wie baut man einen soliden und zugleich ausreichend flexiblen Plan für die Zukunft der Forschung in Europa? Ein Konzept, das die Interessen und Ansprüche der gesamten Wissenschaftslandschaft vereint? Und wie funktioniert dann ein Europäisches Rahmenprogramm, das die Visionen aller 27 Länder aufnimmt, globale Entwicklungen berücksichtigt und dabei ein ausgewogenes Verhältnis zwischen verschiedensten Wissenschaftszweigen garantiert?
Man braucht auf jeden Fall ausreichend Geld, aber auch Zeit, Geduld und Fingerspitzengefühl, wissen unsere Kollegen Goda Naujokaitytė und Thomas Brent vom Brüsseler Newsportal ScienceBusiness. In Ihrem “How to Europäisches Rahmenprogramm” haben sie nicht nur die nächsten Schritte beschrieben, sondern auch die Knackpunkte: Abgeordnete des Europäischen Parlaments, Forschungsverbände, Universitäten und die Industrie haben zum Beispiel wiederholt gefordert, das FRP10 (das ab 2028 läuft) mit einem Haushalt von 200 Milliarden Euro auszustatten. Doch diese Forderung scheint derzeit mehr als unrealistisch zu sein.
Ab heute kooperiert Table.Media mit ScienceBusiness. Mit einem Redaktionsteam, das in Brüssel und der gesamten EU arbeitet, ist der Verlag eine wichtige englischsprachige Quelle für Informationen aus Forschungs- und Innovationspolitik. Regelmäßig werden wir Berichte und Analysen veröffentlichen.
Im Gespräch mit Table.Media forderte Finanzminister Christian Lindner nicht nur ein neues, marktwirtschaftliches Klimaschutzgesetz, sondern auch eine nach französischem Vorbild ausgerichtete Investitions-Offensive in digitale Geschäftsmodelle. Wie dieses Modell aussehen kann und warum unser Bundeskanzler manchmal den Macron machen sollte, hat mir Ulrike Hinrichs, Vorständin des Bundesverbands Beteiligungskapital, im Interview gesagt.
Ich wünsche Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre,
Die Arbeiten am Nachfolger des noch bis 2027 laufenden neunten EU-Forschungsrahmenprogramms Horizont Europa haben bereits begonnen. Vor einem Jahr veröffentlichte die Europäische Kommission die Ergebnisse einer Konsultation zum zehnten Rahmenprogramm für Forschung und Innovation (FRP10). Darin findet sich der Appell der Forschungscommunity, das Programm mit einer klaren Vision und einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Grundlagen- und angewandter Wissenschaft auszubauen.
In den vergangenen Monaten haben Abgeordnete des Europäischen Parlaments, Forschungsverbände, Universitäten und die Industrie wiederholt gefordert, das FRP10, das von 2028 bis 2034 läuft, mit einem Haushalt von 200 Milliarden Euro auszustatten. Doch diese Forderung scheint derzeit mehr denn ja unrealistisch zu sein. Denn schon das bisher vorgesehene Budget von 95,5 Milliarden Euro soll für die restliche Zeit des aktuellen Forschungsprogramms Horizont Europa stark gekürzt werden. Für die Zukunft der von der EU finanzierten Forschung und Innovation heißt das nichts Gutes.
Das große Fragezeichen wird der Haushalt sein, der nicht in der Hand der Forschungspolitiker liegt, sondern in der des Kollegiums der EU-Kommissare, der Finanzminister und letztlich der Staatsoberhäupter sowie des Parlaments. Der Haushalt wird Teil des siebenjährigen mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) der EU sein. Die Zahlen werden größtenteils von der Politik bestimmt.
Nach den Europawahlen im Juni wird die neue EU-Kommission einen Vorschlag vorlegen und anschließend mit den Mitgliedstaaten und dem Parlament über den nächsten MFR verhandeln. Das Budget des FRP10 wird ein heikles Thema sein. Bereits jetzt gehen Vorstellungen der Mitgliedstaaten weit auseinander: Sie reichen von nur 50 Milliarden bis zu 200 Milliarden Euro.
Mit Horizont Europa wurden 2021 zahlreiche neue Initiativen, Fonds und Instrumente eingeführt, die nicht überall Anklang fanden. Diese Themen dürften bei der Planung des FRP10 Debatten auslösen:
Goda Naujokaitytė und Thomas Brent
Dieser Beitrag ist eine übersetzte Version eines Artikels von Science|Business . Mit einem Redaktionsteam, das in Brüssel und in der gesamten EU arbeitet, ist Science|Business Europas wichtigste englischsprachige Quelle für fundierte Berichterstattung über Forschungs- und Innovationspolitik.
Bundesfinanzminister Christian Lindner forderte im Podcast von Table.Media nicht nur ein neues, marktwirtschaftliches Klimaschutzgesetz, sondern eine nach französischem Vorbild ausgerichtete Investitions-Offensive in digitale Geschäftsmodelle. Die Idee ist, Kapitalsammelstellen wie Banken, Fonds und Versicherungen mehr einzubinden. Ein solcher Schritt könnte für die Gründerszene in Deutschland ein Gamechanger sein, sagt uns Helmut Schönenberger von der Unternehmertum (TUM) in München. Kann aus der Idee Wirklichkeit werden? Wir haben Ulrike Hinrichs gefragt, sie ist Vorsitzende des Bundesverbands Beteiligungskapital (BVK).
Kapitalsammelstellen stärker einbinden, um für Forschung und Start-ups Geld zu akquirieren. Wie finden Sie diese Idee?
Gerade im Bereich der Gründerinnen- und Gründerfinanzierung besteht großer Nachholbedarf. Deutschland verfügt zwar über eine gut finanzierte Frühphase für Gründer. Dann aber kommen die zweite und dritte Finanzierungsrunde. Für die zweite sind meist gerade noch Mittel vorhanden, doch danach, im Tal des Todes, sind Deep-Tech-Start-ups oft verloren. In der Zeit, in der das Unternehmen stark wächst und mehr Kapital nötig wird, steigen die Fonds, die Venture-Capital anbieten, oft aus – aus Mangel an Primärinvestoren. Das heißt, es ist zu wenig Kapital in den Fonds.
Gemessen an dem, was wir als Wirtschaftskraft in Deutschland haben, liegen wir in Sachen Venture-Capital (Finanzierung für junge, meist technologieorientierte Startups, die Innovations- und Wachstumspotenzial aufweisen, auch Wagnis- oder Risikokapital ) eher im Mittelfeld. Im Vergleich zu den USA wird es noch viel deutlicher, da liegen wir wirklich weit hinten.
Warum wird zu wenig investiert in die Wachstumsfonds?
Zunächst haben wir in Deutschland ein anderes Versicherungssystem. Unsere Altersvorsorge und auch die gesetzliche Krankenversicherung beruhen auf einer gesetzlichen Basis. Die privaten Kapitalsammelstellen wie private Versicherer haben sich erst in den letzten Jahren stärker etabliert. Auch deren Versicherungsmodelle sind erst jetzt stärker im Gespräch. Außerdem hat man in Deutschland immer eher sehr konservativ angelegt.
Die Kapitalsammelstellen haben in Private Equity (Privates Beteiligungskapital, es werden Anteile an nicht börsennotierten, oftmals kleinen oder mittelständischen Firmen erworben) schon etwas gemacht, aber sie haben sehr wenig Erfahrung beim Venture-Capital, eigentlich gar keine. Auch das hat verschiedene Gründe. Zum einen haben sie mit Private Equity gute Erfahrungen gemacht, gute Renditen erzielt und das über Jahre fortgeführt.
Dazu kommt: Man hat Teams aufgebaut, die sich gut auskennen im Private Equity, sie wissen im Vergleich aber wenig über Venture Capital. Was wiederum auch daran liegt, dass der Venture Capital-Markt noch jung ist – über die letzten zehn Jahre betrachtet, ist es erst in dieser Zeit eigentlich richtig groß geworden.
Was müsste passieren, damit es schneller geht, damit für die Start-ups, die gründenden Wissenschaftsteams mehr Geld im Markt ist?
Die Haltung gegenüber Gründern im Land müsste sich definitiv ändern. Wichtig wäre mehr Spirit, mehr gelebter Gründergeist. Und natürlich von politischer Seite. Vor zwölf Jahren, als ich den Verband übernahm, hat zum Beispiel die KfW überhaupt nicht mehr in Venture Capital investiert. Vor einiger Zeit hat man langsam begonnen, das zu verändern. Man hat sich entschieden, dass zehn Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren in den VC-Markt gehen sollen.
In dem so entstandenen Zukunftsfonds gibt es ein Modul, das auch die Kapitalsammelstellen anspricht. Dann hat man gerade den sogenannten Wachstumsfonds an den Markt gebracht, der zu einem Viertel aus privatem Kapital besteht und tatsächlich das Kapital gehebelt hat aus privatem Kapital. Eine Milliarde ist zustande gekommen.
