Table.Briefing: Research

Hörsaal-Besetzung: Stark-Watzinger kritisiert FU + Showdown im Impfstoff-Patentstreit

Liebe Leserin, lieber Leser,

an der Freien Universität Berlin sei kein Platz für Antisemitismus, Rassismus und jegliche andere Form von Diskriminierung. Dies teilte die FU nach der Hörsaalbesetzung durch pro-palästinensische Aktivisten am vergangenen Donnerstag mit. Nachdem die Demonstranten der Aufforderung, den Hörsaal zu verlassen, nicht nachgekommen waren, habe man mithilfe der Polizei die Räumung veranlasst, was gegen 18 Uhr erfolgt sei.

Die Debatte, ob die FU Berlin nicht dennoch schneller, härter, entschlossener oder konsequenter hätte reagieren müssen – und überhaupt – wie Hochschulen mit derartigen Protesten umgehen sollen, reißt auch von politischer Seite nicht ab. Bettina Stark-Watzinger etwa erklärte, sie “erwarte hohe Sensibilität und Konsequenz von der Hochschulleitung”. Gegenüber Table.Media widerspricht FU-Präsident Günter M. Ziegler der Kritik der Forschungsministerin.

Der Patentstreit zwischen Impfstoffentwickler Biontech und seinem Wettbewerber Curevac könnte sich noch vor Weihnachten ein Stück weit klären. Das Bundespatentgericht verhandelt am heutigen Dienstag, ob ein Patent von Curevac für die Entwicklung von mRNA-Impfstoffen bestehen bleibt. “Wir werden unsere Innovationen weiterhin entschieden gegen alle Vorwürfe der Patentverletzung verteidigen”, sagte eine Biontech-Sprecherin. Unser Autor Rainer Kurlemann hat den Stand der wichtigen Verhandlungen vor dem Bundespatentgericht für Sie zusammengefasst. Wie es dann weitergeht in München lesen Sie bei uns.

Wir wünschen Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre,

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Nicola Kuhrt
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Analyse

Hörsaal-Besetzung: Forschungsministerin bemängelt Krisenmanagement – FU-Präsident weist Kritik zurück

Die mehrstündige Hörsaalblockade pro-palästinensischer Aktivisten am vergangenen Donnerstag an der Freien Universität (FU) Berlin hat viel Aufmerksamkeit erregt. Diskutiert wird in der Folge zum einen, ob die Universitätsleitung schnell und beherzt genug reagiert hat. Zum anderen kommen aus der Politik Forderungen, den Aktivisten Hausverbot zu erteilen oder sie zu exmatrikulieren.

Die Besetzung des Hörsaals hatte am Vormittag um halb zwölf begonnen, teilte die FU mit. Nachdem die Aktivisten der Aufforderung, den Hörsaal bis 16 Uhr zu verlassen, nicht nachgekommen waren, habe man Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs gestellt und mithilfe der Polizei die Räumung veranlasst. Gegen 18 Uhr sei der Hörsaal geräumt gewesen.

Die zuständige Berliner Wissenschaftssenatorin äußerte sich zufrieden. “Ich danke der Leitung der FU-Berlin, insbesondere dem Präsidenten Ziegler, für sein konsequentes Durchgreifen und Durchsetzen des Hausrechts und der damit verbundenen Räumung des Hörsaals”, teilte Ina Czyborra (SPD) am Freitag mit.

Stark-Watzinger fordert Sensibilität und Konsequenz

Aus Sicht jüdischer und proisraelischer Studenten jedoch ließ die Universität die Aktivisten zu lange gewähren, berichtet die Welt. Tim Gräfe von der Gruppe “Fridays for Israel” kritisierte im Gespräch mit der Zeitung, dass sich Unipräsident Günter Ziegler anfangs auf eine Haltung des Neutralitätsgebots zurückgezogen habe.

Unzufrieden mit dem Krisenmanagement der FU Berlin ist offensichtlich auch die Bundesministerin für Bildung und Forschung. Die Besetzung des Hörsaals mache sie fassungslos, teilte Bettina Stark-Watzinger in einer ersten Reaktion am Donnerstagnachmittag auf der Plattform X mit. Die Hochschulleitung müsse konsequent dagegen vorgehen und dem ein Ende setzen.

Am Wochenende, kurz bevor sie mit Vertretern der Kultusministerkonferenz zu einer Israelreise aufbrach, legte sie nach und betonte, sie “erwarte hohe Sensibilität und Konsequenz von der Hochschulleitung”. Sie verwies darauf, dass es nicht der erste derartige Vorfall an der FU Berlin sei. “Wir dürfen nicht zulassen, dass jüdischen Studierenden der Zugang zu Hörsälen verwehrt wird, sie Anfeindungen oder gar Gewalt ausgesetzt sind.” Wo rechtlich möglich, dürfe die Exmatrikulation in besonders schweren Fällen nicht ausgeschlossen sein.

FU-Präsident Ziegler weist Kritik zurück

FU-Präsident Günter M. Ziegler weist die Kritik der Ministerin zurück. Sie dürfe bei Antisemitismus höchste Sensibilität von der Hochschulleitung erwarten und auch Konsequenz beobachten. Es habe keinen weiteren derartigen Vorfall an der FU gegeben. Demonstrationen vor der Uni seien etwas anderes. In seiner Amtszeit habe es keine Hörsaalräumung gegeben, und noch nie sei ein Hörsaal an der FU so früh geräumt worden.

Während der Besetzung seien Bilder in den Sozialen Medien geteilt worden, die eine Diskriminierung von jüdischen Studenten implizierten, die so nicht stattgefunden hat, erklärt Ziegler. Darauf beziehe sich wahrscheinlich die Ministerin – doch “dies ist völlig unangemessen”.  

Exmatrikulation in Berlin nicht möglich

Auch Alexander Throm (CDU), innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, hatte die Prüfung von Schritten wie Hausverboten oder Exmatrikulation ins Spiel gebracht. Ebenso Ria Schröder, bildungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion: Es brauche nun “hartes Durchgreifen” statt “Lippenbekenntnissen”. Studenten und Mitarbeiter, die Israels Existenzrecht nicht anerkennen und Juden beschimpfen, müssten “Konsequenzen spüren bis zu Exmatrikulation und Kündigung”.

Doch vor allem die harte Konsequenz der Exmatrikulation ist in Berlin nicht mehr möglich. Darauf weist auch die FU Berlin hin: “Das sogenannte Ordnungsrecht der Hochschulen, das als weitreichendste Maßnahme auch die Exmatrikulation ermöglichte, wurde durch Änderung des Berliner Hochschulgesetzes im Jahr 2021 abgeschafft. Somit ist eine Exmatrikulation schon formal nicht möglich.” Maßnahmen wie Hausverbote könnten zur Sicherstellung eines geordneten Hochschulbetriebs mit einer Dauer von höchstens drei Monaten getroffen werden. Diese Maßnahmen würden selbstverständlich geprüft.

Antisemitische Vorfälle auch an anderen Hochschulen

Ist Berlin in dieser Hinsicht ein Sonderfall? Detaillierten Überblick über die ordnungsrechtlichen Möglichkeiten in anderen Bundesländern hat auch die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) nicht. “Dies liegt unter anderem daran, dass auch auf untergesetzlicher Ebene, zum Beispiel der des Hausrechts der einzelnen Hochschule, Maßnahmen ergriffen werden können”, sagt ein HRK-Sprecher auf Anfrage von Table.Media. Und er ergänzt: Wenn das Strafrecht konsequent bei Antisemitismus zur Anwendung komme, sei auch kein gesondertes Disziplinarrecht der Hochschulen notwendig.

Die HRK hatte bereits Mitte November in einer Stellungnahme entschiedenes Eintreten gegen Antisemitismus an Hochschulen angemahnt. Sie hatte darin auch angekündigt, den Austausch über geeignete Maßnahmen gegen Antisemitismus entschlossener fortzusetzen. Nicht nur die Geschehnisse in Berlin zeigen, wie akut das Problem ist. Der HRK liegen Informationen über unterschiedliche Vorfälle – antisemitische Schmierereien und Kundgebungen auf dem Campus, verbale Diffamierungen, körperliche Attacken oder ähnliches – an Hochschulen vor.

