Deutschland demonstriert gegen Rechts – und mittendrin: Wissenschaftler, Studierende, Hochschulmitarbeitende. Rektorinnen wie Anja Steinbeck von der Heine-Universität Düsseldorf rufen aktiv zur Teilnahme auf. Immer wieder wird dagegen aber auch ein “Neutralitätsgebot” der Wissenschaft oder ein fehlendes Allgemeinpolitisches Mandat aufgeführt. Wir haben mit Friedhelm Hufen, Professor für Öffentliches Recht, Staats- und Verwaltungsrecht in Mainz darüber gesprochen, was Unis können, dürfen und sollten: “Keine falsche Vorsicht, auch nicht vor Parteiprogrammen”, sagt er im Gespräch mit meinem Kollegen Tim Gabel.
Haltung zeigen ist nicht nur erlaubt, sondern sogar Pflicht, ergänzt Manfred Bayer, Rektor der TU Dortmund. Mit dem Amtseid schwöre man schließlich, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu verteidigen. Dabei sorgt sich Bayer weniger um die Wissenschaftsfreiheit in Deutschland als vielmehr um die gelebte “Weltoffenheit in Deutschland”.
In seinem Standpunkt beschreibt HRK-Präsident Walter Rosenthal, wie die antisemitischen Übergriffe der vergangenen Tage für die Hochschulen und auch für ihn persönlich bedrückend und beschämend waren: “Hochschulen sind in ihrem Kern Akteure der dialogbasierten, offenen Zivilgesellschaft und sie wollen, ja sie müssen dies auch bleiben.”
Ich wünsche Ihnen eine gute Lektüre,
Solidarität für die Ukraine, Engagement gegen Antisemitismus, Kampf gegen Rechtsextremismus: Hochschulleitungen stehen immer häufiger unter Zugzwang, Stellung zu beziehen. Wer zögert, wird kritisiert, hat sich etwa in der Folge der Correctiv-Enthüllungen unter dem Hashtag #Laute Wissenschaft gezeigt. In der Community wird diskutiert, wozu sich Wissenschaft gesellschaftspolitisch äußern kann, soll oder sogar muss. Dürfen Unipräsidenten zur Teilnahme an Demos aufrufen? Was bedeutet in diesem Zusammenhang das viel zitierte Neutralitätsgebot?
“In den politischen und juristischen Auseinandersetzungen geht es nie um Neutralität”, sagt Friedhelm Hufen, Professor für Öffentliches Recht, Staats- und Verwaltungsrecht an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz. Auch vor dem Bundesverfassungsgericht werde Neutralität nicht angeführt, wenn etwa Parteipolitiker gegen politische Äußerungen von Amtsträgern klagen, die öffentliche Gelder beziehen. “Es geht immer um das Prinzip der parteipolitischen Chancengleichheit und eine sachliche Auseinandersetzung, die im Grundgesetz im Artikel 21 geregelt ist.”
Von der Kindererziehung bis zur Hochschule seien Bildung und Wissenschaft grundsätzlich nie neutral und immer auf ein bestimmtes zielgerichtet. “In gewissem Maße ist Wissenschaft sogar zwingend parteiisch, bis sie widerlegt wird”, sagt Hufen. Ganz besonders gelte das auch für Sachverhalte und Ziele, die in der demokratischen Verfassung festgeschrieben seien, “also etwa Toleranz, Gleichberechtigung und Religionsfreiheit”.
Je abstrakter der Sachverhalt sei, also etwa Stellungnahmen gegen Rassismus, Sexismus oder Islamophobie, desto rechtssicherer sei die Einmischung öffentlicher Amtsträger. Je konkreter sich eine Position oder Demonstration aber gegen Politiker oder Parteien richte, desto schwieriger werde es aus juristischer Sicht. Allerdings solle das nicht zu falscher Vorsicht führen: “Wenn in einem Parteiprogramm etwas Verfassungswidriges steht, darf ich mich dagegen wenden”, sagt Hufen.
Vorsicht sei vor allem in folgenden Fällen geboten:
Auch an den Hochschulen selbst überwiegt die Auffassung, dass ein etwaiges “Neutralitätsgebot” nicht bedeutet, dass man keine Haltung zeigen darf. “Im Gegenteil”, sagt Manfred Bayer, Rektor der TU Dortmund: “Hochschullehrer*innen haben bei ihrer Verbeamtung den Amtseid geschworen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu verteidigen“. Das bedeute, dass ein Bekenntnis zu den Grundwerten der Verfassung nicht nur erlaubt, sondern sogar Pflicht sei.
“Manchmal würde man sich allerdings wünschen, stärker am Handeln gemessen zu werden statt an der Zahl der Bekenntnisse auf diversen Kommunikationskanälen”, sagt der Hochschulmanager. Mit Blick auf erstarkende rechtsextreme Tendenzen ist dem Hochschulrektor weniger bang um die Wissenschaftsfreiheit – die “verfassungsrechtlich stark verankert sei” – als vielmehr um die “Weltoffenheit” in Deutschland. Wissenschaft lebe vom internationalen Austausch und man müsse sich angesichts des Fachkräftemangels bemühen, internationale Studierende zu integrieren.
Eva Inés Obergfell, Rektorin der Universität Leipzig, weist darauf hin, dass das Prinzip der Chancengleichheit im politischen Wettbewerb die Universitäten davor schütze, zum Austragungsort parteipolitischer Konkurrenz zu werden, besonders in Vorwahlzeiten. Das heiße aber nicht, dass die Universität ein unpolitischer Ort wäre. Sie sei vielmehr der Ort, an dem mit den spezifischen Mitteln der Wissenschaft über gesellschaftliche Entwicklungen kontrovers gerungen wird.
Gerade in den Monaten vor Wahlen brauche man aber Guidelines in Sachen Neutralitätsgebot. “Zum Beispiel sind Veranstaltungen mit Amtsträgern in unseren Räumen möglich, nicht aber mit Politikerinnen und Politikern, die als reine Parteivertreterinnen und -vertreter kommen”. Richtlinien, die Hochschulangehörigen klarmachen, unter welchen Bedingungen universitäre Ressourcen genutzt werden können, seien nicht einschränkend gemeint, sondern klärend und schützend. “Das geht einher mit der Rückendeckung der Hochschulleitung für das gerade jetzt nötige Engagement zugunsten von Demokratie und akademischer Freiheit.”
Die Kritik am Netzwerk Wissenschaftsfreiheit ebbt nicht ab – und sie zieht Kreise. Dem als eingetragener Verein organisiertem Verbund wird vorgeworfen, nicht transparent zu machen, dass er politisch agiert. Die Äußerungen des Netzwerks stärkten das Narrativ der Neuen Rechten, warnte etwa Geraldine Rauch, Präsidentin der TU-Berlin in einem Beitrag für Table.Media (gegen den sich das Netzwerk jetzt in einer Stellungnahme auf der Plattform X verwahrte). Empörung gibt es außerdem darüber, dass das Netzwerk sich bislang nicht zur Teilnahme seines Mitglieds Ulrich Vosgerau an dem von Correctiv enthüllten Potsdamer Geheimtreffen positioniert hat.
Am Wochenende erklärte Sandra Kostner, erste Vorsitzende des Netzwerks und akademische Mitarbeiterin an der PH Schwäbisch Gmünd, im Deutschlandfunk, weshalb Vosgerau weiterhin Mitglied im Netzwerk ist. Es sei sehr genau zu prüfen, was dieser in Potsdam gesagt habe, sagte sie. Darauf komme es an, und nicht, “womit er in Kontakt gekommen sei”. Was Correctiv berichtet habe, sei “gar nicht so eindeutig”. Die Berichterstattung über das Treffen habe sich “teilweise auch schon relativiert”. Bislang gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass Vosgerau sich verfassungswidrig geäußert habe. Erst dann sehe sie Anlass für Konsequenzen.
Reinhard Merkel, emeritierter Rechtswissenschaftler der Universität Hamburg und Gründungsmitglied des Netzwerks, sieht das ähnlich. Die klare rote Linie der Bemühungen des Netzwerks um freiheitliche Forschung und Lehre seien Verfassung und Gesetz, sagte er auf Anfrage. In diesem Rahmen sei das Spektrum groß. Das dürfe sein, “solange Mitglieder nichts propagieren, was gegen die Verfassung verstößt”. Über die Ansichten und Äußerungen Vosgeraus wisse er zu wenig, um über einen Ausschluss zu urteilen. Es sei Sache des Vorstands, das genauer anzusehen und dann zu entscheiden. Dass sich das Netzwerk bislang nicht zu dem Thema positioniert hat, kritisiert er nicht. Vielmehr warnt er vor Unbesonnenheit: “Bei einem Ausschluss sollte genau bedacht werden, dass das Netzwerk für die Freiheit des Denkens steht.”