Das ist ein Anfang.
Es gibt uns vielleicht eine Idee davon, was möglich ist: Der Staat nimmt ein Stück des Risikos aus diesen Investments raus. Das macht Dänemark bereits seit längerer Zeit. Sie hebeln das Investment auf eine bestimmte Summe, die man dann selbst einsammeln muss. Das gibt dem Markt das Signal, dass man auch größere Fonds in Deutschland bis zu einer Milliarde als Dachfonds einsammeln kann.
Was müsste noch getan werden?
Wir müssen mit den Kapitalsammelstellen – und da gehören nicht nur die Versicherer oder die Pensionsfonds dazu, auch die Stiftungen, die Family-Offices – stärker ins Gespräch kommen. Sie müssen sehen, dass Investitionen in Venture-Capital durchaus auch eine gute Rendite erzielen können. Da haben wir sicherlich einen Nachholbedarf, das noch mal stärker zu betonen. Aber alles ist eigentlich auf Grün gestellt.
Wäre da nicht viel stärker der Finanzminister gefragt?
Nicht nur Christian Linder, auch Robert Habeck sind jetzt in einer Situation, dass die haushalterische Situation ihnen immer weniger erlaubt, aber sie wollen auch in Zukunftstechnologien investieren. Da wird dem privaten Kapital einfach eine ganz andere Rolle zugeschrieben werden.
Christian Lindner erklärte einmal, dass sich die Politik stärker an die Seite der privaten Geldgeber stellen muss. In Frankreich ist es tatsächlich so, Emmanuel Macron postet in den sozialen Medien sogar einzelne Deals. Das wäre hier doch undenkbar, dass Olaf Scholz einen Deal postet. Kann man sich gar nicht vorstellen.
Das heißt, Christian Lindner sollte den Macron machen und vorangehen, und einzelne erfolgreiche Deals posten?
Das klingt jetzt ein wenig niederschwellig. Aber ich glaube, er ist schon auf dem richtigen Weg zu sagen: Wir haben eigentlich viel privates Kapital im Markt und wir müssen einfach viel stärker mit den Kapitalsammelstellen ins Gespräch kommen und nachfragen, woran liegt es denn jetzt eigentlich, dass ihr nicht auch mal ein bisschen risikofreudiger seid. Risikofreudiger ist das eine, aber man kann natürlich auch sagen, wir haben jetzt gerade bei den Start-ups eine Unternehmenskultur, die zeigt, dass wir sehr, sehr erfolgreiche Start-ups haben, auch wenn sie wachsen. Das Fatale ist: Weil wir diese Finanzierungsrunden nicht machen, gehen die dann alle ins Ausland und da sogar an die Börse.
Wie könnte Christian Lindner die Bewegung anstoßen, jetzt, wo sich die Haushaltssituation weiter verengt hat?
Man sollte die Kapitalsammelstellen an einen runden Tisch holen. Möglicherweise eben auch schon nicht nur die, die das Geld geben, sondern die, die es auch empfangen sollen, also sprich die Venture-Fonds und eine Gruppe machen auch aus Start-ups, die am Ende davon profitieren sollen. Es muss ein gemeinsamer Schlachtplan entwickelt werden, was man an regulatorischen Hemmnissen noch abbauen kann – was in der Regel gar nichts kostet.
29. Januar 2024, ab 14 Uhr, Haus der Deutschen Wirtschaft, Breite Straße 29, 10178 Berlin-Mitte
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Die Europäische Union möchte die eigene Forschung und Entwicklung effektiver vor chinesischem Einfluss und Zugriff abschirmen. Die EU-Kommission stellte dazu am Mittwoch im Rahmen ihrer Strategie für wirtschaftliche Sicherheit mehrere Punkte vor:
Das EU-Paket für wirtschaftliche Sicherheit enthält Initiativen in weiteren Bereichen: von Plänen für eine Verschärfung der Verordnung über ausländische Direktinvestitionen, über eine effektivere Kontrolle, um die Weitergabe von sensiblem Tech-Knowhow zu vermeiden, bis hin zu einer besseren Koordinierung der Ausfuhrkontrollen von Technologien.
Die Strategie der Brüsseler Behörde wurde am Mittwoch gemischt aufgenommen: Der Europäische Forschungsrat betonte, dass die EU ihr Budget für Forschung und Entwicklung erhöhen müsse, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Auch die Wirtschaft sah die Vorschläge kritisch. Die Wirtschaftssicherheit in der EU sollte mehr beinhalten als den immer wieder angeführten Instrumentenkasten, betonte Wolfgang Niedermark, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Deutschen Industrie. “Bisher hat die Kommission fast ausschließlich zu den Schutzmaßnahmen ihrer Drei-Säulen-Strategie geliefert. Das ist zu wenig.”
Der Fahrplan der EU sei nun an das Ergebnis des Megawahljahrs 2024 gebunden, erklärte Tobias Gehrke vom Thinktank European Council on Foreign Relations. Die Strategie von Ursula von der Leyen konzentriere sich auf drei Dinge, sagt Gehrke: Eine transatlantische Ausrichtung, die Beobachtung von China und die Navigation im “Labyrinth kritischer Technologien.” ari
Mit 47 zu 31 Stimmen haben die Abgeordneten des EU-Umweltausschusses (ENVI) am Mittwoch dafür gestimmt, den europäischen Rechtsrahmen zu neuen Züchtungstechniken zu liberalisieren. Die Abstimmung im Parlamentsplenum ist zwischen dem 5. und 8. Februar geplant. Anders als der ursprüngliche Kommissionsvorschlag sieht der Ausschuss eine Klausel vor, dass mithilfe neuer Gentechnik gewonnene Pflanzen und Pflanzenmaterial sowie deren Erbgut nicht patentierbar sind. Mit der Zusatzklausel war Berichterstatterin Jessica Polfjärd (EVP) auf Kritiker zugegangen, die befürchteten, dass die Reform zu mehr Patenten und weniger Diversität auf dem Saatgutmarkt führen könnte.
In anderen wesentlichen Punkten bleibt der Umweltausschuss, der bei dem Dossier federführend ist, nah am Kommissionsvorschlag. Dieser sieht für gentechnisch veränderte Pflanzen, die auch durch konventionelle Züchtung hätten entstehen können (Kategorie 1), laxere Vorgaben vor, beispielsweise zu Kennzeichnungspflichten. Demnach soll gentechnisch verändertes Saatgut der Kategorie 1 kennzeichnungspflichtig bleiben, verarbeitete Produkte hieraus entlang der Lieferkette aber nicht. Ebenfalls beibehalten wird das Verbot neuer Gentechniken im Biolandbau. Zusätzliche Maßnahmen zur Ermöglichung einer garantiert gentechnikfreien Produktion, wie sie unter anderem Grüne und Bioverbände gefordert hatten, nahm der Ausschuss nicht auf.
Die Annahme des Textes ist ein Erfolg für EVP-Politikerin Polfjärd, die die Abstimmung als Schritt hin zu “mehr Ernährungssicherheit auf nachhaltige Weise” begrüßt. Auch die CDU-Europaabgeordneten Norbert Lins und Peter Liese begrüßten das Votum. Mit der Zusatzklausel zum Patentrecht seien die Konservativen den Kritikern “einen wichtigen Schritt entgegengekommen”, so Lins. Die Grünen, die sich immer wieder lautstark gegen den Vorschlag gestellt haben, überzeugt das nicht. Das Abstimmungsergebnis sei “eine mittlere Katastrophe für Umwelt- und Verbraucherschutz”, kritisiert Martin Häusling, Verhandlungsführer der Grünen. Der Europaabgeordnete sieht die Wahlfreiheit der Verbraucher sowie den Ökolandbau gefährdet.
Derweil dürfte das positive Votum in dem Parlamentsausschuss auch den Druck auf die belgische EU-Ratspräsidentschaft erhöhen, einen Kompromiss unter den Mitgliedstaaten zu erreichen. Nachdem der Versuch einer Einigung unter den EU-Agrarministern im Dezember gescheitert war, suchen die Belgier aktuell auf Arbeitsebene nach Kompromissmöglichkeiten. Dem Vernehmen nach gestalten sich die Gespräche schwierig. Um den Vorschlag noch vor der EU-Wahl zu verabschieden, müssen eigentlich die Verhandlungen zwischen Rat und Parlament bis 9. Februar abgeschlossen sein. Eine Fristverlängerung bis März ist möglich. In diesem Fall wäre eine rechtzeitige Einigung theoretisch noch möglich, die Zeit wäre aber sehr knapp. jd
Die Menschen in Sachsen vertrauen immer weniger in Institutionen. Auch das Vertrauen in Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist deutlich gesunken. Das zeigt der aktuelle Sachsen-Monitor der sächsischen Landesregierung, für den Dimap noch im Jahr 2023 insgesamt 2.041 Personen befragte.
