Table.Briefing: Research

Fusion: Wie China die USA überholen könnte + Hesthaven: KIT-Präsident setzt auf Kooperation + Fördermittelaffäre: Weitere Fragen der Union

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Wissenschafts-Community und Regierungspartner hatten das BMBF mehrfach zur Eile gemahnt. Wenn das Forschungsdatengesetz noch in dieser Legislatur verabschiedet werden soll, müsse es noch 2024 ins Kabinett. Der Entwurf ist nun nahezu abgeschlossen, jedoch gibt es immer noch Differenzen zwischen den Ministerien. Das Arbeitsministerium befürchtet, dass ein erleichterter Zugang zu Forschungsdaten die Datenschutzbestimmungen untergraben könnte. Tim Gabel berichtet.

Die lang erwartete Antisemitismusresolution steht kurz vor der Verabschiedung. Nach monatelangen Beratungen haben sich die Fraktionen auf einen gemeinsamen Text geeinigt. Aus der Wissenschaft hatte es konkrete Vorschläge zur Lösung kontroverser Punkte gegeben, die jedoch im endgültigen Dokument nicht einbezogen wurden. Meine Kollegin Anne Brüning berichtet, wie groß der Unmut ist, etwa, dass der beschriebene “inklusive Weg” keine Berücksichtigung fand. Ein Offener Brief, der am Wochenende veröffentlicht wurde, hat mittlerweile mehr als 2.200 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner gefunden. Weniger alarmiert zeigte sich die Hochschulrektorenkonferenz (HRK).

Nicht viele Unterschriften, aber viele Fragen hat weiterhin die CDU-/CSU-Fraktion an Bettina Stark-Watzinger. Die Abgeordneten setzen ihre Bemühungen fort, die Umstände der Fördermittel-Affäre aufzuklären. In einer umfangreichen Kleinen Anfrage mit 135 Fragen fordert die CDU detaillierte Informationen zu den Führungsstrukturen, den Kommunikationsabläufen innerhalb des Ministeriums sowie zu möglichen Mängeln bei der Aktenführung. Besonderes Augenmerk legt der Fragenkatalog dabei auf die Abgrenzung zwischen dienstlicher und privater Kommunikation, insbesondere im Hinblick auf den Einsatz von verschlüsselten Nachrichtendiensten wie “Wire”.

Ich wünsche Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre und einen guten Start in diesen Dienstag!

Ihre
Nicola Kuhrt
Bild von Nicola  Kuhrt

Analyse

Fusionsenergie: Wie China bei der Kommerzialisierung den Westen überholen will

Im globalen Rennen um die Entwicklung der Kernfusion macht ein kleines Start-up aus Shanghai von sich reden. Das Unternehmen Energy Singularity hat nach eigenen Angaben den Versuchsreaktor “Honghuang 70” (HH70), in nur zwei Jahren gebaut und im Sommer in Betrieb genommen. Nach Aussagen der Betreiber, will man mit dem HH70 schon besonderes erreicht haben: Demnach ist er der erste vollständig supraleitende Hochtemperatur-Tokamak, der erfolgreich Plasma erzeugt hat.

Das Hauptproblem herkömmlicher Fusionsreaktoren, auch Tokamaks genannt, liegt darin, dass sie extrem starke Magnetfelder benötigen, um das Plasma zu kontrollieren. Diese Magnetfelder werden durch supraleitende Magnete erzeugt, die jedoch auf sehr niedrige Temperaturen gekühlt werden müssen. Die hohen Kühlkosten gelten als eine der größten Hürden auf dem Weg zur kommerziellen Nutzung. Energy Singularity setzt auf sogenannte Hochtemperatur-Supraleiter (HTS). Diese Materialien können bei wesentlich höheren Temperaturen arbeiten, was bedeutet, dass die Kühlsysteme weniger aufwändig und teuer sind. 

Idee des chinesischen Start-ups stammt aus der USA

Die Shanghaier sind nicht die ersten Forscher mit dieser Idee. Weltweit gibt es Dutzende Start-ups und staatliche Projekte, die sich mit der Kernfusion befassen. Energy Singularity erklärte so ganz offen gegenüber der Financial Times, dass ihr Ansatz von der US-Firma Commonwealth Fusion Systems (CFS) “inspiriert” sei. Auch CFS setzt auf HTS-Magnete und fortschrittliche Plasmatechnologie. Das Start-up arbeitet mit wissenschaftlichen Institutionen und Universitäten in China zusammen.

Im Interview mit der US-Zeitschrift äußerte Ye Yuming, Chef und Mitbegründer von Energy Singularity, das Ziel, die Technologie bis 2035 kommerzialisieren zu wollen. Das gilt in der Experten-Community als äußert ambitioniert. Prognosen von Wissenschaftlern gehen davon aus, dass erste Versuchskraftwerke bis 2050 gebaut werden könnten. Deutsche Start-ups, die ebenfalls im globalen Wettbewerb um Investorengelder stehen, wollen schon Anfang der 2040er-Jahre erste Kraftwerke bauen. Der noch im Bau befindliche International Thermonuclear Experimental Reactor (ITER), in Frankreich soll – zum Vergleich – erst in den 2030er-Jahren erste Tests durchführen.

