Table.Briefing: Research

Kritik: Tenure Track in Deutschland nicht fair + Dati: Keine Einigung, kein Chef + USA: Steuergutschriften als extra money für FuE

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Diskussion über Tenure Track in Deutschland hat im Streit um die Reform der wissenschaftlichen Karrierewege deutlich Auftrieb erhalten. Der Historiker Hartwin Brandt äußerte – in einem Gastbeitrag für die FAZ – deutliche Kritik am Verständnis und der Ausgestaltung des Tenure Track in Deutschland. Wir wollten mehr wissen. Er empfinde die Pläne zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz als Frechheit, erklärt Brandt nun im Gespräch mit Tim Gabel.

Ein neuer Leitfaden der Humboldt-Universität weist auf den oft übersehenen Unterschied zwischen Wissenschaft- und Meinungsfreiheit hin. Die Handreichung soll unter anderem dann eine Hilfestellung sein, wenn Forschende sich öffentlich zu sogenannten Trigger-Themen äußern. Was steht drin? Meine Kollegin Anne Brüning hat nachgefragt.

Alexandra Kaiser hat Regionalstudien China und Rechtswissenschaften in Köln studiert. Sie ist derzeit an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und der Academia Sinica in Taiwan tätig. In einem Standpunkt übt sie Kritik an aktuellen Entwicklungen in Deutschland. Es sei eine Sache, auf das Risiko einer chinesischen Einflussnahme und Spionage hinzuweisen, einen Generalverdacht zu suggerieren sei hingegen hochproblematisch und auch wenig konstruktiv.

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Ihre
Nicola Kuhrt
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Analyse

Verkauf von Steuergutschriften in den USA: Warum vor allem Start-ups profitieren

Auf die jüngste Transaktion ist man bei First Solar besonders stolz. Schließlich ist sie nicht weniger als eine der ersten ihrer Art. Für bis zu 700 Millionen Dollar will der amerikanische Photovoltaikhersteller ihm zustehende Steuergutschriften veräußern. Der Käufer, US-Finanzdienstleister Fiserv, zahlt 96 Cent für jeden Dollar, den sich First Solar beim Staat erstatten lassen könnte. Firmenchef Mark Widmar sieht sich damit als Vorreiter. “Diese Vereinbarung schafft einen wichtigen Präzedenzfall für die Solarbranche”, sagt er

Der Handel mit Tax Credits wird zum Milliardenmarkt

Mit milliardenschweren Förderungen aus dem Inflation Reduction Act lockt die US-Regierung derzeit Privatkapital für grüne Technologien an. Investieren Unternehmen beispielsweise in erneuerbare Energieprojekte, qualifizieren sie sich für üppige Steuergutschriften. Doch die Empfänger sind nicht gezwungen, die Ansprüche auch selbst einzulösen. Sie können ihre Gutschriften niedrigschwellig weiterverkaufen, nachdem die US-Regierung den Prozess dafür im vergangenen Jahr erleichtert hat. Die Maßnahme zeigt bereits Wirkung: Der Handel mit den Tax Credits wächst zu einem Multimilliardenmarkt heran. Experten sehen darin besonders für Start-ups im Cleantech-Bereich eine große Chance. 

Mit dem Prinzip der Übertragbarkeit will die US-Regierung ermöglichen, dass Unternehmen die zugesagten Steuererleichterungen auch voll ausnutzen können. Denn oft zeigt sich ein praktisches Problem: Machen anspruchsberechtigte Firmen keine Gewinne, müssen sie keine Körperschaftssteuer zahlen – und können so auch einige Erleichterungen gar nicht erst geltend machen. Daneben kann es mehrere Jahre dauern, bis die US-Behörden die vollständigen Steuerrückerstattungen anrechnen. Über den Verkauf ihrer Ansprüche können sich Unternehmen deutlich früher Liquidität beschaffen. Käufer wiederum profitieren von den Abschlägen, die ihnen die Verkäufer gewähren. Laut den Daten des US-Finanzdienstleisters Reunion lag der Preis je Dollar an Steuergutschrift im vergangenen Jahr zwischen 0,88 und 0,95 Dollar – abhängig von der Art der Gutschrift.

Kapitalzugang für neue Technologien verbessert sich

Insgesamt elf Gutschriftentypen kommen für eine Übertragbarkeit infrage, darunter für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen, neue Technologien zur Kohlenstoffabscheidung oder Investitionen in sauberen Wasserstoff. Bereits für das vergangene Jahr wurde das Volumen an übertragbaren Gutschriften auf sieben bis neun Milliarden Dollar geschätzt, erklärt die Beratungsgesellschaft KPMG auf Anfrage von Table.Briefings. “Wir gehen davon aus, dass sie im Jahr 2026 vier- bis fünfmal so groß sein werden”, sagt KPMG-Energieexperte George Ward. Schließlich würden in den Jahren 2024 und 2025 viele Tax Credits zum ersten Mal zum Tragen kommen, wenn anspruchsberechtigte Unternehmen ihre neuen Projekte in Betrieb nehmen. Ein Beispiel: “Einer unserer Kunden beanspruchte im Jahr 2023 Gutschriften in Höhe von fünf Millionen Dollar. Wir erwarten, dass dieser Kunde im Jahr 2025 über 100 Millionen Dollar an übertragbaren Gutschriften beanspruchen wird”, sagte Ward. 

Und so haben sich längst auch erste Abwickler auf die Gutschriftentransaktionen spezialisiert, darunter etwa Crux Climate. Das US-Unternehmen will auf seiner Plattform zwischen Anbietern und potenziellen Käufern sowie Banken und Steuerberatern vermitteln. Aus Sicht der Gründer ist das besonders für grüne Start-ups eine enorme Chance. “Die Übertragbarkeit hat den Kapitalzugang für kleinere Projekte und neue Technologien erheblich verbessert”, erklärte Crux Climate-Mitbegründer Alfred Johnson im Gespräch mit Table.Briefings. Schließlich könnten sie ihre Gutschriften direkt an Dritte verkaufen – und so zu oft dringend benötigter Liquidität umwandeln.  

Bürokratische Hürden fallen weg

Das zeige sich auch in den Zahlen, sagte Johnson. Laut einer aktuellen Studie von Crux Climate entfielen im vergangenen Jahr rund 80 Prozent der Transaktionen auf Projekte, die jeweils ein Volumen von weniger als 50 Millionen Dollar aufwiesen. Vorhaben dieser Größe seien bislang oft zu klein gewesen, um einen traditionellen Steuerbeteiligungsinvestor anzuziehen, sagte Johnson. Zwar ist das Veräußern von Tax Credits in den USA nicht neu. Insbesondere in der Solarbranche basiert die amerikanische Förderpolitik seit Jahrzehnten auf Steuergutschriften. In der Regel mussten Kapitalgeber aber Miteigentümer der Projekte werden, um die erteilten Steuergutschriften in Anspruch zu nehmen – eine hohe Hürde, die nun wegfällt

Unternehmen wie der US-Finanzdienstleister Reunion sprechen bei den Transaktionen aber auch von zwei Kernrisiken. Zum einen sollten Käufer sicherstellen, dass die Tax Credits auch ordnungsgemäß beantragt worden sind – sie also formelle Fehler ausschließen können. Zum anderen sollten sie sich gegen mögliche Rückforderungen durch die Steuerbehörden absichern, rät das Unternehmen. Je nach Gutschriftentyp drohen diese etwa dann, wenn ein Investitionsprojekt innerhalb einer bestimmten Frist doch noch scheitert oder veräußert wird. Weil der Käufer das Risiko trägt, beinhalten die Verträge oft Entschädigungsklauseln. Daneben sichern sich Käufer häufig auch über spezielle Steuergutschriftsversicherungen ab. Die Höhe der Police hängt dann von der jeweiligen Deckung und dem geschätzten Risiko ab. 

Geld fließt in Investitionen in FuE

Bei First Solar sorge die Transaktion dafür, dass der Hersteller “weiterhin in Schlüsselaspekte des Wachstums wie Forschung und Entwicklung” investieren könne, erklärte Finanzchef Alex Bradley in einer Stellungnahme. Mehr als zwei Milliarden Dollar sollen in neue Produktionsanlagen in Alabama und Louisiana fließen, außerdem will das Photovoltaikunternehmen seine bestehende Niederlassung in Ohio ausbauen. Und mit weiteren 370 Millionen Dollar soll ein Entwicklungszentrum in Perrysburg entstehen. Laurin Meyer, New York 

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Interview

Historiker Brandt: “Die deutsche Tenure Track-Terminologie ist Augenwischerei”

Herr Brandt, der Tenure-Gedanke ist in der Diskussion über die Reform der wissenschaftlichen Karrierewege en vogue. Tenure soll wirksam gegen befristete Kettenverträge in der Karriere des wissenschaftlichen Nachwuchses helfen und für mehr Planbarkeit sorgen. Sie sehen das anders?

Die Diskussion über den Tenure Track in Deutschland – in der ja terminologisch so getan wird, als redeten wir über eine Anleihe aus dem amerikanischen System – empfinde ich als unehrlich. Wenn wir den Tenure Track in Deutschland einführen wollen, dann müssten wir das so machen, wie in den USA. Aber das System unterscheidet sich. An einer amerikanischen Hochschule wird eine Assistenzprofessur ausgeschrieben. Das ist das Gegenstück zu dem, was wir vor der Bologna-Reform als akademische Räte oder Assistenten bezeichnet haben. Jeder Assistenzprofessor hat nach sechs Jahren eine Chance auf Tenure. Wenn Tenure erreicht wird, werden die Wissenschaftler Associate Professor und sind unbefristet, meist auf Lebenszeit im System. Das machen wir so nicht.

Sondern?

Wir bilden Menschen aus, die im Moment noch sechs Jahre im System bleiben dürfen. Wenn sie Glück haben, haben sie in der Zeit eine Habilitation geschafft und dann werfen wir sie auf einen Markt, der eigentlich kein echter ist. Und dann konkurrieren sie mit Leuten, die arriviert sind und ihren zweiten oder dritten Ruf bekommen wollen. Das ist keine faire Förderung von jüngeren Gelehrten und insofern ist die deutsche Tenure-Terminologie meines Erachtens Augenwischerei.