Problematisch findet Enno Aufderheide, Generalsekretär der Alexander von Humboldt-Stiftung, die Zurückhaltung des Netzwerks. “Schweigen ist dann irgendwann auch Zustimmung”, sagte er in der DLF-Diskussionsrunde. “Unter dem Deckmantel der Wissenschaftsfreiheit darf man auch nicht verleumden oder Meinungen äußern, die mit Wissenschaft nichts zu tun haben.”
Ähnliche Kritik äußert Jürgen Zimmerer, Professor für Globalgeschichte an der Universität Hamburg: “Die Wissenschaftsfreiheit, die das Netzwerk meint, ist, die Freiheit anderer einzuschränken.” Er findet es offensichtlich, dass der Verein einseitige politische Positionen vertritt. “Natürlich stehe ich für das demokratische Recht, dass man sich auch in Vereinen zusammenschließt, deren politische Position ich nicht teile. Ich würde mir nur wünschen, dass das Netzwerk als politischer Verein wahrgenommen wird, sich zu seiner politischen Agenda bekennt”, sagt Zimmerer. Doch das Netzwerk suggeriere, es gehe ihm politisch neutral um Wissenschaftsfreiheit.
Aktuell konterkariere es sogar seinen Namen, indem es in seinen Kampagnen etwa gegen postkoloniale Studien die Diskursverengung an Hochschulen propagiert. “Es verbreitet eine Art Verschwörungsmythos, dass Unis von Gender und Postcolonial Studies dominiert seien.” Es führe einen Kulturkampf gegen eine moderne, progressive Wissenschaft, und damit letztendlich auch gegen eine moderne, offene Gesellschaft.
Dass das Netzwerk sich bisher nicht von Vosgerau und dem Potsdamer Treffen distanziert hat, findet Zimmerer bedenklich. “Wer für die Demokratie ist, der muss sich umgehend von den dort geäußerten Ansichten distanzieren, wenn er nicht damit in Zusammenhang gebracht werden will.”
Das gelte auch für den Deutschen Hochschulverband (DHV), betont Zimmerer. Ihn erzürnt, dass “ein Berufsverband mit einer politischen Lobbygruppe klüngelt”. Der DHV habe schlicht kein Mandat, sich in eine gesamtpolitische Debatte einzumischen, zumal in eine, die vom Netzwerk Wissenschaftsfreiheit in einer Art geführt wird, die an einen Kulturkampf erinnert.
Der Hochschulverband war Ende Januar anlässlich einer Preisverleihung des Netzwerks an den früheren DHV-Präsidenten Bernhard Kempen mit in die Kritik geraten. Er bezeichnete das Netzwerk als “einen willkommenen Mitstreiter” und wies darauf hin, dass es einen “Konformitätsdruck in der Debattenkultur an Universitäten” bemängele und ein Unbehagen bestätige, das der DHV unter der Ägide Kempens bundesweit als einer der ersten artikuliert habe.
Zimmerer forderte vom neuen DHV-Präsidenten Lambert T. Koch eine eindeutige Distanzierung und eine öffentlich geführte Auseinandersetzung, wie es zu diesem einseitigen Parteiergreifen kommen konnte. Mitglied im Verband will er weiterhin bleiben. Anders als zum Beispiel der Soziologe Daniel Witte von der Universität Bonn, der seine Austrittserklärung auf X veröffentlicht hat, ebenso wie bei Bluesky Niels Werber von der Universität Siegen und einige weitere unter dem Hashtag #CiaoDHV.
Der DHV bedauere stets, wenn sich einzelne Mitglieder einmal bei bestimmten Themen nicht nach ihren Vorstellungen vertreten fühlten, teilte der Verband auf Anfrage mit. Geäußerte Unzufriedenheiten würden dabei nach Möglichkeit aufgenommen. Dabei freue sich der Verband jederzeit auch über ausgetretene Mitglieder, die den Weg zurückfänden.
Zum Vorwurf der Parteinahme heißt es: Präsident Lambert T. Koch betont, dass der DHV vollständig unabhängig agiere und sich keiner anderen Institution und deren Werte und Handeln gemein mache. Das gelte auch für das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit. Der DHV verfolge die Entwicklungen anderer Organisationen und deren Zuspruch oder Kritik aus der Wissenschaft aufmerksam. Ihre Struktur und die politische Ausrichtung einzelner ihrer Mitglieder zu bewerten, sei nicht Aufgabe des Verbandes.
Wenn es jedoch darum gehe, für eine von gegenseitigem Respekt getragene, offene Debattenkultur und für die Freiheit der Wissenschaft einzutreten, habe der DHV dafür Sympathie und Verständnis. Sich für eine in Freiheit ausgeübte Wissenschaft einzusetzen, seien bleibende Aufgabe und Auftrag des DHV. Dies frei vom Vorwurf politischer Parteinahme zu äußern, müsse ganz in diesem Sinne möglich sein.
Jürgen Zimmerer hat andere Erfahrungen gemacht: Kurz nach der Gründung des Netzwerks hatte er im Frühjahr 2021 zusammen mit seiner Kollegin Andrea Geier eine kritische Analyse dazu verfasst und sie dem DHV-Magazin Forschung & Lehre zum Abdruck angeboten. “Unser Text wurde von der Redaktion als zu kritisch angesehen und sollte allenfalls als Teil eines Pro und Contra abgedruckt werden.” Das fanden die beiden unangemessen und zogen die Analyse zurück.
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Bis zum 4. März hat Nina Stahr noch Zeit. Dann muss die 41-Jährige ihr 2021 errungenes Bundestagsmandat wieder abgeben. Der Grund ist eine Personalrochade in der Grünen-Fraktion infolge der Wiederholungswahl in Berlin. Zwar legte die Partei in den Wahlbezirken, in denen am Sonntag neu gewählt wurde, im Vergleich zur Bundestagswahl 2021 zu. Da die Wahlbeteiligung jedoch erheblich von 75 auf 51 Prozent sank, steht dem Berliner Landesverband jedoch ein Mandat weniger zu. Stattdessen erhält die Grünen-Landesliste aus Nordrhein-Westfalen einen weiteren Platz: Franziska Krumwiede-Steiner aus Mülheim an der Ruhr wird für Stahr ins Parlament nachrücken.
Die Grünen-Bundestagsfraktion verliert mit Stahr eine versierte und fraktionsübergreifend anerkannte Fachpolitikerin. Als bildungs- und forschungspolitische Sprecherin setzte sie sich vor allem für eine Überarbeitung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes und eine Bafög-Reform ein. Dabei legte sie vor allem Wert auf die sozialen Komponenten – und sparte auch nicht mit Kritik an den Vorschlägen aus dem Haus von FDP-Ministerin Bettina Stark-Watzinger.
“Natürlich bin ich persönlich enttäuscht”, sagt Stahr im Gespräch mit Table.Media. Die Kindergrundsicherung, die Bafög-Reform und das Wissenschaftszeitvertragsgesetz seien “Herzensthemen” gewesen, die sie gerne weiterbearbeitet hätte. “Aber ich bin nicht aus der Welt und bin mir sicher, dass die Kolleginnen und Kollegen in der Fraktion da jetzt einen guten Job machen werden.”
Fachlich haben Stahr und ihre Nachfolgerin Krumwiede-Steiner viel gemeinsam: Beide sind Lehrerinnen von Beruf und engagieren sich neben bildungs- vor allem für familienpolitische Themen. Krumwiede-Steiner wird sogar Stahrs Mitarbeiter aus dem Bundestagsbüro übernehmen.
Wer Stahrs Aufgaben als fachpolitische Sprecherin übernehmen wird, ist noch nicht geklärt. Für den Sprecherposten wäre Stahrs bisherige Stellvertreterin Laura Kraft die logische Nachfolgerin. Die Neuwahl in der Fraktion findet voraussichtlich nach dem Mandatswechsel Anfang März statt.
