung von Wissenschaft und Hochschulbildung” Mehr
26./27. Februar 2024, jeweils von 09.30 bis 13.00 Uhr, online
Online-Forum (€) CHE Online-Forum zu Folgen sinkender Erstsemesterzahlen Mehr
8. März 2024, 10:00 Uhr, Frankfurt am Main und online
Diskussion Wissenschaftsjahr Freiheit: Diskussion u.a. mit Bettina Stark-Watzinger, Alena Buyx und Antje Boetius Mehr
25. März 2024, 17:30 Uhr, Konzerthaus Berlin
74. DHV-Tag: Festveranstaltung Gala der deutschen Wissenschaft Mehr
26. März 2024, 9:00 Uhr, Hotel Hilton, Berlin
74. DHV-Tag: Vortrags- und Diskussionsveranstaltung Einheit in Vielfalt: Wie organisiert sich die Wissenschaft? Mehr
Der Bundesverband Deutscher Stiftungen und mit ihm einige der größten Wissenschaftsstiftungen ziehen sich von der Plattform X zurück. Die VolkswagenStiftung, die Stiftung Mercator, die Zeit Stiftung Bucerius und die Robert Bosch Stiftung betrachten das Wertesystem bei der Plattform X seit der Übernahme durch Elon Musk als “kollabiert”. Die Verbreitung von Hate Speech und Falschinformation, extremistischer Propaganda und Hetze gegen Minderheiten sei nicht mehr tolerierbar, teilte der Bundesverband am Dienstag mit.
Mit dieser konzertierten Aktion wolle man andere Stiftungen motivieren, diesem Beispiel zu folgen. Die Plattform X sei eine Bedrohung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die demokratische Ordnung. Man möchte nun Regeln und Konzepte entwickeln, um die Dominanz einzelner Plattformen in Zukunft zu begrenzen. mw
Die Abgeordneten des EU-Umweltausschusses (ENVI) haben vergangene Woche dafür gestimmt, den europäischen Rechtsrahmen zu neuen Züchtungstechniken zu liberalisieren. Der Text des Ausschusses bleibt in Kernpunkten nah am ursprünglichen Vorschlag der Europäischen Kommission: Für gentechnisch veränderte Pflanzen, die so auch durch konventionelle Züchtung hätten entstehen können (genannt Kategorie 1), sollen lockerere Regeln als bisher gelten. Die Abstimmung ist ein Erfolg für die Europäische Volkspartei (EVP) und große Teile der Liberalen (Renew), die sich für die Lockerung des EU-Gentechnikrechts einsetzen. Zu erwarten ist, dass auch das Parlamentsplenum bei seiner nächsten Sitzung Anfang Februar grünes Licht für den Text gibt. Eine Einigung der EU-Mitgliedstaaten steht aber noch aus.
Die größte Änderung im Vergleich zum Kommissionsvorschlag ist eine neue Klausel, die festschreibt: Gentechnisch veränderte Pflanzen und Pflanzenmaterial sowie deren genetische Informationen und Verfahrensmerkmale “sind nicht patentierbar”. Die EU-Kommission hatte die Frage der Patentierbarkeit von gentechnisch veränderten Pflanzen und Saatgut weitgehend offengelassen und wollte lediglich nach Inkrafttreten die Auswirkungen möglicher Patente auf den Saatgutmarkt beobachten.
Aus Sicht von Experten würde die EU jedoch gegen internationales Recht verstoßen, sollte es die Klausel des Umweltausschusses in den finalen Text schaffen. Denn sie steht im Widerspruch zum Europäischen Patentübereinkommen, einem völkerrechtlichen Vertrag, dem neben der EU noch viele weitere Länder angehören. “Die unionsrechtliche Regelung würde mit internationalem Recht nicht mehr übereinstimmen”, sagt Kai Purnhagen, Professor für Lebensmittelrecht an der Universität Bayreuth. “Dieser Konflikt müsste dann aufgelöst werden.”
Konkret bedeutet das: Die EU müsste die anderen Vertragsländer davon überzeugen, die Konvention entsprechend abzuändern – ein langwieriges Unterfangen. In der Zwischenzeit hätte die EU-rechtliche Regelung nach Einschätzung des Experten aber voraussichtlich Vorrang, das Patentverbot wäre also erst einmal gültig.
Derweil dürfte das positive Votum in dem Parlamentsausschuss den Druck auf die belgische EU-Ratspräsidentschaft erhöhen, einen Kompromiss unter den Mitgliedstaaten zu erreichen. Nachdem der Versuch einer Einigung unter den EU-Agrarministern im Dezember gescheitert war, versuchen die Belgier aktuell auf Arbeitsebene, zusätzliche Mitgliedstaaten zu überzeugen. Fortschritte gab es dem Vernehmen nach bisher nicht. Zusätzlich müssen sich Parlament und Mitgliedstaaten auch noch untereinander einigen.
Trotzdem hofft die Ratspräsidentschaft noch auf einen Abschluss des Dossiers vor der Europawahl. Hierzu müssen eigentlich die Verhandlungen zwischen Rat und Parlament bis 9. Februar abgeschlossen sein. Eine Fristverlängerung bis März ist aber möglich – und wäre in der Praxis wohl die einzige Chance auf eine Verabschiedung noch in dieser Legislaturperiode. jd
Den Rückgang der Forschung zum Strahlenschutz jenseits der Ressortforschung soll das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) vermehrt durch eigene Forschungsaktivitäten kompensieren. Das empfiehlt der Wissenschaftsrat in seiner in dieser Woche veröffentlichten Stellungnahme zum BfS. Er begrüßt eine bereits verstärkte Förderung von Promovierenden am BfS. Ferner solle man noch intensiver mit Hochschulen und anderen Einrichtungen zusammenarbeiten. Insgesamt werden dem BfS gute Forschungs- und Transferleistungen bescheinigt.
BfS-Präsidentin Inge Paulini freut sich über die positive Bewertung: Das Urteil des Wissenschaftsrates bestärke das BfS darin, “die Strahlenschutz-Forschung auf hohem Niveau weiter auszubauen und uns noch stärker zu vernetzen”. Auf Anfrage von Table.Media verweist sie auf die Bedeutung des Strahlenschutzes – auch für die Medizin. In vielen Zukunftsbereichen der Medizin spiele der Strahlenschutz für den Patientenschutz eine wichtige Rolle, “insbesondere bei Innovationen etwa in der Strahlen- oder Nukleartherapie.”
