Table.Briefing: Research

Initiative für transparente Forschungsangaben + Bayern will obligatorische Militärforschung + Kanzler begrüßt China-Kooperationen

Liebe Leserin, lieber Leser,

ob die Ankündigung des eigenen Weltraumprogramms Bavaria One oder der Plan, trotz des Atomausstiegs bayerische AKW weiterlaufen zu lassen: Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder hat eine Vorliebe für Alleingänge des Freistaats, vor allem wenn sich damit Berliner Regierungskreise provozieren lassen. Jetzt hat er ein neues Thema entdeckt: die militärische Forschung an Hochschulen.

Ein Gesetzentwurf seiner CSU sieht vor, dass die Landesregierung Universitäten dazu verpflichten kann, mit der Bundeswehr zusammenzuarbeiten, wenn dies im Interesse der nationalen Sicherheit erforderlich ist. Zivilklauseln an Unis werden in dem Verordnungsentwurf explizit ausgeschlossen – obwohl es im Freistaat ohnehin keine Hochschule mit einer solchen Regelung gibt. Ob einige Ideen des CSU-Vorstoßes in der Wissenschaft reüssieren oder sich dahinter nur politische Symbolik versteckt, analysiert Nicola Kuhrt.  

Apropos Populismus: Aus der Wissenschaft wurde des Öfteren Kritik an Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger laut, was ihre Aussagen zu Forschungskooperationen mit China betrifft. Dass sie hinter jedem chinesischen Wissenschaftler einen potenziellen Spion befürchtet, hat ihr den Vorwurf eingebracht, sie würde die Hochschulen nicht im Sinne der China-Strategie zu mehr De-Risking animieren, sondern einem De-Coupling Vorschub leisten.

Auf seiner China-Reise hat Bundeskanzler Olaf Scholz jetzt harmonischere Töne angestimmt und sich wieder mehr chinesische Studierende und Wissenschaftskooperationen gewünscht. Markus Weisskopf hat mit der Community über die Diskrepanz gesprochen. Experten aus der Wissenschaft fordern mehr Ressourcen von und eine klare Linie der Bundesregierung, um mit China als Partner und systemischer Rivale seriös umgehen zu können.

Es gibt Bewegung in einem innerwissenschaftlichen Konflikt: Ein grundlegender Wandel im Umgang mit Informationen zu Forschungsarbeiten wird durch die “Barcelona Declaration on Open Research Information” angestrebt. Mehr als 40 Akteure von Universitäten, Wissenschaftseinrichtungen und Stiftungen haben die Erklärung unterzeichnet.

Diese Metadaten, wie Autoreninformationen, Angaben zur Finanzierung und Zitierverknüpfungen sind bisher in Datenbanken von Dienstleistern wie Scopus und Web of Science zu finden und gehören den dahinterstehenden Unternehmen, Elsevier und Clarivate. Anne Brüning beschreibt in ihrer Analyse, wie die Unterzeichner der Barcelona Declaration das in Zukunft ändern wollen.

Ich wünsche Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre,

Ihr
Tim Gabel
Bild von Tim  Gabel

Analyse

Barcelona Declaration: Internationale Initiative will offene Forschungsinformation als neue Norm

Es geht um Informationen, die für politische Entscheidungen, die Bewertung von Forschern und Einrichtungen sowie die Verbreitung von Wissen von Bedeutung sind: Daten und Metadaten von Forschungsartikeln, Drittmitteln, Konferenzen oder Projekten. All diese Forschungsinformationen sind bislang weder frei zugänglich noch werden sie systematisch erfasst. Dabei entscheiden sie nicht selten über Karrieren oder die Zukunft von Institutionen.

Zu einem grundlegenden Wandel der Forschungsinformationslandschaft ruft die “Barcelona Declaration on Open Research Information” auf. Erstunterzeichner der Erklärung, die am Dienstag veröffentlicht wurde, sind mehr als 40 Akteure von Universitäten, Wissenschaftseinrichtungen und Stiftungen. Sie verpflichten sich, führend an der Umgestaltung mitzuwirken.

Weitere Unterzeichner sind willkommen – und in Sichtweite. “Die Resonanz auf diese Initiative ist sehr positiv. Viele relevante Akteure haben bereits ihre Unterstützung signalisiert, müssen aber noch Gremienentscheide abwarten, bevor sie unterzeichnen können”, sagt Christian Hauschke vom TIB -Leibniz-Informationszentrum Technik und Naturwissenschaften und Universitätsbibliothek in Hannover. Aus Deutschland haben neben dem TIB, das unter anderem die Funktion einer Nationalbibliothek für Naturwissenschaft und Technik erfüllt, bislang die Universität Bamberg und die Technische Universität Hamburg unterzeichnet.

Von Dienstleistern wie Elsevier und Clarivate lösen

Typisches Beispiel für die bisherige Black-Box-Problematik sind die Metadaten von Artikeln in wissenschaftlichen Fachzeitschriften. “Daraus geht beispielsweise hervor, wer einen Artikel verfasst hat, mit welchen Organisationen die Autoren verbunden sind, wer den Artikel finanziert hat, aber auch Zitierverknüpfungen zwischen Veröffentlichungen zählen dazu”, sagt Ludo Waltman von der Universität Leiden in den Niederlanden, der zu den Koordinatoren der Initiative gehört. Bisher sind diese Metadaten in Datenbanken von Dienstleistern wie Scopus und Web of Science zu finden – und somit Eigentum der dahinterstehenden Unternehmen. Bei Scopus ist das Elsevier und bei Web of Science ist es Clarivate.

Viele Forscher werden anhand von Veröffentlichungs- und Zitationsstatistiken bewertet, die auf Daten dieser Anbieter beruhen. “Das Problem ist, dass diese Indikatoren intransparent sind”, sagt Waltman. Forschende hätten oft keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu den zugrundeliegenden Daten und Algorithmen und seien daher nicht wirklich in der Lage, die Indikatoren zu überprüfen und ihre Interpretation zu diskutieren oder zu hinterfragen.

Offene Lösungen wie OpenAlex

Die Barcelona Declaration stützt sich auf die Grundsätze, die bereits von Initiativen wie DORA und CoARA aufgestellt wurden und zielt darauf ab, sich von proprietären Lösungen wie Scopus oder Web of Science zu lösen. Stattdessen wird Transparenz und Zugänglichkeit angestrebt, um eine verantwortungsvolle Forschungsbewertung und eine wirklich offene Wissenschaft voranzutreiben.

Frei zugängliche Lösungen gibt es bereits. Ludo Waltman nennt Crossref, OpenAlex, OpenAIRE und OpenCitation als vielversprechende Alternativen. Christian Hauschke hebt vor allem OpenAlex hervor, eine Datenbank, die von der US-amerikanischen Non-Profit-Organisation OurResearch betrieben wird. “Sie ist die erste ernstzunehmende Konkurrenz für die kommerziellen Dienstleister und schüttelt den Markt derzeit gehörig durcheinander.”

Sorbonne hat sich von kommerziellen Anbietern bereits losgesagt

Einige Universitäten haben offene Modelle bereits getestet – und waren davon offenbar so überzeugt, dass sie bestehende Verträge mit kommerziellen Dienstleistern gekündigt haben. Die Sorbonne in Paris etwa hat Scopus und Web of Science “Adieu” gesagt und das französische Centre national de la recherche scientifique (CNRS) trennte sich von Scopus.

Hauschke geht aber nicht davon aus, dass die Öffnung der Forschungsinformation Unternehmen wie Elsevier und Clarivate in den Ruin treibt. “Die Exklusivität der Informationen, über die diese Unternehmen verfügen, ist mittlerweile gar nicht mehr so wichtig.” Sie entwickelten sich schon jetzt weg vom reinen Datenbankanbieter und hin zu Anbietern von Informationsanalysen. Die Offenheit sei eher ein Innovationsanreiz – und eine Chance für kleinere Player. “Firmen, die die vorhandenen Daten für smarte Geschäftsmodelle nutzen, Dashboards für Politik oder Wissenschaftsmanagement zum Beispiel, sind ein Gewinn für uns alle und werden auch weiter gefragt sein”, sagt Hauschke.

Entsprechend gelassen reagierten beide Unternehmen auf die Initiative. Clarivate teilte mit, die Ziele der Erklärung im Großen und Ganzen zu unterstützen, berichtet das Science-Magazin. Elsevier äußerte sich ähnlich und betonte, dass man das gleiche Ziel verfolge.

In Deutschland fehlen Schnittstellen für Projektinformationen

In Deutschland könnte breites Bemühen um offene Forschungsinformationen außerdem den Überblick über Drittmittel, Forschungsprojekte und Fördermittel verbessern – und eine eklatante Lücke füllen. “Die Verfügbarkeit von Projektinformation ist ein relatives Trauerspiel und in anderen Ländern deutlich besser. Es ist hierzulande wirklich schwierig, sich einen Überblick darüber zu verschaffen, wer woran forscht”, sagt Hauschke.

Das Problem: separate und nicht interoperable Datenmodelle. “Es gibt zwar einen Förderkatalog von BMBF und anderen Bundesministerien, dieser hat aber keine Schnittstelle, um die Daten herauszuziehen.” Die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Volkswagenstiftung hätten “wiederum jeweils eigene Systeme, ebenfalls ohne Schnittstellen”.

Wie schnell die Barcelona Declaration Wirkung entfaltet, wird sich im September zeigen. Dann ist eine Veranstaltung in Paris geplant, bei der die Unterzeichner zusammenkommen, um gemeinsam an der Umsetzung zu arbeiten. Waltman: “Meine Hoffnung ist, dass wir prioritär die Verhandlungen mit wissenschaftlichen Verlagen angehen.”

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Scholz und Stark-Watzinger mit Differenzen zu China-Kooperationen 

Was Olaf Scholz bei seinem Besuch an der Tongji Universität in Shanghai sagte, hörte sich anders an als viele Aussagen der Forschungsministerin. Während der Corona-Krise seien die Kontakte deutlich zurückgegangen, was nicht gut sei, sagte Scholz in China und sprach sich für einen wieder stärkeren Wissenschaftsaustausch aus. Die Gespräche und wechselseitigen Besuche müssten wieder zunehmen. Der Kanzler freute sich auch über die wieder ansteigenden Zahlen chinesischer Studierender in Deutschland. 

Stark-Watzinger: Nicht naiv sein 

Demgegenüber stehen die Äußerungen von Bettina Stark-Watzinger aus den vergangenen Monaten. “Hinter jedem chinesischen Forscher kann sich die kommunistische Partei verbergen, darüber müssen wir uns klar sein”, sagte sie beispielsweise der “Welt” im vergangenen Jahr. Und gerade vor ein paar Tagen warnte die FDP-Politikerin: “Der chinesische Staat nutzt die Erkenntnisse aus der Wissenschaft und neue Technologien wie die Künstliche Intelligenz nicht nur zum Wohle seiner Bevölkerung, sondern auch zur Überwachung, Kontrolle und Beeinflussung.” Man dürfe im Umgang mit China nicht naiv sein. 

