Table.Briefing: Research

Future Circula Collider: Das Teilchen-Rennen + Russische Hochschulen unter politischem Druck + Wer gewählt wurde: Erste ITRE-Sitzungen

Liebe Leserin, lieber Leser,

mit dem ehrgeizigen Ziel, die Grenzen des Universums weiter zu verschieben, stehen Europas Teilchenphysiker vor einer wegweisenden Entscheidung: Am CERN, dem Europäischen Kernforschungszentrum, ist der Bau eines gigantischen Teilchenbeschleunigers namens FCC (Future Circular Collider) geplant, der ab Mitte der 2040er-Jahre in Betrieb gehen könnte. Jedoch stellt die Finanzierung dieses Mammutprojekts mit geschätzten Kosten von mindestens 15 Milliarden Euro eine große Herausforderung dar.

Zusätzlich zu den finanziellen Hürden zeichnet sich ein weiterer Faktor ab, der die Entscheidung der Forscher kompliziert: China will eine eigene Higgs-Maschine bauen und strebt offenbar die Errichtung eines vergleichbaren Beschleunigers an, dem Circular Electron Positron Collider (CEPC), der bereits Mitte der 2030er-Jahre einsatzbereit sein könnte.

Die zentrale Frage lautet nun: Soll Europa am ehrgeizigen FCC-Projekt festhalten, trotz der ungewissen Finanzierung und des Zeitdrucks durch Chinas Vorhaben? Oder wäre es sinnvoller, mit China zu kooperieren und Ressourcen im CEPC zu bündeln? Unser Autor Ralf Nestler hat sich die Details angesehen. Sein Fazit: Die europäische Strategie für Teilchenphysik braucht ein Update.  

Eine aktuelle Analyse des vfa (Verband forschender Arzneimittelhersteller), die Table.Briefings exklusiv vorliegt, zeigt die Entwicklung der Beschäftigten in Forschung und Entwicklung (FuE) in Deutschland und international. In absoluten Zahlen liegt Deutschland hier europaweit an der Spitze und weltweit auf Platz vier. Wie sich die Situation der FuE-Beschäftigung in Deutschland aber entwickelt und welche Herausforderungen es gibt, hat mein Kollege Markus Weisskopf für Sie zusammengestellt.

Kommen Sie gut durch den Tag,

Ihre
Nicola Kuhrt
Bild von Nicola  Kuhrt

Analyse

Was der Krieg für russische Hochschulen bedeutet

Die Lomonossow-Universität in Moskau: Aktuelle Analysen zeigen, dass Studierende und Lehrende an russischen Hochschulen massiv unter Druck stehen. Die Hochschulfreiheit ist in Gefahr.

Bürgerrechtler sehen durch die Repression in Russland im Zuge des Angriffskriegs gegen die Ukraine auch Universitäten und Hochschulen unter einem stärkeren politischen Druck. Die Organisation Molnija, die sich für die Rechte von Studierenden einsetzt, verzeichnet seit Kriegsbeginn 2022 deutlich mehr Fälle von Zwangsexmatrikulationen.

Wegen Kritik am Krieg oder wegen sonstiger politischer Motive würden Studenten und Studentinnen aus den Hochschulen entfernt. Eine Studie zur Hochschulfreiheit in Russland listet für 2023 mehrere Fälle auf, bei denen auch Dozenten aus politischen Gründen entlassen oder bestraft wurden. Genaue Zahlen über die Entwicklung von Hochschulverweisen aus politischen Gründen gibt es allerdings nicht. 

Wehrerziehung kehrt zurück 

In Russland lernen nach offiziellen Angaben etwa 4,3 Millionen Studierende an rund 1.000 Unis und Hochschulen. Die Hochschulen seien einer der empfindlichsten Bereiche der Gesellschaft, sagte die Journalistin Wera Ryklina vom Medienprojekt “Strana i mir” bei einer Veranstaltung der Deutschen Sacharow-Gesellschaft. Russland richte sich auf einen langanhaltenden Konflikt mit dem Westen ein. An der Hochschulpolitik lasse sich ablesen, welche Gesellschaft der russische Staat unter Kremlchef Wladimir Putin anstrebe.

Zu diesem Bild gehörten eine Militarisierung und ideologische Indoktrinierung, erläuterte der exilierte russische Soziologe Dmitri Dubrowski, ein Autor der Studie zur Hochschulfreiheit für das Forschungszentrum Cisrus in den USA. Die Militärausbildung sei zurückgekehrt, zur patriotischen Erziehung würden Fächer wie “Grundlagen der russischen Staatlichkeit” oder “Religionen Russlands” eingeführt. Geheimdienstoffiziere rückten in Uni-Verwaltungen ein

Pro-westliche Personen werden denunziert

Linientreue Studenten oder Dozenten durchforsteten die Konten ihrer Kommilitonen oder Kollegen in sozialen Netzwerken auf abweichende Meinungen, sagte Dubrowski. Von einem aktuellen Fall berichtete das russische Exilmedium “The Insider” Mitte Juli: Demnach sei der Dozent Nikolai Rosow als Mitarbeiter des Philosophie-Instituts der Universität Nowosibirsk entlassen worden – ein Kollege habe ihn wegen angeblich “radikalen Westlertums” denunziert.

Mehrere als liberal geltende Fakultäten und Privathochschulen wurden geschlossen. Die Vielfalt der Lehre an russischen Hochschulen leide auch darunter, dass viele Dozenten und Organisationen als sogenannte ausländische Agenten eingestuft seien, sagte Dubrowski. Im Extremfall seien akademische Partner als unerwünscht gebrandmarkt worden – dies gilt zum Beispiel für das Deutsche Historische Institut (DHI) in Moskau. Das bedeutet, dass die Zusammenarbeit mit ihnen als strafbar gilt.

Mit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine habe das DHI seine Stipendienprogramme, Kooperationen mit staatlichen Einrichtungen und die Veranstaltungstätigkeit ausgesetzt, berichtet Forschung & Lehre, mit Verweis auf eine Stellungnahme der Max-Weber-Stiftung, die das Institut finanziert. Die Stiftung wertet die Einstufung des DHI durch das russische Justizministerium als einen schweren Schlag gegen die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit. Man betreibt bislang aber die zentrale Bibliothek weiter und will ein dezentrales Netzwerk aufbauen, damit sich Forschende weiterhin frei und unabhängig mit der russischen beziehungsweise sowjetischen Geschichte befassen können.

Rauswurf wegen Teilnahme an Demonstrationen

Studierende würden oft von der Hochschule verwiesen, wenn sie an nicht genehmigten Demonstrationen teilnehmen, berichtet die Organisation Molnija. Begründet werde dies mit einem Verstoß gegen die Verhaltensregeln der Hochschule. Gefährdet seien vor allem Studierende, die sich sozial oder gewerkschaftlich engagieren oder journalistisch arbeiten. Demonstrationen werden in Russland immer noch unter Verweis auf den Schutz vor Corona untersagt.

Molnija verweist darauf, dass in den Jahren vor dem Krieg jeweils nur eine Handvoll Fälle von Hochschulverweisen aus politischen Gründen bekanntgeworden waren. In den Kriegsjahren 2022 und 2023 seien es gleich mehrere Dutzend gewesen. Entlassene Studenten seien weitgehend ungeschützt, sagte eine Juristin von Molnija anonym bei der Sacharow-Gesellschaft. Sie hätten keine Arbeit, staatliche Stellen lehnten den Kontakt mit ihnen ab, ihnen drohe die Einberufung zum Wehrdienst. Tausende kritische Studenten und Dozenten haben sich wegen des Krieges ins Ausland abgesetzt.

Elite-Studierende unter Spionageverdacht

Aber auch russische Elite-Studierende, die über Stipendienprogrammen ins westliche Ausland gegangen und eine Rückkehr fest eingeplant hatten, stehen inzwischen immer häufiger unter Spionageverdacht. So berichtete kürzlich das mit dem Grimme-Online-Award ausgezeichnete Online-Medium Dekoder über Stipendiaten des US-amerikanischen Fulbright-Programms. Sogar im Kalten Krieg hatte die Sowjetunion über das Programm talentierte Nachwuchsforscherinnen und -forscher an Hochschulen des Klassenfeindes geschickt.

Anfang 2024 erklärte die russische Regierung das Institute of International Education (IIE), den Träger des Fulbright-Programms, aber zur unerwünschten Organisation. Russinnen und Russen, die da bereits in den USA studierten oder eine Zusage für ein Stipendium hatten, fürchten sich jetzt vor der Rückkehr in ihre Heimat. Studierende berichteten Dekoder von der Gefahr, auf die Liste der ausländischen Agenten zu geraten. Und da ausländische Agenten keine Bildungsarbeit leisten dürfen, können die Fulbright-Alumni ihr erworbenes Wissen nicht weitergeben. Projekte, die sie sich vor ihrem USA-Aufenthalt vorgenommen haben, können sie daheim nicht mehr umsetzen. Friedemann Kohler (dpa), Tim Gabel

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Teilchenphysik: Riesenbeschleuniger FCC bekommt Konkurrenz

Europas Teilchenphysiker stehen vor einem Dilemma. Sie wollen am Kernforschungszentrum Cern einen Riesenbeschleuniger bauen, der ab Mitte der 2040er-Jahre laufen könnte. Doch die Maschine namens FCC (Future Circular Collider) wird mindestens 15 Milliarden Euro kosten. Die Finanzierung ist bisher nicht gesichert, wiederholt kündigte daher das BMBF an, kein Geld dazuzugeben.

Zudem verdichten sich die Hinweise, dass China schon bald ein ähnliches Gerät errichten will und dem FCC zuvorkommt. Bereits Mitte der 2030er-Jahre könnte der Circular Electron Positron Collider (CEPC) einsatzbereit sein und vor allem: offen für europäische Forscher. Zumindest nach jetzigem Stand. Sollen sie die Chance ergreifen und das Geld für den FCC sparen?

Derzeit läuft am Cern der Beschleuniger LHC (Large Hadron Collider), mit dem 2012 erstmals das lang gesuchte Higgs-Teilchen nachgewiesen wurde. Mit jeder Messung lernen die Forscher mehr über dessen Eigenschaften und verfeinern so ihre Theorien von den Kräften, die das Universum am Laufen halten. Perspektivisch wollen sie eine leistungsstärkere Maschine. Sie liefert mehr Daten und womöglich Hinweise auf “neue Physik”, die Lücken im Theoriegebäude schließt.

15,5 Milliarden soll der FCC kosten

Stärker heißt größer. Statt 27 Kilometer, die der ringförmige LHC im Umfang misst, benötigt der ebenfalls ringförmige FCC 91 Kilometer. Die technische Machbarkeit wird seit 2021 untersucht, ebenso die geologische, denn auch der FCC würde in unterirdischen Röhren aufgebaut. Die Kostenschätzung ist bisher nur grob, beläuft sich auf 15,5 Milliarden Euro. Aus dem laufenden Cern-Budget ist das nicht zu leisten, denn der Forschungsbetrieb des LHC geht weiter, ab 2029 in einer höheren Leistungsstufe, die schon jetzt vorbereitet wird.

Für den FCC braucht es zusätzliche Geldquellen. Diskutiert wird, die Schweiz und Frankreich mehr zu beteiligen, weil diese Länder stärker vom Bau profitieren – durch Aufträge an regionale Firmen. Eine weitere Option wäre, Staaten ohne Cern-Mitgliedschaft an den Kosten zu beteiligen, wenn sie mit dem FCC forschen. Im Blick sind hier vor allem die USA und Japan.