Erstmals bezog der Wissenschaftsrat explizit die wissenschaftsbasierte Politikberatung sowie die Risiko- und Krisenkommunikation des BfS in die Begutachtung ein. Dabei bewertete man nicht nur den Beitrag zum radiologischen Notfallschutz vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine positiv. Auch die “sehr guten Kommunikationsleistungen” des Kompetenzzentrums Elektromagnetische Felder wurden hervorgehoben. mw
Deutschlandfunk. Wasserstoff aus Australien könnte deutsche Energieversorgung sichern. Robert Schlögl ist nicht nur Präsident der Humboldt-Stiftung, sondern mit 67 Jahren Chemiker im Unruhestand. In dieser Rolle hat er die Projektleitung des vom BMBF finanzierten Wasserstoff-Projekts HySupply übernommen, einer deutsch-australischen Machbarkeitsstudie. Die kam jetzt zum Abschluss und zum Ergebnis, dass es sich – trotz der großen Entfernung – für Deutschland lohnt, für eine klimaschonende Energieversorgung auf Wasserstoff aus Down Under zu setzen. Durch den Überschuss an Energie in Australien und den relativ kosteneffizienten Transport von Wasserstoffderivaten, wäre dies ökonomisch und ökologisch durchaus sinnvoll. Mehr
Neue Zürcher Zeitung. Elon Musk hat einem Menschen ein Hirnimplantat eingesetzt. Das ist bahnbrechend – aber anders, als wir denken. In ihrem Kommentar ordnet Evelyn Geiser die neuesten Sensations-News aus dem Hause Musk als das ein, was sie sind: geschicktes Visionsmarketing. Sie nennt Beispiele anderer Medizintechnikforscher, die ähnlich weit oder sogar weiter sind als Neuralink und weist auf die Intransparenz hin, mit der die Musk-Firma ihr Projekt vorantreibt. Trotzdem: Die Forschung an Hirn-Computer-Schnittstellen hat das Potenzial, in den nächsten Jahren die Medizin zu revolutionieren. Musk hat dazu – mal wieder – den kommunikativen Startschuss gesetzt. Mehr
Tagesspiegel. Unis im Exzellenzwettbewerb: Ist der Dauerkampf um Geld und Prestige noch zeitgemäß? Kurz vor den Entscheidungen über Gewinner und Verlierer im Exzellenzwettbewerb der Hochschulen schüttet Politikwissenschaftlerin Dagmar Simon im Interview mit dem Tagesspiegel Wasser in den Wein: Der Wettbewerb hätte anfänglich zwar für neuen Schwung gesorgt, verliere auf Dauer aber seine Wirkung. Angesichts der vielen Krisen fordert sie, den Fokus auf eine problemorientierte Grundlagenforschung zu richten. Ein “best-of-the-best”-System wie in der amerikanischen Hochschullandschaft sei, auch mit Blick auf die internationale Strahlkraft, durch eine zeitlich begrenzte Förderung ohnehin nicht zu erreichen. Simon sieht das BMBF in der Bringschuld, neue Impulse zu liefern, diese kämen aber “zurzeit nicht”. Mehr
Wirtschaftswoche. Verliert die Ampel die Kontrolle? Nicht nur bei Forschungskooperationen mit China spielt die Exportkontrolle eine zunehmend größere Rolle. Auch bei industriellen Innovationen hat die Bundesregierung Hürden angehoben. Am Beispiel eines Schaums der Firma Evonik, der auch im Bereich der militärischen Luftfahrt eingesetzt wird, wird aber schnell klar, wie kompliziert das ist. Die Technologie zur Produktion des Schaums darf nicht mehr exportiert werden, der Schaum selber allerdings schon. Insgesamt sei der Kurs der Bundesregierung trotz China-Strategie noch unklar, andere Länder wesentlich konsequenter. Eine gemeinsame EU-Position wird angestrebt, von der Wirtschaft aufgrund unterschiedlicher Interessen aber kritisch gesehen. Mehr
Es war eine Überraschung, als Anne Lequy vor ein paar Jahren erklärte, sie werde nach acht erfolgreichen Jahren an der Spitze der Hochschule Magdeburg-Stendal nicht mehr fürs Rektorat kandidieren. Danke, war eine echt gute Zeit mit euch allen, für meine Zukunft schwebt mir aber doch noch etwas anderes als die Hochschulleitung in Magdeburg vor. Wie bringt man so etwas rüber, ohne dass es jemand in den falschen Hals bekommt? Lequy ist das kommunikative Kunststück gelungen. Sie gab das Rektorat 2022 schließlich im Guten ab – und mischt seitdem als einfache Professorin von Magdeburg aus in Europa mit.
Seit rund drei Jahren sitzt die gebürtige Französin jetzt im Führungskreis des europäischen Hochschulverbands EUA (European University Association). Das Gremium ist klein. Nur neun Personen sind darin vertreten, Lequy ist eine von ihnen. Vorgeschlagen von der deutschen Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und gewählt von Hochschulen aus ganz Europa, reicht ihr Mandat bis 2025. Das Besondere daran: Normalerweise speist sich der EUA-Führungskreis aus amtierenden und ehemaligen Uni-Chefs. Wie also macht sich die HAW-Professorin da?
Lequy ist, so viel lässt sich sagen, ein Freigeist: Der HRK zum Beispiel sieht sie sich in ihrer EUA-Arbeit nicht besonders verpflichtet, obwohl sie von ihr nominiert wurde. “Ich fühle mich in meinem Mandat frei von der HRK”, sagt Lequy.
Ob die Teilnehmer der Hochschulrektorenkonferenz bei Lequys Nominierung damals, 2021, mit so viel Eigensinn gerechnet hatten, sei einfach mal dahingestellt. Tatsache ist: Die HRK muss damit leben, dass mit Lequy eine Person am EUA-Tisch sitzt, die nicht nur ihren eigenen Kopf hat. Spätestens seit dem Verzicht auf eine weitere Amtszeit in Magdeburg ist zudem klar: Diese Frau klebt nicht an Ämtern.
“Ein Großteil meines Programms in Magdeburg-Stendal war die Internationalisierung. Sie ist uns gelungen. Eine regionale Hochschule mit einer solchen DNA lässt sich aber nun einmal nicht beliebig weiter internationalisieren”, erklärt Lequy ihren Schritt. Gleichzeitig macht er deutlich, dass Loslassen manchmal nötig sein kann, um Lebenszielen treu zu bleiben: “Der rote Faden in meinem beruflichen Leben ist Internationales.” Irgendwann möchte sie in einem europäischen Umfeld arbeiten. “Bis dahin genieße ich die Zeit als Professorin hier in Magdeburg. Ich bin zurück in der Lehre und erlebe die Arbeit dort als kreativ und regenerierend.”
Magdeburg Mission accomplished, Europe is next? So einfach ist das natürlich nicht. Dafür lebt und arbeitet Lequy viel zu gern in Magdeburg. Wenn die Professur für Fachkommunikation Französisch dort ihr Standbein ist, kann ihre Arbeit im EUA-Board auf europäischer Ebene als Schwungbein gelten.
Doch zurück ins Jahr 2021: Als die HRK Lequy damals für das Mandat nominierte, war das nicht ohne Risiko. So sind eben nicht alle Kandidatinnen gesetzt, die die deutschen Hochschulen ins Rennen schicken. Im Jahr 2019 etwa verfehlte Michael Jäckel, damals noch Uni-Präsident in Trier, die Mehrheit. Seine Wahlschlappe kam einer politischen Klatsche für die HRK und für Deutschland gleich. Dass Lequy die Hürde zwei Jahre später mühelos nehmen würde, war also nicht ausgemacht.
So betrachtet landete die HRK mit Lequy einen Volltreffer. Über 850 Hochschulen in ganz Europa und mehr als 17 Millionen Studierende repräsentiert die EUA. Auf EU-Ebene ist der Verband die Stimme der Hochschulen, die EUA arbeitet aber auch mit den Nationalstaaten und – natürlich direkt mit den Mitgliedshochschulen selbst.
Um die Arbeit zu koordinieren, gibt es mehrere Gremien. Wie im politischen System der Bundesrepublik hat die EUA eine Art Parlament, den sogenannten Council. Dort sind die Mitgliedshochschulen und die nationalen Hochschulrektorenkonferenzen vertreten. Das EUA-Board dagegen besteht aus neun Personen und fungiert gleichsam als Exekutive. Das EUA-Generalsekretariat schließlich dient dem Board als Operative.
Hier also wirkt Lequy – als “ein Rädchen im Getriebe”, wie sie sagt. Das klingt nur vordergründig nach Understatement: “Es braucht viele Rädchen, um etwas zu bewegen.” Die EUA vertrete viele Hochschulen. Manche von ihren Mitgliedshochschulen seien spitze in der Forschung, andere konzentrieren sich auf die Lehre. “Wir sind nicht nur Elite, wir sind auch Durchschnitt. Wir sind divers und trotzdem haben wir alle ein Ziel vor Augen: besser werden durch mehr Autonomie.”
An dieser Stelle gibt es auch in Europa immer wieder manches zu tun. Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine setzte die EUA die Mitgliedschaft russischer Hochschulen aus. Ungarns Hochschulen sind im Autonomie-Monitoring der EUA nicht mehr vertreten. Für Autonomie, Wissenschaftsfreiheit und Mitsprache tritt der Verband mittlerweile nicht mehr nur für seine Mitgliedshochschulen ein. Mit Blick auf die kommenden Europawahlen fordert die EUA einen Gesetzescheck. Geplante Richtlinien und Gesetze sollen dabei vorab auf die Auswirkungen überprüft werden, die sich für Hochschulen, Forschung und Innovation daraus ergeben. Der Vorstoß zeigt: An Selbstbewusstsein fehlt es der EUA nicht.
