der Deutsche Akademische Austauschdienst hat sich gleich Montagfrüh öffentlich zum Terror in Israel geäußert – und spricht uns aus dem Herzen: “Wir sind zutiefst erschüttert über die brutalen Angriffe auf Israel aus dem Gazastreifen und dem Libanon. Unser Mitgefühl gilt den Opfern und ihren Familien, und wir sprechen all jenen unser aufrichtiges Beileid aus, die Angehörige verloren haben oder um sie bangen. Wir stehen fest in Solidarität an der Seite aller Israelis, in besonderer Weise unserer so zahlreichen Freunde und Partner an den israelischen Hochschulen”, erklärte DAAD-Präsident Joybrato Mukherjee. Man beobachte die Entwicklungen vor Ort sehr genau, auch mit Blick auf die Sicherheit der DAAD-Geförderten im Land, und stehe mit dem Auswärtigen Amt hierzu im Austausch. Unter dem Hashtag #StandWithIsrael haben in den Sozialen Medien auch viele andere Wissenschaftsorganisationen ihre Anteilnahme bekundet. Wir behalten die Entwicklungen im Blick und werden berichten.
Für die heutige Ausgabe aber haben wir den Fokus auf hiesige Vorkommnisse gerichtet. Unter anderem sind wir der Frage nachgegangen, ob die von der Ampelregierung installierte Allianz für Transformation, die am Mittwoch das vierte Mal im Kanzleramt zusammenkommt, mehr als ein hochkarätig besetzter Gesprächskreis ist. Die kurze Antwort lautet: “Ja, aber sie könnte mehr Wumms vertragen.” Die lange Antwort, für die uns der Nachhaltigkeitsforscher und Präsident des Deutschen Naturschutzrings Kai Niebert von der Arbeit des Gremiums berichtet hat, lesen Sie in diesem Briefing.
Eine Veröffentlichung der Leopoldina zum Thema Kernfusion hat meinen Kollegen Markus Weisskopf stutzig gemacht. Erst kürzlich hatte er bei einer Expertenanhörung im Forschungsausschuss des Bundestags noch die Botschaft vernommen, dass noch nicht ausgemacht sei, ob im Wettrennen um die wunderbare neue Fusionswelt die Laser- oder die Magnet-Technologie vorn liegen. Das Fokus-Papier der Nationalakademie schlägt sich nun auf die Magnet-Seite. Was Laserfusions-Akteure dazu veranlasste, eine Schieflage bei der Auswahl der Experten zu monieren, während Stephan Seiter von der FDP die Leopoldina als nicht optimistisch genug bezeichnet.
Um die besten Strategien für die Zukunft geht es auch im Beitrag unserer neuen Kolumnistin Andrea Frank. Die stellvertretende Generalsekretärin des Stifterverbands wird fortan regelmäßig im Research.Table wissenschaftspolitische Entwicklungen und Ereignisse kritisch und kenntnisreich beleuchten. Darüber freuen wir uns sehr!
Wir wünschen Ihnen eine erhellende Lektüre,
Zweimal im Jahr wird im Kanzleramt auf hohem Level beraten, wie Deutschland klimaneutral, digitaler und resilienter werden kann. Am morgigen Mittwochmittag geht es beim vierten Treffen der Allianz für Transformation um die “Chancen und Potentiale der Kreislaufwirtschaft für den Wirtschaftsstandort Deutschland”. Zwei Arbeitsgruppen aus dem Gremium, das eingerichtet wurde, um mit Wirtschaft, Sozialpartnern und Wissenschaft in den Dialog über den sozial-ökologischen Wandel zu treten, haben sich mit Aspekten der Kreislaufwirtschaft befasst. Sie haben zwei Sektoren beleuchtet: den Baubereich und Batterien/Elektromobilität, berichtet Kai Niebert, der als Präsident des Deutschen Naturschutzrings der Allianz angehört.
Die beiden Taskforces haben wie beim letzten Mal, als es um Fachkräfte für die Transformation des Energiesystems ging, Papiere und Empfehlungen erarbeitet. Erstmals wurde im Vorfeld auch ein Kommuniqué abgestimmt, das nach dem etwa dreistündigen Treffen veröffentlicht wird. “Es ist gut, dass es dieses Mal ein Konsenspapier gibt. Aber inhaltlich könnte es ambitionierter sein”, sagt Niebert. Anstelle von Formulierungen wie “Zirkularität ist ein Baustein für eine nachhaltige Wirtschaft” hätte er sich klarere Aussagen gewünscht. Denn Zirkularität sei nicht bloß Baustein, sondern das Fundament für nachhaltige Wirtschaft.
Auch beim Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE), der mit seinem Vorsitzenden von Anfang an bei der Allianz für Transformation dabei ist und das Thema zirkuläres Wirtschaften mit angeregt hat, wünscht man sich nun Tatkraft. “Ich freue mich, dass die Arbeit in der Allianz jetzt auch zu konkreten Ergebnissen, einem gemeinsamen Kommuniqué und einem Impulspapier führen wird”, sagt der aktuelle Vorsitzende Reiner Hoffmann, langjähriger Vorsitzender des DGB. Der RNE habe angeboten, über sein Gemeinschaftswerk Nachhaltigkeit eine gemeinsame Aktionswoche zur Kreislaufwirtschaft zu organisieren.
Niebert findet, dass das von der Ampelregierung neu installierte Gremium generell “mehr Wumms” haben könnte. Die Grundkonstruktion der Allianz für Transformation hält der Naturschutzringchef, der an der Universität Zürich den Lehrstuhl Fachdidaktik Naturwissenschaften innehat und über Nachhaltigkeit forscht, nämlich für eine gute Idee. Der Kanzler lädt ein, mehrere Minister sind für gewöhnlich dabei oder lassen sich durch Staatssekretäre vertreten, wie es Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger und Finanzminister Christian Lindner bisher taten. “Es ist richtig, im Kanzleramt die Fäden der Transformation zusammenzuziehen und ihr eine klare Richtung zu geben”, sagt Niebert.
Allerdings sieht er auch viel ungenutztes Potenzial in dem Gremium und wünscht sich mehr Verbindlichkeit. “Die Debatten um das Gebäudeenergiegesetz haben gezeigt, dass die Transformation rauer wird. Eine Allianz, in der die Spitzen der Verbände, Gewerkschaften und Industrie sowie das halbe Kabinett regelmäßig zusammenkommen, wäre der richtige Ort nicht nur für fundierte Diskussionen, sondern auch für klare Verabredungen zum gemeinsamen Aufbruch.”
Dies sei vor allem eine Frage der Governance durch das Kanzleramt, findet Niebert. Es müsste nicht nur innerhalb der Allianz für Transformation für klarere Bekenntnisse sorgen, sondern auch die diversen Strategien der Bundesregierung und -ministerien besser vernetzen. “Die Zukunftsstrategie spielte zum Beispiel in den bisherigen Allianz-Runden keine Rolle. Und während sich unser Gremium mit der Kreislaufwirtschaft befasst hat, arbeitet das Umweltministerium parallel dazu an der Kreislaufwirtschaftsstrategie.” Auch eine Biomasse-Strategie sei separat in Arbeit – die ebenfalls zum Gesamtbild gehöre.
Nach den ersten drei Treffen der Allianz sei aber klar, dass das Gremium an sich funktioniert. Es lege “die Finger in die richtigen Wunden” und grundsätzlich sei allen Beteiligten die Notwendigkeit der Transformation klar. “Alte Debatten und Fronten, wie ich sie in der Kohlekommission erlebt habe, gibt es hier nicht”, sagt Niebert.
Nach welchen Kriterien das Kanzleramt die insgesamt knapp 50 regelmäßigen Teilnehmenden der Allianz berufen hat, sei unklar. Aus der Wirtschaft sind zum Beispiel BDI-Präsident Siegfried Russwurm, sowie die Spitzen von Thyssenkrupp und BASF dabei. Von den Gewerkschaften unter anderem DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi und Verdi-Chef Frank Werneke. Aus der Wissenschaft vertritt Gerald Haug die Leopoldina und Thomas Weber die Acatech. Außerdem ist Veronika Grimm von den Wirtschaftsweisen mit dabei. Niebert: “Insgesamt sind die Sozialpartner stark repräsentiert, Wissenschaft eher weniger und Vertreter von den Kirchen oder aus der Jugend, etwa vom Bundesjugendring, gibt es gar nicht.”
