Israel ist weiterhin im Kriegszustand und die Auswirkungen auf Wissenschaft und Wirtschaft sind erheblich. Es wird geschätzt, dass mehr als 30 Prozent der israelischen Studierenden und rund 30 Prozent der Mitarbeiter aus Israels weltweit führendem Hightech-Sektor als Reservisten einberufen wurden. Der offizielle Semesterbeginn wurde vorerst auf den 3. Dezember verschoben. Mein Kollege Tim Gabel hat mit Andrea Frahm über ihre Eindrücke gesprochen. Sie leitet das Helmholtz-Büro in Tel Aviv und spricht sich dafür aus, eine institutionenübergreifende Taskforce zu bilden, um die israelische Wissenschaft zu unterstützen.
Für unsere Serie “Politikberatung, quo vadis?”, habe ich mit dem ehemaligen Kanzleramtschef Helge Braun gesprochen. Ein Fazit, das er aus der Pandemie zieht: Es muss klar sein, wer legitimiert ist, für die Wissenschaft zu sprechen. Politik habe die Aufgabe, sich nach vertrauenswürdigen Institutionen zu richten, sagt der Arzt und CDU-Politiker. Der Bundesregierung rät er, sich ein klares Regelwerk für die wissenschaftliche Politikberatung zu geben und zum Beispiel Standards für Expertengremien zu definieren.
Um Standards geht es derzeit auch bei den Sondierungsgesprächen zwischen CDU und SPD in Hessen. Offenbar planen die künftigen Koalitionäre das Gendern mit Sonderzeichen an öffentlichen Institutionen auszumerzen. Dürfen die das? Wie reagieren die Hochschulen? Mein Kollege Markus Weisskopf hat sich umgehört.
Gute Lektüre wünscht Ihnen,

Als Mediziner und Politiker kennt der CDU-Bundestagsabgeordnete Helge Braun beide Seiten der wissenschaftlichen Politikberatung. Im Kanzleramt war er zu Beginn der Coronavirus-Pandemie im Zentrum des Geschehens. Sein Fazit aus dieser Zeit: “Die Pandemie hat gezeigt, dass klar sein muss, wer legitimiert ist, für die Wissenschaft zu sprechen.” Vor allem grundlegende und einschneidende Entscheidungen müssten evidenzbasiert sein und es dürfe “nicht der Eindruck entstehen, dass Politik sich die Meinung aussucht, die am besten passt”.
Braun betont: “Politik hat die Aufgabe, sich nach vertrauenswürdigen Institutionen zu richten und nicht nach Einzelmeinungen, die es in der Wissenschaft auch gibt.” Beispiele für vertrauenswürdige Institutionen seien “in erster Linie die Wissenschaftsakademien, Fachgesellschaften und die Ressortforschungseinrichtungen”. Im gesamten politischen Diskurs müsse klar sein, dass “diese legitimierten Stimmen der Wissenschaft auch entsprechend dargestellt werden müssen”.
In dieser Hinsicht sieht Braun Nachholbedarf, auch aufseiten der Medien. “In Talkshows stehen häufig die Meinungen von zwei Wissenschaftlern nebeneinander, ohne dass das eingeordnet ist. Den Zuschauern ist oft nicht klar, dass der eine zum Beispiel für eine Fachgesellschaft spricht und der andere ein Minderheitsvotum äußert.” Medien müssten die Ergebnisse von Konsensprozessen gewichten und sollten nicht jedes Sondervotum gleichwertig darstellen, findet er. “Das überfordert die Bürger, lässt sie ratlos zurück und untergräbt das Vertrauen in Wissenschaft.”

Braun sieht bei den Beratungsstrukturen keinen grundlegenden Reformbedarf. “Das Fundament der wissenschaftlichen Politikberatung ist in Ordnung in Deutschland. Die Institutionen sind vorhanden.” Allerdings sei zum Beispiel die wichtige Rolle der Leopoldina als Nationalakademie vielen Leuten noch nicht so bewusst. “Sie wird als ein Diskurspartner von vielen betrachtet.” In anderen Ländern, etwa in Großbritannien, sei die gesellschaftliche Beratungsfunktion der Wissenschaftsakademien seit Jahrhunderten etabliert.
Braun plädiert dafür, die Rolle der legitimierten Institutionen durch “klar benannte Strukturen und Aufgaben” zu stärken. “Einrichtungen wie die Wissenschaftsakademien müssten sagen, was sie können und wo es Limitationen gibt, etwa mit Blick auf Geschwindigkeit bei akuten Krisen oder auf Detailtiefe.” Zusätzlich spricht er sich dafür aus, die politikberatende Funktion von Fachgesellschaften zu stärken. Und für Einrichtungen wie das Robert-Koch-Institut oder das Umweltbundesamt gilt aus seiner Sicht: “In der Ressortforschung muss hoheitliche Aufgabe und damit Weisungsgebundenheit klar von wissenschaftlicher Expertise und damit Handeln in Wissenschaftsfreiheit getrennt werden.”
Um die Beratungsstrukturen klarer zu gestalten, solle sich die Bundesregierung ein Regelwerk geben. “Zum Beispiel sollte es Qualitätsstandards für die Evaluation von Maßnahmen und Gesetzen geben. Momentan ist das ist ein methodisches Sammelsurium.” Wichtig findet er es darüber hinaus, Standards zu definieren für Expertengremien, -kommissionen und -räte. “Bisher wird bei jedem einzelnen Gremium neu überlegt, wie man es zusammensetzen könnte.” Dadurch entstehe leicht der Verdacht, dass schon bei der Zusammensetzung Interessen oder erhoffte Ergebnisse eine Rolle spielen. “Ein klares Regelwerk und Standards könnten das Vertrauen darauf stärken, dass der Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Politik berücksichtigt wird.”
Von der Wissenschaft wünscht er sich weniger Zurückhaltung. “Manche Wissenschaftler haben regelrecht Angst, in eine politische Positionierung gezwungen zu werden. Deshalb versuchen sie, mit ihrer Erkenntnis möglichst weit weg von der praktischen Ableitung zu bleiben.” Das nennt Braun “schwierig”. Es sei wichtig zu sagen, was “legitime Ableitungen aus den wissenschaftlichen Erkenntnissen” sind. Und Forschende müssten auch klar benennen, was man “so gar nicht” daraus ableiten kann. “Denn in Zeiten von Fake News oder alternativen Wahrheiten gibt es unglaublich viele Umdeutungsversuche.”
Handlungsempfehlungen für die Politik auszusprechen, sieht Braun nicht als Aufgabe der Wissenschaft. “Politik kann sehr viel von der Wissenschaft profitieren, ohne dass die Wissenschaft gleich sagt, was im Gesetz stehen muss.”
An die Politik richtet er den Appell, Wissenschaft nicht zu instrumentalisieren und zu akzeptieren, “wenn Wissenschaft von den Grenzen des Möglichen spricht”. Es sei wichtig, “sauber zu trennen”, was Erkenntnis und was Ableitung ist. “Politische Entscheidungen und wissenschaftliche Erkenntnisse sind zwei Dinge, die aufeinander aufbauen. Aber das ist kein Eintopf.” Wichtig und redlich wäre es aus Brauns Sicht, transparent zu machen, wenn Politik vom wissenschaftlichen Rat abweicht. “In dieser Hinsicht ist mehr Zumutung und Ehrlichkeit notwendig.”
Das komplette Gespräch mit Helge Braun lesen Sie hier.
Die Serie “Politikberatung, quo vadis?” finden Sie gesammelt hier.

Frau Frahm, wie haben Sie die Ereignisse am 7. Oktober in Tel Aviv miterlebt, was ist seitdem passiert?