Seit dem terroristischen Überfall der Hamas auf Israel habe der Monitoringbericht der Recherche und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) bundesweit knapp 1.000 antisemitische Vorfälle erfasst – 37 davon an Hochschulen, teilt ein HRK-Sprecher mit. “Die Hochschulen als Teil der Gesellschaft sind leider von dieser Entwicklung betroffen wie andere Bereiche, und sie gehen mit Entschlossenheit dagegen vor.”

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Entscheidung des Bundespatentgerichts: Rückschlag für Curevac im Streit mit Biontech

Streit um Patente für mRNA-Impfstoffe: Biontech hatte in einem ersten Prozess Erfolg damit, ein Patent des Konkurrenten Curevac für nichtig erklären zu lassen.

Der Tübinger Impfstoffentwickler Curevac muss im Patentstreit mit dem Mainzer Mitbewerber Biontech einen ersten Rückschlag hinnehmen. Der 3. Senat des Bundespatentgerichts in München hat ein bisher von Curevac gehaltenes Patent für nichtig erklärt. Eine Begründung für die Entscheidung gibt es bisher nicht. Das Tübinger Unternehmen kündigte umgehend an, dass es Berufung gegen die Entscheidung einlegen werde. Damit wird der Patentstreit an die nächsthöhere Instanz überwiesen.  

Konkurrent Biontech hat bisher sein Ziel erreicht. Das Unternehmen wollte das im Jahr 2010 erteilte Patent EP 1 857 122 für ungültig erklären lassen. Biontech sei der Auffassung, dass das Patent nicht hätte erteilt werden dürfen, da der zugrundeliegende Gegenstand nicht neu sei, zumindest aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe und das Streitpatent die vermeintliche Erfindung nicht ausführbar offenbare, erklärte der 3. Senat des Münchener Gerichts vorab.

Curevac hat Biontech vorgeworfen, im Rahmen der Entwicklung seines Corona-Impfstoffs Comirnaty einige seiner Patente und Gebrauchsmuster verletzt zu haben. Das Unternehmen reichte im Juni 2022 Klage bei der Patentkammer am Landgericht Düsseldorf ein. Ist das Verfahren erfolgreich, so können sich daraus Ansprüche auf Schadensersatz in Milliardenhöhe ergeben.

Mit einer Nichtigkeitsklage hatte Biontech schon einmal Erfolg

Die heutige Verhandlung in München ist typisch für den Ablauf von Patentverfahren. Wenn eine Partei der anderen eine Patentverletzung vorwirft, reagiert die Gegenpartei häufig mit einer Nichtigkeitsklage. Dieses Rechtsmittel stellt infrage, ob das Schutzrecht überhaupt hätte erteilt werden dürfen. Zuständig sind andere Gerichte als bei der Verletzungsklage, nämlich die Kammern der Patentämter. Da das Patent für nichtig erklärt wurde, wird die Patentkammer in Düsseldorf ein für den 28. Dezember angesetztes Verfahren wohl absagen.

Biontech hatte mit dieser Strategie vor drei Wochen in einem anderen Patentstreit mit dem US-amerikanischen Mitbewerber Moderna einen ersten Erfolg. Das Europäische Patentamt hat am 21. November ein Moderna-Patent für ungültig erklärt. Damit wird eine Klage über die Verletzung dieses Patents gegenstandslos, auch Moderna will diese erstinstanzliche Entscheidung aber anfechten.

Biontech: “Wir werden unsere Innovationen weiterhin entschieden verteidigen”

Biontech sei sich bewusst, dass “es nicht ungewöhnlich ist, dass andere Unternehmen der pharmazeutischen Industrie behaupten, dass ein erfolgreiches Medikament möglicherweise ihre geistigen Eigentumsrechte verletzen könnte”, heißt es aus dem Unternehmen. Nicht nur in Europa, auch in den USA laufen entsprechende Klagen. “Wir werden unsere Innovationen weiterhin entschieden gegen alle Vorwürfe der Patentverletzung verteidigen”, sagte eine Biontech-Sprecherin auf Anfrage von Table.Media vor der Verhandlung.

Curevac erklärte nach dem Urteil, man werde die anderen Verfahren zu den sieben verbliebenen Schutzrechten fort­setzen. “Wir bedauern die Entscheidung des Patentgerichts”, sagte Alexander Zehnder. “Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass wir als Pioniere der mRNA-Technologie und durch unsere andauernde Innovation auf diesem Gebiet einen wesentlichen Beitrag zu sicheren und wirksamen COVID-19-Impfstoffen geleistet haben”, so der Vorstandsvorsitzender von CureVac.

Im Streit von Curevac mit Biontech geht es um die Verletzung von zwei Patenten und mindestens sechs Gebrauchsmustern. Biontech hat im April 2023 auch gegen das zweite Curevac-Patent (EP 3 708 668) Einspruch eingelegt und schon zuvor Anträge auf Löschung der beklagten Gebrauchsmuster gestellt. Über dieses Patent wird nicht am Bundespatentgericht, sondern am Europäischen Patentamt verhandelt. Die Düsseldorfer Patentkammer hat aber diesen Teil des Verfahrens bereits im August mit einer öffentlichen Anhörung begonnen. Ende September gab die Richterin bekannt, dass sie das Verfahren aussetzen werde, bis die zuständigen Ämter über die Gültigkeit der Schutzrechte entschieden hätten.

Die strittigen Patente sind von 2002 und 2015

Aus wissenschaftlicher Sicht sind die beiden strittigen Patente ganz unterschiedlich angesiedelt. Das heute verhandelte Patent EP 1 857 122 wurde schon 2002 angemeldet. Es stammt aus einer Zeit, als längst noch nicht klar war, ob die mRNA-Technologie überhaupt anwendbar sein würde. Damals forschten viele Wissenschaftler mit nur geringen Fortschritten an der Idee, kleine Bruchstücke des Erbguts (mRNA) in Zellen einzuschleusen, um die Produktion spezieller Proteine anzuregen. Erst 2005 zeigten Publikationen von Katalin Karikó and Drew Weissman einen Weg auf, der zur Entwicklung der heute bekannten Impfstoffe und Tumor-Medikamente führte. Etwas später gelang diesen beiden Forschern schließlich der Durchbruch, der ihnen dieses Jahr den Medizin-Nobelpreis einbrachte. Das Patent EP 3 708 668 wurde 2015 angemeldet, als die Erfolge von Karikó and Weissman bereits anerkannt waren.

Die Entscheidungen in Patentstreitigkeiten der Biotechnologie fallen häufig nicht leicht. Bis zu einem fertigen Produkt sind meistens Tausende einzelne Schritte zu gehen, die oft nicht als eigenständige unabhängige Erfindungen gelten, sondern in ein Geflecht eingebettet sind, das wiederum teilweise schon mit Patenten oder Lizenzen abgesichert ist. Von Karikó and Weissman ist bekannt, dass sie für die Nutzung ihrer Forschungsergebnisse schon früh Lizenzen angeboten haben. Wenn neben Industrieunternehmen auch noch Universitäten beteiligt sind, deren Wissenschaftler häufig lizenzbefreit forschen dürfen, wird es noch komplizierter, zu bestimmen, wem eine Erfindung zugerechnet werden darf. Zudem muss ein Patent eine klare Formulierung enthalten, was genau damit geschützt werden soll, damit ein Verstoß erkennbar ist.

Patentstreit um Genschere führte zu kuriosen Ergebnissen

Zu welchen kuriosen Ergebnissen ein Patentstreit führen kann, zeigt ein anderes aktuelles Beispiel der Biotechnologie: die Genschere Crispr/Cas. Für Crispr/Cas-Entwicklungen und -Anwendungen wurden seit 2012 einige hundert Patente erteilt. Die wichtigsten Patente liegen aber nicht bei Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna, die für die Genschere den Nobelpreis erhalten haben. Sie wurden ihren wissenschaftlichen Konkurrenten und dem Unternehmen Editas zugesprochen. Der Streit vor Gericht geht noch weiter, aber Editas hat sich bereits mit einem Unternehmen außergerichtlich auf Entschädigungszahlungen geeinigt, das mithilfe von Crispr/Cas die erste Gentherapie auf den Markt gebracht hat.