Ist der Bundeskanzler also naiv? Letztlich wiederholte Scholz in China lediglich, was in der gemeinsamen China-Strategie der Bundesregierung niedergeschrieben ist: “Zur Stärkung der bilateralen Beziehungen und zum Ausbau von China-Kompetenz unterstützt die Bundesregierung Kooperationen von Hochschulen und Forschungseinrichtungen.” 

Auch Gehring rät zu “Risikobewusstsein” 

Offensichtlich kann man über die Interpretation der Strategie streiten. Der Vorsitzende des Forschungsausschusses, Kai Gehring, betont mit Bezug auf die China-Strategie, dass es “um mehr Awareness, die Verringerung von Abhängigkeiten und damit um Risikominimierung” gehe. China verfolge schließlich geostrategisch keine partnerschaftliche, sondern eine hegemoniale Strategie

“Wir wollen den Austausch mit China in der Wissenschaft fortsetzen, ihn jedoch stärker interessen- und wertegeleitet und mit dem nötigen Risikobewusstsein gestalten”, sagte der Grünen-Politiker zu Table.Briefings. Dort, wo die deutsche wie europäische technologische und digitale Souveränität berührt sei, müsse man Wettbewerbsfähigkeit und Schutzinteressen priorisieren sowie Knowhow-Spionage verhindern. Das hört sich nicht nach einem Ausbau der Beziehungen an. 

Austausch als Grundwert der Wissenschaft aufrechterhalten 

Hannes Gohli, Leiter des China Kompetenzzentrums an der Uni Würzburg, wundert sich über die wenig differenzierende Wortwahl, insbesondere des BMBF in den vergangenen Monaten. “Wissenstransfer wird in jüngster Zeit zu häufig rein als Risiko gekennzeichnet. In manchen Bereichen sollten wir auch vorsichtig bleiben. Trotzdem: Das Grundethos der Wissenschaft ist doch der Austausch von Wissen. Dieses Grundethos sollte, in ständiger Abwägung der Risiken, in so vielen Bereichen aufrechterhalten bleiben wie möglich.” 

Gohli berichtet, dass viele Wissenschaftler an Kooperationen interessiert seien, sich aber aktuell über Reputationsverlust und politische Konsequenzen Sorgen machten. Die Zunahme an Bürokratie durch eine aufwändige Risikoprüfung bei Forschungsprojekten mit chinesischen Partnern könnte aus dem geplanten De-Risking auch ein Decoupling werden lassen

DHV-Präsident: Widersprüchliche Signale nicht hilfreich 

Lambert Koch, Präsident des Deutschen Hochschulverbands (DHV), findet die “widersprüchlich anmutenden Signale aus der Bundesregierung in den Augen des DHV nicht hilfreich”. Was die Wissenschaft benötige, seien “unmissverständliche Leitplanken, entlang derer sie bei sich bietenden Kooperations- und Austauschgelegenheiten ihre Bewertung vornehmen kann”. 

Im Rahmen der nötigen Abstimmung zwischen Scientific Community und Politik müsse klar sein, “wessen Maßgaben in der Bundesregierung gelten.” Aus diesen müssten sich dann qualifizierte Informations- und Beratungsangebote speisen, die tragfähige Entscheidungen unter Wahrung der Wissenschaftsautonomie möglich machten. Hier sieht Koch “nach dem China-Besuch des Kanzlers verstärkten Handlungsbedarf“. 

BMBF konnte sich in der China-Strategie nicht durchsetzen 

Alicia Hennig, die von 2015 bis 2021 in Shenzhen und Nanjing lehrte und forschte, stellt fest, dass nun wiederum deutlich werde, dass sich das BMBF mit seiner eher kritischen Haltung in der China-Strategie nicht durchsetzen konnte. Und solange es keine klare Positionierung und entsprechend keine klare Regulierung zu China-Kooperationen seitens der Regierung gebe, werde es auch zu keiner operativen Umsetzung in den Hochschulen kommen.  

Zentrale oder dezentrale Strukturen 

Egal, wie die inhaltlichen Vorgaben am Ende aussehen, auch über die Struktur und den Prozess einer Umsetzung gibt es uneinheitliche Meinungen. Während das BMBF oder auch der DAAD die Verantwortung für den Aufbau von Kompetenzen und Prozessen vor allem bei den Hochschulen sehen, ist Hennig hier anderer Meinung. Sie verweist unter anderem auf die mangelnden Ressourcen an Universitäten und HAWs. Die China-Strategie sei schließlich ebenfalls nicht mit Geld unterlegt, um solche jetzt notwendig gewordene Kapazitäten zu schaffen.  

Daher brauche es ein Risiko-Rahmenwerk seitens der Bundesregierung beziehungsweise des BMBF und eine damit einhergehende Schaffung von übergeordneten Kapazitäten. Dies würde zwar keine vollständige Entlastung der Universitäten und Forschungseinrichtungen mit sich bringen. “Zumindest gäbe es dann aber zentralisierte Kapazitäten, Anlaufstellen und Ressourcen zur Bündelung dieser notwendigen Aktivitäten”, sagt die Wissenschaftlerin der TU Dresden. 

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CSU will Hochschulen zu Militärkooperationen zwingen und Zivilklauseln verbieten 

“Wir müssen mehr für unsere Sicherheit tun. Dafür brauchen wir unsere Hochschulen und Universitäten, weil es auch um Innovationen geht”, erklärt Markus Blume (CSU) auf Anfrage von Table.Briefings. Für den bayerischen Wissenschaftsminister steht fest: “Militärische Stärke ist auch eine Frage von technologischer Stärke. Es wäre falsch, beides strikt zu trennen.” In anderen Ländern, beispielsweise den USA, sei es selbstverständlich, dass Hochschulen und Militär zusammenarbeiten.  

Aus diesem Grund hat die CSU nun einen Gesetzentwurf zur Förderung der Bundeswehr (Drucksache 19/1556) vorgelegt. Die wichtigsten Punkte:  

  • Hochschulen sollen mit Einrichtungen der Bundeswehr zusammenarbeiten, “wenn (…) dies im Interesse der nationalen Sicherheit erforderlich ist”. 
  • Es soll ein Kooperationsgebot geben: “Universitäten und Hochschulen müssen das Militär unterstützen, wenn das Wissenschaftsministerium das auf Antrag der Bundeswehr für notwendig erachtet. Forschungsergebnisse dürfen demnach auch für militärische Zwecke der Bundesrepublik oder der Nato-Bündnispartner genutzt werden.” 
  • Ministerieller Durchgriff soll möglich sein: “Die Bundeswehr ist auf eine reibungslose Zusammenarbeit mit Hochschulen angewiesen, benötigt Zugang zu wissenschaftlichem Know-how und wissenschaftlich qualifizierten Fachkräften. Deshalb wird ein allgemeines Kooperationsgebot für die Hochschulen mit der Bundeswehr festgeschrieben. Wo dies infrage gestellt wird, obwohl die Kooperation für die nationale Sicherheit erforderlich ist, kann dies ministeriell sichergestellt werden.” 
  • Zivilklauseln sind nicht vorgesehen: “Eine Beschränkung der Forschung auf zivile Nutzungen (Zivilklausel) ist unzulässig.” Denn: “Erzielte Forschungsergebnisse dürfen auch für militärische Zwecke der Bundesrepublik Deutschland oder der Nato-Bündnispartner genutzt werden.” Und später heißt es: Durch die Neuregelung “werden solche Zivilklauseln explizit verboten.”

Zum Glück gebe es an bayerischen Hochschulen – anders als in anderen Ländern – keine sogenannten Zivilklauseln, erklärt hierzu Wissenschaftsminister Blume. “Wir wollen aber auch deutlich machen: Das soll und das wird auch in Zukunft so bleiben.” Die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) gilt tatsächlich als einzige Hochschule Bayerns, die in ihrem Leitbild Anklänge an eine Zivilklausel hat, wie die FAZ berichtete: Die Universität sei sich als öffentliche Einrichtung der gesellschaftlichen Folgenverantwortung ihrer Forschung bewusst, heißt es darin. Deshalb fördere sie ein “friedliches Zusammenleben zwischen Menschen, Kulturen und Nationen”. Doch die FAU bleibt im Kontext des Gesetzentwurfs unerwähnt.

Grüne in Bayern halten Gesetzentwurf für verfassungswidrig 

In einer Debatte im bayerischen Landtag am Mittwoch spottete die SPD mit Blick auf die Zivilklausel-Frage, die CSU löse mit dem Gesetz wieder einmal Probleme, die gar keine seien. Toni Schuberl (Grüne) warf der Staatsregierung ein verfassungswidriges Vorgehen vor und beklagte eine “typische CSU-Bevormundungspolitik”. Es sei zudem gefährlich, auch allen Nato-Partnern – inklusive der Türkei – Zugriff auf deutsche Forschungsergebnisse zu gewähren.

“Ich halte das Gesetz für wichtig, weil wir damit ein Signal setzen”, erklärt hierzu Minister Blume. “Wir wollen, dass unsere Hochschulen ganz selbstverständlich auch mit der Bundeswehr in Fragen der nationalen Sicherheit zusammenarbeiten können.” Es sei auch keine Einmischung in die Wissenschaftsfreiheit: Es gehe nicht darum, Forschung zu militarisieren, sondern sicherheitsrelevante Fragen zu beantworten. Dafür brauche es Dual Use, auch im Interesse unserer nationalen Sicherheit. 

DHV: Wissenschaftler nicht zwingen, aber Anreize setzen 

Der Deutsche Hochschulverband (DHV) hält die vom bayerischen Gesetzgeber geplanten Neuerungen für unbedenklich, sagt ein Sprecher Table.Briefings. Es seien stets Güterabwägungen vorzunehmen, wenn die Wissenschaftsfreiheit durch andere verfassungsrechtliche Grundentscheidungen, zu denen auch der Verteidigungsauftrag durch eine wirksame militärische Landesverteidigung gehöre, tangiert wird. 

“Aus Sicht des DHV ist bei dem Vorhaben der bayerischen Staatsregierung maßgeblich, dass der Gesetzentwurf ausschließlich die Hochschulen als Adressaten des Kooperationsgebots anspricht”, erklärt der DHV-Sprecher weiter. Eine Weisungsbefugnis gegenüber der einzelnen Wissenschaftlerin oder dem einzelnen Wissenschaftler bestehe dagegen ausdrücklich nicht.  

Will die Hochschule ihrer dem Staat gegenüber bestehenden Kooperationspflicht nachkommen, müsse sie versuchen, dies beispielsweise durch die Gewährung von Anreizen (Leistungszulagen, Ausstattungszusagen, Deputatsreduktionen u.ä.) zu bewirken. An entscheidender Stelle sei damit die grundgesetzlich verbürgte Wissenschaftsfreiheit gewahrt. Keine Wissenschaftlerin oder kein Wissenschaftler könne unter Androhung von Disziplinarmaßnahmen gegen seinen Willen und seine Überzeugungen zu militärisch verwertbarer Forschung verpflichtet werden. 