Kai Gehring (Grüne), Vorsitzender des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, sagte, Stahr sei “mit Leib und Seele eine hochengagierte Abgeordnete gewesen”, die die Fach-AG “mit großem Einsatz, hoher Sachkenntnis und Verhandlungsgeschick geleitet” habe. Selbst bei der politischen Konkurrenz löst das Ergebnis Bedauern aus. Thomas Jarzombek, bildungs- und forschungspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, sagte auf Anfrage, er habe Stahr “als eine nette und pragmatische Kollegin” erlebt. “Ich hätte das niemandem gegönnt, aber sie ist für die Ausschussarbeit ein echter Verlust.”
Ihr sozialpolitisches Engagement möchte Stahr daher nun zunächst auf Landesebene fortsetzen. “Beim Thema soziale Gerechtigkeit wäre im schwarz-roten Senat auch einiges an Arbeit zu leisten”, sagt Stahr. Auch die Wissenschaftspolitik wolle sie als Landesvorsitzende vorantreiben. Gerade der Antisemitismus an den Berliner Hochschulen mache ihr große Sorgen. Trotzdem liebäugelt sie zugleich mit einer Rückkehr in den Bundestag “Ich habe in der letzten Nacht sehr viele Nachrichten bekommen, die gesagt haben, wir sehen uns 2025. Und natürlich kann ich mir gut vorstellen, bei der nächsten Bundestagswahl erneut auf der Berliner Landesliste zu kandidieren.” max
Mit sofortiger Wirkung stellt die Präsidentin der Christian-Albrechts-Universität (CAU), Simone Fulda, ihr Amt zur Verfügung – so steht es in einer knappen Meldung auf der Website der Kieler Hochschule. “In Verantwortung für die Universität und schweren Herzens gehe ich diesen Schritt, da leider bei Teilen der Universität offenkundig keine ausreichende Vertrauensbasis für eine erfolgreiche Zusammenarbeit mehr vorhanden ist”, wird Simone Fulda dort zitiert.
Die “Kieler Nachrichten” hatten vor wenigen Tagen zuerst über einen entsprechenden Beitrag im englischsprachigen Internetblog “For Better Science” berichtet.
Schleswig-Holsteins Wissenschaftsministerin Karin Prien (CDU) äußerte großen Respekt für die Entscheidung. Fulda stand seit Oktober 2020 an der Spitze der Kieler Uni. “In unseren Gesprächen hat sie mir versichert, dass eine Prüfung der DFG sie von allen Vorwürfen des wissenschaftlichen oder ethischen Fehlverhaltens freizeichnen wird”, sagte Prien. “Dennoch erkennt sie die aktuelle Debatte als Schaden nicht nur für ihre Person, sondern auch für den gesamten Hochschulstandort.”
Die im Raum stehenden Vorwürfe hätten über Monate die Exzellenzanstrengungen der Kieler Universität überschattet. “Die CAU muss jetzt in den kommenden Wochen zur Ruhe kommen und sich gänzlich darauf konzentrieren, mit den beiden bestehenden Exzellenzclustern erfolgreich zu bleiben.” Mit Anträgen für weitere Cluster war die Uni kürzlich gescheitert.
Die Kanzlerin der CAU, Claudia Ricarda Meyer, äußerte außerordentliches Bedauern über Fuldas Rückzug. “Wir zollen ihr größten Respekt für diese Entscheidung und danken ihr sehr für ihr außergewöhnliches Engagement in den vergangenen Jahren.” Hinsichtlich der Vorwürfe zur angeblichen Datenmanipulation, die aktuell gegenüber Simone Fulda sowie Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen anderer Forschungseinrichtungen gestellt werden, gelte weiterhin die Unschuldsvermutung, betonte Meyer. Diese Vorwürfe würden derzeit sorgfältig nach Richtlinien guter wissenschaftlicher Praxis durch die zuständigen Einrichtungen geprüft.
Bei der DFG wird man sich in dieser Woche mit den Vorwürfen beschäftigen. Dabei wird, wie stets bei Fälschungsverdacht, ein Vorermittlungsverfahren angestrengt.
Bis zur Wiederbesetzung des Präsidial-Amtes soll ein Interims-Präsidium die Geschäfte der CAU leiten. Dem Gremium gehören den Angaben zufolge die Vizepräsidentin Catherine Cleophas, die Kanzlerin sowie die Vizepräsidenten Markus Hundt, Eckhard Quandt und Ralph Schneider an. Ein Arbeitsschwerpunkt des Interim-Präsidiums werde die Vorbereitung der Folgeanträge für die bestehenden Exzellenzcluster sein.
Der Wissenschaftler Leonid Schneider hat erstmals Ende Januar in seinem englischsprachigen Wissenschaftsblog “For Better Science” Kritik an Arbeiten Fuldas erhoben. Demnach sollen sich in früheren wissenschaftlichen Arbeiten Fuldas aus dem Bereich der Krebsforschung Fälle von Datenmanipulation befinden, biomedizinische Abbildungen verschiedener Forschungsreihen sollen identisch sein. Dies sei nicht möglich, schreibt Schneider. Gegenüber NDR Schleswig-Holstein erklärt Schneider, er habe für seine Recherchen auch mit Experten im Bereich der Bildbearbeitung zusammengearbeitet. Außerdem habe er der Professorin seine Kritik schon vor Wochen mitgeteilt und keine Antwort erhalten.
Der Druck auf Fulda hatte sich auch nach dem Scheitern aller Neuanträge in der Exzellenzstrategie erhöht. Bei einer erfolgreichen Bewerbung wären in jedem Exzellenzcluster drei bis zehn Millionen Euro Fördergelder jährlich möglich gewesen – sieben Jahre lang. nik mit dpa
Unter dem Eindruck der antisemitischen Vorfälle im Umfeld der FU Berlin hat sich die Berliner Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra für eine Anpassung des Landeshochschulgesetzes ausgesprochen. “Wir müssen die aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen prüfen und gegebenenfalls nachjustieren”, sagte Czyborra im Interview mit der Jüdischen Allgemeinen (JA). Sie sprach sich “im Zweifel” auch für Exmatrikulationen aus, wies allerdings darauf hin, dass aus ihrer Sicht zunächst das Strafrecht greifen müsse und Hochschulen in der Zwischenzeit von ihrem Hausrecht Gebrauch machen sollten.
Sie begrüßt vor diesem Hintergrund die Entscheidung der FU Berlin, dem Täter im Fall des gewalttätig angegriffenen jüdischen Studierenden Lahav Shapira, ein Hausverbot ausgesprochen zu haben, sagte Czyborra weiter. “Hierzu habe ich mich ganz aktuell mit dem Regierenden Bürgermeister darauf verständigt, dass, wenn die derzeitigen rechtlichen Möglichkeiten nicht ausreichen, wir den Hochschulen zusätzliche durchgreifende Instrumente an die Hand geben. Das beinhaltet auch eine mögliche Reform des geltenden Hochschulgesetzes”, sagte Czyborra.
Die Möglichkeit einer ordnungsrechtlichen Zwangsexmatrikulation von Studierenden wurde in Berlin mit der Novelle des Landeshochschulgesetzes im Jahr 2021 abgeschafft. Damit wurde den Hochschulleitungen die Möglichkeit genommen, Studierende zu exmatrikulieren oder die Exmatrikulation anzudrohen, selbst wenn Studierende strafrechtlich in Erscheinung getreten sind. Auf Anfrage von Table.Media hatte die FU Berlin mitgeteilt, dass auch ihr Präsident Günter Ziegler “mit der Politik darüber beraten möchte, ob in besonders extremen Fällen Exmatrikulationen ermöglicht werden sollten und ob dies rechtlich umsetzbar ist”.
Czyborra wies in dem Interview auch daraufhin, dass sie selbst bei der Novelle des Hochschulgesetzes im Jahr 2021 “skeptisch gewesen” sei, ob die Streichung des Ordnungsrechts richtig ist. Ihre Bedenken hätten sich damals auch ergeben, “weil es zum Beispiel auch vor dem Hintergrund sexualisierter Gewalt an den Hochschulen ein Problem ist, wenn wir nicht die Möglichkeit haben, Straftäter aus den Hochschulen zu entfernen”. Die Koalition aus SPD, Linken und Grünen sei damals aber der Auffassung gewesen, dass das Ordnungsrecht ein “,stumpfes Schwert’ ist, ein ,totes Recht’, das aus einer Zeit kam, als Hochschulen auch noch eine andere Rolle hatten”.