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Termine

16. Januar, 19:30 bis 21 Uhr, online via Zoom
Online-Diskussion “acatech am Dienstag” Fusionsenergie – Chancen, Herausforderungen, Zeithorizonte Mehr

18. Januar 2024, 9 bis 17.30 Uhr, Audimax der THB, Magdeburger Straße 50, Brandenburg an der Havel
16. Security Forum der Technische Hochschule Brandenburg (THB) “Metaverse und Security” Mehr

20. Januar 2024, 18 Uhr, Akademiegebäude am Gendarmenmarkt, Markgrafenstr. 38, Berlin
Salon der BBAW Salon Sophie Charlotte 2024: Zeit Mehr

News

Bundesregierung enttäuscht Entscheider bei Digitalisierung

Die Entscheider in Deutschland erwarten von der Bundesregierung in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode besondere Anstrengungen in der Digitalpolitik – attestieren ihr aber zugleich kaum ausreichende Expertise dafür. Ähnlich hohe Erwartungen haben sie an die Energie- und Klimapolitik. Hier sprechen sie ihr allerdings die höchste Kompetenz zu und rechnen auch mit einer tatsächlichen Umsetzung.

Das geht aus einer exklusiven Umfrage von Table.Media hervor, an der über 3.000 hochrangige Interessensvertreter teilgenommen haben. Sie sind im Transparenzregister des Deutschen Bundestags registriert und kommen zum überwiegenden Teil aus Unternehmen, Verbänden sowie Nichtregierungsorganisationen oder aus der Wissenschaft und der Verwaltung. Sie verteilen sich auf Branchen wie den Automobil- oder Energiesektor, die Bau- oder Digitalwirtschaft sowie Gewerkschaften und Umweltverbände.

Für knapp 82 Prozent der Befragten haben besondere Anstrengungen der Bundesregierung bei der Klima- und Energiepolitik eine eher hohe oder sogar hohe Bedeutung. Rund 85 Prozent gehen auch davon aus, dass es in den nächsten zwei Jahren tatsächlich zu einer Schwerpunktsetzung in der Energiepolitik kommen wird. Doch nur knapp 20 Prozent prognostizieren dies für die KI- und Datenpolitik.

Generell sprechen die Entscheiderinnen und Entscheider der Bundesregierung eher mittelmäßige Noten aus. Aber: Den vergleichsweise besten Wert erreicht die Ampel bei der Kompetenz in der Klima- und Energiepolitik. Hier wird ihr immerhin von rund 37 Prozent der Befragten eine hohe oder eher hohe Lösungskompetenz zugestanden. Beim Digitalausbau sind das gerade einmal noch 7,4 Prozent insgesamt. Eine hohe Kompetenz sehen sogar nur 0,6 Prozent.

Konkret schlägt sich diese Einschätzung zudem nieder in einem Lob für die Arbeit des Bundesministers für Wirtschaft und Klima, Robert Habeck, sowie deutlicher Kritik am Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Volker Wissing. Der Grünen-Politiker hat – trotz der Debatte über das Heizungsgesetz und die sogenannte Trauzeugenaffäre seines ehemaligen Staatssekretärs Patrick Graichen – die Erwartungen an seine Leistung in der ersten Hälfte der Legislaturperiode von rund 42 Prozent übertroffen oder eher übertroffen.

Bei der Frage, welche Bundesministerien durch besonders große Professionalität in der Sacharbeit auffallen, führt Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) die Liste an.

Die Opposition in Deutschland sehen die Befragten personell aktuell weniger gut aufgestellt: Lediglich knapp 13 Prozent halten es für wirklich realistisch, dass die Union mit dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz an der nächsten Bundesregierung beteiligt sein wird. red

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CHE-Erhebung: Mindestlohn für Studierende bedeutender als BAföG

Die wirksamste Maßnahme zur Verbesserung von Studienbedingungen in Deutschland ist die Anhebung des Mindestlohns. Diese Schlussfolgerung ziehen Experten des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) aus den neuesten Daten ihrer Publikation “Check – Studienfinanzierung in Deutschland”. “Die politische Maßnahme, von der Studierende in den vergangenen Jahren am meisten finanziell profitiert haben, kam nicht aus dem BMBF, sondern aus dem Arbeitsministerium: Die Anhebung des Mindestlohnes auf 12 Euro im Oktober 2022”, sagt Ulrich Müller, Leiter politische Analysen beim CHE.

Familie und Nebenerwerb sind laut aktueller Daten der Sozialerhebung die wichtigsten beiden Einnahmequellen im Studium. Neun von zehn Studierenden in Deutschland werden durch ihre Eltern finanziell unterstützt, mehr als zwei Drittel arbeiten neben dem Studium. Somit dürften sich Verbesserungen beim Lohn wesentlich stärker auswirken als Erhöhungen bei staatlichen Unterstützungsangeboten. Hierzu zählen das BAföG, das nur etwas mehr als zehn Prozent der Studierenden nutzen sowie staatlich initiierte Studienkredite sowie Stipendien (Deutschlandstipendium, Aufstiegsstipendium, Stipendien der Begabtenförderwerke), die gemeinsam auf nicht einmal fünf Prozent der Mittel kommen.

So griffen bundesweit im Jahr 2022 maximal 16,2 Prozent aller Studierenden auf eines der staatlichen Unterstützungsangebote zurück. Da eine Doppelförderung bei einigen Angeboten möglich ist, dürfte der Anteil faktisch noch niedriger liegen. Eine differenzierte Auswertung auf regionaler Ebene zeigt große Unterschiede bei den Bundesländern. In Thüringen nutzt nur rund jeder achte Studierende ein staatliches Finanzierungsangebot. Sachsen dagegen weist mit 23,7 Prozent die höchsten Quoten im Ländervergleich auf – fast jeder Vierte nutzt ein staatliches Finanzierungsangebot.

CHE schlägt flexible Bundesstudienförderung vor

“Die Erhebung zeigen den dringenden Reformbedarf in diesem Bereich”, sagt Ulrich Müller. Die Verzögerungen bei der BAföG-Reform sowie die aktuell unverhältnismäßig hohen Zinsen beim KfW-Studienkredit würden weiter dafür sorgen, dass Studierende zur Finanzierung des Studiums zunehmend auf sich allein gestellt seien. “Wenn wir das System der Studienfinanzierung in Deutschland so lassen, wie es momentan ist, hängt der Studienerfolg zukünftig immer mehr davon ab, ob man reiche Eltern hat oder in einem flexiblen Studiengang eingeschrieben ist, der Nebenjob-kompatibel ist.” 

Müller empfiehlt deshalb, ein zukunftsfähiges System staatlicher Studienfinanzierung zu entwerfen, das bestehende Elemente zu einer umfassenden und in sich flexiblen Bundesstudienförderung bündelt und Finanzierungssicherheit schafft. Zum 1. Januar 2024 steigt der Mindestlohn von 12 auf 12,41 Euro und zum 1. Januar 2025 noch einmal auf 12,82 Euro. tg

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30 Millionen Euro für Zander Labs: KI soll Menschen besser verstehen

Das Cottbuser Start-up Zander Laboratories GmbH will mit einem Forschungsauftrag im Umfang von 30 Millionen Euro die Mensch-Maschine-Interaktion voranbringen. Einen entsprechenden Vertrag hat das Unternehmen in Cottbus mit der Agentur für Innovation in der Cybersicherheit GmbH (Cyberagentur) unterzeichnet. In einem Projekt soll das Start-up – eine Ausgründung der Cottbuser Uni – bereits in vier Jahren Prototypen entwickeln.