Welches Thema beim nächsten Treffen auf der Agenda stehen wird, wissen die Teilnehmer noch nicht. Das legt das Kanzleramt fest und lädt dann Einzelne zur Mitarbeit in den Taskforces ein. Vielleicht entwickelt sich mit der Zeit ja ein Gremium mit mehr Wumms.
20 Milliarden für 20 Jahre. Damit würde man bis 2050 – bei Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen – ein Fusionskraftwerk bekommen. Eines, das nach dem Prinzip der Magnetfusion funktioniert. Das ist die Botschaft eines aktuellen Leopoldina-FOKUS-Papiers mit den Autoren Sybille Günter, Thomas Klinger (beide Max-Planck-Institut für Plasmaphysik) und Wim Leemans (Desy).
Bereits in ihrer Analyse der aktuellen Situation legen die Autoren den Fokus auf die Magnetfusion. Mit dem Stellarator “Wendelstein 7-X” verfüge Deutschland über einen Forschungsreaktor, der weltweit als der modernste und vielversprechendste angesehen werde. Darauf aufbauend könne man einen “einen leistungsfähigen Prototypen für ein Fusionskraftwerk” entwickeln, heißt es in dem Leopoldina-Papier.
In Bezug auf die Forschung im Bereich der Laserfusion lautet die Bewertung immerhin, dass die jüngsten internationalen Durchbrüche “auch durch Komponenten ermöglicht wurden, die in Deutschland entwickelt wurden, z. B. im Bereich der Brennstoffträger (Targets) sowie der Hochleistungslaser”.
Im Weiteren konzentrieren sich die Autoren darauf, die Voraussetzungen für den Bau eines Kraftwerks zu benennen.
Um bis 2050 ein Kraftwerk zu bauen, müssten aus Sicht der Autoren die benannten Punkte bis 2030 “weit vorangetrieben” werden. “Die Leopoldina ist in diesem Punkt aus meiner Sicht nicht optimistisch genug”, sagte dazu FDP-Forschungspolitiker Stephan Seiter gegenüber Table.Media. Seiner Meinung nach könnte mit einer entsprechenden Forschungsförderung der Zeitpunkt für eine kommerzielle Nutzung deutlich vor 2050 erreicht werden.
Hinsichtlich des rechtlichen Rahmens zeigt Seiter sich zufrieden mit den Empfehlungen. Dieser sollte unabhängig vom Atomrecht gestaltet werden und “die niedrigeren Risiken dieser Technologie berücksichtigen”. Zu diesem Zweck wolle die FDP außerdem, dem Koalitionsvertrag entsprechend, räumlich begrenzte regulatorische Freiräume, sogenannte Freiheitszonen, einrichten. Ähnlich hatten sich vergangene Woche die geladenen Experten bei einer Anhörung im Forschungsausschuss geäußert.
Markus Roth, Mitglied der Geschäftsführung des Laserfusions-Start-ups Focused Energy und Professor an der TU Darmstadt, kritisiert eine Schieflage bei der Auswahl der Experten und der daraus entstehenden Empfehlungen durch die Leopoldina. Es sei zu beobachten, dass hier eine Lobby versuche, eine allzu intensive Förderung der Laserfusion in Deutschland zu vermeiden und die Geldströme weiterhin in Richtung der Magnetfusion zu leiten.
Die Leopoldina sieht hingegen beide Ansätze repräsentiert, auch wenn keiner der Autoren aktuell in der Laserfusionsforschung tätig ist. Wim Leemans sei schließlich bis 2019 beim Berkeley Lab Laser Accelerator (BELLA) Center tätig gewesen. Insgesamt hätten bei der Auswahl die Kompetenz und die wissenschaftliche Expertise der beteiligten Forscherinnen und Forscher im Vordergrund gestanden, teilte die Nationale Akademie auf Anfrage von Table.Media mit. Und: Da das Publikations-Format auf einem Gespräch des Präsidenten der Leopoldina, Gerald Haug, mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern beruhe, sei die Anzahl der Gesprächsteilnehmenden, und damit auch der Autoren, auf wenige Personen begrenzt.
Stephan Seiter betont: “Wichtig ist die Technologieoffenheit: Magnetfusion und Laserfusion bieten beide große Potenziale. Beide Bereiche brauchen derzeit noch Grundlagenforschung und dafür geschulte Forscher.” Im BMBF beurteilt man dies ähnlich und will in dem Leopoldina-Papier “keine Wertung, ob eine Technologie der anderen in Bezug auf eine Förderung vorzuziehen sei” sehen.
In der Branche ist man sich jedoch bewusst, dass angesichts der Haushaltslage irgendwann seitens der Politik Prioritäten gesetzt werden müssen. Falls es diese nicht bereits gibt: Insider berichten, dass ein großer Teil der von Bettina Stark-Watzinger versprochenen Milliarde für die Fusionsforschung bis 2028 bereits für die großen Zentren der Magnetfusionsforschung – München, Karlsruhe, Jülich – verplant sei.
Der Angriffskrieg auf die Ukraine hat Christoph Markschies zahlreiche Dinge deutlich gemacht. Allen voran seien ihm kollektive Versäumnisse der deutschen Wissenschaftslandschaft deutlich geworden: “Versäumnisse bei der Zusammenarbeit mit den Ländern, die wir etwas unglücklich mit dem Begriff ‘Osteuropa’ zusammenfassen, Versäumnisse aber auch dabei, Kompetenz an deutschen Wissenschaftseinrichtungen für diesen zum Kern Europas gehörenden Raum aufzubauen oder zu bewahren und öffentliche Aufmerksamkeit für die gegenwärtigen Folgen einer langen Geschichte dieser Region zu wecken.” Die BBAW hätte die Idee eines jungen Netzwerks TransEuropa, in dem jüngere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Ukraine in Kontakt kommen können, mit Kollegen und Kolleginnen aus anderen Gegenden Europas, schon viel früher haben sollen.
Die Krise habe ihm auch gezeigt, “dass die mir jedenfalls so selbstverständliche Grundvorstellung, dass sich der globale Kontext von Wissenschaft immer weiter in Richtung von mehr Demokratie und damit von mehr in demokratischen Verfassungsstaaten verbürgter Wissenschaftsfreiheit entwickelt”, sich leider als leicht naive Illusion herausgestellt hat. Deutlicher geworden sei, dass auch einmal errungene Freiheit von Wissenschaft entschlossen gegen ihre Feinde verteidigt werden muss. “Die Bedrohung durch autoritäre Gesellschaftsentwürfe beginnt zudem inzwischen im eigenen Land und nicht nur in europäischen Nachbarländern.” Auch da hätte man viel früher Verantwortung übernehmen sollen.
Das Dritte, das Markschies deutlich wurde, ist, wie sehr eine Krise dazu verführt, die “übrigen multiplen Krisen und ihre ganz praktischen Folgen für das Wissenschaftssystem partiell zu verdrängen oder jedenfalls die Arbeit daran zurückzustellen”. Deutschland habe, um ein Beispiel zu nennen, bei der Sanierung von Gebäuden deutscher Wissenschaftseinrichtungen im Blick auf Energieeffizienz, Klimaneutralität und bauliche Nachhaltigkeit einen außerordentlich großen Rückstand. Das betreffe keineswegs allein die Finanzen. “Wir müssen in der multiplen Krisensituation darauf achten, dass der seit langem bestehende Reformbedarf im Wissenschaftssystem und der damit verbundene Finanzbedarf nicht allzu sehr in den Hintergrund tritt.”
Der BBAW-Präsident sieht für die Zukunft drei Punkte: “Wir müssen erstens dringend darüber reden, ob das gegenwärtige, oft sehr bürokratische Finanzierungssystem der deutschen Wissenschaftseinrichtungen und die dafür verantwortlichen Strukturen wirklich dabei helfen können, mehr Innovation zu generieren.” Es sei ein System, in dem die Anträge immer länger geworden seien und die Evaluationen immer häufiger sowie immer aufwendiger. “Eine Beschleunigung des Tempos zugunsten von mehr Innovation setzt zuallererst eine Beschleunigung in den basalen Strukturen, insbesondere bei der Forschungsförderung voraus.”