Am 7. Oktober bin ich in Tel Aviv morgens vom Raketenalarm geweckt worden. Und dann drangen über den Tag hinweg immer mehr Informationen über die grauenhaften Ereignisse an uns heran. Das wirkt nach, und für die israelische Bevölkerung kann man da sicher von einem Trauma sprechen. Vor allem ging das auch einher mit dem Verlust eines Sicherheitsgefühls. Vorher hatte man doch den Eindruck, dass durch die Raketenabwehr Iron Dome, aber auch durch den israelischen Sicherheitsapparat, ein gewisser Schutz da ist. Dieses Schutzgefühl ist seit dem Tag verloren gegangen. Ich mache mir sehr große Sorgen um die Geiseln und Vermissten sowie um Freunde, die eingezogen wurden, genauso wie um die Menschen im Gazastreifen, die nicht hinter der Hamas stehen. Ich selbst bin mit vielen anderen deutschen Kolleginnen und Kollegen vorübergehend ausgereist und arbeite nun von Berlin aus. Aber ich bin eher physisch in Deutschland und mit meinen Gedanken in der Region.
Sie leiten das einzige Verbindungsbüro einer deutschen Forschungsorganisation vor Ort in Tel Aviv. Können Sie die Arbeit mit ihrem Team derzeit fortsetzen?
Wir waren in den ersten Wochen wie gelähmt. Zudem konnte man auch nicht einschätzen, was am nächsten Tag passiert. Gibt es vielleicht weitere Angriffe aus dem Norden? Wie viele Hamas-Terroristen befinden sich noch auf israelischem Territorium? Dazu der zu Beginn heftige Raketenbeschuss. Der Adrenalinspiegel war hoch und man hat von einem zum anderen Tag geschaut. Als ich hier in Berlin angekommen bin, war an ein Weiter so in den ersten Tagen und Wochen nicht zu denken. Derzeit arbeitet noch eine Kollegin aus unserem vierköpfigen Team in Tel Aviv, die sich normalerweise um Veranstaltungen kümmert. Für uns sind Workshops und Veranstaltungen wichtige Instrumente zum Austausch. Wir hatten im Herbst sehr viel geplant.
Kann denn derzeit überhaupt Austausch stattfinden, gibt es noch oder schon wieder eine Art Normalität?
Vieles findet erstmal nicht statt und wir haben uns bemüht, einiges zu verschieben. Andererseits lässt sich auch noch nicht genau absehen, wann es überhaupt wieder eine gewisse Normalität gibt. Wir schauen auch, was sich vielleicht von hier umsetzen lässt. Unser Büro hat einen starken Fokus auf Innovationsmanagement und Entrepreneurship. Und im Moment planen wir, israelische Partner in den nächsten Monaten für Workshops an unseren Helmholtz Transfer Academies nach Deutschland zu bringen. Das machen wir abhängig vom Bedarf unserer Zentren. Wir bemühen uns, das Beste aus der Situation zu machen. Außerdem nutze ich die Zeit hier in Deutschland, um neue Formate und Ideen voranzutreiben. Man wacht so langsam wieder aus der Schockstarre auf und versucht jetzt Dinge anzuschieben und zu schauen, was geht.
Warum ist der Austausch mit Israel so bedeutend?
Einer der Hauptgründe, warum das Helmholtz-Büro in Tel Aviv etabliert wurde, ist die enge Vernetzung mit dem israelischen Innovationsökosystem. Wir können nicht alles adaptieren, weil es dort eine andere Dynamik gibt, aber wir können vieles lernen. Unsere Wissenschaftler, die über eine Ausgründung nachdenken, profitieren sehr von dem Austausch und werden inspiriert. Israel ist zudem schon aus geopolitischen Gründen sehr international ausgerichtet, ein Ort der Begegnung und eine politische Drehscheibe. Wir sehen uns als Service Provider für unsere 18 Helmholtz-Zentren. Wenn diese sich in einem bestimmten Bereich austauschen wollen, dann ist es unser Job, Kontakte zu finden, zu vernetzen und Kooperationen zu etablieren.
Der Semesterstart in Israel ist auf Dezember verschoben worden. Haben Sie den Eindruck, dass das Wissenschaftssystem in Israel derzeit stillsteht?
Eine wesentliche Stärke Israels ist die Resilienz, die aus der Situation der ständigen Bedrohungslage resultiert. Ich beobachte schon jetzt eine Einstellung nach der Devise: Okay, wir stehen wieder auf und wir werden auch diese Situation überleben. Israelische Wissenschaftskollegen beginnen, wieder nach Europa zu reisen, sofern es die Flugsituation erlaubt. So hatten wir Partner im Rahmen der Science Week in Berlin zu Gast. Nächste Woche bekommen wir Besuch von einem Vertreter der Israel Innovation Authority, einem wichtigen Kooperationspartner der Helmholtz-Gemeinschaft, um gemeinsam mit unseren Zentren alternative Möglichkeiten der Zusammenarbeit auszuloten.
Israel ist ein Hochtechnologieland, international angesehen für seine Forschung und die Start-up-Kultur. Viele junge Entrepreneure und Wissenschaftler sind jetzt im Kriegseinsatz. Kann man einschätzen, was das für die Community bedeutet?
Es wird geschätzt, dass 30 Prozent aller Studierenden eingezogen wurden und nochmal rund 30 Prozent der Mitarbeiter in der Hightech-Branche. Das wirkt sich natürlich auf Wissenschaft und Wirtschaft aus. Der Start des akademischen Jahres wurde auf den 3. Dezember geschoben. Wobei noch nicht klar ist, ob sich dieser Termin halten lässt. Neben den Zahlen sind an den Universitäten auch die interkulturellen Gräben, die jetzt aufreißen oder entstehen könnten, ein großes Problem. Denn es gibt an Israels Universitäten natürlich auch viele arabisch-israelische Studierende und Wissenschaftler.
Welchen Beitrag kann die deutsche Scientific Community, aber auch die Politik zur Unterstützung der israelischen Wissenschaft leisten?
Ich denke, dass das Erlebte momentan einfach noch zu frisch ist, um jetzt von deutscher Seite irgendwelche Friedensprojekte auf die Spur zu setzen. Selbst da, wo es Annäherungen gab oder gibt, ist das Eis im Moment sehr dünn. Ich habe das in Diskussionen vor Ort selbst erlebt: Beide Seiten sind derzeit emotional aufgeladen. Mit Blick auf die israelische Wissenschaftsszene denke ich, dass es eine gute Idee wäre, israelische Wissenschaftler zu unterstützen, die derzeit für einige Zeit ihre Projekte in Deutschland fortsetzen wollen. Eine weitere sinnvolle Idee wäre es, in Deutschland institutionenübergreifend eine Taskforce zu gründen, da alle Forschungsorganisationen derzeit sorgenvoll auf die aktuelle Situation blicken und unterstützend tätig werden wollen. Ich gehe davon aus, dass wir einige dieser Ideen in den nächsten Wochen konkretisieren werden.
15. November 2023, 10 Uhr, Kaisersaal, Futterstraße 15/16, 99084 Erfurt
Öffentliche Tagung des Deutschen Ethikrats Lost in ”Metaverse”? Zur Verschränkung realer und digitaler Welten Mehr
16. November 2023, Wilhelm Büchner Hochschule, Darmstadt
Tagung WBH Wissenschaftsforum 2023 – “Transformation gestalten” Mehr
16. November 2023, 17:00-18:30 Uhr, Friedrich-Ebert-Stiftung Berlin und Online
Diskussion Holistischer Helfer oder befangene Blackbox? Chancen und Risiken von KI in der Hochschullehre Mehr
29. November 2023, 11:00-16:00 Uhr, Langenbeck-Virchow-Haus
Diskussion Tag der Hochschulmedizin, Eröffnungsrede: Prof. Dr. Karl Lauterbach Mehr
1. Dezember 2023, 9:15 bis 15:00 Uhr, Münchner Künstlerhaus, München.
Konferenz, ausgerichtet von Helmholtz München in Kooperation mit LMU, TUM, MPG und Fraunhofer Munich for Women in Science Mehr

Beim Finale der diesjährigen Falling-Walls-Konferenz am vergangenen Donnerstag ging es um die großen wissenschaftlichen Durchbrüche. Kernfusion, Quantenforschung und mobile Roboter sind nur drei Beispiele der 20 Forschungsergebnisse und -projekte, die am Breakthrough Day im Radialsystem in Berlin präsentiert wurden.