“Es kann nicht annähernd so viele Professoren-Stellen geben”

Im Bund-Länder-Programm, das tausend neue Tenure-Professuren bis 2032 schaffen will, ist aber eine unbefristete Beschäftigung bei erfolgreicher Tenure vorgesehen. Es soll ausschließlich Leistung bewertet werden.

Ich empfinde das ganze System als unehrlich. Es kann nicht annähernd so viele Stellen geben, dass jeder Postdoc durch Tenure an eine eigene Professur gelangen kann. Der Großteil wird durch das Raster fallen. Wir bilden, verschärft durch die gesamte Drittmittelkultur, Postdocs ‘noch und nöcher’ aus. Doch im System sind die Ressourcen, um diese zu verstetigen, überhaupt nicht vorhanden. Das System erzeugt eine Menge Leute Ende 30, Anfang 40, die im engeren Sinne für den normalen Arbeitsmarkt nicht berufsqualifiziert sind und an den Universitäten nicht unterkommen.

Sie zweifeln die politische Redlichkeit hinter dem an, was im Tenure Track-Programm oder bei der Novellierung des WissZeitVG mit der 4+2-Regelung, vorgesehen ist?

Die Pläne zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz empfinde ich als Frechheit. Denn damit wird der Druck auf die jungen Menschen verschärft, wenn sie nicht mal mehr sechs Jahre Zeit haben für ihre Habilitation oder eine vergleichbare Leistung. Nun soll man innerhalb von vier Jahren ein zweites Buch schreiben oder ein reguläres Habilitationsverfahren absolvieren und muss sich gleichzeitig schon auf Professuren bewerben, denn es wird diese Tenure-Stellen nicht für alle geben. Das ist wirklichkeitsfremd und ein brutales Verheizen dieser jungen Leute. Man kann eigentlich nur jedem davon abraten, diesen Weg einzuschlagen.

“Juniorprofessuren sind oft Herabstufungen oder Umwandlungen”

In ihrem FAZ-Gastbeitrag haben Sie den Vorwurf erhoben, dass sich die Tenure Track-Stellen aus bereits vorhandenen Vollprofessuren speisen. Dabei sieht das Bund-Länder-Programm doch explizit neue Stellen vor.

Hochschulleitungen greifen in der Tat zunehmend zum Mittel der (Neu-)Ausschreibung von vorher meist schon bestehenden W2- oder W3-Stellen als Juniorprofessuren, also W1 mit Tenure Track. Denn so lässt sich über Jahre viel Geld sparen. Eine sofortige vollwertige Neubesetzung freiwerdender Stellen im W2- oder W3-Format wäre nämlich deutlich teurer. Das sind also entweder Herabstufungen von bereits existierenden Professuren oder Umwandlungen von existierenden Mittelbaustellen. Da sich die Grundfinanzierung der Hochschulen und damit das Stellenvolumen insgesamt nicht sonderlich vermehrt hat, bedeutet das eine systematische Verschlechterung der Berufschancen für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Gewerkschaften und SPD fordern in der WissZeitVG-Debatte die alternativ diskutierte Lösung des 2+4-Modells in der Postdoc-Phase. Sehen Sie darin Vorteile?

Das würde ich noch mehr ablehnen, denn das verstärkt den Druck, angesichts der Annahme, dass es insgesamt nicht mehr Stellen gibt. Ich würde es als ehrlicher empfinden, wenn wir wie in den USA oder Großbritannien andere schlechter bezahlte Stellenkategorien, etwa Lecturer oder Reader einführen, die es unterhalb der Professur geben könnte – mit einer klaren Verstetigungsperspektive. So etwas ist in unserem System nicht vorgesehen. Oder wir müssten uns ehrlich machen und die Postdoc-Stellen, die ja vor allem in den Drittmittelprojekten gefördert werden, radikal beschneiden. Mit der jetzt geplanten Lösung bauen wir weiter einen Riesenbestand von qualifizierten Postdocs auf, die kaum eine Chance haben, an der Uni verstetigt zu werden.

“Für mehr Stellen eine schlechtere Bezahlung in Kauf nehmen”

Aber was ist die Alternative? Oft wird das Department-System in den USA herangezogen.

Das wäre eine Alternative, aber auch bei der muss man sich ehrlich machen. Es gibt, zum Beispiel in Großbritannien, numerisch sehr viel mehr Stellen, die sind aber alle schlechter bezahlt als bei uns. Ich denke, wenn Sie die jungen Leute fragen würden, dann würden sie für mehr Stellen eine schlechtere Bezahlung in Kauf nehmen. Es wird sicherlich auch einige geben, die sagen, dass wir damit das akademische Prekariat züchten. Aber aus meiner Sicht ist es ein großes Privileg in der Wissenschaft zu bleiben und ehrlicherweise kann man eine Stellenvermehrung nur erreichen, wenn man ein bisschen an den Einkommenshöhen herumschraubt. Aber das traut sich niemand zu sagen. Professoren in Deutschland gehören im europäischen Vergleich immer noch zu den bestbezahlten.

Sie sprechen ein weiteres Problem an: demnach sollen es Forschende, die früh ihre Habilitation erreichen, durch den Tenure Track schwerer haben, berufen zu werden. Angst vor einem Elitensterben?

Exzellente Nachwuchswissenschaftler, die schon früh habilitiert sind, sind de facto grundsätzlich ausgeschlossen von Juniorprofessoren mit Tenure Track. Sie werden in der ersten Sichtungsrunde aussortiert, mit dem Hinweis, sie hätten ja bereits das erreicht, was die neuen “iuniores” erst noch erreichen sollen. Es kann doch nicht sein, dass die besser qualifizierten Leute, die ebenfalls stellenlos sind, in die Röhre gucken, während wir die weniger Qualifizierten mit einer Lebenszeitperspektive versehen. Die Juniorprofessur mit Tenure Track ist eine hochproblematische Form der akademischen Postdoc-Förderung zulasten derjenigen, die schon keine Postdocs mehr sind.

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Termine

8. April 2024, 13:00 Uhr, Online
WZB-Reihe “Wissenschaft als Arbeitgeberin” Tobias Rosefeldt: Wie Organisationsstrukturen sich verändern: Vom Lehrstuhl zur Departmentstruktur? Mehr

22. April 2024, 10:30 bis 16:15 Uhr, Hannover Messe
Gipfel für Forschung und Innovation 2024 “Innovationen in Europa – Katalysatoren, Kompetenzen und Kooperationen am Beispiel von KI” Mehr

29. April 2024, 18 Uhr, Akademiegebäude am Gendarmenmarkt, Leibniz-Saal, Markgrafenstraße 38, 10117 Berlin
Podiumsdiskussion “Zum Stand der Wissenschaftsfreiheit in Europa” Mehr

27./28. Mai 2024, Dresden/International Congress Center Conference
Konferenz “Building Bridges for a Net Zero Future” Mehr

15./16. Mai 2024, Katholische Akademie in Bayern, Mandlstraße 23, 80802 München
XVII. Hochschulsymposium der Schleyer-Stiftung in Kooperation mit Heinz Nixdorf Stiftung und TU München “Nachhaltigkeit in der Wissenschaft: Notwendigkeiten neuer Formen der Zusammenarbeit” Mehr

News

Suche nach Dati-Chef wird von Ressortverhandlungen gebremst

Der Leiter der Dati-Gründungskommission, Stefan Groß-Selbeck.

Die Suche nach einer Leitung für die neu zu schaffende Dati wird nicht beginnen, bevor die Ressortverhandlungen zur Gründung der Transferagentur abgeschlossen sind. Das bestätigte heute der Leiter der Gründungskommission, Stefan Groß-Selbeck, im Gespräch mit Journalisten der Wissenschaftspressekonferenz (WPK). “Als Kommission stehen wir in den Startlöchern und sind bereit, die Ausschreibung zu starten. Wir gehen auch davon aus, dass es in naher Zukunft passieren wird”, sagte Groß-Selbeck auf Nachfrage von Table.Briefings.

Der Leiter der 16-köpfigen Dati-Kommission hatte vorher skizziert, was die Experten von der neuen Leitung der Dati erwarten, eine Stellenausschreibung scheint demnach unter den Kommissionsmitgliedern bereits abgestimmt zu sein.

Gründungspersönlichkeit und Grenzgänger mit hörbarer Stimme gesucht

“Unseres Erachtens braucht es eine Gründungspersönlichkeit mit Mut zum Neuaufbau einer Organisation und eine deutliche Stimme, die auch im politischen Diskurs gehört wird“, sagte Groß-Selbeck. Der oder die neue Leitungspersönlichkeit müsse zudem als Grenzgänger den Transfer verkörpern und Erfahrungen in mindestens zwei der drei für die Dati relevanten Bereichen, also Wirtschaft, Forschung und Hochschulen und öffentliche Verwaltung und Zivilgesellschaft, mitbringen.

Die Ressortabstimmung, die das BMBF einer Kabinettsbefassung vorgeschaltet hatte, hängt derzeit an Bedenken des BMWK, die es noch auszuräumen gilt. Nach Informationen von Table.Briefings befürchtet das Wirtschaftsministerium Doppelstrukturen und verweist dabei unter anderem auf seine Förderinitiative Startup Factories, in der hochschulübergreifende Ökosysteme mit “starker Einbindung in regionale und nationale Wertschöpfungsketten” etabliert werden sollen. Die Idee regionaler Communitys spielt auch bei der Dati eine zentrale Rolle.

Neben Grundlagenforschungs-Exzellenz auch Transfer-Exzellenz etablieren

Groß-Selbeck nahm das zum Anlass, den genauen Zuschnitt der Dati zu betonen. Auf die Frage von Table.Briefings, ob sich die Transferagentur mit Blick auf andere Initiativen überhaupt trennscharf auszugestalten sei, betonte er die Wirkung der Dati in der Breite: “Wir schauen auf die Wirkung, die eine Innovation in der Umsetzung hat, also den Impact, den die Forschung in der Welt schafft und nicht so sehr auf den Neuigkeitswert der Innovation selbst. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal unserer Förderung“, sagte Groß-Selbeck, der gleichzeitig Senior Partner der Boston Consulting Group ist.