Dazu kommen zweitens die Probleme, die die steilen Hierarchien in vielen Einrichtungen des deutschen Wissenschaftssystems verursachen. Die “Ich bin Hannah”-Debatte habe aus naheliegenden wie bekannten Gründen zunächst als eine Debatte über Vertragslaufzeiten für jüngere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler begonnen. Sie müsste sich aber zu einer Debatte über die problematischen hierarchischen Strukturen im System weiterentwickeln, “zu einer Diskussion darüber, ob die Architekturen in unseren Wissenschaftseinrichtungen zu hierarchisch sind, ob sie nicht viel stärker begabungsorientiert und auf Teamfähigkeit hin angelegt werden müssten”.
Als dritten Punkt kritisiert Markschies eine “sehr starke Mechanisierung und Zahlenorientierung von Verfahren” als problematische Strategie, Schwierigkeiten in den Griff zu bekommen. Zu viel Mechanisierung und Zahlenorientierung in der Wissenschaftsförderung seien ein Übel und zielen genau in die falsche Richtung.
Markschies plädiert für eine entschlossene, gemeinsame, zügige und grundsätzliche Revision der Förder- wie Evaluationsmechanismen und der hierarchischen Strukturen unseres Wissenschaftssystems, in deren Vollzug vieles überprüft und gleichsam entschlackt werden muss. “Die Universitäten und anderen Wissenschaftseinrichtungen müssen sich im Zuge solcher Entschlackungsprozesse noch viel stärker dahingehend öffnen, dass junge Talente von überall her attrahiert werden und ganz früh Freiheiten haben, um alles das zu tun, was ihnen Innovatives einfällt.” Dazu brauche es mehr Vertrauen im System.
Das ganze Interview lesen Sie in unserer Rubrik “Was jetzt, Forschung?” Diese Reihe enthält Impulse aus den Gesprächen u. a. mit Jan Wörner (Acatech), Rafael Laguna de la Vera (Sprind), Volker Meyer-Guckel (Stifterverband), Georg Schütte (VolkswagenStiftung), Otmar D. Wiestler (Helmholtz-Gemeinschaft) und Walter Rosenthal (Uni Jena).
10. Oktober 2023, 17:30 – 22:00 Uhr, Fraunhofer-Forum in Berlin
Abendveranstaltung Datenökonomie trifft Datenschutz – Daten nutzen, Kontrolle behalten Mehr
1.-10. November 2023, Berlin
Wissenschaftsfestival Berlin Science Week Mehr
7.-9. November 2023, Berlin
Konferenz Falling Walls Science Summit 2023 Mehr
15.-17. November 2023, Bielefeld
Konferenz Forum Wissenschaftskommunikation – Kontrovers, aber fair – Impulse für eine neue Debattenkultur Mehr
16. November 2023, Wilhelm Büchner Hochschule, Darmstadt
Tagung WBH Wissenschaftsforum 2023 – “Transformation gestalten” Mehr
Claudia Goldin wird für ihre Forschung zur Rolle von Frauen auf dem Arbeitsmarkt mit dem diesjährigen Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet. Das gab die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften am Montag in Stockholm bekannt.
Goldin habe die wichtigsten Treiber für Geschlechterunterschiede in der Arbeitswelt aufgedeckt. Sie habe den ersten umfassenden Beitrag über das Einkommen und die Teilhabe von Frauen auf dem Arbeitsmarkt im Laufe der Jahrhunderte geliefert, sagte der Vorsitzende des zuständigen Nobelkomitees, Jakob Svensson. Ihre Forschung decke zum einen die Ursachen des Wandels auf, zum anderen aber auch die Hauptursachen für die noch immer verbleibende Kluft zwischen den Geschlechtern. “Frauen sind auf dem globalen Arbeitsmarkt erheblich unterrepräsentiert und verdienen, wenn sie arbeiten, weniger als Männer”, stellte die Akademie fest.
Goldin wurde 1946 in New York geboren. Sie ist Professorin an der Harvard University und erst die dritte Frau, die den Wirtschaftsnobelpreis erhält. Unter den vorherigen 92 Preisträgern waren mit Elinor Ostrom 2009 und Esther Duflo 2019 erst zwei andere Wissenschaftlerinnen gewesen. Goldin ist die allererste Frau, die als Einzelpreisträgerin in der Kategorie auserkoren wurde: Häufig geht der Wirtschaftsnobelpreis an mehrere Ökonomen zugleich, die zum Beispiel im selben Forschungsfeld tätig gewesen sind. So war es auch bei Ostrom und Duflo der Fall.
In der Fachwelt gab es viel Zuspruch für die Auszeichnung von Goldin. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, bezeichnete die Wahl als “Weckruf für Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland für mehr Chancengleichheit”. In kaum einem vergleichbaren Land sei die Lohnlücke zwischen Mann und Frau mit im Schnitt 18 Prozent so groß wie in Deutschland, erklärte er.
“Claudia Goldin hat mit ihren Arbeiten unser Verständnis zu mehr Gleichberechtigung am Arbeitsplatz wesentlich erweitert”, sagte Achim Wambach, Präsident des Mannheimer Wirtschaftsforschungsinstituts ZEW. Ökonom Sascha Steffen von der Frankfurt School of Finance & Management kommentierte: “Besonders bemerkenswert sind ihre Erkenntnisse über das anhaltende Lohngefälle zwischen den Geschlechtern. Goldins Beiträge bilden eine wichtige Grundlage für politische Entscheidungen und künftige Forschungen.”
Einziger deutscher Wirtschaftsnobelpreisträger ist bislang der Bonner Wissenschaftler Reinhard Selten gewesen. Er erhielt die Auszeichnung 1994 gemeinsam mit John Nash und John Harsanyi für ihre wegweisenden Beiträge zur nichtkooperativen Spieltheorie. nik / dpa
Das US-Unternehmen Amazon bietet bald nicht nur den Versand von Waren aller Art und Speicherplatz in der Cloud. In naher Zukunft will es mit dem Satelliten-Netz Kuiper auch zur Breitband-Internetversorgung aus dem All beitragen. So wie es derzeit die Starlink-Satelliten von Elon Musks Weltraumfirma SpaceX tun. Am vergangenen Freitag hat Amazon in Cape Canaveral in Florida die ersten Test-Satelliten für sein geplantes System zur Internet-Versorgung aus dem All gestartet.
Die Satelliten KuiperSat-1 und KuiperSat-2 hätten nach dem Start in Florida planmäßig die Verbindung zur Bodenstation hergestellt, teilte Amazon danach mit. Die Firma will in den kommenden Jahren gut 3.200 Satelliten bauen und ins All bringen. Sie werden in einer relativ niedrigen Umlaufbahn in etwa 500 Kilometern Höhe stationiert. Herkömmliche Satelliten befinden sich dagegen in Zehntausenden Kilometern Höhe. Der Dienst ist zum Beispiel für Telekommunikationsfirmen interessant, die in entlegenen oder dünn besiedelten Gebieten keine teure Infrastruktur aufbauen wollen.
Anfang 2024 sollen die ersten regulären Kuiper-Satelliten ins All gebracht werden, Ende des Jahres soll der Betrieb für erste Testkunden beginnen. Eine Neuerung gibt es: Die beiden Test-Satelliten sollen nach Abschluss der Versuche in der Erdatmosphäre verglühen. Auf diese Weise soll die Entstehung von Weltraumschrott verhindert werden.
Musks Starlink wird auch von der Ukraine genutzt, wo die russischen Truppen in ihrem Angriffskrieg gezielt die Telekommunikationsnetze beschädigten. Allerdings sagte der Tech-Milliardär jüngst, dass er einen ukrainischen Angriff auf die russische Schwarzmeerflotte verhindert habe, weil er sich weigerte, die Starlink-Abdeckung in dem Gebiet zu aktivieren. abg mit dpa
Atinuke Chimene (University of Calgary) und Marwa Shumo (Zentrum für Entwicklungsforschung, Universität Bonn) erhalten in der Kategorie “Innovation” den Preis Women Breakthrough of the Year, den die Falling Walls Foundation und die Elsevier Foundation erstmals verleihen. In der Kategorie “Gender Mainstreaming” wird Sudeshna Das (Indian Institute of Technology Kharagpur) ausgezeichnet, Simangele Shakwane (Universität von Südafrika) gewinnt in der Kategorie “Empowerment”. Der neu geschaffene, mit 3.000 Euro dotierte Preis wird an Wissenschaftlerinnen für ihre visionäre Forschung und ihr Engagement für Fragen der Geschlechtergerechtigkeit und Gleichstellung in der Wissenschaft verliehen.
Gerd Heusch wird Sekretar der Klasse Naturwissenschaften und Medizin der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste (AWK). Heusch ist Direktor des Instituts für Pathophysiologie an der Universität Duisburg-Essen und dem Universitätsklinikum Essen.