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Termine

18. /19. April 2024, Berlin
Konferenz Unterstützung gefährdeter Forschender: Philipp Schwartz und Inspireurope Stakeholder Forum Mehr

19. April 2024, Südwerk Bürgerzentrum Südstadt, Karlsruhe (und Livestream)
NaWik-Konferenz für kommunizierende Forschende WissKon24 Mehr

22. April 2024, 10:30 bis 16:15 Uhr, Hannover Messe und im Livestream
Gipfel für Forschung und Innovation 2024 “Innovationen in Europa – Katalysatoren, Kompetenzen und Kooperationen am Beispiel von KI” Mehr

24. April 2024 , 19 Uhr, Berliner Sparkasse Alexanderplatz 2, Berlin
Gespräch Junge Akademie: Irritieren Sie mich – Geld aus dem Nichts Mehr

29. April 2024, 18 Uhr, Akademiegebäude am Gendarmenmarkt, Leibniz-Saal, Markgrafenstraße 38, 10117 Berlin
Podiumsdiskussion “Zum Stand der Wissenschaftsfreiheit in Europa” Mehr

15./16. Mai 2024, Katholische Akademie in Bayern, Mandlstraße 23, 80802 München
XVII. Hochschulsymposium der Schleyer-Stiftung in Kooperation mit Heinz Nixdorf Stiftung und TU München “Nachhaltigkeit in der Wissenschaft: Notwendigkeiten neuer Formen der Zusammenarbeit” Mehr

27./28. Mai 2024, Dresden/International Congress Center Conference
Konferenz “Building Bridges for a Net Zero Future” Mehr

News

Antragsvolumen des AvH-Schutzprogramms für verfolgte Wissenschaftler stark gestiegen

Kriege und Unterdrückung haben dazu geführt, dass deutsche Hochschulen und Forschungseinrichtungen immer mehr Geld für schutzsuchende Forscher bei der Alexander von Humboldt-Stiftung (AvH) beantragen. “Der Bedarf hat sich seit der Machtübernahme der Taliban 2021 in Afghanistan extrem verstärkt und seit der russischen Invasion in die Ukraine gigantische Ausmaße angenommen”, sagt Frank Albrecht, der bei der AvH das Referat Philipp Schwartz-Initiative und Wissenschaftsfreiheit leitet.

Die Initiative vergibt seit 2015 Fördermittel an deutsche Hochschulen und Forschungseinrichtungen, mit denen ausländische Wissenschaftler zwei Jahre lang finanziert werden können. Am heutigen Donnerstag treffen sich auf Einladung der Stiftung etwa 400 Wissenschaftler und Experten aus der Politik in Berlin zum Philipp Schwartz und Inspireurope Stakeholder Forum in Berlin. Auf der Konferenz wird über Fragen rund um die internationale Wissenschaftsfreiheit diskutiert und es geht auch um Vernetzung. 

Antragsvolumen hat sich im Vergleich zu den Vorjahren verdoppelt

Das Antragsvolumen sei seit Beginn des Ukraine-Kriegs zeitweise auf 300 Prozent der Vorjahre gestiegen und liege aktuell weiterhin bei fast 200 Prozent, sagt Albrecht. Wurden zunächst 50 bis 60 Wissenschaftler pro Jahr unterstützt, seien es nun 80 bis 100. Die Gründe: Durch den Ukraine-Krieg sei es vielen Wissenschaftlern nicht mehr möglich, an ihren Hochschulen zu arbeiten. In Russland erlebten kritische Wissenschaftler seit dem Ukraine-Krieg verstärkt Repressionen durch Geheimdienste.

Unter den Unterstützten aus anderen Ländern sei etwa eine syrische Rechtswissenschaftlerin, die sich in Damaskus mit internationalem Strafrecht befasst habe. “Sie hat dann festgestellt, dass der syrische Geheimdienst beginnt, in ihren Vorlesungen zu sitzen”, berichtet Albrecht. In Afghanistan wiederum seien Frauen gänzlich aus den Hochschulen verbannt worden. 

Seit 2015 wurden rund 500 Wissenschaftler aus 26 Ländern unterstützt

Albrecht zufolge gibt es keine Erhebungen darüber, wie viele Wissenschaftler weltweit in Gefahr sind. Internationale Studien hätten aber gezeigt, dass insgesamt über 3,5 Milliarden Menschen in Ländern leben, in denen die Wissenschaftsfreiheit stark eingeschränkt sei. Die Philipp Schwartz-Initiative hat laut Albrecht seit 2015 rund 500 Wissenschaftler aus 26 Ländern unterstützt. Die meisten von ihnen kommen aus der Türkei, der Ukraine und Syrien.

Die Philipp Schwartz-Initiative wurde von der AvH gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt ins Leben gerufen. Als erste Forschungsförderorganisation Deutschlands habe man ein Schutzprogramm für gefährdete und verfolgte Wissenschaftler installiert. Das Programm ist nach dem jüdischen Pathologen Philipp Schwartz benannt. Dieser musste 1933 vor den Nationalsozialisten aus Deutschland fliehen und gründete die “Notgemeinschaft deutscher Wissenschaftler im Ausland”. dpa

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Union fordert von Forschungsministerin Stark-Watzinger mehr Engagement in Brüssel

Während Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger in dieser Woche die deutsch-französische Forschungsstation auf Spitzbergen besucht, kritisiert die Unionsfraktion im Bundestag das aus ihrer Sicht fehlende Engagement der Ministerin für die europäische Zusammenarbeit im Forschungsbereich. “Knapp zwei Monate vor der Europawahl schmerzt die Feststellung besonders: Die Bundesforschungsministerin ist auch in ihrem dritten Amtsjahr in Brüssel weiterhin eine Unbekannte“, sagt der forschungspolitische Sprecher der Union, Thomas Jarzombek, zu Table.Briefings. 

Die Konsequenz aus der Abwesenheit der Ministerin sei, dass die deutschen Wissenschaftsorganisationen in Brüssel sich selbst überlassen sind. Sie hätten weder am Kabinettstisch in Berlin noch in Brüssel eine starke Fürsprecherin ihrer Belange. “Nach außen wird der Wissenschaftsstandort auf politischer Ebene unter Wert vertreten und nach innen fehlt es im BMBF an professionell strukturierten Arbeitsprozessen.” Anlass für die aktuelle Kritik Jarzombeks ist die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Union zur Weiterentwicklung der Roadmap für die großen Forschungsinfrastrukturen (FIS). 

“Die Ministerin wird erklären müssen, warum sie so versagt hat” 

Das BMBF hatte den Start des neuerlichen Priorisierungsverfahrens für alle Forschungsgroßvorhaben – die über 50 Millionen Euro kosten, für mindestens zehn Jahre genutzt werden und von nationaler Relevanz sind – für den Frühsommer angekündigt. Table.Briefings hatte darüber exklusiv berichtet. Aus der Union heißt es dazu, dass das Verfahren für eine sinnvolle Abstimmung auf europäischer Ebene viel zu spät komme. 

“Eigentlich müssten die Ergebnisse dieses Prozesses bereits jetzt in Europa vorliegen. In der Kürze der Zeit ist das nicht mehr machbar. Die Ministerin wird den deutschen Forschungseinrichtungen erklären müssen, warum sie so versagt hat”, sagte Ingeborg Gräßle, die in der Arbeitsgruppe Bildung und Forschung der Unionsfraktion zuständige Berichterstatterin für das Thema “Europäische Zusammenarbeit”. Für das starke deutsche Interesse an Spitzenforschung und besonders an Großforschungseinrichtungen sei das ein massiver Wettbewerbsnachteil

BMBF: “Haben die Entwicklungen auf europäischer Ebene im Blick” 

In der Kleinen Anfrage hatte die Unionsfraktion explizit von der Bundesregierung wissen wollen, wie oft die Bundesforschungsministerin seit ihrem Amtsantritt im Jahr 2021 bereits vor Ort in Brüssel war. Die Bundesregierung listete daraufhin alle Besuche auf. Demnach war Stark-Watzinger fünfmal bei Treffen der Europäischen Ministerräte, davon dreimal in Brüssel beziehungsweise La Hulpe, einmal bei einem Treffen der Gates-Stiftung und einmal bei einem Workshop zur Neufassung europäischer Züchtungstechniken in Brüssel. Dazu gab die Bundesregierung zwei Treffen mit ihren europäischen Amtskollegen in Paris und Luxemburg an. 

Zur Kritik der Union, die nationale Roadmap komme zu spät, um noch Einfluss auf die europäische Roadmap für Forschungsinfrastrukturen zu nehmen, hatte eine Sprecherin des Ministeriums bereits zu einem früheren Zeitpunkt mitgeteilt: “Mit den Planungen verfolgt das BMBF auch das Ziel, politische Entscheidungen hinsichtlich der deutschen Beteiligung an europäischen und internationalen Forschungsinfrastrukturvorhaben vorzubereiten und zu unterstützen und hat dabei die Entwicklungen im European Strategy Forum on Research Infrastructures (ESFRI) im Blick“. tg 

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Warum Sprind auch für das BMI aktiv wird

Die Bundesagentur für Sprunginnovationen Sprind hat in dieser Woche den Innovationswettbewerb “EUDI Wallet Prototype” gestartet – zur Entwicklung von Prototypen für europäische digitale Brieftaschen für die digitale Identität. Sie sollen es Bürgerinnen und Bürgern sowie Organisationen ermöglichen, sich zukünftig digital auszuweisen und zudem ihre Identitätsdaten und amtlichen Dokumente in elektronischer Form speichern, verwalten und präsentieren zu können. EUDI steht für European Digital Identity, Auftraggeber des Projekts ist das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI).  

“Ziel des Innovationswettbewerbes ist eine sichere und vertrauenswürdige Wallet, die sich durch eine sehr gute Nutzbarkeit auszeichnet und auf möglichst vielen Smartphones verwendet werden kann”, informiert Sprind. So wurden bisher verschiedene Architekturvorschläge für die Implementierung von EUDI Wallets in Deutschland auf Basis der existierenden Infrastruktur der Online-Ausweisfunktion des Personalausweises entwickelt. Für die Implementierung startet man jetzt die Wettbewerbskategorie “Sprind Funken”. Diese kleinen Challenges bieten eine schnelle, flexible und unbürokratische Finanzierung in einem Innovationswettbewerb.  

Sprind und BMI? Nancy Faeser lobt, Wiebke Esdar entspannt

Innenministerin Nancy Faeser (SPD) lobte das Wettbewerbsformat und erhofft sich davon erhebliche Verbesserungen im Alltag. In der Wissenschaftscommunity gibt es jedoch Irritationen über die neue Zusammenarbeit von Sprind und BMI, ist die Agentur für Sprunginnovationen doch unter Beteiligung von Bundesforschungs- und Wirtschaftsministerium in die Freiheit entlassen worden.

Parlamentarier sehen darin kein Problem. “Durch das Freiheitsgesetz entscheidet die Sprind grundsätzlich selbst über die Identifizierung, Validierung und öffentliche Förderung von Vorhaben, die das Potenzial für eine Sprunginnovation aufweisen”, erklärt Haushaltspolitikerin Wiebke Esdar (SPD). Der EUdi Wallet Funke gehe auf ein Thema ein, bei dem in Deutschland viele Lücken bestehen. Das Projekt habe gerade deshalb Potenzial, disruptive Innovationen hervorzubringen, sagt die Haushälterin.  