Das legt auch Lequy an den Tag. So begrüßt und befördert sie zum Beispiel die geplante Reform der Forschungsbewertung in Europa, die die Hochschulrektorenkonferenz explizit ablehnt. Während die HKR in der Reform eine verdeckte Abkehr von der Bestenauslese wittert, hält Lequy die Reform für dringend geboten. Solch einen Dissens muss man aushalten können. Dass Lequy und der HRK das gelingt, ist beachtlich und zeigt: Die Kommunikation zwischen der Magdeburger Professorin und der Bonner HRK-Zentrale läuft. Christine Prußky
Steve Albrecht vom Helmholtz-Zentrum Berlin, Peter Haase vom Senckenberg Forschungsinstitut und Stefan Mecking von der Universität Konstanz wurden von der BBAW als deutsche Kandidaten für die globale Endrunde des mit einer Million Schweizer Franken dotierten Frontiers Planet Prize 2024 nominiert. Der Preis würdigt wissenschaftliche Durchbrüche, die zur Stabilisierung des Ökosystems des Planeten beitragen.
Magdalena Götz und Klaus-Robert Müller erhalten den mit jeweils 150.000 Euro dotierten Hector Wissenschaftspreis der Weinheimer Hector Stiftung. Götz lehrt als Professorin an der LMU München und ist als Direktorin am Institut für Stammzellenforschung am Helmholtz Zentrum München tätig. Müller ist Professor für maschinelles Lernen an der TU Berlin und Co-Direktor am Berlin Institute for the Foundations of Learning and Data (BIFOLD).
Anja Feldmann, Direktorin am Saarbrücker Max-Planck-Institut für Informatik und Professorin der Universität des Saarlandes, wurde von der Association for Computing Machinery (ACM), zum ACM Fellow ernannt. Mit dem Fellow-Status ehrt die ACM das eine Prozent seiner Mitglieder, das die herausragendsten Leistungen in der Computer- und Informationstechnologie erbracht oder sich in besonderer Weise um die Informatik-Gemeinschaft verdient gemacht hat.
Isabell Otto wird Prorektorin für Diversität und Karriereentwicklung an der Universität Konstanz. Dirk Leuffen wird dort künftig als Prorektor für Forschung, Forschungsinfrastrukturen und Transfer zuständig sein. Rüdiger Wilhelmi wird Prorektor für Lehre und Christine Peter wurde in ihrem Amt als Prorektorin für Nachhaltigkeit, Information und Kommunikation (CIO) bestätigt.
Ansgar Thiel wird Rektor der Deutschen Sporthochschule Köln. Er übernimmt das Amt von Heiko Strüder, der nach 10 Jahren als Rektor nicht mehr für eine Wiederwahl kandidiert hatte. Thiel ist zurzeit hauptamtlicher Dekan der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Tübingen.
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China.Table.Wissenschaftler Moritz Rudolf: “China will die globale Ordnung umgestalten”. China geht international in die Offensive – mit wohlklingenden Initiativen. Dahinter stecken knallharte Interessen, warnt Moritz Rudolf im Gespräch. Wie China die UNO unterwandert – und wie Deutschland reagieren sollte. Mehr
ESG.Table. Kraftwerksstrategie: Spahn fordert Speicherung von Kohlendioxid für die Stromerzeugung. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union fordert, neue Gaskraftwerke zu bauen – später solle Technik zur CO₂-Abscheidung nachgerüstet werden. Bislang hat die Union auf Wasserstoff umrüstbare Gaskraftwerke favorisiert. Mehr
Mit Gehirnchips Roboterarme oder andere Dinge steuern – das war einzelnen Patienten schon mehrfach möglich. Mit viel Geld will Tech-Milliardär Elon Musk ein solches System nun zur Marktreife drücken. Die Medizintechnik-Firma Neuralink hat ihr Gehirn-Implantat zum ersten Mal einem Menschen eingesetzt. Der Patient erhole sich nach dem Eingriff am Sonntag gut, schrieb der Tech-Milliardär am Montag auf seiner Online-Plattform X. Das Implantat von Neuralink soll es ermöglichen, durch Gedanken ein Smartphone zu bedienen – und darüber auch andere Technik. Auch weitere Unternehmen und Forscher arbeiten an solchen Verfahren.
Experten sehen Musks Coup gelassen bis skeptisch: Bisher fehlten noch sehr viele Informationen zu dem Fall, sagte der Neurotechnologe Rüdiger Rupp vom Universitätsklinikum Heidelberg. Unklar sei etwa, wie viele Drähte implantiert worden seien und ob der Versuch auf eine bestimmte Frist oder dauerhaft ausgelegt sei. Dass neuronale Aktivität abgeleitet werden konnte, bedeute erst einmal wenig. “Das heißt noch keine Kontrolle eines Smartphones.”
Die Technik an sich stelle keine Revolution dar, sagte der Neuroinformatiker Moritz Grosse-Wentrup von der Universität Wien. Schon seit knapp zwei Jahrzehnten würden von einzelnen Patienten Roboterarme über Implantate gesteuert. “Die Technologie ist im Prinzip schon da, aber mit Neuralink ist es nun auch möglich, mit viel Geld und vielen Mitarbeitern die unzähligen kleinen Probleme bis zur Marktreife zu lösen.” Wirklich beurteilen werde man Neuralink darum erst in einigen Jahren können, sagte Grosse-Wentrup. Mit ersten Zulassungen sei gegebenenfalls erst in etwa einem Jahrzehnt zu rechnen. Genügend Zeit also, um zu überlegen, ob man zum Cyborg werden will oder nicht. dpa
beinah wäre es am Drängen Volker Wissings gescheitert, der empfohlen hatte, sich bei der Abstimmung lieber zu enthalten. Doch der Digitalminister konnte umgestimmt werden. Am morgigen Freitag entscheiden die EU-Mitgliedsstaaten über den AI Act – es wäre das erste KI-Gesetz der westlichen Welt. Es soll Rechtssicherheit und Planbarkeit für die Wirtschaft bringen und die Grundrechte der Menschen beschützen.
Was jetzt in Sachen KI-Gesetz wichtig wird, hat unsere Autorin Lilo Berg unter anderem Philipp Hacker gefragt. Der Professor für Recht und Ethik der digitalen Gesellschaft an der Europa-Universität Viadrina empfiehlt jetzt jeder Organisation, “umgehend mit der Vorbereitung zu beginnen und sich auf die neuen Regeln einzustellen”.
Ein erstes Ende fand am Dienstagabend das Ringen um den BMBF-Haushalt. Dieser wurde in zweiter Beratung gebilligt. Dabei hatte der Haushaltsausschuss die Globale Minderausgabe, die das Ministerium erwirtschaften muss, von 499,28 Millionen Euro auf 699,28 Millionen Euro erhöht. Bettina Stark-Watzinger (FDP) nannte die Aufstellung herausfordernd.
Kerstin Radomski (CDU/CSU) kritisierte die Sparpraxis. Über dem Haushalt schwebe die Globale Minderausgabe, erklärte sie. Mit den Einsparungen von vier Prozent sei das BMBF Spitzenreiter aller Ressorts. “Dies sei aber kein echtes Sparen, sondern echte Intransparenz.”
Für ein paar Minuten waren am gestrigen Mittwochabend keine harten politischen Wortwechsel zu hören. Table.Media hatte zum Neujahrsempfang eingeladen. Wie man es so macht, wenn man eine gute Party möchte: Man lädt viele Gäste ein – denn ein paar können dann leider doch nicht kommen. Gestern Abend sind sie alle gekommen. Es war sehr, sehr voll und heiter – und wir einfach nur beglückt über so viel starkes Interesse.
Ich wünsche Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre,
Die Europäische Kommission schlägt vor, im 10. Rahmenprogramm (RP10) die Finanzierung von Technologien mit zivilen und militärischen Anwendungen zu ermöglichen, um die strategische Autonomie der EU zu stärken. Dies ist eine der drei Möglichkeiten zur Förderung der Dual Use-Forschung, die in einem letzte Woche veröffentlichten Papier aufgeführt werden, zu dem die Kommission bis zum 30. April eine öffentliche Konsultation durchführt.
Die vorgeschlagene Reform sieht vor, den ausschließlichen Fokus auf zivile Anwendungen in “ausgewählten Teilen” des 2028 in Kraft tretenden Nachfolgeprogramms von Horizont Europa zu streichen. Derzeit sind Projekte, an denen die Rüstungsindustrie beteiligt oder in denen Dual-Use-Technologien involviert sind, zwar im Rahmen von Horizont Europa förderfähig, aber nur, wenn die Forschung ausschließlich für zivile Anwendungen bestimmt ist.