Zum Glück gab es auch Pausen. Und die waren angesichts der Dichte wichtiger Köpfe aus der deutschen und internationalen Forschungscommunity genauso wichtig. Denn bei Kaffee, heißem Ingwer-Zitronen-Tee und Häppchen wurden Kontakte geknüpft und erneuert. Und es entstand mindestens eine neue hochkarätige Forschungsallianz: Es wurde bekannt, dass der diesjährige Physiknobelpreisträger Ferenc Krausz und der kürzlich mit dem renommierten Breakthrough Prize in Life Sciences geehrte Thomas Gasser an diesem Tag eine Kooperation vereinbart haben – unkonventionell, aber verbindlich.
Krausz, Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching und einer der Begründer der Attosekundenphysik, entwickelt die Technologie derzeit weiter, um sie in der Medizin für die Erkennung von Krebs zu nutzen. Dabei geht es um die frühzeitige Detektion spezifischer molekularer Muster in Blutproben. Auch Parkinsonexperte Gasser von der Universität Tübingen ist an der Früherkennung der Krankheit, die er erforscht, interessiert. Im Blut lassen sich die parkinsontypischen aggregierten Proteine detektieren.
Im Gespräch mit Krausz sei schnell klargeworden, dass er für eine Kooperation eine gut sortierte Sammlung von Blutproben zur Verfügung stellen kann, berichtete Gasser am Rande der Konferenz. “Wir haben sogar noch Proben von vor zehn Jahren.” Parkinson so früh zu erkennen, dass sich die Krankheit entscheidend bremsen lässt, wäre ein großer Fortschritt. Gasser: “Im Idealfall ließe sich der Ausbruch vielleicht sogar bis zum Erreichen des durchschnittlichen Lebensalters hinauszögern.”
Dass Nobelpreisträger sich neue, große Ziele setzen, klang auch im Talk von Benjamin List an. Der Direktor am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mühlheim an der Ruhr erhielt 2021 für die Entwicklung der Organokatalyse den Chemienobelpreis. Die ultimative Katalysereaktion wäre, Kohlendioxid in Kohlenstoff und Sauerstoff zu spalten, sagte er. Und verriet während der Kaffeepause noch ein bisschen mehr. Mit seiner Arbeitsgruppe arbeite er bereits an dem Vorhaben, stehe aber noch ganz am Anfang. “Die Idee hatte ich schon bevor ich den Nobelpreis erhielt, habe sie aber nicht publik gemacht”, sagte List.
Sollte es klappen, ein effizientes, vielleicht ebenfalls organisches Katalyseverfahren zu entwickeln, wären damit gleich mehrere große Probleme gelöst: Überschüssiges CO₂ könnte aus der Atmosphäre entfernt werden, was die globale Erwärmung bremsen würde. Der Kohlenstoff stünde als Ausgangsstoff für die Industrie – etwa für klimaneutrale Treibstoffe – zur Verfügung, ließe sich in der Erde vergraben oder wie Zement für die Bauindustrie nutzen. List: “Die Kohle kann natürlich auch wieder als Energieträger genutzt werden.”
Die Forschungsbedingungen in Deutschland findet List exzellent: “Als Direktor an einem Max-Planck-Institut habe ich alles, was ich brauche, und kann langfristig planen und schwierige Probleme lösen. Noch dazu gibt großartige Möglichkeiten, sich um Fördermittel zu bewerben, auf deutscher und auf europäischer Ebene. Das sind beispielsweise bestimmte Förderprogramme bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder beim European Research Council ERC. Die sind sehr kompetitiv, aber es lohnt sich.” Beim ERC habe er mittlerweile seinen dritten Advanced Grant eingeworben.
Und so musste List auch nicht lange überlegen, als er erst kürzlich mal wieder ein Jobangebot aus den USA erhielt. “Es wäre in Kalifornien gewesen, gute Ausstattung des Instituts, ein dreimal höheres Gehalt als jetzt und Blick auf den Pazifik. Ich habe trotzdem abgelehnt.” abg

Für viele überraschend verkündete der hessische Ministerpräsident Boris Rhein am Freitag die Aufnahme von Koalitionsgesprächen mit der SPD. Ein Punkt aus dem bald danach durchgesickerten Sondierungspapier, der für intensive Diskussionen in der Wissenschaftscommunity sorgt, ist eine geplante Regelung zum Gendern.
In dem Papier, das Table.Media vorliegt, heißt es: “Gleichzeitig werden wir festschreiben, dass in staatlichen und öffentlich-rechtlichen Institutionen (wie Schulen, Universitäten, Rundfunk) auf das Gendern mit Sonderzeichen verzichtet wird und eine Orientierung am Rat der deutschen Sprache erfolgt.”
Damit will man anscheinend ähnliche Wege gehen, wie die ÖVP-FPÖ-Koalition in Niederösterreich, die den Hochschulen dort ein Gender-Verbot empfiehlt. In der Wissenschaftsszene in Hessen hält man sich mit Reaktionen noch bedeckt und will zunächst den endgültigen Koalitionsvertrag abwarten. Hinter vorgehaltener Hand äußert man sich jedoch erstaunt über die geplante Regelung und verweist auf die Freiheit der Wissenschaft, die zumindest für die wissenschaftlichen Mitarbeitenden an den Hochschulen gelten müsse.
Einzig die Goethe-Universität Frankfurt meldet sich auf Anfrage von Table.Media mit einem offiziellen Statement: “Die Verwendung geschlechterinklusiver und diversitätssensibler Sprache an der Goethe-Universität basiert auf einer Empfehlung, die umgesetzt werden kann, aber nicht muss. Gerade im Sinne eines*einer mündigen Bürger*in hielte es die Goethe-Universität Frankfurt für unpassend, den Mitgliedern und Angehörigen der Universität das Bemühen um einen nicht-diskriminierenden Sprachgebrauch zu untersagen.”
Unterstützung bekommt diese Position auch außerhalb Hessens: Die Universität zu Köln lässt auf Anfrage von Table.Media wissen, dass sie im “offiziellen Sprachgebrauch in der Regel neutrale Formulierungen wie auch den Genderstern” nutzt, um “alle Geschlechter respektvoll anzusprechen”. Man wolle damit Rücksicht auf die Resonanz vieler Universitätsmitglieder zum Sprachgebrauch nehmen.
Henning Lobin, Mitglied des Rats für deutsche Rechtschreibung (im Sondierungspapier fälschlicherweise als Rat der deutschen Sprache bezeichnet), verweist gegenüber Table.Media auf einen kürzlich vom Rat verabschiedeten Zusatzpassus. In diesem werden “die Genderzeichen (vor allem Stern und Doppelpunkt) den Sonderzeichen zugeordnet”. Diese seien zwar nicht zum Kernbestand der deutschen Orthografie zugehörig, aber trotzdem im Sprachgebrauch existent und folgen dabei insbesondere auch Konventionen und Regeln. Eine finale Beschlussfassung der KMK dazu fehle noch. Es gebe damit aber nun eine “salomonische Regelung”, meint Lobin.
Diskussionen gibt es in Hessen auch über die mögliche Besetzung des Wissenschaftsministerpostens. Da die durchaus geschätzte Angela Dorn von den Grünen ihren Posten räumen muss, hofft man auf eine andere starke Persönlichkeit. Gerade angesichts der bevorstehenden neuen Runde der Exzellenzstrategie brauche es politischen Rückenwind für die Anträge aus den hessischen Hochschulen. Ambitionen nachgesagt werden Alexander Lorz (CDU), derzeit Kultusminister. Als es bei der SPD noch Schattenkabinette im Wahlkampf gab, fand sich dort 2019 beim Spitzenkandidaten Thorsten Schäfer-Gümbel die aktuelle Präsidentin der TU Darmstadt, Tanja Brühl, als Aspirantin. mw
Wie die Deutsche Post Stiftung am Freitag bekannt gab, wird das Institute on Behavior & Inequality (briq) in das Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) integriert. Das Berliner Büro des IZA wird mittelfristig geschlossen. Beide Institute gelten als führend in ihren Fachbereichen, der Verhaltens- sowie der Arbeitsmarktökonomie. Hintergrund der Entscheidung sind wegfallende Zuwendungen durch die DHL Group an die Deutsche Post Stiftung.