US-Interessenverband warnt vor Chinas Ambitionen

Immer mehr Experten sind inzwischen überzeugt, dass das Rennen um die Kernfusion hauptsächlich zwischen den USA und China entschieden wird, wobei einige China bereits im Vorteil sehen. In der US-Industrie wächst die Besorgnis, dass China sie im eigenen Spiel überholt, warnte kürzlich Andrew Holland, CEO der in Washington D.C. ansässigen Fusion Industry Association, gegenüber CNN. Laut Holland seien einige der Tokamaks der nächsten Generation, die China gebaut habe oder plane, im Wesentlichen “Kopien” von US-Designs und verwendeten ähnliche Komponenten wie die amerikanischen.

Während in den USA die Tokamaks altern, baue China weiter aus. Ein weiteres Beispiel sei der staatlich finanzierte chinesische BEST-Tokamak, der laut Holland ebenfalls eine Kopie des von CFS entworfenen Tokamaks sei. Zudem verweist Holland auf den Bau eines 570 Millionen Dollar teuren Fusionsforschungsparks im Osten Chinas, der voraussichtlich im nächsten Jahr fertiggestellt werde. “Wir haben nichts Vergleichbares”, betont Holland. Es gebe “eine lange Geschichte” von China, amerikanische Technologien zu kopieren. “Sie sind schnelle Nachahmer und übernehmen dann die Führung.”

Dominanz bei seltenen Erden und geringere Kosten helfen

Tatsächlich haben beide Großmächte starke Argumente auf ihrer Seite. Laut Ye Yuming profitieren US-Firmen von einem “deutlich günstigeren” Finanzierungsumfeld. Doch in China habe Energy Singularity den Vorteil, auf starke Lieferketten für wichtige Rohstoffe zugreifen zu können. Etwa 95 Prozent der Materialien für ihren ersten Reaktor stammen aus inländischen Quellen, darunter auch seltene Erden, in deren Produktion China führend ist.

Zudem seien die Kosten für Entwicklung, Betrieb und Personal in China günstiger. Laut Financial Times beschäftigt Energy Singularity derzeit etwa 135 Mitarbeiter und plant, in zukünftigen Finanzierungsrunden weitere 500 Millionen Dollar einzuwerben. Dieses Kapital soll die Entwicklung des nächsten Fusionsreaktors der neuen Generation, des HH170, unterstützen, der bis 2027 fertiggestellt werden soll. Das HH170-Projekt zielt darauf ab, einen Nettoenergiegewinn zu erreichen. Man will das CFS-Projekt der Amerikaner also einholen. mit Tim Gabel

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Jan S. Hesthaven: Warum der neue KIT-Präsident auf Kooperation statt Konkurrenz setzt

Der neue KIT-Präsident Jan S. Hesthaven.
Der neue Präsident des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) setzt auf eine stärkere Internationalisierung der Forschungsuniversität und eine Bottom-up-Strategie.

Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist eine Besonderheit in der deutschen Forschungslandschaft, denn darin haben sich das zur Helmholtz-Gemeinschaft gehörige Forschungszentrum Karlsruhe und die Universität Karlsruhe zusammengeschlossen. Das war 2009, den Anstoß gab die Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder, die Spitzenforschung an Universitäten stärken sollte.  

Der neue Präsident des KIT, Jan S. Hesthaven, seit Oktober im Amt, sieht den Verschmelzungsprozess noch lange nicht abgeschlossen. “Wer beispielsweise bisher nur Großforschung gemacht hat, tut sich vielleicht nicht ganz leicht mit den Erfordernissen einer Universität”, sagt der Däne, der vorher in der Schweiz tätig war, im Gespräch mit Table.Briefings und nennt als ein Beispiel Lehrverpflichtungen. “Aber seit 2009 sind wir nun mal eine Forschungsuniversität, die beides verbinden soll.” Das sei ein Kulturwandel, “das braucht Zeit – mit ein, zwei Generationen ist durchaus zu rechnen”.  

Stärkere Internationalisierung 

An dem Posten als KIT-Präsident habe ihn das enorme Potenzial in Forschung, Lehre und Transfer, aber auch die Sonderstellung als Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft gereizt. “Wir sind das einzige Helmholtz-Zentrum dieser Art und auch weltweit gibt es, abgesehen vom MIT, von Berkeley und Johns Hopkins, nicht viel Vergleichbares.” 

Am KIT möchte er “einen echten Kulturwandel” in Gang setzen. “Dazu gehört eine stärkere Internationalisierung mit neuen Kooperationen und neuen Köpfen aus dem Ausland. Eine Voraussetzung ist, dass wir konsequent zweisprachig werden.” Jede und jeder sollte Englisch oder Deutsch sprechen und die jeweils andere Sprache zumindest verstehen können. 

Zu Hesthavens Plänen gehört außerdem, Spitzenforschung am KIT weiter zu stärken – durch neue Berufungen in Grundlagenfächern wie Mathematik und Informatik, aber auch beim Thema Energie und im Bereich der Batterieforschung. 