In der Gründungskommission wünsche man sich, dass die Dati dabei helfen kann, “den Begriff der Transfer-Exzellenz zu etablieren”. Deutschland sei im Bereich Grundlagenforschung bereits exzellent, in Sachen Transfer gebe es Potenzial. “Die Dati sollte dafür Standards und notwendige Kriterien entwickeln und eine Reputationswirkung entfalten”. Die Förderung der Transferagentur solle niedrigschwellig und unbürokratisch sein, aber gleichzeitig ein Gütesiegel für exzellenten Transfer. Diese Anforderungen werden sich wohl auch im Konzept der Gründungskommission zum Aufbau der Dati wiederfinden, das, laut Groß-Selbeck, noch vor der Sommerpause finalisiert werden soll. tg

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Bayerische Universitätenkonferenz signalisiert Solidarität mit entlassenem UTN-Präsidenten Prömel

Ein am Freitag veröffentlichtes Statement der bayerischen Universitätenkonferenz “Universität Bayern e.V.” ist voll des Lobes über Hans Jürgen Prömel, den ersten Gründungspräsidenten der Technischen Universität Nürnberg (UTN). Offenbar ist das der Weg, den man gewählt hat, um Solidarität mit dem geschassten Präsidenten zu signalisieren.

Prömel scheidet Ende März nach drei Jahren Aufbauarbeit vorzeitig aus dem Amt. Vergangene Woche war bekannt geworden, dass die bayerische Landespolitik einen anderen Gründungspräsidenten auserkoren hat: den KI-Forscher Michael Huth, der im Oktober antritt.

Prömel engagierte sich für Zusammenwirken der bayerischen Unis

Prömel habe “die Universität bereits in dieser kurzen Zeit zu einer Marke geformt und durch Berufungen hochkarätiger Professorinnen und Professoren den Grundstein für eine erfolgreiche Weiterentwicklung gelegt”, wird der Vorsitzende von Universität Bayern Stefan Leible in dem Statement zitiert. Leible, er ist Präsident der Universität Bayreuth, betont zudem, dass sich Prömel “von Beginn an neben seiner Tätigkeit als Gründungspräsident auch aktiv und produktiv in die Diskussionen und das Zusammenwirken der bayerischen Universitäten eingebracht” habe.

Damit tritt das Gremium indirekt auch dem Gerücht entgegen, Prömel habe sich bei anderen Universitäten im Land unbeliebt gemacht, weil er Personal abwarb. Prömels Nachfolger Michael Huth wünscht die Universitätenkonferenz “eine glückliche Hand bei der Fortsetzung der Pionierarbeit und des erfolgreichen Kurses der Universität”.

Gründungskomitee: kein wissenschaftsgeleitetes Verfahren

Die externen Wissenschaftler des Founding Steering Board der UTN üben scharfe Kritik an der bayerischen Staatsregierung, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet. “Uns tut die Art und Weise weh, wie Politik hier mit Wissenschaft umgeht”, sagte Harald Kainz, ehemaliger Rektor der TU Graz. “Hier wird einer rausgeschmissen und vom Ministerium durch einen Neuen ersetzt, das ist kein wissenschaftsgeleitetes Verfahren”, kommentierte Petra Gehring, Professorin für Philosophie an der TU Darmstadt. Das sei ein einmaliger Vorgang in der Hochschullandschaft, der derzeit bundesweit diskutiert werde. “Wir haben die große Sorge, dass der Politik gar nicht klar ist, was für ein Trauma da entsteht.” abg

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HU Berlin veröffentlicht Handlungsempfehlungen im Umgang mit Trigger-Themen

Auf den oft übersehenen Unterschied zwischen Wissenschafts- und Meinungsfreiheit weist ein neuer professionsethischer Leitfaden der Humboldt-Universität hin. Er soll unter anderem dann eine Hilfestellung sein, wenn Forschende sich öffentlich zu sogenannten Trigger-Themen äußern. Denn bei Diskussionen über den Klimawandel, den Umgang mit Pandemien oder andere konfliktträchtige Themen werden sie häufig mit unsachlicher, einseitiger und verzerrter Kritik konfrontiert.

Der Leitfaden wurde über zwei Jahre von zwei Arbeitsgruppen erarbeitet und jüngst vom Akademischen Senat verabschiedet. Beteiligt waren verschiedene Statusgruppen. “Uns war wichtig, diese Handreichung in einem Prozess der Selbstverständigung von Forschenden zu erarbeiten”, sagt HU-Präsidentin Julia von Blumenthal.

Umstrittene Thesen nicht als unkontrovers ausgeben

Das Papier will für einen angemessenen und verantwortungsbewussten Umgang mit konfliktträchtigen Situationen und Themen in der Öffentlichkeit sensibilisieren. Es zeigt anhand von sechs Fallkonstellationen auf, wie Forschende ihre besondere Verantwortung wahrnehmen können. Dazu gehören:

  • bei öffentlichen Veranstaltungen darauf zu achten, die Sprecherrolle deutlich zu machen – also kenntlich zu machen, ob man sich zu einem Thema äußert, zu dem keine spezielle fachliche Expertise vorliegt
  • Transparenz beim Vertreten von umstrittenen Thesen, sie also nicht als unkontrovers ausgeben
  • Veranstaltungen im Team planen, im Vorfeld Stakeholder einbeziehen.

Interessant mit Blick auf die Debatte über das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit erscheint der in dem Leitfaden enthaltene Appell, “sehr sorgfältig” mit der Behauptung umzugehen, man würde in der Wissenschaftsfreiheit eingeschränkt. “Wissenschaftsfreiheit umfasst selbstverständlich nicht das Recht, sich auf öffentlichen Veranstaltungen unwidersprochen zu äußern oder von auch scharfer Kritik verschont zu bleiben. Sie begründet auch nicht den Anspruch, zu bestimmten Veranstaltungen eingeladen zu werden.” abg

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Korea wird Horizon Europe beitreten

Iliana Ivanova, EU-Kommissarin für Innovation, Forschung, Kultur, Bildung und Jugend, und Lee Jong Ho, koreanische Ministerin für Wissenschaft und Informations- und Kommunikationstechnologie, haben am Montag die Verhandlungen über die koreanische Assoziierung an Horizon Europe abgeschlossen.

Die Unterzeichnung des Abkommens wird voraussichtlich im zweiten Halbjahr 2024 erfolgen, bis dahin sollen alle erforderlichen Ratifizierungsverfahren auf beiden Seiten abgeschlossen sein. Die Teilnahme Koreas am Horizon Europa-Programm wird ab 2025 möglich sein. “Dies ist ein Meilenstein für unsere Zusammenarbeit und großartige Neuigkeiten für die globale Wissenschaft und Innovation. Gemeinsam können wir die globalen Herausforderungen besser bewältigen”, sagte Iliana Ivanova.

Forscher und Organisationen in Korea Mittel können ab Mitte 2025 Fördermittel im Rahmen der zweiten Programm-Säule von Horizon erhalten. Diese ist der größte kooperative Bereich des Programms, dessen Schwerpunkt auf gemeinsamen globalen Herausforderungen liegt: Klima, Energie, digitale Wirtschaft und Gesundheit. Das Budget umfasst 53,5 Milliarden Euro.

Zusammenarbeit auch ohne geografische Nähe

Die Assoziierung mit Horizon Europa ist ein wichtiges Instrument des globalen Ansatzes Europas für die Zusammenarbeit in Forschung und Innovation. Es ist die engste Form der internationalen wissenschaftlichen und technologischen Zusammenarbeit zwischen der EU und einem Nicht-EU-Land.

Traditionell wurde diese Form der Zusammenarbeit von der Union Ländern in ihrer geografischen Nähe angeboten. Mit dem Programm Horizon Europa wurde erstmals die Möglichkeit eingeführt, Länder mit einem starken Wissenschafts-, Innovations- und Technologieprofil, das nicht unbedingt in der geografischen Nähe der EU angesiedelt ist, ansprechen zu können. nik

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Standpunkt

Handlungsempfehlungen zu Forschungskooperationen sind ohne China-Kompetenz wertlos

Von Alexandra Kaiser

Die China-Strategie der Bundesregierung betont, dass die China-Kompetenz in Deutschland ausgebaut werden muss. Dass die China-Kompetenz in den eigenen Regierung-Reihen ausbaufähig ist, zeigen Aussagen von Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger, die hinter jedem Forschenden die kommunistische Partei vermutet. Solche Aussagen sind tendenziös und laufen Gefahr, einen Generalverdacht gegenüber chinesischen Wissenschaftler*innen zu suggerieren.

Es ist eine Sache, auf das Risiko einer chinesischen Einflussnahme und Spionage hinzuweisen, einen Generalverdacht zu suggerieren ist hingegen hochproblematisch und auch wenig konstruktiv. Solche Aussagen heizen lediglich Debatten an, führen aber zu keiner Lösung. Es mag Hochrisikobereiche geben, in denen das Spionagerisiko deutlich erhöht ist, aber das betrifft bei weitem nicht alle Bereiche, sodass ein genereller Ausschluss chinesischer Wissenschaftler*innen weder sinnvoll noch zielführend erscheint.

Konkrete Umsetzung von Empfehlungen bleibt ungeklärt

Die Frage der wissenschaftlichen Zusammenarbeit mit China wurde nicht nur hitzig diskutiert. Es folgte eine Reihe von Handlungsempfehlungen, die grundsätzlich auf einige wichtige Punkte hinweisen, deren konkrete Umsetzbarkeit aber ungeklärt bleibt. In Deutschland publizierte erst jüngst der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) Handlungsempfehlungen, die wenig Substanz enthalten, weil sie sehr abstrakt und vage bleiben.

Besonders problematisch erscheint, dass die Anwendung solcher Handlungsempfehlungen fundierte China-Kenntnisse voraussetzen. Eine Kompetenz, die in vielen Fällen nicht vorhanden ist und auch nicht vorhanden sein kann. Weshalb sollte eine Hochschulverwaltung ausgewiesene China-Expertise mitbringen? Warum sollte ein/e Ingenieur*in oder Biolog*in parallel China-Expert*in sein?