Nachdem der IZA-Chef Simon Jäger “aufgrund dieser Entwicklungen” seinen Weggang zum Ende des Jahres verkündet hat, soll Armin Falk, der bisherige briq-Geschäftsführer, das fusionierte Institut ab Januar 2024 führen. Gerade diese Personalentscheidungen wurden von namhaften Ökonomen auf der Plattform X (vormals Twitter) heftig kritisiert.
Der Verlust von Simon Jäger wiege schwer, meinten die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer, HHU-Wirtschaftswissenschaftler Jens Südekum oder Rüdiger Bachmann von der University of Notre Dame. Für manche Fachkollegen war insbesondere irritierend, dass nun mit Armin Falk eine in der Community derzeit umstrittene Person auf diesen Posten berufen wurde. mw

Thomas Mikolajick tritt manchmal als Gitarrist auf. “Wir haben einmal im Jahr ein Sommerfest unserer Teams hier. Dann stellen wir Bands zusammen und proben fünf-, sechsmal und dann spielen wir. “Macht Spaß”, sagt der Franke. Vertrauter als die Welt der Musik ist ihm jedoch die der Schaltkreise im Nanometerbereich. Mit dieser Materie beschäftigt er sich seit Jahrzehnten, dort liegen seine wahren Stärken. Der 60-Jährige ist Inhaber der Professur für Nanoelektronik an der TU Dresden und zugleich wissenschaftlicher Direktor der NaMLab gGmbH. Die Abkürzung steht für Nanoelectronic Materials Laboratory. So wandelt Mikolajick stets zwischen dem akademischen und dem industriellen Bereich.
Dieser Spagat mag nicht jedem gelingen, ihm aber schon. “Ich war zehn Jahre in der Halbleiterindustrie und ich bin nicht mit der Uni, sondern mit der Halbleiterindustrie nach Dresden gekommen”, sagt er. Der Anfang war in den Neunzigerjahren, als Siemens beschlossen hat, in Regensburg ein Werk aufzubauen.
Nach seiner Tätigkeit für Siemens in Regensburg zog es Mikolajick nach einer Zwischenstation in München in die neuen Bundesländer, zunächst zu Infineon nach Dresden, dann an die TU Bergakademie Freiberg. Und von Freiberg wieder nach Dresden, da die NaMLab GmbH als ein Joint Venture zwischen dem Memory-Product-Bereich von Infineon, der später Qimonda wurde, und der TU Dresden gegründet wurde und ein wissenschaftlicher Leiter gesucht wurde, der beide Welten kennt.
NaMLab laufe bis heute nach einem Geschäftsmodell, das gar nicht anders funktionieren könne, als mit der Industrie zu kooperieren, sagt Mikolajick. Demnach erhält das Institut nur eine überschaubare öffentliche Grundfinanzierung von rund 15 Prozent, also deutlich weniger als andere außeruniversitäre Forschungseinrichtungen im Hochtechnologiesektor. Der Rest muss auf andere Weise erwirtschaftet werden. Dabei seien sie auf die konkrete Verwertung in Produkten angewiesen. Diese könne seine Firma aber nicht realisieren. “Das muss immer ein Industriepartner für uns tun.” Insofern dürfen sich die Forschungsprojekte nie fernab der industriellen Realität abspielen, sondern ein möglicher Nutzen muss von vornherein als realistisch eingeschätzt werden.
Seit nunmehr 13 Jahren ist Mikolajick wieder in der sächsischen Landeshauptstadt, die schon lange ein Hub der Halbleiterindustrie ist. Auch aktuell befinden sich Werke im Auf- oder Ausbau. Folglich gibt es recht viele internationale Studierende, die nach Dresden kommen. “Wir haben 2011 einen internationalen Studiengang gegründet.” Junge Leute aus Ländern wie Indien, China, Pakistan sähen in dieser Technologie eine wahnsinnige Chance voranzukommen. Die Attraktivität dieser Technologie für junge Menschen in den hoch entwickelten Wirtschaftsnationen wie USA, Japan, Korea, Taiwan und Europa sei deutlich geringer.
Zugleich leide die Halbleiterindustrie unter dem sogenannten Intel-Inside-Problem, sagt Mikolajick. Intel begann einst, mit Stickern darauf hinzuweisen, dass sich in Computern Chips des Unternehmens befanden, weil sie von außen natürlich nicht sichtbar waren. “Man kann sich unter der Halbleitertechnologie nicht wirklich etwas vorstellen, denn sie bleibt in den Endanwendungen meist für den Nutzer unsichtbar”, sagt er.
Trotzdem flattern bei ihm und seinen Kollegen genügend Bewerbungen für den Studiengang rein, der hohe Zugangsvoraussetzungen hat. So kommen jedes Jahr qualifizierte Studierende aus dem Ausland nach Dresden an seinen Lehrstuhl und die NaMlab gGmbH. Manch einer von ihnen wird Mikolajick dort schon dabei beobachtet haben, wie er sich an der Gitarre probiert. “Es ist ein sehr, sehr schöner Ausgleich. Vielleicht bin ich nicht gut, aber ich spiele sehr gerne.” Constantin Eckner
Monica Bertagnolli wurde vergangene Woche vom US-Senat als neue Direktorin der U.S. National Institutes of Health (NIH) bestätigt.
Holger Hanselka wurde am 9.11. als Präsident des Karlsruher Institut für Technologie (KIT) verabschiedet. Hanselka ist seit August Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft.
Tim Goydke ist seit dem 1. Oktober 2023 neuer Präsident der Hamburg School of Business Administration.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
Mittwoch, 15. November
Nicole Gohlke (Linke), MdB im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Bildung.Table. “Nötig ist eine Verfünffachung der Mittel für das Startchancen-Programm”. Reiche stärker besteuern, um Bildungsgerechtigkeit abzubauen: Im Interview erklärt Saskia Esken, wieso es jetzt ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bildung braucht und was die SPD mit dem Geld vorhat. Das Startchancen-Programm könnte dadurch viel größer werden als bislang geplant. Mehr
China.Table. Tsinghua-Forscher feiern Chip-Durchbruch. Wissenschaftler der Tsinghua-Universität haben einen neuartigen KI-Chip entwickelt, der mit Lichtteilchen rechnet und herkömmlichen Halbleitern weit überlegen sein wird. Unklar ist jedoch, wann er in die Massenproduktion geht. Derweil nehmen die US-Beschränkungen zu. Mehr
Europe.Table. AI Act: Verhandlungen im technischen Trilog abgebrochen. Die Trilog-Verhandlungen zum AI Act stehen auf der Kippe. Am Freitag brachen die Verhandler den technischen Trilog ab, bei dem es um Basismodelle (Foundation Models) und Allzweck-KI-Systeme (General Purpose AI, GPAI) gehen sollte. Das bringt den gesamten Zeitplan in Gefahr. Um das Gesetz noch vor den Europawahlen 2024 verabschieden zu können, müssen die Verhandlungen bis Februar abgeschlossen sein. Mehr

Klar, Schnecken haben nicht überall den besten Ruf – gerade unter Hobbygärtnern. Aber, dass sie wirklich gefährlich für den Menschen sind, das ist weniger bekannt. Ein Team der Universität Lausanne warnt nun: Die Tiere können beispielsweise den Ratten-Lungen-Wurm übertragen. Der könne bei Menschen Hirnhautentzündung auslösen, berichten die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Parasites & Vectors. Rund zwei Drittel der 36 Krankheitserreger, die bei den Schnecken bekannt seien, könnten auch Menschen infizieren.
Warum das gerade jetzt relevant ist? Schnecken erleben in Europa gerade einen Boom als Haustiere. Und die Sozialen Medien seien voll von Fotos von Menschen, die Tiere mit ihrer Haut oder sogar ihrem Mund berühren, sagte Forscherin Cleo Bertelsmeier. Leute glaubten, der Schleim der Schnecke sei gut für die Haut. Das berge aber das Risiko einer Übertragung der Erreger.