Gleichzeitig sei die Sprind im Zuge eines Strategieprozesses dabei, für sich zu definieren, in welchen Bereichen sie tätig ist und in welchen Bereichen ein stärkerer Fokus gesetzt werden soll. Dazu entstehe gerade ein entsprechendes Papier im Aufsichtsrat. 

Projektträger womöglich nicht begeistert

Von den Projektträgern gab es auf Anfrage von Table.Briefings zunächst keine Stellungnahme zum neuen Betätigungsfeld der Sprind. Zwar ist das BMI nicht der zentrale Auftraggeber der PTs, allerdings dürfte eine Betätigung der Sprind dort nicht für Begeisterung sorgen. Das Credo der Projektträger ist: Wenn PT die Freiheiten von Sprind oder Dati hätten, bräuchte es die neuartigen Formate möglicherweise gar nicht oder nur in sehr schlanker Form. 

In einem Positionspapier hatten die Projektträger dies im vergangenen Jahr zum Ausdruck gebracht und sich dagegen gewehrt, als Verursacher von Bürokratie dargestellt zu werden und eine umfassende Reform der Innovationsförderung in Deutschland gefordert (wir berichteten). Die Projektträger hatten sich – ähnlich wie bei der Sprind – schlanke und agile Auswahlverfahren, eine vereinfachte Rechts- und Fachaufsicht und eine flexiblere Finanzierung gewünscht. Bislang noch ohne Erfolg. nik / tg 

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Presseschau

Süddeutsche. “Dann hat man das Gefühl: Das war meine Idee, und das kann ich auch beweisen”. Immer wieder werden Forschungsdaten gefälscht, gestohlen oder gleich durch Künstliche Intelligenz generiert. Wie kann man das verhindern? Friederike Kleinfercher und Sandra Vengadasalam, stellvertretende Leiterinnen der Max Planck Digital Library, sprechen im Interview über ihren Ansatz, mithilfe der Blockchain-Technologie, Daten oder Ergebnissen ein “Wasserzeichen” zu verpassen. Mehr

Nature. US COVID-origins hearing puts scientific journals in the hot seat. Bei einer öffentlichen Anhörung in Washington DC behaupteten die Republikaner im US-Repräsentantenhaus, dass Wissenschaftler der Regierung die Herausgeber wissenschaftlicher Fachzeitschriften in unzulässiger Weise beeinflussten. Diese hätten dann Veröffentlichungen über die Ursprünge der COVID-19-Pandemie unterdrückt. Die Demokraten warfen ihren republikanischen Kollegen vor, solche Anschuldigungen ohne ausreichende Beweise zu erheben und Misstrauen gegenüber der Wissenschaft zu säen. Mehr

DSW Journal. 13-Fragen an Wolfgang Wick. Ein eigenes KI-Sprachmodell für Bildung und Forschung könnte eine Chance sein, um im Bereich der Künstlichen Intelligenz aufzuholen, meint der Vorsitzende des Wissenschaftsrats Wolfgang Wick. Im Interview mit dem DSW-Journal spricht er sich außerdem dafür aus, mittels Chatbot Lehrende an Hochschulen zu entlasten. Chatbots könnten organisatorische Fragen klären und das Präsenzstudium ergänzen, vorausgesetzt, sie würden evaluiert. Mehr

Heads

Anja Reinalter – neue Grünen-Sprecherin für Bildung und Forschung

Früher arbeitete sie selbst an einer Berufsschule: Grünen-Politikerin Anja Reinalter.

Eigentlich müsste Anja Reinalter schon gut genug ausgelastet sein. Die Bundestagsabgeordnete der Grünen ist nicht nur Mitglied im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, sondern auch Parlamentarische Geschäftsführerin. Als solche gehört sie dem Fraktionsvorstand an und kümmert sich um organisatorische Angelegenheiten.

Doch im März kam für sie ein weiteres Amt hinzu: Mit dem Ausscheiden von Nina Stahr aus dem Bundestag musste auch das Amt der bildungs- und forschungspolitischen Sprecherin neu vergeben werden. Denn für Stahr rückte zwar Franziska Krumwiede-Steiner ins Parlament nach; dass sie jedoch als Neuling direkt das Sprecherinnenamt übernimmt, galt als ausgeschlossen.

Langjähriges Engagement in Ehrenämtern und Kommunalpolitik

Die Entscheidung für Anja Reinalter überraschte dennoch: Als Favorit galt eigentlich Stahrs Stellvertreterin Laura Kraft, die sich vor allem als Expertin für Hochschulthemen wie das Wissenschaftszeitvertragsgesetz einen Namen gemacht hatte. Warum die Entscheidung letztendlich auf Reinalter fiel, wollte aus der Grünen-Fraktion niemand kommentieren.

Reinalter ist seit 2017 Mitglied des Deutschen Bundestags, zog über die Landesliste Baden-Württemberg ins Parlament ein. “Ich war schon immer ein politischer Mensch”, erzählt sie im Gespräch mit Table.Briefings. Sie war Klassen- und Schülersprecherin, Elternvertreterin, Vorsitzende des Landesfrauenrats – die Liste ihrer bisherigen Ehrenämter ist lang. Dem Stadtrat in ihrer Heimatstadt Laupheim und dem Kreistag Biberach gehört sie auch als Bundestagsabgeordnete noch an. 2011 erhielt sie für ihr Engagement als Kommunalpolitikerin den Helene-Weber-Preis.

Von der Pflege zur Professur

Auch der berufliche Werdegang der studierten Erziehungswissenschaftlerin ist vielfältig: Zunächst arbeitete sie als Pflegerin für Menschen mit Behinderung und als Referentin in der Erwachsenenbildung. Anschließend wurde sie Berufsschullehrerin für angehende Erzieherinnen und Erzieher und Pflegefachkräfte. 2020 wurde sie schließlich Professorin für Soziale Arbeit mit dem Schwerpunkt Jugendarbeit an der Hochschule Kempten.

Aus ihrer früheren beruflichen Tätigkeit habe sie viel für den Job als Politikerin mitgenommen: “Kommunikation und der Umgang mit Menschen spielen als Lehrerin und Professorin eine entscheidende Rolle”, erzählt sie. “Auch für meine Aufgabe als Parlamentarische Geschäftsführerin muss ich wissen: Wie geht man mit einer Gruppe um? Wie fördert man Teamgeist?” Außerdem kenne sie viele unterschiedliche Lebensentwürfe.

Expertin für berufliche Bildung

In der Fraktion kümmert sich Reinalter vor allem um die berufliche Bildung – das soll sich auch durch ihr Amt als Sprecherin nicht ändern. “Ich stehe für die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung“, erklärt sie. Dabei sehe sie noch viel Aufholbedarf: “Es ist zum Beispiel normal, dass es Studentenwohnheime gibt, aber es gibt kaum Azubi-Wohnheime. Und wenn es im ÖPNV ein Studi-Ticket gibt, sollte es auch ein Azubi-Ticket geben.”

Mit ihrer Vorgängerin Nina Stahr, die fraktionsübergreifend hohe Anerkennung genoss, verbinde sie vieles: “Sie ist auch Mutter von drei Kindern und total gut organisiert”, so Reinalter. Sie setze daher auf ein konstruktives Miteinander innerhalb der Koalition: “Für mich ist es wichtig, gute Kompromisse zu finden. Das ist für mich der Kern der Demokratie.” Maximilian Stascheit

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Personalien

Robert Feidenhans’l wird mit der Röntgenplakette des Deutschen Röntgen-Museums ausgezeichnet. Der dänische Physiker forscht am europäischen Röntgenlaser European XFEL in Hamburg.

Claudia Hornberg von der Universität Bielefeld ist erneut für vier Jahre von Bundesumweltministerin Steffi Lemke in den Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) berufen worden. Sie vertritt dort die Fachgebiete Umwelt und Gesundheit, Chemie sowie Toxikologie.

Nikolaus Marsch, Professor für Deutsches und Europäisches Öffentliches Recht und Rechtsvergleichung an der Universität des Saarlandes, hat den Ko-Vorsitz der Arbeitsgruppe “Grenzraum-Check” des deutsch-französischen Ausschusses für grenzüberschreitende Zusammenarbeit übernommen. Die Arbeitsgruppe soll deutschen und französischen Ministerien künftig schon vor der Verabschiedung neuer Gesetze helfen zu überprüfen, ob sich diese nachteilig in der Grenzregion auswirken könnten.

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Dessert

Künstlerische Darstellung eines angeschwemmten Ichthyotitan severnensis-Kadavers am Strand.

“Jugend forscht” ist ganz gut, “Jugend publiziert” noch viel besser. Pionierin und Paradebeispiel für derlei Talentförderung ist die junge Britin Ruby Reynolds. Vor vier Jahren entdeckte die damals Elfjährige am Strand von Blue Anchor in Somerset einen großen alten Knochen. Sie hatte im Mündungsbereich des Flusses Severn zusammen mit ihrem Vater Justin nach Fossilien gesucht. Die beiden erkannten, dass es sich um ein Fragment aus dem Kiefer eines riesigen Meeresreptils handeln musste. Sie fanden sogar heraus, dass es einem anderen Fund ähnelte, ein Ichthyosaurier, der 2018 beschrieben worden war.

Rubys erste wissenschaftliche Publikation

Den Ichthyosaurier-Experten Dean Lomax von der University of Manchester beeindruckte das so sehr, dass er Ruby und ihren Vater in das Forschungsteam einlud, das den Fund beschreiben sollte. Ruby half auch bei der Benennung: Ichthyotitan severnensis, gigantische Fischechse vom Severn, heißt er. Am Mittwoch ist die Arbeit im Fachjournal Plos One erschienen. Darin ist zu erfahren, dass das Tier so groß wie ein Blauwal war, allein seine Unterkieferknochen hatten vermutlich eine Länge von mehr als zwei Metern. Das Reptil lebte in der Trias, also vor mehr als 200 Millionen Jahren.

Ruby und Justin Reynolds zählen zu den insgesamt sechs Autoren des Papers. Die erste wissenschaftliche Publikation wäre also abgehakt, Rubys Weg in die Paläontologie ist geebnet. Ein Hoch auf Vater Justin! Und auf Dr. Dean Lomax, der übrigens ein akademischer Quereinsteiger ist, weil seine Schulnoten nicht für einen höheren Abschluss reichten. Anne Brüning mit dpa

Research.Table Redaktion

RESEARCH.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    ob die Ankündigung des eigenen Weltraumprogramms Bavaria One oder der Plan, trotz des Atomausstiegs bayerische AKW weiterlaufen zu lassen: Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder hat eine Vorliebe für Alleingänge des Freistaats, vor allem wenn sich damit Berliner Regierungskreise provozieren lassen. Jetzt hat er ein neues Thema entdeckt: die militärische Forschung an Hochschulen.

    Ein Gesetzentwurf seiner CSU sieht vor, dass die Landesregierung Universitäten dazu verpflichten kann, mit der Bundeswehr zusammenzuarbeiten, wenn dies im Interesse der nationalen Sicherheit erforderlich ist. Zivilklauseln an Unis werden in dem Verordnungsentwurf explizit ausgeschlossen – obwohl es im Freistaat ohnehin keine Hochschule mit einer solchen Regelung gibt. Ob einige Ideen des CSU-Vorstoßes in der Wissenschaft reüssieren oder sich dahinter nur politische Symbolik versteckt, analysiert Nicola Kuhrt.  

