Table.Briefing: Research

Kritik an BMBF-Papier zur Technologieoffenheit + Patrick Cramer zieht im Interview MPG-Bilanz + Wambach/Ockenfels: Wissenschaft und Klima

Liebe Leserin, lieber Leser,

vor rund einem Jahr hatte meine Kollegin Nicola Kuhrt den damals frisch gebackenen Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft, Patrick Cramer, zum Antrittsinterview eingeladen. Cramer legte sich damals selbst eine “Initiativpflicht” auf. Er wolle für kritische Kontinuität stehen und prüfen, was noch besser laufen kann. Nach seinem ersten Amtsjahr haben wir in der Sommerpause die Gelegenheit genutzt und ihn gefragt, wo er fündig geworden ist.

Da er aktuell Sprecher der Allianz der Wissenschaftsorganisationen ist, war auch forschungspolitisch einiges los. Die deutsche Wissenschaft wird “jünger, weiblicher und internationaler”, prognostiziert der Chemiker und Molekularbiologe. Warum er mit besorgtem Blick auf die anstehenden Landtags- und US-Wahlen blickt und wieso er in der Fördermittel-Affäre des BMBF ein vertrauliches Gespräch der Wissenschaftsbosse mit Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger organisiert hat, lesen Sie in dieser Ausgabe. Das Interview können Sie am Freitagmorgen ab 6 Uhr auch im Podcast Table.Today hören.

Stark-Watzinger selbst hat die Sommerpause und die zeitweilige Ruhe in Sachen Fördermittel-Affäre dafür genutzt, mit ihrem Ministerium ein Impulspapier zur “Offensive für Technologieoffenheit” zu verfassen, das sie an die Wissenschaftsorganisationen schicken ließ. Experten halten dieses für wenig durchdacht. Das Papier sei unklar in den Begrifflichkeiten und in sich nicht stimmig, kritisiert der Vorsitzende der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), Uwe Cantner. Es handele sich um eine Zusammenstellung von größtenteils richtigen Maßnahmen. Zumeist seien die aber bereits bekannt oder überfällig und hätten mit Technologieoffenheit nicht viel zu tun. Meine Kollegin Anne Brüning berichtet.

Ich wünsche Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre,

Ihr
Tim Gabel
Bild von Tim  Gabel

Analyse

Patrick Cramer: “Die Wissenschaft muss jünger, weiblicher und internationaler werden”

Patrick Cramer
Im Interview zieht Patrick Cramer Bilanz seines ersten Amtsjahres als Präsident der Max-Planck-Gesellschaft.

Patrick Cramer ist seit einem Jahr Präsident der Max-Planck-Gesellschaft und turnusmäßig Sprecher der Allianz der Wissenschaftsorganisationen. Im Interview mit Table.Briefings sagt er, sein erstes Jahr im neuen Job sei “wie im Flug vergangen”. Es sei ein Dreiklang aus Wissenschaftsmanagement, Forschungspolitik und Leadership notwendig gewesen, um die “Herausforderungen anzugehen, Entwicklungen aufzugreifen und dabei als Moderator und Katalysator aktiv zu sein.” 

Er versuche selbst den Spirit zu erzeugen, den er in seiner Karriere erfahren habe, unter anderem als junger Wissenschaftler an der Stanford University in Kalifornien. “Ich kam damals in das Labor und man hat mich einfach machen lassen. Und zudem gab es dort natürlich diese Can-Do-Attitüde, also nichts ist unmöglich.” Er habe bei seinen ersten Berufungen darauf geachtet, dass die Wissenschaft “jünger, weiblicher und internationaler” werde. 

Cramer: WisszeitVG bildet nicht die Vielfalt des Wissenschaftssystems ab 

Dass der wissenschaftliche Nachwuchs in Deutschland attraktive Bedingungen und wissenschaftliche Unabhängigkeit vorfinde, sei ihm ein großes Anliegen. Ein “One-Size-Fits-all”-Ansatz funktioniere in der Wissenschaft allerdings nicht. Mit Blick auf die Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes komme die Frustration bei den jungen Leuten auch daher, dass es mit dem Gesetz nicht gelingen werde, die Vielfalt der Karrierewege abzubilden. 

Es werde auch weiterhin eine Bestenauswahl in der Wissenschaft geben: “Nicht jeder und jede, die sich in der Postdoc-Phase befindet, wird dann Professorin oder Professor und das wollen auch gar nicht alle”, sagt Cramer. Hervorragende Leute würden auch in Wirtschaft und Industrie gesucht: “Wir brauchen Leute, die eine eigene Firma gründen oder in den Patentämtern arbeiten.” Die Wissenschaft habe hier einen Ausbildungsauftrag auch während der Promotions- und Postdoc-Phase. 

Machtmissbrauch: Dreiklang aus Prävention, Diagnose und Therapie 

Das Wissenschaftssystem ist anfällig für Machtmissbrauch, auch die Max-Planck-Gesellschaft, in der ganze Institute um einzelne Personen herum aufgebaut werden. Doch es habe sich viel getan, sagt Cramer. Er nennt sein Vorgehen einen “Dreiklang aus Prävention, Diagnose und Therapie”. Präventiv setze die MPG seit letztem Jahr auf verpflichtende Führungsseminare für alle Führungskräfte. Diagnostisch setze man auf hervorragende Meldewege innerhalb und außerhalb der Max-Planck-Gesellschaft. 

Für die Einzelfälle, in denen tatsächlich Fehlverhalten auftrete, habe man neue, verbesserte Verfahrensregeln geschaffen und es stehe externe Expertise begleitend zur Verfügung: “Wir arbeiten jetzt mit unabhängigen Kanzleien zusammen, die sich einen Sachverhalt völlig unvoreingenommen und von außen anschauen”, sagt Cramer. 

Rechtsextremismus: MPG lebt von internationalem Austausch 

Mit Blick auf externe Faktoren für die Attraktivität des Wissenschaftsstandorts Deutschlands und auch der MPG sei eine offene Gesellschaft und eine gelebte Willkommenskultur entscheidend, um die Besten aus der ganzen Welt anzuziehen: “40 Prozent unserer Direktorinnen und Direktoren haben keinen deutschen Pass, bei den Promovierenden sind es schon 60 Prozent und bei den Postdocs 80 Prozent.” Die Max-Planck-Gesellschaft stehe und falle mit der Internationalisierung. 

Angesichts von Remigrationstreffen und zunehmenden rechtsextremen Tendenzen im Land habe man auf diversen Kanälen immer wieder darauf hingewiesen, dass die Demokratie geschützt werden müsse. Man suche im Kampf gegen Rechts auch den internationalen Schulterschluss, etwa mit dem Präsidenten der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. “Aber wir werden natürlich niemals parteipolitisch Stellung beziehen. Wir werden mit allen demokratischen Parteien zusammenarbeiten”, sagt Cramer angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen in den ostdeutschen Bundesländern. 

Kooperationen mit China: Risiken müssen klar benannt werden 

International müssten sich deutsche Forschende darum bemühen, langjährige Partnerschaften zu stärken und die Brücken der Zusammenarbeit aufrechtzuhalten. Die Wissenschaft sei insgesamt ein resilientes System: “Ich mache mir Sorgen darum, dass der internationale Motor der Wissenschaft – also die USA, als Leitnation – ins Stocken gerät.” Hinweise darauf gäben heute schon Universitätsrankings, wo amerikanische Eliteuniversitäten von chinesischen Einrichtungen von den oberen Plätzen verdrängt werden. 

Grund dafür sei auch, dass der Kontakt zwischen den USA und China nicht mehr so gegeben ist, wie noch vor einigen Jahren, meint Cramer. Auch bei der Max-Planck-Gesellschaft setze man aufgrund zunehmender Sicherheitsrisiken auf ein De-Risking in Kooperationen mit China, “aber wir wollen kein De-Coupling”. Gemeinsamer Forschung in risikoarmen Bereichen solle nichts im Wege stehen. In anderen Feldern müssten Risiken wie Spionage, die Nähe zur Militärforschung und Einschränkungen der Wissenschaftsfreiheit klar benannt und erkannt werden, um nicht naiv zu handeln. 

Fördermittel-Affäre: Stützte die Allianz die taumelnde Forschungsministerin? 

Um die Wissenschaftsfreiheit wird aber nicht nur im Verhältnis zu China gerungen. Auch das BMBF und Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger stehen in der Fördermittel-Affäre in der Kritik, die Förderung von ideologisch unliebsamen Wissenschaftlern geprüft zu haben. Stark-Watzinger bestreitet, den Auftrag gegeben zu haben. Patrick Cramer hatte mit anderen Wissenschaftsbossen zur Hochzeit der Affäre das Gespräch mit der Forschungsministerin gesucht.  

Dass nach dem FAZ-Leak des Austauschs der Eindruck entstanden sei, die Allianz stütze die taumelnde Wissenschaftsministerin aus eigenem Interesse, kann Cramer nicht nachvollziehen. “Ich kann mir vorstellen, dass die Leute viel Fantasie haben, aber das war auf keinen Fall meine Intention”. Er hätte das vertrauliche Gespräch angeboten, um in einer schwierigen Zeit nicht übereinander, sondern miteinander zu sprechen. Das Gespräch diente dem offenen und kritischen Austausch, so Cramer. Zu den Inhalten wollte er sich nicht äußern. 

Das gesamte Interview, in dem Patrick Cramer auch darüber spricht, was eine zweite Amtszeit von Donald Trump für die Zukunft der deutschen Wissenschaft bedeuten würde, hören Sie am morgigen Freitag ab 6 Uhr bei Table.Today dem täglichen News-Podcast von Table.Briefings. 

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Warum das BMBF-Papier zur Technologieoffenheit wenig innovativ, teils sogar kurios ist  

Die vom BMBF angestrebte “Offensive für Technologieoffenheit” ist offensichtlich wenig durchdacht. Dieser Eindruck drängt sich auf, wenn man den zugehörigen Diskussionsbeitrag genauer studiert. Wie berichtet, preist das Impulspapier Technologieoffenheit als Weg zu mehr Wohlstand, zur Stärkung der Wissenschaftsfreiheit sowie der strategischen Unabhängigkeit. Darüber hinaus enthält es Vorschläge, etwa für Bürokratieabbau. Und es formuliert Appelle, in Arbeit befindliche Gesetze wie das Reallabore-Gesetz anzugehen oder neue Gesetze zu schaffen beziehungsweise zu novellieren. Beispiele dafür sind Gesetze zu Kernfusion, Grüner Gentechnik und Embryonenforschung. 