Dazu komme, dass die als Haustiere eingeführten Achat-Schnecken als invasive Art gelten, sich schnell vermehren und sehr gefräßig sind. Unser Tipp: Geben Sie lieber den heimischen Weinbergschnecken etwas von ihrem Salat im Garten ab und beobachten diese aus sicherer Distanz durch das Küchenfenster. Markus Weisskopf/dpa
Israel ist weiterhin im Kriegszustand und die Auswirkungen auf Wissenschaft und Wirtschaft sind erheblich. Es wird geschätzt, dass mehr als 30 Prozent der israelischen Studierenden und rund 30 Prozent der Mitarbeiter aus Israels weltweit führendem Hightech-Sektor als Reservisten einberufen wurden. Der offizielle Semesterbeginn wurde vorerst auf den 3. Dezember verschoben. Mein Kollege Tim Gabel hat mit Andrea Frahm über ihre Eindrücke gesprochen. Sie leitet das Helmholtz-Büro in Tel Aviv und spricht sich dafür aus, eine institutionenübergreifende Taskforce zu bilden, um die israelische Wissenschaft zu unterstützen.
Für unsere Serie “Politikberatung, quo vadis?”, habe ich mit dem ehemaligen Kanzleramtschef Helge Braun gesprochen. Ein Fazit, das er aus der Pandemie zieht: Es muss klar sein, wer legitimiert ist, für die Wissenschaft zu sprechen. Politik habe die Aufgabe, sich nach vertrauenswürdigen Institutionen zu richten, sagt der Arzt und CDU-Politiker. Der Bundesregierung rät er, sich ein klares Regelwerk für die wissenschaftliche Politikberatung zu geben und zum Beispiel Standards für Expertengremien zu definieren.
Um Standards geht es derzeit auch bei den Sondierungsgesprächen zwischen CDU und SPD in Hessen. Offenbar planen die künftigen Koalitionäre das Gendern mit Sonderzeichen an öffentlichen Institutionen auszumerzen. Dürfen die das? Wie reagieren die Hochschulen? Mein Kollege Markus Weisskopf hat sich umgehört.
Gute Lektüre wünscht Ihnen,

Als Mediziner und Politiker kennt der CDU-Bundestagsabgeordnete Helge Braun beide Seiten der wissenschaftlichen Politikberatung. Im Kanzleramt war er zu Beginn der Coronavirus-Pandemie im Zentrum des Geschehens. Sein Fazit aus dieser Zeit: “Die Pandemie hat gezeigt, dass klar sein muss, wer legitimiert ist, für die Wissenschaft zu sprechen.” Vor allem grundlegende und einschneidende Entscheidungen müssten evidenzbasiert sein und es dürfe “nicht der Eindruck entstehen, dass Politik sich die Meinung aussucht, die am besten passt”.
Braun betont: “Politik hat die Aufgabe, sich nach vertrauenswürdigen Institutionen zu richten und nicht nach Einzelmeinungen, die es in der Wissenschaft auch gibt.” Beispiele für vertrauenswürdige Institutionen seien “in erster Linie die Wissenschaftsakademien, Fachgesellschaften und die Ressortforschungseinrichtungen”. Im gesamten politischen Diskurs müsse klar sein, dass “diese legitimierten Stimmen der Wissenschaft auch entsprechend dargestellt werden müssen”.
In dieser Hinsicht sieht Braun Nachholbedarf, auch aufseiten der Medien. “In Talkshows stehen häufig die Meinungen von zwei Wissenschaftlern nebeneinander, ohne dass das eingeordnet ist. Den Zuschauern ist oft nicht klar, dass der eine zum Beispiel für eine Fachgesellschaft spricht und der andere ein Minderheitsvotum äußert.” Medien müssten die Ergebnisse von Konsensprozessen gewichten und sollten nicht jedes Sondervotum gleichwertig darstellen, findet er. “Das überfordert die Bürger, lässt sie ratlos zurück und untergräbt das Vertrauen in Wissenschaft.”

Braun sieht bei den Beratungsstrukturen keinen grundlegenden Reformbedarf. “Das Fundament der wissenschaftlichen Politikberatung ist in Ordnung in Deutschland. Die Institutionen sind vorhanden.” Allerdings sei zum Beispiel die wichtige Rolle der Leopoldina als Nationalakademie vielen Leuten noch nicht so bewusst. “Sie wird als ein Diskurspartner von vielen betrachtet.” In anderen Ländern, etwa in Großbritannien, sei die gesellschaftliche Beratungsfunktion der Wissenschaftsakademien seit Jahrhunderten etabliert.
Braun plädiert dafür, die Rolle der legitimierten Institutionen durch “klar benannte Strukturen und Aufgaben” zu stärken. “Einrichtungen wie die Wissenschaftsakademien müssten sagen, was sie können und wo es Limitationen gibt, etwa mit Blick auf Geschwindigkeit bei akuten Krisen oder auf Detailtiefe.” Zusätzlich spricht er sich dafür aus, die politikberatende Funktion von Fachgesellschaften zu stärken. Und für Einrichtungen wie das Robert-Koch-Institut oder das Umweltbundesamt gilt aus seiner Sicht: “In der Ressortforschung muss hoheitliche Aufgabe und damit Weisungsgebundenheit klar von wissenschaftlicher Expertise und damit Handeln in Wissenschaftsfreiheit getrennt werden.”
Um die Beratungsstrukturen klarer zu gestalten, solle sich die Bundesregierung ein Regelwerk geben. “Zum Beispiel sollte es Qualitätsstandards für die Evaluation von Maßnahmen und Gesetzen geben. Momentan ist das ist ein methodisches Sammelsurium.” Wichtig findet er es darüber hinaus, Standards zu definieren für Expertengremien, -kommissionen und -räte. “Bisher wird bei jedem einzelnen Gremium neu überlegt, wie man es zusammensetzen könnte.” Dadurch entstehe leicht der Verdacht, dass schon bei der Zusammensetzung Interessen oder erhoffte Ergebnisse eine Rolle spielen. “Ein klares Regelwerk und Standards könnten das Vertrauen darauf stärken, dass der Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Politik berücksichtigt wird.”
Von der Wissenschaft wünscht er sich weniger Zurückhaltung. “Manche Wissenschaftler haben regelrecht Angst, in eine politische Positionierung gezwungen zu werden. Deshalb versuchen sie, mit ihrer Erkenntnis möglichst weit weg von der praktischen Ableitung zu bleiben.” Das nennt Braun “schwierig”. Es sei wichtig zu sagen, was “legitime Ableitungen aus den wissenschaftlichen Erkenntnissen” sind. Und Forschende müssten auch klar benennen, was man “so gar nicht” daraus ableiten kann. “Denn in Zeiten von Fake News oder alternativen Wahrheiten gibt es unglaublich viele Umdeutungsversuche.”
Handlungsempfehlungen für die Politik auszusprechen, sieht Braun nicht als Aufgabe der Wissenschaft. “Politik kann sehr viel von der Wissenschaft profitieren, ohne dass die Wissenschaft gleich sagt, was im Gesetz stehen muss.”
An die Politik richtet er den Appell, Wissenschaft nicht zu instrumentalisieren und zu akzeptieren, “wenn Wissenschaft von den Grenzen des Möglichen spricht”. Es sei wichtig, “sauber zu trennen”, was Erkenntnis und was Ableitung ist. “Politische Entscheidungen und wissenschaftliche Erkenntnisse sind zwei Dinge, die aufeinander aufbauen. Aber das ist kein Eintopf.” Wichtig und redlich wäre es aus Brauns Sicht, transparent zu machen, wenn Politik vom wissenschaftlichen Rat abweicht. “In dieser Hinsicht ist mehr Zumutung und Ehrlichkeit notwendig.”
Das komplette Gespräch mit Helge Braun lesen Sie hier.
Die Serie “Politikberatung, quo vadis?” finden Sie gesammelt hier.

Frau Frahm, wie haben Sie die Ereignisse am 7. Oktober in Tel Aviv miterlebt, was ist seitdem passiert?