    Apropos Populismus: Aus der Wissenschaft wurde des Öfteren Kritik an Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger laut, was ihre Aussagen zu Forschungskooperationen mit China betrifft. Dass sie hinter jedem chinesischen Wissenschaftler einen potenziellen Spion befürchtet, hat ihr den Vorwurf eingebracht, sie würde die Hochschulen nicht im Sinne der China-Strategie zu mehr De-Risking animieren, sondern einem De-Coupling Vorschub leisten.

    Auf seiner China-Reise hat Bundeskanzler Olaf Scholz jetzt harmonischere Töne angestimmt und sich wieder mehr chinesische Studierende und Wissenschaftskooperationen gewünscht. Markus Weisskopf hat mit der Community über die Diskrepanz gesprochen. Experten aus der Wissenschaft fordern mehr Ressourcen von und eine klare Linie der Bundesregierung, um mit China als Partner und systemischer Rivale seriös umgehen zu können.

    Es gibt Bewegung in einem innerwissenschaftlichen Konflikt: Ein grundlegender Wandel im Umgang mit Informationen zu Forschungsarbeiten wird durch die “Barcelona Declaration on Open Research Information” angestrebt. Mehr als 40 Akteure von Universitäten, Wissenschaftseinrichtungen und Stiftungen haben die Erklärung unterzeichnet.

    Diese Metadaten, wie Autoreninformationen, Angaben zur Finanzierung und Zitierverknüpfungen sind bisher in Datenbanken von Dienstleistern wie Scopus und Web of Science zu finden und gehören den dahinterstehenden Unternehmen, Elsevier und Clarivate. Anne Brüning beschreibt in ihrer Analyse, wie die Unterzeichner der Barcelona Declaration das in Zukunft ändern wollen.

    Ich wünsche Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre,

    Ihr
    Tim Gabel
    Bild von Tim  Gabel

    Analyse

    Barcelona Declaration: Internationale Initiative will offene Forschungsinformation als neue Norm

    Es geht um Informationen, die für politische Entscheidungen, die Bewertung von Forschern und Einrichtungen sowie die Verbreitung von Wissen von Bedeutung sind: Daten und Metadaten von Forschungsartikeln, Drittmitteln, Konferenzen oder Projekten. All diese Forschungsinformationen sind bislang weder frei zugänglich noch werden sie systematisch erfasst. Dabei entscheiden sie nicht selten über Karrieren oder die Zukunft von Institutionen.

    Zu einem grundlegenden Wandel der Forschungsinformationslandschaft ruft die “Barcelona Declaration on Open Research Information” auf. Erstunterzeichner der Erklärung, die am Dienstag veröffentlicht wurde, sind mehr als 40 Akteure von Universitäten, Wissenschaftseinrichtungen und Stiftungen. Sie verpflichten sich, führend an der Umgestaltung mitzuwirken.

    Weitere Unterzeichner sind willkommen – und in Sichtweite. “Die Resonanz auf diese Initiative ist sehr positiv. Viele relevante Akteure haben bereits ihre Unterstützung signalisiert, müssen aber noch Gremienentscheide abwarten, bevor sie unterzeichnen können”, sagt Christian Hauschke vom TIB -Leibniz-Informationszentrum Technik und Naturwissenschaften und Universitätsbibliothek in Hannover. Aus Deutschland haben neben dem TIB, das unter anderem die Funktion einer Nationalbibliothek für Naturwissenschaft und Technik erfüllt, bislang die Universität Bamberg und die Technische Universität Hamburg unterzeichnet.

    Von Dienstleistern wie Elsevier und Clarivate lösen

    Typisches Beispiel für die bisherige Black-Box-Problematik sind die Metadaten von Artikeln in wissenschaftlichen Fachzeitschriften. “Daraus geht beispielsweise hervor, wer einen Artikel verfasst hat, mit welchen Organisationen die Autoren verbunden sind, wer den Artikel finanziert hat, aber auch Zitierverknüpfungen zwischen Veröffentlichungen zählen dazu”, sagt Ludo Waltman von der Universität Leiden in den Niederlanden, der zu den Koordinatoren der Initiative gehört. Bisher sind diese Metadaten in Datenbanken von Dienstleistern wie Scopus und Web of Science zu finden – und somit Eigentum der dahinterstehenden Unternehmen. Bei Scopus ist das Elsevier und bei Web of Science ist es Clarivate.

    Viele Forscher werden anhand von Veröffentlichungs- und Zitationsstatistiken bewertet, die auf Daten dieser Anbieter beruhen. “Das Problem ist, dass diese Indikatoren intransparent sind”, sagt Waltman. Forschende hätten oft keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu den zugrundeliegenden Daten und Algorithmen und seien daher nicht wirklich in der Lage, die Indikatoren zu überprüfen und ihre Interpretation zu diskutieren oder zu hinterfragen.

    Offene Lösungen wie OpenAlex

    Die Barcelona Declaration stützt sich auf die Grundsätze, die bereits von Initiativen wie DORA und CoARA aufgestellt wurden und zielt darauf ab, sich von proprietären Lösungen wie Scopus oder Web of Science zu lösen. Stattdessen wird Transparenz und Zugänglichkeit angestrebt, um eine verantwortungsvolle Forschungsbewertung und eine wirklich offene Wissenschaft voranzutreiben.

    Frei zugängliche Lösungen gibt es bereits. Ludo Waltman nennt Crossref, OpenAlex, OpenAIRE und OpenCitation als vielversprechende Alternativen. Christian Hauschke hebt vor allem OpenAlex hervor, eine Datenbank, die von der US-amerikanischen Non-Profit-Organisation OurResearch betrieben wird. “Sie ist die erste ernstzunehmende Konkurrenz für die kommerziellen Dienstleister und schüttelt den Markt derzeit gehörig durcheinander.”

    Sorbonne hat sich von kommerziellen Anbietern bereits losgesagt

    Einige Universitäten haben offene Modelle bereits getestet – und waren davon offenbar so überzeugt, dass sie bestehende Verträge mit kommerziellen Dienstleistern gekündigt haben. Die Sorbonne in Paris etwa hat Scopus und Web of Science “Adieu” gesagt und das französische Centre national de la recherche scientifique (CNRS) trennte sich von Scopus.

    Hauschke geht aber nicht davon aus, dass die Öffnung der Forschungsinformation Unternehmen wie Elsevier und Clarivate in den Ruin treibt. “Die Exklusivität der Informationen, über die diese Unternehmen verfügen, ist mittlerweile gar nicht mehr so wichtig.” Sie entwickelten sich schon jetzt weg vom reinen Datenbankanbieter und hin zu Anbietern von Informationsanalysen. Die Offenheit sei eher ein Innovationsanreiz – und eine Chance für kleinere Player. “Firmen, die die vorhandenen Daten für smarte Geschäftsmodelle nutzen, Dashboards für Politik oder Wissenschaftsmanagement zum Beispiel, sind ein Gewinn für uns alle und werden auch weiter gefragt sein”, sagt Hauschke.

    Entsprechend gelassen reagierten beide Unternehmen auf die Initiative. Clarivate teilte mit, die Ziele der Erklärung im Großen und Ganzen zu unterstützen, berichtet das Science-Magazin. Elsevier äußerte sich ähnlich und betonte, dass man das gleiche Ziel verfolge.

    In Deutschland fehlen Schnittstellen für Projektinformationen

    In Deutschland könnte breites Bemühen um offene Forschungsinformationen außerdem den Überblick über Drittmittel, Forschungsprojekte und Fördermittel verbessern – und eine eklatante Lücke füllen. “Die Verfügbarkeit von Projektinformation ist ein relatives Trauerspiel und in anderen Ländern deutlich besser. Es ist hierzulande wirklich schwierig, sich einen Überblick darüber zu verschaffen, wer woran forscht”, sagt Hauschke.

    Das Problem: separate und nicht interoperable Datenmodelle. “Es gibt zwar einen Förderkatalog von BMBF und anderen Bundesministerien, dieser hat aber keine Schnittstelle, um die Daten herauszuziehen.” Die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Volkswagenstiftung hätten “wiederum jeweils eigene Systeme, ebenfalls ohne Schnittstellen”.

    Wie schnell die Barcelona Declaration Wirkung entfaltet, wird sich im September zeigen. Dann ist eine Veranstaltung in Paris geplant, bei der die Unterzeichner zusammenkommen, um gemeinsam an der Umsetzung zu arbeiten. Waltman: “Meine Hoffnung ist, dass wir prioritär die Verhandlungen mit wissenschaftlichen Verlagen angehen.”

    • Daten
    • Forschung
    • Forschungsförderung
    • Forschungspolitik
    • Universitäten
    • VolkswagenStiftung
    • Wissenschaft
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    Scholz und Stark-Watzinger mit Differenzen zu China-Kooperationen 

    Was Olaf Scholz bei seinem Besuch an der Tongji Universität in Shanghai sagte, hörte sich anders an als viele Aussagen der Forschungsministerin. Während der Corona-Krise seien die Kontakte deutlich zurückgegangen, was nicht gut sei, sagte Scholz in China und sprach sich für einen wieder stärkeren Wissenschaftsaustausch aus. Die Gespräche und wechselseitigen Besuche müssten wieder zunehmen. Der Kanzler freute sich auch über die wieder ansteigenden Zahlen chinesischer Studierender in Deutschland. 

    Stark-Watzinger: Nicht naiv sein 

    Demgegenüber stehen die Äußerungen von Bettina Stark-Watzinger aus den vergangenen Monaten. “Hinter jedem chinesischen Forscher kann sich die kommunistische Partei verbergen, darüber müssen wir uns klar sein”, sagte sie beispielsweise der “Welt” im vergangenen Jahr. Und gerade vor ein paar Tagen warnte die FDP-Politikerin: “Der chinesische Staat nutzt die Erkenntnisse aus der Wissenschaft und neue Technologien wie die Künstliche Intelligenz nicht nur zum Wohle seiner Bevölkerung, sondern auch zur Überwachung, Kontrolle und Beeinflussung.” Man dürfe im Umgang mit China nicht naiv sein. 

    Ist der Bundeskanzler also naiv? Letztlich wiederholte Scholz in China lediglich, was in der gemeinsamen China-Strategie der Bundesregierung niedergeschrieben ist: “Zur Stärkung der bilateralen Beziehungen und zum Ausbau von China-Kompetenz unterstützt die Bundesregierung Kooperationen von Hochschulen und Forschungseinrichtungen.” 

    Auch Gehring rät zu “Risikobewusstsein” 

    Offensichtlich kann man über die Interpretation der Strategie streiten. Der Vorsitzende des Forschungsausschusses, Kai Gehring, betont mit Bezug auf die China-Strategie, dass es “um mehr Awareness, die Verringerung von Abhängigkeiten und damit um Risikominimierung” gehe. China verfolge schließlich geostrategisch keine partnerschaftliche, sondern eine hegemoniale Strategie

    “Wir wollen den Austausch mit China in der Wissenschaft fortsetzen, ihn jedoch stärker interessen- und wertegeleitet und mit dem nötigen Risikobewusstsein gestalten”, sagte der Grünen-Politiker zu Table.Briefings. Dort, wo die deutsche wie europäische technologische und digitale Souveränität berührt sei, müsse man Wettbewerbsfähigkeit und Schutzinteressen priorisieren sowie Knowhow-Spionage verhindern. Das hört sich nicht nach einem Ausbau der Beziehungen an. 