Kai Sassenberg ist neuer Direktor des Leibniz-Instituts für Psychologie (ZPID). Er wechselt vom Leibniz-Institut für Wissensmedien (IWM), wo er seit 2007 die Arbeitsgruppe Soziale Prozesse leitete und in der Psychologie eine Professur an der Eberhard Karls Universität Tübingen innehatte. Sassenberg folgt am ZPID auf Claudia Dalbert.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
Africa.Table. Implementierung der SDGs kommt in Afrika nur schleppend voran. Afrika hängt bei der Umsetzung der Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen hinterher. Ein Grund ist die drückende Schuldenlast. Es fehlt nicht am politischen Willen, sondern am Geld und am Wirtschaftswachstum. Mehr
Europe.Table. Polen: Energiewende im Wartesaal. In Polen wurde die Energiewende eingeleitet. Die Wahlen am nächsten Wochenende werden darüber entscheiden, ob sie beschleunigt wird oder nicht. Mehr
Europe.Table. Wegen Krebsgefahr: Neue EU-Nitrit-Grenzwerte für Lebensmittel. In der EU gelten künftig neue Grenzwerte für Nitrite und Nitrate in Lebensmitteln. Die neuen, deutlich reduzierten Grenzwerte für Zusatzstoffe senken die Belastung durch krebserregende Stoffe, wie die EU-Kommission am Freitag in Brüssel mitteilte. Mehr
In der deutschen Wirtschaft herrscht Flaute. Die Bestellungen an die Industrie sind um zwölf Prozent gefallen. Entsprechend negativ sind die Prognosen. So rechnet beispielsweise das ifo-Institut mit einem Rückgang der deutschen Wirtschaftsleistung um 0,4 Prozent in diesem Jahr. Das ist nicht nur ein vorübergehendes konjunkturelles Problem. Vielmehr steht unsere Wirtschaft vor tiefgreifenden transformativen Aufgaben bei Mobilität, Energie, Digitalisierung – und Studien wie das World Competitiveness Ranking weisen hier auf eine sinkende Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands hin. Angesichts dieser trüben Aussichten liegt die Hoffnung auf einem Aufbruch in Forschung und Innovation. Dafür braucht es eine gemeinsame nationale Anstrengung, die Prioritäten setzt und Kräfte entlang von klaren Missionen bündelt.
Die Bundesregierung hat als Antwort darauf im Februar die Zukunftsstrategie vorgelegt. Nun ist es Zeit für ein erstes Zwischenfazit. Die Strategie sei der Kompass, mit dem die Forschungs- und Innovationspolitik der Bundesregierung neu und zielgenauer ausgerichtet werde. Sie bündele ressortübergreifend Anstrengungen und Ressourcen, setze spürbar Akzente für den Umgang mit den Herausforderungen. So der öffentlich formulierte Anspruch. Der “Kompass” wurde schon bei seiner Veröffentlichung im Februar ergänzt um eine 15-seitige Sammlung von sogenannten strategieähnlichen Maßnahmen aller Ressorts inklusive des Versuchs, diese Vielfalt den Missionen zuzuordnen. Das zeigt: Von einer gemeinsamen, fokussierten und orchestrierten Anstrengung sind wir noch weit entfernt.
Gleichzeitig gibt es in der Zukunftsstrategie spannende Elemente, die Potenzial hätten, die Steuerung und Prioritätensetzung in der Forschungs- und Innovationspolitik neu zu denken: Die Missionsteams als ressortübergreifende Taskforces – nicht als koordinierende Arbeitsgruppen, sind eine vielversprechende Idee; die auf konkrete – auch quantitative – Ziele lassen hoffen. Und auch das Begleitgremium Forum #Zukunftsstrategie ist diesmal nicht in erster Linie mit Funktionsträgern, sondern mit Expertise entlang der Missionen besetzt.
Aber die Missionsteams wurden nicht als neue starke Governance aufgesetzt, die Ziele nicht priorisiert und so bleibt von außen der Eindruck, dass es eher eine Gesamterzählung der Aktivitäten ist als eine Umsetzungsstrategie, die Prioritäten setzt. Das Forum #Zukunftsstrategie hat nun seine Arbeit aufgenommen und muss es richten. Die Erwartung ist klar: keine Grundsatzpapiere auf Hochglanzpapier, sondern Handlungsorientierung und Umsetzungsvorschläge.
Es ist an der Zeit, hier mutiger zu sein. Rückläufige Ressourcen müssen so gebündelt werden, dass unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit in Forschung und Innovation gesichert wird. Dabei spielen drei Aspekte eine wesentliche Rolle:
Vielstimmigkeit in der Beratung und Silodenken im Handeln überwinden: Zukunftsrat, Allianz für Transformation, Forum #Zukunftsstrategie – mindestens drei von der Politik eingesetzte Gremien diskutieren die Frage, was für eine erfolgreiche Transformation notwendig ist. Papiere und Empfehlungen sind ausreichend formuliert, es braucht kluge Umsetzungsideen. Ich befürchte, hier kommen die Gremien – auch aufgrund ihrer begrenzten Mandate – an ihre Grenzen.
Statt Diskussionen benötigen wir ein an gemeinsamen Roadmaps orientiertes und orchestriertes Handeln. Die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) hat hier einen wichtigen Vorschlag eingebracht. Sie empfiehlt in ihrem Gutachten 2023, die Verantwortung in einem ständigen Regierungsausschuss für Forschung und Innovation ressortübergreifend zusammenzuführen. Dann gäbe es einen legitimierten Ort für die Orchestrierung – für Abstimmung und Koordination, Überprüfung, Monitoring und Anpassung. Vor allem gäbe es eine gemeinsame strategische Verantwortung und Verbindlichkeit. Das gefällt mir an dem Vorschlag.
Strategien könnten so wirksam zusammengeführt werden. Aktuell scheint das trotz des ressortübergreifenden Charakters der Zukunftsstrategie nicht immer der Fall. Das zeigt sich beispielsweise im wichtigen Handlungsfeld Datenpolitik, in dem das Forschungsministerium und weitere Ressorts ihre einzelnen Projekte und Strategien vorantreiben.
Chance für gemeinsames Handeln von Bund und Ländern in der Innovations- und Forschungspolitik endlich nutzen: Bei allen Überlegungen bewegen wir uns aktuell lediglich auf der Ebene des Bundes. Aber auch auf der Landesebene entstehen Forschungs- und Innovationsstrategien. Eine Analyse hat gezeigt: Es werden überall ähnliche Schwerpunkte in der Förderung gesetzt, ein gemeinsames Zielbild ist nicht zu erkennen. So haben wir vielleicht am Ende viele kleine regionale Zentren wie beispielsweise für KI, aber national keine kritische Masse, um international mitreden zu können. Wo ist der Dialograum, in dem nationale Schwerpunkte verhandelt werden? Wo ist die gemeinsame Verantwortung von Bund und Ländern, im Interesse eines starken nationalen Forschungs- und Innovationsstandortes?
Umsetzung gemeinsam durch Roadmapping beschleunigen: Neben gemeinsamer strategischer Verantwortung und Verbindlichkeit braucht es aber auch Beschleunigung in der Umsetzung. Hier scheinen wir geradezu festzustecken in bisherigen Routinen. Warum nicht einfach einmal eine andere Methode des politischen Handelns ausprobieren? Der Stifterverband schlägt Roadmapping als Beschleunigungsansatz vor. Roadmaps beschreiben mögliche Entwicklungspfade vom Status quo zum Ziel. Am Ende geht es um den richtigen Fokus unserer Anstrengung. In der Beschleunigungsformel für Deutschland definieren wir drei Faktoren für den Umsetzungserfolg von Zukunftsmissionen: mutige und klar definierte Roadmaps, Fokus auf Katalysatoren, die die Roadmaps befördern, und eine mit wirklichem Mandat ausgestattete Orchestrierung.