Hoffnung auf erneuten Exzellenzuniversitäts-Titel  

Er setzt darauf, dass das KIT, das seit 2019 wieder zur Liga der Exzellenzuniversitäten gehört, auch im aktuellen Exzellenzwettbewerb erneut erfolgreich sein wird. “Wir geben unser Bestes, um Exzellenzuni zu bleiben.” Aktuell seien mit einem neuen Vollantrag und zwei Fortsetzungsanträgen in der Förderlinie Exzellenzcluster noch alle Chancen offen. 

Gleichwohl hat der Mathematiker, der von der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) nach Karlsruhe wechselte, an der deutschen Exzellenzstrategie einiges auszusetzen. “Die Antragstellung braucht unglaublich viel Zeit, sie bindet wertvolle Ressourcen und der finanzielle Vorteil ist auch im Erfolgsfall überschaubar”, sagt er.  

 Am KIT werde seit zwei Jahren intensiv an den Anträgen gearbeitet, anderen Unis werde es ähnlich gehen. Was ihm missfällt: “Der deutsche Wettbewerb ist sehr top-down organisiert. Ich bevorzuge Bottom-up-Strategien, weil sie den Universitäten Freiräume geben und die Eigenverantwortlichkeit stärken. Und weil sie auf Kooperation anstelle von noch mehr Konkurrenz setzen.” 

Exzellenz nicht von oben verordnet, sondern als Bottom-up-Strategie  

Als Beispiel nennt er die norwegische Exzellenzstrategie, die eine Förderung von Exzellenzzentren über zehn Jahre ermöglicht. Sie habe die Forschung im Land enorm vorangebracht. “Auch sie funktioniert bottom-up: beim Setzen der Themen, bei der Zusammenarbeit zwischen Institutionen – letztlich in ihrer ganzen Idee.” 

Auch die Multidisciplinary University Research Initiatives (MURI) in den USA findet er zukunftsweisend. Es handele sich um “institutionenübergreifende fokussierte Forschungsinitiativen, die die Zusammenarbeit und Problemlösungen vorantreiben” – und ebenfalls bottom-up arbeiteten.  

Er sei überzeugt, dass Kooperation erforderlich sei, um global erfolgreich zu sein. “Wir haben als KIT nicht die Ressourcen, die ein MIT, Stanford oder eine Peking University hat. Da können wir nur mithalten, wenn wir uns vernetzen und in eher kleinen, hochengagierten Gruppen institutionsübergreifend zusammenarbeiten.” 

Typisch dänisch: flache Hierarchien und Eigenverantwortlichkeit 

Hesthaven (Jahrgang 1965) hat Computational Physics studiert und an der Technischen Universität von Dänemark in Kopenhagen promoviert. Bevor er in die Schweiz an die EPFL ging, war er von 1995 bis 2013 an der Brown University, einer der ältesten und renommiertesten Universitäten der USA. Dort gründete er das Center for Computation and Visualization und war an der Entstehung des Institute for Computational and Experimental Research in Mathematics beteiligt.  

Er bekennt sich zu seiner dänischen Art, die sehr direkt sei. Auch die Kultur flacher Hierarchien und stark auf Eigenverantwortlichkeit und die Entscheidungskompetenz vor Ort zu setzen, befürwortet er. Wie es ankam, als er in seiner Begrüßungsrede am KIT betonte, dass Titel für ihn nicht wichtig seien, wohl aber das, was ein Mensch mache, lesen Sie im kompletten Interview hier.

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Termine

6. November 2024, Berlin
Akademientag der Union der Deutschen Akademien der Wissenschaften “In Städten gesund leben – gesund in Städten leben” Mehr

7.-9. November 2024, Berlin
Konferenz Falling Walls Science Summit 2024 Mehr

8. November 2024, Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung, Berlin
Diskussion Bedrohte Wissenschaft: Politische Einflussnahme Mehr

29. November 2024, 19:00 Uhr, Nikolaisaal Potsdam, Wilhelm-Staab-Straße 10-11, 14467 Potsdam
Einsteintag der BBAW “Konflikte lösen!” Mehr

11.-12. Dezember, Berlin
Forum Wissenschaftskommunikation Wissenschaftskommunikation für eine starke Demokratie und offene Gesellschaft Mehr

12. Dezember 2024, 10:30 bis 18:00 Uhr. Vertretung des Landes Sachsen-Anhalt beim Bund, Luisenstraße 18, 10117 Berlin
Symposium der Leopoldina 10 Jahre Politikevaluierung in der Bundesregierung – Wo stehen wir heute? Ein Blick aus Wissenschaft und Politik Mehr

News

Antisemitismusresolution: Das ist die Kritik aus der Wissenschaftscommunity

Mehr als ein Jahr war der Text in Arbeit – und zwar hinter verschlossenen Türen. Am Freitag wurde bekannt, dass sich die Bundestagsfraktionen der Ampel-Parteien und der CDU/CSU auf eine Antisemitismusresolution geeinigt haben. Der Antrag mit dem Titel “Nie wieder ist jetzt: Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken” soll diese Woche im Bundestag eingebracht, beraten und abgestimmt werden. Zurzeit steht er für Donnerstag, 7. November, auf der Tagesordnung.