Nur noch 64 Prozent der Teilnehmenden geben an, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern großes oder sehr großes Vertrauen entgegenzubringen. Das sind sieben Prozentpunkte weniger als 2021/2022. Wenig oder gar kein Vertrauen haben nun 35 Prozent. Immerhin ist dies noch der zweitbeste Wert, etwas besser schneidet lediglich die sächsische Polizei ab. Auch das Vertrauen in das Robert-Koch-Institut ist um fünf Prozentpunkte gesunken und liegt nun bei 51 Prozent. mw
Wie kann sozialwissenschaftliche Forschung in Krisenfällen schneller und besser der Politik zur Verfügung gestellt werden? Das war die Ausgangsfrage für die Empfehlungen des Rats für Sozial- und Wirtschaftsdaten (RatSWD), die diese Woche veröffentlicht wurden. Hintergrund dafür: die Corona-Pandemie, in der lange Zeit wenig sozialwissenschaftliche Expertise in die Krisenpolitik einfloss.
Eine wichtige Forderung in dem Positionspapier, für das sich der Rat mit Forschenden verschiedener Disziplinen sowie mit Akteuren aus Politik und Verwaltung ausgetauscht hat, ist eine Standardisierung in der sozialwissenschaftlichen Forschung. Standardfragebögen und Pläne für geeignete Stichprobenziehungen sollten bereitgestellt werden. Auch die Entwicklung KI-gestützter Methoden möchte man vorantreiben, schreiben die Autoren, jedoch ohne diese Ansätze zu spezifizieren.
Um Veränderungen im Zeitverlauf besser nachvollziehen zu können und Evaluationen durchzuführen, fordert der Rat einen Ausbau von Dateninfrastrukturen. Insbesondere Vulnerabilitäten könnten konstant und mit festgelegten Kategorisierungen erfasst werden, um in Krisensituationen ad hoc Aussagen zu besonders vulnerablen Gruppen treffen zu können.
Die Wissenschaft, heißt es in dem Papier, sollte selbst einen Notfallplan für Krisensituationen erarbeiten und auch eine dauerhafte Koordinierungsstelle benennen – die beim RatSWD angesiedelt sein könnte. Für die Vernetzung mit Politik und Katastrophenschutz soll ein gemeinsames Gremium sorgen, das für den Krisenfall bereitsteht.
Von der Politik fordert man zudem, die Bereitstellung von Daten der amtlichen Statistik im Krisen- und Katastrophenfall – aber auch grundsätzlich zu beschleunigen. Die Politik sollte daher die gesetzlichen Grundlagen der amtlichen Statistik anpassen, um die Agilität der Statistikproduktion zu erhöhen.
Rainer Schnell von der Universität Duisburg-Essen äußerte sich auf Anfrage von Table.Media skeptisch zu einigen der Empfehlungen: “Standardisierte Fragebögen und eine Bereithaltung von Stichprobenplänen haben wir bereits.” Es gebe in Deutschland auch eine gute sozialwissenschaftliche Dauerbeobachtung. Man könne diese natürlich erweitern und damit eine breitere Dateninfrastruktur aufbauen, aber “man weiß ja nicht, welche Krise uns als Nächstes trifft und welche Daten wir dann brauchen”.
Das Problem seien eher mangelnde Rechtsgrundlagen, um auf existierende Datenbestände im Notfall zugreifen zu können. Und da gehe es nicht nur um die amtliche Statistik. Als Beispiel nennt Methodiker Schnell, dass es eben aus Datenschutzgründen nicht möglich war, auf Handydaten zurückzugreifen, um Mobilitätsanalysen während der Pandemie vorzunehmen.
Er erhofft sich eine Verbesserung durch das geplante Forschungsdatengesetz. Dort sollte explizit aufgenommen werden, dass in Notfalllagen auch ohne Einwilligung der betroffenen Personen bestimmte Daten genutzt werden können.
Darüber hinaus brauche es eine Aussage zur Finanzierung und zu möglichen Genehmigungsverfahren, wenn im Notfall Daten erhoben werden sollen – schließlich sei dann kein lang andauernder Peer-Review möglich. Auch für die Stichprobenziehung müssten Dinge geregelt werden. Die Behörden könnten diese nicht schnell genug bewältigen. Daher müsse “klar sein, dass hier ein kommerzielles Institut übernimmt. Das braucht dann aber auch den Zugriff auf Namen und Adressen aus den Einwohnermeldedateien”. mw
FAZ. Warum das Max-Planck-Institut nicht mehr in die Dondorf-Druckerei will. Das Frankfurter Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik soll ein eigenes Gebäude bekommen. Es war auf dem Gelände der früheren Dondorf-Druckerei in Frankfurt-Bockenheim vorgesehen. Doch nachdem dieses zweimal von Aktivisten besetzt worden war, die dessen Abriss verhindern und dort ein autonomes Kulturzentrum einrichten wollen, wurde umgesteuert. Die MPG will das Dondorf-Areal, das dem Land Hessen gehört, doch nicht nutzen. Die Wissenschaftler fühlten sich durch das teils aggressive Auftreten der selbst ernannten Dondorf-Retter bedroht, sagt MPI-Direktorin Melanie Wald-Fuhrmann. “Ganz Frankfurt hasst das MPI” und “Wir kriegen euch alle” sei auf Kundgebungen zu hören und im Internet zu lesen gewesen. Jetzt beginnt die Suche nach einem Standort von vorne. Mehr
The Guardian. ‘Medicine is going personalised’: Moderna’s UK boss on the coming vaccine revolution. Darius Hughes, UK General Manager des US-amerikanischen Unternehmens Moderna, sieht eine große Zukunft für die mRNA-Technologie. Der Pharmazeut, der 2021 von Pfizer zu Moderna wechselte, baut in Harwell, südlich von Oxford, ein Zentrum für die Produktion von RNA-Impfstoffen auf. Es wird der größte Standort von Moderna außerhalb der USA sein. Moderna will sein mRNA-Know-how auch für die Behandlung seltener Krankheiten bei Kindern und für personalisierte Krebsimpfstoffe nutzen. “Die Medizin wird personalisiert, und zwar nicht nur bei Impfstoffen und Krebs”, sagt er. Moderna müsse an vorderster Front mit dabei sein. Mehr
New York Times. We Need a New Word for ‘Plagiarism’. Der Begriff “Plagiat” ist überstrapaziert, schreibt der Linguist John McWhorter von der Columbia University. Der Begriff umfasse sowohl das “echte” Plagiat, also den Diebstahl der Ideen einer anderen Person, als auch die – vielleicht unbeabsichtigte – Verwendung der Sprache einer anderen Person. Die Ideen anderer als die eigenen darzustellen, sei in der Wissenschaft und anderswo zweifellos falsch. Allerdings sei es etwas anderes und “weitaus weniger ungeheuerlich”, Standardaussagen – zum Beispiel die einem Fachgebiet zugrunde liegenden Annahmen – Wort für Wort oder in der Nähe davon zu zitieren, ohne die Person zu nennen, die die Wörter ursprünglich getippt hat. “Ich würde sogar behaupten, dass daran möglicherweise überhaupt nichts auszusetzen ist, insbesondere wenn es aus Versehen geschieht.” Cutting and pasting sei nicht dasselbe wie Ideen stehlen. Mehr
Dirk Görlich erhält den Louis-Jeantet-Preis für Medizin 2024. Der Direktor am Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften wird für die Entdeckung einer besonderen Form biologischer Materie geehrt, die als hochselektive Barriere zentrale Transportwege in der Zelle maßgeblich kontrolliert. Der Preis ist mit 500.000 Schweizer Franken (rund 537.000 Euro) dotiert.
Johannes Karges von der Ruhr-Universität Bochum wird mit dem Paul Ehrlich-und-Ludwig Darmstaedter-Nachwuchspreis 2024 ausgezeichnet. Er hat entdeckt, wie sich platinhaltige Chemotherapeutika nur im Tumorgewebe anreichern und erst dort aktivieren lassen. Die Auszeichnung ist mit 60.000 Euro dotiert.
Jan S. Hesthaven soll Präsident des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) werden. Der dänische Mathematiker ist aktuell Provost und Vizepräsident für akademische Angelegenheiten an der École Polytechnique Fédérale de Lausanne in der Schweiz (EPFL). Das Amt des Vizepräsidenten Finanzen, Personal und Infrastruktur soll Stefan Schwartze übernehmen, derzeit Administrativer Vorstand des Deutschen Geoforschungszentrums Potsdam (GFZ). Der Aufsichtsrat hat diese Wahlentscheidungen am Dienstag getroffen. Sie müssen noch durch ein Votum des KIT-Senats im Februar bestätigt werden.
Karsten Schlesier ist neuer Vizepräsident für Lehre der HafenCity Universität Hamburg. Er vertritt dort seit 2019 die Professur für Tragwerksentwurf.
Kerstin Schneider wird Mitglied des erweiterten Vorstands des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung. Sie hat den Lehrstuhl für Finanzwissenschaft und Steuerlehre an der Bergischen Universität Wuppertal inne.