Und das bringt mich zurück zum Forum #Zukunftsstrategie. Der Ort der mandatierten Orchestrierung scheint bei allen Gremien, die es aktuell gibt, zu fehlen. Ich wünsche mir mehr Mut – sowohl zur Anwendung eines neuen methodischen Ansatzes als auch zum Übergang vom “Diskutieren” zum “Umsetzen”. Viel Zeit bleibt nicht. In 18 Monaten beginnt der nächste Wahlkampf!
der Deutsche Akademische Austauschdienst hat sich gleich Montagfrüh öffentlich zum Terror in Israel geäußert – und spricht uns aus dem Herzen: “Wir sind zutiefst erschüttert über die brutalen Angriffe auf Israel aus dem Gazastreifen und dem Libanon. Unser Mitgefühl gilt den Opfern und ihren Familien, und wir sprechen all jenen unser aufrichtiges Beileid aus, die Angehörige verloren haben oder um sie bangen. Wir stehen fest in Solidarität an der Seite aller Israelis, in besonderer Weise unserer so zahlreichen Freunde und Partner an den israelischen Hochschulen”, erklärte DAAD-Präsident Joybrato Mukherjee. Man beobachte die Entwicklungen vor Ort sehr genau, auch mit Blick auf die Sicherheit der DAAD-Geförderten im Land, und stehe mit dem Auswärtigen Amt hierzu im Austausch. Unter dem Hashtag #StandWithIsrael haben in den Sozialen Medien auch viele andere Wissenschaftsorganisationen ihre Anteilnahme bekundet. Wir behalten die Entwicklungen im Blick und werden berichten.
Für die heutige Ausgabe aber haben wir den Fokus auf hiesige Vorkommnisse gerichtet. Unter anderem sind wir der Frage nachgegangen, ob die von der Ampelregierung installierte Allianz für Transformation, die am Mittwoch das vierte Mal im Kanzleramt zusammenkommt, mehr als ein hochkarätig besetzter Gesprächskreis ist. Die kurze Antwort lautet: “Ja, aber sie könnte mehr Wumms vertragen.” Die lange Antwort, für die uns der Nachhaltigkeitsforscher und Präsident des Deutschen Naturschutzrings Kai Niebert von der Arbeit des Gremiums berichtet hat, lesen Sie in diesem Briefing.
Eine Veröffentlichung der Leopoldina zum Thema Kernfusion hat meinen Kollegen Markus Weisskopf stutzig gemacht. Erst kürzlich hatte er bei einer Expertenanhörung im Forschungsausschuss des Bundestags noch die Botschaft vernommen, dass noch nicht ausgemacht sei, ob im Wettrennen um die wunderbare neue Fusionswelt die Laser- oder die Magnet-Technologie vorn liegen. Das Fokus-Papier der Nationalakademie schlägt sich nun auf die Magnet-Seite. Was Laserfusions-Akteure dazu veranlasste, eine Schieflage bei der Auswahl der Experten zu monieren, während Stephan Seiter von der FDP die Leopoldina als nicht optimistisch genug bezeichnet.
Um die besten Strategien für die Zukunft geht es auch im Beitrag unserer neuen Kolumnistin Andrea Frank. Die stellvertretende Generalsekretärin des Stifterverbands wird fortan regelmäßig im Research.Table wissenschaftspolitische Entwicklungen und Ereignisse kritisch und kenntnisreich beleuchten. Darüber freuen wir uns sehr!
Wir wünschen Ihnen eine erhellende Lektüre,
Zweimal im Jahr wird im Kanzleramt auf hohem Level beraten, wie Deutschland klimaneutral, digitaler und resilienter werden kann. Am morgigen Mittwochmittag geht es beim vierten Treffen der Allianz für Transformation um die “Chancen und Potentiale der Kreislaufwirtschaft für den Wirtschaftsstandort Deutschland”. Zwei Arbeitsgruppen aus dem Gremium, das eingerichtet wurde, um mit Wirtschaft, Sozialpartnern und Wissenschaft in den Dialog über den sozial-ökologischen Wandel zu treten, haben sich mit Aspekten der Kreislaufwirtschaft befasst. Sie haben zwei Sektoren beleuchtet: den Baubereich und Batterien/Elektromobilität, berichtet Kai Niebert, der als Präsident des Deutschen Naturschutzrings der Allianz angehört.
Die beiden Taskforces haben wie beim letzten Mal, als es um Fachkräfte für die Transformation des Energiesystems ging, Papiere und Empfehlungen erarbeitet. Erstmals wurde im Vorfeld auch ein Kommuniqué abgestimmt, das nach dem etwa dreistündigen Treffen veröffentlicht wird. “Es ist gut, dass es dieses Mal ein Konsenspapier gibt. Aber inhaltlich könnte es ambitionierter sein”, sagt Niebert. Anstelle von Formulierungen wie “Zirkularität ist ein Baustein für eine nachhaltige Wirtschaft” hätte er sich klarere Aussagen gewünscht. Denn Zirkularität sei nicht bloß Baustein, sondern das Fundament für nachhaltige Wirtschaft.
Auch beim Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE), der mit seinem Vorsitzenden von Anfang an bei der Allianz für Transformation dabei ist und das Thema zirkuläres Wirtschaften mit angeregt hat, wünscht man sich nun Tatkraft. “Ich freue mich, dass die Arbeit in der Allianz jetzt auch zu konkreten Ergebnissen, einem gemeinsamen Kommuniqué und einem Impulspapier führen wird”, sagt der aktuelle Vorsitzende Reiner Hoffmann, langjähriger Vorsitzender des DGB. Der RNE habe angeboten, über sein Gemeinschaftswerk Nachhaltigkeit eine gemeinsame Aktionswoche zur Kreislaufwirtschaft zu organisieren.
Niebert findet, dass das von der Ampelregierung neu installierte Gremium generell “mehr Wumms” haben könnte. Die Grundkonstruktion der Allianz für Transformation hält der Naturschutzringchef, der an der Universität Zürich den Lehrstuhl Fachdidaktik Naturwissenschaften innehat und über Nachhaltigkeit forscht, nämlich für eine gute Idee. Der Kanzler lädt ein, mehrere Minister sind für gewöhnlich dabei oder lassen sich durch Staatssekretäre vertreten, wie es Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger und Finanzminister Christian Lindner bisher taten. “Es ist richtig, im Kanzleramt die Fäden der Transformation zusammenzuziehen und ihr eine klare Richtung zu geben”, sagt Niebert.
Allerdings sieht er auch viel ungenutztes Potenzial in dem Gremium und wünscht sich mehr Verbindlichkeit. “Die Debatten um das Gebäudeenergiegesetz haben gezeigt, dass die Transformation rauer wird. Eine Allianz, in der die Spitzen der Verbände, Gewerkschaften und Industrie sowie das halbe Kabinett regelmäßig zusammenkommen, wäre der richtige Ort nicht nur für fundierte Diskussionen, sondern auch für klare Verabredungen zum gemeinsamen Aufbruch.”
Dies sei vor allem eine Frage der Governance durch das Kanzleramt, findet Niebert. Es müsste nicht nur innerhalb der Allianz für Transformation für klarere Bekenntnisse sorgen, sondern auch die diversen Strategien der Bundesregierung und -ministerien besser vernetzen. “Die Zukunftsstrategie spielte zum Beispiel in den bisherigen Allianz-Runden keine Rolle. Und während sich unser Gremium mit der Kreislaufwirtschaft befasst hat, arbeitet das Umweltministerium parallel dazu an der Kreislaufwirtschaftsstrategie.” Auch eine Biomasse-Strategie sei separat in Arbeit – die ebenfalls zum Gesamtbild gehöre.
Nach den ersten drei Treffen der Allianz sei aber klar, dass das Gremium an sich funktioniert. Es lege “die Finger in die richtigen Wunden” und grundsätzlich sei allen Beteiligten die Notwendigkeit der Transformation klar. “Alte Debatten und Fronten, wie ich sie in der Kohlekommission erlebt habe, gibt es hier nicht”, sagt Niebert.
Nach welchen Kriterien das Kanzleramt die insgesamt knapp 50 regelmäßigen Teilnehmenden der Allianz berufen hat, sei unklar. Aus der Wirtschaft sind zum Beispiel BDI-Präsident Siegfried Russwurm, sowie die Spitzen von Thyssenkrupp und BASF dabei. Von den Gewerkschaften unter anderem DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi und Verdi-Chef Frank Werneke. Aus der Wissenschaft vertritt Gerald Haug die Leopoldina und Thomas Weber die Acatech. Außerdem ist Veronika Grimm von den Wirtschaftsweisen mit dabei. Niebert: “Insgesamt sind die Sozialpartner stark repräsentiert, Wissenschaft eher weniger und Vertreter von den Kirchen oder aus der Jugend, etwa vom Bundesjugendring, gibt es gar nicht.”