Die Kommission setzt sich für mehr Dual-Use-Forschung ein und hofft, dass die von ihr vorgelegten Vorschläge zu mehr Synergien zwischen Zivil- und Verteidigungssektor führen. Dies soll der europäischen Industrie zugutekommen und der EU helfen, sich an ein zunehmend angespanntes geopolitisches Klima anzupassen.
Viele moderne Technologien, die als entscheidend für die Sicherheit und den wirtschaftlichen Wohlstand Europas angesehen werden, sind potenziell sowohl zivil als auch militärisch nutzbar, unter anderem in den Bereichen Digitaltechnik, Energie, Mobilität und Raumfahrt. Beispiele hierfür sind Drohnen, GPS-Daten und Wärmebildtechnik.
Auf der Europäischen Raumfahrtkonferenz in Brüssel am vergangenen Dienstag erklärte der belgische Minister für Wissenschaftspolitik, Thomas Dermine, dass die belgische EU-Ratspräsidentschaft die Öffnung der Finanzierung für mehr Dual-Use-Forschung im Bereich der Raumfahrt unterstützen werde: “Es gibt nichts, was mehr wie ein militärischer Satellit aussieht als ein ziviler Satellit”, sagte er.
“In Belgien verwenden wir bereits militärische Mittel zur Finanzierung von Dual-Use-Technologie im Rahmen der Europäischen Weltraumorganisation, und wir sehen, dass es funktionieren kann und einen Mehrwert bringt – sowohl für den Minister, der das Budget für die ESA verteidigen muss, als auch für das Verteidigungsministerium.”
Die Vorschläge dürften in der europäischen Forschungsgemeinschaft, die auf Klarheit über die Auswirkungen dieser Vorschläge auf ihre Arbeit wartet, hitzige Debatten auslösen. Die Präsidentin des Europäischen Forschungsrats (ERC), Maria Leptin, sagte, der wissenschaftliche Rat des ERC werde die Auswirkungen der Vorschläge erörtern, sobald sie konkreter seien.
“Das Grundprinzip des ERC besteht darin, dass wir Projekte ausschließlich nach dem Bottom-up-Prinzip auswählen, mit wissenschaftlicher Exzellenz als einzigem Bewertungskriterium. Wir würden nicht wollen, dass sich unser Auftrag in irgendeiner Weise ändert”, sagte sie.
“Viele Universitäten würden es vorziehen, militärische und zivile Forschung getrennt zu halten”, sagte Claire Gray, Senior Policy Officer bei der League of European Research Universities (LERU). Die Streichung der “Nur-Zivil”-Klausel “spiegelt jedoch eine neue Realität wider”, die in der Dual-Use-Forschung allgegenwärtig ist. “Fast jede Forschung kann auf irgendeine Art für duale Zwecke genutzt werden, auch die sozial- und geisteswissenschaftliche Forschung”, sagte sie.
“Nach Ansicht der LERU sollte das Rahmenprogramm nicht offen militärische Forschung an sich fördern, aber wir sollten auch nicht zu vorsichtig sein, wenn es um einen Forschungsbereich geht, nur weil er Dual-Use Potenzial hat.”
Die LERU fordert Sicherheitsmechanismen, wie beispielsweise einen Rahmen für die ethische Bewertung des Risikos eines militärischen Missbrauchs, und fordert, dass die Forscher “die Möglichkeit behalten, militärische Anwendungen ihrer Forschung so weit wie möglich zu verhindern”.
Natürlich müssen jegliche Vorschläge der Kommission zur Ausweitung des RP10 auf Dual-Use-Forschung von den Mitgliedstaaten angenommen werden. Bei der Konzeption des aktuellen Programms, Horizont Europa, schlug die Kommission ursprünglich vor, bestimmte Dual-Use-Projekte zuzulassen. Dies wurde jedoch von den Mitgliedstaaten und den EU-Abgeordneten damals abgelehnt. Sie wollten ein ausschließlich ziviles Programm.
Sollte das 10. RP für Dual-Use-Forschung offen sein, könnte sich dies derweil auf die Beteiligung von Drittländern auswirken, darunter auch von Forschern aus Ländern, die mit Horizont Europa assoziiert sind. Die EU-Länder haben die Möglichkeit, assoziierte Länder wie das Vereinigte Königreich, Kanada oder Neuseeland von heiklen Ausschreibungen auszuschließen, und die Einbeziehung von Dual-Use-Projekten könnte die Zahl der Ausschlüsse erhöhen. “Die assoziierten Länder sind bereits nervös wegen der Anzahl der Verfahren, bei denen sie von der Teilnahme ausgeschlossen sind”, sagte Gray.
Jamie Arrowsmith, Direktor von Universities UK International, sagte, es sei noch zu früh, um zu beurteilen, wie sich dies auf das Vereinigte Königreich auswirken könnte, aber dass “alles, was den Zugang zu strategisch wichtigen Teilen des Programms einschränkt, sich auf das Wertangebot für jede künftige Regierung auswirken würde”.
In der Mitteilung der Kommission an das Parlament und den Rat über das Paket wird jedoch versprochen, “den Dialog über wirtschaftliche Sicherheitsbelange mit Drittländern, die mit Horizont Europa assoziiert sind, wie dem Vereinigten Königreich, Kanada oder Neuseeland, zu verstärken”.
Außerdem besteht die Verpflichtung, die Ergebnisse des Rahmenprogramms zu verwerten. Laut Gray könnte die Abschaffung des rein zivilen Fokus ein Problem für Universitäten darstellen, die Klauseln bezüglich der Ausübung friedlicher Forschung haben, oder für neutrale Länder wie die Schweiz.
In Deutschland haben mehr als 70 der 423 öffentlich finanzierten Hochschulen eine Zivilklausel, die sie verpflichtet, Forschung ausschließlich zu friedlichen Zwecken durchzuführen, und dies werde voraussichtlich eine Rolle in der bevorstehenden Debatte spielen, so ein Sprecher der Hochschulrektorenkonferenz.
Diese Universitäten sollten weiterhin die Möglichkeit haben, an einem Rahmenprogramm teilzunehmen, das Dual-Use-Forschung ermöglicht. “Es ist jedoch wahrscheinlich, dass die Umsetzung eines solchen Programms große kontroverse Diskussionen in der wissenschaftlichen Gemeinschaft auslösen wird.” Von Martin Greenacre und David Matthews
Dieser Beitrag ist eine übersetzte Version eines Artikels von Science|Business. Mit einem Redaktionsteam, das in Brüssel und in der gesamten EU arbeitet, ist Science|Business Europas wichtigste englischsprachige Quelle für fundierte Berichterstattung über Forschungs- und Innovationspolitik.
Wie steht es um die China-Kompetenz in Deutschland?
Die Dringlichkeit, Chinas Handeln hierzulande besser zu verstehen, hat zugenommen. Wir bauen dennoch nur zögerlich China-Expertise auf. Das Interesse an einem Studium mit China-Bezug ist derzeit vergleichsweise gering, und auch die Euphorie, als Manager nach China zu gehen, hat abgenommen. Ohne einen vertieften Zugang zu China ist es jedoch schwierig, das relevante Wissen zu erlangen. Vereinfacht gesagt: Es gibt in Deutschland mehr Aufmerksamkeit für China, aber nicht in gleichem Maße mehr Expertise.
Welche Konsequenzen drohen?
Ohne ein Verständnis für die Steuerungsmechanismen und Strategien Chinas ist es für deutsche Politiker und Unternehmer schwierig, fundierte Entscheidungen zu treffen. Die Gestaltung und Umsetzung der chinesischen Wirtschaftspolitik ist sehr spezifisch. Umso wichtiger ist es, diese Besonderheiten zu verstehen. China ist ein bedeutender Handelspartner, technologischer Wettbewerber und geoökonomischer Rivale, der größtmögliche Aufmerksamkeit verdient.
Mit der Professur für Empirische Innovationsforschung mit Schwerpunkt China an der Goethe-Universität in Frankfurt wollen Sie die wirtschaftswissenschaftliche China-Expertise in Deutschland auf Basis evidenzbasierter Forschung stärken. Was heißt das?