Das Impulspapier wurde Anfang August an die Allianz der Wissenschaftsorganisationen verschickt, damit deren Mitglieder ihre Expertise, eigene Vorschläge und wichtige Impulse einbringen können, teilt das BMBF auf Anfrage von Table.Briefings mit. “Nach den Rückmeldungen der Allianz-Mitglieder wird sich das BMBF mit ihnen in einem nächsten Schritt in geeigneter Weise hierzu austauschen, bevor die Impulse in den weiteren politischen Prozess eingebracht werden.” Man habe um eine erste Rückmeldung bis zum Ende des Monats August gebeten.

Uwe Cantner: “Mit Technologieoffenheit hat der Inhalt nicht viel zu tun” 

Es handelt sich also noch nicht um ein finales Konzept. Dennoch verwundern Ausrichtung und Zusammenstellung. Das Papier sei unklar in den Begrifflichkeiten und in sich nicht stimmig, kritisiert der Vorsitzende der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), Uwe Cantner. Es handele sich um eine Zusammenstellung von größtenteils richtigen Maßnahmen. Zumeist seien diese jedoch bereits bekannt, einige davon warteten schon länger auf Umsetzung.  

Auf den EFI-Chef wirkt es wie ein Entwurf für ein Papier, das zu Beginn einer Legislatur verfasst wird. Gegen Ende der Legislatur klinge es nun eher wie der letzte Aufruf. Es enthalte Teile der Zukunftsstrategie Forschung und Innovation der Bundesregierung, versehen mit einer bestimmten Stoßrichtung, die eigentlich nicht passe: “Mit Technologieoffenheit hat der Inhalt nicht viel zu tun.” Schon die Grundüberlegung, dass eine Offensive für Technologieoffenheit Deutschland technologisch stärker und innovativer machen würde, hält Cantner für empirisch nicht belastbar

“Ich fürchte, das BMBF ist sich nicht darüber im Klaren, was Technologieoffenheit heißt”, sagt der EFI-Vorsitzende. Es handele sich um eine Grundeinstellung bei der Forschungsförderung. “Sobald die Politik etwas ausschließt oder etwas spezifisch fördert und damit den Wettbewerb unter Alternativen ausschließt, handelt sie nicht mehr technologieoffen.”  

Das Ende jeder spezifischen Förderung? 

Als Beispiel für dieses mangelnde Verständnis nennt er den Vorschlag, das staatliche Förderinstrumentarium neu zu justieren und ein Technologieoffenheitsgebot als Grundsatz für öffentliche Fördermaßnahmen zu etablieren. “Das ist paradox. Denn das wäre das Ende jeder spezifischen Förderung. Dann müsste man auch die in dem Papier vorgeschlagene Förderung von Kernfusion, KI und anderen speziellen Themen abschaffen.” Im Prinzip bliebe dann nur die steuerliche Forschungsförderung (Forschungszulage) und das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM), um den Unternehmen Förderung zukommen zu lassen – unabhängig davon, für welches Forschungsthema sie es einsetzen.

Vermutlich stecke hinter der Passage die Idee, Förderziele an Missionen auszurichten und diese technologieoffen zu formulieren. “Dann würde man zum Beispiel das Ziel ausgeben, bis 2030 einen Impfstoff für eine bestimmte Infektionskrankheit zu entwickeln, anstatt vorzugeben, dass dies durch einen Vektorimpfstoff erfolgen soll”, erläutert Cantner anhand eines fiktiven Beispiels. Missionsorientierung sei durchaus zu begrüßen.  

Wie können Innovationsprinzip und Vorsorgeprinzip gleichberechtigt sein? 

Doch auch an anderen Stellen bleibt rätselhaft, was genau gemeint ist. Etwa bei der mutig klingenden Forderung, das Innovationsprinzip in der Gesetzgebung und Verwaltungspraxis zu verankern. Die Idee: Es soll gleichberechtigt neben das Vorsorgeprinzip treten. “Ohne nähere Erläuterung ist völlig unklar, wie das aussehen soll. Wie fallen Entscheidungen aus, wenn etwas potenziell gefährlich, aber neu ist? Wird dann zugunsten der Innovation entschieden?”, fragt Cantner.  

In dem Papier geht es auch um ein Thema, über das Stark-Watzinger im Zusammenhang mit der Fördermittel-Affäre in die Kritik geraten ist: Wissenschaftsfreiheit. “Mehr Technologieoffenheit bedeutet auch eine Stärkung der Wissenschaftsfreiheit”, heißt es. “Das ist ein besonders kurioser Satz”, sagt Cantner. Die Wissenschaftsfreiheit sei grundgesetzlich garantiert, ein Grundrecht ohne Vorbedingungen. Mit Technologieoffenheit habe sie überhaupt nichts zu tun. “Selbst wenn man in der Projektförderung nur noch die Batterieforschung unterstützen würde, also absolut nicht technologieoffen ist, wäre das keine Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit. Denn dann können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sich trotzdem ihre Themen frei wählen und sich frei äußern.”

Thomas Jarzombek: “Es klingt wie Satire” 

Regelrecht entrüstet ist man in der Opposition über das Papier. “Es klingt wie Satire, wenn knapp drei Jahre nach der Bundestagswahl festgestellt wird, das staatliche Förderinstrumentarium sollte grundsätzlich neu justiert werden'”, sagt der forschungspolitische Sprecher der CDU/CSU, Thomas Jarzombek. “Was hat die Ministerin eigentlich bis heute getan? Und wo ist die konkrete Initiative?”, fragt er. Zum Ende der Periode einen “Diskussionsbeitrag” zu veröffentlichen, zeige das gesamte Problem der Ministerin auf.  

Seine Fraktion habe zum Beispiel vor einem Jahr im Bundestag ein Fusionsgesetz beantragt. Nun heiße es in dem Papier, es sollte schnellstmöglich mit den Vorbereitungen zur Erarbeitung eines Fusionsgesetzes begonnen werden. Jarzombek zählt weitere Versäumnisse des BMBF auf: “Wo ist die Dati, wo ist der Referentenentwurf des Forschungsdatengesetzes, wo der Beschluss des WissZeitVG?” Selbst die wenigen Vorhaben der Ministerin seien großteils unerledigt.  

Es entstehe der Eindruck, es gehe nur darum, im Sommerloch von der Fördergeldaffäre abzulenken. Jarzombek: “Das wird aber auf diese Weise nicht gelingen. Es muss endlich die Wahrheit auf den Tisch, sonst wird die Ministerin ihre Affäre nicht mehr los.” 

  • Bettina Stark-Watzinger
  • BMBF
  • EFI
  • Forschungsförderung
  • Forschungspolitik
  • Grüne Gentechnik
  • Innovation
  • Wissenschaft
  • Wissenschaftsfreiheit
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Termine

12./13. September 2024, FU Berlin
Jah­res­ta­gung des Netz­werks Wis­sen­schafts­ma­nage­ment Für Frei­heit in Kri­sen­zei­ten. Per­spek­ti­ven aus dem Wissenschaftsmanagement Mehr

19. September 2024, ab 11 Uhr, Körber-Stiftung, Hamburg
Hamburg Science Summit 2024 “Europe’s Path Towards Tech Sovereignty” Mehr

24. September 2024, 10:30 bis 16:15 Uhr, Haus der Commerzbank, Pariser Platz 1, 10117 Berlin
Forum Hochschulräte Starke Marken, klarer Kern: Strategische Schwerpunktsetzung und Markenbildung bei Hochschulen Mehr

25. September 2024, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU)
Jahreskolloquium des Bayerischen Wissenschaftsforums Transformationskompetenz in Wissenschaft und Hochschule Mehr

26. September 2024, 12:00 bis 13:00 Uhr, Webinar
CHE talk feat. DAAD KIWi Connect Transfer und Internationalisierung – Warum ist es sinnvoll, beides gemeinsam zu denken und was braucht es hierzu? Mehr

26./27. September 2024, Leopoldina, Jägerberg 1, 06108 Halle (Saale) und Online
Jahresversammlung 2024 der Leopoldina Ursprung und Beginn des Lebens Mehr

3. /4. Oktober 2024, Universität Helsinki, Finnland
2024 EUA FUNDING FORUM Sense & sustainability: future paths for university finances Mehr

8. /9. Oktober 2024 an der TU Berlin
bundesweite Tagung zu Machtmissbrauch an Hochschulen “Our UNIverse: Empowered to speak up” Mehr

10. Oktober 2024 an der TUM School of Management, München
Konferenz AI@WORK – How AI is changing leadership, work and collaboration Mehr

11. Oktober 2024 an der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste, Düsseldorf
DHV-Symposium 2024 “Die ‘Große Transformation’ – ein Jahrhundertprojekt zwischen Realität und Utopie” Mehr

23. bis 25. Oktober 2024 am ETH AI Center in Zürich, Schweiz
Jahrestagung der Gesellschaft für Medien in der Wissenschaft (GMW) und CampusSource Agilität und KI in Hochschulen Mehr

News

UAS7: Wo es bei der KMK-Internationalisierungsstrategie noch hakt 

Das HAW-Netzwerk UAS7 hat am Dienstag eine Stellungnahme zu der am 14. Juni verabschiedeten Internationalisierungsstrategie der KMK veröffentlicht. Darin fordern die HAWs mehr Ressourcen für die Umsetzung der Strategie sowie eine Flexibilisierung der Rahmenbedingungen. 

Die neue Internationalisierungsstrategie der Hochschulen soll nach dem Willen der Politik den Hochschulstandort angesichts neuer technologischer und politischer Entwicklungen sowie wachsender globaler Risiken stärken und resilienter machen. Gemeinsam sollen die Studienbedingungen für internationale Studierende verbessert und damit der Standort im Wettbewerb um Fachkräfte und wissenschaftliche Exzellenz gestärkt werden. 