Welches Thema beim nächsten Treffen auf der Agenda stehen wird, wissen die Teilnehmer noch nicht. Das legt das Kanzleramt fest und lädt dann Einzelne zur Mitarbeit in den Taskforces ein. Vielleicht entwickelt sich mit der Zeit ja ein Gremium mit mehr Wumms.
20 Milliarden für 20 Jahre. Damit würde man bis 2050 – bei Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen – ein Fusionskraftwerk bekommen. Eines, das nach dem Prinzip der Magnetfusion funktioniert. Das ist die Botschaft eines aktuellen Leopoldina-FOKUS-Papiers mit den Autoren Sybille Günter, Thomas Klinger (beide Max-Planck-Institut für Plasmaphysik) und Wim Leemans (Desy).
Bereits in ihrer Analyse der aktuellen Situation legen die Autoren den Fokus auf die Magnetfusion. Mit dem Stellarator “Wendelstein 7-X” verfüge Deutschland über einen Forschungsreaktor, der weltweit als der modernste und vielversprechendste angesehen werde. Darauf aufbauend könne man einen “einen leistungsfähigen Prototypen für ein Fusionskraftwerk” entwickeln, heißt es in dem Leopoldina-Papier.
In Bezug auf die Forschung im Bereich der Laserfusion lautet die Bewertung immerhin, dass die jüngsten internationalen Durchbrüche “auch durch Komponenten ermöglicht wurden, die in Deutschland entwickelt wurden, z. B. im Bereich der Brennstoffträger (Targets) sowie der Hochleistungslaser”.
Im Weiteren konzentrieren sich die Autoren darauf, die Voraussetzungen für den Bau eines Kraftwerks zu benennen.
Um bis 2050 ein Kraftwerk zu bauen, müssten aus Sicht der Autoren die benannten Punkte bis 2030 “weit vorangetrieben” werden. “Die Leopoldina ist in diesem Punkt aus meiner Sicht nicht optimistisch genug”, sagte dazu FDP-Forschungspolitiker Stephan Seiter gegenüber Table.Media. Seiner Meinung nach könnte mit einer entsprechenden Forschungsförderung der Zeitpunkt für eine kommerzielle Nutzung deutlich vor 2050 erreicht werden.
Hinsichtlich des rechtlichen Rahmens zeigt Seiter sich zufrieden mit den Empfehlungen. Dieser sollte unabhängig vom Atomrecht gestaltet werden und “die niedrigeren Risiken dieser Technologie berücksichtigen”. Zu diesem Zweck wolle die FDP außerdem, dem Koalitionsvertrag entsprechend, räumlich begrenzte regulatorische Freiräume, sogenannte Freiheitszonen, einrichten. Ähnlich hatten sich vergangene Woche die geladenen Experten bei einer Anhörung im Forschungsausschuss geäußert.
Markus Roth, Mitglied der Geschäftsführung des Laserfusions-Start-ups Focused Energy und Professor an der TU Darmstadt, kritisiert eine Schieflage bei der Auswahl der Experten und der daraus entstehenden Empfehlungen durch die Leopoldina. Es sei zu beobachten, dass hier eine Lobby versuche, eine allzu intensive Förderung der Laserfusion in Deutschland zu vermeiden und die Geldströme weiterhin in Richtung der Magnetfusion zu leiten.
Die Leopoldina sieht hingegen beide Ansätze repräsentiert, auch wenn keiner der Autoren aktuell in der Laserfusionsforschung tätig ist. Wim Leemans sei schließlich bis 2019 beim Berkeley Lab Laser Accelerator (BELLA) Center tätig gewesen. Insgesamt hätten bei der Auswahl die Kompetenz und die wissenschaftliche Expertise der beteiligten Forscherinnen und Forscher im Vordergrund gestanden, teilte die Nationale Akademie auf Anfrage von Table.Media mit. Und: Da das Publikations-Format auf einem Gespräch des Präsidenten der Leopoldina, Gerald Haug, mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern beruhe, sei die Anzahl der Gesprächsteilnehmenden, und damit auch der Autoren, auf wenige Personen begrenzt.
Stephan Seiter betont: “Wichtig ist die Technologieoffenheit: Magnetfusion und Laserfusion bieten beide große Potenziale. Beide Bereiche brauchen derzeit noch Grundlagenforschung und dafür geschulte Forscher.” Im BMBF beurteilt man dies ähnlich und will in dem Leopoldina-Papier “keine Wertung, ob eine Technologie der anderen in Bezug auf eine Förderung vorzuziehen sei” sehen.
In der Branche ist man sich jedoch bewusst, dass angesichts der Haushaltslage irgendwann seitens der Politik Prioritäten gesetzt werden müssen. Falls es diese nicht bereits gibt: Insider berichten, dass ein großer Teil der von Bettina Stark-Watzinger versprochenen Milliarde für die Fusionsforschung bis 2028 bereits für die großen Zentren der Magnetfusionsforschung – München, Karlsruhe, Jülich – verplant sei.
Der Angriffskrieg auf die Ukraine hat Christoph Markschies zahlreiche Dinge deutlich gemacht. Allen voran seien ihm kollektive Versäumnisse der deutschen Wissenschaftslandschaft deutlich geworden: “Versäumnisse bei der Zusammenarbeit mit den Ländern, die wir etwas unglücklich mit dem Begriff ‘Osteuropa’ zusammenfassen, Versäumnisse aber auch dabei, Kompetenz an deutschen Wissenschaftseinrichtungen für diesen zum Kern Europas gehörenden Raum aufzubauen oder zu bewahren und öffentliche Aufmerksamkeit für die gegenwärtigen Folgen einer langen Geschichte dieser Region zu wecken.” Die BBAW hätte die Idee eines jungen Netzwerks TransEuropa, in dem jüngere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Ukraine in Kontakt kommen können, mit Kollegen und Kolleginnen aus anderen Gegenden Europas, schon viel früher haben sollen.
Die Krise habe ihm auch gezeigt, “dass die mir jedenfalls so selbstverständliche Grundvorstellung, dass sich der globale Kontext von Wissenschaft immer weiter in Richtung von mehr Demokratie und damit von mehr in demokratischen Verfassungsstaaten verbürgter Wissenschaftsfreiheit entwickelt”, sich leider als leicht naive Illusion herausgestellt hat. Deutlicher geworden sei, dass auch einmal errungene Freiheit von Wissenschaft entschlossen gegen ihre Feinde verteidigt werden muss. “Die Bedrohung durch autoritäre Gesellschaftsentwürfe beginnt zudem inzwischen im eigenen Land und nicht nur in europäischen Nachbarländern.” Auch da hätte man viel früher Verantwortung übernehmen sollen.
Das Dritte, das Markschies deutlich wurde, ist, wie sehr eine Krise dazu verführt, die “übrigen multiplen Krisen und ihre ganz praktischen Folgen für das Wissenschaftssystem partiell zu verdrängen oder jedenfalls die Arbeit daran zurückzustellen”. Deutschland habe, um ein Beispiel zu nennen, bei der Sanierung von Gebäuden deutscher Wissenschaftseinrichtungen im Blick auf Energieeffizienz, Klimaneutralität und bauliche Nachhaltigkeit einen außerordentlich großen Rückstand. Das betreffe keineswegs allein die Finanzen. “Wir müssen in der multiplen Krisensituation darauf achten, dass der seit langem bestehende Reformbedarf im Wissenschaftssystem und der damit verbundene Finanzbedarf nicht allzu sehr in den Hintergrund tritt.”
Der BBAW-Präsident sieht für die Zukunft drei Punkte: “Wir müssen erstens dringend darüber reden, ob das gegenwärtige, oft sehr bürokratische Finanzierungssystem der deutschen Wissenschaftseinrichtungen und die dafür verantwortlichen Strukturen wirklich dabei helfen können, mehr Innovation zu generieren.” Es sei ein System, in dem die Anträge immer länger geworden seien und die Evaluationen immer häufiger sowie immer aufwendiger. “Eine Beschleunigung des Tempos zugunsten von mehr Innovation setzt zuallererst eine Beschleunigung in den basalen Strukturen, insbesondere bei der Forschungsförderung voraus.”