“Mit dem Antrag setzen wir ein klares Zeichen, den Antisemitismus in unserem Land wirksam und nachhaltig zu bekämpfen”, teilten die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Dirk Wiese (SPD), Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen), Konstantin Kuhle (FDP) und Andrea Lindholz (CDU/CSU) am Sonnabend mit.

Offener Brief für anderen Umgang mit dem Thema

Der finale Text zeigt: Vorschläge aus der Wissenschaft, die umstrittene Punkte hätten entschärfen können, wurden nicht aufgegriffen. Am 23. Oktober hatte eine Gruppe um den Rechtswissenschaftler Ralf Michaels und den Soziologen Armin Nassehi alternative Formulierungen öffentlich gemacht (unser Bericht dazu hier). Sie sehen vor, sich nicht auf die IHRA-Arbeitsdefinition für Antisemitismus festzulegen und sich stattdessen an verschiedenen Definitionen zu orientieren.

Um zu verhindern, dass der Staat antisemitische Projekte fördert, halten sie außerdem förderrechtliche Regelungen für den falschen Weg. Denn diese könnten in der Praxis zu einer Meinungsprüfung führen. Stattdessen plädieren sie für Eigenverantwortung der Institutionen.

Wie groß der Unmut darüber ist, dass der von der Gruppe um Michaels und Nassehi beschriebene “inklusive Weg” keine Berücksichtigung fand, wird in einem Offenen Brief deutlich, der am Wochenende veröffentlicht wurde. Die mittlerweile mehr als 2.200 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner sprechen sich für eine öffentliche Debatte über das Thema aus und unterstützen die alternativen Vorschläge.

Barbara Stollberg-Rilinger befürchtet vorauseilende Selbstzensur

Unterzeichnet hat zum Beispiel Barbara Stollberg-Rilinger, Rektorin des Wissenschaftskollegs zu Berlin. Ihre aktuelle Sorge sei, dass der Antisemitismusvorwurf zunehmend instrumentalisiert wird, um Kritik an der israelischen Regierung zum Schweigen zu bringen, sagt sie auf Anfrage von Table.Briefings. “Wir erleben ja derzeit schon, dass etwa regierungskritische, linksliberale Jüdinnen und Juden als Antisemiten diffamiert und von Veranstaltungen wieder ausgeladen werden.”

Zum anderen befürchte sie, dass langfristig der Einschränkung von Wissenschafts- und Kunstfreiheit Tür und Tor geöffnet werden. “Wir haben ja anlässlich des Fördergeldskandals im BMBF gerade erst erlebt, dass WissenschaftlerInnen mit Hilfe des drohenden Antisemitismusvorwurfs zu vorauseilender Selbstzensur bewegt werden sollen, wie es Staatssekretär Philippi intern mit wünschenswerter Deutlichkeit schriftlich geäußert hat”, sagt die Historikerin. “Man mag sich nicht ausmalen, was zukünftige Regierungen mit diesem Instrument anstellen können.”

HRK sieht keine Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit

Wenig alarmiert reagiert die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) auf den Resolutionstext: Forschungsförderung erfolge hierzulande wissenschaftsgeleitet, betont HRK-Präsident Walter Rosenthal. “In Wissenschaft gekleideter Rassismus oder Antisemitismus in einem Förderantrag, in der Methode oder Ergebnisdarstellung eines Forschungsprojekts ist strafrechtlich relevant und widerspricht den Regeln guter wissenschaftlicher Praxis.” Ein individuelles Bekenntnis oder eine entsprechende Klausel in Förderanträgen sei daher nicht erforderlich, sagt Rosenthal und verweist auf die entsprechenden Ausführungen der DFG sowie auf das Strafrecht.

Auch die neuerliche Bezugnahme des Bundestags auf die “analytisch hilfreiche, aber explizit nicht rechtsverbindlich gedachte” IHRA-Arbeitsdefinition zur Identifizierung von Antisemitismus stelle keine Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit oder anderer Grundrechte dar, sagt der HRK-Präsident. Im politischen Raum drohe die Auseinandersetzung um die Aussage- und Geltungskraft der IHRA-Arbeitsdefinition und anderer Vorschläge zur Bestimmung von Antisemitismus mittlerweile oft zum Selbstzweck zu werden. Rosenthal: “Dies wird dem tieferen Sinn des Vorhabens dann nicht ausreichend gerecht.” abg

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Studie: Schleppende Digitalisierung an Hochschulen, KI findet kaum Eingang in Curricula

Fast alle Hochschulen (93,5 Prozent) verfügen über eine Strategie zur Digitalisierung in Studium und Lehre. Das zeigt der Monitor Digitalisierung 360° des Hochschulforums Digitalisierung. Jedoch berücksichtigen weniger als die Hälfte der Lehrenden diese Vorgaben und Leitlinien. Der Grund: Diese sind nicht bekannt oder es fehlen Zeit und Unterstützungsstrukturen für die Weiterentwicklung der Lehre. 