“Wie die Finanzierung solide gelingt, muss jetzt das Cern-Management klären”, sagt Lutz Feld von der RWTH Aachen und Vorsitzender des Komitees für Elementarteilchenphysik, das die deutsche Fachcommunity vertritt. Die Zurückhaltung des BMBF ist dort schon länger bekannt und aus seiner Sicht verständlich: “Als Steuerzahler erwarte ich, dass nur in Projekte investiert wird, deren Finanzierung geklärt ist.” Feld ergänzt, das Cern habe mehrfach gezeigt, dass es “solche Riesenprojekte kann”. Beim Bau der bisherigen Beschleuniger wurden “Zeit- und Kostenpläne weitaus besser eingehalten als bei der Elbphilharmonie oder Stuttgart 21“.

China will eigene Higgs-Maschine bauen

China forciert seit Jahren seinen Aufstieg in der Wissenschaft. Dazu gehören auch Ideen für einen großen Beschleuniger, der ebenfalls als “Higgs-Maschine” konzipiert wird. Nun scheint es ernst zu werden. Der 100 Kilometer lange CEPC könnte 2025 in den nächsten Fünf-Jahres-Plan aufgenommen werden, berichtet “Nature”. Stimmt die Regierung zu, könnte ab 2027 gebaut werden, um 2035 die Forschung beginnen. 

Solche Forschungsanlagen sind Hightechgeräte, an der Grenze des Machbaren und auch deshalb attraktiv: Denn “nebenbei” bringen sie wichtige Innovationen hervor, zum Beispiel Supraleiter-Technologie, die Strom nahezu verlustfrei leitet. Zweifel, ob China so eine Top-Maschine bauen kann, schwinden. “Ich traue ihnen das zu”, sagt etwa Karl Jakobs von der Universität Freiburg, der zum International Advisory Committee des CEPC gehört und das Konzept gut kennt.

Europäische Strategie für Teilchenphysik braucht Update

Die Entwicklung in China sowie die Resultate der Machbarkeitsstudie für den FCC erfordern ein Update der europäischen Strategie für Teilchenphysik. Dort hatten 2020 einschlägige Fachleute empfohlen, als Nachfolger für den LHC eine “Higgs-Maschine” zu bauen. Anhand der neuen Informationen werden nun die Experten erneut beraten. “Das wird sehr spannend”, sagt Jakobs, der das Gremium leitet. Es könnte sein, dass man am FCC festhält. “Es könnte aber auch sein, dass – sofern China den CEPC baut – man dem Cern rät, seinen Fokus zu verschieben.” Dazu existieren verschiedene Konzepte für alternative Geräte, darunter ein Linearbeschleuniger namens CLIC. In zwei Jahren soll das Votum vorliegen.

Lutz Feld warnt davor, allein auf den chinesischen Beschleuniger zu setzen. “Was tun wir, wenn die chinesische Regierung plötzlich festlegt, es werden keine Daten mehr herausgegeben?”, fragt er. “Oder wenn China Taiwan überfällt und im Zuge der politischen Folgen keiner von uns mehr an die Detektoren kommt?” Als Wissenschaftler müsse er die Messungen des CEPC überprüfen können, um ihnen zu vertrauen.

Was ist die offene, internationale Kooperation am Cern wert?

Die China-Skepsis ist in der europäischen Community verbreitet. Es finde sich kaum ein Wissenschaftler, der in das Land umziehe, um dort seine Karriere aufzubauen, sagt ein Physiker. Man müsse sehr vorsichtig sein, das werde ihnen an der Universität nahezu täglich gesagt, äußert ein anderer. Die internationale und offene Kooperation wie sie am Cern kultiviert wird, kann sich in China kaum einer vorstellen.

Doch müssen sich die Forscher fragen lassen, ob dies als Argument genügt, auf den FCC zu dringen. Schließlich hängt ein atemberaubendes Preisschild dran, das wohl noch nach oben korrigiert werden wird. Mit dem Geld könnten Teilchenphysiker, aber auch andere Grundlagenforscher, viel anstellen.

“Wir können nur Vorschläge unterbreiten”

Allerdings schwingt bei der Entscheidung auch mit: Europa hat am Cern eine Führungsrolle, wissenschaftlich sowie bei der Technologieentwicklung. “Es wäre klug, diese zu behalten”, sagt Hans Peter Beck, Teilchenphysiker an der Universität Bern und am Cern. Zumal er geopolitisch die Gefahr einer neuen Eiszeit sieht – bezogen auf Russland und China, selbst in den USA sei die Einreise von Forschern aus bestimmten Ländern erschwert. “Wir Physiker können nur Vorschläge unterbreiten, die Entscheidung, was getan wird, müssen Politik und Gesellschaft treffen.”

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Termine

12./13. September 2024, FU Berlin
Jah­res­ta­gung des Netz­werks Wis­sen­schafts­ma­nage­ment Für Frei­heit in Kri­sen­zei­ten. Per­spek­ti­ven aus dem Wissenschaftsmanagement Mehr

19. September 2024, ab 11 Uhr, Körber-Stiftung, Hamburg
Hamburg Science Summit 2024 “Europe’s Path Towards Tech Sovereignty” Mehr

24. September 2024, 10:30 bis 16:15 Uhr, Haus der Commerzbank, Pariser Platz 1, 10117 Berlin
Forum Hochschulräte Starke Marken, klarer Kern: Strategische Schwerpunktsetzung und Markenbildung bei Hochschulen Mehr

25. September 2024, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU)
Jahreskolloquium des Bayerischen Wissenschaftsforums Transformationskompetenz in Wissenschaft und Hochschule Mehr

26. September 2024, 12:00 bis 13:00 Uhr, Webinar
CHE talk feat. DAAD KIWi Connect Transfer und Internationalisierung – Warum ist es sinnvoll, beides gemeinsam zu denken und was braucht es hierzu? Mehr

26./27. September 2024, Leopoldina, Jägerberg 1, 06108 Halle (Saale) und Online
Jahresversammlung 2024 der Leopoldina Ursprung und Beginn des Lebens Mehr

3. /4. Oktober 2024, Universität Helsinki, Finnland
2024 EUA FUNDING FORUM Sense & sustainability: future paths for university finances Mehr

23. bis 25. Oktober 2024 am ETH AI Center in Zürich, Schweiz
Jahrestagung der Gesellschaft für Medien in der Wissenschaft (GMW) und CampusSource Agilität und KI in Hochschulen Mehr

News

Fördermittel-Affäre: Wie der Ruf nach Aufklärung auch in der Sommerpause weitergeht

Deutliche Kritik am Vorgehen der BMBF-Hausspitze in Sachen Fördermittel-Affäre kommt aktuell von den Koalitionspartnern. “Für die SPD gilt seit Beginn der Diskussion um Förderentscheidungen im BMBF, dass alle offenen Fragen schnell und transparent beantwortet werden müssen. Das gilt auch für die in Rede stehenden Fragen zu dem vermeintlichen Chat auf Leitungsebene”, sagt Oliver Kaczmarek gegenüber Table.Briefings. Die politische Verantwortung für die schnelle Aufklärung habe die Ministerin, erklärt der Obmann des Forschungsausschusses. Bettina Stark-Watzinger könne auch nur entscheiden, ob die ehemalige Staatssekretärin Döring sich öffentlich äußern darf oder nicht.

“Warum sie das verweigert, entzieht sich meinem Verständnis. Die SPD hätte keine Einwände gegen eine Äußerung von Frau Döring. Bei der Beantwortung der offenen Fragen sollte das BMBF nicht so viel Zeit vergehen und so viel Interpretationsspielraum entstehen lassen.”

Von den Grünen kommen ähnliche Worte: “Wir haben stets betont, dass es eine transparente, vollumfängliche Aufarbeitung des Sachverhalts braucht, um verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen”, sagt Kai Gehring, Vorsitzender des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung. Den Weg der Aufklärung müsse das BMBF glaubwürdig fortsetzen, um noch offene Fragen zu beantworten. “Wissenschaftsfreiheit ist kein Nice-to-have, sondern grundgesetzlich garantiertes Fundament und Voraussetzung für unser Forschungssystem.”

BMBF verweist auf die Schweigepflicht – oder erklärt Chats zur Privatsache

Seit Bekanntwerden der Vorwürfe um Fördermittelprüfungen gegen Bundesministerin Bettina Stark-Watzinger im Juni hat das Haus bei Fragen wahlweise auf Schweigepflichten verwiesen oder die dann entlassene Sabine Döring als Auftraggeberin der umstrittenen Prüfauftrage ausgemacht. Interne Chats der Hausgruppe des BMBF auf der Plattform “Wire“, die Aktivisten der Plattform “FragDenStaat” einsehen wollten, wurden ebenfalls nicht herausgegeben – diese seinen privat.

Tatsächlich laufen noch mehrere IFG-Anfragen, die direkt an das BMBF gehen. Sabine Döring selbst hat ein Eilverfahren angestrengt, “FragDenStaat” hat gegen die abgelehnte IFG-Anfrage zu Offenlegung der Wire-Chats Widerspruch eingelegt und auch das Eilverfahren, mit dem das Löschen der Online-Kommunikation verhindert werden soll, läuft noch.

CDU: Grüne und SPD sollen Sabine Döring endlich helfen

Die CDU hatte am 3. Juli bei Staatssekretär Mario Brandenburg eine schriftliche Stellungnahme der entlassenen Staatssekretärin Sabine Döhring erbeten. Das BMBF hat zunächst die gesetzte Deadline (17. Juli) gerissen, um dann einen Tag später nur knapp auf die “Antwort des Bundesministeriums für Bildung und Forschung auf die Schriftliche Frage 7/128 der Abgeordneten Gitta Connemann zu verweisen.” 

In dieser Antwort hieß es allerdings nur “Frau Staatssekretärin a.D. Prof. Dr. Sabine Döring wurde über die Entscheidung der Bundesministerin Bettina Stark-Watzinger bzgl. § 67 Bundesbeamtengesetz mit einem Schreiben vom 3. Juli 2024 informiert. Darin wurden ihr die der Entscheidung zugrunde gelegten Gründe dargelegt. Da es sich um eine Personalangelegenheit handelt, werden keine näheren Auskünfte erteilt.”

Freitag: Vielleicht eine BMBF-Antwort auf die 100 Fragen

Thomas Jarzombek und Stephan Albani (CDU) forderten daraufhin Grüne und SPD auf, Sabine Döring “jetzt endlich zur Hilfe zu kommen und ihr die Möglichkeit zu geben, ihre Sicht der Dinge in die Sachverhaltsaufklärung einzubringen.” Die Koalitionspartner von Frau Stark-Watzinger müssten sich die Frage stellen, “wie lange sie dem Treiben der Ministerin noch tatenlos zuschauen wollen, erklärte Thomas Jarzombek, forschungspolitischer Sprecher seiner Partei.

Die Komplett-Blockade von Bundesministerin Stark-Watzinger sei nicht nachvollziehbar, ergänzt Stephan Albani, Obmann der Arbeitsgruppe Bildung und Forschung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, dies “bestätigt die fehlende Bereitschaft zur Aufklärung und mehrt die Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit.”