Dazu kommen zweitens die Probleme, die die steilen Hierarchien in vielen Einrichtungen des deutschen Wissenschaftssystems verursachen. Die “Ich bin Hannah”-Debatte habe aus naheliegenden wie bekannten Gründen zunächst als eine Debatte über Vertragslaufzeiten für jüngere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler begonnen. Sie müsste sich aber zu einer Debatte über die problematischen hierarchischen Strukturen im System weiterentwickeln, “zu einer Diskussion darüber, ob die Architekturen in unseren Wissenschaftseinrichtungen zu hierarchisch sind, ob sie nicht viel stärker begabungsorientiert und auf Teamfähigkeit hin angelegt werden müssten”.
Als dritten Punkt kritisiert Markschies eine “sehr starke Mechanisierung und Zahlenorientierung von Verfahren” als problematische Strategie, Schwierigkeiten in den Griff zu bekommen. Zu viel Mechanisierung und Zahlenorientierung in der Wissenschaftsförderung seien ein Übel und zielen genau in die falsche Richtung.
Markschies plädiert für eine entschlossene, gemeinsame, zügige und grundsätzliche Revision der Förder- wie Evaluationsmechanismen und der hierarchischen Strukturen unseres Wissenschaftssystems, in deren Vollzug vieles überprüft und gleichsam entschlackt werden muss. “Die Universitäten und anderen Wissenschaftseinrichtungen müssen sich im Zuge solcher Entschlackungsprozesse noch viel stärker dahingehend öffnen, dass junge Talente von überall her attrahiert werden und ganz früh Freiheiten haben, um alles das zu tun, was ihnen Innovatives einfällt.” Dazu brauche es mehr Vertrauen im System.
Das ganze Interview lesen Sie in unserer Rubrik “Was jetzt, Forschung?” Diese Reihe enthält Impulse aus den Gesprächen u. a. mit Jan Wörner (Acatech), Rafael Laguna de la Vera (Sprind), Volker Meyer-Guckel (Stifterverband), Georg Schütte (VolkswagenStiftung), Otmar D. Wiestler (Helmholtz-Gemeinschaft) und Walter Rosenthal (Uni Jena).
10. Oktober 2023, 17:30 – 22:00 Uhr, Fraunhofer-Forum in Berlin
Abendveranstaltung Datenökonomie trifft Datenschutz – Daten nutzen, Kontrolle behalten Mehr
1.-10. November 2023, Berlin
Wissenschaftsfestival Berlin Science Week Mehr
7.-9. November 2023, Berlin
Konferenz Falling Walls Science Summit 2023 Mehr
15.-17. November 2023, Bielefeld
Konferenz Forum Wissenschaftskommunikation – Kontrovers, aber fair – Impulse für eine neue Debattenkultur Mehr
16. November 2023, Wilhelm Büchner Hochschule, Darmstadt
Tagung WBH Wissenschaftsforum 2023 – “Transformation gestalten” Mehr
Claudia Goldin wird für ihre Forschung zur Rolle von Frauen auf dem Arbeitsmarkt mit dem diesjährigen Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet. Das gab die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften am Montag in Stockholm bekannt.
Goldin habe die wichtigsten Treiber für Geschlechterunterschiede in der Arbeitswelt aufgedeckt. Sie habe den ersten umfassenden Beitrag über das Einkommen und die Teilhabe von Frauen auf dem Arbeitsmarkt im Laufe der Jahrhunderte geliefert, sagte der Vorsitzende des zuständigen Nobelkomitees, Jakob Svensson. Ihre Forschung decke zum einen die Ursachen des Wandels auf, zum anderen aber auch die Hauptursachen für die noch immer verbleibende Kluft zwischen den Geschlechtern. “Frauen sind auf dem globalen Arbeitsmarkt erheblich unterrepräsentiert und verdienen, wenn sie arbeiten, weniger als Männer”, stellte die Akademie fest.
Goldin wurde 1946 in New York geboren. Sie ist Professorin an der Harvard University und erst die dritte Frau, die den Wirtschaftsnobelpreis erhält. Unter den vorherigen 92 Preisträgern waren mit Elinor Ostrom 2009 und Esther Duflo 2019 erst zwei andere Wissenschaftlerinnen gewesen. Goldin ist die allererste Frau, die als Einzelpreisträgerin in der Kategorie auserkoren wurde: Häufig geht der Wirtschaftsnobelpreis an mehrere Ökonomen zugleich, die zum Beispiel im selben Forschungsfeld tätig gewesen sind. So war es auch bei Ostrom und Duflo der Fall.
In der Fachwelt gab es viel Zuspruch für die Auszeichnung von Goldin. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, bezeichnete die Wahl als “Weckruf für Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland für mehr Chancengleichheit”. In kaum einem vergleichbaren Land sei die Lohnlücke zwischen Mann und Frau mit im Schnitt 18 Prozent so groß wie in Deutschland, erklärte er.
“Claudia Goldin hat mit ihren Arbeiten unser Verständnis zu mehr Gleichberechtigung am Arbeitsplatz wesentlich erweitert”, sagte Achim Wambach, Präsident des Mannheimer Wirtschaftsforschungsinstituts ZEW. Ökonom Sascha Steffen von der Frankfurt School of Finance & Management kommentierte: “Besonders bemerkenswert sind ihre Erkenntnisse über das anhaltende Lohngefälle zwischen den Geschlechtern. Goldins Beiträge bilden eine wichtige Grundlage für politische Entscheidungen und künftige Forschungen.”
Einziger deutscher Wirtschaftsnobelpreisträger ist bislang der Bonner Wissenschaftler Reinhard Selten gewesen. Er erhielt die Auszeichnung 1994 gemeinsam mit John Nash und John Harsanyi für ihre wegweisenden Beiträge zur nichtkooperativen Spieltheorie. nik / dpa
Das US-Unternehmen Amazon bietet bald nicht nur den Versand von Waren aller Art und Speicherplatz in der Cloud. In naher Zukunft will es mit dem Satelliten-Netz Kuiper auch zur Breitband-Internetversorgung aus dem All beitragen. So wie es derzeit die Starlink-Satelliten von Elon Musks Weltraumfirma SpaceX tun. Am vergangenen Freitag hat Amazon in Cape Canaveral in Florida die ersten Test-Satelliten für sein geplantes System zur Internet-Versorgung aus dem All gestartet.
Die Satelliten KuiperSat-1 und KuiperSat-2 hätten nach dem Start in Florida planmäßig die Verbindung zur Bodenstation hergestellt, teilte Amazon danach mit. Die Firma will in den kommenden Jahren gut 3.200 Satelliten bauen und ins All bringen. Sie werden in einer relativ niedrigen Umlaufbahn in etwa 500 Kilometern Höhe stationiert. Herkömmliche Satelliten befinden sich dagegen in Zehntausenden Kilometern Höhe. Der Dienst ist zum Beispiel für Telekommunikationsfirmen interessant, die in entlegenen oder dünn besiedelten Gebieten keine teure Infrastruktur aufbauen wollen.
Anfang 2024 sollen die ersten regulären Kuiper-Satelliten ins All gebracht werden, Ende des Jahres soll der Betrieb für erste Testkunden beginnen. Eine Neuerung gibt es: Die beiden Test-Satelliten sollen nach Abschluss der Versuche in der Erdatmosphäre verglühen. Auf diese Weise soll die Entstehung von Weltraumschrott verhindert werden.
Musks Starlink wird auch von der Ukraine genutzt, wo die russischen Truppen in ihrem Angriffskrieg gezielt die Telekommunikationsnetze beschädigten. Allerdings sagte der Tech-Milliardär jüngst, dass er einen ukrainischen Angriff auf die russische Schwarzmeerflotte verhindert habe, weil er sich weigerte, die Starlink-Abdeckung in dem Gebiet zu aktivieren. abg mit dpa
Atinuke Chimene (University of Calgary) und Marwa Shumo (Zentrum für Entwicklungsforschung, Universität Bonn) erhalten in der Kategorie “Innovation” den Preis Women Breakthrough of the Year, den die Falling Walls Foundation und die Elsevier Foundation erstmals verleihen. In der Kategorie “Gender Mainstreaming” wird Sudeshna Das (Indian Institute of Technology Kharagpur) ausgezeichnet, Simangele Shakwane (Universität von Südafrika) gewinnt in der Kategorie “Empowerment”. Der neu geschaffene, mit 3.000 Euro dotierte Preis wird an Wissenschaftlerinnen für ihre visionäre Forschung und ihr Engagement für Fragen der Geschlechtergerechtigkeit und Gleichstellung in der Wissenschaft verliehen.
Gerd Heusch wird Sekretar der Klasse Naturwissenschaften und Medizin der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste (AWK). Heusch ist Direktor des Instituts für Pathophysiologie an der Universität Duisburg-Essen und dem Universitätsklinikum Essen.