Wissen über chinesisches Hochschulsystem muss ausgebaut werden

Als Regionalwissenschaftlerin agiere ich mit einem anderen Hintergrundwissen. Allerdings muss ich offen gestehen, dass auch ich vor meiner Forschung zu dem Thema Wissenschaftsfreiheit in China nur ein rudimentäres Verständnis vom chinesischen Hochschulsystem besaß. Fundierte Informationen zu den gesetzlichen und praktischen Rahmenbedingungen des Hochschulbetriebs in China konnten wir erst im Rahmen unseres Forschungsprojekts erheben. Ohne ein derartiges Hintergrundwissen bieten die diversen Handlungsempfehlungen eigentlich keine Unterstützung.

Aufgrund der Sensibilität der Forschungsfrage haben wir uns gegen Feldforschung in China entschieden. Daher habe ich Interviews – mit Wissenschaftler*innen, die selbst in China tätig waren und/oder zu China forschen – in Europa, Hongkong und Taiwan geführt. Die Erkenntnis: Viele Annahmen, die es über das chinesische Wissenschaftssystem gibt, sind rein anekdotischer Natur oder von Pauschalannahmen geprägt, die nicht belegbar sind.

Pauschalannahmen und Unsicherheit führen zu Handlungsunfähigkeit

Derartige Pauschalannahmen und die daraus resultierende Unsicherheit führen nicht selten zu maximaler Passivität. Die Annahme, dass jedes Parteimitglied auch automatisch eine Parteizelle ist, ist etwa hochproblematisch und zeugt von Unwissenheit. Eine reine Parteimitgliedschaft sagt nämlich wenig aus und ist nicht unüblich. Viel zentraler ist die konkrete Rolle, die eine Person in dem System spielt. Solche Pauschalannahmen wurden vor allem von Wissenschaftler*innen getroffen, die sehr unbedarft nach China gegangen waren. In anderen Fällen wurde ein differenzierteres Bild gezeichnet.

Meine Forschung behandelt zentrale Aspekte der Wissenschaftsfreiheit in China, sprich Lehr- und Forschungsfreiheit und institutionelle Autonomie. Ziel ist es, damit die Lücke mangelnder Kenntnis über das chinesische Wissenschaftssystem zu schließen und eine Anleitung zu bieten, damit Handlungsempfehlungen zielführend umgesetzt werden können.

Vertiefte Kenntnisse machen sinnvolle Generalisierungen möglich

Das chinesische Wissenschaftssystem ist aufgrund der engen Verwebung mit dem Parteistaat und der Vielzahl an Rechtsvorschriften hochkomplex. Beispielsweise sind Pauschalaussagen über parteiliche Einflussnahme gar nicht so einfach. Dennoch sind auf der Grundlage von Kenntnissen über die Organisationsstruktur chinesischer Hochschulen und einschlägiger Vorschriften über die Lehr- und Forschungsfreiheit Generalisierungen möglich, sprich gewisse Rahmenbedingungen gelten für alle.

In den letzten Jahren haben sich beispielsweise die politischen Anforderungen an Wissenschaftler*innen in China verschärft, sprich das Commitment gegenüber dem Parteistaat wird offener eingefordert und muss in Publikationen oder Drittmittelanträgen artikuliert werden. Kritik an der politischen Agenda der chinesischen Regierung ist hingegen schwieriger geworden.

Auseinandersetzung minimiert Risiken in konkreten Kooperationen

Setzt man sich damit auseinander, können Risiken minimiert werden. Ein grundlegendes Verständnis über die Organisation chinesischer Hochschulen ist wichtig, um die Rolle der Verhandlungspartner besser einordnen zu können und einen Generalverdacht zu vermeiden. Darüber hinaus kann die Prüfung der rechtlichen Rahmenbedingen helfen, um für den Einzelfall eine Risikoabwägung vorzunehmen. Zunächst kann man den Forschungsgegenstand selbst betrachten und einordnen, ob es sich um einen Hochrisikobereich handelt, die der Parteistaat als sensibel betrachtet.

Handelt es sich um Grauzonen, ist eine moralische Abwägung vonnöten. Ich persönlich würde beispielsweise kein Forschungsprojekt zum Thema Menschenrechte mit Wissenschaftler*innen in China anstreben. Kritische Forschung und gemeinsame Publikationen wären in diesem Falle meiner Ansicht nach nicht umsetzbar. Ich würde meine Partner in China nicht gefährden und die Narrative des Parteistaats und damit dessen Legitimität durch meine Forschung unterstützen wollen.

De-Risking nur mit Zentralisierung und zusätzlichen Ressourcen möglich

Das Ausräumen von moralischen Bedenken halte ich für eine Sorgfaltspflicht, ein solcher Reflexionsprozess kann durchaus hilfreich sein. Zusätzlich zu Gesprächen im Forschungsteam und mit den chinesischen Partnern wäre es sinnvoll, eine zentrale Anlaufstelle zu etablieren, die als Ethikkommission ad hoc tätig werden kann. Zu diesem Zwecke sollten Hochschulen enger zusammenarbeiten.

Dies würde dazu beitragen, dass Informationen gebündelt werden könnten und langfristig eine einheitliche Strategie etabliert wird, die ganz im Sinne der China-Strategie sein dürfte und diese voranbringen kann. Eine Dezentralisierung solcher Prozesse wäre hingegen ineffizient. Realistisch betrachtet mangelt es derzeit an Ressourcen, nicht zuletzt in der Wissenschaft. Die Politik kann nicht erwarten, dass die Forschung Prozesse zur Risikominimierung ohne zusätzliche Kapazitäten schultern kann.  

Alexandra Kaiser hat Regionalstudien China und Rechtswissenschaften in Köln studiert. Sie ist derzeit als Wissenschaftlerin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und der Academia Sinica in Taiwan tätig.

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Personalien

Tomer Czaczkes (Universität Regensburg), Christopher Degelmann (HU Berlin), Katharina Dobs (Universität Gießen), Claire Donnelly (MPI für Chemische Physik fester Stoffe und TU Dresden), Eugene Kim (MPI für Biophysik), Christopher Morris (RWTH Aachen), Kai Markus Schneider (RWTH Aachen), Sebastian Sippel (Universität Leipzig), Ze’ev Strauss (Universität Hamburg) und Dominika Wylezalek (Universität Heidelberg) erhalten den Heinz Maier-Leibnitz-Preis. Damit zeichnet die DFG Forschende in frühen Karrierephasen aus. Dotiert ist der Preis mit je 200.00 Euro.

Matthias Drösler, Professor an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, ist in den Wissenschaftlichen Beirat für Natürlichen Klimaschutz berufen worden. Gemeinsam mit Anke Herold, wissenschaftliche Geschäftsführerin des Öko-Instituts, übernimmt er den Vorsitz. Ebenfalls neu in dem Gremium: Andreas Gattinger, Professur für Ökologischen Landbau mit dem Schwerpunkt nachhaltige Bodennutzung der Justus-Liebig-Universität Gießen.

Oliver Günther, Präsident der Universität Potsdam, ist neues Mitglied des Forschungsbeirats Industrie 4.0. Das Gremium wird von acatech koordiniert.

Matthias Kranz hat die Leitung der Abteilung Sichere Systeme in der Cyberagentur in Halle (Saale) übernommen. Er wechselte vom Lehrstuhl für Informatik mit Schwerpunkt Eingebettete Systeme an der Universität Passau.

Klaus Richter von der Universität Regensburg ist neuer Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft. Er folgt auf Joachim Ullrich, ehemaliger PTB-Präsident, der nun turnusgemäß DPG-Vizepräsident wird.

Alexander Schmehmann wird neuer Präsident der Hochschule Osnabrück. Er löst im Oktober Andreas Bertram ab, der 14 Jahre im Amt war.

Udo Thelen wird neuer Generalsekretär der Deutsch-Französischen Hochschule in Saarbrücken.

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Dessert

ChatGTP KI
ChatGPT hilft allen, auch Wissenschaftlern beim Verfassen von Publikationen.

Wer tut es nicht – einfach mal ausprobieren, ob ChatGPT und andere Sprachmodelle die tägliche Arbeit erleichtern können. Auch im wissenschaftlichen Publikationsbetrieb ist das der Fall. Und dabei kommt es zu Anfängerfehlern. Darauf macht zum Beispiel Carl T. Bergstrom von der University of Washington bei Bluesky aufmerksam. Kostproben gefällig?

Nummer Eins: Die Einleitung einer Publikation von Forschenden um Manshu Zhang im Fachmagazin “Surfaces an Interfaces” beginnt so: “Certainly, here is a possible introduction for your topic:Lithium-metal batteries are promising candidates for ….”. Seufz, noch nicht mal das fehlende Leerzeichen zwischen Beginn des inhaltlichen KI-Textes und den Regieanweisungen fiel auf.

“I’m very sorry, but I don’t have access to real-time information”

Nummer Zwei: Eine Studie von Raneem Bader und Kollegen in “Radiology Case Reports” zieht am Ende des Diskussionsteils folgende Bilanz: “In summary, the management of bilateral iatrogenic I’m very sorry, but I don’t have access to real-time information or patient-specific data, as I am an AI language model. I can provide general information about managing hepatic artery, portal vein, and bile duct injuries, but …”. Mannomann, sage und schreibe sieben Zeilen vom Chatbot, inklusive des Rats, einen medizinischen Profi hinzuziehen.

Das ist auf den ersten Blick vor allem lustig, weil es die Ausnahme darstellt. Dahinter steckt aber doch ein ernstes Problem: der unintelligente Umgang mit Künstlicher Intelligenz. Deshalb: Obacht beim Verfassen und Publizieren von wissenschaftlichen Arbeiten! Gilt für Medien natürlich auch. Anne Brüning

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Research.Table Redaktion

RESEARCH.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    die Diskussion über Tenure Track in Deutschland hat im Streit um die Reform der wissenschaftlichen Karrierewege deutlich Auftrieb erhalten. Der Historiker Hartwin Brandt äußerte – in einem Gastbeitrag für die FAZ – deutliche Kritik am Verständnis und der Ausgestaltung des Tenure Track in Deutschland. Wir wollten mehr wissen. Er empfinde die Pläne zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz als Frechheit, erklärt Brandt nun im Gespräch mit Tim Gabel.