    Austausch als Grundwert der Wissenschaft aufrechterhalten 

    Hannes Gohli, Leiter des China Kompetenzzentrums an der Uni Würzburg, wundert sich über die wenig differenzierende Wortwahl, insbesondere des BMBF in den vergangenen Monaten. “Wissenstransfer wird in jüngster Zeit zu häufig rein als Risiko gekennzeichnet. In manchen Bereichen sollten wir auch vorsichtig bleiben. Trotzdem: Das Grundethos der Wissenschaft ist doch der Austausch von Wissen. Dieses Grundethos sollte, in ständiger Abwägung der Risiken, in so vielen Bereichen aufrechterhalten bleiben wie möglich.” 

    Gohli berichtet, dass viele Wissenschaftler an Kooperationen interessiert seien, sich aber aktuell über Reputationsverlust und politische Konsequenzen Sorgen machten. Die Zunahme an Bürokratie durch eine aufwändige Risikoprüfung bei Forschungsprojekten mit chinesischen Partnern könnte aus dem geplanten De-Risking auch ein Decoupling werden lassen

    DHV-Präsident: Widersprüchliche Signale nicht hilfreich 

    Lambert Koch, Präsident des Deutschen Hochschulverbands (DHV), findet die “widersprüchlich anmutenden Signale aus der Bundesregierung in den Augen des DHV nicht hilfreich”. Was die Wissenschaft benötige, seien “unmissverständliche Leitplanken, entlang derer sie bei sich bietenden Kooperations- und Austauschgelegenheiten ihre Bewertung vornehmen kann”. 

    Im Rahmen der nötigen Abstimmung zwischen Scientific Community und Politik müsse klar sein, “wessen Maßgaben in der Bundesregierung gelten.” Aus diesen müssten sich dann qualifizierte Informations- und Beratungsangebote speisen, die tragfähige Entscheidungen unter Wahrung der Wissenschaftsautonomie möglich machten. Hier sieht Koch “nach dem China-Besuch des Kanzlers verstärkten Handlungsbedarf“. 

    BMBF konnte sich in der China-Strategie nicht durchsetzen 

    Alicia Hennig, die von 2015 bis 2021 in Shenzhen und Nanjing lehrte und forschte, stellt fest, dass nun wiederum deutlich werde, dass sich das BMBF mit seiner eher kritischen Haltung in der China-Strategie nicht durchsetzen konnte. Und solange es keine klare Positionierung und entsprechend keine klare Regulierung zu China-Kooperationen seitens der Regierung gebe, werde es auch zu keiner operativen Umsetzung in den Hochschulen kommen.  

    Zentrale oder dezentrale Strukturen 

    Egal, wie die inhaltlichen Vorgaben am Ende aussehen, auch über die Struktur und den Prozess einer Umsetzung gibt es uneinheitliche Meinungen. Während das BMBF oder auch der DAAD die Verantwortung für den Aufbau von Kompetenzen und Prozessen vor allem bei den Hochschulen sehen, ist Hennig hier anderer Meinung. Sie verweist unter anderem auf die mangelnden Ressourcen an Universitäten und HAWs. Die China-Strategie sei schließlich ebenfalls nicht mit Geld unterlegt, um solche jetzt notwendig gewordene Kapazitäten zu schaffen.  

    Daher brauche es ein Risiko-Rahmenwerk seitens der Bundesregierung beziehungsweise des BMBF und eine damit einhergehende Schaffung von übergeordneten Kapazitäten. Dies würde zwar keine vollständige Entlastung der Universitäten und Forschungseinrichtungen mit sich bringen. “Zumindest gäbe es dann aber zentralisierte Kapazitäten, Anlaufstellen und Ressourcen zur Bündelung dieser notwendigen Aktivitäten”, sagt die Wissenschaftlerin der TU Dresden. 

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    CSU will Hochschulen zu Militärkooperationen zwingen und Zivilklauseln verbieten 

    “Wir müssen mehr für unsere Sicherheit tun. Dafür brauchen wir unsere Hochschulen und Universitäten, weil es auch um Innovationen geht”, erklärt Markus Blume (CSU) auf Anfrage von Table.Briefings. Für den bayerischen Wissenschaftsminister steht fest: “Militärische Stärke ist auch eine Frage von technologischer Stärke. Es wäre falsch, beides strikt zu trennen.” In anderen Ländern, beispielsweise den USA, sei es selbstverständlich, dass Hochschulen und Militär zusammenarbeiten.  

    Aus diesem Grund hat die CSU nun einen Gesetzentwurf zur Förderung der Bundeswehr (Drucksache 19/1556) vorgelegt. Die wichtigsten Punkte:  

    • Hochschulen sollen mit Einrichtungen der Bundeswehr zusammenarbeiten, “wenn (…) dies im Interesse der nationalen Sicherheit erforderlich ist”. 
    • Es soll ein Kooperationsgebot geben: “Universitäten und Hochschulen müssen das Militär unterstützen, wenn das Wissenschaftsministerium das auf Antrag der Bundeswehr für notwendig erachtet. Forschungsergebnisse dürfen demnach auch für militärische Zwecke der Bundesrepublik oder der Nato-Bündnispartner genutzt werden.” 
    • Ministerieller Durchgriff soll möglich sein: “Die Bundeswehr ist auf eine reibungslose Zusammenarbeit mit Hochschulen angewiesen, benötigt Zugang zu wissenschaftlichem Know-how und wissenschaftlich qualifizierten Fachkräften. Deshalb wird ein allgemeines Kooperationsgebot für die Hochschulen mit der Bundeswehr festgeschrieben. Wo dies infrage gestellt wird, obwohl die Kooperation für die nationale Sicherheit erforderlich ist, kann dies ministeriell sichergestellt werden.” 
    • Zivilklauseln sind nicht vorgesehen: “Eine Beschränkung der Forschung auf zivile Nutzungen (Zivilklausel) ist unzulässig.” Denn: “Erzielte Forschungsergebnisse dürfen auch für militärische Zwecke der Bundesrepublik Deutschland oder der Nato-Bündnispartner genutzt werden.” Und später heißt es: Durch die Neuregelung “werden solche Zivilklauseln explizit verboten.”

    Zum Glück gebe es an bayerischen Hochschulen – anders als in anderen Ländern – keine sogenannten Zivilklauseln, erklärt hierzu Wissenschaftsminister Blume. “Wir wollen aber auch deutlich machen: Das soll und das wird auch in Zukunft so bleiben.” Die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) gilt tatsächlich als einzige Hochschule Bayerns, die in ihrem Leitbild Anklänge an eine Zivilklausel hat, wie die FAZ berichtete: Die Universität sei sich als öffentliche Einrichtung der gesellschaftlichen Folgenverantwortung ihrer Forschung bewusst, heißt es darin. Deshalb fördere sie ein “friedliches Zusammenleben zwischen Menschen, Kulturen und Nationen”. Doch die FAU bleibt im Kontext des Gesetzentwurfs unerwähnt.

    Grüne in Bayern halten Gesetzentwurf für verfassungswidrig 

    In einer Debatte im bayerischen Landtag am Mittwoch spottete die SPD mit Blick auf die Zivilklausel-Frage, die CSU löse mit dem Gesetz wieder einmal Probleme, die gar keine seien. Toni Schuberl (Grüne) warf der Staatsregierung ein verfassungswidriges Vorgehen vor und beklagte eine “typische CSU-Bevormundungspolitik”. Es sei zudem gefährlich, auch allen Nato-Partnern – inklusive der Türkei – Zugriff auf deutsche Forschungsergebnisse zu gewähren.

    “Ich halte das Gesetz für wichtig, weil wir damit ein Signal setzen”, erklärt hierzu Minister Blume. “Wir wollen, dass unsere Hochschulen ganz selbstverständlich auch mit der Bundeswehr in Fragen der nationalen Sicherheit zusammenarbeiten können.” Es sei auch keine Einmischung in die Wissenschaftsfreiheit: Es gehe nicht darum, Forschung zu militarisieren, sondern sicherheitsrelevante Fragen zu beantworten. Dafür brauche es Dual Use, auch im Interesse unserer nationalen Sicherheit. 

    DHV: Wissenschaftler nicht zwingen, aber Anreize setzen 

    Der Deutsche Hochschulverband (DHV) hält die vom bayerischen Gesetzgeber geplanten Neuerungen für unbedenklich, sagt ein Sprecher Table.Briefings. Es seien stets Güterabwägungen vorzunehmen, wenn die Wissenschaftsfreiheit durch andere verfassungsrechtliche Grundentscheidungen, zu denen auch der Verteidigungsauftrag durch eine wirksame militärische Landesverteidigung gehöre, tangiert wird. 

    “Aus Sicht des DHV ist bei dem Vorhaben der bayerischen Staatsregierung maßgeblich, dass der Gesetzentwurf ausschließlich die Hochschulen als Adressaten des Kooperationsgebots anspricht”, erklärt der DHV-Sprecher weiter. Eine Weisungsbefugnis gegenüber der einzelnen Wissenschaftlerin oder dem einzelnen Wissenschaftler bestehe dagegen ausdrücklich nicht.  

    Will die Hochschule ihrer dem Staat gegenüber bestehenden Kooperationspflicht nachkommen, müsse sie versuchen, dies beispielsweise durch die Gewährung von Anreizen (Leistungszulagen, Ausstattungszusagen, Deputatsreduktionen u.ä.) zu bewirken. An entscheidender Stelle sei damit die grundgesetzlich verbürgte Wissenschaftsfreiheit gewahrt. Keine Wissenschaftlerin oder kein Wissenschaftler könne unter Androhung von Disziplinarmaßnahmen gegen seinen Willen und seine Überzeugungen zu militärisch verwertbarer Forschung verpflichtet werden. 