Das Projekt “Neuroadaptivität für autonome Systeme” (NAFAS) will nach eigenen Angaben Maschinen erschaffen, die Hirnaktivitäten des Menschen auslesen und interpretieren können. Hintergrund der Forschung ist es, KI-Fähigkeiten derartig zu verbessern, dass menschliche Emotionen und Entscheidungsfindung genauer interpretiert werden. Hier haben autonome Systeme bislang große Schwierigkeiten. Torsten Zander, Geschäftsführer von Zander Labs, sagte, er habe dazu bereits 20 Jahre an der Brandenburgischen-Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) geforscht. Die Förderung gebe ihm nun die Möglichkeit, diese Forschungen umzusetzen. Zander ist Professor für Neuroadaptive Mensch-Technik-Interaktion.

Bislang größte Einzelförderung der Cyberagentur

Das Projekt habe das Potenzial, “neue wissenschaftliche Standards in den Neurowissenschaften zu setzen”, sagte Andreas Schönau, stellvertretender Projektleiter bei der Cyberagentur. Die Agentur mit Sitz in Halle ist dem Verteidigungs- sowie dem Bundesinnenministerium zugeordnet. Sie hat vom Bundestag ein Gesamtbudget in Höhe von 240 Millionen Euro bewilligt bekommen. Mit dem Auftrag vergibt die Cyberagentur nach eigenen Angaben die größte Einzelfinanzierung eines Forschungsprojektes in der EU.

Brandenburgs Wissenschaftsministerin Manja Schüle sieht einen großen Schub für Wissenschaft und Forschung in der Lausitz. An dem Projekt sind neben der Universität und dem Unternehmen Zander Labs auch die Fraunhofer-Institute für Photonische Mikrosysteme (IPMS) und für Digitale Medientechnologie (IDMT) und weitere Projekt- und Forschungspartner beteiligt. tg mit dpa

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Studie: Studierende aus dem Ausland bei Bafög im Nachteil

Seit Anfang der Neunzigerjahre haben Studierende, die im Ausland einen berufsqualifizierenden Abschluss erworben haben, in Deutschland im Regelfall keinen Anspruch auf Bafög. Betroffene und Fachleute kritisieren diesen Umstand schon seit längerer Zeit, er trage nicht unbedingt zum Image Deutschlands als Einwanderungsland bei. Sozialforscher Matthias Knuth, der sich eingehend mit dem Thema beschäftigt hat, plädiert nun für eine Reform.

Sie sei “unter Gesichtspunkten der Gleichbehandlung, der Integration und der Fachkräftesicherung” dringend nötig. Sie sollte laut Knuth auch den Wechsel eines Fachs umfassen, da ausländische Studierende im Vergleich zu heimischen Studierenden hier benachteiligt würden. Die Leistungen werden seitens des Staates nämlich nur weitergezahlt, wenn für den Wechsel ein “wichtiger oder unabweisbarer Grund” besteht. Gleiches gilt für den Abbruch der vorherigen Ausbildung, was nach einem Umzug aus dem Ausland nach Deutschland nicht selten der Fall ist.

Ausländer waren beim Bafög nicht immer benachteiligt

Knuths Forschung fördert jetzt zutage, wie es in den Neunzigerjahren zu der entsprechenden Änderung im Gesetz kam. Anhand von Unterlagen, die nach Ablauf der 30-jährigen Schutzfrist verfügbar wurden, hat er gezeigt, dass Beamte aus Bund und Ländern die Änderung über den Bundesrat lancierten. Laut seiner Analyse für das Deutsche Institut für Interdisziplinäre Sozialpolitikforschung (Difis), die am gestrigen Montag veröffentlicht wurde, trugen dabei nicht zuletzt Falschbehauptungen zur Gesetzesänderung bei.

Bundestag und Bundesrat hatten sich bei der Gesetzesbegründung auf Beratungen eines Gremiums berufen, das 1985 vom Bundesbildungsministerium eingesetzt worden war. In seiner Analyse kommt der Sozialforscher Knuth zu dem Schluss, dass dessen Ergebnisse wider besseres Wissen ausgelegt wurden “als Empfehlung für eine Änderung, die auf den Ausschluss von Bildungsausländer*innen mit ausländischem Abschluss” zielte. Okan Bellikli

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Personalien

Stefan Wesner ist neuer Vorstandsvorsitzender des Deutschen Forschungsnetzes (DFN). Wesner ist Direktor des IT Center Cologne (ITCC) und Professor für Parallele und Verteilte Systeme an der Universität zu Köln. Als stellvertretender Vorstandsvorsitzender neu ernannt wurde Helmut Reiser, stellvertretender Leiter des Leibniz-Rechenzentrums der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Als Stellvertreter erneut bestätigt wurde Christian Zens, Kanzler der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Das Wissenschaftsnetz X-WiN des DFN verbindet Hochschulen, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen sowie forschungsnahe Wirtschaftsunternehmen in ganz Deutschland, die Mitglied des DFN-Vereins sind.

Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

Geburtstage

26. Dezember 2023

Kai Gehring (Grüne), MdB und Vorsitzender des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, 45

29. Dezember 2023

Judith Pirscher, Staatssekretärin im BMBF, 55

4. Januar 2024

Wolfgang Tiefensee (SPD), Minister für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft in Thüringen, 68

5. Januar 2024

Clemens Hoch (SPD), Minister für Wissenschaft und Gesundheit in Rheinland-Pfalz, 45

8. Januar 2024

Roland Philippi, Abteilungsleiter “Grundsatzfragen und Strategien; Koordinierung” im BMBF, 41

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Agrifood.Table. Bauernproteste gefährden Kompromiss im Haushaltsstreit. Aus Protest gegen die Streichung der Agrardieselsubventionen gehen Landwirte auf die Straße und klagen über finanzielle Belastungen. Unterstützung finden sie bei Cem Özdemir, der vor der Überforderung der Bauern warnt. Sein Parteikollege Robert Habeck warnt hingegen, den Kompromiss der Koalitionsspitzen zum Sparpaket aufzukündigen. Mehr

Dessert

Ein dritter Arm benötigt? Mit einer Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine ist das prinzipiell möglich. Das Foto zeigt eine virtuelle Vorübung.

XRA heißt der zusätzliche Roboterarm, den ein Forscherteam um Giulia Dominijanni von der Ecole Polytechnique Federale de Lausanne kürzlich im Magazin Science Robotics vorgestellt hat. Und wie könnte es anders sein: Das Redaktionsteam des Research.Table ist angetan von dieser Erfindung und beantragt beschleunigte Entwicklung und Marktreife.

Denn mit drei Händen zu arbeiten, bietet ganz neue Möglichkeiten. Wir könnten in die Tasten hauen, bis jedem schwindlig wird, der zusieht. In Phasen des Hungers würde der Roboarm das Essen während der Texteingabe entscheidend erleichtern. Und fürs Tippen von Nachrichten am Smartphone erscheint uns ein XRA ebenfalls erstrebenswert. Denn der dritte Arm nimmt die Evolution des Homo iphonensis vorweg: Seine Hand verfügt über sechs Finger, zwei davon sind Daumen.

Gesteuert wird der dritte Arm übrigens per Blick und Zwerchfellbewegung des Benutzers. In den ersten Tests mit einer vereinfachten realen Version sowie einer virtuellen konnten die Probanden normal sprechen und woanders hinschauen, während sie den Arm dirigierten. In der Publikation ist von klinischen und industriellen Anwendungen die Rede. Wir sehen viel breitere Möglichkeiten und sagen: Her mit dem Ding! Anne Brüning

Research.Table Redaktion

RESEARCH.TABLE REDAKTION

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    an der Freien Universität Berlin sei kein Platz für Antisemitismus, Rassismus und jegliche andere Form von Diskriminierung. Dies teilte die FU nach der Hörsaalbesetzung durch pro-palästinensische Aktivisten am vergangenen Donnerstag mit. Nachdem die Demonstranten der Aufforderung, den Hörsaal zu verlassen, nicht nachgekommen waren, habe man mithilfe der Polizei die Räumung veranlasst, was gegen 18 Uhr erfolgt sei.