    Ein neuer Leitfaden der Humboldt-Universität weist auf den oft übersehenen Unterschied zwischen Wissenschaft- und Meinungsfreiheit hin. Die Handreichung soll unter anderem dann eine Hilfestellung sein, wenn Forschende sich öffentlich zu sogenannten Trigger-Themen äußern. Was steht drin? Meine Kollegin Anne Brüning hat nachgefragt.

    Alexandra Kaiser hat Regionalstudien China und Rechtswissenschaften in Köln studiert. Sie ist derzeit an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und der Academia Sinica in Taiwan tätig. In einem Standpunkt übt sie Kritik an aktuellen Entwicklungen in Deutschland. Es sei eine Sache, auf das Risiko einer chinesischen Einflussnahme und Spionage hinzuweisen, einen Generalverdacht zu suggerieren sei hingegen hochproblematisch und auch wenig konstruktiv.

    Eine gute Lektüre wünscht Ihnen,

    Ihre
    Nicola Kuhrt
    Bild von Nicola  Kuhrt

    Analyse

    Verkauf von Steuergutschriften in den USA: Warum vor allem Start-ups profitieren

    Auf die jüngste Transaktion ist man bei First Solar besonders stolz. Schließlich ist sie nicht weniger als eine der ersten ihrer Art. Für bis zu 700 Millionen Dollar will der amerikanische Photovoltaikhersteller ihm zustehende Steuergutschriften veräußern. Der Käufer, US-Finanzdienstleister Fiserv, zahlt 96 Cent für jeden Dollar, den sich First Solar beim Staat erstatten lassen könnte. Firmenchef Mark Widmar sieht sich damit als Vorreiter. “Diese Vereinbarung schafft einen wichtigen Präzedenzfall für die Solarbranche”, sagt er

    Der Handel mit Tax Credits wird zum Milliardenmarkt

    Mit milliardenschweren Förderungen aus dem Inflation Reduction Act lockt die US-Regierung derzeit Privatkapital für grüne Technologien an. Investieren Unternehmen beispielsweise in erneuerbare Energieprojekte, qualifizieren sie sich für üppige Steuergutschriften. Doch die Empfänger sind nicht gezwungen, die Ansprüche auch selbst einzulösen. Sie können ihre Gutschriften niedrigschwellig weiterverkaufen, nachdem die US-Regierung den Prozess dafür im vergangenen Jahr erleichtert hat. Die Maßnahme zeigt bereits Wirkung: Der Handel mit den Tax Credits wächst zu einem Multimilliardenmarkt heran. Experten sehen darin besonders für Start-ups im Cleantech-Bereich eine große Chance. 

    Mit dem Prinzip der Übertragbarkeit will die US-Regierung ermöglichen, dass Unternehmen die zugesagten Steuererleichterungen auch voll ausnutzen können. Denn oft zeigt sich ein praktisches Problem: Machen anspruchsberechtigte Firmen keine Gewinne, müssen sie keine Körperschaftssteuer zahlen – und können so auch einige Erleichterungen gar nicht erst geltend machen. Daneben kann es mehrere Jahre dauern, bis die US-Behörden die vollständigen Steuerrückerstattungen anrechnen. Über den Verkauf ihrer Ansprüche können sich Unternehmen deutlich früher Liquidität beschaffen. Käufer wiederum profitieren von den Abschlägen, die ihnen die Verkäufer gewähren. Laut den Daten des US-Finanzdienstleisters Reunion lag der Preis je Dollar an Steuergutschrift im vergangenen Jahr zwischen 0,88 und 0,95 Dollar – abhängig von der Art der Gutschrift.

    Kapitalzugang für neue Technologien verbessert sich

    Insgesamt elf Gutschriftentypen kommen für eine Übertragbarkeit infrage, darunter für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen, neue Technologien zur Kohlenstoffabscheidung oder Investitionen in sauberen Wasserstoff. Bereits für das vergangene Jahr wurde das Volumen an übertragbaren Gutschriften auf sieben bis neun Milliarden Dollar geschätzt, erklärt die Beratungsgesellschaft KPMG auf Anfrage von Table.Briefings. “Wir gehen davon aus, dass sie im Jahr 2026 vier- bis fünfmal so groß sein werden”, sagt KPMG-Energieexperte George Ward. Schließlich würden in den Jahren 2024 und 2025 viele Tax Credits zum ersten Mal zum Tragen kommen, wenn anspruchsberechtigte Unternehmen ihre neuen Projekte in Betrieb nehmen. Ein Beispiel: “Einer unserer Kunden beanspruchte im Jahr 2023 Gutschriften in Höhe von fünf Millionen Dollar. Wir erwarten, dass dieser Kunde im Jahr 2025 über 100 Millionen Dollar an übertragbaren Gutschriften beanspruchen wird”, sagte Ward. 

    Und so haben sich längst auch erste Abwickler auf die Gutschriftentransaktionen spezialisiert, darunter etwa Crux Climate. Das US-Unternehmen will auf seiner Plattform zwischen Anbietern und potenziellen Käufern sowie Banken und Steuerberatern vermitteln. Aus Sicht der Gründer ist das besonders für grüne Start-ups eine enorme Chance. “Die Übertragbarkeit hat den Kapitalzugang für kleinere Projekte und neue Technologien erheblich verbessert”, erklärte Crux Climate-Mitbegründer Alfred Johnson im Gespräch mit Table.Briefings. Schließlich könnten sie ihre Gutschriften direkt an Dritte verkaufen – und so zu oft dringend benötigter Liquidität umwandeln.  

    Bürokratische Hürden fallen weg

    Das zeige sich auch in den Zahlen, sagte Johnson. Laut einer aktuellen Studie von Crux Climate entfielen im vergangenen Jahr rund 80 Prozent der Transaktionen auf Projekte, die jeweils ein Volumen von weniger als 50 Millionen Dollar aufwiesen. Vorhaben dieser Größe seien bislang oft zu klein gewesen, um einen traditionellen Steuerbeteiligungsinvestor anzuziehen, sagte Johnson. Zwar ist das Veräußern von Tax Credits in den USA nicht neu. Insbesondere in der Solarbranche basiert die amerikanische Förderpolitik seit Jahrzehnten auf Steuergutschriften. In der Regel mussten Kapitalgeber aber Miteigentümer der Projekte werden, um die erteilten Steuergutschriften in Anspruch zu nehmen – eine hohe Hürde, die nun wegfällt

    Unternehmen wie der US-Finanzdienstleister Reunion sprechen bei den Transaktionen aber auch von zwei Kernrisiken. Zum einen sollten Käufer sicherstellen, dass die Tax Credits auch ordnungsgemäß beantragt worden sind – sie also formelle Fehler ausschließen können. Zum anderen sollten sie sich gegen mögliche Rückforderungen durch die Steuerbehörden absichern, rät das Unternehmen. Je nach Gutschriftentyp drohen diese etwa dann, wenn ein Investitionsprojekt innerhalb einer bestimmten Frist doch noch scheitert oder veräußert wird. Weil der Käufer das Risiko trägt, beinhalten die Verträge oft Entschädigungsklauseln. Daneben sichern sich Käufer häufig auch über spezielle Steuergutschriftsversicherungen ab. Die Höhe der Police hängt dann von der jeweiligen Deckung und dem geschätzten Risiko ab. 

    Geld fließt in Investitionen in FuE

    Bei First Solar sorge die Transaktion dafür, dass der Hersteller “weiterhin in Schlüsselaspekte des Wachstums wie Forschung und Entwicklung” investieren könne, erklärte Finanzchef Alex Bradley in einer Stellungnahme. Mehr als zwei Milliarden Dollar sollen in neue Produktionsanlagen in Alabama und Louisiana fließen, außerdem will das Photovoltaikunternehmen seine bestehende Niederlassung in Ohio ausbauen. Und mit weiteren 370 Millionen Dollar soll ein Entwicklungszentrum in Perrysburg entstehen. Laurin Meyer, New York 

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    Interview

    Historiker Brandt: “Die deutsche Tenure Track-Terminologie ist Augenwischerei”

    Herr Brandt, der Tenure-Gedanke ist in der Diskussion über die Reform der wissenschaftlichen Karrierewege en vogue. Tenure soll wirksam gegen befristete Kettenverträge in der Karriere des wissenschaftlichen Nachwuchses helfen und für mehr Planbarkeit sorgen. Sie sehen das anders?

    Die Diskussion über den Tenure Track in Deutschland – in der ja terminologisch so getan wird, als redeten wir über eine Anleihe aus dem amerikanischen System – empfinde ich als unehrlich. Wenn wir den Tenure Track in Deutschland einführen wollen, dann müssten wir das so machen, wie in den USA. Aber das System unterscheidet sich. An einer amerikanischen Hochschule wird eine Assistenzprofessur ausgeschrieben. Das ist das Gegenstück zu dem, was wir vor der Bologna-Reform als akademische Räte oder Assistenten bezeichnet haben. Jeder Assistenzprofessor hat nach sechs Jahren eine Chance auf Tenure. Wenn Tenure erreicht wird, werden die Wissenschaftler Associate Professor und sind unbefristet, meist auf Lebenszeit im System. Das machen wir so nicht.

    Sondern?

    Wir bilden Menschen aus, die im Moment noch sechs Jahre im System bleiben dürfen. Wenn sie Glück haben, haben sie in der Zeit eine Habilitation geschafft und dann werfen wir sie auf einen Markt, der eigentlich kein echter ist. Und dann konkurrieren sie mit Leuten, die arriviert sind und ihren zweiten oder dritten Ruf bekommen wollen. Das ist keine faire Förderung von jüngeren Gelehrten und insofern ist die deutsche Tenure-Terminologie meines Erachtens Augenwischerei.

    “Es kann nicht annähernd so viele Professoren-Stellen geben”

    Im Bund-Länder-Programm, das tausend neue Tenure-Professuren bis 2032 schaffen will, ist aber eine unbefristete Beschäftigung bei erfolgreicher Tenure vorgesehen. Es soll ausschließlich Leistung bewertet werden.