Sorge über DAAD-Kürzung 

Die UAS7 begrüßt in ihrer Stellungnahme die Bund-Länder-Strategie, sieht jedoch den Bedarf für “weitere Anstrengungen”: 

  • Das Netzwerk drängt auf eine “Klärung der finanziellen Ressourcen und der strukturellen Rahmenbedingungen für die Hochschulen und insbesondere die HAWs zur Umsetzung der Strategie”. Mit großer Sorge habe man in diesem Zusammenhang die drohende Kürzung der Grundfinanzierung des DAAD im Haushaltsentwurf 2025 des Auswärtigen Amtes zur Kenntnis genommen.
  • Um den Anteil internationaler Professoren weiter zu erhöhen, sollten die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Gewinnung internationaler Lehrender und Forschender vereinfacht werden. Darüber hinaus sollten die strategische Entwicklung und Förderung weiterer relevanter Instrumente zur Gewinnung internationaler Wissenschaftler durch Bund und Länder vorangetrieben werden. 

UAS7-Geschäftsführerin Stephanie Sarah Wernet verweist im Gespräch mit Table.Briefings auf die geringere Personalpower an den HAWen. Daher brauche es hier auch eine strukturelle Unterstützung. Gleichzeitig sollten spezifische Programme wie HAW.International gestärkt werden.

Grundsätzlich plädiert die UAS7 dafür, bei der Internationalisierung der Hochschulen stärker auf die Wahrnehmung von Chancen als auf die Vermeidung von Risiken zu setzen. mw

  • DAAD
  • Hochschulen
  • Internationalisierung

Bayerisches Wissenschaftszentrum für KI und SuperTech gegründet

Kloster Speinshart in Neustadt an der Waldnaab in der Oberpfalz/Bayern
Kloster Speinshart in Neustadt an der Waldnaab in der Oberpfalz/Bayern.

Mit dem Wissenschaftszentrum im Kloster Speinshart wollen die bayerischen Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW/TH) einen Platz für Wissenschaft und angewandte Forschung in den Bereichen von KI und SuperTech schaffen. Das Zentrum versteht sich dabei als Plattform für den internationalen, interdisziplinären Austausch und die wissenschaftliche Vernetzung. Darüber hinaus dient es als Plattform für den Dialog zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft. 

Getragen wird die neue Einrichtung von einer gemeinnützigen GmbH, deren Gesellschafterrollen Universität Bayern e. V. zu 2/3 und Hochschule Bayern e. V. zu 1/3 übernehmen. Für die Aufbauphase wurden Lena von Gartzen, Geschäftsführerin von Hochschule Bayern, und Alexander Fehr, Geschäftsführer von Universität Bayern, gemeinsam als Gründungsgeschäftsführer berufen.

1,8 Millionen Euro für die Aufbauphase

In den kommenden Jahren werden in Speinshart wissenschaftliche Seminare, Workshops und weitere Veranstaltungen organisiert. Dabei geht es vorwiegend um die Forschung in den Feldern der Hightech Agenda Bayern und um den interdisziplinären Austausch mit der Wirtschaft und Unternehmen. 

In unmittelbarer Nachbarschaft zum Klostergebäude ist ein moderner Erweiterungsbau mit Tagungsräumen, Laboren und zusätzlichen Übernachtungsmöglichkeiten aus Mitteln des Bundesprogramms KulturInvest geplant. Dieser soll bis 2027 fertiggestellt werden. Für die Aufbauphase stehen aus dem Doppelhaushalt 2024/25 Mittel in Höhe von insgesamt 1,8 Millionen Euro zur Verfügung. mw

  • Bayern
  • Hochschulen
  • Innovation
  • Transfer

Must-Reads

Nürnberger Nachrichten. In Nürnberg geschasst, in Hannover hofiert. Die Nürnberger Nachrichten berichten über die personellen und forschungspolitischen Schach- und Winkelzüge zwischen Bayern und Niedersachsen. Als Markus Söder den Gründungspräsidenten der neuen Technischen Universität Nürnberg (utn) wegen Meinungsverschiedenheiten vor die Tür gesetzt hatte, gab es damals laute Kritik von Jutta Allmendinger, externes Mitglied in der Gründungskommission der utn. Inzwischen ist die scheidende WZB-Präsidentin Allmendinger seit Juni neue Vorsitzende der Wissenschaftlichen Kommission in Niedersachsen. Mutmaßlich war sie es, die der Landesregierung empfohlen hat, Prömel als Staatskommissar an die Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover (MuHo) zu entsenden. Seit Juli soll er die MuHo als Übergangspräsident nach lange schwelendem Präsidiumsstreit wieder in ruhige Fahrwasser bringen. Seine Vorgängerin an der MuHo ist derweil – über das lukrative Wissenschaftsprogramm “Die Besten für Bayern” – an die Hochschule für Musik in Nürnberg gewechselt. Mehr

Nature. Predatory Conferences nehmen zu. Akademische Konferenzen sind einer der wichtigsten Wege für die Karriereentwicklung in der Forschung. Immer mehr kommerzielle Konferenzanbieter nutzen dieses Bedürfnis von Nachwuchswissenschaftlern jedoch aus und locken sie zu “predatory conferences”, von denen kein wissenschaftlicher Ertrag zu erwarten ist. Das berichtet das Magazin Nature und benennt fünf Möglichkeiten, dagegen vorzugehen. So müssten Forscher, Institutionen und Fördereinrichtungen sowie auch die Verbraucherschutzverbände mehr als bisher zu diesem Thema sensibilisiert werden. Auch wollen die Autoren die Vorgesetzten und etablierten Forscher bei der Information der Nachwuchswissenschaftler stärker in die Pflicht nehmen. Vor allem aber müsse die “Forschungsgemeinschaft als Ganzes zusammenkommen” und die Anforderungen von Nachwuchswissenschaftlern in Bezug auf Wissenschaft und Vernetzung besser erfüllen. Mehr

Deutschlandfunk. Keine chinesisch-europäische Raumfahrt mehr. Trotz der erfolgreichen Zusammenarbeit bei Chinas Mondmission Chang’e 6 steht die Kooperation mit der ESA wohl vor dem Aus. Das berichtet der Deutschlandfunk. Demnach hatte die ESA ursprünglich gehofft, Menschen auf die chinesische Raumstation Tiangong zu schicken. Jedoch sei das Projekt offiziell beendet und China setzte stattdessen nun auf eine internationale, zunächst robotisch betriebene Mondforschungsstation. Wichtigster Partner ist Russland. Auch zehn weitere Länder hätten ihre Mitarbeit bereits zugesagt. Die ESA allerdings werde nicht mitmachen, da nach dem russischen Überfall auf die Ukraine neue Projekte mit Russland im Weltraum unerwünscht seien. Mehr

Standpunkt

Wie die Wissenschaft noch besser zum Klimaschutz beitragen kann

Von Axel Ockenfels und Achim Wambach
Axel Ockenfels (li.) ist Professor für Wirtschaftswissenschaft an der Universität zu Köln und Direktor am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern in Bonn. Achim Wambach (re.) ist Präsident des ZEW - Leibniz Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung und Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim.
Axel Ockenfels (li.) ist Professor für Wirtschaftswissenschaft an der Universität zu Köln und Direktor am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern in Bonn. Achim Wambach (re.) ist Präsident des ZEW – Leibniz Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung und Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim.

Für hoch technologisierte Länder wie Deutschland geht es beim Klimaschutz nicht nur darum, ob sie ihre angestrebten Reduktionsziele erreichen, sondern wie. Nur, wenn es dabei auch gelingt, ärmere und weitere Länder dazu zu bewegen, sich auf eine ambitionierte Klimapolitik einzulassen, ist die Klimapolitik erfolgreich. Deswegen ist der wichtigste Beitrag Deutschlands und Europas im Kampf gegen den Klimawandel Forschung und technologischer Fortschritt. So werden die Transformationskosten für die Welt reduziert.

Europa kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Sein Anteil an der globalen Wissenschaft gemessen an Köpfen ist dreimal höher als der Anteil an Emissionen. Schon deswegen wäre es falsch, unsere Verantwortung und unseren Fokus auf nationale Emissionsziele zu limitieren. Europa muss also konsequent auf Forschung setzen, um das Klima zu schützen und ärmere Länder dabei zu unterstützen.

Das Zusammenspiel mit übergeordneten Instrumenten nicht ignorieren

Die wissenschaftlichen Institutionen haben aber nicht nur eine Forschungsagenda, sondern oft auch eine eigene Klimaschutz-Agenda zur Reduktion von CO₂-Emissionen. Diese wird teilweise getrieben von einer öffentlichen Erwartungshaltung, die auf den CO₂-Fußabdruck der wissenschaftlichen Institutionen abzielt. Die Max-Planck-Gesellschaft will bis 2035 und die Fraunhofer-Gesellschaft sowie die Helmholtz-Gemeinschaft wollen sogar bis 2030 klimaneutral werden. Universitäten haben ähnliche Klimaziele. Dabei setzen sie oft auf Ökostrom, Gebäudesanierung und Ähnliches. Doch ist dies eine wissenschaftlich rationale Strategie, um den Klimaschutz bestmöglich zu unterstützen?

Die Antwort ist leider mitunter negativ. Bei einigen Maßnahmen verpufft jedweder Klimaeffekt, etwa weil sie das Zusammenspiel mit übergeordneten Instrumenten ignorieren. Ein solches Instrument ist der europäische Emissionshandel: Wer im Stromsektor klimaschädliche Emissionen verursacht, wie die Betreiber von Kohle- oder Gaskraftwerken, muss dafür Zertifikate kaufen. Verbraucht nun eine Universität weniger fossilen Strom, etwa durch Gebäudesanierung oder der Installation von Solaranlagen, sinkt dort der Bedarf an Zertifikaten. Die Zertifikate werden dann aber an anderer Stelle verbraucht. Solche Maßnahmen können also nicht die europäischen CO₂-Emissionen über das Niveau hinaus reduzieren, das der Emissionshandel erreicht. Wasserbetteffekt wird das Phänomen genannt: Wenn man die Matratze an einer Stelle nach unten drückt, wird sie an anderer Stelle nach oben gehoben.