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    • Hochschulen
    • Militärforschung
    • Zivilklausel
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    Termine

    18. /19. April 2024, Berlin
    Konferenz Unterstützung gefährdeter Forschender: Philipp Schwartz und Inspireurope Stakeholder Forum Mehr

    19. April 2024, Südwerk Bürgerzentrum Südstadt, Karlsruhe (und Livestream)
    NaWik-Konferenz für kommunizierende Forschende WissKon24 Mehr

    22. April 2024, 10:30 bis 16:15 Uhr, Hannover Messe und im Livestream
    Gipfel für Forschung und Innovation 2024 “Innovationen in Europa – Katalysatoren, Kompetenzen und Kooperationen am Beispiel von KI” Mehr

    24. April 2024 , 19 Uhr, Berliner Sparkasse Alexanderplatz 2, Berlin
    Gespräch Junge Akademie: Irritieren Sie mich – Geld aus dem Nichts Mehr

    29. April 2024, 18 Uhr, Akademiegebäude am Gendarmenmarkt, Leibniz-Saal, Markgrafenstraße 38, 10117 Berlin
    Podiumsdiskussion “Zum Stand der Wissenschaftsfreiheit in Europa” Mehr

    15./16. Mai 2024, Katholische Akademie in Bayern, Mandlstraße 23, 80802 München
    XVII. Hochschulsymposium der Schleyer-Stiftung in Kooperation mit Heinz Nixdorf Stiftung und TU München “Nachhaltigkeit in der Wissenschaft: Notwendigkeiten neuer Formen der Zusammenarbeit” Mehr

    27./28. Mai 2024, Dresden/International Congress Center Conference
    Konferenz “Building Bridges for a Net Zero Future” Mehr

    News

    Antragsvolumen des AvH-Schutzprogramms für verfolgte Wissenschaftler stark gestiegen

    Kriege und Unterdrückung haben dazu geführt, dass deutsche Hochschulen und Forschungseinrichtungen immer mehr Geld für schutzsuchende Forscher bei der Alexander von Humboldt-Stiftung (AvH) beantragen. “Der Bedarf hat sich seit der Machtübernahme der Taliban 2021 in Afghanistan extrem verstärkt und seit der russischen Invasion in die Ukraine gigantische Ausmaße angenommen”, sagt Frank Albrecht, der bei der AvH das Referat Philipp Schwartz-Initiative und Wissenschaftsfreiheit leitet.

    Die Initiative vergibt seit 2015 Fördermittel an deutsche Hochschulen und Forschungseinrichtungen, mit denen ausländische Wissenschaftler zwei Jahre lang finanziert werden können. Am heutigen Donnerstag treffen sich auf Einladung der Stiftung etwa 400 Wissenschaftler und Experten aus der Politik in Berlin zum Philipp Schwartz und Inspireurope Stakeholder Forum in Berlin. Auf der Konferenz wird über Fragen rund um die internationale Wissenschaftsfreiheit diskutiert und es geht auch um Vernetzung. 

    Antragsvolumen hat sich im Vergleich zu den Vorjahren verdoppelt

    Das Antragsvolumen sei seit Beginn des Ukraine-Kriegs zeitweise auf 300 Prozent der Vorjahre gestiegen und liege aktuell weiterhin bei fast 200 Prozent, sagt Albrecht. Wurden zunächst 50 bis 60 Wissenschaftler pro Jahr unterstützt, seien es nun 80 bis 100. Die Gründe: Durch den Ukraine-Krieg sei es vielen Wissenschaftlern nicht mehr möglich, an ihren Hochschulen zu arbeiten. In Russland erlebten kritische Wissenschaftler seit dem Ukraine-Krieg verstärkt Repressionen durch Geheimdienste.

    Unter den Unterstützten aus anderen Ländern sei etwa eine syrische Rechtswissenschaftlerin, die sich in Damaskus mit internationalem Strafrecht befasst habe. “Sie hat dann festgestellt, dass der syrische Geheimdienst beginnt, in ihren Vorlesungen zu sitzen”, berichtet Albrecht. In Afghanistan wiederum seien Frauen gänzlich aus den Hochschulen verbannt worden. 

    Seit 2015 wurden rund 500 Wissenschaftler aus 26 Ländern unterstützt

    Albrecht zufolge gibt es keine Erhebungen darüber, wie viele Wissenschaftler weltweit in Gefahr sind. Internationale Studien hätten aber gezeigt, dass insgesamt über 3,5 Milliarden Menschen in Ländern leben, in denen die Wissenschaftsfreiheit stark eingeschränkt sei. Die Philipp Schwartz-Initiative hat laut Albrecht seit 2015 rund 500 Wissenschaftler aus 26 Ländern unterstützt. Die meisten von ihnen kommen aus der Türkei, der Ukraine und Syrien.

    Die Philipp Schwartz-Initiative wurde von der AvH gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt ins Leben gerufen. Als erste Forschungsförderorganisation Deutschlands habe man ein Schutzprogramm für gefährdete und verfolgte Wissenschaftler installiert. Das Programm ist nach dem jüdischen Pathologen Philipp Schwartz benannt. Dieser musste 1933 vor den Nationalsozialisten aus Deutschland fliehen und gründete die “Notgemeinschaft deutscher Wissenschaftler im Ausland”. dpa

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    Union fordert von Forschungsministerin Stark-Watzinger mehr Engagement in Brüssel

    Während Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger in dieser Woche die deutsch-französische Forschungsstation auf Spitzbergen besucht, kritisiert die Unionsfraktion im Bundestag das aus ihrer Sicht fehlende Engagement der Ministerin für die europäische Zusammenarbeit im Forschungsbereich. “Knapp zwei Monate vor der Europawahl schmerzt die Feststellung besonders: Die Bundesforschungsministerin ist auch in ihrem dritten Amtsjahr in Brüssel weiterhin eine Unbekannte“, sagt der forschungspolitische Sprecher der Union, Thomas Jarzombek, zu Table.Briefings. 

    Die Konsequenz aus der Abwesenheit der Ministerin sei, dass die deutschen Wissenschaftsorganisationen in Brüssel sich selbst überlassen sind. Sie hätten weder am Kabinettstisch in Berlin noch in Brüssel eine starke Fürsprecherin ihrer Belange. “Nach außen wird der Wissenschaftsstandort auf politischer Ebene unter Wert vertreten und nach innen fehlt es im BMBF an professionell strukturierten Arbeitsprozessen.” Anlass für die aktuelle Kritik Jarzombeks ist die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Union zur Weiterentwicklung der Roadmap für die großen Forschungsinfrastrukturen (FIS). 

    “Die Ministerin wird erklären müssen, warum sie so versagt hat” 

    Das BMBF hatte den Start des neuerlichen Priorisierungsverfahrens für alle Forschungsgroßvorhaben – die über 50 Millionen Euro kosten, für mindestens zehn Jahre genutzt werden und von nationaler Relevanz sind – für den Frühsommer angekündigt. Table.Briefings hatte darüber exklusiv berichtet. Aus der Union heißt es dazu, dass das Verfahren für eine sinnvolle Abstimmung auf europäischer Ebene viel zu spät komme. 

    “Eigentlich müssten die Ergebnisse dieses Prozesses bereits jetzt in Europa vorliegen. In der Kürze der Zeit ist das nicht mehr machbar. Die Ministerin wird den deutschen Forschungseinrichtungen erklären müssen, warum sie so versagt hat”, sagte Ingeborg Gräßle, die in der Arbeitsgruppe Bildung und Forschung der Unionsfraktion zuständige Berichterstatterin für das Thema “Europäische Zusammenarbeit”. Für das starke deutsche Interesse an Spitzenforschung und besonders an Großforschungseinrichtungen sei das ein massiver Wettbewerbsnachteil

    BMBF: “Haben die Entwicklungen auf europäischer Ebene im Blick” 

    In der Kleinen Anfrage hatte die Unionsfraktion explizit von der Bundesregierung wissen wollen, wie oft die Bundesforschungsministerin seit ihrem Amtsantritt im Jahr 2021 bereits vor Ort in Brüssel war. Die Bundesregierung listete daraufhin alle Besuche auf. Demnach war Stark-Watzinger fünfmal bei Treffen der Europäischen Ministerräte, davon dreimal in Brüssel beziehungsweise La Hulpe, einmal bei einem Treffen der Gates-Stiftung und einmal bei einem Workshop zur Neufassung europäischer Züchtungstechniken in Brüssel. Dazu gab die Bundesregierung zwei Treffen mit ihren europäischen Amtskollegen in Paris und Luxemburg an. 

    Zur Kritik der Union, die nationale Roadmap komme zu spät, um noch Einfluss auf die europäische Roadmap für Forschungsinfrastrukturen zu nehmen, hatte eine Sprecherin des Ministeriums bereits zu einem früheren Zeitpunkt mitgeteilt: “Mit den Planungen verfolgt das BMBF auch das Ziel, politische Entscheidungen hinsichtlich der deutschen Beteiligung an europäischen und internationalen Forschungsinfrastrukturvorhaben vorzubereiten und zu unterstützen und hat dabei die Entwicklungen im European Strategy Forum on Research Infrastructures (ESFRI) im Blick“. tg 

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    Warum Sprind auch für das BMI aktiv wird

    Die Bundesagentur für Sprunginnovationen Sprind hat in dieser Woche den Innovationswettbewerb “EUDI Wallet Prototype” gestartet – zur Entwicklung von Prototypen für europäische digitale Brieftaschen für die digitale Identität. Sie sollen es Bürgerinnen und Bürgern sowie Organisationen ermöglichen, sich zukünftig digital auszuweisen und zudem ihre Identitätsdaten und amtlichen Dokumente in elektronischer Form speichern, verwalten und präsentieren zu können. EUDI steht für European Digital Identity, Auftraggeber des Projekts ist das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI).  

    “Ziel des Innovationswettbewerbes ist eine sichere und vertrauenswürdige Wallet, die sich durch eine sehr gute Nutzbarkeit auszeichnet und auf möglichst vielen Smartphones verwendet werden kann”, informiert Sprind. So wurden bisher verschiedene Architekturvorschläge für die Implementierung von EUDI Wallets in Deutschland auf Basis der existierenden Infrastruktur der Online-Ausweisfunktion des Personalausweises entwickelt. Für die Implementierung startet man jetzt die Wettbewerbskategorie “Sprind Funken”. Diese kleinen Challenges bieten eine schnelle, flexible und unbürokratische Finanzierung in einem Innovationswettbewerb.  

    Sprind und BMI? Nancy Faeser lobt, Wiebke Esdar entspannt

    Innenministerin Nancy Faeser (SPD) lobte das Wettbewerbsformat und erhofft sich davon erhebliche Verbesserungen im Alltag. In der Wissenschaftscommunity gibt es jedoch Irritationen über die neue Zusammenarbeit von Sprind und BMI, ist die Agentur für Sprunginnovationen doch unter Beteiligung von Bundesforschungs- und Wirtschaftsministerium in die Freiheit entlassen worden.

    Parlamentarier sehen darin kein Problem. “Durch das Freiheitsgesetz entscheidet die Sprind grundsätzlich selbst über die Identifizierung, Validierung und öffentliche Förderung von Vorhaben, die das Potenzial für eine Sprunginnovation aufweisen”, erklärt Haushaltspolitikerin Wiebke Esdar (SPD). Der EUdi Wallet Funke gehe auf ein Thema ein, bei dem in Deutschland viele Lücken bestehen. Das Projekt habe gerade deshalb Potenzial, disruptive Innovationen hervorzubringen, sagt die Haushälterin.  

    Gleichzeitig sei die Sprind im Zuge eines Strategieprozesses dabei, für sich zu definieren, in welchen Bereichen sie tätig ist und in welchen Bereichen ein stärkerer Fokus gesetzt werden soll. Dazu entstehe gerade ein entsprechendes Papier im Aufsichtsrat. 

    Projektträger womöglich nicht begeistert

    Von den Projektträgern gab es auf Anfrage von Table.Briefings zunächst keine Stellungnahme zum neuen Betätigungsfeld der Sprind. Zwar ist das BMI nicht der zentrale Auftraggeber der PTs, allerdings dürfte eine Betätigung der Sprind dort nicht für Begeisterung sorgen. Das Credo der Projektträger ist: Wenn PT die Freiheiten von Sprind oder Dati hätten, bräuchte es die neuartigen Formate möglicherweise gar nicht oder nur in sehr schlanker Form. 