Vielleicht wird der Freitag endlich Antworten bringen: Die CDU hatte im Rahmen einer Kleinen Anfrage einen umfangreichen Katalog mit 100 Fragen an die Bundesregierung an das BMBF übermittelt. Es geht darin vor allem um die Rolle von Bettina Stark-Watzinger. Die CDU/CSU-Abgeordneten wollen wissen, ob, wann und wie die Ministerin in den Umgang mit einem offenen Brief von Hochschullehrern zum Nahost-Konflikt im Forschungsministerium eingebunden war. Am Donnerstag endet hier die Frist, bis zu der geantwortet werden kann. nik

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FuE-Beschäftigte: Wie Deutschland im internationalen Vergleich dasteht

Eine aktuelle Analyse des vfa (Verband forschender Arzneimittelhersteller), die Table.Briefings exklusiv vorliegt, zeigt die Entwicklung der Beschäftigten in Forschung und Entwicklung (FuE) in Deutschland und international. In absoluten Zahlen liegt Deutschland hier europaweit an der Spitze und weltweit auf Platz vier. Im Jahr 2022 arbeiteten 578.000 Beschäftigte hierzulande im Bereich der FuE. 

Relativ gesehen sind allerdings andere Länder in Europa besser aufgestellt. Demnach liegen die Niederlande, Schweden, Österreich und Dänemark mit jeweils mehr als 6.000 FuE-Beschäftigten je eine Million Einwohner an der Spitze. Deutschland folgt mit 5.563 im oberen Mittelfeld. Die Daten für die Analyse stammen von Stifterverband, OECD und dem Statistischen Bundesamt.

Das Policy Paper von Claus Michelsen und Simon Junker zeigt, dass China in absoluten Zahlen inzwischen der weltweit führende FuE-Standort ist. Die Veröffentlichung ist ab Donnerstagmittag hier abrufbar. Von allen F&E-Beschäftigten entfallen knapp 42 Prozent auf China, gefolgt von der EU mit 17,2 Prozent und den Vereinigten Staaten mit 16,5 Prozent. 

FuE-Beschäftigung in Deutschland gestiegen

In Deutschland ist die F&E-Beschäftigung in den vergangenen zwei Jahrzehnten fast durchweg gestiegen – von 335.000 Vollzeitäquivalenten im Jahr 2003 auf 578.000 im Jahr 2022. Der Zuwachs war stärker als bei der übrigen Beschäftigung, sodass der Anteil von FuE an der Gesamtbeschäftigung von 0,9 auf 1,3 Prozent gestiegen ist. 

Die Autoren weisen darauf hin, dass die Industrien offenbar vom höheren Einsatz von F&E-Personal profitieren. Dieser stärke die Innovationskraft und steigere die Produktivität, schreiben sie. So liegen entsprechend Elektrotechnik, Pharma und Automotive bei der Wertschöpfung vorne, während sich der Maschinenbau mit vergleichsweise geringer Forschungsintensität im Mittelfeld bewegt.

3,5-Prozent-Ziel für FuE im Blick behalten

In Deutschland und Europa gelte es daher, FuE weiter zu stärken und entsprechende Fachkräfte auszubilden, zu halten und zu gewinnen. Claus Michelsen, Geschäftsführer Wirtschaftspolitik beim vfa, warnt im Gespräch mit Table.Briefings davor, das 3,5-Prozent-Ziel für FuE-Ausgaben aus den Augen zu verlieren. Man sei hier auf einem guten Weg gewesen, durch Corona habe es allerdings einen Knick gegeben. Und auch der demografische Wandel werde weiterhin nicht ernst genug genommen.

Ein Ausbau des FuE-Personals wird nach Ansicht der Autoren nur gelingen, wenn beispielsweise die Ausbildung in den MINT-Fächern verbessert wird. Darüber hinaus gelte es, die Erwerbsbeteiligung von Frauen und Älteren zu erhöhen, die Integration von Migranten in das Bildungssystem zu verbessern und mehr Anreize für ausländische Fachkräfte zu schaffen. Michelsen weist zudem auf eine weitere Möglichkeit hin: Fachkräfte aus vom Strukturwandel betroffenen Branchen wie Automotive oder Chemie könnten für andere Aufgabe weitergebildet werden. mw

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Hubertus Heil: Forschung muss Allgemeinheit zugute kommen

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) warnte bei einem Besuch der US-Raumfahrtbehörde NASA in Houston vor einer möglichen Dominanz einzelner Unternehmen in der Raumfahrt. “Wir erleben ja immer mehr, dass sich auch privatwirtschaftliche, große Tech-Firmen in die Weltraumfahrt begeben – natürlich auch, um Geschäfte zu machen.” 

Aus Sicht Heils ist die Zusammenarbeit von Staat und Wirtschaft in dem Bereich wichtig – doch nur in internationaler Zusammenarbeit der Staaten könne es die nötige Balance von öffentlichen und privaten Interessen geben. Er hob hervor, dass die großen Fragen unserer Zeit nur international gelöst werden können, wie am Beispiel der ISS sichtbar werde. Heil forderte an dieser Stelle klare Regeln. Generell müssten die Staaten darauf achten, “dass der Fortschritt, der erzielt wird, zum Beispiel durch Raumfahrt, durch Forschung, durch neue Technologien, nicht ein Fortschritt für wenige wird, sondern ein Fortschritt für viele“. mw mit dpa

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Leibniz-Gemeinschaft fordert, dass Bund und Länder die NFDI nach 2028 weiter fördern

Die Leibniz-Gemeinschaft setzt sich für eine Verstetigung der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) über die bisher geförderte Laufzeit bis Ende 2028 ein. Die NFDI sei existentiell, um ein Datenmanagement am Forschungsstandort zu etablieren, das zeitgemäß ist, sagte die Präsidentin der Leibniz-Gemeinschaft, Martina Brockmeier, laut einer Mitteilung des Forschungsverbundes. Das Ziel der NFDI “wertvolle Datenbestände von Wissenschaft und Forschung für das gesamte deutsche Wissenschaftssystem systematisch zu erschließen, zu vernetzen und nachhaltig sowie qualitativ nutzbar zu machen, helfe der Wissenschaft dabei, neue Erkenntnisse zu erschließen.

Aus Sicht der Leibniz-Gemeinschaft sei die NFDI bereits jetzt “ein großartiger Erfolg, für dessen Fortsetzung sich die Leibniz-Gemeinschaft auch in Zukunft nachhaltig engagieren wird”, sagte Brockmeier. Nach eigenen Angaben sind an 24 der 26 NFDI-Fachkonsortien Leibniz-Institute engagiert. In sechs Fachkonsortien engagieren sich Leibniz-Institute als Sprechereinrichtungen. Mit “überschaubarem Mitteleinsatz” könnten Bund und Länder mit der NFDI erhebliche Mehrwerte erzielen, gleichzeitig würde auch die Leibniz-Gemeinschaft selbst weiter notwendige Beiträge leisten.

Evaluation der NFDI läuft noch bis Ende 2025

Angesichts der aktuell noch bis Ende 2025 laufenden Systemevaluation der NFDI durch den Wissenschaftsrat, hat das Präsidium der Leibniz-Gemeinschaft unlängst ein Positionspapier zur Bedeutung der NFDI für die Stärkung der Komplementarität des Forschungsdatenmanagements verabschiedet. In dem Positionspapier spricht das Präsidium sich klar für eine Fortsetzung der NFDI-Förderung aus. Die Leibniz-Gemeinschaft werde sich bei Bund und Ländern für eine adäquate und langfristig planbare Finanzierung der NFDI einsetzen, heißt es in der Mitteilung.

Schon jetzt zeige sich das Potenzial der NFDI, Community-übergreifende Dienste zu organisieren und bereitzustellen, betont das Positionspapier. Um derartige Dienste und die kooperative Bereitstellung von Ressourcen dauerhaft zu organisieren und nicht mit dem Auslaufen der Finanzierung enden zu lassen, sei eine Verstetigung unter Fortführung der Finanzierung durch Bund und Länder unabdingbar. Nur so könne die angestrebte systemweite Komplementarität und Zusammenarbeit entstehen, von der das gesamte Wissenschaftssystem profitieren werde.

Konsortien sollen eigene Geschäftsmodelle entwickeln

Das Bundesforschungsministerium, aber auch die Länder, haben sich bislang noch nicht zu einer Verlängerung der Laufzeit positioniert. Auf der ersten Jahrestagung der NFDI-Konsortien (Cordi) im vergangenen Jahr, hatten Konsortialführer im Gespräch mit Table.Briefings vor einer Förderlücke gewarnt. Gleichzeitig haben die NFDI-Konsortien den Auftrag, eigene Geschäftsmodelle zu entwickeln, um sich nach Ende der öffentlichen Förderung selber tragen zu können. Die Konzepte dazu gehen mit in die Evaluierung ein, die derzeit von DFG und Wissenschaftsrat durchgeführt wird. Die zweite Ausgabe der Conference on Research Data Infrastructure (CoRDI) findet vom 26. bis 28. August 2025 an der RWTH Aachen statt. tg

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ITRE: Wer im neuen Ausschuss sitzt

Der polnische Europaabgeordnete Borys Budka (EVP) wurde zum neuen Vorsitzenden des ITRE-Ausschusses gewählt.

Am Dienstag hat in Brüssel die konstituierende Sitzung des ITRE-Ausschusses stattgefunden. Der polnische Europaabgeordnete Borys Budka (EVP) wurde wie erwartet zum Vorsitzenden gewählt, er übernimmt das Amt des rumänischen Europaabgeordneten Cristian Bușoi, während die Verhandlungen über die Ausgestaltung des FP10 beginnen. Budka ist seit den 1990er-Jahren politisch aktiv, war 2015 Justizminister Polens, und Minister für Staatsvermögen (2023) – bis er erfolgreich für das Europäische Parlament kandidierte. Das Mandat währt für zweieinhalb Jahre.

Vize-Vorsitzende des ITRE-Ausschusses wurde die Bulgarin Tsvetelina Penkova (S&D). Die Ökonomin wurde von ihrer Fraktion vorgeschlagen und war das einzige Mitglied, das für diese Position nominiert wurde, berichtet das Fachportal Science.Business. Im Juni war Penkova für ihre zweite Amtszeit als Mitglied des Europäischen Parlaments wiedergewählt worden. Es ist das dritte Mal, dass sie dem ITRE-Ausschuss angehört.

Penkovas Vertreterin ist die Italienerin Elena Donazzan (ECR). Ebenfalls im Ausschuss sitzen ab sofort Giorgio Gori (S&D) aus Italien und der Belgier Yvan Verougstraete (Renew).