    Die Debatte, ob die FU Berlin nicht dennoch schneller, härter, entschlossener oder konsequenter hätte reagieren müssen – und überhaupt – wie Hochschulen mit derartigen Protesten umgehen sollen, reißt auch von politischer Seite nicht ab. Bettina Stark-Watzinger etwa erklärte, sie “erwarte hohe Sensibilität und Konsequenz von der Hochschulleitung”. Gegenüber Table.Media widerspricht FU-Präsident Günter M. Ziegler der Kritik der Forschungsministerin.

    Der Patentstreit zwischen Impfstoffentwickler Biontech und seinem Wettbewerber Curevac könnte sich noch vor Weihnachten ein Stück weit klären. Das Bundespatentgericht verhandelt am heutigen Dienstag, ob ein Patent von Curevac für die Entwicklung von mRNA-Impfstoffen bestehen bleibt. “Wir werden unsere Innovationen weiterhin entschieden gegen alle Vorwürfe der Patentverletzung verteidigen”, sagte eine Biontech-Sprecherin. Unser Autor Rainer Kurlemann hat den Stand der wichtigen Verhandlungen vor dem Bundespatentgericht für Sie zusammengefasst. Wie es dann weitergeht in München lesen Sie bei uns.

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    Nicola Kuhrt
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    Hörsaal-Besetzung: Forschungsministerin bemängelt Krisenmanagement – FU-Präsident weist Kritik zurück

    Die mehrstündige Hörsaalblockade pro-palästinensischer Aktivisten am vergangenen Donnerstag an der Freien Universität (FU) Berlin hat viel Aufmerksamkeit erregt. Diskutiert wird in der Folge zum einen, ob die Universitätsleitung schnell und beherzt genug reagiert hat. Zum anderen kommen aus der Politik Forderungen, den Aktivisten Hausverbot zu erteilen oder sie zu exmatrikulieren.

    Die Besetzung des Hörsaals hatte am Vormittag um halb zwölf begonnen, teilte die FU mit. Nachdem die Aktivisten der Aufforderung, den Hörsaal bis 16 Uhr zu verlassen, nicht nachgekommen waren, habe man Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs gestellt und mithilfe der Polizei die Räumung veranlasst. Gegen 18 Uhr sei der Hörsaal geräumt gewesen.

    Die zuständige Berliner Wissenschaftssenatorin äußerte sich zufrieden. “Ich danke der Leitung der FU-Berlin, insbesondere dem Präsidenten Ziegler, für sein konsequentes Durchgreifen und Durchsetzen des Hausrechts und der damit verbundenen Räumung des Hörsaals”, teilte Ina Czyborra (SPD) am Freitag mit.

    Stark-Watzinger fordert Sensibilität und Konsequenz

    Aus Sicht jüdischer und proisraelischer Studenten jedoch ließ die Universität die Aktivisten zu lange gewähren, berichtet die Welt. Tim Gräfe von der Gruppe “Fridays for Israel” kritisierte im Gespräch mit der Zeitung, dass sich Unipräsident Günter Ziegler anfangs auf eine Haltung des Neutralitätsgebots zurückgezogen habe.

    Unzufrieden mit dem Krisenmanagement der FU Berlin ist offensichtlich auch die Bundesministerin für Bildung und Forschung. Die Besetzung des Hörsaals mache sie fassungslos, teilte Bettina Stark-Watzinger in einer ersten Reaktion am Donnerstagnachmittag auf der Plattform X mit. Die Hochschulleitung müsse konsequent dagegen vorgehen und dem ein Ende setzen.

    Am Wochenende, kurz bevor sie mit Vertretern der Kultusministerkonferenz zu einer Israelreise aufbrach, legte sie nach und betonte, sie “erwarte hohe Sensibilität und Konsequenz von der Hochschulleitung”. Sie verwies darauf, dass es nicht der erste derartige Vorfall an der FU Berlin sei. “Wir dürfen nicht zulassen, dass jüdischen Studierenden der Zugang zu Hörsälen verwehrt wird, sie Anfeindungen oder gar Gewalt ausgesetzt sind.” Wo rechtlich möglich, dürfe die Exmatrikulation in besonders schweren Fällen nicht ausgeschlossen sein.

    FU-Präsident Ziegler weist Kritik zurück

    FU-Präsident Günter M. Ziegler weist die Kritik der Ministerin zurück. Sie dürfe bei Antisemitismus höchste Sensibilität von der Hochschulleitung erwarten und auch Konsequenz beobachten. Es habe keinen weiteren derartigen Vorfall an der FU gegeben. Demonstrationen vor der Uni seien etwas anderes. In seiner Amtszeit habe es keine Hörsaalräumung gegeben, und noch nie sei ein Hörsaal an der FU so früh geräumt worden.

    Während der Besetzung seien Bilder in den Sozialen Medien geteilt worden, die eine Diskriminierung von jüdischen Studenten implizierten, die so nicht stattgefunden hat, erklärt Ziegler. Darauf beziehe sich wahrscheinlich die Ministerin – doch “dies ist völlig unangemessen”.  

    Exmatrikulation in Berlin nicht möglich

    Auch Alexander Throm (CDU), innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, hatte die Prüfung von Schritten wie Hausverboten oder Exmatrikulation ins Spiel gebracht. Ebenso Ria Schröder, bildungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion: Es brauche nun “hartes Durchgreifen” statt “Lippenbekenntnissen”. Studenten und Mitarbeiter, die Israels Existenzrecht nicht anerkennen und Juden beschimpfen, müssten “Konsequenzen spüren bis zu Exmatrikulation und Kündigung”.

    Doch vor allem die harte Konsequenz der Exmatrikulation ist in Berlin nicht mehr möglich. Darauf weist auch die FU Berlin hin: “Das sogenannte Ordnungsrecht der Hochschulen, das als weitreichendste Maßnahme auch die Exmatrikulation ermöglichte, wurde durch Änderung des Berliner Hochschulgesetzes im Jahr 2021 abgeschafft. Somit ist eine Exmatrikulation schon formal nicht möglich.” Maßnahmen wie Hausverbote könnten zur Sicherstellung eines geordneten Hochschulbetriebs mit einer Dauer von höchstens drei Monaten getroffen werden. Diese Maßnahmen würden selbstverständlich geprüft.

    Antisemitische Vorfälle auch an anderen Hochschulen

    Ist Berlin in dieser Hinsicht ein Sonderfall? Detaillierten Überblick über die ordnungsrechtlichen Möglichkeiten in anderen Bundesländern hat auch die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) nicht. “Dies liegt unter anderem daran, dass auch auf untergesetzlicher Ebene, zum Beispiel der des Hausrechts der einzelnen Hochschule, Maßnahmen ergriffen werden können”, sagt ein HRK-Sprecher auf Anfrage von Table.Media. Und er ergänzt: Wenn das Strafrecht konsequent bei Antisemitismus zur Anwendung komme, sei auch kein gesondertes Disziplinarrecht der Hochschulen notwendig.

    Die HRK hatte bereits Mitte November in einer Stellungnahme entschiedenes Eintreten gegen Antisemitismus an Hochschulen angemahnt. Sie hatte darin auch angekündigt, den Austausch über geeignete Maßnahmen gegen Antisemitismus entschlossener fortzusetzen. Nicht nur die Geschehnisse in Berlin zeigen, wie akut das Problem ist. Der HRK liegen Informationen über unterschiedliche Vorfälle – antisemitische Schmierereien und Kundgebungen auf dem Campus, verbale Diffamierungen, körperliche Attacken oder ähnliches – an Hochschulen vor.

    Seit dem terroristischen Überfall der Hamas auf Israel habe der Monitoringbericht der Recherche und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) bundesweit knapp 1.000 antisemitische Vorfälle erfasst – 37 davon an Hochschulen, teilt ein HRK-Sprecher mit. “Die Hochschulen als Teil der Gesellschaft sind leider von dieser Entwicklung betroffen wie andere Bereiche, und sie gehen mit Entschlossenheit dagegen vor.”

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    Entscheidung des Bundespatentgerichts: Rückschlag für Curevac im Streit mit Biontech

    Streit um Patente für mRNA-Impfstoffe: Biontech hatte in einem ersten Prozess Erfolg damit, ein Patent des Konkurrenten Curevac für nichtig erklären zu lassen.