Wir verfolgen einen in Deutschland bislang noch seltenen Ansatz: China-Forschung aus der Wirtschaftswissenschaft heraus, nicht aus der Sinologie oder den Regionalwissenschaften. Die Goethe-Universität bietet mit dem Fachbereich Wirtschaftswissenschaften und dem Interdisziplinären Zentrum für Ostasienstudien ein gutes Umfeld. Das kooperierende ZEW in Mannheim ist ergänzend auf Forschung und Politikberatung ausgerichtet.
Wie sieht dieser Ansatz konkret aus?
Der Forschungsschwerpunkt liegt auf der Innovations- und globalen Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in China. Wir interessieren uns für die Wirksamkeit der chinesischen Industriepolitik und für ihre Auswirkungen auf den internationalen Technologiewettbewerb. Dies erfordert zum einen die Binnenbetrachtung der chinesischen Wirtschaftsprozesse, zum anderen eine Betrachtung der Außenwirkung, zum Beispiel auf das Innovationsverhalten deutscher Unternehmen.
Wie funktioniert das in der Praxis?
Der Ansatz basiert auf der Nutzung großer Datensätze. So werden beispielsweise Patentschriften quantifiziert, mit Unternehmensmerkmalen kombiniert und empirisch analysiert. Auch in der quantitativen Forschung ist es notwendig, chinesische Texte lesen zu können, um die Prozesse der Datengenerierung in China verstehen und institutionell einordnen zu können. Beispiele dafür: Subventionen führen in China zu einer Patentinflation und die Zweckentfremdung von Fördermitteln zu einer reduzierten Effektivität der Innovationspolitik. Solche spezifischen Phänomene müssen inhaltlich erkannt und methodisch adäquat berücksichtigt werden.
Wo liegt der Erkenntnisgewinn?
Dabei geht es vor allem um die Frage, ob die chinesische Regierung das Wirtschaftswachstum fördert oder ob ihr Einfluss verzerrend wirkt. Die Analyse ist ein fortlaufender Prozess, weil sich die nationalen und internationalen Rahmenbedingungen und somit auch das öffentliche Interesse ständig ändern. Früher war es Stahl, dann Solar- und Windenergie, heute sind es KI, Elektromobilität und Überwachungstechnologien. Mit einer aktuellen Analyse der Technologie-Souveränität Chinas im Vergleich zu Europa und den USA setzen wir ein erstes Schlaglicht: Wie ist die Verflechtung, wer ist souveräner, und variiert dies je nach Technologie?
Die Rückkopplung chinesischer Politik auf unsere eigene Wirtschaft wird seit Jahrzehnten thematisiert. Weshalb hat es bis 2024 gedauert, bis sich eine deutsche Universität diesen Zusammenhängen konkret annimmt?
In Deutschland wurde China als Forschungsgegenstand lange Zeit nur in der Sinologie oder in den Regionalwissenschaften verortet. Die Wirtschaftswissenschaften in Deutschland sind vergleichsweise konservativ aufgestellt. Eine Professur mit China-Schwerpunkt ist sehr speziell. Man fragt sich eventuell: Ist das in fünf Jahren noch relevant? Bei knappen Budgets scheuen sich die Entscheidungsträger in der Wissenschaft daher, Nägel mit Köpfen zu machen.
Weil sie glauben, dass China in fünf Jahren seine wirtschaftliche Relevanz verloren hat?
Diese Argumentation ist zumindest zu hören, wenn es um die langfristige Finanzierung geht. Hinzu kommt eine generelle Unsicherheit im Umgang mit China, wie sie aktuell wieder vom DAAD thematisiert wird. Es gibt durchaus Wirtschaftswissenschaftler in Deutschland, die über China publizieren. Aber eine Universitätsprofessur, die China systematisch als Forschungsschwerpunkt aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive aufgreift, ist eher selten. Das hat bislang dazu geführt, dass Länder wie die USA uns deutlich voraus sind und die wirtschaftswissenschaftliche China-Expertise in Deutschland ausbaufähig ist.
Sie wollen mit chinesischen Partnern zusammenarbeiten. Birgt das die Gefahr, dass Sie ungewollt Informationen im Interesse der chinesischen Regierung verbreiten?
Unser Ziel ist reziproker Erkenntnisgewinn. Es gibt konkurrierende Narrative über das wirtschaftliche und technologische Entwicklungspotenzial Chinas. Unsere Basis ist die empirische Forschung. Sie liefert einen objektiven, evidenzbasierten Beitrag, der im Zweifelsfall auch bestehende Narrative korrigiert.
Wie wollen Sie die Kooperation mit chinesischen Forschern organisieren?
Durch Einbindung, aber ohne einseitige Abhängigkeit von chinesischen Partnern. Wir untersuchen Prozesse und wollen diese Informationen sowohl der Wissenschaft als auch politischen Entscheidungsträgern zur Verfügung stellen. In der Regel arbeiten wir mit Co-Autoren zusammen, die vor allem institutionelle Expertise und Datenzugang einbringen. Im Gegensatz zu nationalen Publikationen bieten internationale Publikationen den chinesischen Kollegen auch mehr Freiheitsgrade bei der Themenwahl. Während der wirtschaftswissenschaftliche Diskurs in China zunehmend politisch geprägt ist und vor allem positive Aspekte betont, zeigen unsere Studien regelmäßig auch Optimierungspotenziale auf.
Philipp Böing, 41, ist Senior Researcher am ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim. Er hat als Assistant Professor an der Peking Universität gelehrt und unter anderem die Weltbank und die deutsche Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) beraten. Am 1. Februar 2024 wird er die Professur für Empirische Innovationsforschung mit Schwerpunkt China an der Goethe-Universität in Frankfurt/Main besetzen, bleibt aber weiterhin ZEW-Forscher.
Grünes Licht aus Brüssel vorausgesetzt, tritt mit dem EU AI Act das erste KI-Gesetz der westlichen Welt in Kraft. Es bringt Rechtssicherheit und Planbarkeit für die Wirtschaft und schützt Grundrechte von Bürgerinnen und Bürgern. Dieser Konsens eint viele Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft, die die Bundesregierung in den vergangenen Wochen zur Zustimmung im EU-Rat drängten. Angesichts der im Juni anstehenden Wahlen zum Europaparlament sei es wichtig, das Gesetz jetzt zu beschließen, um es nicht komplett aufs Spiel zu setzen. Sollte das Projekt scheitern, schade das nicht nur dem Image Europas, auch die Wirtschaft falle noch weiter hinter USA und China zurück.
Eigentlich war das KI-Gesetz schon am 9. Dezember beschlossene Sache. Nach jahrelangen Verhandlungen hatten sich die EU-Entscheidungsgremien auf ein rund 250 Seiten umfassendes Dokument geeinigt. Daraufhin meldeten mehrere Mitgliedsstaaten Änderungswünsche an, die sich vor allem auf die biometrische Überwachung durch KI und Hürden für Unternehmen im eigenen Land bezogen. In Deutschland drängte Digitalminister Volker Wissing (FDP) seine Ministerkollegen, sich bei der Abstimmung zu enthalten. Das hätte möglicherweise zum Scheitern des AI Acts geführt. Wissing konnte umgestimmt werden, seit Dienstag ist das deutsche “Ja” gewiss.
Läuft am Freitag im Rat der EU alles glatt und stimmt dann auch das Parlament noch zu, wird der AI Act im Mai oder Juni in Kraft treten. Das bedeutet erst einmal viel Arbeit für Behörden und Verwaltungen. Schließlich müssen die neuen KI-Regeln mit bereits geltenden nationalen und europäischen Rechtsvorschriften in Einklang gebracht werden, etwa in den Bereichen Medizinprodukte oder Kreditwesen. Kleine und mittlere Unternehmen der KI-Wirtschaft müssen sich auf zusätzliche Kosten einstellen, die bei der Anpassung ihrer Produkte an die neuen Regeln entstehen. Je nach Risikoklasse der KI-Anwendung sieht der AI Act Übergangsfristen von sechs bis 36 Monaten für die Angleichung vor. Die Regeln für Basismodelle wie ChatGPT würden demnach schon von Mitte 2025 an gelten.