Ehler wieder Sprecher der EVP-Fraktion

Zuständige Koordinatoren der Fraktionen sind der Rumäne Dan Nica (RO) und erneut Christian Ehler (CDU/EVP). Der Brandenburger Europaabgeordnete war bereits Anfang der Woche als Koordinator und Sprecher der EVP-Fraktion für den ITRE-Ausschuss wiedergewählt worden. Ehler war in der vergangenen Legislaturperiode Ko-Berichterstatter für Horizont Europa und will sich auch am Gesetzgebungsprozess für das 10. Forschungsrahmenprogramm (FP10) beteiligen. nik

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Presseschau

Der Spiegel. “Manchmal muss man den Mut haben, radikale Maßnahmen zu ergreifen”. Im Spiegel-Interview berichtet Robert-Jan Smits von dem Versuch an der TU Eindhoven, eine Frauenquote von 30 Prozent zu erreichen. Dafür wurden fünf Jahre lang offene Stellen zuerst mit Frauen besetzt. Sechs Monate sollten die Bewerbungen von Frauen immer ganz oben liegen. Erst wenn sich in diesem Zeitraum keine Frau bewarb, konnte zur Not auch ein Mann eingestellt werden. Der ehemalige EU-Generaldirektor für Forschung und Innovation wünscht sich für die Zukunft ein stärkeres Engagement des Senior Managements: “Die Führungsebene muss solche Veränderungen anstoßen und priorisieren, nicht die Personalabteilung. Andernfalls passiert nichts.” Mehr

Wiarda-Blog. “Wir stehen alle mit dem Rücken zur Wand”. Im Interview mit dem Wiarda-Blog will Markus Blume – nachdem er Bettina Stark-Watzinger im Spiegel “die schlechteste Wissenschaftsministerin, die wir je hatten” genannt hatte – lieber “nach vorne blicken”, statt seine Aussage näher zu erklären. Der Austausch mit dem BMBF in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) sei weiter konstruktiv, ein Bund-Länder-Programm zum Ausbau von Dauerstellen sei mit Blick auf die Haushaltslage aber derzeit nicht möglich. Auch beim Pakt für Forschung und Innovation (PFI) sieht Blume keinen Spielraum. Allerdings soll zur PFI-Halbzeit dem Pakt neues Leben eingehaucht werden. Es brauche mehr Synergien und weniger Bürokratie im Zusammenspiel der großen Forschungsorganisationen. Die Lösung soll ein neues Paktforum bringen, in dem sich Politik und Wissenschaft schnell und bedarfsorientiert über Prioritäten abstimmen können. Mehr

SWR. Rechnungshof will kleine Studiengänge wegsparen. Der Landesrechnungshof Baden-Württemberg will Orchideenfächer mit nur drei Professuren streichen oder stärker zusammenfassen – aus wirtschaftlichen Gründen. In ihrem Kommentar fordert Anja Braun, dass Wirtschaft und Finanzpolitik der Wissenschaft nicht vorschreiben dürfen, in welchen Bereichen geforscht wird. Aus ihrer Sicht müsste mehr getan werden, um gerade die kleinen Fächer zu schützen und ihr Wissen und ihre Kompetenzen zu erhalten. Mehr

Süddeutsche Zeitung. “Wie China seine Frauen im Stich lässt”. Der Fall einer Doktorandin einer Pekinger Eliteuniversität, die ihrem Betreuer öffentlich sexuelle Belästigung vorwirft, hat die “Me Too”-Debatte in China neu angefacht. Zwar reagierte die Universität “in Rekordschnelle” und entzog dem Professor sämtliche akademischen Titel und Ämter, wie Florian Müller in der Süddeutschen Zeitung berichtet. Jedoch sei der Fall nur der jüngste in einer Reihe mutmaßlicher Missbrauchsfälle an Chinas Spitzenuniversitäten und in der Gesellschaft generell, bei denen die mutmaßlichen Täter keinerlei Strafen fürchten müssen. Den mutmaßlichen Opfern hingegen drohen Verfolgung und sogar Gefängnisstrafen. Mehr

Heads

Johannes Vogel – Visionär des Berliner Naturkundemuseums 

Manche sagen, der Mann ist eine Marke. Eine Marke, die eng verknüpft ist mit dem Museum für Naturkunde Berlin. Dort sitzt Johannes Vogel jetzt, in einem geräumigen Konferenzraum mit hohen Decken und einer breiten Fensterfront. Professor Vogel – Dalí-Schnurrbart, weißes Hemd mit roten Manschettenknöpfen in Tomaten-Form – geht vorbei an einem riesigen Wandbildschirm und einer Holzvitrine, die den Blick auf eine Sammlung historischer Mikroskope freigibt. Ein Kontrast, der stellvertretend für seine Arbeit steht.

Der 61-Jährige will aus dem 1810 gegründeten Museum für Naturkunde Berlin gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen einen Ort der Zukunft, ein “Parlament für Natur“, machen. Seit 2012 ist Vogel Generaldirektor des Museums für Naturkunde Berlin. Der Natur habe er sich immer schon nah gefühlt, erzählt er im Gespräch mit Table.Briefings.

“Ich brauche Natur. Wenn ich in der Natur bin, fühle ich mich zu Hause, tief mit dem Leben verbunden und versuche zu verstehen, was passiert und warum.” Deshalb studierte er Biologie, bekam ein Stipendium für die Universität Cambridge und ging nach seiner Promotion zum Natural History Museum in London.

In London wurde Vogel Chefkurator der botanischen Abteilung und heiratete Sarah Darwin, die Urenkelin des berühmten Evolutionsbiologen. Seinen kritischen Außenblick auf das deutsche Wissenschaftssystem hat sich der Biologe bis heute bewahrt: “Was wir nicht verstanden haben in Deutschland, ist die Tatsache, dass Kommunikation billig ist. Wir brauchen einen wissensbasierten Dialog mit der Gesellschaft.” 

Politische Aufgaben im Naturkundemuseum

Mit dem sprichwörtlichen Elfenbeinturm hat der Botaniker nichts im Sinn. Ganz im Gegenteil – er ist gerne nah dran, schlendert durch die Gänge seines Museums, um zu beobachten, wo Besuchende innehalten, entdecken und was sie erleben. “Ich bin einer der privilegiertesten Menschen in der deutschen Wissenschaft, weil ich täglich sehen kann, ob wir relevant sind und wo nicht.”

Der Institution “Naturkundemuseum” fühlt sich der Wissenschaftler auch emotional verbunden. In London sei er mit “dem Naturkundemuseum als Ort” zum ersten Mal in Berührung gekommen und habe sich in diese Organisationsform “verliebt”, erinnert er sich. Mit dem Wechsel nach Berlin ist für Vogel dann allerdings die politische Aufgabe des Naturkundemuseums in den Vordergrund getreten. “Es gibt zwei Themen, bei denen man politisch sein muss”, betont Vogel. Er sagt, wenn es um den Einsatz für unsere rechtsstaatliche Demokratie und um die Aufrechterhaltung unserer natürlichen Lebensgrundlagen gehe, müsse man politisch sein. Beide Themen seien untrennbar miteinander verbunden.  

Genauso ist Vogel überzeugt: Wissenschaft muss erlebbar sein. “Die Co-Produktion von Wissen ist essenziell für eine wissensbasierte, rechtsstaatliche Demokratie.” Wenn Bürger wie die Krefelder Hobby-Entomologen, die 2017 zum ersten Mal mit einer Langzeitstudie das dramatische Ausmaß des Insektensterbens dokumentieren konnten, selber forschen, dann könnten wir ein anderes Verständnis für die Legitimation von politischen Entscheidungen erreichen, glaubt der Wissenschaftler.

Ende 2018 bewilligten der Deutsche Bundestag und das Berliner Abgeordnetenhaus 660 Millionen Euro für die Entwicklung des Naturkundemuseums. Doch diese gewaltige Summe zeigt nur, wie groß die Aufgaben für Vogel und das Museum sind. Hier geht es darum, ein Gebäude, das sich zu 80 Prozent im Zustand von 1945 befindet, zu sanieren, die 30 Millionen Objekte der Sammlung zu digitalisieren und einen Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft in Berlin als Experiment neu durchzuführen. “Das ist unser Zukunftsplan”, sagt Vogel. Gabriele Voßkühler

  • Demokratie
  • Wissenschaftskommunikation

Personalien

Klaus Fischer, baden-württembergischer Unternehmer, wurde für sein außergewöhnliches Engagement im Bereich der Wissenschaft und seinen Einsatz für die Universität Stuttgart die Ehrendoktorwürde der Universität Stuttgart verliehen. Ausgezeichnet wurde der Inhaber der Unternehmensgruppe fischer aus dem Schwarzwald insbesondere für seine Verdienste auf den Gebieten des konstruktiven Ingenieurbaus, der Produktions- und Verfahrenstechnik und des Maschinenbaus. 

Tabea Rettelbach, Doktorandin am Alfred-Wegener-Institut in Potsdam, und Panagiotis Kampouridis, Doktorand an der Universität Tübingen, bekommen den diesjährigen Bernd Rendel-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Sie werden ausgezeichnet für ihre vielversprechende und originelle geowissenschaftliche Forschung vor ihrer Promotion. Rettelbach forscht zum Thema Permafrost. Kampouridis untersucht Fossilien von großen Säugetieren, die vor mehreren Millionen Jahren gelebt haben. Die DFG verleiht den Bernd Rendel-Preis seit 2002 jährlich an noch nicht promovierte Absolventinnen und Absolventen der Geowissenschaften für wissenschaftliche Zwecke. 

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Dessert

Morgen Abend werden in Paris die Olympischen Spiele 2024 offiziell eröffnet. In Sachen Emanzipation im Sport war die französische Hauptstadt stets gut für Neuigkeiten.

Zum ersten Mal in der Geschichte nehmen an den diesjährigen Olympischen Spielen, die am Freitagabend in Paris eröffnet werden, ebenso viele Frauen wie Männer teil. Ein Meilenstein in der Geschichte des sportlichen Wettkampfs. Paris scheint ein gutes Pflaster für Emanzipation im Sport zu sein. Darauf weist Sportsoziologin Petra Tzschoppe von der Universität Leipzig hin.

Die Wissenschaftlerin hat recherchiert, dass schon im Jahr 1900 erste Schritte Richtung Gleichberechtigung gemacht wurden. Bei den zweiten Spielen der Neuzeit –  in Paris – durften erstmals 22 Sportlerinnen teilnehmen. 1924 wurden dann die ersten Fechterinnen zum Wettbewerb zugelassen und immerhin schon 135 der insgesamt 3.000 Aktiven waren weiblich. Wiederum in Paris. Und jetzt also zahlenmäßige Gleichberechtigung. 100 Jahre später. Wieder an der Seine. Vive la France! 

Nachholbedarf bei Verbändern und Betreuungspersonal

Das sei zwar beispielhaft, sagt Sportsoziologin Tzschoppe. Dennoch sieht sie noch Nachholbedarf bei der Geschlechtergerechtigkeit – unter anderem bei Führungspositionen innerhalb der Sportverbände und beim Betreuungspersonal. So seien auch in der deutschen Mannschaft in diesem Jahr lediglich 13 Prozent der Coaches weiblich. Und auch die Zahl der akkreditierten Journalistinnen sei durchaus noch ausbaufähig.  

Wir werden in den nächsten zwei Wochen genauer hinschauen und am Ende mal einen Blick auf den Medaillenspiegel werfen. Mal abwarten, wer im deutschen Team dann die Nase vorn hat. Die Frauen oder die Männer … Anja Luckas

  • Olympia

Research.Table Redaktion

RESEARCH.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    mit dem ehrgeizigen Ziel, die Grenzen des Universums weiter zu verschieben, stehen Europas Teilchenphysiker vor einer wegweisenden Entscheidung: Am CERN, dem Europäischen Kernforschungszentrum, ist der Bau eines gigantischen Teilchenbeschleunigers namens FCC (Future Circular Collider) geplant, der ab Mitte der 2040er-Jahre in Betrieb gehen könnte. Jedoch stellt die Finanzierung dieses Mammutprojekts mit geschätzten Kosten von mindestens 15 Milliarden Euro eine große Herausforderung dar.