Probleme bestehen auch weiterhin bei der nachhaltigen Finanzierung von Digitalisierungsprojekten. Häufig werden diese zumindest teilweise aus Drittmitteln und damit befristet finanziert. Dementsprechend werden auch Stellen häufig nur befristet ausgeschrieben. 38,5 Prozent der Hochschulleitungen berichten, dass es unter diesen Bedingungen schwierig sei, IT-Fachkräfte zu finden.

KI-Kompetenzen werden kaum vermittelt

Eine konstruktive, chancenorientierte Perspektive auf Künstliche Intelligenz ist noch unterentwickelt. So geht es den Hochschulen zunächst vor allem darum, wissenschaftliches Fehlverhalten in Prüfungen zu vermeiden. Kompetenzen im Umgang mit KI werden nach Angaben der Studierenden dagegen nur in 15,5 Prozent der Lehrveranstaltungen vermittelt. mw

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Forschungsdatengesetz: Ressortvorbehalt und Druck aus der Wissenschafts-Community

Das Bundesforschungsministerium plant in Kürze den Gesetzesentwurf zum Forschungsdatengesetz veröffentlichen zu können. Nach Informationen von Table.Briefings befindet sich das Papier in den letzten Zügen der Ressortabstimmung. Das Arbeitsministerium hatte in den Abstimmungen einen Ressortvorbehalt eingelegt, mutmaßlich, weil mit dem einfacheren Zugang für Daten und deren besserer Auffindbarkeit für die Forschung neue Fragen für den Datenschutz einhergehen.

Experten hatten gefordert, dass auch künftig gewährleistet sein müsse, dass sensible Daten aus den Bereichen Wohnen, Migration oder Arbeit und Arbeitslosigkeit angemessen geschützt werden. Nach den aktuellsten öffentlichen Informationen des BMBF soll das FDG noch in dieser Legislaturperiode in Kraft treten. Angestrebt ist eine Kabinettsbefassung des Gesetzentwurfs noch in diesem Jahr. Auf eine neuerliche Anfrage von Table.Briefings aus der vergangenen Woche liegt bislang keine Antwort des Ministeriums vor.

Experten fordern Einbindung der Forschungsdatenzentren

Die Inhalte des Gesetzesentwurfs kursieren sei Anfang Oktober in der Wissenschafts-Community. In der FAZ begrüßten Experten für Wirtschafts- und Finanzforschung Regina T. Riphahn, Kerstin Schneider und Andreas Peichl den Gesetzesentwurf als großen Fortschritt für Gesellschaft und Wissenschaft. “Die Forschungsdatenkultur würde datenschutzkonform so weiterentwickelt, wie es in unseren Nachbarländern seit Jahren üblich ist. Der Gesetzentwurf ist für deutsche Verhältnisse ambitioniert. Er muss es aber auch sein, denn die Mängel beim Datenzugang sind erheblich und müssen grundsätzlich angegangen werden”, schreiben die drei Wissenschaftler in ihrem Gastbeitrag.

Die Autoren fordern gleichzeitig, dass das Gesetz bereichsübergreifend gültig sein müsse. “Sollten im Entwurf Bedenken einzelner Bereiche noch nicht abschließend ausgeräumt worden sein, müssen und können Lösungen gefunden werden, um das Vorhaben zum Erfolg zu führen”, heißt es. Offen bleiben mit dem Gesetzesentwurf bislang die Fragen der Finanzierung und der Einbindung weiterer Akteure – insbesondere der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) und der Forschungsdatenzentren (FDZ). Letztere seien mit ihrer Expertise für das neu einzurichtende Micro Data Center, das Deutsche Zentrum für Mikrodaten (DZM), unverzichtbar, schreiben Riphahn, Schneider und Peichl.

Remotezugriff für Wissenschaftler soll möglich sein

Kern des FDG soll die Regelung von Zugangsansprüchen für Forschende zu Daten der öffentlichen Hand wie Registerdaten, statistischen Daten und weiteren Daten sein. Um Daten aus verschiedenen Stellen zu beschaffen und sie für Forschungszwecke mithilfe von Identifikatoren rechtssicher zu verknüpfen, sieht das BMBF das Micro Data Center – auch als Deutsches Zentrum für Mikrodaten bezeichnet – vor. Das DMZ soll ein “One-Stop-Shop” für Forschende – inklusive technisch modernem Fernzugriff – werden. Die für den Aufbau notwendigen gesetzlichen Regelungen sollen Inhalt des FDG sein. tg

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Fördermittelaffäre: Union stellt weitere Anfrage zu Führungs- und Kommunikationsstrukturen

Die CDU/CSU-Fraktion fordert weitere Aufklärung in der sogenannten Fördermittelaffäre um Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP). In der 135 Fragen umfassenden Kleinen Anfrage zu “Führungs- und Kommunikationsstrukturen im Bundesministerium für Bildung und Forschung im Lichte der sogenannten Fördermittelaffäre”, schlägt die Fraktion zunächst einen weiten Bogen und erinnert an den Grundsatz der ordnungsgemäßen Aktenführung, dem nach dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Absatz 3 des Grundgesetzes (GG) jedes Verwaltungshandeln verpflichtet ist. So heißt es in dem Gesetz:

  • Die ordnungsgemäße Aktenführung stellt die Pflicht der Behörde zur Aktenmäßigkeit und Regelgebundenheit dar.
  • Das Prinzip der Aktenmäßigkeit besagt unter anderem, dass alle entscheidungsrelevanten Unterlagen und Bearbeitungsschritte eines Geschäftsvorfalls in der Akte zu führen (Prinzip der Schriftlichkeit) sowie vollständig, wahrheitsgemäß und nachvollziehbar zu dokumentieren sind. Und zwar unabhängig davon, ob eine Behörde als führendes Aktensystem noch papierbasiert oder elektronisch veraktet.