    Der Tübinger Impfstoffentwickler Curevac muss im Patentstreit mit dem Mainzer Mitbewerber Biontech einen ersten Rückschlag hinnehmen. Der 3. Senat des Bundespatentgerichts in München hat ein bisher von Curevac gehaltenes Patent für nichtig erklärt. Eine Begründung für die Entscheidung gibt es bisher nicht. Das Tübinger Unternehmen kündigte umgehend an, dass es Berufung gegen die Entscheidung einlegen werde. Damit wird der Patentstreit an die nächsthöhere Instanz überwiesen.  

    Konkurrent Biontech hat bisher sein Ziel erreicht. Das Unternehmen wollte das im Jahr 2010 erteilte Patent EP 1 857 122 für ungültig erklären lassen. Biontech sei der Auffassung, dass das Patent nicht hätte erteilt werden dürfen, da der zugrundeliegende Gegenstand nicht neu sei, zumindest aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe und das Streitpatent die vermeintliche Erfindung nicht ausführbar offenbare, erklärte der 3. Senat des Münchener Gerichts vorab.

    Curevac hat Biontech vorgeworfen, im Rahmen der Entwicklung seines Corona-Impfstoffs Comirnaty einige seiner Patente und Gebrauchsmuster verletzt zu haben. Das Unternehmen reichte im Juni 2022 Klage bei der Patentkammer am Landgericht Düsseldorf ein. Ist das Verfahren erfolgreich, so können sich daraus Ansprüche auf Schadensersatz in Milliardenhöhe ergeben.

    Mit einer Nichtigkeitsklage hatte Biontech schon einmal Erfolg

    Die heutige Verhandlung in München ist typisch für den Ablauf von Patentverfahren. Wenn eine Partei der anderen eine Patentverletzung vorwirft, reagiert die Gegenpartei häufig mit einer Nichtigkeitsklage. Dieses Rechtsmittel stellt infrage, ob das Schutzrecht überhaupt hätte erteilt werden dürfen. Zuständig sind andere Gerichte als bei der Verletzungsklage, nämlich die Kammern der Patentämter. Da das Patent für nichtig erklärt wurde, wird die Patentkammer in Düsseldorf ein für den 28. Dezember angesetztes Verfahren wohl absagen.

    Biontech hatte mit dieser Strategie vor drei Wochen in einem anderen Patentstreit mit dem US-amerikanischen Mitbewerber Moderna einen ersten Erfolg. Das Europäische Patentamt hat am 21. November ein Moderna-Patent für ungültig erklärt. Damit wird eine Klage über die Verletzung dieses Patents gegenstandslos, auch Moderna will diese erstinstanzliche Entscheidung aber anfechten.

    Biontech: “Wir werden unsere Innovationen weiterhin entschieden verteidigen”

    Biontech sei sich bewusst, dass “es nicht ungewöhnlich ist, dass andere Unternehmen der pharmazeutischen Industrie behaupten, dass ein erfolgreiches Medikament möglicherweise ihre geistigen Eigentumsrechte verletzen könnte”, heißt es aus dem Unternehmen. Nicht nur in Europa, auch in den USA laufen entsprechende Klagen. “Wir werden unsere Innovationen weiterhin entschieden gegen alle Vorwürfe der Patentverletzung verteidigen”, sagte eine Biontech-Sprecherin auf Anfrage von Table.Media vor der Verhandlung.

    Curevac erklärte nach dem Urteil, man werde die anderen Verfahren zu den sieben verbliebenen Schutzrechten fort­setzen. “Wir bedauern die Entscheidung des Patentgerichts”, sagte Alexander Zehnder. “Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass wir als Pioniere der mRNA-Technologie und durch unsere andauernde Innovation auf diesem Gebiet einen wesentlichen Beitrag zu sicheren und wirksamen COVID-19-Impfstoffen geleistet haben”, so der Vorstandsvorsitzender von CureVac.

    Im Streit von Curevac mit Biontech geht es um die Verletzung von zwei Patenten und mindestens sechs Gebrauchsmustern. Biontech hat im April 2023 auch gegen das zweite Curevac-Patent (EP 3 708 668) Einspruch eingelegt und schon zuvor Anträge auf Löschung der beklagten Gebrauchsmuster gestellt. Über dieses Patent wird nicht am Bundespatentgericht, sondern am Europäischen Patentamt verhandelt. Die Düsseldorfer Patentkammer hat aber diesen Teil des Verfahrens bereits im August mit einer öffentlichen Anhörung begonnen. Ende September gab die Richterin bekannt, dass sie das Verfahren aussetzen werde, bis die zuständigen Ämter über die Gültigkeit der Schutzrechte entschieden hätten.

    Die strittigen Patente sind von 2002 und 2015

    Aus wissenschaftlicher Sicht sind die beiden strittigen Patente ganz unterschiedlich angesiedelt. Das heute verhandelte Patent EP 1 857 122 wurde schon 2002 angemeldet. Es stammt aus einer Zeit, als längst noch nicht klar war, ob die mRNA-Technologie überhaupt anwendbar sein würde. Damals forschten viele Wissenschaftler mit nur geringen Fortschritten an der Idee, kleine Bruchstücke des Erbguts (mRNA) in Zellen einzuschleusen, um die Produktion spezieller Proteine anzuregen. Erst 2005 zeigten Publikationen von Katalin Karikó and Drew Weissman einen Weg auf, der zur Entwicklung der heute bekannten Impfstoffe und Tumor-Medikamente führte. Etwas später gelang diesen beiden Forschern schließlich der Durchbruch, der ihnen dieses Jahr den Medizin-Nobelpreis einbrachte. Das Patent EP 3 708 668 wurde 2015 angemeldet, als die Erfolge von Karikó and Weissman bereits anerkannt waren.

    Die Entscheidungen in Patentstreitigkeiten der Biotechnologie fallen häufig nicht leicht. Bis zu einem fertigen Produkt sind meistens Tausende einzelne Schritte zu gehen, die oft nicht als eigenständige unabhängige Erfindungen gelten, sondern in ein Geflecht eingebettet sind, das wiederum teilweise schon mit Patenten oder Lizenzen abgesichert ist. Von Karikó and Weissman ist bekannt, dass sie für die Nutzung ihrer Forschungsergebnisse schon früh Lizenzen angeboten haben. Wenn neben Industrieunternehmen auch noch Universitäten beteiligt sind, deren Wissenschaftler häufig lizenzbefreit forschen dürfen, wird es noch komplizierter, zu bestimmen, wem eine Erfindung zugerechnet werden darf. Zudem muss ein Patent eine klare Formulierung enthalten, was genau damit geschützt werden soll, damit ein Verstoß erkennbar ist.

    Patentstreit um Genschere führte zu kuriosen Ergebnissen

    Zu welchen kuriosen Ergebnissen ein Patentstreit führen kann, zeigt ein anderes aktuelles Beispiel der Biotechnologie: die Genschere Crispr/Cas. Für Crispr/Cas-Entwicklungen und -Anwendungen wurden seit 2012 einige hundert Patente erteilt. Die wichtigsten Patente liegen aber nicht bei Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna, die für die Genschere den Nobelpreis erhalten haben. Sie wurden ihren wissenschaftlichen Konkurrenten und dem Unternehmen Editas zugesprochen. Der Streit vor Gericht geht noch weiter, aber Editas hat sich bereits mit einem Unternehmen außergerichtlich auf Entschädigungszahlungen geeinigt, das mithilfe von Crispr/Cas die erste Gentherapie auf den Markt gebracht hat.