In der vergangenen Woche waren von verschiedenen Seiten Rücktrittsforderungen an die Wissenschaftssenatorin herangetragen worden. Im Interview mit der JA bedauerte Czyborra, dass ihre Äußerungen im Zuge der Debatte den Eindruck erweckt hätten, “ich würde Gewalt und Antisemitismus relativieren”. Das Gegenteil sei der Fall. Ihre Aussagen, die sie in einem längeren Interview mit dem rbb getätigt habe, seien aus dem Zusammenhang gerissen worden.
Der Nahost-Konflikt sorgt auch an anderen Hochschulen in Berlin für Spannungen. Am 8. Februar wurde eine gemeinsame Veranstaltung der Humboldt-Universität und der Hertie School abgebrochen, zu der eine israelische Verfassungsrichterin geladen war. Pro-palästinensischen Aktivisten hatten nach Angaben der Hochschulen eine Protestrede vorgetragen und die Podiumsdiskussion nachhaltig gestört. Am Abend war die Diskussion im kleineren Kreis fortgeführt worden. “Wir begrüßen es, wenn Hochschulen wieder ein weitergehendes Ordnungsrecht bekommen, das in schweren Vergehensfällen zur Anwendung kommen kann”, sagte eine Sprecherin der HU auf Anfrage von Table.Media. Man unterstütze ausdrücklich die entsprechende gemeinsame Initiative des Regierenden Bürgermeisters und der Berliner Wissenschaftssenatorin. tg
Im November 2019 hat die Mitgliederversammlung der HRK die Entschließung “Kein Platz für Antisemitismus” veröffentlicht. Diese Positionierung ist und war glasklar, und viele meiner Kolleginnen und Kollegen und ich haben sie in den letzten Monaten wiederholt und öffentlich bestätigt.
Dennoch müssen wir heute festhalten: An Hochschulen in Deutschland gibt es Antisemitismus, und nicht erst seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel. Jüdische Studierende oder Mitarbeitende sehen sich verbalen Diffamierungen ausgesetzt, werden bedroht oder sogar tätlich angegriffen, bleiben aus Sicherheitserwägungen dem Campus fern oder verbergen ihre jüdische Identität.
Wie kann man diese Situation erklären, die für die Hochschulen heute wie auch für mich persönlich bedrückend und beschämend ist? Das deutsche Hochschulsystem umfasst über 400 Einrichtungen in ganz Deutschland, fast drei Millionen Studierende und knapp 800.000 Beschäftigte. Es ist insoweit ein Abbild unserer Gesellschaft. Das bedeutet, dass die Mehrheit dieser vielen Menschen die Positionierung ihrer Hochschule mitträgt und sich klar von Antisemitismus distanziert. Es bedeutet aber auch, dass der nie aus unserer Gesellschaft verschwundene Antisemitismus sich grundsätzlich auch an Hochschulen zeigt – in allen Formen, ob christlich, muslimisch, israelbezogen, sekundär, politisch rechts oder links.
Warum kommt es nun aber nicht nur, jedoch auch an Hochschulen oder in ihrem Umfeld zu antisemitischen Äußerungen und Vorfällen? Ein Faktor mag das Wesen der Hochschule selbst sein: Sie ist als Einrichtung des wissenschaftlichen Diskurses konzipiert, an der Wahrheitsansprüche kritisch verhandelt, neue Konzepte erprobt und tradierte Wissensbestände und Hierarchien hinterfragt werden müssen. Dies machte Hochschulen in der Geschichte bis heute immer wieder zum Schauplatz von Protest und Konflikten, die auch eskalieren können – jüngst in dramatischer Weise in der Folge des Angriffs auf Israel.
In der Konsequenz steht das Hochschulsystem unter starkem öffentlichem Druck. Es werde seiner Verantwortung für den Schutz jüdischer Studierender und Mitarbeitender nicht gerecht, agiere zu zögerlich, sei inhaltlich zu nachsichtig – so kann man die Stimmen aus Politik und Gesellschaft, von Betroffenen und Beobachtenden vielleicht zusammenfassen. Was können die Hochschulen und ihre Leitungen in dieser Situation tun?
Die Notwendigkeit, sich als Hochschule klar zu positionieren, ist der erste Schritt, allein aber nicht ausreichend. Hochschulen müssen auch konkret handeln: Hausverbote aussprechen und durchsetzen, antisemitische Straftaten von Hochschulmitgliedern anzeigen und wo nötig Sicherheitsvorkehrungen auf dem Campus erhöhen, Anlaufstellen für Antidiskriminierung bzw. Antisemitismus einrichten und stärken. Forschung und Lehre zum Judentum, zu jüdischer Geschichte und zu jüdischem Denken, die Vermittlung der Geschichte des Staates Israel wie auch Angebote der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Antisemitismus müssen ausgeweitet werden.
Dennoch bleibt die Hochschule immer in einer schwierigen Position: Straftaten zu verfolgen ist Aufgabe der Behörden, Störungen der Abläufe können die Hochschulen mit dem Hausrecht entgegentreten. Jenseits dieser Fälle liegende antisemitische Aktionen an den Hochschulen jedoch, die sich durch Niederbrüllen und kommunikative Verweigerung auszeichnen, setzen sie sich bewusst außerhalb des von der Wissenschaftsfreiheit geschützten offenen und rationalen Diskurses und stellen gerade deshalb infrage, was Hochschulen im Kern ausmacht.
Angesichts der jüngsten Vorfälle sind in der öffentlichen Auseinandersetzung nun Stimmen zu hören, die das regulatorische Instrumentarium der Hochschulen ausweiten wollen, um schnell entsprechend reagieren zu können. Das ist der falsche Weg. Richtig dagegen bleibt es, Maßnahmen wie insbesondere die Zwangsexmatrikulation an strenge Voraussetzungen zu knüpfen.
Das gebietet nicht nur der starke Grundrechtsschutz, der auch heute schon etwa im Falle eines Hausverbots Anhörungen und Befristungen – kurz: ein rechtsstaatliches Verfahren – verlangt. Vielmehr liegt es im Wesen der Hochschule und ihrer Autonomie, sich nicht in erster Linie als ordnungspolitisches Instrument zu verstehen. Hochschulen sind in ihrem Kern Akteure der dialogbasierten, offenen Zivilgesellschaft und sie wollen, ja sie müssen dies auch bleiben. Sie haben einen Bildungs- und einen Forschungsauftrag.
Das schließt keineswegs aus, dass sie harte Grenzen ziehen, aber sie können und sollten weder polizeiliche Aufgaben übernehmen noch bloße, strafrechtlich nicht relevante Meinungen durch Exmatrikulation sanktionieren. Zuletzt wäre dies auch eine sinnlose Übung: Antisemitismus steckt in den Köpfen. Er muss staatlicherseits unbedingt strafrechtlich verfolgt werden, wenn er die entsprechende Grenze überschreitet. Die Hochschulen können hier unterstützen, müssen Antisemitismus aber vor allem mit dem ihnen eigenen Instrument bekämpfen, dem Argument. Das ist absehbar eine Daueraufgabe für die Hochschulleitungen, alle Hochschulangehörigen und die Gesellschaft als Ganzes.
Kerstin Burck wird Kanzlerin der Johannes Gutenberg-Universität (JGU) Mainz. Die Leiterin des Dezernats Hochschulentwicklung der JGU tritt voraussichtlich zum 1. April 2024 die Nachfolge von Waltraud Kreutz-Gers an, die im November 2023 die Position als Kaufmännischer Vorstand der Universitätsmedizin Mainz übernommen hat.
Christian Landau wird an der Frankfurt School of Finance & Management Vizepräsident Akademische Programme und Professor für Strategie und Innovation. Seit 2019 war er Dekan der EBS Business School.
Brian McGill von der University of Maine wird mit dem Humboldt-Forschungspreis der Alexander von Humboldt-Stiftung ausgezeichnet. Der Preis ist mit 60.000 Euro dotiert. Das Geld wird der Makroökologe für mehrere Forschungsaufenthalte in Mitteldeutschland nutzen.
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Berlin.Table. Gerichtspräsident Rainer Schlegel: “Wir müssen die Komplexität des Sozialstaats unbedingt reduzieren”. Der scheidende Präsident des Bundessozialgerichts sieht Änderungsbedarf in der Arbeitsmarktpolitik. Viele Vorgaben seien überholt und nicht mehr geeignet, die Probleme von heute zu lösen. Mehr
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Haltung zeigen ist nicht nur erlaubt, sondern sogar Pflicht, ergänzt Manfred Bayer, Rektor der TU Dortmund. Mit dem Amtseid schwöre man schließlich, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu verteidigen. Dabei sorgt sich Bayer weniger um die Wissenschaftsfreiheit in Deutschland als vielmehr um die gelebte “Weltoffenheit in Deutschland”.