    Zusätzlich zu den finanziellen Hürden zeichnet sich ein weiterer Faktor ab, der die Entscheidung der Forscher kompliziert: China will eine eigene Higgs-Maschine bauen und strebt offenbar die Errichtung eines vergleichbaren Beschleunigers an, dem Circular Electron Positron Collider (CEPC), der bereits Mitte der 2030er-Jahre einsatzbereit sein könnte.

    Die zentrale Frage lautet nun: Soll Europa am ehrgeizigen FCC-Projekt festhalten, trotz der ungewissen Finanzierung und des Zeitdrucks durch Chinas Vorhaben? Oder wäre es sinnvoller, mit China zu kooperieren und Ressourcen im CEPC zu bündeln? Unser Autor Ralf Nestler hat sich die Details angesehen. Sein Fazit: Die europäische Strategie für Teilchenphysik braucht ein Update.  

    Eine aktuelle Analyse des vfa (Verband forschender Arzneimittelhersteller), die Table.Briefings exklusiv vorliegt, zeigt die Entwicklung der Beschäftigten in Forschung und Entwicklung (FuE) in Deutschland und international. In absoluten Zahlen liegt Deutschland hier europaweit an der Spitze und weltweit auf Platz vier. Wie sich die Situation der FuE-Beschäftigung in Deutschland aber entwickelt und welche Herausforderungen es gibt, hat mein Kollege Markus Weisskopf für Sie zusammengestellt.

    Kommen Sie gut durch den Tag,

    Ihre
    Nicola Kuhrt
    Bild von Nicola  Kuhrt

    Analyse

    Was der Krieg für russische Hochschulen bedeutet

    Die Lomonossow-Universität in Moskau: Aktuelle Analysen zeigen, dass Studierende und Lehrende an russischen Hochschulen massiv unter Druck stehen. Die Hochschulfreiheit ist in Gefahr.

    Bürgerrechtler sehen durch die Repression in Russland im Zuge des Angriffskriegs gegen die Ukraine auch Universitäten und Hochschulen unter einem stärkeren politischen Druck. Die Organisation Molnija, die sich für die Rechte von Studierenden einsetzt, verzeichnet seit Kriegsbeginn 2022 deutlich mehr Fälle von Zwangsexmatrikulationen.

    Wegen Kritik am Krieg oder wegen sonstiger politischer Motive würden Studenten und Studentinnen aus den Hochschulen entfernt. Eine Studie zur Hochschulfreiheit in Russland listet für 2023 mehrere Fälle auf, bei denen auch Dozenten aus politischen Gründen entlassen oder bestraft wurden. Genaue Zahlen über die Entwicklung von Hochschulverweisen aus politischen Gründen gibt es allerdings nicht. 

    Wehrerziehung kehrt zurück 

    In Russland lernen nach offiziellen Angaben etwa 4,3 Millionen Studierende an rund 1.000 Unis und Hochschulen. Die Hochschulen seien einer der empfindlichsten Bereiche der Gesellschaft, sagte die Journalistin Wera Ryklina vom Medienprojekt “Strana i mir” bei einer Veranstaltung der Deutschen Sacharow-Gesellschaft. Russland richte sich auf einen langanhaltenden Konflikt mit dem Westen ein. An der Hochschulpolitik lasse sich ablesen, welche Gesellschaft der russische Staat unter Kremlchef Wladimir Putin anstrebe.

    Zu diesem Bild gehörten eine Militarisierung und ideologische Indoktrinierung, erläuterte der exilierte russische Soziologe Dmitri Dubrowski, ein Autor der Studie zur Hochschulfreiheit für das Forschungszentrum Cisrus in den USA. Die Militärausbildung sei zurückgekehrt, zur patriotischen Erziehung würden Fächer wie “Grundlagen der russischen Staatlichkeit” oder “Religionen Russlands” eingeführt. Geheimdienstoffiziere rückten in Uni-Verwaltungen ein

    Pro-westliche Personen werden denunziert

    Linientreue Studenten oder Dozenten durchforsteten die Konten ihrer Kommilitonen oder Kollegen in sozialen Netzwerken auf abweichende Meinungen, sagte Dubrowski. Von einem aktuellen Fall berichtete das russische Exilmedium “The Insider” Mitte Juli: Demnach sei der Dozent Nikolai Rosow als Mitarbeiter des Philosophie-Instituts der Universität Nowosibirsk entlassen worden – ein Kollege habe ihn wegen angeblich “radikalen Westlertums” denunziert.

    Mehrere als liberal geltende Fakultäten und Privathochschulen wurden geschlossen. Die Vielfalt der Lehre an russischen Hochschulen leide auch darunter, dass viele Dozenten und Organisationen als sogenannte ausländische Agenten eingestuft seien, sagte Dubrowski. Im Extremfall seien akademische Partner als unerwünscht gebrandmarkt worden – dies gilt zum Beispiel für das Deutsche Historische Institut (DHI) in Moskau. Das bedeutet, dass die Zusammenarbeit mit ihnen als strafbar gilt.

    Mit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine habe das DHI seine Stipendienprogramme, Kooperationen mit staatlichen Einrichtungen und die Veranstaltungstätigkeit ausgesetzt, berichtet Forschung & Lehre, mit Verweis auf eine Stellungnahme der Max-Weber-Stiftung, die das Institut finanziert. Die Stiftung wertet die Einstufung des DHI durch das russische Justizministerium als einen schweren Schlag gegen die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit. Man betreibt bislang aber die zentrale Bibliothek weiter und will ein dezentrales Netzwerk aufbauen, damit sich Forschende weiterhin frei und unabhängig mit der russischen beziehungsweise sowjetischen Geschichte befassen können.

    Rauswurf wegen Teilnahme an Demonstrationen

    Studierende würden oft von der Hochschule verwiesen, wenn sie an nicht genehmigten Demonstrationen teilnehmen, berichtet die Organisation Molnija. Begründet werde dies mit einem Verstoß gegen die Verhaltensregeln der Hochschule. Gefährdet seien vor allem Studierende, die sich sozial oder gewerkschaftlich engagieren oder journalistisch arbeiten. Demonstrationen werden in Russland immer noch unter Verweis auf den Schutz vor Corona untersagt.

    Molnija verweist darauf, dass in den Jahren vor dem Krieg jeweils nur eine Handvoll Fälle von Hochschulverweisen aus politischen Gründen bekanntgeworden waren. In den Kriegsjahren 2022 und 2023 seien es gleich mehrere Dutzend gewesen. Entlassene Studenten seien weitgehend ungeschützt, sagte eine Juristin von Molnija anonym bei der Sacharow-Gesellschaft. Sie hätten keine Arbeit, staatliche Stellen lehnten den Kontakt mit ihnen ab, ihnen drohe die Einberufung zum Wehrdienst. Tausende kritische Studenten und Dozenten haben sich wegen des Krieges ins Ausland abgesetzt.

    Elite-Studierende unter Spionageverdacht

    Aber auch russische Elite-Studierende, die über Stipendienprogrammen ins westliche Ausland gegangen und eine Rückkehr fest eingeplant hatten, stehen inzwischen immer häufiger unter Spionageverdacht. So berichtete kürzlich das mit dem Grimme-Online-Award ausgezeichnete Online-Medium Dekoder über Stipendiaten des US-amerikanischen Fulbright-Programms. Sogar im Kalten Krieg hatte die Sowjetunion über das Programm talentierte Nachwuchsforscherinnen und -forscher an Hochschulen des Klassenfeindes geschickt.

    Anfang 2024 erklärte die russische Regierung das Institute of International Education (IIE), den Träger des Fulbright-Programms, aber zur unerwünschten Organisation. Russinnen und Russen, die da bereits in den USA studierten oder eine Zusage für ein Stipendium hatten, fürchten sich jetzt vor der Rückkehr in ihre Heimat. Studierende berichteten Dekoder von der Gefahr, auf die Liste der ausländischen Agenten zu geraten. Und da ausländische Agenten keine Bildungsarbeit leisten dürfen, können die Fulbright-Alumni ihr erworbenes Wissen nicht weitergeben. Projekte, die sie sich vor ihrem USA-Aufenthalt vorgenommen haben, können sie daheim nicht mehr umsetzen. Friedemann Kohler (dpa), Tim Gabel

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    Teilchenphysik: Riesenbeschleuniger FCC bekommt Konkurrenz

    Europas Teilchenphysiker stehen vor einem Dilemma. Sie wollen am Kernforschungszentrum Cern einen Riesenbeschleuniger bauen, der ab Mitte der 2040er-Jahre laufen könnte. Doch die Maschine namens FCC (Future Circular Collider) wird mindestens 15 Milliarden Euro kosten. Die Finanzierung ist bisher nicht gesichert, wiederholt kündigte daher das BMBF an, kein Geld dazuzugeben.

    Zudem verdichten sich die Hinweise, dass China schon bald ein ähnliches Gerät errichten will und dem FCC zuvorkommt. Bereits Mitte der 2030er-Jahre könnte der Circular Electron Positron Collider (CEPC) einsatzbereit sein und vor allem: offen für europäische Forscher. Zumindest nach jetzigem Stand. Sollen sie die Chance ergreifen und das Geld für den FCC sparen?

    Derzeit läuft am Cern der Beschleuniger LHC (Large Hadron Collider), mit dem 2012 erstmals das lang gesuchte Higgs-Teilchen nachgewiesen wurde. Mit jeder Messung lernen die Forscher mehr über dessen Eigenschaften und verfeinern so ihre Theorien von den Kräften, die das Universum am Laufen halten. Perspektivisch wollen sie eine leistungsstärkere Maschine. Sie liefert mehr Daten und womöglich Hinweise auf “neue Physik”, die Lücken im Theoriegebäude schließt.

    15,5 Milliarden soll der FCC kosten

    Stärker heißt größer. Statt 27 Kilometer, die der ringförmige LHC im Umfang misst, benötigt der ebenfalls ringförmige FCC 91 Kilometer. Die technische Machbarkeit wird seit 2021 untersucht, ebenso die geologische, denn auch der FCC würde in unterirdischen Röhren aufgebaut. Die Kostenschätzung ist bisher nur grob, beläuft sich auf 15,5 Milliarden Euro. Aus dem laufenden Cern-Budget ist das nicht zu leisten, denn der Forschungsbetrieb des LHC geht weiter, ab 2029 in einer höheren Leistungsstufe, die schon jetzt vorbereitet wird.

    Für den FCC braucht es zusätzliche Geldquellen. Diskutiert wird, die Schweiz und Frankreich mehr zu beteiligen, weil diese Länder stärker vom Bau profitieren – durch Aufträge an regionale Firmen. Eine weitere Option wäre, Staaten ohne Cern-Mitgliedschaft an den Kosten zu beteiligen, wenn sie mit dem FCC forschen. Im Blick sind hier vor allem die USA und Japan.

    “Wie die Finanzierung solide gelingt, muss jetzt das Cern-Management klären”, sagt Lutz Feld von der RWTH Aachen und Vorsitzender des Komitees für Elementarteilchenphysik, das die deutsche Fachcommunity vertritt. Die Zurückhaltung des BMBF ist dort schon länger bekannt und aus seiner Sicht verständlich: “Als Steuerzahler erwarte ich, dass nur in Projekte investiert wird, deren Finanzierung geklärt ist.” Feld ergänzt, das Cern habe mehrfach gezeigt, dass es “solche Riesenprojekte kann”. Beim Bau der bisherigen Beschleuniger wurden “Zeit- und Kostenpläne weitaus besser eingehalten als bei der Elbphilharmonie oder Stuttgart 21“.