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    Termine

    16. Januar, 19:30 bis 21 Uhr, online via Zoom
    Online-Diskussion “acatech am Dienstag” Fusionsenergie – Chancen, Herausforderungen, Zeithorizonte Mehr

    18. Januar 2024, 9 bis 17.30 Uhr, Audimax der THB, Magdeburger Straße 50, Brandenburg an der Havel
    16. Security Forum der Technische Hochschule Brandenburg (THB) “Metaverse und Security” Mehr

    20. Januar 2024, 18 Uhr, Akademiegebäude am Gendarmenmarkt, Markgrafenstr. 38, Berlin
    Salon der BBAW Salon Sophie Charlotte 2024: Zeit Mehr

    News

    Bundesregierung enttäuscht Entscheider bei Digitalisierung

    Die Entscheider in Deutschland erwarten von der Bundesregierung in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode besondere Anstrengungen in der Digitalpolitik – attestieren ihr aber zugleich kaum ausreichende Expertise dafür. Ähnlich hohe Erwartungen haben sie an die Energie- und Klimapolitik. Hier sprechen sie ihr allerdings die höchste Kompetenz zu und rechnen auch mit einer tatsächlichen Umsetzung.

    Das geht aus einer exklusiven Umfrage von Table.Media hervor, an der über 3.000 hochrangige Interessensvertreter teilgenommen haben. Sie sind im Transparenzregister des Deutschen Bundestags registriert und kommen zum überwiegenden Teil aus Unternehmen, Verbänden sowie Nichtregierungsorganisationen oder aus der Wissenschaft und der Verwaltung. Sie verteilen sich auf Branchen wie den Automobil- oder Energiesektor, die Bau- oder Digitalwirtschaft sowie Gewerkschaften und Umweltverbände.

    Für knapp 82 Prozent der Befragten haben besondere Anstrengungen der Bundesregierung bei der Klima- und Energiepolitik eine eher hohe oder sogar hohe Bedeutung. Rund 85 Prozent gehen auch davon aus, dass es in den nächsten zwei Jahren tatsächlich zu einer Schwerpunktsetzung in der Energiepolitik kommen wird. Doch nur knapp 20 Prozent prognostizieren dies für die KI- und Datenpolitik.

    Generell sprechen die Entscheiderinnen und Entscheider der Bundesregierung eher mittelmäßige Noten aus. Aber: Den vergleichsweise besten Wert erreicht die Ampel bei der Kompetenz in der Klima- und Energiepolitik. Hier wird ihr immerhin von rund 37 Prozent der Befragten eine hohe oder eher hohe Lösungskompetenz zugestanden. Beim Digitalausbau sind das gerade einmal noch 7,4 Prozent insgesamt. Eine hohe Kompetenz sehen sogar nur 0,6 Prozent.

    Konkret schlägt sich diese Einschätzung zudem nieder in einem Lob für die Arbeit des Bundesministers für Wirtschaft und Klima, Robert Habeck, sowie deutlicher Kritik am Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Volker Wissing. Der Grünen-Politiker hat – trotz der Debatte über das Heizungsgesetz und die sogenannte Trauzeugenaffäre seines ehemaligen Staatssekretärs Patrick Graichen – die Erwartungen an seine Leistung in der ersten Hälfte der Legislaturperiode von rund 42 Prozent übertroffen oder eher übertroffen.

    Bei der Frage, welche Bundesministerien durch besonders große Professionalität in der Sacharbeit auffallen, führt Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) die Liste an.

    Die Opposition in Deutschland sehen die Befragten personell aktuell weniger gut aufgestellt: Lediglich knapp 13 Prozent halten es für wirklich realistisch, dass die Union mit dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz an der nächsten Bundesregierung beteiligt sein wird. red

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    CHE-Erhebung: Mindestlohn für Studierende bedeutender als BAföG

    Die wirksamste Maßnahme zur Verbesserung von Studienbedingungen in Deutschland ist die Anhebung des Mindestlohns. Diese Schlussfolgerung ziehen Experten des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) aus den neuesten Daten ihrer Publikation “Check – Studienfinanzierung in Deutschland”. “Die politische Maßnahme, von der Studierende in den vergangenen Jahren am meisten finanziell profitiert haben, kam nicht aus dem BMBF, sondern aus dem Arbeitsministerium: Die Anhebung des Mindestlohnes auf 12 Euro im Oktober 2022”, sagt Ulrich Müller, Leiter politische Analysen beim CHE.

    Familie und Nebenerwerb sind laut aktueller Daten der Sozialerhebung die wichtigsten beiden Einnahmequellen im Studium. Neun von zehn Studierenden in Deutschland werden durch ihre Eltern finanziell unterstützt, mehr als zwei Drittel arbeiten neben dem Studium. Somit dürften sich Verbesserungen beim Lohn wesentlich stärker auswirken als Erhöhungen bei staatlichen Unterstützungsangeboten. Hierzu zählen das BAföG, das nur etwas mehr als zehn Prozent der Studierenden nutzen sowie staatlich initiierte Studienkredite sowie Stipendien (Deutschlandstipendium, Aufstiegsstipendium, Stipendien der Begabtenförderwerke), die gemeinsam auf nicht einmal fünf Prozent der Mittel kommen.

    So griffen bundesweit im Jahr 2022 maximal 16,2 Prozent aller Studierenden auf eines der staatlichen Unterstützungsangebote zurück. Da eine Doppelförderung bei einigen Angeboten möglich ist, dürfte der Anteil faktisch noch niedriger liegen. Eine differenzierte Auswertung auf regionaler Ebene zeigt große Unterschiede bei den Bundesländern. In Thüringen nutzt nur rund jeder achte Studierende ein staatliches Finanzierungsangebot. Sachsen dagegen weist mit 23,7 Prozent die höchsten Quoten im Ländervergleich auf – fast jeder Vierte nutzt ein staatliches Finanzierungsangebot.

    CHE schlägt flexible Bundesstudienförderung vor

    “Die Erhebung zeigen den dringenden Reformbedarf in diesem Bereich”, sagt Ulrich Müller. Die Verzögerungen bei der BAföG-Reform sowie die aktuell unverhältnismäßig hohen Zinsen beim KfW-Studienkredit würden weiter dafür sorgen, dass Studierende zur Finanzierung des Studiums zunehmend auf sich allein gestellt seien. “Wenn wir das System der Studienfinanzierung in Deutschland so lassen, wie es momentan ist, hängt der Studienerfolg zukünftig immer mehr davon ab, ob man reiche Eltern hat oder in einem flexiblen Studiengang eingeschrieben ist, der Nebenjob-kompatibel ist.” 

    Müller empfiehlt deshalb, ein zukunftsfähiges System staatlicher Studienfinanzierung zu entwerfen, das bestehende Elemente zu einer umfassenden und in sich flexiblen Bundesstudienförderung bündelt und Finanzierungssicherheit schafft. Zum 1. Januar 2024 steigt der Mindestlohn von 12 auf 12,41 Euro und zum 1. Januar 2025 noch einmal auf 12,82 Euro. tg

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    30 Millionen Euro für Zander Labs: KI soll Menschen besser verstehen

    Das Cottbuser Start-up Zander Laboratories GmbH will mit einem Forschungsauftrag im Umfang von 30 Millionen Euro die Mensch-Maschine-Interaktion voranbringen. Einen entsprechenden Vertrag hat das Unternehmen in Cottbus mit der Agentur für Innovation in der Cybersicherheit GmbH (Cyberagentur) unterzeichnet. In einem Projekt soll das Start-up – eine Ausgründung der Cottbuser Uni – bereits in vier Jahren Prototypen entwickeln.

    Das Projekt “Neuroadaptivität für autonome Systeme” (NAFAS) will nach eigenen Angaben Maschinen erschaffen, die Hirnaktivitäten des Menschen auslesen und interpretieren können. Hintergrund der Forschung ist es, KI-Fähigkeiten derartig zu verbessern, dass menschliche Emotionen und Entscheidungsfindung genauer interpretiert werden. Hier haben autonome Systeme bislang große Schwierigkeiten. Torsten Zander, Geschäftsführer von Zander Labs, sagte, er habe dazu bereits 20 Jahre an der Brandenburgischen-Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) geforscht. Die Förderung gebe ihm nun die Möglichkeit, diese Forschungen umzusetzen. Zander ist Professor für Neuroadaptive Mensch-Technik-Interaktion.