    Ich empfinde das ganze System als unehrlich. Es kann nicht annähernd so viele Stellen geben, dass jeder Postdoc durch Tenure an eine eigene Professur gelangen kann. Der Großteil wird durch das Raster fallen. Wir bilden, verschärft durch die gesamte Drittmittelkultur, Postdocs ‘noch und nöcher’ aus. Doch im System sind die Ressourcen, um diese zu verstetigen, überhaupt nicht vorhanden. Das System erzeugt eine Menge Leute Ende 30, Anfang 40, die im engeren Sinne für den normalen Arbeitsmarkt nicht berufsqualifiziert sind und an den Universitäten nicht unterkommen.

    Sie zweifeln die politische Redlichkeit hinter dem an, was im Tenure Track-Programm oder bei der Novellierung des WissZeitVG mit der 4+2-Regelung, vorgesehen ist?

    Die Pläne zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz empfinde ich als Frechheit. Denn damit wird der Druck auf die jungen Menschen verschärft, wenn sie nicht mal mehr sechs Jahre Zeit haben für ihre Habilitation oder eine vergleichbare Leistung. Nun soll man innerhalb von vier Jahren ein zweites Buch schreiben oder ein reguläres Habilitationsverfahren absolvieren und muss sich gleichzeitig schon auf Professuren bewerben, denn es wird diese Tenure-Stellen nicht für alle geben. Das ist wirklichkeitsfremd und ein brutales Verheizen dieser jungen Leute. Man kann eigentlich nur jedem davon abraten, diesen Weg einzuschlagen.

    “Juniorprofessuren sind oft Herabstufungen oder Umwandlungen”

    In ihrem FAZ-Gastbeitrag haben Sie den Vorwurf erhoben, dass sich die Tenure Track-Stellen aus bereits vorhandenen Vollprofessuren speisen. Dabei sieht das Bund-Länder-Programm doch explizit neue Stellen vor.

    Hochschulleitungen greifen in der Tat zunehmend zum Mittel der (Neu-)Ausschreibung von vorher meist schon bestehenden W2- oder W3-Stellen als Juniorprofessuren, also W1 mit Tenure Track. Denn so lässt sich über Jahre viel Geld sparen. Eine sofortige vollwertige Neubesetzung freiwerdender Stellen im W2- oder W3-Format wäre nämlich deutlich teurer. Das sind also entweder Herabstufungen von bereits existierenden Professuren oder Umwandlungen von existierenden Mittelbaustellen. Da sich die Grundfinanzierung der Hochschulen und damit das Stellenvolumen insgesamt nicht sonderlich vermehrt hat, bedeutet das eine systematische Verschlechterung der Berufschancen für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

    Gewerkschaften und SPD fordern in der WissZeitVG-Debatte die alternativ diskutierte Lösung des 2+4-Modells in der Postdoc-Phase. Sehen Sie darin Vorteile?

    Das würde ich noch mehr ablehnen, denn das verstärkt den Druck, angesichts der Annahme, dass es insgesamt nicht mehr Stellen gibt. Ich würde es als ehrlicher empfinden, wenn wir wie in den USA oder Großbritannien andere schlechter bezahlte Stellenkategorien, etwa Lecturer oder Reader einführen, die es unterhalb der Professur geben könnte – mit einer klaren Verstetigungsperspektive. So etwas ist in unserem System nicht vorgesehen. Oder wir müssten uns ehrlich machen und die Postdoc-Stellen, die ja vor allem in den Drittmittelprojekten gefördert werden, radikal beschneiden. Mit der jetzt geplanten Lösung bauen wir weiter einen Riesenbestand von qualifizierten Postdocs auf, die kaum eine Chance haben, an der Uni verstetigt zu werden.

    “Für mehr Stellen eine schlechtere Bezahlung in Kauf nehmen”

    Aber was ist die Alternative? Oft wird das Department-System in den USA herangezogen.

    Das wäre eine Alternative, aber auch bei der muss man sich ehrlich machen. Es gibt, zum Beispiel in Großbritannien, numerisch sehr viel mehr Stellen, die sind aber alle schlechter bezahlt als bei uns. Ich denke, wenn Sie die jungen Leute fragen würden, dann würden sie für mehr Stellen eine schlechtere Bezahlung in Kauf nehmen. Es wird sicherlich auch einige geben, die sagen, dass wir damit das akademische Prekariat züchten. Aber aus meiner Sicht ist es ein großes Privileg in der Wissenschaft zu bleiben und ehrlicherweise kann man eine Stellenvermehrung nur erreichen, wenn man ein bisschen an den Einkommenshöhen herumschraubt. Aber das traut sich niemand zu sagen. Professoren in Deutschland gehören im europäischen Vergleich immer noch zu den bestbezahlten.

    Sie sprechen ein weiteres Problem an: demnach sollen es Forschende, die früh ihre Habilitation erreichen, durch den Tenure Track schwerer haben, berufen zu werden. Angst vor einem Elitensterben?

    Exzellente Nachwuchswissenschaftler, die schon früh habilitiert sind, sind de facto grundsätzlich ausgeschlossen von Juniorprofessoren mit Tenure Track. Sie werden in der ersten Sichtungsrunde aussortiert, mit dem Hinweis, sie hätten ja bereits das erreicht, was die neuen “iuniores” erst noch erreichen sollen. Es kann doch nicht sein, dass die besser qualifizierten Leute, die ebenfalls stellenlos sind, in die Röhre gucken, während wir die weniger Qualifizierten mit einer Lebenszeitperspektive versehen. Die Juniorprofessur mit Tenure Track ist eine hochproblematische Form der akademischen Postdoc-Förderung zulasten derjenigen, die schon keine Postdocs mehr sind.

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    Termine

    8. April 2024, 13:00 Uhr, Online
    WZB-Reihe “Wissenschaft als Arbeitgeberin” Tobias Rosefeldt: Wie Organisationsstrukturen sich verändern: Vom Lehrstuhl zur Departmentstruktur? Mehr

    22. April 2024, 10:30 bis 16:15 Uhr, Hannover Messe
    Gipfel für Forschung und Innovation 2024 “Innovationen in Europa – Katalysatoren, Kompetenzen und Kooperationen am Beispiel von KI” Mehr

    29. April 2024, 18 Uhr, Akademiegebäude am Gendarmenmarkt, Leibniz-Saal, Markgrafenstraße 38, 10117 Berlin
    Podiumsdiskussion “Zum Stand der Wissenschaftsfreiheit in Europa” Mehr

    27./28. Mai 2024, Dresden/International Congress Center Conference
    Konferenz “Building Bridges for a Net Zero Future” Mehr

    15./16. Mai 2024, Katholische Akademie in Bayern, Mandlstraße 23, 80802 München
    XVII. Hochschulsymposium der Schleyer-Stiftung in Kooperation mit Heinz Nixdorf Stiftung und TU München “Nachhaltigkeit in der Wissenschaft: Notwendigkeiten neuer Formen der Zusammenarbeit” Mehr

    News

    Suche nach Dati-Chef wird von Ressortverhandlungen gebremst

    Der Leiter der Dati-Gründungskommission, Stefan Groß-Selbeck.

    Die Suche nach einer Leitung für die neu zu schaffende Dati wird nicht beginnen, bevor die Ressortverhandlungen zur Gründung der Transferagentur abgeschlossen sind. Das bestätigte heute der Leiter der Gründungskommission, Stefan Groß-Selbeck, im Gespräch mit Journalisten der Wissenschaftspressekonferenz (WPK). “Als Kommission stehen wir in den Startlöchern und sind bereit, die Ausschreibung zu starten. Wir gehen auch davon aus, dass es in naher Zukunft passieren wird”, sagte Groß-Selbeck auf Nachfrage von Table.Briefings.

    Der Leiter der 16-köpfigen Dati-Kommission hatte vorher skizziert, was die Experten von der neuen Leitung der Dati erwarten, eine Stellenausschreibung scheint demnach unter den Kommissionsmitgliedern bereits abgestimmt zu sein.

    Gründungspersönlichkeit und Grenzgänger mit hörbarer Stimme gesucht

    “Unseres Erachtens braucht es eine Gründungspersönlichkeit mit Mut zum Neuaufbau einer Organisation und eine deutliche Stimme, die auch im politischen Diskurs gehört wird“, sagte Groß-Selbeck. Der oder die neue Leitungspersönlichkeit müsse zudem als Grenzgänger den Transfer verkörpern und Erfahrungen in mindestens zwei der drei für die Dati relevanten Bereichen, also Wirtschaft, Forschung und Hochschulen und öffentliche Verwaltung und Zivilgesellschaft, mitbringen.

    Die Ressortabstimmung, die das BMBF einer Kabinettsbefassung vorgeschaltet hatte, hängt derzeit an Bedenken des BMWK, die es noch auszuräumen gilt. Nach Informationen von Table.Briefings befürchtet das Wirtschaftsministerium Doppelstrukturen und verweist dabei unter anderem auf seine Förderinitiative Startup Factories, in der hochschulübergreifende Ökosysteme mit “starker Einbindung in regionale und nationale Wertschöpfungsketten” etabliert werden sollen. Die Idee regionaler Communitys spielt auch bei der Dati eine zentrale Rolle.

    Neben Grundlagenforschungs-Exzellenz auch Transfer-Exzellenz etablieren

    Groß-Selbeck nahm das zum Anlass, den genauen Zuschnitt der Dati zu betonen. Auf die Frage von Table.Briefings, ob sich die Transferagentur mit Blick auf andere Initiativen überhaupt trennscharf auszugestalten sei, betonte er die Wirkung der Dati in der Breite: “Wir schauen auf die Wirkung, die eine Innovation in der Umsetzung hat, also den Impact, den die Forschung in der Welt schafft und nicht so sehr auf den Neuigkeitswert der Innovation selbst. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal unserer Förderung“, sagte Groß-Selbeck, der gleichzeitig Senior Partner der Boston Consulting Group ist.