    China will eigene Higgs-Maschine bauen

    China forciert seit Jahren seinen Aufstieg in der Wissenschaft. Dazu gehören auch Ideen für einen großen Beschleuniger, der ebenfalls als “Higgs-Maschine” konzipiert wird. Nun scheint es ernst zu werden. Der 100 Kilometer lange CEPC könnte 2025 in den nächsten Fünf-Jahres-Plan aufgenommen werden, berichtet “Nature”. Stimmt die Regierung zu, könnte ab 2027 gebaut werden, um 2035 die Forschung beginnen. 

    Solche Forschungsanlagen sind Hightechgeräte, an der Grenze des Machbaren und auch deshalb attraktiv: Denn “nebenbei” bringen sie wichtige Innovationen hervor, zum Beispiel Supraleiter-Technologie, die Strom nahezu verlustfrei leitet. Zweifel, ob China so eine Top-Maschine bauen kann, schwinden. “Ich traue ihnen das zu”, sagt etwa Karl Jakobs von der Universität Freiburg, der zum International Advisory Committee des CEPC gehört und das Konzept gut kennt.

    Europäische Strategie für Teilchenphysik braucht Update

    Die Entwicklung in China sowie die Resultate der Machbarkeitsstudie für den FCC erfordern ein Update der europäischen Strategie für Teilchenphysik. Dort hatten 2020 einschlägige Fachleute empfohlen, als Nachfolger für den LHC eine “Higgs-Maschine” zu bauen. Anhand der neuen Informationen werden nun die Experten erneut beraten. “Das wird sehr spannend”, sagt Jakobs, der das Gremium leitet. Es könnte sein, dass man am FCC festhält. “Es könnte aber auch sein, dass – sofern China den CEPC baut – man dem Cern rät, seinen Fokus zu verschieben.” Dazu existieren verschiedene Konzepte für alternative Geräte, darunter ein Linearbeschleuniger namens CLIC. In zwei Jahren soll das Votum vorliegen.

    Lutz Feld warnt davor, allein auf den chinesischen Beschleuniger zu setzen. “Was tun wir, wenn die chinesische Regierung plötzlich festlegt, es werden keine Daten mehr herausgegeben?”, fragt er. “Oder wenn China Taiwan überfällt und im Zuge der politischen Folgen keiner von uns mehr an die Detektoren kommt?” Als Wissenschaftler müsse er die Messungen des CEPC überprüfen können, um ihnen zu vertrauen.

    Was ist die offene, internationale Kooperation am Cern wert?

    Die China-Skepsis ist in der europäischen Community verbreitet. Es finde sich kaum ein Wissenschaftler, der in das Land umziehe, um dort seine Karriere aufzubauen, sagt ein Physiker. Man müsse sehr vorsichtig sein, das werde ihnen an der Universität nahezu täglich gesagt, äußert ein anderer. Die internationale und offene Kooperation wie sie am Cern kultiviert wird, kann sich in China kaum einer vorstellen.

    Doch müssen sich die Forscher fragen lassen, ob dies als Argument genügt, auf den FCC zu dringen. Schließlich hängt ein atemberaubendes Preisschild dran, das wohl noch nach oben korrigiert werden wird. Mit dem Geld könnten Teilchenphysiker, aber auch andere Grundlagenforscher, viel anstellen.

    “Wir können nur Vorschläge unterbreiten”

    Allerdings schwingt bei der Entscheidung auch mit: Europa hat am Cern eine Führungsrolle, wissenschaftlich sowie bei der Technologieentwicklung. “Es wäre klug, diese zu behalten”, sagt Hans Peter Beck, Teilchenphysiker an der Universität Bern und am Cern. Zumal er geopolitisch die Gefahr einer neuen Eiszeit sieht – bezogen auf Russland und China, selbst in den USA sei die Einreise von Forschern aus bestimmten Ländern erschwert. “Wir Physiker können nur Vorschläge unterbreiten, die Entscheidung, was getan wird, müssen Politik und Gesellschaft treffen.”

    • BMBF
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    • Forschungspolitik
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    Termine

    12./13. September 2024, FU Berlin
    Jah­res­ta­gung des Netz­werks Wis­sen­schafts­ma­nage­ment Für Frei­heit in Kri­sen­zei­ten. Per­spek­ti­ven aus dem Wissenschaftsmanagement Mehr

    19. September 2024, ab 11 Uhr, Körber-Stiftung, Hamburg
    Hamburg Science Summit 2024 “Europe’s Path Towards Tech Sovereignty” Mehr

    24. September 2024, 10:30 bis 16:15 Uhr, Haus der Commerzbank, Pariser Platz 1, 10117 Berlin
    Forum Hochschulräte Starke Marken, klarer Kern: Strategische Schwerpunktsetzung und Markenbildung bei Hochschulen Mehr

    25. September 2024, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU)
    Jahreskolloquium des Bayerischen Wissenschaftsforums Transformationskompetenz in Wissenschaft und Hochschule Mehr

    26. September 2024, 12:00 bis 13:00 Uhr, Webinar
    CHE talk feat. DAAD KIWi Connect Transfer und Internationalisierung – Warum ist es sinnvoll, beides gemeinsam zu denken und was braucht es hierzu? Mehr

    26./27. September 2024, Leopoldina, Jägerberg 1, 06108 Halle (Saale) und Online
    Jahresversammlung 2024 der Leopoldina Ursprung und Beginn des Lebens Mehr

    3. /4. Oktober 2024, Universität Helsinki, Finnland
    2024 EUA FUNDING FORUM Sense & sustainability: future paths for university finances Mehr

    23. bis 25. Oktober 2024 am ETH AI Center in Zürich, Schweiz
    Jahrestagung der Gesellschaft für Medien in der Wissenschaft (GMW) und CampusSource Agilität und KI in Hochschulen Mehr

    News

    Fördermittel-Affäre: Wie der Ruf nach Aufklärung auch in der Sommerpause weitergeht

    Deutliche Kritik am Vorgehen der BMBF-Hausspitze in Sachen Fördermittel-Affäre kommt aktuell von den Koalitionspartnern. “Für die SPD gilt seit Beginn der Diskussion um Förderentscheidungen im BMBF, dass alle offenen Fragen schnell und transparent beantwortet werden müssen. Das gilt auch für die in Rede stehenden Fragen zu dem vermeintlichen Chat auf Leitungsebene”, sagt Oliver Kaczmarek gegenüber Table.Briefings. Die politische Verantwortung für die schnelle Aufklärung habe die Ministerin, erklärt der Obmann des Forschungsausschusses. Bettina Stark-Watzinger könne auch nur entscheiden, ob die ehemalige Staatssekretärin Döring sich öffentlich äußern darf oder nicht.

    “Warum sie das verweigert, entzieht sich meinem Verständnis. Die SPD hätte keine Einwände gegen eine Äußerung von Frau Döring. Bei der Beantwortung der offenen Fragen sollte das BMBF nicht so viel Zeit vergehen und so viel Interpretationsspielraum entstehen lassen.”

    Von den Grünen kommen ähnliche Worte: “Wir haben stets betont, dass es eine transparente, vollumfängliche Aufarbeitung des Sachverhalts braucht, um verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen”, sagt Kai Gehring, Vorsitzender des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung. Den Weg der Aufklärung müsse das BMBF glaubwürdig fortsetzen, um noch offene Fragen zu beantworten. “Wissenschaftsfreiheit ist kein Nice-to-have, sondern grundgesetzlich garantiertes Fundament und Voraussetzung für unser Forschungssystem.”

    BMBF verweist auf die Schweigepflicht – oder erklärt Chats zur Privatsache

    Seit Bekanntwerden der Vorwürfe um Fördermittelprüfungen gegen Bundesministerin Bettina Stark-Watzinger im Juni hat das Haus bei Fragen wahlweise auf Schweigepflichten verwiesen oder die dann entlassene Sabine Döring als Auftraggeberin der umstrittenen Prüfauftrage ausgemacht. Interne Chats der Hausgruppe des BMBF auf der Plattform “Wire“, die Aktivisten der Plattform “FragDenStaat” einsehen wollten, wurden ebenfalls nicht herausgegeben – diese seinen privat.

    Tatsächlich laufen noch mehrere IFG-Anfragen, die direkt an das BMBF gehen. Sabine Döring selbst hat ein Eilverfahren angestrengt, “FragDenStaat” hat gegen die abgelehnte IFG-Anfrage zu Offenlegung der Wire-Chats Widerspruch eingelegt und auch das Eilverfahren, mit dem das Löschen der Online-Kommunikation verhindert werden soll, läuft noch.

    CDU: Grüne und SPD sollen Sabine Döring endlich helfen

    Die CDU hatte am 3. Juli bei Staatssekretär Mario Brandenburg eine schriftliche Stellungnahme der entlassenen Staatssekretärin Sabine Döhring erbeten. Das BMBF hat zunächst die gesetzte Deadline (17. Juli) gerissen, um dann einen Tag später nur knapp auf die “Antwort des Bundesministeriums für Bildung und Forschung auf die Schriftliche Frage 7/128 der Abgeordneten Gitta Connemann zu verweisen.” 

    In dieser Antwort hieß es allerdings nur “Frau Staatssekretärin a.D. Prof. Dr. Sabine Döring wurde über die Entscheidung der Bundesministerin Bettina Stark-Watzinger bzgl. § 67 Bundesbeamtengesetz mit einem Schreiben vom 3. Juli 2024 informiert. Darin wurden ihr die der Entscheidung zugrunde gelegten Gründe dargelegt. Da es sich um eine Personalangelegenheit handelt, werden keine näheren Auskünfte erteilt.”

    Freitag: Vielleicht eine BMBF-Antwort auf die 100 Fragen

    Thomas Jarzombek und Stephan Albani (CDU) forderten daraufhin Grüne und SPD auf, Sabine Döring “jetzt endlich zur Hilfe zu kommen und ihr die Möglichkeit zu geben, ihre Sicht der Dinge in die Sachverhaltsaufklärung einzubringen.” Die Koalitionspartner von Frau Stark-Watzinger müssten sich die Frage stellen, “wie lange sie dem Treiben der Ministerin noch tatenlos zuschauen wollen, erklärte Thomas Jarzombek, forschungspolitischer Sprecher seiner Partei.

    Die Komplett-Blockade von Bundesministerin Stark-Watzinger sei nicht nachvollziehbar, ergänzt Stephan Albani, Obmann der Arbeitsgruppe Bildung und Forschung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, dies “bestätigt die fehlende Bereitschaft zur Aufklärung und mehrt die Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit.”

    Vielleicht wird der Freitag endlich Antworten bringen: Die CDU hatte im Rahmen einer Kleinen Anfrage einen umfangreichen Katalog mit 100 Fragen an die Bundesregierung an das BMBF übermittelt. Es geht darin vor allem um die Rolle von Bettina Stark-Watzinger. Die CDU/CSU-Abgeordneten wollen wissen, ob, wann und wie die Ministerin in den Umgang mit einem offenen Brief von Hochschullehrern zum Nahost-Konflikt im Forschungsministerium eingebunden war. Am Donnerstag endet hier die Frist, bis zu der geantwortet werden kann. nik

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    • Fördergeld-Affäre

    FuE-Beschäftigte: Wie Deutschland im internationalen Vergleich dasteht

    Eine aktuelle Analyse des vfa (Verband forschender Arzneimittelhersteller), die Table.Briefings exklusiv vorliegt, zeigt die Entwicklung der Beschäftigten in Forschung und Entwicklung (FuE) in Deutschland und international. In absoluten Zahlen liegt Deutschland hier europaweit an der Spitze und weltweit auf Platz vier. Im Jahr 2022 arbeiteten 578.000 Beschäftigte hierzulande im Bereich der FuE. 