Am 7. Oktober bin ich in Tel Aviv morgens vom Raketenalarm geweckt worden. Und dann drangen über den Tag hinweg immer mehr Informationen über die grauenhaften Ereignisse an uns heran. Das wirkt nach, und für die israelische Bevölkerung kann man da sicher von einem Trauma sprechen. Vor allem ging das auch einher mit dem Verlust eines Sicherheitsgefühls. Vorher hatte man doch den Eindruck, dass durch die Raketenabwehr Iron Dome, aber auch durch den israelischen Sicherheitsapparat, ein gewisser Schutz da ist. Dieses Schutzgefühl ist seit dem Tag verloren gegangen. Ich mache mir sehr große Sorgen um die Geiseln und Vermissten sowie um Freunde, die eingezogen wurden, genauso wie um die Menschen im Gazastreifen, die nicht hinter der Hamas stehen. Ich selbst bin mit vielen anderen deutschen Kolleginnen und Kollegen vorübergehend ausgereist und arbeite nun von Berlin aus. Aber ich bin eher physisch in Deutschland und mit meinen Gedanken in der Region.
Sie leiten das einzige Verbindungsbüro einer deutschen Forschungsorganisation vor Ort in Tel Aviv. Können Sie die Arbeit mit ihrem Team derzeit fortsetzen?
Wir waren in den ersten Wochen wie gelähmt. Zudem konnte man auch nicht einschätzen, was am nächsten Tag passiert. Gibt es vielleicht weitere Angriffe aus dem Norden? Wie viele Hamas-Terroristen befinden sich noch auf israelischem Territorium? Dazu der zu Beginn heftige Raketenbeschuss. Der Adrenalinspiegel war hoch und man hat von einem zum anderen Tag geschaut. Als ich hier in Berlin angekommen bin, war an ein Weiter so in den ersten Tagen und Wochen nicht zu denken. Derzeit arbeitet noch eine Kollegin aus unserem vierköpfigen Team in Tel Aviv, die sich normalerweise um Veranstaltungen kümmert. Für uns sind Workshops und Veranstaltungen wichtige Instrumente zum Austausch. Wir hatten im Herbst sehr viel geplant.
Kann denn derzeit überhaupt Austausch stattfinden, gibt es noch oder schon wieder eine Art Normalität?
Vieles findet erstmal nicht statt und wir haben uns bemüht, einiges zu verschieben. Andererseits lässt sich auch noch nicht genau absehen, wann es überhaupt wieder eine gewisse Normalität gibt. Wir schauen auch, was sich vielleicht von hier umsetzen lässt. Unser Büro hat einen starken Fokus auf Innovationsmanagement und Entrepreneurship. Und im Moment planen wir, israelische Partner in den nächsten Monaten für Workshops an unseren Helmholtz Transfer Academies nach Deutschland zu bringen. Das machen wir abhängig vom Bedarf unserer Zentren. Wir bemühen uns, das Beste aus der Situation zu machen. Außerdem nutze ich die Zeit hier in Deutschland, um neue Formate und Ideen voranzutreiben. Man wacht so langsam wieder aus der Schockstarre auf und versucht jetzt Dinge anzuschieben und zu schauen, was geht.
Warum ist der Austausch mit Israel so bedeutend?
Einer der Hauptgründe, warum das Helmholtz-Büro in Tel Aviv etabliert wurde, ist die enge Vernetzung mit dem israelischen Innovationsökosystem. Wir können nicht alles adaptieren, weil es dort eine andere Dynamik gibt, aber wir können vieles lernen. Unsere Wissenschaftler, die über eine Ausgründung nachdenken, profitieren sehr von dem Austausch und werden inspiriert. Israel ist zudem schon aus geopolitischen Gründen sehr international ausgerichtet, ein Ort der Begegnung und eine politische Drehscheibe. Wir sehen uns als Service Provider für unsere 18 Helmholtz-Zentren. Wenn diese sich in einem bestimmten Bereich austauschen wollen, dann ist es unser Job, Kontakte zu finden, zu vernetzen und Kooperationen zu etablieren.
Der Semesterstart in Israel ist auf Dezember verschoben worden. Haben Sie den Eindruck, dass das Wissenschaftssystem in Israel derzeit stillsteht?
Eine wesentliche Stärke Israels ist die Resilienz, die aus der Situation der ständigen Bedrohungslage resultiert. Ich beobachte schon jetzt eine Einstellung nach der Devise: Okay, wir stehen wieder auf und wir werden auch diese Situation überleben. Israelische Wissenschaftskollegen beginnen, wieder nach Europa zu reisen, sofern es die Flugsituation erlaubt. So hatten wir Partner im Rahmen der Science Week in Berlin zu Gast. Nächste Woche bekommen wir Besuch von einem Vertreter der Israel Innovation Authority, einem wichtigen Kooperationspartner der Helmholtz-Gemeinschaft, um gemeinsam mit unseren Zentren alternative Möglichkeiten der Zusammenarbeit auszuloten.
Israel ist ein Hochtechnologieland, international angesehen für seine Forschung und die Start-up-Kultur. Viele junge Entrepreneure und Wissenschaftler sind jetzt im Kriegseinsatz. Kann man einschätzen, was das für die Community bedeutet?
Es wird geschätzt, dass 30 Prozent aller Studierenden eingezogen wurden und nochmal rund 30 Prozent der Mitarbeiter in der Hightech-Branche. Das wirkt sich natürlich auf Wissenschaft und Wirtschaft aus. Der Start des akademischen Jahres wurde auf den 3. Dezember geschoben. Wobei noch nicht klar ist, ob sich dieser Termin halten lässt. Neben den Zahlen sind an den Universitäten auch die interkulturellen Gräben, die jetzt aufreißen oder entstehen könnten, ein großes Problem. Denn es gibt an Israels Universitäten natürlich auch viele arabisch-israelische Studierende und Wissenschaftler.
Welchen Beitrag kann die deutsche Scientific Community, aber auch die Politik zur Unterstützung der israelischen Wissenschaft leisten?
Ich denke, dass das Erlebte momentan einfach noch zu frisch ist, um jetzt von deutscher Seite irgendwelche Friedensprojekte auf die Spur zu setzen. Selbst da, wo es Annäherungen gab oder gibt, ist das Eis im Moment sehr dünn. Ich habe das in Diskussionen vor Ort selbst erlebt: Beide Seiten sind derzeit emotional aufgeladen. Mit Blick auf die israelische Wissenschaftsszene denke ich, dass es eine gute Idee wäre, israelische Wissenschaftler zu unterstützen, die derzeit für einige Zeit ihre Projekte in Deutschland fortsetzen wollen. Eine weitere sinnvolle Idee wäre es, in Deutschland institutionenübergreifend eine Taskforce zu gründen, da alle Forschungsorganisationen derzeit sorgenvoll auf die aktuelle Situation blicken und unterstützend tätig werden wollen. Ich gehe davon aus, dass wir einige dieser Ideen in den nächsten Wochen konkretisieren werden.
15. November 2023, 10 Uhr, Kaisersaal, Futterstraße 15/16, 99084 Erfurt
Öffentliche Tagung des Deutschen Ethikrats Lost in ”Metaverse”? Zur Verschränkung realer und digitaler Welten Mehr
16. November 2023, Wilhelm Büchner Hochschule, Darmstadt
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16. November 2023, 17:00-18:30 Uhr, Friedrich-Ebert-Stiftung Berlin und Online
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29. November 2023, 11:00-16:00 Uhr, Langenbeck-Virchow-Haus
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1. Dezember 2023, 9:15 bis 15:00 Uhr, Münchner Künstlerhaus, München.
Konferenz, ausgerichtet von Helmholtz München in Kooperation mit LMU, TUM, MPG und Fraunhofer Munich for Women in Science Mehr

Beim Finale der diesjährigen Falling-Walls-Konferenz am vergangenen Donnerstag ging es um die großen wissenschaftlichen Durchbrüche. Kernfusion, Quantenforschung und mobile Roboter sind nur drei Beispiele der 20 Forschungsergebnisse und -projekte, die am Breakthrough Day im Radialsystem in Berlin präsentiert wurden.