    In der Gründungskommission wünsche man sich, dass die Dati dabei helfen kann, “den Begriff der Transfer-Exzellenz zu etablieren”. Deutschland sei im Bereich Grundlagenforschung bereits exzellent, in Sachen Transfer gebe es Potenzial. “Die Dati sollte dafür Standards und notwendige Kriterien entwickeln und eine Reputationswirkung entfalten”. Die Förderung der Transferagentur solle niedrigschwellig und unbürokratisch sein, aber gleichzeitig ein Gütesiegel für exzellenten Transfer. Diese Anforderungen werden sich wohl auch im Konzept der Gründungskommission zum Aufbau der Dati wiederfinden, das, laut Groß-Selbeck, noch vor der Sommerpause finalisiert werden soll. tg

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    Bayerische Universitätenkonferenz signalisiert Solidarität mit entlassenem UTN-Präsidenten Prömel

    Ein am Freitag veröffentlichtes Statement der bayerischen Universitätenkonferenz “Universität Bayern e.V.” ist voll des Lobes über Hans Jürgen Prömel, den ersten Gründungspräsidenten der Technischen Universität Nürnberg (UTN). Offenbar ist das der Weg, den man gewählt hat, um Solidarität mit dem geschassten Präsidenten zu signalisieren.

    Prömel scheidet Ende März nach drei Jahren Aufbauarbeit vorzeitig aus dem Amt. Vergangene Woche war bekannt geworden, dass die bayerische Landespolitik einen anderen Gründungspräsidenten auserkoren hat: den KI-Forscher Michael Huth, der im Oktober antritt.

    Prömel engagierte sich für Zusammenwirken der bayerischen Unis

    Prömel habe “die Universität bereits in dieser kurzen Zeit zu einer Marke geformt und durch Berufungen hochkarätiger Professorinnen und Professoren den Grundstein für eine erfolgreiche Weiterentwicklung gelegt”, wird der Vorsitzende von Universität Bayern Stefan Leible in dem Statement zitiert. Leible, er ist Präsident der Universität Bayreuth, betont zudem, dass sich Prömel “von Beginn an neben seiner Tätigkeit als Gründungspräsident auch aktiv und produktiv in die Diskussionen und das Zusammenwirken der bayerischen Universitäten eingebracht” habe.

    Damit tritt das Gremium indirekt auch dem Gerücht entgegen, Prömel habe sich bei anderen Universitäten im Land unbeliebt gemacht, weil er Personal abwarb. Prömels Nachfolger Michael Huth wünscht die Universitätenkonferenz “eine glückliche Hand bei der Fortsetzung der Pionierarbeit und des erfolgreichen Kurses der Universität”.

    Gründungskomitee: kein wissenschaftsgeleitetes Verfahren

    Die externen Wissenschaftler des Founding Steering Board der UTN üben scharfe Kritik an der bayerischen Staatsregierung, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet. “Uns tut die Art und Weise weh, wie Politik hier mit Wissenschaft umgeht”, sagte Harald Kainz, ehemaliger Rektor der TU Graz. “Hier wird einer rausgeschmissen und vom Ministerium durch einen Neuen ersetzt, das ist kein wissenschaftsgeleitetes Verfahren”, kommentierte Petra Gehring, Professorin für Philosophie an der TU Darmstadt. Das sei ein einmaliger Vorgang in der Hochschullandschaft, der derzeit bundesweit diskutiert werde. “Wir haben die große Sorge, dass der Politik gar nicht klar ist, was für ein Trauma da entsteht.” abg

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    HU Berlin veröffentlicht Handlungsempfehlungen im Umgang mit Trigger-Themen

    Auf den oft übersehenen Unterschied zwischen Wissenschafts- und Meinungsfreiheit weist ein neuer professionsethischer Leitfaden der Humboldt-Universität hin. Er soll unter anderem dann eine Hilfestellung sein, wenn Forschende sich öffentlich zu sogenannten Trigger-Themen äußern. Denn bei Diskussionen über den Klimawandel, den Umgang mit Pandemien oder andere konfliktträchtige Themen werden sie häufig mit unsachlicher, einseitiger und verzerrter Kritik konfrontiert.

    Der Leitfaden wurde über zwei Jahre von zwei Arbeitsgruppen erarbeitet und jüngst vom Akademischen Senat verabschiedet. Beteiligt waren verschiedene Statusgruppen. “Uns war wichtig, diese Handreichung in einem Prozess der Selbstverständigung von Forschenden zu erarbeiten”, sagt HU-Präsidentin Julia von Blumenthal.

    Umstrittene Thesen nicht als unkontrovers ausgeben

    Das Papier will für einen angemessenen und verantwortungsbewussten Umgang mit konfliktträchtigen Situationen und Themen in der Öffentlichkeit sensibilisieren. Es zeigt anhand von sechs Fallkonstellationen auf, wie Forschende ihre besondere Verantwortung wahrnehmen können. Dazu gehören:

    • bei öffentlichen Veranstaltungen darauf zu achten, die Sprecherrolle deutlich zu machen – also kenntlich zu machen, ob man sich zu einem Thema äußert, zu dem keine spezielle fachliche Expertise vorliegt
    • Transparenz beim Vertreten von umstrittenen Thesen, sie also nicht als unkontrovers ausgeben
    • Veranstaltungen im Team planen, im Vorfeld Stakeholder einbeziehen.

    Interessant mit Blick auf die Debatte über das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit erscheint der in dem Leitfaden enthaltene Appell, “sehr sorgfältig” mit der Behauptung umzugehen, man würde in der Wissenschaftsfreiheit eingeschränkt. “Wissenschaftsfreiheit umfasst selbstverständlich nicht das Recht, sich auf öffentlichen Veranstaltungen unwidersprochen zu äußern oder von auch scharfer Kritik verschont zu bleiben. Sie begründet auch nicht den Anspruch, zu bestimmten Veranstaltungen eingeladen zu werden.” abg

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    Korea wird Horizon Europe beitreten

    Iliana Ivanova, EU-Kommissarin für Innovation, Forschung, Kultur, Bildung und Jugend, und Lee Jong Ho, koreanische Ministerin für Wissenschaft und Informations- und Kommunikationstechnologie, haben am Montag die Verhandlungen über die koreanische Assoziierung an Horizon Europe abgeschlossen.

    Die Unterzeichnung des Abkommens wird voraussichtlich im zweiten Halbjahr 2024 erfolgen, bis dahin sollen alle erforderlichen Ratifizierungsverfahren auf beiden Seiten abgeschlossen sein. Die Teilnahme Koreas am Horizon Europa-Programm wird ab 2025 möglich sein. “Dies ist ein Meilenstein für unsere Zusammenarbeit und großartige Neuigkeiten für die globale Wissenschaft und Innovation. Gemeinsam können wir die globalen Herausforderungen besser bewältigen”, sagte Iliana Ivanova.

    Forscher und Organisationen in Korea Mittel können ab Mitte 2025 Fördermittel im Rahmen der zweiten Programm-Säule von Horizon erhalten. Diese ist der größte kooperative Bereich des Programms, dessen Schwerpunkt auf gemeinsamen globalen Herausforderungen liegt: Klima, Energie, digitale Wirtschaft und Gesundheit. Das Budget umfasst 53,5 Milliarden Euro.

    Zusammenarbeit auch ohne geografische Nähe

    Die Assoziierung mit Horizon Europa ist ein wichtiges Instrument des globalen Ansatzes Europas für die Zusammenarbeit in Forschung und Innovation. Es ist die engste Form der internationalen wissenschaftlichen und technologischen Zusammenarbeit zwischen der EU und einem Nicht-EU-Land.

    Traditionell wurde diese Form der Zusammenarbeit von der Union Ländern in ihrer geografischen Nähe angeboten. Mit dem Programm Horizon Europa wurde erstmals die Möglichkeit eingeführt, Länder mit einem starken Wissenschafts-, Innovations- und Technologieprofil, das nicht unbedingt in der geografischen Nähe der EU angesiedelt ist, ansprechen zu können. nik

    • EU
    • Horizon Europe
    • Südkorea

    Standpunkt

    Handlungsempfehlungen zu Forschungskooperationen sind ohne China-Kompetenz wertlos

    Von Alexandra Kaiser

    Die China-Strategie der Bundesregierung betont, dass die China-Kompetenz in Deutschland ausgebaut werden muss. Dass die China-Kompetenz in den eigenen Regierung-Reihen ausbaufähig ist, zeigen Aussagen von Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger, die hinter jedem Forschenden die kommunistische Partei vermutet. Solche Aussagen sind tendenziös und laufen Gefahr, einen Generalverdacht gegenüber chinesischen Wissenschaftler*innen zu suggerieren.

    Es ist eine Sache, auf das Risiko einer chinesischen Einflussnahme und Spionage hinzuweisen, einen Generalverdacht zu suggerieren ist hingegen hochproblematisch und auch wenig konstruktiv. Solche Aussagen heizen lediglich Debatten an, führen aber zu keiner Lösung. Es mag Hochrisikobereiche geben, in denen das Spionagerisiko deutlich erhöht ist, aber das betrifft bei weitem nicht alle Bereiche, sodass ein genereller Ausschluss chinesischer Wissenschaftler*innen weder sinnvoll noch zielführend erscheint.

    Konkrete Umsetzung von Empfehlungen bleibt ungeklärt

    Die Frage der wissenschaftlichen Zusammenarbeit mit China wurde nicht nur hitzig diskutiert. Es folgte eine Reihe von Handlungsempfehlungen, die grundsätzlich auf einige wichtige Punkte hinweisen, deren konkrete Umsetzbarkeit aber ungeklärt bleibt. In Deutschland publizierte erst jüngst der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) Handlungsempfehlungen, die wenig Substanz enthalten, weil sie sehr abstrakt und vage bleiben.

    Besonders problematisch erscheint, dass die Anwendung solcher Handlungsempfehlungen fundierte China-Kenntnisse voraussetzen. Eine Kompetenz, die in vielen Fällen nicht vorhanden ist und auch nicht vorhanden sein kann. Weshalb sollte eine Hochschulverwaltung ausgewiesene China-Expertise mitbringen? Warum sollte ein/e Ingenieur*in oder Biolog*in parallel China-Expert*in sein?