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Agrifood.Table. Bauernproteste breiten sich in Europa aus. Die Bauern gehen in Europa auf die Straße: Niederlande, Polen, Litauen, Deutschland und nun auch Frankreich. Die Landwirte protestieren gegen finanzielle Belastungen und Umweltauflagen. Mehr
Africa.Table. Haushalt: Fast zwei Milliarden Euro weniger für Entwicklung und humanitäre Hilfe. Das BMZ muss große Budgetkürzungen im Haushalt 2024 hinnehmen. Auch dem Auswärtigen Amt und dem BMWK stehen weniger Geld für internationale Klimaprojekte und humanitäre Hilfe zur Verfügung. Entsprechend groß ist der Aufschrei der betroffenen NGOs. Mehr
Berlin.Table. Verfassungsrechtler Florian Meinel: Wir dürfen nicht hoffen, dass die Demonstranten die Arbeit erledigen. Nur Empörung über die radikale Rechte reiche nicht, sagt Verfassungsrechtler Florian Meinel im Interview. Die Erfahrungen anderer Demokratien zeigten, dass sich das Problem nicht in Wohlgefallen auflöse, wenn nichts von staatlicher Seite unternommen werde. Mehr
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ESG.Table. Gemeinden stimmen Bau von Northvolt-Batteriefabrik zu. Das schwedische Unternehmen Northvolt wird eine Batteriefabrik in Deutschland bauen. 3.000 Arbeitsplätze sollen entstehen, die Produktion soll 2026 beginnen. Anfang Januar hatte die EU-Kommission Fördermittel und Garantien von Bund und Land in Höhe von insgesamt 902 Millionen Euro genehmigt. Mehr
In den ersten zwei Monaten dieses Jahres wird in der Forschungsszene wieder einmal darüber debattiert, was man unter Forschungsexzellenz in Deutschland versteht. In diesen Tagen wird die Exzellenzkommission anhand von Kriterien den konkreten Wettbewerbsraum für Exzellenzuniversitäten in Deutschland festlegen und am 1. Februar 2024 wird entschieden, welche der rund 200 Anträge für Exzellenz-Cluster in die nächste Runde kommen.
Schlüsselthemen gegen die Innovationsarmut dieses Landes und Schlüsselthemen gegen staatlich gestützte überwiegend introvertierte Forschung ohne Hoffnung auf mittel-bis langfristig kommerzialisierbare Innovation. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus.
Die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) von Bund und Ländern hat ja schon Mitte 2023 beschlossen, von elf auf bis zu 15 Exzellenzuniversitäten aufzustocken. So könnten theoretisch fast alle Bundesländer bedient werden. Denn natürlich steckt hinter solchem Wachstum der Wunsch, das Funding-System noch mehr zu egalisieren. Erst recht bei den Exzellenzclustern. Rund 200 Neu- und Fortsetzungsanträge sind eingegangen und gleichzeitig hat die GWK die Zahl förderungsfähiger Exzellenzcluster von 57 auf bis zu 70 erhöht.
Schon in den Koalitionsverhandlungen hatte ich mich gegen eine so drastische Ausweitung gewehrt. Der verheerende Spruch der ehemaligen Bremer Wissenschaftssenatorin Eva Quante-Brandt zu den Ergebnissen der damaligen Exzellenzinitiative “Die Spitze liegt in der Breite” war und ist mir in allen Exzellenzdebatten, die eigentlich Exzellenzerosionsdebatten heißen müssten, allgegenwärtig.
Schon Ende Januar 2016 hat eine Expertenkommission – die Imboden-Kommission – in weiser Vorausschau weiterer Egalisierung und Verflachungsversuche einen Vorschlag zur weiteren Ausdifferenzierung der Hochschullandschaft vorgestellt. Demnach sollte die Politik den Titel Exzellenzuniversität anders vergeben und Unis für ihr bisher Geleistetes (“Past Merit”) bewerten.
Eine Exzellenzprämie in Höhe von circa 15 Millionen Euro pro Jahr sollte an die zehn besten deutschen Universitäten ausgeschüttet werden – und zwar ausschließlich aufgrund vergangener Forschungsleistungen, also ohne ein Antragsverfahren. In der medialen Wissenschaftsszene fand der Vorschlag ebenfalls Zustimmung.
Hätte man nur auf Imboden und seine Expertenkommission gehört. Stattdessen hat man weitere acht Jahre über Exzellenz schwadroniert und vergessen, dass der Wettbewerb in Wissenschaft, Forschung und Innovation nicht innerdeutsch, sondern international ist.
Wenn ich jetzt über die Position deutscher Universitäten in internationalen Rankings spreche, werden mir sofort deren Mängel in Qualität und Aussagekraft um die Ohren gehauen. Nichtsdestotrotz zelebriert jede deutsche Spitzenuniversität einen guten Platz im Ranking. Welch eine Bigotterie. Übrigens: Auch ich wäre froh, wenn das auf EU-Ebene geschlossene Bündnis “Coalition of Advancing Research Assessment” (CoARA) bei Reputation und Wirkkraft von Rankings in die Puschen käme. So aber bleibt nur der Blick auf die bisherigen Rankings mit internationaler Reputationskraft:
Zum Vergleich: Die zehnmal kleinere Schweiz hat im Shanghai Ranking fünf Universitäten unter den Top 100 und das um ein Viertel kleinere Großbritannien hat sieben unter den Top 100, davon vier unter den Top 50 und zwei unter den Top 10.
Auch der Stifterverband veröffentlichte dazu eine Studie, die aber leider nur die subjektiven Meinungen von Universitäts-Präsidentinnen und -Präsidenten wiedergibt. Also Stimmungsbarometer, anstelle evidenzbasierter Forschungsergebnisse. Der britische Nationalökonom David Ricardo, der nicht die eingebildete eigene Sichtweise, sondern den komparativen Wettbewerbsvorteil bzw. -nachteil im Blick hatte, wäre nicht so glücklich darüber.
Verschiedene Forscherteams haben zwischen 2017 und 2020 die Effekte, den Impact der Förderung im Rahmen der damaligen Exzellenzinitiative (heute Exzellenzstrategie) auf die Forschung der jeweiligen Universität untersucht.
Die überwiegende Zahl der Forscher und Forscherinnen kam zum Ergebnis, dass die Förderung entweder keine Wirkung oder gar eine negative Wirkung entfaltete: von einem Rückgang der Publikationen je Forscher bis hin zu der Anzahl von Patenten der jeweiligen Institution. Bezogen auf Exzellenzcluster belegte eine Studie zwar einen positiven Effekt auf die Anzahl von Publikationen, jedoch keinen Effekt auf die Anzahl der Zitationen, den Anteil hoch zitierter Publikationen oder die Zahl der Patente je Forscher: eine Indikation für die mangelnde Qualität der Papers.
Eine spätere Studie kommt zudem zu einem negativen Effekt. Bastian Krieger vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) fasst in seiner Studie “Heterogenous regional university funding and firm innovation – An empirical analysis of the German Excellence Initiative” (2023) nicht nur diese Studien zusammen, sondern kommt auch zur Konklusion, dass die Förderung keinen klaren Effekt auf die Forschungsperformanz von Universitäten hat und einen potenziell schädlichen Effekt auf universitäre Patente aufweist.
Zudem kommt Krieger im empirischen Kern seiner Studie zu dem Ergebnis, dass die Förderung eines zusätzlichen Exzellenzclusters einer Universität in einer Wirtschaftsregion die Innovationswahrscheinlichkeit regionaler Firmen um 0,3 bis 0,9 Prozentpunkte erhöht.
Allerdings, und das ist forschungsstrategisch bedeutsam, ist dieser positive Effekt vor allem getrieben von Universitätsregionen, die mehr als drei Exzellenzcluster besitzen, und das sind in Deutschland die Wirtschaftsregionen Berlin und München. Ein weiterer Beleg für den im Evaluierungsbericht der Imboden-Kommission enthaltenen Reformvorschlag, den jetzt schon besten Universitäten eine millionenschwere Exzellenzprämie zukommen zu lassen und damit bisher gezeigte Forschungsperformanz (“Past Merit”) zu honorieren, statt potenzieller Performance in der Zukunft.
Da auf Bundesebene zusätzliches Budget für Exzellenzprämien für die Top 10 Spitzenuniversitäten in dieser Legislatur höchst unwahrscheinlich ist, müssen wir anfangs wie in Großbritannien überwiegend lokale, regionale und bundeslandspezifische Incentivierungen greifen. Zum Beispiel:
Auf den Feldern, auf denen der Bund in seiner Regulatorik (mit-)betroffen ist, schafft er die nötigen Gestaltungsspielräume bis an die Grenzen des EU-Beihilferechts und fordert gegebenenfalls nötige rechtliche Veränderungen.
wie baut man einen soliden und zugleich ausreichend flexiblen Plan für die Zukunft der Forschung in Europa? Ein Konzept, das die Interessen und Ansprüche der gesamten Wissenschaftslandschaft vereint? Und wie funktioniert dann ein Europäisches Rahmenprogramm, das die Visionen aller 27 Länder aufnimmt, globale Entwicklungen berücksichtigt und dabei ein ausgewogenes Verhältnis zwischen verschiedensten Wissenschaftszweigen garantiert?