Einige Klimaschutzmaßnahmen haben unerwünschte Effekte

Manche Maßnahmen rechnen sich möglicherweise von sich heraus und sind von daher empfehlenswert: Solaranlagen etwa werden gefördert, und mit der Eigenstromnutzung lassen sich hohe Netzgebühren vermeiden. Einen Beitrag zu den europäischen Emissionsreduktionen leisten sie aber nicht. Daher sollten Forschungseinrichtungen grundsätzlich ihre Klimaschutzmaßnahmen mit einer seriösen Analyse der Klimawirkungen und Kosten untermauern. Diese findet man jedoch selten. Wie viel CO₂ wird tatsächlich global beziehungsweise in Europa eingespart, und was hätte man mit den Mitteln alternativ erreichen können? Verantwortungsvoll und rational handeln heißt, die knappen Ressourcen so einzusetzen, dass sie die größtmögliche Wirkung im Kampf gegen den Klimawandel entfalten.

Andere Maßnahmen können mitunter sogar zu unerwünschten Effekten führen. Zum Beispiel bietet die Deutsche Forschungsgemeinschaft Kompensationen für innereuropäische Flüge an, deren Emissionen auch bereits im Emissionshandel berücksichtigt werden. Durch die zusätzliche Kompensation kann das Fliegen sogar zu einem größeren Beitrag zum Klimaschutz als das Nichtfliegen führen, denn es wird gewissermaßen jeder Flug doppelt kompensiert. Hinzu kommen möglicherweise noch unerwünschte Verhaltensänderungen: Es könnte zu mehr Flügen kommen, wenn nämlich die Kompensation das schlechte Gewissen erleichtert.

Klimaziele, die auf die eigene Klimabilanz und nicht auf die Bekämpfung des globalen Klimawandels abzielen, gehen aber insbesondere dann nach hinten los, wenn sie die Erforschung von Lösungen für eine nachhaltige Gesellschaft hemmen. Etwa wenn sie energieintensive Infrastrukturen verhindern, wie zum Beispiel Rechenzentren und große Versuchsanlagen. Oder wenn durch den Bezug von grünem Strom oder der Sanierung von Gebäuden unterm Strich weniger Geld für Forschung und Lehre übrigbleibt und der wissenschaftliche Fortschritt geringer ausfällt.

“Es ist unverständlich, dass die Bundesregierung Fördermittel für Klima- und Energietechnologien streicht”

Was ist also zu tun? Wissenschaft und Politik sollten ihre Anstrengungen auf Innovation fokussieren, also auf Forschung, Lehre und Transfer der Erkenntnisse. Gerade die Klima- und Energietechnologien brauchen einen massiven Schub. Material-, Ingenieur-, Natur- und Sozialwissenschaften sind gefordert, mit Innovationen die Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig weiterzuentwickeln.

Umso unverständlicher ist es, dass die Bundesregierung hier sogar Fördermittel streicht. Die Mittel für die Batteriezellenforschung wurden ebenso gekürzt wie Mittel für das Programm “Rohstoffe für die Transformation”. Programme zur Förderung der Entwicklung und der Produktion regenerativer Kraftstoffe und Antriebstechnologien für die Luftfahrt sowie das Programm “Klimaneutrales Schiff” wurden massiv beschnitten. Bei anderen Programmen, wie der Förderung nachhaltiger Kraftstoffe, sind Kürzungen geplant. Zugleich liegen die öffentlichen Ausgaben für Bildung relativ zum Bruttoinlandsprodukt in Deutschland unter dem OECD-Durchschnitt.

Gleichzeitig ist aber auch richtig, dass die Anreize für Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, sich klimafreundlich zu verhalten, nicht immer ideal sind. Flugreisen für Networking und Austausch werden typischerweise über Drittmittel finanziert, sodass ein Anreiz bestehen könnte, nicht ausreichend auf virtuelle Treffen auszuweichen, wenn diese ebenso effektiv möglich wären. Doch was sind dann sinnvolle Klimamaßnahmen für Wissenschaftseinrichtungen?

Interne CO₂-Bepreisung darf nicht in forschungsfremden Kanälen versickern

Ein positives Beispiel bietet unseres Erachtens die Universität Mannheim. Sie erhebt eine interne CO₂-Abgabe auf Interkontinentalflüge, da diese bisher nicht vom Emissionshandel erfasst werden. Die jährlichen Einnahmen werden wiederum an die Fakultäten ausgeschüttet und stehen so für Forschung und Lehre wieder zur Verfügung. Eine elegante Lösung, die das Zusammenspiel mit anderen Instrumenten der Klimapolitik explizit aufnimmt, die Anreize für klimafreundlicheres Verhalten schafft, und zwar ohne dass die Ausgaben in forschungsfernen Kanälen versickern. Die Universität Konstanz geht einen vergleichbaren Weg für alle, die freiwillig teilnehmen wollen.

Diese Idee lässt sich auf andere Ausgaben von Forschungseinrichtungen ausweiten. Das ist keine schlechte Idee, denn der CO₂-Preis ist nicht nur eine besonders effektive und effiziente Maßnahme der Verhaltenssteuerung, sondern auch eine zutiefst altruistische. Er zwingt dazu, bei allen Entscheidungen die Kosten zu berücksichtigen, die anderen in der Welt durch die Entscheidung auferlegt werden. Wenn beim Festlegen eines (internen) CO₂-Preises das Zusammenspiel mit weiteren Instrumenten der Klimapolitik wie dem europäischen Zertifikatehandel berücksichtigt werden, können unerwünschte Verhaltensänderungen und Wasserbetteffekte vermieden werden. Die Einnahmen der Bepreisung können für die notwendige Forschung verwendet werden.

Deutschland, das Land der Ideen und Erfinder, ist in der Klimakrise mehr denn je gefordert. Die Wissenschaft kann mit ihrem Wissensfortschritt einen echten Unterschied machen – und sie kann zugleich Vorbild sein für rationale und effektive Klimamaßnahmen.

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Heads

Marc Hüske wurde als neues Mitglied in den Forschungsbeirat Industrie 4.0 aufgenommen. Das Gremium zeigt forschungsbasierte Lösungswege für die Weiterentwicklung und Umsetzung von Industrie 4.0 auf und berät insbesondere das BMF. Der Elektrotechniker Hüske leitet seit 2024 das Forum Manufacturing-X im VDMA e. V. und ist als Teilprojektleiter in Factory-X für den Transfer der Projektergebnisse verantwortlich. 

Andreas Marx ist neuer Präsident der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Der Chemiker war im April von der Hochschulversammlung in das Amt gewählt worden, nachdem Uni-Präsident Walter Rosenthal im Oktober 2023 als Präsident der Hochschulrektorenkonferenz nach Berlin gewechselt war. Marx ist seit 2004 Professor für Organische und Zelluläre Chemie an der Universität Konstanz. Er wurde für seine Forschung mehrfach international ausgezeichnet.

Angela Matthies ist neue Kanzlerin der der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Sie wurde als erste Frau an die Spitze der Universitäts-Verwaltung gewählt. 

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Best of Table.Media

ESG.Table. Rohstoffpartnerschaften: Weshalb sie nicht den erhofften Erfolg bringen. Um sich Rohstoffe für wichtige Transformationstechnologien zu sichern und die Abhängigkeit von China zu reduzieren, schließen Bundesregierung und EU strategische Partnerschaften ab. Deren erhoffter Erfolg bleibt bisher jedoch aus: Der Druck durch Pandemie und Krieg scheint wieder zu schwinden, niedrige Rohstoffpreise mindern die Dringlichkeit, zu diversifizieren. Mehr

Bildung.Table. Digitalpakt: Welche Termine nun wichtig werden. Anfang September wird das politische Gezerre um die Fortsetzung des Digitalpaktes mit zwei wegweisenden Terminen weitergehen. Der Schwerpunkt der Sonder-KMK am 2. September ist aber eigentlich ein anderer: Kann sich die Konferenz zu neuen Abstimmungsmodalitäten durchringen? Mehr

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ESG.Table. Studie: Welches Leitbild braucht die Transformation? Wachstum scheint ohne Alternative zu sein, meinen viele Verantwortliche in Wirtschaft und Politik, die sozial-ökologische Transformation und die Bekämpfung der Klimakrise müssen irgendwie untergeordnet werden. Eine neue Studie hinterfragt diese Annahme nun grundsätzlich. Mehr

Nachtisch

Skulpturen von Kaspar Hauser im mittelfränkischen Ansbach.

Nachdem frühere Untersuchungen noch große Unsicherheiten hinterlassen hatten, bringt eine aktuelle Studie der Medizinischen Universität Innsbruck mehr Gewissheit. Eine mütterliche Verwandtschaft Kaspar Hausers mit dem Haus Baden könne nun mit nahezu hundertprozentiger Sicherheit (99,9994 Prozent) ausgeschlossen werden.  

In der aktuellen Forschungsarbeit, an der Walther Parson vom Institut für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität Innsbruck federführend beteiligt war, wurden neue DNA-Analysen vorgestellt, die den langjährigen Streit um die Herkunft Kaspar Hausers klären sollen. Bei den Analysen, die 2019 in Innsbruck und 2020/21 in Potsdam durchgeführt wurden, kamen neue, wesentlich empfindlichere Methoden zum Einsatz, die die Ergebnisse einer früheren Untersuchung aus dem Jahr 1996 bestätigen.  

Gerücht über Säuglingstausch anscheinend falsch 

Am 26. Mai 1828 tauchte Hauser in Nürnberg als etwa 16-jähriger, offensichtlich geistig zurückgebliebener und kaum sprechender Jugendlicher auf. Seine späteren Behauptungen, er sei sein Leben lang allein in einem dunklen Raum bei Wasser und Brot gefangen gehalten worden, erregten internationales Aufsehen.  