Die Unions-Politiker fragen nach den Führungs- und Kommunikationsstrukturen im Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie nach möglichen Missständen bei der ordnungsgemäßen Aktenführung. Im Zuge der Sachverhaltsaufklärung der sogenannten Fördermittelaffäre seien “zunehmend die unter Bundesministerin Bettina Stark-Watzinger etablierten Führungs- und Kommunikationsstrukturen im BMBF in den Fokus” gerückt, welche die Kommunikation der Ministerin mit ihrem engsten Umfeld über den Messengerdienst “Wire” umfassen würden.

Wie kann dienstliche Kommunikation als privat definiert werden?

Es schließen sich Fragen nach Definitionen und der Abgrenzung von dienstlicher, persönlicher und privater Kommunikation an. So wollen die Abgeordneten erfahren, inwieweit Kommunikation über den Nachrichtendienst “Wire”, wenn sie dienstliche Inhalte umfasst, als private Kommunikation definiert werden kann. Erst am 24. Oktober hatte die CDU-Fraktion in der Kleinen Anfrage “Weitere Sachverhaltsaufklärung von Bundesministerin Bettina Stark-Watzinger zur sogenannten Fördermittelaffäre” weitere Aufklärung gefordert. In 65 Fragen ging es den Politikern darin ebenfalls um die ordnungsgemäße Dokumentation und Archivierung entscheidungsrelevanter Vorgänge im BMBF.

“Wir haben alle Punkte aufgeschrieben, bei denen wir immer noch keine Antwort bekommen haben”, sagte dazu Thomas Jarzombek (CDU) auf Anfrage von Table.Briefings. Erst im Juli hatten die Abgeordneten im Zuge der Fördermittelaffäre eine Große und eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt. Zufrieden mit den Antworten des BMBF sind sie bislang bekanntlich nicht. Das zeigte sich unter anderem im September nach der zweiten Sondersitzung des Forschungsausschusses mit Bettina Stark-Watzingernik

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Must Reads

Leipziger Volkszeitung: Uni Leipzig stark in den sozialen Medien. Von allen Hochschulen Ostdeutschlands ist die Online-Präsenz der Uni Leipzig am erfolgreichsten. Mit durchschnittlich 42.200 Followern auf fünf Social-Media-Kanälen und insgesamt 36.809 Studierenden und Mitarbeitenden erreicht die Hochschule einen Pro-Kopf-Wert von 5,73. (“Studie zu Online-Präsenz der Hochschulen: Uni Leipzig mit bestem Wert in Ostdeutschland”)

Humboldt-Stiftung: Europa könnte für chinesische Forscher attraktiver werden. Ein Sieg Trumps bei den US-Präsidentschaftswahlen könnte der europäischen Forschungslandschaft von Vorteil sein. Kommt es zur Neuauflage seiner harten China-Politik, die auch den Wissenschaftsbereich betrifft, könnte es für chinesische Wissenschaftler attraktiv sein, in Europa zu arbeiten. (“Am Scheideweg? US-Außen- und Wissenschaftspolitik nach den US-Wahlen”)

Tagesanzeiger: Cern ohne Russen. Als Folge des Überfalls auf die Ukraine müssen russische Wissenschaftler das Kernforschungsinstitut bis Monatsende verlassen. Ohne ihre Expertise könnte es zu Verzögerungen in der Arbeit am CERN kommen. (“Ohne Russland könnte sich Forschung am Cern verzögern”)

Deutschlandfunk: Russland bedroht die akademische Freiheit. Laut Walter Rosenthal von der Hochschulrektorenkonferenz befinden sich die russisch-deutschen Wissenschaftsbeziehungen auf einem Tiefpunkt. Russlands Einstufung der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde als extremistisch sei ein Verstoß gegen die akademische Freiheit. (“Die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit Russland ist gefährdet”)

Watson: Protest gegen Mobbing an der ETH. Eine Gruppe von Wissenschaftlern und Studenten fordert die ETH Zürich in einer Petition auf, entschiedener gegen Mobbing, Diskriminierung und sexuelle Belästigung vorzugehen. Die Petition wurde von den Organisationen “Women in Natural Sciences”, “500 Women Scientists Zürich” und “Speak Up! in Academia” organisiert und fordert die ETH-Leitung auf, mehr Verantwortung zu übernehmen. (“Sie haben genug von den ständigen Skandalen an der ETH Zürich”)

Deutschlandfunk: Astronomie-Zeitschrift feiert Jubiläum. Benjamin A. Gould gründete 1849 die erste Astronomie-Zeitschrift in den USA. Wegen des amerikanischen Bürgerkriegs wurde die Veröffentlichung 1861 eingestellt, aber 1885 wieder aufgenommen. (“Das deutsch-amerikanische Astronomie-Journal”)

Standpunkt

Die neue EU-Kommissarin für Start-ups: Aushängeschild oder Wegbereiterin?