Man braucht auf jeden Fall ausreichend Geld, aber auch Zeit, Geduld und Fingerspitzengefühl, wissen unsere Kollegen Goda Naujokaitytė und Thomas Brent vom Brüsseler Newsportal ScienceBusiness. In Ihrem “How to Europäisches Rahmenprogramm” haben sie nicht nur die nächsten Schritte beschrieben, sondern auch die Knackpunkte: Abgeordnete des Europäischen Parlaments, Forschungsverbände, Universitäten und die Industrie haben zum Beispiel wiederholt gefordert, das FRP10 (das ab 2028 läuft) mit einem Haushalt von 200 Milliarden Euro auszustatten. Doch diese Forderung scheint derzeit mehr als unrealistisch zu sein.
Ab heute kooperiert Table.Media mit ScienceBusiness. Mit einem Redaktionsteam, das in Brüssel und der gesamten EU arbeitet, ist der Verlag eine wichtige englischsprachige Quelle für Informationen aus Forschungs- und Innovationspolitik. Regelmäßig werden wir Berichte und Analysen veröffentlichen.
Im Gespräch mit Table.Media forderte Finanzminister Christian Lindner nicht nur ein neues, marktwirtschaftliches Klimaschutzgesetz, sondern auch eine nach französischem Vorbild ausgerichtete Investitions-Offensive in digitale Geschäftsmodelle. Wie dieses Modell aussehen kann und warum unser Bundeskanzler manchmal den Macron machen sollte, hat mir Ulrike Hinrichs, Vorständin des Bundesverbands Beteiligungskapital, im Interview gesagt.
Ich wünsche Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre,
Die Arbeiten am Nachfolger des noch bis 2027 laufenden neunten EU-Forschungsrahmenprogramms Horizont Europa haben bereits begonnen. Vor einem Jahr veröffentlichte die Europäische Kommission die Ergebnisse einer Konsultation zum zehnten Rahmenprogramm für Forschung und Innovation (FRP10). Darin findet sich der Appell der Forschungscommunity, das Programm mit einer klaren Vision und einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Grundlagen- und angewandter Wissenschaft auszubauen.
In den vergangenen Monaten haben Abgeordnete des Europäischen Parlaments, Forschungsverbände, Universitäten und die Industrie wiederholt gefordert, das FRP10, das von 2028 bis 2034 läuft, mit einem Haushalt von 200 Milliarden Euro auszustatten. Doch diese Forderung scheint derzeit mehr denn ja unrealistisch zu sein. Denn schon das bisher vorgesehene Budget von 95,5 Milliarden Euro soll für die restliche Zeit des aktuellen Forschungsprogramms Horizont Europa stark gekürzt werden. Für die Zukunft der von der EU finanzierten Forschung und Innovation heißt das nichts Gutes.
Das große Fragezeichen wird der Haushalt sein, der nicht in der Hand der Forschungspolitiker liegt, sondern in der des Kollegiums der EU-Kommissare, der Finanzminister und letztlich der Staatsoberhäupter sowie des Parlaments. Der Haushalt wird Teil des siebenjährigen mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) der EU sein. Die Zahlen werden größtenteils von der Politik bestimmt.
Nach den Europawahlen im Juni wird die neue EU-Kommission einen Vorschlag vorlegen und anschließend mit den Mitgliedstaaten und dem Parlament über den nächsten MFR verhandeln. Das Budget des FRP10 wird ein heikles Thema sein. Bereits jetzt gehen Vorstellungen der Mitgliedstaaten weit auseinander: Sie reichen von nur 50 Milliarden bis zu 200 Milliarden Euro.
Mit Horizont Europa wurden 2021 zahlreiche neue Initiativen, Fonds und Instrumente eingeführt, die nicht überall Anklang fanden. Diese Themen dürften bei der Planung des FRP10 Debatten auslösen:
Goda Naujokaitytė und Thomas Brent
Dieser Beitrag ist eine übersetzte Version eines Artikels von Science|Business . Mit einem Redaktionsteam, das in Brüssel und in der gesamten EU arbeitet, ist Science|Business Europas wichtigste englischsprachige Quelle für fundierte Berichterstattung über Forschungs- und Innovationspolitik.
Bundesfinanzminister Christian Lindner forderte im Podcast von Table.Media nicht nur ein neues, marktwirtschaftliches Klimaschutzgesetz, sondern eine nach französischem Vorbild ausgerichtete Investitions-Offensive in digitale Geschäftsmodelle. Die Idee ist, Kapitalsammelstellen wie Banken, Fonds und Versicherungen mehr einzubinden. Ein solcher Schritt könnte für die Gründerszene in Deutschland ein Gamechanger sein, sagt uns Helmut Schönenberger von der Unternehmertum (TUM) in München. Kann aus der Idee Wirklichkeit werden? Wir haben Ulrike Hinrichs gefragt, sie ist Vorsitzende des Bundesverbands Beteiligungskapital (BVK).
Kapitalsammelstellen stärker einbinden, um für Forschung und Start-ups Geld zu akquirieren. Wie finden Sie diese Idee?
Gerade im Bereich der Gründerinnen- und Gründerfinanzierung besteht großer Nachholbedarf. Deutschland verfügt zwar über eine gut finanzierte Frühphase für Gründer. Dann aber kommen die zweite und dritte Finanzierungsrunde. Für die zweite sind meist gerade noch Mittel vorhanden, doch danach, im Tal des Todes, sind Deep-Tech-Start-ups oft verloren. In der Zeit, in der das Unternehmen stark wächst und mehr Kapital nötig wird, steigen die Fonds, die Venture-Capital anbieten, oft aus – aus Mangel an Primärinvestoren. Das heißt, es ist zu wenig Kapital in den Fonds.
Gemessen an dem, was wir als Wirtschaftskraft in Deutschland haben, liegen wir in Sachen Venture-Capital (Finanzierung für junge, meist technologieorientierte Startups, die Innovations- und Wachstumspotenzial aufweisen, auch Wagnis- oder Risikokapital ) eher im Mittelfeld. Im Vergleich zu den USA wird es noch viel deutlicher, da liegen wir wirklich weit hinten.
Warum wird zu wenig investiert in die Wachstumsfonds?
Zunächst haben wir in Deutschland ein anderes Versicherungssystem. Unsere Altersvorsorge und auch die gesetzliche Krankenversicherung beruhen auf einer gesetzlichen Basis. Die privaten Kapitalsammelstellen wie private Versicherer haben sich erst in den letzten Jahren stärker etabliert. Auch deren Versicherungsmodelle sind erst jetzt stärker im Gespräch. Außerdem hat man in Deutschland immer eher sehr konservativ angelegt.
Die Kapitalsammelstellen haben in Private Equity (Privates Beteiligungskapital, es werden Anteile an nicht börsennotierten, oftmals kleinen oder mittelständischen Firmen erworben) schon etwas gemacht, aber sie haben sehr wenig Erfahrung beim Venture-Capital, eigentlich gar keine. Auch das hat verschiedene Gründe. Zum einen haben sie mit Private Equity gute Erfahrungen gemacht, gute Renditen erzielt und das über Jahre fortgeführt.
Dazu kommt: Man hat Teams aufgebaut, die sich gut auskennen im Private Equity, sie wissen im Vergleich aber wenig über Venture Capital. Was wiederum auch daran liegt, dass der Venture Capital-Markt noch jung ist – über die letzten zehn Jahre betrachtet, ist es erst in dieser Zeit eigentlich richtig groß geworden.
Was müsste passieren, damit es schneller geht, damit für die Start-ups, die gründenden Wissenschaftsteams mehr Geld im Markt ist?
Die Haltung gegenüber Gründern im Land müsste sich definitiv ändern. Wichtig wäre mehr Spirit, mehr gelebter Gründergeist. Und natürlich von politischer Seite. Vor zwölf Jahren, als ich den Verband übernahm, hat zum Beispiel die KfW überhaupt nicht mehr in Venture Capital investiert. Vor einiger Zeit hat man langsam begonnen, das zu verändern. Man hat sich entschieden, dass zehn Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren in den VC-Markt gehen sollen.
In dem so entstandenen Zukunftsfonds gibt es ein Modul, das auch die Kapitalsammelstellen anspricht. Dann hat man gerade den sogenannten Wachstumsfonds an den Markt gebracht, der zu einem Viertel aus privatem Kapital besteht und tatsächlich das Kapital gehebelt hat aus privatem Kapital. Eine Milliarde ist zustande gekommen.
Das ist ein Anfang.