Kai Sassenberg ist neuer Direktor des Leibniz-Instituts für Psychologie (ZPID). Er wechselt vom Leibniz-Institut für Wissensmedien (IWM), wo er seit 2007 die Arbeitsgruppe Soziale Prozesse leitete und in der Psychologie eine Professur an der Eberhard Karls Universität Tübingen innehatte. Sassenberg folgt am ZPID auf Claudia Dalbert.
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Africa.Table. Implementierung der SDGs kommt in Afrika nur schleppend voran. Afrika hängt bei der Umsetzung der Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen hinterher. Ein Grund ist die drückende Schuldenlast. Es fehlt nicht am politischen Willen, sondern am Geld und am Wirtschaftswachstum. Mehr
Europe.Table. Polen: Energiewende im Wartesaal. In Polen wurde die Energiewende eingeleitet. Die Wahlen am nächsten Wochenende werden darüber entscheiden, ob sie beschleunigt wird oder nicht. Mehr
Europe.Table. Wegen Krebsgefahr: Neue EU-Nitrit-Grenzwerte für Lebensmittel. In der EU gelten künftig neue Grenzwerte für Nitrite und Nitrate in Lebensmitteln. Die neuen, deutlich reduzierten Grenzwerte für Zusatzstoffe senken die Belastung durch krebserregende Stoffe, wie die EU-Kommission am Freitag in Brüssel mitteilte. Mehr
In der deutschen Wirtschaft herrscht Flaute. Die Bestellungen an die Industrie sind um zwölf Prozent gefallen. Entsprechend negativ sind die Prognosen. So rechnet beispielsweise das ifo-Institut mit einem Rückgang der deutschen Wirtschaftsleistung um 0,4 Prozent in diesem Jahr. Das ist nicht nur ein vorübergehendes konjunkturelles Problem. Vielmehr steht unsere Wirtschaft vor tiefgreifenden transformativen Aufgaben bei Mobilität, Energie, Digitalisierung – und Studien wie das World Competitiveness Ranking weisen hier auf eine sinkende Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands hin. Angesichts dieser trüben Aussichten liegt die Hoffnung auf einem Aufbruch in Forschung und Innovation. Dafür braucht es eine gemeinsame nationale Anstrengung, die Prioritäten setzt und Kräfte entlang von klaren Missionen bündelt.
Die Bundesregierung hat als Antwort darauf im Februar die Zukunftsstrategie vorgelegt. Nun ist es Zeit für ein erstes Zwischenfazit. Die Strategie sei der Kompass, mit dem die Forschungs- und Innovationspolitik der Bundesregierung neu und zielgenauer ausgerichtet werde. Sie bündele ressortübergreifend Anstrengungen und Ressourcen, setze spürbar Akzente für den Umgang mit den Herausforderungen. So der öffentlich formulierte Anspruch. Der “Kompass” wurde schon bei seiner Veröffentlichung im Februar ergänzt um eine 15-seitige Sammlung von sogenannten strategieähnlichen Maßnahmen aller Ressorts inklusive des Versuchs, diese Vielfalt den Missionen zuzuordnen. Das zeigt: Von einer gemeinsamen, fokussierten und orchestrierten Anstrengung sind wir noch weit entfernt.
Gleichzeitig gibt es in der Zukunftsstrategie spannende Elemente, die Potenzial hätten, die Steuerung und Prioritätensetzung in der Forschungs- und Innovationspolitik neu zu denken: Die Missionsteams als ressortübergreifende Taskforces – nicht als koordinierende Arbeitsgruppen, sind eine vielversprechende Idee; die auf konkrete – auch quantitative – Ziele lassen hoffen. Und auch das Begleitgremium Forum #Zukunftsstrategie ist diesmal nicht in erster Linie mit Funktionsträgern, sondern mit Expertise entlang der Missionen besetzt.
Aber die Missionsteams wurden nicht als neue starke Governance aufgesetzt, die Ziele nicht priorisiert und so bleibt von außen der Eindruck, dass es eher eine Gesamterzählung der Aktivitäten ist als eine Umsetzungsstrategie, die Prioritäten setzt. Das Forum #Zukunftsstrategie hat nun seine Arbeit aufgenommen und muss es richten. Die Erwartung ist klar: keine Grundsatzpapiere auf Hochglanzpapier, sondern Handlungsorientierung und Umsetzungsvorschläge.
Es ist an der Zeit, hier mutiger zu sein. Rückläufige Ressourcen müssen so gebündelt werden, dass unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit in Forschung und Innovation gesichert wird. Dabei spielen drei Aspekte eine wesentliche Rolle:
Vielstimmigkeit in der Beratung und Silodenken im Handeln überwinden: Zukunftsrat, Allianz für Transformation, Forum #Zukunftsstrategie – mindestens drei von der Politik eingesetzte Gremien diskutieren die Frage, was für eine erfolgreiche Transformation notwendig ist. Papiere und Empfehlungen sind ausreichend formuliert, es braucht kluge Umsetzungsideen. Ich befürchte, hier kommen die Gremien – auch aufgrund ihrer begrenzten Mandate – an ihre Grenzen.
Statt Diskussionen benötigen wir ein an gemeinsamen Roadmaps orientiertes und orchestriertes Handeln. Die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) hat hier einen wichtigen Vorschlag eingebracht. Sie empfiehlt in ihrem Gutachten 2023, die Verantwortung in einem ständigen Regierungsausschuss für Forschung und Innovation ressortübergreifend zusammenzuführen. Dann gäbe es einen legitimierten Ort für die Orchestrierung – für Abstimmung und Koordination, Überprüfung, Monitoring und Anpassung. Vor allem gäbe es eine gemeinsame strategische Verantwortung und Verbindlichkeit. Das gefällt mir an dem Vorschlag.
Strategien könnten so wirksam zusammengeführt werden. Aktuell scheint das trotz des ressortübergreifenden Charakters der Zukunftsstrategie nicht immer der Fall. Das zeigt sich beispielsweise im wichtigen Handlungsfeld Datenpolitik, in dem das Forschungsministerium und weitere Ressorts ihre einzelnen Projekte und Strategien vorantreiben.
Chance für gemeinsames Handeln von Bund und Ländern in der Innovations- und Forschungspolitik endlich nutzen: Bei allen Überlegungen bewegen wir uns aktuell lediglich auf der Ebene des Bundes. Aber auch auf der Landesebene entstehen Forschungs- und Innovationsstrategien. Eine Analyse hat gezeigt: Es werden überall ähnliche Schwerpunkte in der Förderung gesetzt, ein gemeinsames Zielbild ist nicht zu erkennen. So haben wir vielleicht am Ende viele kleine regionale Zentren wie beispielsweise für KI, aber national keine kritische Masse, um international mitreden zu können. Wo ist der Dialograum, in dem nationale Schwerpunkte verhandelt werden? Wo ist die gemeinsame Verantwortung von Bund und Ländern, im Interesse eines starken nationalen Forschungs- und Innovationsstandortes?
Umsetzung gemeinsam durch Roadmapping beschleunigen: Neben gemeinsamer strategischer Verantwortung und Verbindlichkeit braucht es aber auch Beschleunigung in der Umsetzung. Hier scheinen wir geradezu festzustecken in bisherigen Routinen. Warum nicht einfach einmal eine andere Methode des politischen Handelns ausprobieren? Der Stifterverband schlägt Roadmapping als Beschleunigungsansatz vor. Roadmaps beschreiben mögliche Entwicklungspfade vom Status quo zum Ziel. Am Ende geht es um den richtigen Fokus unserer Anstrengung. In der Beschleunigungsformel für Deutschland definieren wir drei Faktoren für den Umsetzungserfolg von Zukunftsmissionen: mutige und klar definierte Roadmaps, Fokus auf Katalysatoren, die die Roadmaps befördern, und eine mit wirklichem Mandat ausgestattete Orchestrierung.
Und das bringt mich zurück zum Forum #Zukunftsstrategie. Der Ort der mandatierten Orchestrierung scheint bei allen Gremien, die es aktuell gibt, zu fehlen. Ich wünsche mir mehr Mut – sowohl zur Anwendung eines neuen methodischen Ansatzes als auch zum Übergang vom “Diskutieren” zum “Umsetzen”. Viel Zeit bleibt nicht. In 18 Monaten beginnt der nächste Wahlkampf!