    Relativ gesehen sind allerdings andere Länder in Europa besser aufgestellt. Demnach liegen die Niederlande, Schweden, Österreich und Dänemark mit jeweils mehr als 6.000 FuE-Beschäftigten je eine Million Einwohner an der Spitze. Deutschland folgt mit 5.563 im oberen Mittelfeld. Die Daten für die Analyse stammen von Stifterverband, OECD und dem Statistischen Bundesamt.

    Das Policy Paper von Claus Michelsen und Simon Junker zeigt, dass China in absoluten Zahlen inzwischen der weltweit führende FuE-Standort ist. Die Veröffentlichung ist ab Donnerstagmittag hier abrufbar. Von allen F&E-Beschäftigten entfallen knapp 42 Prozent auf China, gefolgt von der EU mit 17,2 Prozent und den Vereinigten Staaten mit 16,5 Prozent. 

    FuE-Beschäftigung in Deutschland gestiegen

    In Deutschland ist die F&E-Beschäftigung in den vergangenen zwei Jahrzehnten fast durchweg gestiegen – von 335.000 Vollzeitäquivalenten im Jahr 2003 auf 578.000 im Jahr 2022. Der Zuwachs war stärker als bei der übrigen Beschäftigung, sodass der Anteil von FuE an der Gesamtbeschäftigung von 0,9 auf 1,3 Prozent gestiegen ist. 

    Die Autoren weisen darauf hin, dass die Industrien offenbar vom höheren Einsatz von F&E-Personal profitieren. Dieser stärke die Innovationskraft und steigere die Produktivität, schreiben sie. So liegen entsprechend Elektrotechnik, Pharma und Automotive bei der Wertschöpfung vorne, während sich der Maschinenbau mit vergleichsweise geringer Forschungsintensität im Mittelfeld bewegt.

    3,5-Prozent-Ziel für FuE im Blick behalten

    In Deutschland und Europa gelte es daher, FuE weiter zu stärken und entsprechende Fachkräfte auszubilden, zu halten und zu gewinnen. Claus Michelsen, Geschäftsführer Wirtschaftspolitik beim vfa, warnt im Gespräch mit Table.Briefings davor, das 3,5-Prozent-Ziel für FuE-Ausgaben aus den Augen zu verlieren. Man sei hier auf einem guten Weg gewesen, durch Corona habe es allerdings einen Knick gegeben. Und auch der demografische Wandel werde weiterhin nicht ernst genug genommen.

    Ein Ausbau des FuE-Personals wird nach Ansicht der Autoren nur gelingen, wenn beispielsweise die Ausbildung in den MINT-Fächern verbessert wird. Darüber hinaus gelte es, die Erwerbsbeteiligung von Frauen und Älteren zu erhöhen, die Integration von Migranten in das Bildungssystem zu verbessern und mehr Anreize für ausländische Fachkräfte zu schaffen. Michelsen weist zudem auf eine weitere Möglichkeit hin: Fachkräfte aus vom Strukturwandel betroffenen Branchen wie Automotive oder Chemie könnten für andere Aufgabe weitergebildet werden. mw

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    Hubertus Heil: Forschung muss Allgemeinheit zugute kommen

    Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) warnte bei einem Besuch der US-Raumfahrtbehörde NASA in Houston vor einer möglichen Dominanz einzelner Unternehmen in der Raumfahrt. “Wir erleben ja immer mehr, dass sich auch privatwirtschaftliche, große Tech-Firmen in die Weltraumfahrt begeben – natürlich auch, um Geschäfte zu machen.” 

    Aus Sicht Heils ist die Zusammenarbeit von Staat und Wirtschaft in dem Bereich wichtig – doch nur in internationaler Zusammenarbeit der Staaten könne es die nötige Balance von öffentlichen und privaten Interessen geben. Er hob hervor, dass die großen Fragen unserer Zeit nur international gelöst werden können, wie am Beispiel der ISS sichtbar werde. Heil forderte an dieser Stelle klare Regeln. Generell müssten die Staaten darauf achten, “dass der Fortschritt, der erzielt wird, zum Beispiel durch Raumfahrt, durch Forschung, durch neue Technologien, nicht ein Fortschritt für wenige wird, sondern ein Fortschritt für viele“. mw mit dpa

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    Leibniz-Gemeinschaft fordert, dass Bund und Länder die NFDI nach 2028 weiter fördern

    Die Leibniz-Gemeinschaft setzt sich für eine Verstetigung der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) über die bisher geförderte Laufzeit bis Ende 2028 ein. Die NFDI sei existentiell, um ein Datenmanagement am Forschungsstandort zu etablieren, das zeitgemäß ist, sagte die Präsidentin der Leibniz-Gemeinschaft, Martina Brockmeier, laut einer Mitteilung des Forschungsverbundes. Das Ziel der NFDI “wertvolle Datenbestände von Wissenschaft und Forschung für das gesamte deutsche Wissenschaftssystem systematisch zu erschließen, zu vernetzen und nachhaltig sowie qualitativ nutzbar zu machen, helfe der Wissenschaft dabei, neue Erkenntnisse zu erschließen.

    Aus Sicht der Leibniz-Gemeinschaft sei die NFDI bereits jetzt “ein großartiger Erfolg, für dessen Fortsetzung sich die Leibniz-Gemeinschaft auch in Zukunft nachhaltig engagieren wird”, sagte Brockmeier. Nach eigenen Angaben sind an 24 der 26 NFDI-Fachkonsortien Leibniz-Institute engagiert. In sechs Fachkonsortien engagieren sich Leibniz-Institute als Sprechereinrichtungen. Mit “überschaubarem Mitteleinsatz” könnten Bund und Länder mit der NFDI erhebliche Mehrwerte erzielen, gleichzeitig würde auch die Leibniz-Gemeinschaft selbst weiter notwendige Beiträge leisten.

    Evaluation der NFDI läuft noch bis Ende 2025

    Angesichts der aktuell noch bis Ende 2025 laufenden Systemevaluation der NFDI durch den Wissenschaftsrat, hat das Präsidium der Leibniz-Gemeinschaft unlängst ein Positionspapier zur Bedeutung der NFDI für die Stärkung der Komplementarität des Forschungsdatenmanagements verabschiedet. In dem Positionspapier spricht das Präsidium sich klar für eine Fortsetzung der NFDI-Förderung aus. Die Leibniz-Gemeinschaft werde sich bei Bund und Ländern für eine adäquate und langfristig planbare Finanzierung der NFDI einsetzen, heißt es in der Mitteilung.

    Schon jetzt zeige sich das Potenzial der NFDI, Community-übergreifende Dienste zu organisieren und bereitzustellen, betont das Positionspapier. Um derartige Dienste und die kooperative Bereitstellung von Ressourcen dauerhaft zu organisieren und nicht mit dem Auslaufen der Finanzierung enden zu lassen, sei eine Verstetigung unter Fortführung der Finanzierung durch Bund und Länder unabdingbar. Nur so könne die angestrebte systemweite Komplementarität und Zusammenarbeit entstehen, von der das gesamte Wissenschaftssystem profitieren werde.

    Konsortien sollen eigene Geschäftsmodelle entwickeln

    Das Bundesforschungsministerium, aber auch die Länder, haben sich bislang noch nicht zu einer Verlängerung der Laufzeit positioniert. Auf der ersten Jahrestagung der NFDI-Konsortien (Cordi) im vergangenen Jahr, hatten Konsortialführer im Gespräch mit Table.Briefings vor einer Förderlücke gewarnt. Gleichzeitig haben die NFDI-Konsortien den Auftrag, eigene Geschäftsmodelle zu entwickeln, um sich nach Ende der öffentlichen Förderung selber tragen zu können. Die Konzepte dazu gehen mit in die Evaluierung ein, die derzeit von DFG und Wissenschaftsrat durchgeführt wird. Die zweite Ausgabe der Conference on Research Data Infrastructure (CoRDI) findet vom 26. bis 28. August 2025 an der RWTH Aachen statt. tg

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    ITRE: Wer im neuen Ausschuss sitzt

    Der polnische Europaabgeordnete Borys Budka (EVP) wurde zum neuen Vorsitzenden des ITRE-Ausschusses gewählt.

    Am Dienstag hat in Brüssel die konstituierende Sitzung des ITRE-Ausschusses stattgefunden. Der polnische Europaabgeordnete Borys Budka (EVP) wurde wie erwartet zum Vorsitzenden gewählt, er übernimmt das Amt des rumänischen Europaabgeordneten Cristian Bușoi, während die Verhandlungen über die Ausgestaltung des FP10 beginnen. Budka ist seit den 1990er-Jahren politisch aktiv, war 2015 Justizminister Polens, und Minister für Staatsvermögen (2023) – bis er erfolgreich für das Europäische Parlament kandidierte. Das Mandat währt für zweieinhalb Jahre.

    Vize-Vorsitzende des ITRE-Ausschusses wurde die Bulgarin Tsvetelina Penkova (S&D). Die Ökonomin wurde von ihrer Fraktion vorgeschlagen und war das einzige Mitglied, das für diese Position nominiert wurde, berichtet das Fachportal Science.Business. Im Juni war Penkova für ihre zweite Amtszeit als Mitglied des Europäischen Parlaments wiedergewählt worden. Es ist das dritte Mal, dass sie dem ITRE-Ausschuss angehört.

    Penkovas Vertreterin ist die Italienerin Elena Donazzan (ECR). Ebenfalls im Ausschuss sitzen ab sofort Giorgio Gori (S&D) aus Italien und der Belgier Yvan Verougstraete (Renew).