In seinem Standpunkt beschreibt HRK-Präsident Walter Rosenthal, wie die antisemitischen Übergriffe der vergangenen Tage für die Hochschulen und auch für ihn persönlich bedrückend und beschämend waren: “Hochschulen sind in ihrem Kern Akteure der dialogbasierten, offenen Zivilgesellschaft und sie wollen, ja sie müssen dies auch bleiben.”
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Solidarität für die Ukraine, Engagement gegen Antisemitismus, Kampf gegen Rechtsextremismus: Hochschulleitungen stehen immer häufiger unter Zugzwang, Stellung zu beziehen. Wer zögert, wird kritisiert, hat sich etwa in der Folge der Correctiv-Enthüllungen unter dem Hashtag #Laute Wissenschaft gezeigt. In der Community wird diskutiert, wozu sich Wissenschaft gesellschaftspolitisch äußern kann, soll oder sogar muss. Dürfen Unipräsidenten zur Teilnahme an Demos aufrufen? Was bedeutet in diesem Zusammenhang das viel zitierte Neutralitätsgebot?
“In den politischen und juristischen Auseinandersetzungen geht es nie um Neutralität”, sagt Friedhelm Hufen, Professor für Öffentliches Recht, Staats- und Verwaltungsrecht an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz. Auch vor dem Bundesverfassungsgericht werde Neutralität nicht angeführt, wenn etwa Parteipolitiker gegen politische Äußerungen von Amtsträgern klagen, die öffentliche Gelder beziehen. “Es geht immer um das Prinzip der parteipolitischen Chancengleichheit und eine sachliche Auseinandersetzung, die im Grundgesetz im Artikel 21 geregelt ist.”
Von der Kindererziehung bis zur Hochschule seien Bildung und Wissenschaft grundsätzlich nie neutral und immer auf ein bestimmtes zielgerichtet. “In gewissem Maße ist Wissenschaft sogar zwingend parteiisch, bis sie widerlegt wird”, sagt Hufen. Ganz besonders gelte das auch für Sachverhalte und Ziele, die in der demokratischen Verfassung festgeschrieben seien, “also etwa Toleranz, Gleichberechtigung und Religionsfreiheit”.
Je abstrakter der Sachverhalt sei, also etwa Stellungnahmen gegen Rassismus, Sexismus oder Islamophobie, desto rechtssicherer sei die Einmischung öffentlicher Amtsträger. Je konkreter sich eine Position oder Demonstration aber gegen Politiker oder Parteien richte, desto schwieriger werde es aus juristischer Sicht. Allerdings solle das nicht zu falscher Vorsicht führen: “Wenn in einem Parteiprogramm etwas Verfassungswidriges steht, darf ich mich dagegen wenden”, sagt Hufen.
Vorsicht sei vor allem in folgenden Fällen geboten:
Auch an den Hochschulen selbst überwiegt die Auffassung, dass ein etwaiges “Neutralitätsgebot” nicht bedeutet, dass man keine Haltung zeigen darf. “Im Gegenteil”, sagt Manfred Bayer, Rektor der TU Dortmund: “Hochschullehrer*innen haben bei ihrer Verbeamtung den Amtseid geschworen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu verteidigen“. Das bedeute, dass ein Bekenntnis zu den Grundwerten der Verfassung nicht nur erlaubt, sondern sogar Pflicht sei.
“Manchmal würde man sich allerdings wünschen, stärker am Handeln gemessen zu werden statt an der Zahl der Bekenntnisse auf diversen Kommunikationskanälen”, sagt der Hochschulmanager. Mit Blick auf erstarkende rechtsextreme Tendenzen ist dem Hochschulrektor weniger bang um die Wissenschaftsfreiheit – die “verfassungsrechtlich stark verankert sei” – als vielmehr um die “Weltoffenheit” in Deutschland. Wissenschaft lebe vom internationalen Austausch und man müsse sich angesichts des Fachkräftemangels bemühen, internationale Studierende zu integrieren.
Eva Inés Obergfell, Rektorin der Universität Leipzig, weist darauf hin, dass das Prinzip der Chancengleichheit im politischen Wettbewerb die Universitäten davor schütze, zum Austragungsort parteipolitischer Konkurrenz zu werden, besonders in Vorwahlzeiten. Das heiße aber nicht, dass die Universität ein unpolitischer Ort wäre. Sie sei vielmehr der Ort, an dem mit den spezifischen Mitteln der Wissenschaft über gesellschaftliche Entwicklungen kontrovers gerungen wird.
Gerade in den Monaten vor Wahlen brauche man aber Guidelines in Sachen Neutralitätsgebot. “Zum Beispiel sind Veranstaltungen mit Amtsträgern in unseren Räumen möglich, nicht aber mit Politikerinnen und Politikern, die als reine Parteivertreterinnen und -vertreter kommen”. Richtlinien, die Hochschulangehörigen klarmachen, unter welchen Bedingungen universitäre Ressourcen genutzt werden können, seien nicht einschränkend gemeint, sondern klärend und schützend. “Das geht einher mit der Rückendeckung der Hochschulleitung für das gerade jetzt nötige Engagement zugunsten von Demokratie und akademischer Freiheit.”
Die Kritik am Netzwerk Wissenschaftsfreiheit ebbt nicht ab – und sie zieht Kreise. Dem als eingetragener Verein organisiertem Verbund wird vorgeworfen, nicht transparent zu machen, dass er politisch agiert. Die Äußerungen des Netzwerks stärkten das Narrativ der Neuen Rechten, warnte etwa Geraldine Rauch, Präsidentin der TU-Berlin in einem Beitrag für Table.Media (gegen den sich das Netzwerk jetzt in einer Stellungnahme auf der Plattform X verwahrte). Empörung gibt es außerdem darüber, dass das Netzwerk sich bislang nicht zur Teilnahme seines Mitglieds Ulrich Vosgerau an dem von Correctiv enthüllten Potsdamer Geheimtreffen positioniert hat.
Am Wochenende erklärte Sandra Kostner, erste Vorsitzende des Netzwerks und akademische Mitarbeiterin an der PH Schwäbisch Gmünd, im Deutschlandfunk, weshalb Vosgerau weiterhin Mitglied im Netzwerk ist. Es sei sehr genau zu prüfen, was dieser in Potsdam gesagt habe, sagte sie. Darauf komme es an, und nicht, “womit er in Kontakt gekommen sei”. Was Correctiv berichtet habe, sei “gar nicht so eindeutig”. Die Berichterstattung über das Treffen habe sich “teilweise auch schon relativiert”. Bislang gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass Vosgerau sich verfassungswidrig geäußert habe. Erst dann sehe sie Anlass für Konsequenzen.
Reinhard Merkel, emeritierter Rechtswissenschaftler der Universität Hamburg und Gründungsmitglied des Netzwerks, sieht das ähnlich. Die klare rote Linie der Bemühungen des Netzwerks um freiheitliche Forschung und Lehre seien Verfassung und Gesetz, sagte er auf Anfrage. In diesem Rahmen sei das Spektrum groß. Das dürfe sein, “solange Mitglieder nichts propagieren, was gegen die Verfassung verstößt”. Über die Ansichten und Äußerungen Vosgeraus wisse er zu wenig, um über einen Ausschluss zu urteilen. Es sei Sache des Vorstands, das genauer anzusehen und dann zu entscheiden. Dass sich das Netzwerk bislang nicht zu dem Thema positioniert hat, kritisiert er nicht. Vielmehr warnt er vor Unbesonnenheit: “Bei einem Ausschluss sollte genau bedacht werden, dass das Netzwerk für die Freiheit des Denkens steht.”
Problematisch findet Enno Aufderheide, Generalsekretär der Alexander von Humboldt-Stiftung, die Zurückhaltung des Netzwerks. “Schweigen ist dann irgendwann auch Zustimmung”, sagte er in der DLF-Diskussionsrunde. “Unter dem Deckmantel der Wissenschaftsfreiheit darf man auch nicht verleumden oder Meinungen äußern, die mit Wissenschaft nichts zu tun haben.”