Von Clark Parsons
Clark Parsons, CEO, European Startup Network and Managing Director, Innovate Europe Foundation
Clark Parsons ist CEO des European Startup Network und Managing Director der Innovate Europe Foundation. Er setzt darauf, dass die kommende EU-Kommissarin für Start-ups ihre Kollegen mobilisiert.

Heute beginnt eine Marathonwoche, die für Insider der Brüsseler Blase wie der Superbowl ist. Die designierten EU-Kommissare für die Kabinettsposten werden in einer siebentägigen Anhörungsserie, bei der täglich vier Nominierte Rede und Antwort stehen müssen, im Europäischen Parlament “gegrillt”.

Für einige von uns ist eine Position, die viele Beobachter übersehen haben, besonders bemerkenswert: Die erfahrene bulgarische Politikerin Ekaterina Sachariewa ist als Kommissarin für Start-ups, Forschung und Innovation nominiert.

Seit Langem gibt es EU-Kommissare für Forschung und Innovation; der Posten für Forschung, Wissenschaft und Innovation wurde 1967 eingeführt und war bis 1981 in Folge von drei Deutschen besetzt. 2019 wurde das Mandat geändert: “Wissenschaft” wurde gestrichen und durch drei neue Titel ersetzt: Kultur, Bildung und Jugend. Der Posten ging an die junge, engagierte Bulgarin Mariya Gabriel.

Start-ups wollen mit am Tisch sitzen

Doch es war eine Mammutaufgabe mit fünf Verantwortungsbereichen. Obwohl Kommissarin Gabriel allgemein für ihre Amtszeit gelobt wurde, wurde schnell klar, dass die Rolle sie zu sehr beanspruchte. Ihr vorzeitiger Rücktritt – um eine Führungsposition in ihrer nationalen Regierung anzutreten – ließ ihrer Nachfolgerin Iliana Ivanova nur ein Jahr, um einen Eindruck zu hinterlassen.

Im Vorfeld des Nominierungsprozesses in diesem Herbst gab es unterschiedliche Erwartungen. Universitäten plädierten dafür, Bildung, Forschung und Innovation unter einer Kommissarin zu bündeln. Ebenso hofften Organisationen wie die meine darauf, dass Start-ups – jene innovativen, schnell wachsenden Unternehmen, die wirtschaftliches Wachstum antreiben und neue Industrien schaffen – endlich am Tisch sitzen würden. Befürworter einer stärkeren Ausrichtung auf europäische Technologieautonomie hatten ihre Hoffnungen auf die erfahrene Parlamentsabgeordnete Henna Virkkunen aus Finnland gesetzt, die Europa in technologischer Hinsicht wieder relevant machen könnte; würde sie ein Superministerium für Innovation erhalten?

Von der Leyen überrascht mit ihrer Entscheidung

Kommissionspräsidentin von der Leyen überraschte uns alle mit ihren Entscheidungen:

  1. Sie trennte Bildung von Forschung und Innovation und übertrug diesen Bereich einem Kommissar aus Rumänien.
  2. Sie schuf eine Vizepräsidentschaft für technologische Souveränität, Sicherheit und Demokratie für Henna Virkkunen, was viele erfreute.
  3. Sie übertrug die Aufgaben für Forschung und Innovation, einschließlich der Aufsicht über das riesige Horizon-Europe-R&D-Budget, Ekaterina Sachariewa, die als dritte bulgarische Kommissarin in Folge diesen Bereich übernimmt. Doch ein neuer Titel kam hinzu: Start-ups.

Weltmeister der Erfindung

Warum ist das wichtig? Ein altes Sprichwort besagt: “Erfindung bedeutet, Geld in Ideen umzuwandeln, während Innovation bedeutet, Ideen in Geld umzuwandeln.” Nach dieser Definition ist Europa Weltmeister in der Erfindung. Wir haben eine beeindruckende Landschaft an Universitäten und Forschungseinrichtungen, die weltweit führende Talente, Patente und bahnbrechende Ideen hervorbringen.

Doch im Vergleich zu den USA sind wir schlecht darin, diese Ideen in Geld umzuwandeln. Forschungsprojekte werden oft nicht zu Unternehmen. Professoren oder Forscher sind selten vorbereitet oder motiviert, Unternehmer zu werden, und Universitäten stehen solchen Vorhaben oft feindlich gegenüber oder machen ihre geistigen Eigentumsrechte unmöglich zu lizenzieren. Unsere Top-Talente oder Start-ups zieht es oft ins Silicon Valley, wo Kapital leichter zu beschaffen ist.