“Ich empfehle Organisationen jedweder Art, umgehend mit der Vorbereitung zu beginnen und sich auf die neuen Regeln einzustellen”, sagt Philipp Hacker, Professor für Recht und Ethik der digitalen Gesellschaft an der Europa-Universität Viadrina. Hacker ist Erstunterzeichner eines offenen Briefs an die Bundesregierung, in dem führende Köpfe aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft für die Zustimmung zum KI-Gesetz plädieren. Man sehe durchaus Verbesserungsbedarf, heißt es in dem Appell, doch dieser lasse sich auch im Rahmen der Umsetzung und durch nationale Gesetzgebung angehen. Insbesondere bei der Ausarbeitung von technischen Standards und beim Aufbau von Aufsichtsstrukturen, möglichst auf europäischer Ebene, müssten wirtschaftliche und zivilgesellschaftliche Stimmen Gehör finden.
Philipp Hacker hat eine eigene Stellungnahme zur finalen Version des AI Acts verfasst. Er zeigt Schwachstellen auf, benennt aber auch Vorzüge des Gesetzes, das zum Beispiel Mindeststandards für die biometrische Fernüberwachung definiert. Für die Zukunft sei es dringend erforderlich, KI-Anwendungen nicht bloß als Risiko zu begreifen, sondern primär als Chance zu sehen, ob in Medizin, Bildung oder Arbeitswelt. In einer globalisierten Welt könne der EU AI Act nur ein erster Schritt sein, heißt es in dem Papier – perspektivisch sei ein internationales Regelwerk erforderlich. Es würde idealerweise auch für Länder gelten, die sich heute gern als Safe Harbors darstellen, um mit viel Kapital und wenig Vorschriften von überallher die besten KI-Köpfe anzulocken.
15.-17. Februar 2024, Denver und online
Tagung AAAS Annual Meeting – Toward Science Without Walls Mehr
19. Februar 2024, 12 bis 13 Uhr, online
Leibniz-Wirtschaftsgipfel Wie krank ist die deutsche Wirtschaft – und was muss passieren, damit sie sich erholt? Mehr
21. Februar, 9.30 bis 12.55 Uhr, Berlin, Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, Sitzungssaal 3.101
Ausschusssitzung Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung / Öffentliche Anhörung zum Thema “Internationalisierung von Wissenschaft und Hochschulbildung” Mehr
26./27. Februar 2024, jeweils von 09.30 bis 13.00 Uhr, online
Online-Forum (€) CHE Online-Forum zu Folgen sinkender Erstsemesterzahlen Mehr
8. März 2024, 10:00 Uhr, Frankfurt am Main und online
Diskussion Wissenschaftsjahr Freiheit: Diskussion u.a. mit Bettina Stark-Watzinger, Alena Buyx und Antje Boetius Mehr
25. März 2024, 17:30 Uhr, Konzerthaus Berlin
74. DHV-Tag: Festveranstaltung Gala der deutschen Wissenschaft Mehr
26. März 2024, 9:00 Uhr, Hotel Hilton, Berlin
74. DHV-Tag: Vortrags- und Diskussionsveranstaltung Einheit in Vielfalt: Wie organisiert sich die Wissenschaft? Mehr
Der Bundesverband Deutscher Stiftungen und mit ihm einige der größten Wissenschaftsstiftungen ziehen sich von der Plattform X zurück. Die VolkswagenStiftung, die Stiftung Mercator, die Zeit Stiftung Bucerius und die Robert Bosch Stiftung betrachten das Wertesystem bei der Plattform X seit der Übernahme durch Elon Musk als “kollabiert”. Die Verbreitung von Hate Speech und Falschinformation, extremistischer Propaganda und Hetze gegen Minderheiten sei nicht mehr tolerierbar, teilte der Bundesverband am Dienstag mit.
Mit dieser konzertierten Aktion wolle man andere Stiftungen motivieren, diesem Beispiel zu folgen. Die Plattform X sei eine Bedrohung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die demokratische Ordnung. Man möchte nun Regeln und Konzepte entwickeln, um die Dominanz einzelner Plattformen in Zukunft zu begrenzen. mw
Die Abgeordneten des EU-Umweltausschusses (ENVI) haben vergangene Woche dafür gestimmt, den europäischen Rechtsrahmen zu neuen Züchtungstechniken zu liberalisieren. Der Text des Ausschusses bleibt in Kernpunkten nah am ursprünglichen Vorschlag der Europäischen Kommission: Für gentechnisch veränderte Pflanzen, die so auch durch konventionelle Züchtung hätten entstehen können (genannt Kategorie 1), sollen lockerere Regeln als bisher gelten. Die Abstimmung ist ein Erfolg für die Europäische Volkspartei (EVP) und große Teile der Liberalen (Renew), die sich für die Lockerung des EU-Gentechnikrechts einsetzen. Zu erwarten ist, dass auch das Parlamentsplenum bei seiner nächsten Sitzung Anfang Februar grünes Licht für den Text gibt. Eine Einigung der EU-Mitgliedstaaten steht aber noch aus.
Die größte Änderung im Vergleich zum Kommissionsvorschlag ist eine neue Klausel, die festschreibt: Gentechnisch veränderte Pflanzen und Pflanzenmaterial sowie deren genetische Informationen und Verfahrensmerkmale “sind nicht patentierbar”. Die EU-Kommission hatte die Frage der Patentierbarkeit von gentechnisch veränderten Pflanzen und Saatgut weitgehend offengelassen und wollte lediglich nach Inkrafttreten die Auswirkungen möglicher Patente auf den Saatgutmarkt beobachten.
Aus Sicht von Experten würde die EU jedoch gegen internationales Recht verstoßen, sollte es die Klausel des Umweltausschusses in den finalen Text schaffen. Denn sie steht im Widerspruch zum Europäischen Patentübereinkommen, einem völkerrechtlichen Vertrag, dem neben der EU noch viele weitere Länder angehören. “Die unionsrechtliche Regelung würde mit internationalem Recht nicht mehr übereinstimmen”, sagt Kai Purnhagen, Professor für Lebensmittelrecht an der Universität Bayreuth. “Dieser Konflikt müsste dann aufgelöst werden.”
Konkret bedeutet das: Die EU müsste die anderen Vertragsländer davon überzeugen, die Konvention entsprechend abzuändern – ein langwieriges Unterfangen. In der Zwischenzeit hätte die EU-rechtliche Regelung nach Einschätzung des Experten aber voraussichtlich Vorrang, das Patentverbot wäre also erst einmal gültig.
Derweil dürfte das positive Votum in dem Parlamentsausschuss den Druck auf die belgische EU-Ratspräsidentschaft erhöhen, einen Kompromiss unter den Mitgliedstaaten zu erreichen. Nachdem der Versuch einer Einigung unter den EU-Agrarministern im Dezember gescheitert war, versuchen die Belgier aktuell auf Arbeitsebene, zusätzliche Mitgliedstaaten zu überzeugen. Fortschritte gab es dem Vernehmen nach bisher nicht. Zusätzlich müssen sich Parlament und Mitgliedstaaten auch noch untereinander einigen.
Trotzdem hofft die Ratspräsidentschaft noch auf einen Abschluss des Dossiers vor der Europawahl. Hierzu müssen eigentlich die Verhandlungen zwischen Rat und Parlament bis 9. Februar abgeschlossen sein. Eine Fristverlängerung bis März ist aber möglich – und wäre in der Praxis wohl die einzige Chance auf eine Verabschiedung noch in dieser Legislaturperiode. jd
Den Rückgang der Forschung zum Strahlenschutz jenseits der Ressortforschung soll das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) vermehrt durch eigene Forschungsaktivitäten kompensieren. Das empfiehlt der Wissenschaftsrat in seiner in dieser Woche veröffentlichten Stellungnahme zum BfS. Er begrüßt eine bereits verstärkte Förderung von Promovierenden am BfS. Ferner solle man noch intensiver mit Hochschulen und anderen Einrichtungen zusammenarbeiten. Insgesamt werden dem BfS gute Forschungs- und Transferleistungen bescheinigt.
BfS-Präsidentin Inge Paulini freut sich über die positive Bewertung: Das Urteil des Wissenschaftsrates bestärke das BfS darin, “die Strahlenschutz-Forschung auf hohem Niveau weiter auszubauen und uns noch stärker zu vernetzen”. Auf Anfrage von Table.Media verweist sie auf die Bedeutung des Strahlenschutzes – auch für die Medizin. In vielen Zukunftsbereichen der Medizin spiele der Strahlenschutz für den Patientenschutz eine wichtige Rolle, “insbesondere bei Innovationen etwa in der Strahlen- oder Nukleartherapie.”