Es gibt uns vielleicht eine Idee davon, was möglich ist: Der Staat nimmt ein Stück des Risikos aus diesen Investments raus. Das macht Dänemark bereits seit längerer Zeit. Sie hebeln das Investment auf eine bestimmte Summe, die man dann selbst einsammeln muss. Das gibt dem Markt das Signal, dass man auch größere Fonds in Deutschland bis zu einer Milliarde als Dachfonds einsammeln kann.
Was müsste noch getan werden?
Wir müssen mit den Kapitalsammelstellen – und da gehören nicht nur die Versicherer oder die Pensionsfonds dazu, auch die Stiftungen, die Family-Offices – stärker ins Gespräch kommen. Sie müssen sehen, dass Investitionen in Venture-Capital durchaus auch eine gute Rendite erzielen können. Da haben wir sicherlich einen Nachholbedarf, das noch mal stärker zu betonen. Aber alles ist eigentlich auf Grün gestellt.
Wäre da nicht viel stärker der Finanzminister gefragt?
Nicht nur Christian Linder, auch Robert Habeck sind jetzt in einer Situation, dass die haushalterische Situation ihnen immer weniger erlaubt, aber sie wollen auch in Zukunftstechnologien investieren. Da wird dem privaten Kapital einfach eine ganz andere Rolle zugeschrieben werden.
Christian Lindner erklärte einmal, dass sich die Politik stärker an die Seite der privaten Geldgeber stellen muss. In Frankreich ist es tatsächlich so, Emmanuel Macron postet in den sozialen Medien sogar einzelne Deals. Das wäre hier doch undenkbar, dass Olaf Scholz einen Deal postet. Kann man sich gar nicht vorstellen.
Das heißt, Christian Lindner sollte den Macron machen und vorangehen, und einzelne erfolgreiche Deals posten?
Das klingt jetzt ein wenig niederschwellig. Aber ich glaube, er ist schon auf dem richtigen Weg zu sagen: Wir haben eigentlich viel privates Kapital im Markt und wir müssen einfach viel stärker mit den Kapitalsammelstellen ins Gespräch kommen und nachfragen, woran liegt es denn jetzt eigentlich, dass ihr nicht auch mal ein bisschen risikofreudiger seid. Risikofreudiger ist das eine, aber man kann natürlich auch sagen, wir haben jetzt gerade bei den Start-ups eine Unternehmenskultur, die zeigt, dass wir sehr, sehr erfolgreiche Start-ups haben, auch wenn sie wachsen. Das Fatale ist: Weil wir diese Finanzierungsrunden nicht machen, gehen die dann alle ins Ausland und da sogar an die Börse.
Wie könnte Christian Lindner die Bewegung anstoßen, jetzt, wo sich die Haushaltssituation weiter verengt hat?
Man sollte die Kapitalsammelstellen an einen runden Tisch holen. Möglicherweise eben auch schon nicht nur die, die das Geld geben, sondern die, die es auch empfangen sollen, also sprich die Venture-Fonds und eine Gruppe machen auch aus Start-ups, die am Ende davon profitieren sollen. Es muss ein gemeinsamer Schlachtplan entwickelt werden, was man an regulatorischen Hemmnissen noch abbauen kann – was in der Regel gar nichts kostet.
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Die Europäische Union möchte die eigene Forschung und Entwicklung effektiver vor chinesischem Einfluss und Zugriff abschirmen. Die EU-Kommission stellte dazu am Mittwoch im Rahmen ihrer Strategie für wirtschaftliche Sicherheit mehrere Punkte vor:
Das EU-Paket für wirtschaftliche Sicherheit enthält Initiativen in weiteren Bereichen: von Plänen für eine Verschärfung der Verordnung über ausländische Direktinvestitionen, über eine effektivere Kontrolle, um die Weitergabe von sensiblem Tech-Knowhow zu vermeiden, bis hin zu einer besseren Koordinierung der Ausfuhrkontrollen von Technologien.
Die Strategie der Brüsseler Behörde wurde am Mittwoch gemischt aufgenommen: Der Europäische Forschungsrat betonte, dass die EU ihr Budget für Forschung und Entwicklung erhöhen müsse, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Auch die Wirtschaft sah die Vorschläge kritisch. Die Wirtschaftssicherheit in der EU sollte mehr beinhalten als den immer wieder angeführten Instrumentenkasten, betonte Wolfgang Niedermark, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Deutschen Industrie. “Bisher hat die Kommission fast ausschließlich zu den Schutzmaßnahmen ihrer Drei-Säulen-Strategie geliefert. Das ist zu wenig.”
Der Fahrplan der EU sei nun an das Ergebnis des Megawahljahrs 2024 gebunden, erklärte Tobias Gehrke vom Thinktank European Council on Foreign Relations. Die Strategie von Ursula von der Leyen konzentriere sich auf drei Dinge, sagt Gehrke: Eine transatlantische Ausrichtung, die Beobachtung von China und die Navigation im “Labyrinth kritischer Technologien.” ari
Mit 47 zu 31 Stimmen haben die Abgeordneten des EU-Umweltausschusses (ENVI) am Mittwoch dafür gestimmt, den europäischen Rechtsrahmen zu neuen Züchtungstechniken zu liberalisieren. Die Abstimmung im Parlamentsplenum ist zwischen dem 5. und 8. Februar geplant. Anders als der ursprüngliche Kommissionsvorschlag sieht der Ausschuss eine Klausel vor, dass mithilfe neuer Gentechnik gewonnene Pflanzen und Pflanzenmaterial sowie deren Erbgut nicht patentierbar sind. Mit der Zusatzklausel war Berichterstatterin Jessica Polfjärd (EVP) auf Kritiker zugegangen, die befürchteten, dass die Reform zu mehr Patenten und weniger Diversität auf dem Saatgutmarkt führen könnte.
In anderen wesentlichen Punkten bleibt der Umweltausschuss, der bei dem Dossier federführend ist, nah am Kommissionsvorschlag. Dieser sieht für gentechnisch veränderte Pflanzen, die auch durch konventionelle Züchtung hätten entstehen können (Kategorie 1), laxere Vorgaben vor, beispielsweise zu Kennzeichnungspflichten. Demnach soll gentechnisch verändertes Saatgut der Kategorie 1 kennzeichnungspflichtig bleiben, verarbeitete Produkte hieraus entlang der Lieferkette aber nicht. Ebenfalls beibehalten wird das Verbot neuer Gentechniken im Biolandbau. Zusätzliche Maßnahmen zur Ermöglichung einer garantiert gentechnikfreien Produktion, wie sie unter anderem Grüne und Bioverbände gefordert hatten, nahm der Ausschuss nicht auf.
Die Annahme des Textes ist ein Erfolg für EVP-Politikerin Polfjärd, die die Abstimmung als Schritt hin zu “mehr Ernährungssicherheit auf nachhaltige Weise” begrüßt. Auch die CDU-Europaabgeordneten Norbert Lins und Peter Liese begrüßten das Votum. Mit der Zusatzklausel zum Patentrecht seien die Konservativen den Kritikern “einen wichtigen Schritt entgegengekommen”, so Lins. Die Grünen, die sich immer wieder lautstark gegen den Vorschlag gestellt haben, überzeugt das nicht. Das Abstimmungsergebnis sei “eine mittlere Katastrophe für Umwelt- und Verbraucherschutz”, kritisiert Martin Häusling, Verhandlungsführer der Grünen. Der Europaabgeordnete sieht die Wahlfreiheit der Verbraucher sowie den Ökolandbau gefährdet.
Derweil dürfte das positive Votum in dem Parlamentsausschuss auch den Druck auf die belgische EU-Ratspräsidentschaft erhöhen, einen Kompromiss unter den Mitgliedstaaten zu erreichen. Nachdem der Versuch einer Einigung unter den EU-Agrarministern im Dezember gescheitert war, suchen die Belgier aktuell auf Arbeitsebene nach Kompromissmöglichkeiten. Dem Vernehmen nach gestalten sich die Gespräche schwierig. Um den Vorschlag noch vor der EU-Wahl zu verabschieden, müssen eigentlich die Verhandlungen zwischen Rat und Parlament bis 9. Februar abgeschlossen sein. Eine Fristverlängerung bis März ist möglich. In diesem Fall wäre eine rechtzeitige Einigung theoretisch noch möglich, die Zeit wäre aber sehr knapp. jd
Die Menschen in Sachsen vertrauen immer weniger in Institutionen. Auch das Vertrauen in Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist deutlich gesunken. Das zeigt der aktuelle Sachsen-Monitor der sächsischen Landesregierung, für den Dimap noch im Jahr 2023 insgesamt 2.041 Personen befragte.