    In einem Positionspapier hatten die Projektträger dies im vergangenen Jahr zum Ausdruck gebracht und sich dagegen gewehrt, als Verursacher von Bürokratie dargestellt zu werden und eine umfassende Reform der Innovationsförderung in Deutschland gefordert (wir berichteten). Die Projektträger hatten sich – ähnlich wie bei der Sprind – schlanke und agile Auswahlverfahren, eine vereinfachte Rechts- und Fachaufsicht und eine flexiblere Finanzierung gewünscht. Bislang noch ohne Erfolg. nik / tg 

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    Presseschau

    Süddeutsche. “Dann hat man das Gefühl: Das war meine Idee, und das kann ich auch beweisen”. Immer wieder werden Forschungsdaten gefälscht, gestohlen oder gleich durch Künstliche Intelligenz generiert. Wie kann man das verhindern? Friederike Kleinfercher und Sandra Vengadasalam, stellvertretende Leiterinnen der Max Planck Digital Library, sprechen im Interview über ihren Ansatz, mithilfe der Blockchain-Technologie, Daten oder Ergebnissen ein “Wasserzeichen” zu verpassen. Mehr

    Nature. US COVID-origins hearing puts scientific journals in the hot seat. Bei einer öffentlichen Anhörung in Washington DC behaupteten die Republikaner im US-Repräsentantenhaus, dass Wissenschaftler der Regierung die Herausgeber wissenschaftlicher Fachzeitschriften in unzulässiger Weise beeinflussten. Diese hätten dann Veröffentlichungen über die Ursprünge der COVID-19-Pandemie unterdrückt. Die Demokraten warfen ihren republikanischen Kollegen vor, solche Anschuldigungen ohne ausreichende Beweise zu erheben und Misstrauen gegenüber der Wissenschaft zu säen. Mehr

    DSW Journal. 13-Fragen an Wolfgang Wick. Ein eigenes KI-Sprachmodell für Bildung und Forschung könnte eine Chance sein, um im Bereich der Künstlichen Intelligenz aufzuholen, meint der Vorsitzende des Wissenschaftsrats Wolfgang Wick. Im Interview mit dem DSW-Journal spricht er sich außerdem dafür aus, mittels Chatbot Lehrende an Hochschulen zu entlasten. Chatbots könnten organisatorische Fragen klären und das Präsenzstudium ergänzen, vorausgesetzt, sie würden evaluiert. Mehr

    Heads

    Anja Reinalter – neue Grünen-Sprecherin für Bildung und Forschung

    Früher arbeitete sie selbst an einer Berufsschule: Grünen-Politikerin Anja Reinalter.

    Eigentlich müsste Anja Reinalter schon gut genug ausgelastet sein. Die Bundestagsabgeordnete der Grünen ist nicht nur Mitglied im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, sondern auch Parlamentarische Geschäftsführerin. Als solche gehört sie dem Fraktionsvorstand an und kümmert sich um organisatorische Angelegenheiten.

    Doch im März kam für sie ein weiteres Amt hinzu: Mit dem Ausscheiden von Nina Stahr aus dem Bundestag musste auch das Amt der bildungs- und forschungspolitischen Sprecherin neu vergeben werden. Denn für Stahr rückte zwar Franziska Krumwiede-Steiner ins Parlament nach; dass sie jedoch als Neuling direkt das Sprecherinnenamt übernimmt, galt als ausgeschlossen.

    Langjähriges Engagement in Ehrenämtern und Kommunalpolitik

    Die Entscheidung für Anja Reinalter überraschte dennoch: Als Favorit galt eigentlich Stahrs Stellvertreterin Laura Kraft, die sich vor allem als Expertin für Hochschulthemen wie das Wissenschaftszeitvertragsgesetz einen Namen gemacht hatte. Warum die Entscheidung letztendlich auf Reinalter fiel, wollte aus der Grünen-Fraktion niemand kommentieren.

    Reinalter ist seit 2017 Mitglied des Deutschen Bundestags, zog über die Landesliste Baden-Württemberg ins Parlament ein. “Ich war schon immer ein politischer Mensch”, erzählt sie im Gespräch mit Table.Briefings. Sie war Klassen- und Schülersprecherin, Elternvertreterin, Vorsitzende des Landesfrauenrats – die Liste ihrer bisherigen Ehrenämter ist lang. Dem Stadtrat in ihrer Heimatstadt Laupheim und dem Kreistag Biberach gehört sie auch als Bundestagsabgeordnete noch an. 2011 erhielt sie für ihr Engagement als Kommunalpolitikerin den Helene-Weber-Preis.

    Von der Pflege zur Professur

    Auch der berufliche Werdegang der studierten Erziehungswissenschaftlerin ist vielfältig: Zunächst arbeitete sie als Pflegerin für Menschen mit Behinderung und als Referentin in der Erwachsenenbildung. Anschließend wurde sie Berufsschullehrerin für angehende Erzieherinnen und Erzieher und Pflegefachkräfte. 2020 wurde sie schließlich Professorin für Soziale Arbeit mit dem Schwerpunkt Jugendarbeit an der Hochschule Kempten.

    Aus ihrer früheren beruflichen Tätigkeit habe sie viel für den Job als Politikerin mitgenommen: “Kommunikation und der Umgang mit Menschen spielen als Lehrerin und Professorin eine entscheidende Rolle”, erzählt sie. “Auch für meine Aufgabe als Parlamentarische Geschäftsführerin muss ich wissen: Wie geht man mit einer Gruppe um? Wie fördert man Teamgeist?” Außerdem kenne sie viele unterschiedliche Lebensentwürfe.

    Expertin für berufliche Bildung

    In der Fraktion kümmert sich Reinalter vor allem um die berufliche Bildung – das soll sich auch durch ihr Amt als Sprecherin nicht ändern. “Ich stehe für die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung“, erklärt sie. Dabei sehe sie noch viel Aufholbedarf: “Es ist zum Beispiel normal, dass es Studentenwohnheime gibt, aber es gibt kaum Azubi-Wohnheime. Und wenn es im ÖPNV ein Studi-Ticket gibt, sollte es auch ein Azubi-Ticket geben.”

    Mit ihrer Vorgängerin Nina Stahr, die fraktionsübergreifend hohe Anerkennung genoss, verbinde sie vieles: “Sie ist auch Mutter von drei Kindern und total gut organisiert”, so Reinalter. Sie setze daher auf ein konstruktives Miteinander innerhalb der Koalition: “Für mich ist es wichtig, gute Kompromisse zu finden. Das ist für mich der Kern der Demokratie.” Maximilian Stascheit

    • Berufliche Bildung
    • Bildungspolitik
    • Bundestag
    • Die Grünen

    Personalien

    Robert Feidenhans’l wird mit der Röntgenplakette des Deutschen Röntgen-Museums ausgezeichnet. Der dänische Physiker forscht am europäischen Röntgenlaser European XFEL in Hamburg.

    Claudia Hornberg von der Universität Bielefeld ist erneut für vier Jahre von Bundesumweltministerin Steffi Lemke in den Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) berufen worden. Sie vertritt dort die Fachgebiete Umwelt und Gesundheit, Chemie sowie Toxikologie.

    Nikolaus Marsch, Professor für Deutsches und Europäisches Öffentliches Recht und Rechtsvergleichung an der Universität des Saarlandes, hat den Ko-Vorsitz der Arbeitsgruppe “Grenzraum-Check” des deutsch-französischen Ausschusses für grenzüberschreitende Zusammenarbeit übernommen. Die Arbeitsgruppe soll deutschen und französischen Ministerien künftig schon vor der Verabschiedung neuer Gesetze helfen zu überprüfen, ob sich diese nachteilig in der Grenzregion auswirken könnten.

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    Mehr von Table.Media

    Bildung.Table. Digitalpakt II: Länder setzen Bildungsministerin Stark-Watzinger eine Frist bis Ende der Woche. Die Aufstellung für den Haushalt 2025 rückt näher. Damit wird auch die Frage nach der Zukunft des Digitalpakts immer drängender. Die Länder wollen das BMBF jetzt mit klaren Zeitvorgaben in die Pflicht nehmen. Mehr

    Climate.Table. Taskforce bereitet Konzepte für globale Klimasteuern vor. Eine Koalition aus Vorreiterstaaten beginnt auf der Weltbankkonferenz ein ehrgeiziges Projekt: 2025 soll auf der COP30 eine globale Klimasteuer beschlossen werden. Abgaben aus Finanzspekulationen, fossilen Energien, Flügen oder Schiffsverkehr könnten Milliarden für den Klimaschutz einbringen. Mehr

    China.Table. ZF-Friedrichshafen verringert Risiken – doch anders als von Bundesregierung erhofft. Entgegen aller geopolitischen Bedenken der Bundesregierung interpretieren viele Unternehmen De-Risking, indem sie ihr China-Geschäft ausweiten. Sie versuchen dadurch, dieses wetterfest zu machen. So auch der Autozulieferer ZF Friedrichshafen. In Deutschland will das Unternehmen derweil Stellen streichen. Mehr

    Dessert

    Künstlerische Darstellung eines angeschwemmten Ichthyotitan severnensis-Kadavers am Strand.

    “Jugend forscht” ist ganz gut, “Jugend publiziert” noch viel besser. Pionierin und Paradebeispiel für derlei Talentförderung ist die junge Britin Ruby Reynolds. Vor vier Jahren entdeckte die damals Elfjährige am Strand von Blue Anchor in Somerset einen großen alten Knochen. Sie hatte im Mündungsbereich des Flusses Severn zusammen mit ihrem Vater Justin nach Fossilien gesucht. Die beiden erkannten, dass es sich um ein Fragment aus dem Kiefer eines riesigen Meeresreptils handeln musste. Sie fanden sogar heraus, dass es einem anderen Fund ähnelte, ein Ichthyosaurier, der 2018 beschrieben worden war.

    Rubys erste wissenschaftliche Publikation

    Den Ichthyosaurier-Experten Dean Lomax von der University of Manchester beeindruckte das so sehr, dass er Ruby und ihren Vater in das Forschungsteam einlud, das den Fund beschreiben sollte. Ruby half auch bei der Benennung: Ichthyotitan severnensis, gigantische Fischechse vom Severn, heißt er. Am Mittwoch ist die Arbeit im Fachjournal Plos One erschienen. Darin ist zu erfahren, dass das Tier so groß wie ein Blauwal war, allein seine Unterkieferknochen hatten vermutlich eine Länge von mehr als zwei Metern. Das Reptil lebte in der Trias, also vor mehr als 200 Millionen Jahren.

    Ruby und Justin Reynolds zählen zu den insgesamt sechs Autoren des Papers. Die erste wissenschaftliche Publikation wäre also abgehakt, Rubys Weg in die Paläontologie ist geebnet. Ein Hoch auf Vater Justin! Und auf Dr. Dean Lomax, der übrigens ein akademischer Quereinsteiger ist, weil seine Schulnoten nicht für einen höheren Abschluss reichten. Anne Brüning mit dpa

    Research.Table Redaktion

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