Erstmals bezog der Wissenschaftsrat explizit die wissenschaftsbasierte Politikberatung sowie die Risiko- und Krisenkommunikation des BfS in die Begutachtung ein. Dabei bewertete man nicht nur den Beitrag zum radiologischen Notfallschutz vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine positiv. Auch die “sehr guten Kommunikationsleistungen” des Kompetenzzentrums Elektromagnetische Felder wurden hervorgehoben. mw
Deutschlandfunk. Wasserstoff aus Australien könnte deutsche Energieversorgung sichern. Robert Schlögl ist nicht nur Präsident der Humboldt-Stiftung, sondern mit 67 Jahren Chemiker im Unruhestand. In dieser Rolle hat er die Projektleitung des vom BMBF finanzierten Wasserstoff-Projekts HySupply übernommen, einer deutsch-australischen Machbarkeitsstudie. Die kam jetzt zum Abschluss und zum Ergebnis, dass es sich – trotz der großen Entfernung – für Deutschland lohnt, für eine klimaschonende Energieversorgung auf Wasserstoff aus Down Under zu setzen. Durch den Überschuss an Energie in Australien und den relativ kosteneffizienten Transport von Wasserstoffderivaten, wäre dies ökonomisch und ökologisch durchaus sinnvoll. Mehr
Neue Zürcher Zeitung. Elon Musk hat einem Menschen ein Hirnimplantat eingesetzt. Das ist bahnbrechend – aber anders, als wir denken. In ihrem Kommentar ordnet Evelyn Geiser die neuesten Sensations-News aus dem Hause Musk als das ein, was sie sind: geschicktes Visionsmarketing. Sie nennt Beispiele anderer Medizintechnikforscher, die ähnlich weit oder sogar weiter sind als Neuralink und weist auf die Intransparenz hin, mit der die Musk-Firma ihr Projekt vorantreibt. Trotzdem: Die Forschung an Hirn-Computer-Schnittstellen hat das Potenzial, in den nächsten Jahren die Medizin zu revolutionieren. Musk hat dazu – mal wieder – den kommunikativen Startschuss gesetzt. Mehr
Tagesspiegel. Unis im Exzellenzwettbewerb: Ist der Dauerkampf um Geld und Prestige noch zeitgemäß? Kurz vor den Entscheidungen über Gewinner und Verlierer im Exzellenzwettbewerb der Hochschulen schüttet Politikwissenschaftlerin Dagmar Simon im Interview mit dem Tagesspiegel Wasser in den Wein: Der Wettbewerb hätte anfänglich zwar für neuen Schwung gesorgt, verliere auf Dauer aber seine Wirkung. Angesichts der vielen Krisen fordert sie, den Fokus auf eine problemorientierte Grundlagenforschung zu richten. Ein “best-of-the-best”-System wie in der amerikanischen Hochschullandschaft sei, auch mit Blick auf die internationale Strahlkraft, durch eine zeitlich begrenzte Förderung ohnehin nicht zu erreichen. Simon sieht das BMBF in der Bringschuld, neue Impulse zu liefern, diese kämen aber “zurzeit nicht”. Mehr
Wirtschaftswoche. Verliert die Ampel die Kontrolle? Nicht nur bei Forschungskooperationen mit China spielt die Exportkontrolle eine zunehmend größere Rolle. Auch bei industriellen Innovationen hat die Bundesregierung Hürden angehoben. Am Beispiel eines Schaums der Firma Evonik, der auch im Bereich der militärischen Luftfahrt eingesetzt wird, wird aber schnell klar, wie kompliziert das ist. Die Technologie zur Produktion des Schaums darf nicht mehr exportiert werden, der Schaum selber allerdings schon. Insgesamt sei der Kurs der Bundesregierung trotz China-Strategie noch unklar, andere Länder wesentlich konsequenter. Eine gemeinsame EU-Position wird angestrebt, von der Wirtschaft aufgrund unterschiedlicher Interessen aber kritisch gesehen. Mehr
Es war eine Überraschung, als Anne Lequy vor ein paar Jahren erklärte, sie werde nach acht erfolgreichen Jahren an der Spitze der Hochschule Magdeburg-Stendal nicht mehr fürs Rektorat kandidieren. Danke, war eine echt gute Zeit mit euch allen, für meine Zukunft schwebt mir aber doch noch etwas anderes als die Hochschulleitung in Magdeburg vor. Wie bringt man so etwas rüber, ohne dass es jemand in den falschen Hals bekommt? Lequy ist das kommunikative Kunststück gelungen. Sie gab das Rektorat 2022 schließlich im Guten ab – und mischt seitdem als einfache Professorin von Magdeburg aus in Europa mit.
Seit rund drei Jahren sitzt die gebürtige Französin jetzt im Führungskreis des europäischen Hochschulverbands EUA (European University Association). Das Gremium ist klein. Nur neun Personen sind darin vertreten, Lequy ist eine von ihnen. Vorgeschlagen von der deutschen Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und gewählt von Hochschulen aus ganz Europa, reicht ihr Mandat bis 2025. Das Besondere daran: Normalerweise speist sich der EUA-Führungskreis aus amtierenden und ehemaligen Uni-Chefs. Wie also macht sich die HAW-Professorin da?
Lequy ist, so viel lässt sich sagen, ein Freigeist: Der HRK zum Beispiel sieht sie sich in ihrer EUA-Arbeit nicht besonders verpflichtet, obwohl sie von ihr nominiert wurde. “Ich fühle mich in meinem Mandat frei von der HRK”, sagt Lequy.
Ob die Teilnehmer der Hochschulrektorenkonferenz bei Lequys Nominierung damals, 2021, mit so viel Eigensinn gerechnet hatten, sei einfach mal dahingestellt. Tatsache ist: Die HRK muss damit leben, dass mit Lequy eine Person am EUA-Tisch sitzt, die nicht nur ihren eigenen Kopf hat. Spätestens seit dem Verzicht auf eine weitere Amtszeit in Magdeburg ist zudem klar: Diese Frau klebt nicht an Ämtern.
“Ein Großteil meines Programms in Magdeburg-Stendal war die Internationalisierung. Sie ist uns gelungen. Eine regionale Hochschule mit einer solchen DNA lässt sich aber nun einmal nicht beliebig weiter internationalisieren”, erklärt Lequy ihren Schritt. Gleichzeitig macht er deutlich, dass Loslassen manchmal nötig sein kann, um Lebenszielen treu zu bleiben: “Der rote Faden in meinem beruflichen Leben ist Internationales.” Irgendwann möchte sie in einem europäischen Umfeld arbeiten. “Bis dahin genieße ich die Zeit als Professorin hier in Magdeburg. Ich bin zurück in der Lehre und erlebe die Arbeit dort als kreativ und regenerierend.”
Magdeburg Mission accomplished, Europe is next? So einfach ist das natürlich nicht. Dafür lebt und arbeitet Lequy viel zu gern in Magdeburg. Wenn die Professur für Fachkommunikation Französisch dort ihr Standbein ist, kann ihre Arbeit im EUA-Board auf europäischer Ebene als Schwungbein gelten.
Doch zurück ins Jahr 2021: Als die HRK Lequy damals für das Mandat nominierte, war das nicht ohne Risiko. So sind eben nicht alle Kandidatinnen gesetzt, die die deutschen Hochschulen ins Rennen schicken. Im Jahr 2019 etwa verfehlte Michael Jäckel, damals noch Uni-Präsident in Trier, die Mehrheit. Seine Wahlschlappe kam einer politischen Klatsche für die HRK und für Deutschland gleich. Dass Lequy die Hürde zwei Jahre später mühelos nehmen würde, war also nicht ausgemacht.
So betrachtet landete die HRK mit Lequy einen Volltreffer. Über 850 Hochschulen in ganz Europa und mehr als 17 Millionen Studierende repräsentiert die EUA. Auf EU-Ebene ist der Verband die Stimme der Hochschulen, die EUA arbeitet aber auch mit den Nationalstaaten und – natürlich direkt mit den Mitgliedshochschulen selbst.