Zum Glück gab es auch Pausen. Und die waren angesichts der Dichte wichtiger Köpfe aus der deutschen und internationalen Forschungscommunity genauso wichtig. Denn bei Kaffee, heißem Ingwer-Zitronen-Tee und Häppchen wurden Kontakte geknüpft und erneuert. Und es entstand mindestens eine neue hochkarätige Forschungsallianz: Es wurde bekannt, dass der diesjährige Physiknobelpreisträger Ferenc Krausz und der kürzlich mit dem renommierten Breakthrough Prize in Life Sciences geehrte Thomas Gasser an diesem Tag eine Kooperation vereinbart haben – unkonventionell, aber verbindlich.
Krausz, Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching und einer der Begründer der Attosekundenphysik, entwickelt die Technologie derzeit weiter, um sie in der Medizin für die Erkennung von Krebs zu nutzen. Dabei geht es um die frühzeitige Detektion spezifischer molekularer Muster in Blutproben. Auch Parkinsonexperte Gasser von der Universität Tübingen ist an der Früherkennung der Krankheit, die er erforscht, interessiert. Im Blut lassen sich die parkinsontypischen aggregierten Proteine detektieren.
Im Gespräch mit Krausz sei schnell klargeworden, dass er für eine Kooperation eine gut sortierte Sammlung von Blutproben zur Verfügung stellen kann, berichtete Gasser am Rande der Konferenz. “Wir haben sogar noch Proben von vor zehn Jahren.” Parkinson so früh zu erkennen, dass sich die Krankheit entscheidend bremsen lässt, wäre ein großer Fortschritt. Gasser: “Im Idealfall ließe sich der Ausbruch vielleicht sogar bis zum Erreichen des durchschnittlichen Lebensalters hinauszögern.”
Dass Nobelpreisträger sich neue, große Ziele setzen, klang auch im Talk von Benjamin List an. Der Direktor am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mühlheim an der Ruhr erhielt 2021 für die Entwicklung der Organokatalyse den Chemienobelpreis. Die ultimative Katalysereaktion wäre, Kohlendioxid in Kohlenstoff und Sauerstoff zu spalten, sagte er. Und verriet während der Kaffeepause noch ein bisschen mehr. Mit seiner Arbeitsgruppe arbeite er bereits an dem Vorhaben, stehe aber noch ganz am Anfang. “Die Idee hatte ich schon bevor ich den Nobelpreis erhielt, habe sie aber nicht publik gemacht”, sagte List.
Sollte es klappen, ein effizientes, vielleicht ebenfalls organisches Katalyseverfahren zu entwickeln, wären damit gleich mehrere große Probleme gelöst: Überschüssiges CO₂ könnte aus der Atmosphäre entfernt werden, was die globale Erwärmung bremsen würde. Der Kohlenstoff stünde als Ausgangsstoff für die Industrie – etwa für klimaneutrale Treibstoffe – zur Verfügung, ließe sich in der Erde vergraben oder wie Zement für die Bauindustrie nutzen. List: “Die Kohle kann natürlich auch wieder als Energieträger genutzt werden.”
Die Forschungsbedingungen in Deutschland findet List exzellent: “Als Direktor an einem Max-Planck-Institut habe ich alles, was ich brauche, und kann langfristig planen und schwierige Probleme lösen. Noch dazu gibt großartige Möglichkeiten, sich um Fördermittel zu bewerben, auf deutscher und auf europäischer Ebene. Das sind beispielsweise bestimmte Förderprogramme bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder beim European Research Council ERC. Die sind sehr kompetitiv, aber es lohnt sich.” Beim ERC habe er mittlerweile seinen dritten Advanced Grant eingeworben.
Und so musste List auch nicht lange überlegen, als er erst kürzlich mal wieder ein Jobangebot aus den USA erhielt. “Es wäre in Kalifornien gewesen, gute Ausstattung des Instituts, ein dreimal höheres Gehalt als jetzt und Blick auf den Pazifik. Ich habe trotzdem abgelehnt.” abg

Für viele überraschend verkündete der hessische Ministerpräsident Boris Rhein am Freitag die Aufnahme von Koalitionsgesprächen mit der SPD. Ein Punkt aus dem bald danach durchgesickerten Sondierungspapier, der für intensive Diskussionen in der Wissenschaftscommunity sorgt, ist eine geplante Regelung zum Gendern.
In dem Papier, das Table.Media vorliegt, heißt es: “Gleichzeitig werden wir festschreiben, dass in staatlichen und öffentlich-rechtlichen Institutionen (wie Schulen, Universitäten, Rundfunk) auf das Gendern mit Sonderzeichen verzichtet wird und eine Orientierung am Rat der deutschen Sprache erfolgt.”
Damit will man anscheinend ähnliche Wege gehen, wie die ÖVP-FPÖ-Koalition in Niederösterreich, die den Hochschulen dort ein Gender-Verbot empfiehlt. In der Wissenschaftsszene in Hessen hält man sich mit Reaktionen noch bedeckt und will zunächst den endgültigen Koalitionsvertrag abwarten. Hinter vorgehaltener Hand äußert man sich jedoch erstaunt über die geplante Regelung und verweist auf die Freiheit der Wissenschaft, die zumindest für die wissenschaftlichen Mitarbeitenden an den Hochschulen gelten müsse.
Einzig die Goethe-Universität Frankfurt meldet sich auf Anfrage von Table.Media mit einem offiziellen Statement: “Die Verwendung geschlechterinklusiver und diversitätssensibler Sprache an der Goethe-Universität basiert auf einer Empfehlung, die umgesetzt werden kann, aber nicht muss. Gerade im Sinne eines*einer mündigen Bürger*in hielte es die Goethe-Universität Frankfurt für unpassend, den Mitgliedern und Angehörigen der Universität das Bemühen um einen nicht-diskriminierenden Sprachgebrauch zu untersagen.”
Unterstützung bekommt diese Position auch außerhalb Hessens: Die Universität zu Köln lässt auf Anfrage von Table.Media wissen, dass sie im “offiziellen Sprachgebrauch in der Regel neutrale Formulierungen wie auch den Genderstern” nutzt, um “alle Geschlechter respektvoll anzusprechen”. Man wolle damit Rücksicht auf die Resonanz vieler Universitätsmitglieder zum Sprachgebrauch nehmen.
Henning Lobin, Mitglied des Rats für deutsche Rechtschreibung (im Sondierungspapier fälschlicherweise als Rat der deutschen Sprache bezeichnet), verweist gegenüber Table.Media auf einen kürzlich vom Rat verabschiedeten Zusatzpassus. In diesem werden “die Genderzeichen (vor allem Stern und Doppelpunkt) den Sonderzeichen zugeordnet”. Diese seien zwar nicht zum Kernbestand der deutschen Orthografie zugehörig, aber trotzdem im Sprachgebrauch existent und folgen dabei insbesondere auch Konventionen und Regeln. Eine finale Beschlussfassung der KMK dazu fehle noch. Es gebe damit aber nun eine “salomonische Regelung”, meint Lobin.
Diskussionen gibt es in Hessen auch über die mögliche Besetzung des Wissenschaftsministerpostens. Da die durchaus geschätzte Angela Dorn von den Grünen ihren Posten räumen muss, hofft man auf eine andere starke Persönlichkeit. Gerade angesichts der bevorstehenden neuen Runde der Exzellenzstrategie brauche es politischen Rückenwind für die Anträge aus den hessischen Hochschulen. Ambitionen nachgesagt werden Alexander Lorz (CDU), derzeit Kultusminister. Als es bei der SPD noch Schattenkabinette im Wahlkampf gab, fand sich dort 2019 beim Spitzenkandidaten Thorsten Schäfer-Gümbel die aktuelle Präsidentin der TU Darmstadt, Tanja Brühl, als Aspirantin. mw
Wie die Deutsche Post Stiftung am Freitag bekannt gab, wird das Institute on Behavior & Inequality (briq) in das Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) integriert. Das Berliner Büro des IZA wird mittelfristig geschlossen. Beide Institute gelten als führend in ihren Fachbereichen, der Verhaltens- sowie der Arbeitsmarktökonomie. Hintergrund der Entscheidung sind wegfallende Zuwendungen durch die DHL Group an die Deutsche Post Stiftung.