Ähnliche Kritik äußert Jürgen Zimmerer, Professor für Globalgeschichte an der Universität Hamburg: “Die Wissenschaftsfreiheit, die das Netzwerk meint, ist, die Freiheit anderer einzuschränken.” Er findet es offensichtlich, dass der Verein einseitige politische Positionen vertritt. “Natürlich stehe ich für das demokratische Recht, dass man sich auch in Vereinen zusammenschließt, deren politische Position ich nicht teile. Ich würde mir nur wünschen, dass das Netzwerk als politischer Verein wahrgenommen wird, sich zu seiner politischen Agenda bekennt”, sagt Zimmerer. Doch das Netzwerk suggeriere, es gehe ihm politisch neutral um Wissenschaftsfreiheit.
Aktuell konterkariere es sogar seinen Namen, indem es in seinen Kampagnen etwa gegen postkoloniale Studien die Diskursverengung an Hochschulen propagiert. “Es verbreitet eine Art Verschwörungsmythos, dass Unis von Gender und Postcolonial Studies dominiert seien.” Es führe einen Kulturkampf gegen eine moderne, progressive Wissenschaft, und damit letztendlich auch gegen eine moderne, offene Gesellschaft.
Dass das Netzwerk sich bisher nicht von Vosgerau und dem Potsdamer Treffen distanziert hat, findet Zimmerer bedenklich. “Wer für die Demokratie ist, der muss sich umgehend von den dort geäußerten Ansichten distanzieren, wenn er nicht damit in Zusammenhang gebracht werden will.”
Das gelte auch für den Deutschen Hochschulverband (DHV), betont Zimmerer. Ihn erzürnt, dass “ein Berufsverband mit einer politischen Lobbygruppe klüngelt”. Der DHV habe schlicht kein Mandat, sich in eine gesamtpolitische Debatte einzumischen, zumal in eine, die vom Netzwerk Wissenschaftsfreiheit in einer Art geführt wird, die an einen Kulturkampf erinnert.
Der Hochschulverband war Ende Januar anlässlich einer Preisverleihung des Netzwerks an den früheren DHV-Präsidenten Bernhard Kempen mit in die Kritik geraten. Er bezeichnete das Netzwerk als “einen willkommenen Mitstreiter” und wies darauf hin, dass es einen “Konformitätsdruck in der Debattenkultur an Universitäten” bemängele und ein Unbehagen bestätige, das der DHV unter der Ägide Kempens bundesweit als einer der ersten artikuliert habe.
Zimmerer forderte vom neuen DHV-Präsidenten Lambert T. Koch eine eindeutige Distanzierung und eine öffentlich geführte Auseinandersetzung, wie es zu diesem einseitigen Parteiergreifen kommen konnte. Mitglied im Verband will er weiterhin bleiben. Anders als zum Beispiel der Soziologe Daniel Witte von der Universität Bonn, der seine Austrittserklärung auf X veröffentlicht hat, ebenso wie bei Bluesky Niels Werber von der Universität Siegen und einige weitere unter dem Hashtag #CiaoDHV.
Der DHV bedauere stets, wenn sich einzelne Mitglieder einmal bei bestimmten Themen nicht nach ihren Vorstellungen vertreten fühlten, teilte der Verband auf Anfrage mit. Geäußerte Unzufriedenheiten würden dabei nach Möglichkeit aufgenommen. Dabei freue sich der Verband jederzeit auch über ausgetretene Mitglieder, die den Weg zurückfänden.
Zum Vorwurf der Parteinahme heißt es: Präsident Lambert T. Koch betont, dass der DHV vollständig unabhängig agiere und sich keiner anderen Institution und deren Werte und Handeln gemein mache. Das gelte auch für das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit. Der DHV verfolge die Entwicklungen anderer Organisationen und deren Zuspruch oder Kritik aus der Wissenschaft aufmerksam. Ihre Struktur und die politische Ausrichtung einzelner ihrer Mitglieder zu bewerten, sei nicht Aufgabe des Verbandes.
Wenn es jedoch darum gehe, für eine von gegenseitigem Respekt getragene, offene Debattenkultur und für die Freiheit der Wissenschaft einzutreten, habe der DHV dafür Sympathie und Verständnis. Sich für eine in Freiheit ausgeübte Wissenschaft einzusetzen, seien bleibende Aufgabe und Auftrag des DHV. Dies frei vom Vorwurf politischer Parteinahme zu äußern, müsse ganz in diesem Sinne möglich sein.
Jürgen Zimmerer hat andere Erfahrungen gemacht: Kurz nach der Gründung des Netzwerks hatte er im Frühjahr 2021 zusammen mit seiner Kollegin Andrea Geier eine kritische Analyse dazu verfasst und sie dem DHV-Magazin Forschung & Lehre zum Abdruck angeboten. “Unser Text wurde von der Redaktion als zu kritisch angesehen und sollte allenfalls als Teil eines Pro und Contra abgedruckt werden.” Das fanden die beiden unangemessen und zogen die Analyse zurück.
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Bis zum 4. März hat Nina Stahr noch Zeit. Dann muss die 41-Jährige ihr 2021 errungenes Bundestagsmandat wieder abgeben. Der Grund ist eine Personalrochade in der Grünen-Fraktion infolge der Wiederholungswahl in Berlin. Zwar legte die Partei in den Wahlbezirken, in denen am Sonntag neu gewählt wurde, im Vergleich zur Bundestagswahl 2021 zu. Da die Wahlbeteiligung jedoch erheblich von 75 auf 51 Prozent sank, steht dem Berliner Landesverband jedoch ein Mandat weniger zu. Stattdessen erhält die Grünen-Landesliste aus Nordrhein-Westfalen einen weiteren Platz: Franziska Krumwiede-Steiner aus Mülheim an der Ruhr wird für Stahr ins Parlament nachrücken.
Die Grünen-Bundestagsfraktion verliert mit Stahr eine versierte und fraktionsübergreifend anerkannte Fachpolitikerin. Als bildungs- und forschungspolitische Sprecherin setzte sie sich vor allem für eine Überarbeitung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes und eine Bafög-Reform ein. Dabei legte sie vor allem Wert auf die sozialen Komponenten – und sparte auch nicht mit Kritik an den Vorschlägen aus dem Haus von FDP-Ministerin Bettina Stark-Watzinger.
“Natürlich bin ich persönlich enttäuscht”, sagt Stahr im Gespräch mit Table.Media. Die Kindergrundsicherung, die Bafög-Reform und das Wissenschaftszeitvertragsgesetz seien “Herzensthemen” gewesen, die sie gerne weiterbearbeitet hätte. “Aber ich bin nicht aus der Welt und bin mir sicher, dass die Kolleginnen und Kollegen in der Fraktion da jetzt einen guten Job machen werden.”
Fachlich haben Stahr und ihre Nachfolgerin Krumwiede-Steiner viel gemeinsam: Beide sind Lehrerinnen von Beruf und engagieren sich neben bildungs- vor allem für familienpolitische Themen. Krumwiede-Steiner wird sogar Stahrs Mitarbeiter aus dem Bundestagsbüro übernehmen.
Wer Stahrs Aufgaben als fachpolitische Sprecherin übernehmen wird, ist noch nicht geklärt. Für den Sprecherposten wäre Stahrs bisherige Stellvertreterin Laura Kraft die logische Nachfolgerin. Die Neuwahl in der Fraktion findet voraussichtlich nach dem Mandatswechsel Anfang März statt.
Kai Gehring (Grüne), Vorsitzender des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, sagte, Stahr sei “mit Leib und Seele eine hochengagierte Abgeordnete gewesen”, die die Fach-AG “mit großem Einsatz, hoher Sachkenntnis und Verhandlungsgeschick geleitet” habe. Selbst bei der politischen Konkurrenz löst das Ergebnis Bedauern aus. Thomas Jarzombek, bildungs- und forschungspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, sagte auf Anfrage, er habe Stahr “als eine nette und pragmatische Kollegin” erlebt. “Ich hätte das niemandem gegönnt, aber sie ist für die Ausschussarbeit ein echter Verlust.”