Ein zeitgenössisches Gerücht besagte, Hauser sei der 1812 geborene Erbprinz von Baden, den man gegen einen sterbenden Säugling ausgetauscht und versteckt habe, um einer Nebenlinie des badischen Fürstenhauses die Thronfolge zu sichern. In der geschichtswissenschaftlichen Literatur wird diese “Prinzenlegende” aufgrund später veröffentlichter Dokumente und Augenzeugenberichte über den Tod des Prinzen als widerlegt angesehen. Nun scheinen auch die naturwissenschaftlichen Untersuchungen dieses Ergebnis zu bestätigen. Markus Weisskopf

Research.Table Redaktion

RESEARCH.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    vor rund einem Jahr hatte meine Kollegin Nicola Kuhrt den damals frisch gebackenen Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft, Patrick Cramer, zum Antrittsinterview eingeladen. Cramer legte sich damals selbst eine “Initiativpflicht” auf. Er wolle für kritische Kontinuität stehen und prüfen, was noch besser laufen kann. Nach seinem ersten Amtsjahr haben wir in der Sommerpause die Gelegenheit genutzt und ihn gefragt, wo er fündig geworden ist.

    Da er aktuell Sprecher der Allianz der Wissenschaftsorganisationen ist, war auch forschungspolitisch einiges los. Die deutsche Wissenschaft wird “jünger, weiblicher und internationaler”, prognostiziert der Chemiker und Molekularbiologe. Warum er mit besorgtem Blick auf die anstehenden Landtags- und US-Wahlen blickt und wieso er in der Fördermittel-Affäre des BMBF ein vertrauliches Gespräch der Wissenschaftsbosse mit Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger organisiert hat, lesen Sie in dieser Ausgabe. Das Interview können Sie am Freitagmorgen ab 6 Uhr auch im Podcast Table.Today hören.

    Stark-Watzinger selbst hat die Sommerpause und die zeitweilige Ruhe in Sachen Fördermittel-Affäre dafür genutzt, mit ihrem Ministerium ein Impulspapier zur “Offensive für Technologieoffenheit” zu verfassen, das sie an die Wissenschaftsorganisationen schicken ließ. Experten halten dieses für wenig durchdacht. Das Papier sei unklar in den Begrifflichkeiten und in sich nicht stimmig, kritisiert der Vorsitzende der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), Uwe Cantner. Es handele sich um eine Zusammenstellung von größtenteils richtigen Maßnahmen. Zumeist seien die aber bereits bekannt oder überfällig und hätten mit Technologieoffenheit nicht viel zu tun. Meine Kollegin Anne Brüning berichtet.

    Ich wünsche Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre,

    Ihr
    Tim Gabel
    Bild von Tim  Gabel

    Analyse

    Patrick Cramer: “Die Wissenschaft muss jünger, weiblicher und internationaler werden”

    Patrick Cramer
    Im Interview zieht Patrick Cramer Bilanz seines ersten Amtsjahres als Präsident der Max-Planck-Gesellschaft.

    Patrick Cramer ist seit einem Jahr Präsident der Max-Planck-Gesellschaft und turnusmäßig Sprecher der Allianz der Wissenschaftsorganisationen. Im Interview mit Table.Briefings sagt er, sein erstes Jahr im neuen Job sei “wie im Flug vergangen”. Es sei ein Dreiklang aus Wissenschaftsmanagement, Forschungspolitik und Leadership notwendig gewesen, um die “Herausforderungen anzugehen, Entwicklungen aufzugreifen und dabei als Moderator und Katalysator aktiv zu sein.” 

    Er versuche selbst den Spirit zu erzeugen, den er in seiner Karriere erfahren habe, unter anderem als junger Wissenschaftler an der Stanford University in Kalifornien. “Ich kam damals in das Labor und man hat mich einfach machen lassen. Und zudem gab es dort natürlich diese Can-Do-Attitüde, also nichts ist unmöglich.” Er habe bei seinen ersten Berufungen darauf geachtet, dass die Wissenschaft “jünger, weiblicher und internationaler” werde. 

    Cramer: WisszeitVG bildet nicht die Vielfalt des Wissenschaftssystems ab 

    Dass der wissenschaftliche Nachwuchs in Deutschland attraktive Bedingungen und wissenschaftliche Unabhängigkeit vorfinde, sei ihm ein großes Anliegen. Ein “One-Size-Fits-all”-Ansatz funktioniere in der Wissenschaft allerdings nicht. Mit Blick auf die Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes komme die Frustration bei den jungen Leuten auch daher, dass es mit dem Gesetz nicht gelingen werde, die Vielfalt der Karrierewege abzubilden. 

    Es werde auch weiterhin eine Bestenauswahl in der Wissenschaft geben: “Nicht jeder und jede, die sich in der Postdoc-Phase befindet, wird dann Professorin oder Professor und das wollen auch gar nicht alle”, sagt Cramer. Hervorragende Leute würden auch in Wirtschaft und Industrie gesucht: “Wir brauchen Leute, die eine eigene Firma gründen oder in den Patentämtern arbeiten.” Die Wissenschaft habe hier einen Ausbildungsauftrag auch während der Promotions- und Postdoc-Phase. 

    Machtmissbrauch: Dreiklang aus Prävention, Diagnose und Therapie 

    Das Wissenschaftssystem ist anfällig für Machtmissbrauch, auch die Max-Planck-Gesellschaft, in der ganze Institute um einzelne Personen herum aufgebaut werden. Doch es habe sich viel getan, sagt Cramer. Er nennt sein Vorgehen einen “Dreiklang aus Prävention, Diagnose und Therapie”. Präventiv setze die MPG seit letztem Jahr auf verpflichtende Führungsseminare für alle Führungskräfte. Diagnostisch setze man auf hervorragende Meldewege innerhalb und außerhalb der Max-Planck-Gesellschaft. 

    Für die Einzelfälle, in denen tatsächlich Fehlverhalten auftrete, habe man neue, verbesserte Verfahrensregeln geschaffen und es stehe externe Expertise begleitend zur Verfügung: “Wir arbeiten jetzt mit unabhängigen Kanzleien zusammen, die sich einen Sachverhalt völlig unvoreingenommen und von außen anschauen”, sagt Cramer. 

    Rechtsextremismus: MPG lebt von internationalem Austausch 

    Mit Blick auf externe Faktoren für die Attraktivität des Wissenschaftsstandorts Deutschlands und auch der MPG sei eine offene Gesellschaft und eine gelebte Willkommenskultur entscheidend, um die Besten aus der ganzen Welt anzuziehen: “40 Prozent unserer Direktorinnen und Direktoren haben keinen deutschen Pass, bei den Promovierenden sind es schon 60 Prozent und bei den Postdocs 80 Prozent.” Die Max-Planck-Gesellschaft stehe und falle mit der Internationalisierung. 

    Angesichts von Remigrationstreffen und zunehmenden rechtsextremen Tendenzen im Land habe man auf diversen Kanälen immer wieder darauf hingewiesen, dass die Demokratie geschützt werden müsse. Man suche im Kampf gegen Rechts auch den internationalen Schulterschluss, etwa mit dem Präsidenten der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. “Aber wir werden natürlich niemals parteipolitisch Stellung beziehen. Wir werden mit allen demokratischen Parteien zusammenarbeiten”, sagt Cramer angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen in den ostdeutschen Bundesländern. 

    Kooperationen mit China: Risiken müssen klar benannt werden 

    International müssten sich deutsche Forschende darum bemühen, langjährige Partnerschaften zu stärken und die Brücken der Zusammenarbeit aufrechtzuhalten. Die Wissenschaft sei insgesamt ein resilientes System: “Ich mache mir Sorgen darum, dass der internationale Motor der Wissenschaft – also die USA, als Leitnation – ins Stocken gerät.” Hinweise darauf gäben heute schon Universitätsrankings, wo amerikanische Eliteuniversitäten von chinesischen Einrichtungen von den oberen Plätzen verdrängt werden. 

    Grund dafür sei auch, dass der Kontakt zwischen den USA und China nicht mehr so gegeben ist, wie noch vor einigen Jahren, meint Cramer. Auch bei der Max-Planck-Gesellschaft setze man aufgrund zunehmender Sicherheitsrisiken auf ein De-Risking in Kooperationen mit China, “aber wir wollen kein De-Coupling”. Gemeinsamer Forschung in risikoarmen Bereichen solle nichts im Wege stehen. In anderen Feldern müssten Risiken wie Spionage, die Nähe zur Militärforschung und Einschränkungen der Wissenschaftsfreiheit klar benannt und erkannt werden, um nicht naiv zu handeln. 

    Fördermittel-Affäre: Stützte die Allianz die taumelnde Forschungsministerin? 

    Um die Wissenschaftsfreiheit wird aber nicht nur im Verhältnis zu China gerungen. Auch das BMBF und Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger stehen in der Fördermittel-Affäre in der Kritik, die Förderung von ideologisch unliebsamen Wissenschaftlern geprüft zu haben. Stark-Watzinger bestreitet, den Auftrag gegeben zu haben. Patrick Cramer hatte mit anderen Wissenschaftsbossen zur Hochzeit der Affäre das Gespräch mit der Forschungsministerin gesucht.  

    Dass nach dem FAZ-Leak des Austauschs der Eindruck entstanden sei, die Allianz stütze die taumelnde Wissenschaftsministerin aus eigenem Interesse, kann Cramer nicht nachvollziehen. “Ich kann mir vorstellen, dass die Leute viel Fantasie haben, aber das war auf keinen Fall meine Intention”. Er hätte das vertrauliche Gespräch angeboten, um in einer schwierigen Zeit nicht übereinander, sondern miteinander zu sprechen. Das Gespräch diente dem offenen und kritischen Austausch, so Cramer. Zu den Inhalten wollte er sich nicht äußern. 

    Das gesamte Interview, in dem Patrick Cramer auch darüber spricht, was eine zweite Amtszeit von Donald Trump für die Zukunft der deutschen Wissenschaft bedeuten würde, hören Sie am morgigen Freitag ab 6 Uhr bei Table.Today dem täglichen News-Podcast von Table.Briefings. 