Nur noch 64 Prozent der Teilnehmenden geben an, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern großes oder sehr großes Vertrauen entgegenzubringen. Das sind sieben Prozentpunkte weniger als 2021/2022. Wenig oder gar kein Vertrauen haben nun 35 Prozent. Immerhin ist dies noch der zweitbeste Wert, etwas besser schneidet lediglich die sächsische Polizei ab. Auch das Vertrauen in das Robert-Koch-Institut ist um fünf Prozentpunkte gesunken und liegt nun bei 51 Prozent. mw
Wie kann sozialwissenschaftliche Forschung in Krisenfällen schneller und besser der Politik zur Verfügung gestellt werden? Das war die Ausgangsfrage für die Empfehlungen des Rats für Sozial- und Wirtschaftsdaten (RatSWD), die diese Woche veröffentlicht wurden. Hintergrund dafür: die Corona-Pandemie, in der lange Zeit wenig sozialwissenschaftliche Expertise in die Krisenpolitik einfloss.
Eine wichtige Forderung in dem Positionspapier, für das sich der Rat mit Forschenden verschiedener Disziplinen sowie mit Akteuren aus Politik und Verwaltung ausgetauscht hat, ist eine Standardisierung in der sozialwissenschaftlichen Forschung. Standardfragebögen und Pläne für geeignete Stichprobenziehungen sollten bereitgestellt werden. Auch die Entwicklung KI-gestützter Methoden möchte man vorantreiben, schreiben die Autoren, jedoch ohne diese Ansätze zu spezifizieren.
Um Veränderungen im Zeitverlauf besser nachvollziehen zu können und Evaluationen durchzuführen, fordert der Rat einen Ausbau von Dateninfrastrukturen. Insbesondere Vulnerabilitäten könnten konstant und mit festgelegten Kategorisierungen erfasst werden, um in Krisensituationen ad hoc Aussagen zu besonders vulnerablen Gruppen treffen zu können.
Die Wissenschaft, heißt es in dem Papier, sollte selbst einen Notfallplan für Krisensituationen erarbeiten und auch eine dauerhafte Koordinierungsstelle benennen – die beim RatSWD angesiedelt sein könnte. Für die Vernetzung mit Politik und Katastrophenschutz soll ein gemeinsames Gremium sorgen, das für den Krisenfall bereitsteht.
Von der Politik fordert man zudem, die Bereitstellung von Daten der amtlichen Statistik im Krisen- und Katastrophenfall – aber auch grundsätzlich zu beschleunigen. Die Politik sollte daher die gesetzlichen Grundlagen der amtlichen Statistik anpassen, um die Agilität der Statistikproduktion zu erhöhen.
Rainer Schnell von der Universität Duisburg-Essen äußerte sich auf Anfrage von Table.Media skeptisch zu einigen der Empfehlungen: “Standardisierte Fragebögen und eine Bereithaltung von Stichprobenplänen haben wir bereits.” Es gebe in Deutschland auch eine gute sozialwissenschaftliche Dauerbeobachtung. Man könne diese natürlich erweitern und damit eine breitere Dateninfrastruktur aufbauen, aber “man weiß ja nicht, welche Krise uns als Nächstes trifft und welche Daten wir dann brauchen”.
Das Problem seien eher mangelnde Rechtsgrundlagen, um auf existierende Datenbestände im Notfall zugreifen zu können. Und da gehe es nicht nur um die amtliche Statistik. Als Beispiel nennt Methodiker Schnell, dass es eben aus Datenschutzgründen nicht möglich war, auf Handydaten zurückzugreifen, um Mobilitätsanalysen während der Pandemie vorzunehmen.
Er erhofft sich eine Verbesserung durch das geplante Forschungsdatengesetz. Dort sollte explizit aufgenommen werden, dass in Notfalllagen auch ohne Einwilligung der betroffenen Personen bestimmte Daten genutzt werden können.
Darüber hinaus brauche es eine Aussage zur Finanzierung und zu möglichen Genehmigungsverfahren, wenn im Notfall Daten erhoben werden sollen – schließlich sei dann kein lang andauernder Peer-Review möglich. Auch für die Stichprobenziehung müssten Dinge geregelt werden. Die Behörden könnten diese nicht schnell genug bewältigen. Daher müsse “klar sein, dass hier ein kommerzielles Institut übernimmt. Das braucht dann aber auch den Zugriff auf Namen und Adressen aus den Einwohnermeldedateien”. mw
FAZ. Warum das Max-Planck-Institut nicht mehr in die Dondorf-Druckerei will. Das Frankfurter Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik soll ein eigenes Gebäude bekommen. Es war auf dem Gelände der früheren Dondorf-Druckerei in Frankfurt-Bockenheim vorgesehen. Doch nachdem dieses zweimal von Aktivisten besetzt worden war, die dessen Abriss verhindern und dort ein autonomes Kulturzentrum einrichten wollen, wurde umgesteuert. Die MPG will das Dondorf-Areal, das dem Land Hessen gehört, doch nicht nutzen. Die Wissenschaftler fühlten sich durch das teils aggressive Auftreten der selbst ernannten Dondorf-Retter bedroht, sagt MPI-Direktorin Melanie Wald-Fuhrmann. “Ganz Frankfurt hasst das MPI” und “Wir kriegen euch alle” sei auf Kundgebungen zu hören und im Internet zu lesen gewesen. Jetzt beginnt die Suche nach einem Standort von vorne. Mehr
The Guardian. ‘Medicine is going personalised’: Moderna’s UK boss on the coming vaccine revolution. Darius Hughes, UK General Manager des US-amerikanischen Unternehmens Moderna, sieht eine große Zukunft für die mRNA-Technologie. Der Pharmazeut, der 2021 von Pfizer zu Moderna wechselte, baut in Harwell, südlich von Oxford, ein Zentrum für die Produktion von RNA-Impfstoffen auf. Es wird der größte Standort von Moderna außerhalb der USA sein. Moderna will sein mRNA-Know-how auch für die Behandlung seltener Krankheiten bei Kindern und für personalisierte Krebsimpfstoffe nutzen. “Die Medizin wird personalisiert, und zwar nicht nur bei Impfstoffen und Krebs”, sagt er. Moderna müsse an vorderster Front mit dabei sein. Mehr
New York Times. We Need a New Word for ‘Plagiarism’. Der Begriff “Plagiat” ist überstrapaziert, schreibt der Linguist John McWhorter von der Columbia University. Der Begriff umfasse sowohl das “echte” Plagiat, also den Diebstahl der Ideen einer anderen Person, als auch die – vielleicht unbeabsichtigte – Verwendung der Sprache einer anderen Person. Die Ideen anderer als die eigenen darzustellen, sei in der Wissenschaft und anderswo zweifellos falsch. Allerdings sei es etwas anderes und “weitaus weniger ungeheuerlich”, Standardaussagen – zum Beispiel die einem Fachgebiet zugrunde liegenden Annahmen – Wort für Wort oder in der Nähe davon zu zitieren, ohne die Person zu nennen, die die Wörter ursprünglich getippt hat. “Ich würde sogar behaupten, dass daran möglicherweise überhaupt nichts auszusetzen ist, insbesondere wenn es aus Versehen geschieht.” Cutting and pasting sei nicht dasselbe wie Ideen stehlen. Mehr
Dirk Görlich erhält den Louis-Jeantet-Preis für Medizin 2024. Der Direktor am Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften wird für die Entdeckung einer besonderen Form biologischer Materie geehrt, die als hochselektive Barriere zentrale Transportwege in der Zelle maßgeblich kontrolliert. Der Preis ist mit 500.000 Schweizer Franken (rund 537.000 Euro) dotiert.
Johannes Karges von der Ruhr-Universität Bochum wird mit dem Paul Ehrlich-und-Ludwig Darmstaedter-Nachwuchspreis 2024 ausgezeichnet. Er hat entdeckt, wie sich platinhaltige Chemotherapeutika nur im Tumorgewebe anreichern und erst dort aktivieren lassen. Die Auszeichnung ist mit 60.000 Euro dotiert.
Jan S. Hesthaven soll Präsident des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) werden. Der dänische Mathematiker ist aktuell Provost und Vizepräsident für akademische Angelegenheiten an der École Polytechnique Fédérale de Lausanne in der Schweiz (EPFL). Das Amt des Vizepräsidenten Finanzen, Personal und Infrastruktur soll Stefan Schwartze übernehmen, derzeit Administrativer Vorstand des Deutschen Geoforschungszentrums Potsdam (GFZ). Der Aufsichtsrat hat diese Wahlentscheidungen am Dienstag getroffen. Sie müssen noch durch ein Votum des KIT-Senats im Februar bestätigt werden.
Karsten Schlesier ist neuer Vizepräsident für Lehre der HafenCity Universität Hamburg. Er vertritt dort seit 2019 die Professur für Tragwerksentwurf.
Kerstin Schneider wird Mitglied des erweiterten Vorstands des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung. Sie hat den Lehrstuhl für Finanzwissenschaft und Steuerlehre an der Bergischen Universität Wuppertal inne.