Ihr sozialpolitisches Engagement möchte Stahr daher nun zunächst auf Landesebene fortsetzen. “Beim Thema soziale Gerechtigkeit wäre im schwarz-roten Senat auch einiges an Arbeit zu leisten”, sagt Stahr. Auch die Wissenschaftspolitik wolle sie als Landesvorsitzende vorantreiben. Gerade der Antisemitismus an den Berliner Hochschulen mache ihr große Sorgen. Trotzdem liebäugelt sie zugleich mit einer Rückkehr in den Bundestag “Ich habe in der letzten Nacht sehr viele Nachrichten bekommen, die gesagt haben, wir sehen uns 2025. Und natürlich kann ich mir gut vorstellen, bei der nächsten Bundestagswahl erneut auf der Berliner Landesliste zu kandidieren.” max
Mit sofortiger Wirkung stellt die Präsidentin der Christian-Albrechts-Universität (CAU), Simone Fulda, ihr Amt zur Verfügung – so steht es in einer knappen Meldung auf der Website der Kieler Hochschule. “In Verantwortung für die Universität und schweren Herzens gehe ich diesen Schritt, da leider bei Teilen der Universität offenkundig keine ausreichende Vertrauensbasis für eine erfolgreiche Zusammenarbeit mehr vorhanden ist”, wird Simone Fulda dort zitiert.
Die “Kieler Nachrichten” hatten vor wenigen Tagen zuerst über einen entsprechenden Beitrag im englischsprachigen Internetblog “For Better Science” berichtet.
Schleswig-Holsteins Wissenschaftsministerin Karin Prien (CDU) äußerte großen Respekt für die Entscheidung. Fulda stand seit Oktober 2020 an der Spitze der Kieler Uni. “In unseren Gesprächen hat sie mir versichert, dass eine Prüfung der DFG sie von allen Vorwürfen des wissenschaftlichen oder ethischen Fehlverhaltens freizeichnen wird”, sagte Prien. “Dennoch erkennt sie die aktuelle Debatte als Schaden nicht nur für ihre Person, sondern auch für den gesamten Hochschulstandort.”
Die im Raum stehenden Vorwürfe hätten über Monate die Exzellenzanstrengungen der Kieler Universität überschattet. “Die CAU muss jetzt in den kommenden Wochen zur Ruhe kommen und sich gänzlich darauf konzentrieren, mit den beiden bestehenden Exzellenzclustern erfolgreich zu bleiben.” Mit Anträgen für weitere Cluster war die Uni kürzlich gescheitert.
Die Kanzlerin der CAU, Claudia Ricarda Meyer, äußerte außerordentliches Bedauern über Fuldas Rückzug. “Wir zollen ihr größten Respekt für diese Entscheidung und danken ihr sehr für ihr außergewöhnliches Engagement in den vergangenen Jahren.” Hinsichtlich der Vorwürfe zur angeblichen Datenmanipulation, die aktuell gegenüber Simone Fulda sowie Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen anderer Forschungseinrichtungen gestellt werden, gelte weiterhin die Unschuldsvermutung, betonte Meyer. Diese Vorwürfe würden derzeit sorgfältig nach Richtlinien guter wissenschaftlicher Praxis durch die zuständigen Einrichtungen geprüft.
Bei der DFG wird man sich in dieser Woche mit den Vorwürfen beschäftigen. Dabei wird, wie stets bei Fälschungsverdacht, ein Vorermittlungsverfahren angestrengt.
Bis zur Wiederbesetzung des Präsidial-Amtes soll ein Interims-Präsidium die Geschäfte der CAU leiten. Dem Gremium gehören den Angaben zufolge die Vizepräsidentin Catherine Cleophas, die Kanzlerin sowie die Vizepräsidenten Markus Hundt, Eckhard Quandt und Ralph Schneider an. Ein Arbeitsschwerpunkt des Interim-Präsidiums werde die Vorbereitung der Folgeanträge für die bestehenden Exzellenzcluster sein.
Der Wissenschaftler Leonid Schneider hat erstmals Ende Januar in seinem englischsprachigen Wissenschaftsblog “For Better Science” Kritik an Arbeiten Fuldas erhoben. Demnach sollen sich in früheren wissenschaftlichen Arbeiten Fuldas aus dem Bereich der Krebsforschung Fälle von Datenmanipulation befinden, biomedizinische Abbildungen verschiedener Forschungsreihen sollen identisch sein. Dies sei nicht möglich, schreibt Schneider. Gegenüber NDR Schleswig-Holstein erklärt Schneider, er habe für seine Recherchen auch mit Experten im Bereich der Bildbearbeitung zusammengearbeitet. Außerdem habe er der Professorin seine Kritik schon vor Wochen mitgeteilt und keine Antwort erhalten.
Der Druck auf Fulda hatte sich auch nach dem Scheitern aller Neuanträge in der Exzellenzstrategie erhöht. Bei einer erfolgreichen Bewerbung wären in jedem Exzellenzcluster drei bis zehn Millionen Euro Fördergelder jährlich möglich gewesen – sieben Jahre lang. nik mit dpa
Unter dem Eindruck der antisemitischen Vorfälle im Umfeld der FU Berlin hat sich die Berliner Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra für eine Anpassung des Landeshochschulgesetzes ausgesprochen. “Wir müssen die aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen prüfen und gegebenenfalls nachjustieren”, sagte Czyborra im Interview mit der Jüdischen Allgemeinen (JA). Sie sprach sich “im Zweifel” auch für Exmatrikulationen aus, wies allerdings darauf hin, dass aus ihrer Sicht zunächst das Strafrecht greifen müsse und Hochschulen in der Zwischenzeit von ihrem Hausrecht Gebrauch machen sollten.
Sie begrüßt vor diesem Hintergrund die Entscheidung der FU Berlin, dem Täter im Fall des gewalttätig angegriffenen jüdischen Studierenden Lahav Shapira, ein Hausverbot ausgesprochen zu haben, sagte Czyborra weiter. “Hierzu habe ich mich ganz aktuell mit dem Regierenden Bürgermeister darauf verständigt, dass, wenn die derzeitigen rechtlichen Möglichkeiten nicht ausreichen, wir den Hochschulen zusätzliche durchgreifende Instrumente an die Hand geben. Das beinhaltet auch eine mögliche Reform des geltenden Hochschulgesetzes”, sagte Czyborra.
Die Möglichkeit einer ordnungsrechtlichen Zwangsexmatrikulation von Studierenden wurde in Berlin mit der Novelle des Landeshochschulgesetzes im Jahr 2021 abgeschafft. Damit wurde den Hochschulleitungen die Möglichkeit genommen, Studierende zu exmatrikulieren oder die Exmatrikulation anzudrohen, selbst wenn Studierende strafrechtlich in Erscheinung getreten sind. Auf Anfrage von Table.Media hatte die FU Berlin mitgeteilt, dass auch ihr Präsident Günter Ziegler “mit der Politik darüber beraten möchte, ob in besonders extremen Fällen Exmatrikulationen ermöglicht werden sollten und ob dies rechtlich umsetzbar ist”.
Czyborra wies in dem Interview auch daraufhin, dass sie selbst bei der Novelle des Hochschulgesetzes im Jahr 2021 “skeptisch gewesen” sei, ob die Streichung des Ordnungsrechts richtig ist. Ihre Bedenken hätten sich damals auch ergeben, “weil es zum Beispiel auch vor dem Hintergrund sexualisierter Gewalt an den Hochschulen ein Problem ist, wenn wir nicht die Möglichkeit haben, Straftäter aus den Hochschulen zu entfernen”. Die Koalition aus SPD, Linken und Grünen sei damals aber der Auffassung gewesen, dass das Ordnungsrecht ein “,stumpfes Schwert’ ist, ein ,totes Recht’, das aus einer Zeit kam, als Hochschulen auch noch eine andere Rolle hatten”.
In der vergangenen Woche waren von verschiedenen Seiten Rücktrittsforderungen an die Wissenschaftssenatorin herangetragen worden. Im Interview mit der JA bedauerte Czyborra, dass ihre Äußerungen im Zuge der Debatte den Eindruck erweckt hätten, “ich würde Gewalt und Antisemitismus relativieren”. Das Gegenteil sei der Fall. Ihre Aussagen, die sie in einem längeren Interview mit dem rbb getätigt habe, seien aus dem Zusammenhang gerissen worden.
Der Nahost-Konflikt sorgt auch an anderen Hochschulen in Berlin für Spannungen. Am 8. Februar wurde eine gemeinsame Veranstaltung der Humboldt-Universität und der Hertie School abgebrochen, zu der eine israelische Verfassungsrichterin geladen war. Pro-palästinensischen Aktivisten hatten nach Angaben der Hochschulen eine Protestrede vorgetragen und die Podiumsdiskussion nachhaltig gestört. Am Abend war die Diskussion im kleineren Kreis fortgeführt worden. “Wir begrüßen es, wenn Hochschulen wieder ein weitergehendes Ordnungsrecht bekommen, das in schweren Vergehensfällen zur Anwendung kommen kann”, sagte eine Sprecherin der HU auf Anfrage von Table.Media. Man unterstütze ausdrücklich die entsprechende gemeinsame Initiative des Regierenden Bürgermeisters und der Berliner Wissenschaftssenatorin. tg
Im November 2019 hat die Mitgliederversammlung der HRK die Entschließung “Kein Platz für Antisemitismus” veröffentlicht. Diese Positionierung ist und war glasklar, und viele meiner Kolleginnen und Kollegen und ich haben sie in den letzten Monaten wiederholt und öffentlich bestätigt.