Nachdem der IZA-Chef Simon Jäger “aufgrund dieser Entwicklungen” seinen Weggang zum Ende des Jahres verkündet hat, soll Armin Falk, der bisherige briq-Geschäftsführer, das fusionierte Institut ab Januar 2024 führen. Gerade diese Personalentscheidungen wurden von namhaften Ökonomen auf der Plattform X (vormals Twitter) heftig kritisiert.
Der Verlust von Simon Jäger wiege schwer, meinten die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer, HHU-Wirtschaftswissenschaftler Jens Südekum oder Rüdiger Bachmann von der University of Notre Dame. Für manche Fachkollegen war insbesondere irritierend, dass nun mit Armin Falk eine in der Community derzeit umstrittene Person auf diesen Posten berufen wurde. mw

Thomas Mikolajick tritt manchmal als Gitarrist auf. “Wir haben einmal im Jahr ein Sommerfest unserer Teams hier. Dann stellen wir Bands zusammen und proben fünf-, sechsmal und dann spielen wir. “Macht Spaß”, sagt der Franke. Vertrauter als die Welt der Musik ist ihm jedoch die der Schaltkreise im Nanometerbereich. Mit dieser Materie beschäftigt er sich seit Jahrzehnten, dort liegen seine wahren Stärken. Der 60-Jährige ist Inhaber der Professur für Nanoelektronik an der TU Dresden und zugleich wissenschaftlicher Direktor der NaMLab gGmbH. Die Abkürzung steht für Nanoelectronic Materials Laboratory. So wandelt Mikolajick stets zwischen dem akademischen und dem industriellen Bereich.
Dieser Spagat mag nicht jedem gelingen, ihm aber schon. “Ich war zehn Jahre in der Halbleiterindustrie und ich bin nicht mit der Uni, sondern mit der Halbleiterindustrie nach Dresden gekommen”, sagt er. Der Anfang war in den Neunzigerjahren, als Siemens beschlossen hat, in Regensburg ein Werk aufzubauen.
Nach seiner Tätigkeit für Siemens in Regensburg zog es Mikolajick nach einer Zwischenstation in München in die neuen Bundesländer, zunächst zu Infineon nach Dresden, dann an die TU Bergakademie Freiberg. Und von Freiberg wieder nach Dresden, da die NaMLab GmbH als ein Joint Venture zwischen dem Memory-Product-Bereich von Infineon, der später Qimonda wurde, und der TU Dresden gegründet wurde und ein wissenschaftlicher Leiter gesucht wurde, der beide Welten kennt.
NaMLab laufe bis heute nach einem Geschäftsmodell, das gar nicht anders funktionieren könne, als mit der Industrie zu kooperieren, sagt Mikolajick. Demnach erhält das Institut nur eine überschaubare öffentliche Grundfinanzierung von rund 15 Prozent, also deutlich weniger als andere außeruniversitäre Forschungseinrichtungen im Hochtechnologiesektor. Der Rest muss auf andere Weise erwirtschaftet werden. Dabei seien sie auf die konkrete Verwertung in Produkten angewiesen. Diese könne seine Firma aber nicht realisieren. “Das muss immer ein Industriepartner für uns tun.” Insofern dürfen sich die Forschungsprojekte nie fernab der industriellen Realität abspielen, sondern ein möglicher Nutzen muss von vornherein als realistisch eingeschätzt werden.
Seit nunmehr 13 Jahren ist Mikolajick wieder in der sächsischen Landeshauptstadt, die schon lange ein Hub der Halbleiterindustrie ist. Auch aktuell befinden sich Werke im Auf- oder Ausbau. Folglich gibt es recht viele internationale Studierende, die nach Dresden kommen. “Wir haben 2011 einen internationalen Studiengang gegründet.” Junge Leute aus Ländern wie Indien, China, Pakistan sähen in dieser Technologie eine wahnsinnige Chance voranzukommen. Die Attraktivität dieser Technologie für junge Menschen in den hoch entwickelten Wirtschaftsnationen wie USA, Japan, Korea, Taiwan und Europa sei deutlich geringer.
Zugleich leide die Halbleiterindustrie unter dem sogenannten Intel-Inside-Problem, sagt Mikolajick. Intel begann einst, mit Stickern darauf hinzuweisen, dass sich in Computern Chips des Unternehmens befanden, weil sie von außen natürlich nicht sichtbar waren. “Man kann sich unter der Halbleitertechnologie nicht wirklich etwas vorstellen, denn sie bleibt in den Endanwendungen meist für den Nutzer unsichtbar”, sagt er.
Trotzdem flattern bei ihm und seinen Kollegen genügend Bewerbungen für den Studiengang rein, der hohe Zugangsvoraussetzungen hat. So kommen jedes Jahr qualifizierte Studierende aus dem Ausland nach Dresden an seinen Lehrstuhl und die NaMlab gGmbH. Manch einer von ihnen wird Mikolajick dort schon dabei beobachtet haben, wie er sich an der Gitarre probiert. “Es ist ein sehr, sehr schöner Ausgleich. Vielleicht bin ich nicht gut, aber ich spiele sehr gerne.” Constantin Eckner
Monica Bertagnolli wurde vergangene Woche vom US-Senat als neue Direktorin der U.S. National Institutes of Health (NIH) bestätigt.
Holger Hanselka wurde am 9.11. als Präsident des Karlsruher Institut für Technologie (KIT) verabschiedet. Hanselka ist seit August Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft.
Tim Goydke ist seit dem 1. Oktober 2023 neuer Präsident der Hamburg School of Business Administration.
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Mittwoch, 15. November
Nicole Gohlke (Linke), MdB im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Bildung.Table. “Nötig ist eine Verfünffachung der Mittel für das Startchancen-Programm”. Reiche stärker besteuern, um Bildungsgerechtigkeit abzubauen: Im Interview erklärt Saskia Esken, wieso es jetzt ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bildung braucht und was die SPD mit dem Geld vorhat. Das Startchancen-Programm könnte dadurch viel größer werden als bislang geplant. Mehr
China.Table. Tsinghua-Forscher feiern Chip-Durchbruch. Wissenschaftler der Tsinghua-Universität haben einen neuartigen KI-Chip entwickelt, der mit Lichtteilchen rechnet und herkömmlichen Halbleitern weit überlegen sein wird. Unklar ist jedoch, wann er in die Massenproduktion geht. Derweil nehmen die US-Beschränkungen zu. Mehr
Europe.Table. AI Act: Verhandlungen im technischen Trilog abgebrochen. Die Trilog-Verhandlungen zum AI Act stehen auf der Kippe. Am Freitag brachen die Verhandler den technischen Trilog ab, bei dem es um Basismodelle (Foundation Models) und Allzweck-KI-Systeme (General Purpose AI, GPAI) gehen sollte. Das bringt den gesamten Zeitplan in Gefahr. Um das Gesetz noch vor den Europawahlen 2024 verabschieden zu können, müssen die Verhandlungen bis Februar abgeschlossen sein. Mehr

Klar, Schnecken haben nicht überall den besten Ruf – gerade unter Hobbygärtnern. Aber, dass sie wirklich gefährlich für den Menschen sind, das ist weniger bekannt. Ein Team der Universität Lausanne warnt nun: Die Tiere können beispielsweise den Ratten-Lungen-Wurm übertragen. Der könne bei Menschen Hirnhautentzündung auslösen, berichten die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Parasites & Vectors. Rund zwei Drittel der 36 Krankheitserreger, die bei den Schnecken bekannt seien, könnten auch Menschen infizieren.
Warum das gerade jetzt relevant ist? Schnecken erleben in Europa gerade einen Boom als Haustiere. Und die Sozialen Medien seien voll von Fotos von Menschen, die Tiere mit ihrer Haut oder sogar ihrem Mund berühren, sagte Forscherin Cleo Bertelsmeier. Leute glaubten, der Schleim der Schnecke sei gut für die Haut. Das berge aber das Risiko einer Übertragung der Erreger.
Dazu komme, dass die als Haustiere eingeführten Achat-Schnecken als invasive Art gelten, sich schnell vermehren und sehr gefräßig sind. Unser Tipp: Geben Sie lieber den heimischen Weinbergschnecken etwas von ihrem Salat im Garten ab und beobachten diese aus sicherer Distanz durch das Küchenfenster. Markus Weisskopf/dpa