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Agrifood.Table. Bauernproteste breiten sich in Europa aus. Die Bauern gehen in Europa auf die Straße: Niederlande, Polen, Litauen, Deutschland und nun auch Frankreich. Die Landwirte protestieren gegen finanzielle Belastungen und Umweltauflagen. Mehr
Africa.Table. Haushalt: Fast zwei Milliarden Euro weniger für Entwicklung und humanitäre Hilfe. Das BMZ muss große Budgetkürzungen im Haushalt 2024 hinnehmen. Auch dem Auswärtigen Amt und dem BMWK stehen weniger Geld für internationale Klimaprojekte und humanitäre Hilfe zur Verfügung. Entsprechend groß ist der Aufschrei der betroffenen NGOs. Mehr
Berlin.Table. Verfassungsrechtler Florian Meinel: Wir dürfen nicht hoffen, dass die Demonstranten die Arbeit erledigen. Nur Empörung über die radikale Rechte reiche nicht, sagt Verfassungsrechtler Florian Meinel im Interview. Die Erfahrungen anderer Demokratien zeigten, dass sich das Problem nicht in Wohlgefallen auflöse, wenn nichts von staatlicher Seite unternommen werde. Mehr
Bildung.Table. KMK: Prien und Hubig rütteln am Prinzip der Einstimmigkeit. Die Bildungsministerinnen von Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz, Karin Prien (CDU) und Stefanie Hubig (SPD), machen sich im Interview für Mehrheitsentscheidungen in der KMK stark. Dabei dürfte auch das Umfragehoch der AfD eine Rolle spielen. Mehr
ESG.Table. Gemeinden stimmen Bau von Northvolt-Batteriefabrik zu. Das schwedische Unternehmen Northvolt wird eine Batteriefabrik in Deutschland bauen. 3.000 Arbeitsplätze sollen entstehen, die Produktion soll 2026 beginnen. Anfang Januar hatte die EU-Kommission Fördermittel und Garantien von Bund und Land in Höhe von insgesamt 902 Millionen Euro genehmigt. Mehr
In den ersten zwei Monaten dieses Jahres wird in der Forschungsszene wieder einmal darüber debattiert, was man unter Forschungsexzellenz in Deutschland versteht. In diesen Tagen wird die Exzellenzkommission anhand von Kriterien den konkreten Wettbewerbsraum für Exzellenzuniversitäten in Deutschland festlegen und am 1. Februar 2024 wird entschieden, welche der rund 200 Anträge für Exzellenz-Cluster in die nächste Runde kommen.
Schlüsselthemen gegen die Innovationsarmut dieses Landes und Schlüsselthemen gegen staatlich gestützte überwiegend introvertierte Forschung ohne Hoffnung auf mittel-bis langfristig kommerzialisierbare Innovation. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus.
Die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) von Bund und Ländern hat ja schon Mitte 2023 beschlossen, von elf auf bis zu 15 Exzellenzuniversitäten aufzustocken. So könnten theoretisch fast alle Bundesländer bedient werden. Denn natürlich steckt hinter solchem Wachstum der Wunsch, das Funding-System noch mehr zu egalisieren. Erst recht bei den Exzellenzclustern. Rund 200 Neu- und Fortsetzungsanträge sind eingegangen und gleichzeitig hat die GWK die Zahl förderungsfähiger Exzellenzcluster von 57 auf bis zu 70 erhöht.
Schon in den Koalitionsverhandlungen hatte ich mich gegen eine so drastische Ausweitung gewehrt. Der verheerende Spruch der ehemaligen Bremer Wissenschaftssenatorin Eva Quante-Brandt zu den Ergebnissen der damaligen Exzellenzinitiative “Die Spitze liegt in der Breite” war und ist mir in allen Exzellenzdebatten, die eigentlich Exzellenzerosionsdebatten heißen müssten, allgegenwärtig.
Schon Ende Januar 2016 hat eine Expertenkommission – die Imboden-Kommission – in weiser Vorausschau weiterer Egalisierung und Verflachungsversuche einen Vorschlag zur weiteren Ausdifferenzierung der Hochschullandschaft vorgestellt. Demnach sollte die Politik den Titel Exzellenzuniversität anders vergeben und Unis für ihr bisher Geleistetes (“Past Merit”) bewerten.
Eine Exzellenzprämie in Höhe von circa 15 Millionen Euro pro Jahr sollte an die zehn besten deutschen Universitäten ausgeschüttet werden – und zwar ausschließlich aufgrund vergangener Forschungsleistungen, also ohne ein Antragsverfahren. In der medialen Wissenschaftsszene fand der Vorschlag ebenfalls Zustimmung.
Hätte man nur auf Imboden und seine Expertenkommission gehört. Stattdessen hat man weitere acht Jahre über Exzellenz schwadroniert und vergessen, dass der Wettbewerb in Wissenschaft, Forschung und Innovation nicht innerdeutsch, sondern international ist.
Wenn ich jetzt über die Position deutscher Universitäten in internationalen Rankings spreche, werden mir sofort deren Mängel in Qualität und Aussagekraft um die Ohren gehauen. Nichtsdestotrotz zelebriert jede deutsche Spitzenuniversität einen guten Platz im Ranking. Welch eine Bigotterie. Übrigens: Auch ich wäre froh, wenn das auf EU-Ebene geschlossene Bündnis “Coalition of Advancing Research Assessment” (CoARA) bei Reputation und Wirkkraft von Rankings in die Puschen käme. So aber bleibt nur der Blick auf die bisherigen Rankings mit internationaler Reputationskraft:
Zum Vergleich: Die zehnmal kleinere Schweiz hat im Shanghai Ranking fünf Universitäten unter den Top 100 und das um ein Viertel kleinere Großbritannien hat sieben unter den Top 100, davon vier unter den Top 50 und zwei unter den Top 10.
Auch der Stifterverband veröffentlichte dazu eine Studie, die aber leider nur die subjektiven Meinungen von Universitäts-Präsidentinnen und -Präsidenten wiedergibt. Also Stimmungsbarometer, anstelle evidenzbasierter Forschungsergebnisse. Der britische Nationalökonom David Ricardo, der nicht die eingebildete eigene Sichtweise, sondern den komparativen Wettbewerbsvorteil bzw. -nachteil im Blick hatte, wäre nicht so glücklich darüber.
Verschiedene Forscherteams haben zwischen 2017 und 2020 die Effekte, den Impact der Förderung im Rahmen der damaligen Exzellenzinitiative (heute Exzellenzstrategie) auf die Forschung der jeweiligen Universität untersucht.
Die überwiegende Zahl der Forscher und Forscherinnen kam zum Ergebnis, dass die Förderung entweder keine Wirkung oder gar eine negative Wirkung entfaltete: von einem Rückgang der Publikationen je Forscher bis hin zu der Anzahl von Patenten der jeweiligen Institution. Bezogen auf Exzellenzcluster belegte eine Studie zwar einen positiven Effekt auf die Anzahl von Publikationen, jedoch keinen Effekt auf die Anzahl der Zitationen, den Anteil hoch zitierter Publikationen oder die Zahl der Patente je Forscher: eine Indikation für die mangelnde Qualität der Papers.
Eine spätere Studie kommt zudem zu einem negativen Effekt. Bastian Krieger vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) fasst in seiner Studie “Heterogenous regional university funding and firm innovation – An empirical analysis of the German Excellence Initiative” (2023) nicht nur diese Studien zusammen, sondern kommt auch zur Konklusion, dass die Förderung keinen klaren Effekt auf die Forschungsperformanz von Universitäten hat und einen potenziell schädlichen Effekt auf universitäre Patente aufweist.
Zudem kommt Krieger im empirischen Kern seiner Studie zu dem Ergebnis, dass die Förderung eines zusätzlichen Exzellenzclusters einer Universität in einer Wirtschaftsregion die Innovationswahrscheinlichkeit regionaler Firmen um 0,3 bis 0,9 Prozentpunkte erhöht.
Allerdings, und das ist forschungsstrategisch bedeutsam, ist dieser positive Effekt vor allem getrieben von Universitätsregionen, die mehr als drei Exzellenzcluster besitzen, und das sind in Deutschland die Wirtschaftsregionen Berlin und München. Ein weiterer Beleg für den im Evaluierungsbericht der Imboden-Kommission enthaltenen Reformvorschlag, den jetzt schon besten Universitäten eine millionenschwere Exzellenzprämie zukommen zu lassen und damit bisher gezeigte Forschungsperformanz (“Past Merit”) zu honorieren, statt potenzieller Performance in der Zukunft.
Da auf Bundesebene zusätzliches Budget für Exzellenzprämien für die Top 10 Spitzenuniversitäten in dieser Legislatur höchst unwahrscheinlich ist, müssen wir anfangs wie in Großbritannien überwiegend lokale, regionale und bundeslandspezifische Incentivierungen greifen. Zum Beispiel:
Auf den Feldern, auf denen der Bund in seiner Regulatorik (mit-)betroffen ist, schafft er die nötigen Gestaltungsspielräume bis an die Grenzen des EU-Beihilferechts und fordert gegebenenfalls nötige rechtliche Veränderungen.