    Bislang größte Einzelförderung der Cyberagentur

    Das Projekt habe das Potenzial, “neue wissenschaftliche Standards in den Neurowissenschaften zu setzen”, sagte Andreas Schönau, stellvertretender Projektleiter bei der Cyberagentur. Die Agentur mit Sitz in Halle ist dem Verteidigungs- sowie dem Bundesinnenministerium zugeordnet. Sie hat vom Bundestag ein Gesamtbudget in Höhe von 240 Millionen Euro bewilligt bekommen. Mit dem Auftrag vergibt die Cyberagentur nach eigenen Angaben die größte Einzelfinanzierung eines Forschungsprojektes in der EU.

    Brandenburgs Wissenschaftsministerin Manja Schüle sieht einen großen Schub für Wissenschaft und Forschung in der Lausitz. An dem Projekt sind neben der Universität und dem Unternehmen Zander Labs auch die Fraunhofer-Institute für Photonische Mikrosysteme (IPMS) und für Digitale Medientechnologie (IDMT) und weitere Projekt- und Forschungspartner beteiligt. tg mit dpa

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    Studie: Studierende aus dem Ausland bei Bafög im Nachteil

    Seit Anfang der Neunzigerjahre haben Studierende, die im Ausland einen berufsqualifizierenden Abschluss erworben haben, in Deutschland im Regelfall keinen Anspruch auf Bafög. Betroffene und Fachleute kritisieren diesen Umstand schon seit längerer Zeit, er trage nicht unbedingt zum Image Deutschlands als Einwanderungsland bei. Sozialforscher Matthias Knuth, der sich eingehend mit dem Thema beschäftigt hat, plädiert nun für eine Reform.

    Sie sei “unter Gesichtspunkten der Gleichbehandlung, der Integration und der Fachkräftesicherung” dringend nötig. Sie sollte laut Knuth auch den Wechsel eines Fachs umfassen, da ausländische Studierende im Vergleich zu heimischen Studierenden hier benachteiligt würden. Die Leistungen werden seitens des Staates nämlich nur weitergezahlt, wenn für den Wechsel ein “wichtiger oder unabweisbarer Grund” besteht. Gleiches gilt für den Abbruch der vorherigen Ausbildung, was nach einem Umzug aus dem Ausland nach Deutschland nicht selten der Fall ist.

    Ausländer waren beim Bafög nicht immer benachteiligt

    Knuths Forschung fördert jetzt zutage, wie es in den Neunzigerjahren zu der entsprechenden Änderung im Gesetz kam. Anhand von Unterlagen, die nach Ablauf der 30-jährigen Schutzfrist verfügbar wurden, hat er gezeigt, dass Beamte aus Bund und Ländern die Änderung über den Bundesrat lancierten. Laut seiner Analyse für das Deutsche Institut für Interdisziplinäre Sozialpolitikforschung (Difis), die am gestrigen Montag veröffentlicht wurde, trugen dabei nicht zuletzt Falschbehauptungen zur Gesetzesänderung bei.

    Bundestag und Bundesrat hatten sich bei der Gesetzesbegründung auf Beratungen eines Gremiums berufen, das 1985 vom Bundesbildungsministerium eingesetzt worden war. In seiner Analyse kommt der Sozialforscher Knuth zu dem Schluss, dass dessen Ergebnisse wider besseres Wissen ausgelegt wurden “als Empfehlung für eine Änderung, die auf den Ausschluss von Bildungsausländer*innen mit ausländischem Abschluss” zielte. Okan Bellikli

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    • Bildungspolitik
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    • Hochschulen

    Personalien

    Stefan Wesner ist neuer Vorstandsvorsitzender des Deutschen Forschungsnetzes (DFN). Wesner ist Direktor des IT Center Cologne (ITCC) und Professor für Parallele und Verteilte Systeme an der Universität zu Köln. Als stellvertretender Vorstandsvorsitzender neu ernannt wurde Helmut Reiser, stellvertretender Leiter des Leibniz-Rechenzentrums der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Als Stellvertreter erneut bestätigt wurde Christian Zens, Kanzler der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Das Wissenschaftsnetz X-WiN des DFN verbindet Hochschulen, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen sowie forschungsnahe Wirtschaftsunternehmen in ganz Deutschland, die Mitglied des DFN-Vereins sind.

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    Geburtstage

    26. Dezember 2023

    Kai Gehring (Grüne), MdB und Vorsitzender des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, 45

    29. Dezember 2023

    Judith Pirscher, Staatssekretärin im BMBF, 55

    4. Januar 2024

    Wolfgang Tiefensee (SPD), Minister für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft in Thüringen, 68

    5. Januar 2024

    Clemens Hoch (SPD), Minister für Wissenschaft und Gesundheit in Rheinland-Pfalz, 45

    8. Januar 2024

    Roland Philippi, Abteilungsleiter “Grundsatzfragen und Strategien; Koordinierung” im BMBF, 41

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    Mehr von Table.Media

    China. Table. Weltweiter Kohleverbrauch steigt weiter – auch wegen China. Entgegen aller Versprechungen hat der weltweite Kohleverbrauch 2023 ein neues Rekordniveau erreicht. Und China ist einer der Treiber. 2024 erwartet die Internationale Energieagentur immerhin einen Rückgang. Mehr

    Europe.Table. EU-Sorgfaltspflichtengesetz: Transparente Lieferketten werden zum Strategiethema. EU-Parlament, -Rat und -Kommission haben sich auf das EU-Sorgfaltspflichtengesetz geeinigt. Auf Druck des Rats werden Banken und Versicherer von der Richtlinie ausgenommen. Industrieverbände halten den Beschluss für einen Sargnagel für die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Mehr

    Africa.Table. Zusagen für den Verlust- und Schadensfonds reichen nicht aus. Auf dem afrikanischen Kontinent ist die Enttäuschung über die konkreten Finanzierungszusagen während der COP28 groß. Dies zeigt eine Stimmungsbild unter afrikanischen Vertretern. Sie fordern alle ein größeres Engagement der internationalen Staatengemeinschaft. Mehr

    Agrifood.Table. Bauernproteste gefährden Kompromiss im Haushaltsstreit. Aus Protest gegen die Streichung der Agrardieselsubventionen gehen Landwirte auf die Straße und klagen über finanzielle Belastungen. Unterstützung finden sie bei Cem Özdemir, der vor der Überforderung der Bauern warnt. Sein Parteikollege Robert Habeck warnt hingegen, den Kompromiss der Koalitionsspitzen zum Sparpaket aufzukündigen. Mehr

    Dessert

    Ein dritter Arm benötigt? Mit einer Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine ist das prinzipiell möglich. Das Foto zeigt eine virtuelle Vorübung.

    XRA heißt der zusätzliche Roboterarm, den ein Forscherteam um Giulia Dominijanni von der Ecole Polytechnique Federale de Lausanne kürzlich im Magazin Science Robotics vorgestellt hat. Und wie könnte es anders sein: Das Redaktionsteam des Research.Table ist angetan von dieser Erfindung und beantragt beschleunigte Entwicklung und Marktreife.

    Denn mit drei Händen zu arbeiten, bietet ganz neue Möglichkeiten. Wir könnten in die Tasten hauen, bis jedem schwindlig wird, der zusieht. In Phasen des Hungers würde der Roboarm das Essen während der Texteingabe entscheidend erleichtern. Und fürs Tippen von Nachrichten am Smartphone erscheint uns ein XRA ebenfalls erstrebenswert. Denn der dritte Arm nimmt die Evolution des Homo iphonensis vorweg: Seine Hand verfügt über sechs Finger, zwei davon sind Daumen.

    Gesteuert wird der dritte Arm übrigens per Blick und Zwerchfellbewegung des Benutzers. In den ersten Tests mit einer vereinfachten realen Version sowie einer virtuellen konnten die Probanden normal sprechen und woanders hinschauen, während sie den Arm dirigierten. In der Publikation ist von klinischen und industriellen Anwendungen die Rede. Wir sehen viel breitere Möglichkeiten und sagen: Her mit dem Ding! Anne Brüning

    Research.Table Redaktion

    RESEARCH.TABLE REDAKTION

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