    Ehler wieder Sprecher der EVP-Fraktion

    Zuständige Koordinatoren der Fraktionen sind der Rumäne Dan Nica (RO) und erneut Christian Ehler (CDU/EVP). Der Brandenburger Europaabgeordnete war bereits Anfang der Woche als Koordinator und Sprecher der EVP-Fraktion für den ITRE-Ausschuss wiedergewählt worden. Ehler war in der vergangenen Legislaturperiode Ko-Berichterstatter für Horizont Europa und will sich auch am Gesetzgebungsprozess für das 10. Forschungsrahmenprogramm (FP10) beteiligen. nik

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    Presseschau

    Der Spiegel. “Manchmal muss man den Mut haben, radikale Maßnahmen zu ergreifen”. Im Spiegel-Interview berichtet Robert-Jan Smits von dem Versuch an der TU Eindhoven, eine Frauenquote von 30 Prozent zu erreichen. Dafür wurden fünf Jahre lang offene Stellen zuerst mit Frauen besetzt. Sechs Monate sollten die Bewerbungen von Frauen immer ganz oben liegen. Erst wenn sich in diesem Zeitraum keine Frau bewarb, konnte zur Not auch ein Mann eingestellt werden. Der ehemalige EU-Generaldirektor für Forschung und Innovation wünscht sich für die Zukunft ein stärkeres Engagement des Senior Managements: “Die Führungsebene muss solche Veränderungen anstoßen und priorisieren, nicht die Personalabteilung. Andernfalls passiert nichts.” Mehr

    Wiarda-Blog. “Wir stehen alle mit dem Rücken zur Wand”. Im Interview mit dem Wiarda-Blog will Markus Blume – nachdem er Bettina Stark-Watzinger im Spiegel “die schlechteste Wissenschaftsministerin, die wir je hatten” genannt hatte – lieber “nach vorne blicken”, statt seine Aussage näher zu erklären. Der Austausch mit dem BMBF in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) sei weiter konstruktiv, ein Bund-Länder-Programm zum Ausbau von Dauerstellen sei mit Blick auf die Haushaltslage aber derzeit nicht möglich. Auch beim Pakt für Forschung und Innovation (PFI) sieht Blume keinen Spielraum. Allerdings soll zur PFI-Halbzeit dem Pakt neues Leben eingehaucht werden. Es brauche mehr Synergien und weniger Bürokratie im Zusammenspiel der großen Forschungsorganisationen. Die Lösung soll ein neues Paktforum bringen, in dem sich Politik und Wissenschaft schnell und bedarfsorientiert über Prioritäten abstimmen können. Mehr

    SWR. Rechnungshof will kleine Studiengänge wegsparen. Der Landesrechnungshof Baden-Württemberg will Orchideenfächer mit nur drei Professuren streichen oder stärker zusammenfassen – aus wirtschaftlichen Gründen. In ihrem Kommentar fordert Anja Braun, dass Wirtschaft und Finanzpolitik der Wissenschaft nicht vorschreiben dürfen, in welchen Bereichen geforscht wird. Aus ihrer Sicht müsste mehr getan werden, um gerade die kleinen Fächer zu schützen und ihr Wissen und ihre Kompetenzen zu erhalten. Mehr

    Süddeutsche Zeitung. “Wie China seine Frauen im Stich lässt”. Der Fall einer Doktorandin einer Pekinger Eliteuniversität, die ihrem Betreuer öffentlich sexuelle Belästigung vorwirft, hat die “Me Too”-Debatte in China neu angefacht. Zwar reagierte die Universität “in Rekordschnelle” und entzog dem Professor sämtliche akademischen Titel und Ämter, wie Florian Müller in der Süddeutschen Zeitung berichtet. Jedoch sei der Fall nur der jüngste in einer Reihe mutmaßlicher Missbrauchsfälle an Chinas Spitzenuniversitäten und in der Gesellschaft generell, bei denen die mutmaßlichen Täter keinerlei Strafen fürchten müssen. Den mutmaßlichen Opfern hingegen drohen Verfolgung und sogar Gefängnisstrafen. Mehr

    Heads

    Johannes Vogel – Visionär des Berliner Naturkundemuseums 

    Manche sagen, der Mann ist eine Marke. Eine Marke, die eng verknüpft ist mit dem Museum für Naturkunde Berlin. Dort sitzt Johannes Vogel jetzt, in einem geräumigen Konferenzraum mit hohen Decken und einer breiten Fensterfront. Professor Vogel – Dalí-Schnurrbart, weißes Hemd mit roten Manschettenknöpfen in Tomaten-Form – geht vorbei an einem riesigen Wandbildschirm und einer Holzvitrine, die den Blick auf eine Sammlung historischer Mikroskope freigibt. Ein Kontrast, der stellvertretend für seine Arbeit steht.

    Der 61-Jährige will aus dem 1810 gegründeten Museum für Naturkunde Berlin gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen einen Ort der Zukunft, ein “Parlament für Natur“, machen. Seit 2012 ist Vogel Generaldirektor des Museums für Naturkunde Berlin. Der Natur habe er sich immer schon nah gefühlt, erzählt er im Gespräch mit Table.Briefings.

    “Ich brauche Natur. Wenn ich in der Natur bin, fühle ich mich zu Hause, tief mit dem Leben verbunden und versuche zu verstehen, was passiert und warum.” Deshalb studierte er Biologie, bekam ein Stipendium für die Universität Cambridge und ging nach seiner Promotion zum Natural History Museum in London.

    In London wurde Vogel Chefkurator der botanischen Abteilung und heiratete Sarah Darwin, die Urenkelin des berühmten Evolutionsbiologen. Seinen kritischen Außenblick auf das deutsche Wissenschaftssystem hat sich der Biologe bis heute bewahrt: “Was wir nicht verstanden haben in Deutschland, ist die Tatsache, dass Kommunikation billig ist. Wir brauchen einen wissensbasierten Dialog mit der Gesellschaft.” 

    Politische Aufgaben im Naturkundemuseum

    Mit dem sprichwörtlichen Elfenbeinturm hat der Botaniker nichts im Sinn. Ganz im Gegenteil – er ist gerne nah dran, schlendert durch die Gänge seines Museums, um zu beobachten, wo Besuchende innehalten, entdecken und was sie erleben. “Ich bin einer der privilegiertesten Menschen in der deutschen Wissenschaft, weil ich täglich sehen kann, ob wir relevant sind und wo nicht.”

    Der Institution “Naturkundemuseum” fühlt sich der Wissenschaftler auch emotional verbunden. In London sei er mit “dem Naturkundemuseum als Ort” zum ersten Mal in Berührung gekommen und habe sich in diese Organisationsform “verliebt”, erinnert er sich. Mit dem Wechsel nach Berlin ist für Vogel dann allerdings die politische Aufgabe des Naturkundemuseums in den Vordergrund getreten. “Es gibt zwei Themen, bei denen man politisch sein muss”, betont Vogel. Er sagt, wenn es um den Einsatz für unsere rechtsstaatliche Demokratie und um die Aufrechterhaltung unserer natürlichen Lebensgrundlagen gehe, müsse man politisch sein. Beide Themen seien untrennbar miteinander verbunden.  

    Genauso ist Vogel überzeugt: Wissenschaft muss erlebbar sein. “Die Co-Produktion von Wissen ist essenziell für eine wissensbasierte, rechtsstaatliche Demokratie.” Wenn Bürger wie die Krefelder Hobby-Entomologen, die 2017 zum ersten Mal mit einer Langzeitstudie das dramatische Ausmaß des Insektensterbens dokumentieren konnten, selber forschen, dann könnten wir ein anderes Verständnis für die Legitimation von politischen Entscheidungen erreichen, glaubt der Wissenschaftler.

    Ende 2018 bewilligten der Deutsche Bundestag und das Berliner Abgeordnetenhaus 660 Millionen Euro für die Entwicklung des Naturkundemuseums. Doch diese gewaltige Summe zeigt nur, wie groß die Aufgaben für Vogel und das Museum sind. Hier geht es darum, ein Gebäude, das sich zu 80 Prozent im Zustand von 1945 befindet, zu sanieren, die 30 Millionen Objekte der Sammlung zu digitalisieren und einen Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft in Berlin als Experiment neu durchzuführen. “Das ist unser Zukunftsplan”, sagt Vogel. Gabriele Voßkühler

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    Personalien

    Klaus Fischer, baden-württembergischer Unternehmer, wurde für sein außergewöhnliches Engagement im Bereich der Wissenschaft und seinen Einsatz für die Universität Stuttgart die Ehrendoktorwürde der Universität Stuttgart verliehen. Ausgezeichnet wurde der Inhaber der Unternehmensgruppe fischer aus dem Schwarzwald insbesondere für seine Verdienste auf den Gebieten des konstruktiven Ingenieurbaus, der Produktions- und Verfahrenstechnik und des Maschinenbaus. 

    Tabea Rettelbach, Doktorandin am Alfred-Wegener-Institut in Potsdam, und Panagiotis Kampouridis, Doktorand an der Universität Tübingen, bekommen den diesjährigen Bernd Rendel-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Sie werden ausgezeichnet für ihre vielversprechende und originelle geowissenschaftliche Forschung vor ihrer Promotion. Rettelbach forscht zum Thema Permafrost. Kampouridis untersucht Fossilien von großen Säugetieren, die vor mehreren Millionen Jahren gelebt haben. Die DFG verleiht den Bernd Rendel-Preis seit 2002 jährlich an noch nicht promovierte Absolventinnen und Absolventen der Geowissenschaften für wissenschaftliche Zwecke. 

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    Bildung.Table. Haushalt: Warum die Länder die Finanzierung des Digitalpakts I anzweifeln. Die Fortsetzung des Digitalpakts schien über Tage das bildungspolitische Streitthema der Stunde. Nun zeigt ein Brief der KMK-Präsidentin an das BMBF: Auch bei der Finanzierung des laufenden Bund-Länder-Programms gibt es große Fragezeichen. Mehr

    China.Table. Klimaziele: Warum Peking trotz Erneuerbaren-Boom kaum den 1,5-Grad-Pfad treffen wird. Auf dem “Dritten Plenum” hat China die Minderung der CO₂-Emissionen als wichtiges Ziel genannt. Derzeit wird ein neuer Klimaplan (NDC) verhandelt. Trotz allem Fortschritt: Drei Faktoren bremsen Chinas Klimapolitik aus. Mehr

    Europe.Table. Erneuerbare Energien: BMWK stellt Sektorziele infrage. In einem 29-seitigen Dokument gibt das Bundeswirtschaftsministerium umfassenden Einblick in den Reformbedarf des EU-Rechts für erneuerbare Energien bis 2040 – und teilt stellenweise kräftig gegen Brüssel aus. Mehr

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    Dessert

    Morgen Abend werden in Paris die Olympischen Spiele 2024 offiziell eröffnet. In Sachen Emanzipation im Sport war die französische Hauptstadt stets gut für Neuigkeiten.

    Zum ersten Mal in der Geschichte nehmen an den diesjährigen Olympischen Spielen, die am Freitagabend in Paris eröffnet werden, ebenso viele Frauen wie Männer teil. Ein Meilenstein in der Geschichte des sportlichen Wettkampfs. Paris scheint ein gutes Pflaster für Emanzipation im Sport zu sein. Darauf weist Sportsoziologin Petra Tzschoppe von der Universität Leipzig hin.

    Die Wissenschaftlerin hat recherchiert, dass schon im Jahr 1900 erste Schritte Richtung Gleichberechtigung gemacht wurden. Bei den zweiten Spielen der Neuzeit –  in Paris – durften erstmals 22 Sportlerinnen teilnehmen. 1924 wurden dann die ersten Fechterinnen zum Wettbewerb zugelassen und immerhin schon 135 der insgesamt 3.000 Aktiven waren weiblich. Wiederum in Paris. Und jetzt also zahlenmäßige Gleichberechtigung. 100 Jahre später. Wieder an der Seine. Vive la France! 

    Nachholbedarf bei Verbändern und Betreuungspersonal

    Das sei zwar beispielhaft, sagt Sportsoziologin Tzschoppe. Dennoch sieht sie noch Nachholbedarf bei der Geschlechtergerechtigkeit – unter anderem bei Führungspositionen innerhalb der Sportverbände und beim Betreuungspersonal. So seien auch in der deutschen Mannschaft in diesem Jahr lediglich 13 Prozent der Coaches weiblich. Und auch die Zahl der akkreditierten Journalistinnen sei durchaus noch ausbaufähig.  

    Wir werden in den nächsten zwei Wochen genauer hinschauen und am Ende mal einen Blick auf den Medaillenspiegel werfen. Mal abwarten, wer im deutschen Team dann die Nase vorn hat. Die Frauen oder die Männer … Anja Luckas

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