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    Warum das BMBF-Papier zur Technologieoffenheit wenig innovativ, teils sogar kurios ist  

    Die vom BMBF angestrebte “Offensive für Technologieoffenheit” ist offensichtlich wenig durchdacht. Dieser Eindruck drängt sich auf, wenn man den zugehörigen Diskussionsbeitrag genauer studiert. Wie berichtet, preist das Impulspapier Technologieoffenheit als Weg zu mehr Wohlstand, zur Stärkung der Wissenschaftsfreiheit sowie der strategischen Unabhängigkeit. Darüber hinaus enthält es Vorschläge, etwa für Bürokratieabbau. Und es formuliert Appelle, in Arbeit befindliche Gesetze wie das Reallabore-Gesetz anzugehen oder neue Gesetze zu schaffen beziehungsweise zu novellieren. Beispiele dafür sind Gesetze zu Kernfusion, Grüner Gentechnik und Embryonenforschung. 

    Das Impulspapier wurde Anfang August an die Allianz der Wissenschaftsorganisationen verschickt, damit deren Mitglieder ihre Expertise, eigene Vorschläge und wichtige Impulse einbringen können, teilt das BMBF auf Anfrage von Table.Briefings mit. “Nach den Rückmeldungen der Allianz-Mitglieder wird sich das BMBF mit ihnen in einem nächsten Schritt in geeigneter Weise hierzu austauschen, bevor die Impulse in den weiteren politischen Prozess eingebracht werden.” Man habe um eine erste Rückmeldung bis zum Ende des Monats August gebeten.

    Uwe Cantner: “Mit Technologieoffenheit hat der Inhalt nicht viel zu tun” 

    Es handelt sich also noch nicht um ein finales Konzept. Dennoch verwundern Ausrichtung und Zusammenstellung. Das Papier sei unklar in den Begrifflichkeiten und in sich nicht stimmig, kritisiert der Vorsitzende der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), Uwe Cantner. Es handele sich um eine Zusammenstellung von größtenteils richtigen Maßnahmen. Zumeist seien diese jedoch bereits bekannt, einige davon warteten schon länger auf Umsetzung.  

    Auf den EFI-Chef wirkt es wie ein Entwurf für ein Papier, das zu Beginn einer Legislatur verfasst wird. Gegen Ende der Legislatur klinge es nun eher wie der letzte Aufruf. Es enthalte Teile der Zukunftsstrategie Forschung und Innovation der Bundesregierung, versehen mit einer bestimmten Stoßrichtung, die eigentlich nicht passe: “Mit Technologieoffenheit hat der Inhalt nicht viel zu tun.” Schon die Grundüberlegung, dass eine Offensive für Technologieoffenheit Deutschland technologisch stärker und innovativer machen würde, hält Cantner für empirisch nicht belastbar

    “Ich fürchte, das BMBF ist sich nicht darüber im Klaren, was Technologieoffenheit heißt”, sagt der EFI-Vorsitzende. Es handele sich um eine Grundeinstellung bei der Forschungsförderung. “Sobald die Politik etwas ausschließt oder etwas spezifisch fördert und damit den Wettbewerb unter Alternativen ausschließt, handelt sie nicht mehr technologieoffen.”  

    Das Ende jeder spezifischen Förderung? 

    Als Beispiel für dieses mangelnde Verständnis nennt er den Vorschlag, das staatliche Förderinstrumentarium neu zu justieren und ein Technologieoffenheitsgebot als Grundsatz für öffentliche Fördermaßnahmen zu etablieren. “Das ist paradox. Denn das wäre das Ende jeder spezifischen Förderung. Dann müsste man auch die in dem Papier vorgeschlagene Förderung von Kernfusion, KI und anderen speziellen Themen abschaffen.” Im Prinzip bliebe dann nur die steuerliche Forschungsförderung (Forschungszulage) und das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM), um den Unternehmen Förderung zukommen zu lassen – unabhängig davon, für welches Forschungsthema sie es einsetzen.

    Vermutlich stecke hinter der Passage die Idee, Förderziele an Missionen auszurichten und diese technologieoffen zu formulieren. “Dann würde man zum Beispiel das Ziel ausgeben, bis 2030 einen Impfstoff für eine bestimmte Infektionskrankheit zu entwickeln, anstatt vorzugeben, dass dies durch einen Vektorimpfstoff erfolgen soll”, erläutert Cantner anhand eines fiktiven Beispiels. Missionsorientierung sei durchaus zu begrüßen.  

    Wie können Innovationsprinzip und Vorsorgeprinzip gleichberechtigt sein? 

    Doch auch an anderen Stellen bleibt rätselhaft, was genau gemeint ist. Etwa bei der mutig klingenden Forderung, das Innovationsprinzip in der Gesetzgebung und Verwaltungspraxis zu verankern. Die Idee: Es soll gleichberechtigt neben das Vorsorgeprinzip treten. “Ohne nähere Erläuterung ist völlig unklar, wie das aussehen soll. Wie fallen Entscheidungen aus, wenn etwas potenziell gefährlich, aber neu ist? Wird dann zugunsten der Innovation entschieden?”, fragt Cantner.  

    In dem Papier geht es auch um ein Thema, über das Stark-Watzinger im Zusammenhang mit der Fördermittel-Affäre in die Kritik geraten ist: Wissenschaftsfreiheit. “Mehr Technologieoffenheit bedeutet auch eine Stärkung der Wissenschaftsfreiheit”, heißt es. “Das ist ein besonders kurioser Satz”, sagt Cantner. Die Wissenschaftsfreiheit sei grundgesetzlich garantiert, ein Grundrecht ohne Vorbedingungen. Mit Technologieoffenheit habe sie überhaupt nichts zu tun. “Selbst wenn man in der Projektförderung nur noch die Batterieforschung unterstützen würde, also absolut nicht technologieoffen ist, wäre das keine Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit. Denn dann können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sich trotzdem ihre Themen frei wählen und sich frei äußern.”

    Thomas Jarzombek: “Es klingt wie Satire” 

    Regelrecht entrüstet ist man in der Opposition über das Papier. “Es klingt wie Satire, wenn knapp drei Jahre nach der Bundestagswahl festgestellt wird, das staatliche Förderinstrumentarium sollte grundsätzlich neu justiert werden'”, sagt der forschungspolitische Sprecher der CDU/CSU, Thomas Jarzombek. “Was hat die Ministerin eigentlich bis heute getan? Und wo ist die konkrete Initiative?”, fragt er. Zum Ende der Periode einen “Diskussionsbeitrag” zu veröffentlichen, zeige das gesamte Problem der Ministerin auf.  

    Seine Fraktion habe zum Beispiel vor einem Jahr im Bundestag ein Fusionsgesetz beantragt. Nun heiße es in dem Papier, es sollte schnellstmöglich mit den Vorbereitungen zur Erarbeitung eines Fusionsgesetzes begonnen werden. Jarzombek zählt weitere Versäumnisse des BMBF auf: “Wo ist die Dati, wo ist der Referentenentwurf des Forschungsdatengesetzes, wo der Beschluss des WissZeitVG?” Selbst die wenigen Vorhaben der Ministerin seien großteils unerledigt.  

    Es entstehe der Eindruck, es gehe nur darum, im Sommerloch von der Fördergeldaffäre abzulenken. Jarzombek: “Das wird aber auf diese Weise nicht gelingen. Es muss endlich die Wahrheit auf den Tisch, sonst wird die Ministerin ihre Affäre nicht mehr los.” 

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    Termine

    12./13. September 2024, FU Berlin
    Jah­res­ta­gung des Netz­werks Wis­sen­schafts­ma­nage­ment Für Frei­heit in Kri­sen­zei­ten. Per­spek­ti­ven aus dem Wissenschaftsmanagement Mehr

    19. September 2024, ab 11 Uhr, Körber-Stiftung, Hamburg
    Hamburg Science Summit 2024 “Europe’s Path Towards Tech Sovereignty” Mehr

    24. September 2024, 10:30 bis 16:15 Uhr, Haus der Commerzbank, Pariser Platz 1, 10117 Berlin
    Forum Hochschulräte Starke Marken, klarer Kern: Strategische Schwerpunktsetzung und Markenbildung bei Hochschulen Mehr

    25. September 2024, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU)
    Jahreskolloquium des Bayerischen Wissenschaftsforums Transformationskompetenz in Wissenschaft und Hochschule Mehr

    26. September 2024, 12:00 bis 13:00 Uhr, Webinar
    CHE talk feat. DAAD KIWi Connect Transfer und Internationalisierung – Warum ist es sinnvoll, beides gemeinsam zu denken und was braucht es hierzu? Mehr

    26./27. September 2024, Leopoldina, Jägerberg 1, 06108 Halle (Saale) und Online
    Jahresversammlung 2024 der Leopoldina Ursprung und Beginn des Lebens Mehr

    3. /4. Oktober 2024, Universität Helsinki, Finnland
    2024 EUA FUNDING FORUM Sense & sustainability: future paths for university finances Mehr

    8. /9. Oktober 2024 an der TU Berlin
    bundesweite Tagung zu Machtmissbrauch an Hochschulen “Our UNIverse: Empowered to speak up” Mehr

    10. Oktober 2024 an der TUM School of Management, München
    Konferenz AI@WORK – How AI is changing leadership, work and collaboration Mehr

    11. Oktober 2024 an der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste, Düsseldorf
    DHV-Symposium 2024 “Die ‘Große Transformation’ – ein Jahrhundertprojekt zwischen Realität und Utopie” Mehr

    23. bis 25. Oktober 2024 am ETH AI Center in Zürich, Schweiz
    Jahrestagung der Gesellschaft für Medien in der Wissenschaft (GMW) und CampusSource Agilität und KI in Hochschulen Mehr

    News

    UAS7: Wo es bei der KMK-Internationalisierungsstrategie noch hakt 

    Das HAW-Netzwerk UAS7 hat am Dienstag eine Stellungnahme zu der am 14. Juni verabschiedeten Internationalisierungsstrategie der KMK veröffentlicht. Darin fordern die HAWs mehr Ressourcen für die Umsetzung der Strategie sowie eine Flexibilisierung der Rahmenbedingungen. 