Dennoch müssen wir heute festhalten: An Hochschulen in Deutschland gibt es Antisemitismus, und nicht erst seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel. Jüdische Studierende oder Mitarbeitende sehen sich verbalen Diffamierungen ausgesetzt, werden bedroht oder sogar tätlich angegriffen, bleiben aus Sicherheitserwägungen dem Campus fern oder verbergen ihre jüdische Identität.
Wie kann man diese Situation erklären, die für die Hochschulen heute wie auch für mich persönlich bedrückend und beschämend ist? Das deutsche Hochschulsystem umfasst über 400 Einrichtungen in ganz Deutschland, fast drei Millionen Studierende und knapp 800.000 Beschäftigte. Es ist insoweit ein Abbild unserer Gesellschaft. Das bedeutet, dass die Mehrheit dieser vielen Menschen die Positionierung ihrer Hochschule mitträgt und sich klar von Antisemitismus distanziert. Es bedeutet aber auch, dass der nie aus unserer Gesellschaft verschwundene Antisemitismus sich grundsätzlich auch an Hochschulen zeigt – in allen Formen, ob christlich, muslimisch, israelbezogen, sekundär, politisch rechts oder links.
Warum kommt es nun aber nicht nur, jedoch auch an Hochschulen oder in ihrem Umfeld zu antisemitischen Äußerungen und Vorfällen? Ein Faktor mag das Wesen der Hochschule selbst sein: Sie ist als Einrichtung des wissenschaftlichen Diskurses konzipiert, an der Wahrheitsansprüche kritisch verhandelt, neue Konzepte erprobt und tradierte Wissensbestände und Hierarchien hinterfragt werden müssen. Dies machte Hochschulen in der Geschichte bis heute immer wieder zum Schauplatz von Protest und Konflikten, die auch eskalieren können – jüngst in dramatischer Weise in der Folge des Angriffs auf Israel.
In der Konsequenz steht das Hochschulsystem unter starkem öffentlichem Druck. Es werde seiner Verantwortung für den Schutz jüdischer Studierender und Mitarbeitender nicht gerecht, agiere zu zögerlich, sei inhaltlich zu nachsichtig – so kann man die Stimmen aus Politik und Gesellschaft, von Betroffenen und Beobachtenden vielleicht zusammenfassen. Was können die Hochschulen und ihre Leitungen in dieser Situation tun?
Die Notwendigkeit, sich als Hochschule klar zu positionieren, ist der erste Schritt, allein aber nicht ausreichend. Hochschulen müssen auch konkret handeln: Hausverbote aussprechen und durchsetzen, antisemitische Straftaten von Hochschulmitgliedern anzeigen und wo nötig Sicherheitsvorkehrungen auf dem Campus erhöhen, Anlaufstellen für Antidiskriminierung bzw. Antisemitismus einrichten und stärken. Forschung und Lehre zum Judentum, zu jüdischer Geschichte und zu jüdischem Denken, die Vermittlung der Geschichte des Staates Israel wie auch Angebote der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Antisemitismus müssen ausgeweitet werden.
Dennoch bleibt die Hochschule immer in einer schwierigen Position: Straftaten zu verfolgen ist Aufgabe der Behörden, Störungen der Abläufe können die Hochschulen mit dem Hausrecht entgegentreten. Jenseits dieser Fälle liegende antisemitische Aktionen an den Hochschulen jedoch, die sich durch Niederbrüllen und kommunikative Verweigerung auszeichnen, setzen sie sich bewusst außerhalb des von der Wissenschaftsfreiheit geschützten offenen und rationalen Diskurses und stellen gerade deshalb infrage, was Hochschulen im Kern ausmacht.
Angesichts der jüngsten Vorfälle sind in der öffentlichen Auseinandersetzung nun Stimmen zu hören, die das regulatorische Instrumentarium der Hochschulen ausweiten wollen, um schnell entsprechend reagieren zu können. Das ist der falsche Weg. Richtig dagegen bleibt es, Maßnahmen wie insbesondere die Zwangsexmatrikulation an strenge Voraussetzungen zu knüpfen.
Das gebietet nicht nur der starke Grundrechtsschutz, der auch heute schon etwa im Falle eines Hausverbots Anhörungen und Befristungen – kurz: ein rechtsstaatliches Verfahren – verlangt. Vielmehr liegt es im Wesen der Hochschule und ihrer Autonomie, sich nicht in erster Linie als ordnungspolitisches Instrument zu verstehen. Hochschulen sind in ihrem Kern Akteure der dialogbasierten, offenen Zivilgesellschaft und sie wollen, ja sie müssen dies auch bleiben. Sie haben einen Bildungs- und einen Forschungsauftrag.
Das schließt keineswegs aus, dass sie harte Grenzen ziehen, aber sie können und sollten weder polizeiliche Aufgaben übernehmen noch bloße, strafrechtlich nicht relevante Meinungen durch Exmatrikulation sanktionieren. Zuletzt wäre dies auch eine sinnlose Übung: Antisemitismus steckt in den Köpfen. Er muss staatlicherseits unbedingt strafrechtlich verfolgt werden, wenn er die entsprechende Grenze überschreitet. Die Hochschulen können hier unterstützen, müssen Antisemitismus aber vor allem mit dem ihnen eigenen Instrument bekämpfen, dem Argument. Das ist absehbar eine Daueraufgabe für die Hochschulleitungen, alle Hochschulangehörigen und die Gesellschaft als Ganzes.
Kerstin Burck wird Kanzlerin der Johannes Gutenberg-Universität (JGU) Mainz. Die Leiterin des Dezernats Hochschulentwicklung der JGU tritt voraussichtlich zum 1. April 2024 die Nachfolge von Waltraud Kreutz-Gers an, die im November 2023 die Position als Kaufmännischer Vorstand der Universitätsmedizin Mainz übernommen hat.
Christian Landau wird an der Frankfurt School of Finance & Management Vizepräsident Akademische Programme und Professor für Strategie und Innovation. Seit 2019 war er Dekan der EBS Business School.
Brian McGill von der University of Maine wird mit dem Humboldt-Forschungspreis der Alexander von Humboldt-Stiftung ausgezeichnet. Der Preis ist mit 60.000 Euro dotiert. Das Geld wird der Makroökologe für mehrere Forschungsaufenthalte in Mitteldeutschland nutzen.
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Berlin.Table. Gerichtspräsident Rainer Schlegel: “Wir müssen die Komplexität des Sozialstaats unbedingt reduzieren”. Der scheidende Präsident des Bundessozialgerichts sieht Änderungsbedarf in der Arbeitsmarktpolitik. Viele Vorgaben seien überholt und nicht mehr geeignet, die Probleme von heute zu lösen. Mehr
China.Table. BASF zieht sich vom Xinjiang-Joint Venture zurück – Druck auf VW steigt. Bundespolitiker begrüßen den Rückzug von BASF aus Xinjiang. Und doch gibt es Kritik. Denn der Konzern reagierte spät. Um die chinesische Führung offenbar nicht zu verärgern, stellt BASF auch Umweltgründe in den Vordergrund. Mehr
Europe.Table. Deutsche Kurswechsel bei EU-Gesetzen: Ampelkoalition richtet Flurschaden in Brüssel an. Die starken Fliehkräfte in der Bundesregierung sind auch auf EU-Ebene zu spüren. FDP-Minister sorgen mit plötzlichen Manövern für Turbulenzen im Rat – und müssen sich dafür harsche Kritik anhören. Mehr
Europe.Table. Einigung zu EU-Schuldenregeln: Nahe an Ratsposition, wenig Investitionsspielraum. In einer finalen, 16-stündigen Trilog-Verhandlung einigen sich die belgische Ratspräsidentschaft und die Verhandlerinnen des EU-Parlaments auf eine Reform der EU-Schuldenregeln. Auch wenn das Ergebnis überwiegend der Position des Rats entspricht, soll es kleinere Zusatzspielräume für Investitionen schaffen. Mehr