Um die Arbeit zu koordinieren, gibt es mehrere Gremien. Wie im politischen System der Bundesrepublik hat die EUA eine Art Parlament, den sogenannten Council. Dort sind die Mitgliedshochschulen und die nationalen Hochschulrektorenkonferenzen vertreten. Das EUA-Board dagegen besteht aus neun Personen und fungiert gleichsam als Exekutive. Das EUA-Generalsekretariat schließlich dient dem Board als Operative.
Hier also wirkt Lequy – als “ein Rädchen im Getriebe”, wie sie sagt. Das klingt nur vordergründig nach Understatement: “Es braucht viele Rädchen, um etwas zu bewegen.” Die EUA vertrete viele Hochschulen. Manche von ihren Mitgliedshochschulen seien spitze in der Forschung, andere konzentrieren sich auf die Lehre. “Wir sind nicht nur Elite, wir sind auch Durchschnitt. Wir sind divers und trotzdem haben wir alle ein Ziel vor Augen: besser werden durch mehr Autonomie.”
An dieser Stelle gibt es auch in Europa immer wieder manches zu tun. Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine setzte die EUA die Mitgliedschaft russischer Hochschulen aus. Ungarns Hochschulen sind im Autonomie-Monitoring der EUA nicht mehr vertreten. Für Autonomie, Wissenschaftsfreiheit und Mitsprache tritt der Verband mittlerweile nicht mehr nur für seine Mitgliedshochschulen ein. Mit Blick auf die kommenden Europawahlen fordert die EUA einen Gesetzescheck. Geplante Richtlinien und Gesetze sollen dabei vorab auf die Auswirkungen überprüft werden, die sich für Hochschulen, Forschung und Innovation daraus ergeben. Der Vorstoß zeigt: An Selbstbewusstsein fehlt es der EUA nicht.
Das legt auch Lequy an den Tag. So begrüßt und befördert sie zum Beispiel die geplante Reform der Forschungsbewertung in Europa, die die Hochschulrektorenkonferenz explizit ablehnt. Während die HKR in der Reform eine verdeckte Abkehr von der Bestenauslese wittert, hält Lequy die Reform für dringend geboten. Solch einen Dissens muss man aushalten können. Dass Lequy und der HRK das gelingt, ist beachtlich und zeigt: Die Kommunikation zwischen der Magdeburger Professorin und der Bonner HRK-Zentrale läuft. Christine Prußky
Steve Albrecht vom Helmholtz-Zentrum Berlin, Peter Haase vom Senckenberg Forschungsinstitut und Stefan Mecking von der Universität Konstanz wurden von der BBAW als deutsche Kandidaten für die globale Endrunde des mit einer Million Schweizer Franken dotierten Frontiers Planet Prize 2024 nominiert. Der Preis würdigt wissenschaftliche Durchbrüche, die zur Stabilisierung des Ökosystems des Planeten beitragen.
Magdalena Götz und Klaus-Robert Müller erhalten den mit jeweils 150.000 Euro dotierten Hector Wissenschaftspreis der Weinheimer Hector Stiftung. Götz lehrt als Professorin an der LMU München und ist als Direktorin am Institut für Stammzellenforschung am Helmholtz Zentrum München tätig. Müller ist Professor für maschinelles Lernen an der TU Berlin und Co-Direktor am Berlin Institute for the Foundations of Learning and Data (BIFOLD).
Anja Feldmann, Direktorin am Saarbrücker Max-Planck-Institut für Informatik und Professorin der Universität des Saarlandes, wurde von der Association for Computing Machinery (ACM), zum ACM Fellow ernannt. Mit dem Fellow-Status ehrt die ACM das eine Prozent seiner Mitglieder, das die herausragendsten Leistungen in der Computer- und Informationstechnologie erbracht oder sich in besonderer Weise um die Informatik-Gemeinschaft verdient gemacht hat.
Isabell Otto wird Prorektorin für Diversität und Karriereentwicklung an der Universität Konstanz. Dirk Leuffen wird dort künftig als Prorektor für Forschung, Forschungsinfrastrukturen und Transfer zuständig sein. Rüdiger Wilhelmi wird Prorektor für Lehre und Christine Peter wurde in ihrem Amt als Prorektorin für Nachhaltigkeit, Information und Kommunikation (CIO) bestätigt.
Ansgar Thiel wird Rektor der Deutschen Sporthochschule Köln. Er übernimmt das Amt von Heiko Strüder, der nach 10 Jahren als Rektor nicht mehr für eine Wiederwahl kandidiert hatte. Thiel ist zurzeit hauptamtlicher Dekan der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Tübingen.
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Bildung.Table. GEW fordert Modellversuche für duales Masterstudium. In einem neuen Eckpunktepapier befürwortet die Lehrergewerkschaft duale Masterstudiengänge für Lehrer aller Schularten – als gleichwertige Alternative zur bisherigen Ausbildung. Damit bezieht sie eine Gegenposition zur SWK. Mehr
Europe.Table. AfD wählt Sonderweg unter Europas Rechten. Die Partei verprellt mit ihren Forderungen nach Remigration und EU-Austritt selbst gleichgesinnte Politiker in Europa. Während Marine Le Pen und Co. sich mäßigen, um an die Macht zu kommen, setzt die AfD auf Fundamentalopposition. Mehr
Europe.Table. Schleppender Netzausbau bedroht Erneuerbaren-Pläne Europas. Internationale Organisationen warnen: Weltweit werden die Stromnetze zu langsam ausgebaut. Das gefährdet auch die Ausbauziele für Erneuerbare Energien in Europa. IEA und IRENA fordern schnellere Genehmigungsverfahren, mehr Investitionen und den Ausbau heimischer Lieferketten. Mehr
China.Table.Wissenschaftler Moritz Rudolf: “China will die globale Ordnung umgestalten”. China geht international in die Offensive – mit wohlklingenden Initiativen. Dahinter stecken knallharte Interessen, warnt Moritz Rudolf im Gespräch. Wie China die UNO unterwandert – und wie Deutschland reagieren sollte. Mehr
ESG.Table. Kraftwerksstrategie: Spahn fordert Speicherung von Kohlendioxid für die Stromerzeugung. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union fordert, neue Gaskraftwerke zu bauen – später solle Technik zur CO₂-Abscheidung nachgerüstet werden. Bislang hat die Union auf Wasserstoff umrüstbare Gaskraftwerke favorisiert. Mehr
Mit Gehirnchips Roboterarme oder andere Dinge steuern – das war einzelnen Patienten schon mehrfach möglich. Mit viel Geld will Tech-Milliardär Elon Musk ein solches System nun zur Marktreife drücken. Die Medizintechnik-Firma Neuralink hat ihr Gehirn-Implantat zum ersten Mal einem Menschen eingesetzt. Der Patient erhole sich nach dem Eingriff am Sonntag gut, schrieb der Tech-Milliardär am Montag auf seiner Online-Plattform X. Das Implantat von Neuralink soll es ermöglichen, durch Gedanken ein Smartphone zu bedienen – und darüber auch andere Technik. Auch weitere Unternehmen und Forscher arbeiten an solchen Verfahren.
Experten sehen Musks Coup gelassen bis skeptisch: Bisher fehlten noch sehr viele Informationen zu dem Fall, sagte der Neurotechnologe Rüdiger Rupp vom Universitätsklinikum Heidelberg. Unklar sei etwa, wie viele Drähte implantiert worden seien und ob der Versuch auf eine bestimmte Frist oder dauerhaft ausgelegt sei. Dass neuronale Aktivität abgeleitet werden konnte, bedeute erst einmal wenig. “Das heißt noch keine Kontrolle eines Smartphones.”
Die Technik an sich stelle keine Revolution dar, sagte der Neuroinformatiker Moritz Grosse-Wentrup von der Universität Wien. Schon seit knapp zwei Jahrzehnten würden von einzelnen Patienten Roboterarme über Implantate gesteuert. “Die Technologie ist im Prinzip schon da, aber mit Neuralink ist es nun auch möglich, mit viel Geld und vielen Mitarbeitern die unzähligen kleinen Probleme bis zur Marktreife zu lösen.” Wirklich beurteilen werde man Neuralink darum erst in einigen Jahren können, sagte Grosse-Wentrup. Mit ersten Zulassungen sei gegebenenfalls erst in etwa einem Jahrzehnt zu rechnen. Genügend Zeit also, um zu überlegen, ob man zum Cyborg werden will oder nicht. dpa