    Die neue Internationalisierungsstrategie der Hochschulen soll nach dem Willen der Politik den Hochschulstandort angesichts neuer technologischer und politischer Entwicklungen sowie wachsender globaler Risiken stärken und resilienter machen. Gemeinsam sollen die Studienbedingungen für internationale Studierende verbessert und damit der Standort im Wettbewerb um Fachkräfte und wissenschaftliche Exzellenz gestärkt werden. 

    Sorge über DAAD-Kürzung 

    Die UAS7 begrüßt in ihrer Stellungnahme die Bund-Länder-Strategie, sieht jedoch den Bedarf für “weitere Anstrengungen”: 

    • Das Netzwerk drängt auf eine “Klärung der finanziellen Ressourcen und der strukturellen Rahmenbedingungen für die Hochschulen und insbesondere die HAWs zur Umsetzung der Strategie”. Mit großer Sorge habe man in diesem Zusammenhang die drohende Kürzung der Grundfinanzierung des DAAD im Haushaltsentwurf 2025 des Auswärtigen Amtes zur Kenntnis genommen.
    • Um den Anteil internationaler Professoren weiter zu erhöhen, sollten die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Gewinnung internationaler Lehrender und Forschender vereinfacht werden. Darüber hinaus sollten die strategische Entwicklung und Förderung weiterer relevanter Instrumente zur Gewinnung internationaler Wissenschaftler durch Bund und Länder vorangetrieben werden. 

    UAS7-Geschäftsführerin Stephanie Sarah Wernet verweist im Gespräch mit Table.Briefings auf die geringere Personalpower an den HAWen. Daher brauche es hier auch eine strukturelle Unterstützung. Gleichzeitig sollten spezifische Programme wie HAW.International gestärkt werden.

    Grundsätzlich plädiert die UAS7 dafür, bei der Internationalisierung der Hochschulen stärker auf die Wahrnehmung von Chancen als auf die Vermeidung von Risiken zu setzen. mw

    • DAAD
    • Hochschulen
    • Internationalisierung

    Bayerisches Wissenschaftszentrum für KI und SuperTech gegründet

    Kloster Speinshart in Neustadt an der Waldnaab in der Oberpfalz/Bayern
    Kloster Speinshart in Neustadt an der Waldnaab in der Oberpfalz/Bayern.

    Mit dem Wissenschaftszentrum im Kloster Speinshart wollen die bayerischen Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW/TH) einen Platz für Wissenschaft und angewandte Forschung in den Bereichen von KI und SuperTech schaffen. Das Zentrum versteht sich dabei als Plattform für den internationalen, interdisziplinären Austausch und die wissenschaftliche Vernetzung. Darüber hinaus dient es als Plattform für den Dialog zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft. 

    Getragen wird die neue Einrichtung von einer gemeinnützigen GmbH, deren Gesellschafterrollen Universität Bayern e. V. zu 2/3 und Hochschule Bayern e. V. zu 1/3 übernehmen. Für die Aufbauphase wurden Lena von Gartzen, Geschäftsführerin von Hochschule Bayern, und Alexander Fehr, Geschäftsführer von Universität Bayern, gemeinsam als Gründungsgeschäftsführer berufen.

    1,8 Millionen Euro für die Aufbauphase

    In den kommenden Jahren werden in Speinshart wissenschaftliche Seminare, Workshops und weitere Veranstaltungen organisiert. Dabei geht es vorwiegend um die Forschung in den Feldern der Hightech Agenda Bayern und um den interdisziplinären Austausch mit der Wirtschaft und Unternehmen. 

    In unmittelbarer Nachbarschaft zum Klostergebäude ist ein moderner Erweiterungsbau mit Tagungsräumen, Laboren und zusätzlichen Übernachtungsmöglichkeiten aus Mitteln des Bundesprogramms KulturInvest geplant. Dieser soll bis 2027 fertiggestellt werden. Für die Aufbauphase stehen aus dem Doppelhaushalt 2024/25 Mittel in Höhe von insgesamt 1,8 Millionen Euro zur Verfügung. mw

    • Bayern
    • Hochschulen
    • Innovation
    • Transfer

    Must-Reads

    Nürnberger Nachrichten. In Nürnberg geschasst, in Hannover hofiert. Die Nürnberger Nachrichten berichten über die personellen und forschungspolitischen Schach- und Winkelzüge zwischen Bayern und Niedersachsen. Als Markus Söder den Gründungspräsidenten der neuen Technischen Universität Nürnberg (utn) wegen Meinungsverschiedenheiten vor die Tür gesetzt hatte, gab es damals laute Kritik von Jutta Allmendinger, externes Mitglied in der Gründungskommission der utn. Inzwischen ist die scheidende WZB-Präsidentin Allmendinger seit Juni neue Vorsitzende der Wissenschaftlichen Kommission in Niedersachsen. Mutmaßlich war sie es, die der Landesregierung empfohlen hat, Prömel als Staatskommissar an die Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover (MuHo) zu entsenden. Seit Juli soll er die MuHo als Übergangspräsident nach lange schwelendem Präsidiumsstreit wieder in ruhige Fahrwasser bringen. Seine Vorgängerin an der MuHo ist derweil – über das lukrative Wissenschaftsprogramm “Die Besten für Bayern” – an die Hochschule für Musik in Nürnberg gewechselt. Mehr

    Nature. Predatory Conferences nehmen zu. Akademische Konferenzen sind einer der wichtigsten Wege für die Karriereentwicklung in der Forschung. Immer mehr kommerzielle Konferenzanbieter nutzen dieses Bedürfnis von Nachwuchswissenschaftlern jedoch aus und locken sie zu “predatory conferences”, von denen kein wissenschaftlicher Ertrag zu erwarten ist. Das berichtet das Magazin Nature und benennt fünf Möglichkeiten, dagegen vorzugehen. So müssten Forscher, Institutionen und Fördereinrichtungen sowie auch die Verbraucherschutzverbände mehr als bisher zu diesem Thema sensibilisiert werden. Auch wollen die Autoren die Vorgesetzten und etablierten Forscher bei der Information der Nachwuchswissenschaftler stärker in die Pflicht nehmen. Vor allem aber müsse die “Forschungsgemeinschaft als Ganzes zusammenkommen” und die Anforderungen von Nachwuchswissenschaftlern in Bezug auf Wissenschaft und Vernetzung besser erfüllen. Mehr

    Deutschlandfunk. Keine chinesisch-europäische Raumfahrt mehr. Trotz der erfolgreichen Zusammenarbeit bei Chinas Mondmission Chang’e 6 steht die Kooperation mit der ESA wohl vor dem Aus. Das berichtet der Deutschlandfunk. Demnach hatte die ESA ursprünglich gehofft, Menschen auf die chinesische Raumstation Tiangong zu schicken. Jedoch sei das Projekt offiziell beendet und China setzte stattdessen nun auf eine internationale, zunächst robotisch betriebene Mondforschungsstation. Wichtigster Partner ist Russland. Auch zehn weitere Länder hätten ihre Mitarbeit bereits zugesagt. Die ESA allerdings werde nicht mitmachen, da nach dem russischen Überfall auf die Ukraine neue Projekte mit Russland im Weltraum unerwünscht seien. Mehr

    Standpunkt

    Wie die Wissenschaft noch besser zum Klimaschutz beitragen kann

    Von Axel Ockenfels und Achim Wambach
    Axel Ockenfels (li.) ist Professor für Wirtschaftswissenschaft an der Universität zu Köln und Direktor am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern in Bonn. Achim Wambach (re.) ist Präsident des ZEW - Leibniz Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung und Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim.
    Axel Ockenfels (li.) ist Professor für Wirtschaftswissenschaft an der Universität zu Köln und Direktor am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern in Bonn. Achim Wambach (re.) ist Präsident des ZEW – Leibniz Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung und Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim.

    Für hoch technologisierte Länder wie Deutschland geht es beim Klimaschutz nicht nur darum, ob sie ihre angestrebten Reduktionsziele erreichen, sondern wie. Nur, wenn es dabei auch gelingt, ärmere und weitere Länder dazu zu bewegen, sich auf eine ambitionierte Klimapolitik einzulassen, ist die Klimapolitik erfolgreich. Deswegen ist der wichtigste Beitrag Deutschlands und Europas im Kampf gegen den Klimawandel Forschung und technologischer Fortschritt. So werden die Transformationskosten für die Welt reduziert.

    Europa kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Sein Anteil an der globalen Wissenschaft gemessen an Köpfen ist dreimal höher als der Anteil an Emissionen. Schon deswegen wäre es falsch, unsere Verantwortung und unseren Fokus auf nationale Emissionsziele zu limitieren. Europa muss also konsequent auf Forschung setzen, um das Klima zu schützen und ärmere Länder dabei zu unterstützen.

    Das Zusammenspiel mit übergeordneten Instrumenten nicht ignorieren

    Die wissenschaftlichen Institutionen haben aber nicht nur eine Forschungsagenda, sondern oft auch eine eigene Klimaschutz-Agenda zur Reduktion von CO₂-Emissionen. Diese wird teilweise getrieben von einer öffentlichen Erwartungshaltung, die auf den CO₂-Fußabdruck der wissenschaftlichen Institutionen abzielt. Die Max-Planck-Gesellschaft will bis 2035 und die Fraunhofer-Gesellschaft sowie die Helmholtz-Gemeinschaft wollen sogar bis 2030 klimaneutral werden. Universitäten haben ähnliche Klimaziele. Dabei setzen sie oft auf Ökostrom, Gebäudesanierung und Ähnliches. Doch ist dies eine wissenschaftlich rationale Strategie, um den Klimaschutz bestmöglich zu unterstützen?