    Wissen über chinesisches Hochschulsystem muss ausgebaut werden

    Als Regionalwissenschaftlerin agiere ich mit einem anderen Hintergrundwissen. Allerdings muss ich offen gestehen, dass auch ich vor meiner Forschung zu dem Thema Wissenschaftsfreiheit in China nur ein rudimentäres Verständnis vom chinesischen Hochschulsystem besaß. Fundierte Informationen zu den gesetzlichen und praktischen Rahmenbedingungen des Hochschulbetriebs in China konnten wir erst im Rahmen unseres Forschungsprojekts erheben. Ohne ein derartiges Hintergrundwissen bieten die diversen Handlungsempfehlungen eigentlich keine Unterstützung.

    Aufgrund der Sensibilität der Forschungsfrage haben wir uns gegen Feldforschung in China entschieden. Daher habe ich Interviews – mit Wissenschaftler*innen, die selbst in China tätig waren und/oder zu China forschen – in Europa, Hongkong und Taiwan geführt. Die Erkenntnis: Viele Annahmen, die es über das chinesische Wissenschaftssystem gibt, sind rein anekdotischer Natur oder von Pauschalannahmen geprägt, die nicht belegbar sind.

    Pauschalannahmen und Unsicherheit führen zu Handlungsunfähigkeit

    Derartige Pauschalannahmen und die daraus resultierende Unsicherheit führen nicht selten zu maximaler Passivität. Die Annahme, dass jedes Parteimitglied auch automatisch eine Parteizelle ist, ist etwa hochproblematisch und zeugt von Unwissenheit. Eine reine Parteimitgliedschaft sagt nämlich wenig aus und ist nicht unüblich. Viel zentraler ist die konkrete Rolle, die eine Person in dem System spielt. Solche Pauschalannahmen wurden vor allem von Wissenschaftler*innen getroffen, die sehr unbedarft nach China gegangen waren. In anderen Fällen wurde ein differenzierteres Bild gezeichnet.

    Meine Forschung behandelt zentrale Aspekte der Wissenschaftsfreiheit in China, sprich Lehr- und Forschungsfreiheit und institutionelle Autonomie. Ziel ist es, damit die Lücke mangelnder Kenntnis über das chinesische Wissenschaftssystem zu schließen und eine Anleitung zu bieten, damit Handlungsempfehlungen zielführend umgesetzt werden können.

    Vertiefte Kenntnisse machen sinnvolle Generalisierungen möglich

    Das chinesische Wissenschaftssystem ist aufgrund der engen Verwebung mit dem Parteistaat und der Vielzahl an Rechtsvorschriften hochkomplex. Beispielsweise sind Pauschalaussagen über parteiliche Einflussnahme gar nicht so einfach. Dennoch sind auf der Grundlage von Kenntnissen über die Organisationsstruktur chinesischer Hochschulen und einschlägiger Vorschriften über die Lehr- und Forschungsfreiheit Generalisierungen möglich, sprich gewisse Rahmenbedingungen gelten für alle.

    In den letzten Jahren haben sich beispielsweise die politischen Anforderungen an Wissenschaftler*innen in China verschärft, sprich das Commitment gegenüber dem Parteistaat wird offener eingefordert und muss in Publikationen oder Drittmittelanträgen artikuliert werden. Kritik an der politischen Agenda der chinesischen Regierung ist hingegen schwieriger geworden.

    Auseinandersetzung minimiert Risiken in konkreten Kooperationen

    Setzt man sich damit auseinander, können Risiken minimiert werden. Ein grundlegendes Verständnis über die Organisation chinesischer Hochschulen ist wichtig, um die Rolle der Verhandlungspartner besser einordnen zu können und einen Generalverdacht zu vermeiden. Darüber hinaus kann die Prüfung der rechtlichen Rahmenbedingen helfen, um für den Einzelfall eine Risikoabwägung vorzunehmen. Zunächst kann man den Forschungsgegenstand selbst betrachten und einordnen, ob es sich um einen Hochrisikobereich handelt, die der Parteistaat als sensibel betrachtet.

    Handelt es sich um Grauzonen, ist eine moralische Abwägung vonnöten. Ich persönlich würde beispielsweise kein Forschungsprojekt zum Thema Menschenrechte mit Wissenschaftler*innen in China anstreben. Kritische Forschung und gemeinsame Publikationen wären in diesem Falle meiner Ansicht nach nicht umsetzbar. Ich würde meine Partner in China nicht gefährden und die Narrative des Parteistaats und damit dessen Legitimität durch meine Forschung unterstützen wollen.

    De-Risking nur mit Zentralisierung und zusätzlichen Ressourcen möglich

    Das Ausräumen von moralischen Bedenken halte ich für eine Sorgfaltspflicht, ein solcher Reflexionsprozess kann durchaus hilfreich sein. Zusätzlich zu Gesprächen im Forschungsteam und mit den chinesischen Partnern wäre es sinnvoll, eine zentrale Anlaufstelle zu etablieren, die als Ethikkommission ad hoc tätig werden kann. Zu diesem Zwecke sollten Hochschulen enger zusammenarbeiten.

    Dies würde dazu beitragen, dass Informationen gebündelt werden könnten und langfristig eine einheitliche Strategie etabliert wird, die ganz im Sinne der China-Strategie sein dürfte und diese voranbringen kann. Eine Dezentralisierung solcher Prozesse wäre hingegen ineffizient. Realistisch betrachtet mangelt es derzeit an Ressourcen, nicht zuletzt in der Wissenschaft. Die Politik kann nicht erwarten, dass die Forschung Prozesse zur Risikominimierung ohne zusätzliche Kapazitäten schultern kann.  

    Alexandra Kaiser hat Regionalstudien China und Rechtswissenschaften in Köln studiert. Sie ist derzeit als Wissenschaftlerin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und der Academia Sinica in Taiwan tätig.

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    • China-Strategie
    • Forschungspolitik
    • Hochschulen

    Personalien

    Tomer Czaczkes (Universität Regensburg), Christopher Degelmann (HU Berlin), Katharina Dobs (Universität Gießen), Claire Donnelly (MPI für Chemische Physik fester Stoffe und TU Dresden), Eugene Kim (MPI für Biophysik), Christopher Morris (RWTH Aachen), Kai Markus Schneider (RWTH Aachen), Sebastian Sippel (Universität Leipzig), Ze’ev Strauss (Universität Hamburg) und Dominika Wylezalek (Universität Heidelberg) erhalten den Heinz Maier-Leibnitz-Preis. Damit zeichnet die DFG Forschende in frühen Karrierephasen aus. Dotiert ist der Preis mit je 200.00 Euro.

    Matthias Drösler, Professor an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, ist in den Wissenschaftlichen Beirat für Natürlichen Klimaschutz berufen worden. Gemeinsam mit Anke Herold, wissenschaftliche Geschäftsführerin des Öko-Instituts, übernimmt er den Vorsitz. Ebenfalls neu in dem Gremium: Andreas Gattinger, Professur für Ökologischen Landbau mit dem Schwerpunkt nachhaltige Bodennutzung der Justus-Liebig-Universität Gießen.

    Oliver Günther, Präsident der Universität Potsdam, ist neues Mitglied des Forschungsbeirats Industrie 4.0. Das Gremium wird von acatech koordiniert.

    Matthias Kranz hat die Leitung der Abteilung Sichere Systeme in der Cyberagentur in Halle (Saale) übernommen. Er wechselte vom Lehrstuhl für Informatik mit Schwerpunkt Eingebettete Systeme an der Universität Passau.

    Klaus Richter von der Universität Regensburg ist neuer Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft. Er folgt auf Joachim Ullrich, ehemaliger PTB-Präsident, der nun turnusgemäß DPG-Vizepräsident wird.

    Alexander Schmehmann wird neuer Präsident der Hochschule Osnabrück. Er löst im Oktober Andreas Bertram ab, der 14 Jahre im Amt war.

    Udo Thelen wird neuer Generalsekretär der Deutsch-Französischen Hochschule in Saarbrücken.

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    Climate.Table. Geld, Netze, Priorität: So soll die Verdreifachung der Erneuerbaren gelingen. Auf der COP28 in Dubai wurde beschlossen, bis 2030 die globalen Kapazitäten von Erneuerbaren zu verdreifachen. Davon ist die Welt weit entfernt, zeigt ein neuer Bericht. Aber beim Energiewende-Dialog in Berlin gab es viele Ideen, wie das Ziel erreicht werden soll. Mehr

    Dessert

    ChatGTP KI
    ChatGPT hilft allen, auch Wissenschaftlern beim Verfassen von Publikationen.

    Wer tut es nicht – einfach mal ausprobieren, ob ChatGPT und andere Sprachmodelle die tägliche Arbeit erleichtern können. Auch im wissenschaftlichen Publikationsbetrieb ist das der Fall. Und dabei kommt es zu Anfängerfehlern. Darauf macht zum Beispiel Carl T. Bergstrom von der University of Washington bei Bluesky aufmerksam. Kostproben gefällig?

    Nummer Eins: Die Einleitung einer Publikation von Forschenden um Manshu Zhang im Fachmagazin “Surfaces an Interfaces” beginnt so: “Certainly, here is a possible introduction for your topic:Lithium-metal batteries are promising candidates for ….”. Seufz, noch nicht mal das fehlende Leerzeichen zwischen Beginn des inhaltlichen KI-Textes und den Regieanweisungen fiel auf.

    “I’m very sorry, but I don’t have access to real-time information”

    Nummer Zwei: Eine Studie von Raneem Bader und Kollegen in “Radiology Case Reports” zieht am Ende des Diskussionsteils folgende Bilanz: “In summary, the management of bilateral iatrogenic I’m very sorry, but I don’t have access to real-time information or patient-specific data, as I am an AI language model. I can provide general information about managing hepatic artery, portal vein, and bile duct injuries, but …”. Mannomann, sage und schreibe sieben Zeilen vom Chatbot, inklusive des Rats, einen medizinischen Profi hinzuziehen.

    Das ist auf den ersten Blick vor allem lustig, weil es die Ausnahme darstellt. Dahinter steckt aber doch ein ernstes Problem: der unintelligente Umgang mit Künstlicher Intelligenz. Deshalb: Obacht beim Verfassen und Publizieren von wissenschaftlichen Arbeiten! Gilt für Medien natürlich auch. Anne Brüning

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