    Die Antwort ist leider mitunter negativ. Bei einigen Maßnahmen verpufft jedweder Klimaeffekt, etwa weil sie das Zusammenspiel mit übergeordneten Instrumenten ignorieren. Ein solches Instrument ist der europäische Emissionshandel: Wer im Stromsektor klimaschädliche Emissionen verursacht, wie die Betreiber von Kohle- oder Gaskraftwerken, muss dafür Zertifikate kaufen. Verbraucht nun eine Universität weniger fossilen Strom, etwa durch Gebäudesanierung oder der Installation von Solaranlagen, sinkt dort der Bedarf an Zertifikaten. Die Zertifikate werden dann aber an anderer Stelle verbraucht. Solche Maßnahmen können also nicht die europäischen CO₂-Emissionen über das Niveau hinaus reduzieren, das der Emissionshandel erreicht. Wasserbetteffekt wird das Phänomen genannt: Wenn man die Matratze an einer Stelle nach unten drückt, wird sie an anderer Stelle nach oben gehoben.

    Einige Klimaschutzmaßnahmen haben unerwünschte Effekte

    Manche Maßnahmen rechnen sich möglicherweise von sich heraus und sind von daher empfehlenswert: Solaranlagen etwa werden gefördert, und mit der Eigenstromnutzung lassen sich hohe Netzgebühren vermeiden. Einen Beitrag zu den europäischen Emissionsreduktionen leisten sie aber nicht. Daher sollten Forschungseinrichtungen grundsätzlich ihre Klimaschutzmaßnahmen mit einer seriösen Analyse der Klimawirkungen und Kosten untermauern. Diese findet man jedoch selten. Wie viel CO₂ wird tatsächlich global beziehungsweise in Europa eingespart, und was hätte man mit den Mitteln alternativ erreichen können? Verantwortungsvoll und rational handeln heißt, die knappen Ressourcen so einzusetzen, dass sie die größtmögliche Wirkung im Kampf gegen den Klimawandel entfalten.

    Andere Maßnahmen können mitunter sogar zu unerwünschten Effekten führen. Zum Beispiel bietet die Deutsche Forschungsgemeinschaft Kompensationen für innereuropäische Flüge an, deren Emissionen auch bereits im Emissionshandel berücksichtigt werden. Durch die zusätzliche Kompensation kann das Fliegen sogar zu einem größeren Beitrag zum Klimaschutz als das Nichtfliegen führen, denn es wird gewissermaßen jeder Flug doppelt kompensiert. Hinzu kommen möglicherweise noch unerwünschte Verhaltensänderungen: Es könnte zu mehr Flügen kommen, wenn nämlich die Kompensation das schlechte Gewissen erleichtert.

    Klimaziele, die auf die eigene Klimabilanz und nicht auf die Bekämpfung des globalen Klimawandels abzielen, gehen aber insbesondere dann nach hinten los, wenn sie die Erforschung von Lösungen für eine nachhaltige Gesellschaft hemmen. Etwa wenn sie energieintensive Infrastrukturen verhindern, wie zum Beispiel Rechenzentren und große Versuchsanlagen. Oder wenn durch den Bezug von grünem Strom oder der Sanierung von Gebäuden unterm Strich weniger Geld für Forschung und Lehre übrigbleibt und der wissenschaftliche Fortschritt geringer ausfällt.

    “Es ist unverständlich, dass die Bundesregierung Fördermittel für Klima- und Energietechnologien streicht”

    Was ist also zu tun? Wissenschaft und Politik sollten ihre Anstrengungen auf Innovation fokussieren, also auf Forschung, Lehre und Transfer der Erkenntnisse. Gerade die Klima- und Energietechnologien brauchen einen massiven Schub. Material-, Ingenieur-, Natur- und Sozialwissenschaften sind gefordert, mit Innovationen die Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig weiterzuentwickeln.

    Umso unverständlicher ist es, dass die Bundesregierung hier sogar Fördermittel streicht. Die Mittel für die Batteriezellenforschung wurden ebenso gekürzt wie Mittel für das Programm “Rohstoffe für die Transformation”. Programme zur Förderung der Entwicklung und der Produktion regenerativer Kraftstoffe und Antriebstechnologien für die Luftfahrt sowie das Programm “Klimaneutrales Schiff” wurden massiv beschnitten. Bei anderen Programmen, wie der Förderung nachhaltiger Kraftstoffe, sind Kürzungen geplant. Zugleich liegen die öffentlichen Ausgaben für Bildung relativ zum Bruttoinlandsprodukt in Deutschland unter dem OECD-Durchschnitt.

    Gleichzeitig ist aber auch richtig, dass die Anreize für Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, sich klimafreundlich zu verhalten, nicht immer ideal sind. Flugreisen für Networking und Austausch werden typischerweise über Drittmittel finanziert, sodass ein Anreiz bestehen könnte, nicht ausreichend auf virtuelle Treffen auszuweichen, wenn diese ebenso effektiv möglich wären. Doch was sind dann sinnvolle Klimamaßnahmen für Wissenschaftseinrichtungen?

    Interne CO₂-Bepreisung darf nicht in forschungsfremden Kanälen versickern

    Ein positives Beispiel bietet unseres Erachtens die Universität Mannheim. Sie erhebt eine interne CO₂-Abgabe auf Interkontinentalflüge, da diese bisher nicht vom Emissionshandel erfasst werden. Die jährlichen Einnahmen werden wiederum an die Fakultäten ausgeschüttet und stehen so für Forschung und Lehre wieder zur Verfügung. Eine elegante Lösung, die das Zusammenspiel mit anderen Instrumenten der Klimapolitik explizit aufnimmt, die Anreize für klimafreundlicheres Verhalten schafft, und zwar ohne dass die Ausgaben in forschungsfernen Kanälen versickern. Die Universität Konstanz geht einen vergleichbaren Weg für alle, die freiwillig teilnehmen wollen.

    Diese Idee lässt sich auf andere Ausgaben von Forschungseinrichtungen ausweiten. Das ist keine schlechte Idee, denn der CO₂-Preis ist nicht nur eine besonders effektive und effiziente Maßnahme der Verhaltenssteuerung, sondern auch eine zutiefst altruistische. Er zwingt dazu, bei allen Entscheidungen die Kosten zu berücksichtigen, die anderen in der Welt durch die Entscheidung auferlegt werden. Wenn beim Festlegen eines (internen) CO₂-Preises das Zusammenspiel mit weiteren Instrumenten der Klimapolitik wie dem europäischen Zertifikatehandel berücksichtigt werden, können unerwünschte Verhaltensänderungen und Wasserbetteffekte vermieden werden. Die Einnahmen der Bepreisung können für die notwendige Forschung verwendet werden.

    Deutschland, das Land der Ideen und Erfinder, ist in der Klimakrise mehr denn je gefordert. Die Wissenschaft kann mit ihrem Wissensfortschritt einen echten Unterschied machen – und sie kann zugleich Vorbild sein für rationale und effektive Klimamaßnahmen.

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    Heads

    Marc Hüske wurde als neues Mitglied in den Forschungsbeirat Industrie 4.0 aufgenommen. Das Gremium zeigt forschungsbasierte Lösungswege für die Weiterentwicklung und Umsetzung von Industrie 4.0 auf und berät insbesondere das BMF. Der Elektrotechniker Hüske leitet seit 2024 das Forum Manufacturing-X im VDMA e. V. und ist als Teilprojektleiter in Factory-X für den Transfer der Projektergebnisse verantwortlich. 

    Andreas Marx ist neuer Präsident der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Der Chemiker war im April von der Hochschulversammlung in das Amt gewählt worden, nachdem Uni-Präsident Walter Rosenthal im Oktober 2023 als Präsident der Hochschulrektorenkonferenz nach Berlin gewechselt war. Marx ist seit 2004 Professor für Organische und Zelluläre Chemie an der Universität Konstanz. Er wurde für seine Forschung mehrfach international ausgezeichnet.

    Angela Matthies ist neue Kanzlerin der der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Sie wurde als erste Frau an die Spitze der Universitäts-Verwaltung gewählt. 

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    ESG.Table. Studie: Welches Leitbild braucht die Transformation? Wachstum scheint ohne Alternative zu sein, meinen viele Verantwortliche in Wirtschaft und Politik, die sozial-ökologische Transformation und die Bekämpfung der Klimakrise müssen irgendwie untergeordnet werden. Eine neue Studie hinterfragt diese Annahme nun grundsätzlich. Mehr

    Nachtisch

    Skulpturen von Kaspar Hauser im mittelfränkischen Ansbach.

    Nachdem frühere Untersuchungen noch große Unsicherheiten hinterlassen hatten, bringt eine aktuelle Studie der Medizinischen Universität Innsbruck mehr Gewissheit. Eine mütterliche Verwandtschaft Kaspar Hausers mit dem Haus Baden könne nun mit nahezu hundertprozentiger Sicherheit (99,9994 Prozent) ausgeschlossen werden.  

    In der aktuellen Forschungsarbeit, an der Walther Parson vom Institut für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität Innsbruck federführend beteiligt war, wurden neue DNA-Analysen vorgestellt, die den langjährigen Streit um die Herkunft Kaspar Hausers klären sollen. Bei den Analysen, die 2019 in Innsbruck und 2020/21 in Potsdam durchgeführt wurden, kamen neue, wesentlich empfindlichere Methoden zum Einsatz, die die Ergebnisse einer früheren Untersuchung aus dem Jahr 1996 bestätigen.  

    Gerücht über Säuglingstausch anscheinend falsch 

    Am 26. Mai 1828 tauchte Hauser in Nürnberg als etwa 16-jähriger, offensichtlich geistig zurückgebliebener und kaum sprechender Jugendlicher auf. Seine späteren Behauptungen, er sei sein Leben lang allein in einem dunklen Raum bei Wasser und Brot gefangen gehalten worden, erregten internationales Aufsehen.  

    Ein zeitgenössisches Gerücht besagte, Hauser sei der 1812 geborene Erbprinz von Baden, den man gegen einen sterbenden Säugling ausgetauscht und versteckt habe, um einer Nebenlinie des badischen Fürstenhauses die Thronfolge zu sichern. In der geschichtswissenschaftlichen Literatur wird diese “Prinzenlegende” aufgrund später veröffentlichter Dokumente und Augenzeugenberichte über den Tod des Prinzen als widerlegt angesehen. Nun scheinen auch die naturwissenschaftlichen Untersuchungen dieses Ergebnis zu bestätigen. Markus Weisskopf

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