Europa muss wieder weltweit führende Tech-Unternehmen bauen

Wer die Berichte von Enrico Letta oder Mario Draghi kennt, weiß, dass unsere strukturellen Defizite in Bezug auf Innovation und Wettbewerbsfähigkeit Europas geopolitische und wirtschaftliche Stärke erheblich geschwächt haben. Daher war es wenig überraschend, dass der Europäische Rat in einem achtseitigen Dokument die neue Kommission aufforderte, die “wirtschaftliche Verwertung” der europäischen Forschung zu steigern. Erstaunlicherweise ließ dieses Dokument jedoch ein Wort aus: “Start-ups.” Die erhoffte “Verwertung” wird offenbar wie durch Zauberhand eintreten.

Deshalb ist es umso bedeutender, dass Präsidentin von der Leyen ausdrücklich den Bereich Start-ups in den Titel der neuen Kommissarin aufgenommen hat. Sie hat erneut signalisiert, dass sie weiß, was Europa heilen kann. Einfach ausgedrückt: Wenn Europa auf der globalen Bühne wieder relevant werden will, muss es seine Fähigkeit wiederentdecken, weltweit führende Unternehmen in neuen Technologiesektoren hervorzubringen – und das kann nur durch Europas Start-ups geschehen.

Start-ups: fehlendes Bindeglied zwischen Ideen und Innovation

Glücklicherweise hat Europa im letzten Jahrzehnt ein florierendes und dynamisches Netzwerk an Start-up-Ökosystemen aufgebaut, das von Tausenden von Start-ups in Bereichen wie KI, Klima- und Energietechnologie, Fintech, Deep Tech und vielen weiteren getragen wird. Unterstützt werden sie von fast 1.000 EU-basierten Risikokapitalfonds und einer Generation erfolgreicher Gründer, die die nächste Welle fördern und in sie reinvestieren. Mein Verband zählt inzwischen mehr als drei Dutzend Mitgliederorganisationen für Start-ups.

Und Deutschland kann sich freuen: Im dritten Quartal 2024 erhielten deutsche Start-ups laut Dealroom 2,7 Milliarden US-Dollar an Risikokapitalinvestitionen, womit Deutschland europaweit auf Platz zwei und vor Frankreich steht. Deutschland ist eine “Start-up-Nation wider Willen”. In den letzten zwei Monaten veranstaltete die Bundesregierung sowohl einen (ersten!) Start-up-Gipfel als auch einen (17.) Digital/IT-Gipfel, und beide Veranstaltungen – plötzlich vollgepackt mit Start-ups – zeigten, dass immer mehr deutsche Führungskräfte erkennen, dass Start-ups das fehlende Bindeglied zwischen Ideen und Innovation sind.

Was fehlt: Kapitalmarktunion und ein echter Binnenmarkt

Von der Bundesregierung bis zur EU-Kommission ist die Botschaft angekommen. Aber es gibt noch viel zu tun. Ganz oben auf der Agenda stehen zwei zentrale Probleme, deren Lösung die europäische Start-up-Landschaft erheblich verbessern würde:

  • Das Fehlen einer Kapitalmarktunion bedeutet, dass Kapital, insbesondere in Wachstumsphasen oder bei einem geplanten Börsengang, viel schwerer zu beschaffen ist.
  • Der “Binnenmarkt” existiert für Start-ups, die schnell in ganz Europa expandieren wollen, nur in sehr eingeschränkter Form. Anstatt 27 Unternehmen gründen zu müssen (ein bürokratischer Albtraum), ist sich jeder einig, dass ein “28. Regime” notwendig ist. Unsere Start-ups sollten sich so schnell ausbreiten können wie junge US-Unternehmen auf ihrem eigenen Kontinent.

Beide Themen stehen seit Langem auf der EU-Agenda, aber ihre Lösung ist nach wie vor der schnellste Weg, um Europa wettbewerbsfähig zu machen. Ironischerweise sind die beiden Kommissare, die sich vermutlich am ehesten mit diesen wichtigen Problemen befassen werden, NICHT die Start-up-Kommissarin.

  • Die Kapitalmarktunion wird von der portugiesischen designierten Finanzkommissarin Maria Luis Albuquerque angegangen.
  • Das “28. Regime” wird voraussichtlich in die Zuständigkeit des irischen designierten Justizkommissars Michael McGrath fallen.

Zum Glück hat die designierte Kommissarin Sachariewa bereits zugesagt, eng mit diesen beiden anderen Kommissaren zusammenzuarbeiten.

Bildungsinstitutionen müssen über Lehre und Forschung hinausgehen

Ist ihre Rolle also nur die einer Cheerleaderin? Nein. Die Ernennung einer Start-up-Kommissarin bedeutet, dass erstmals jemand im Kabinett für diesen entscheidenden Teil der Wirtschaft einsteht und auch daran gemessen wird, wie gut sich das europäische Start-up-Ökosystem entwickelt. Viele Länder, darunter Deutschland, haben Beamte, die für Start-ups zuständig sind (wie die Start-up-Beauftragte Anna Christmann). Aber stellen Sie sich eine Welt vor, in der jede nationale Regierung jemanden auf Kabinettsebene dafür verantwortlich hätte; hier hat Präsidentin von der Leyen ein großartiges Beispiel gesetzt.

Die Kombination von Start-ups, Innovation und Forschung sendet ebenfalls ein starkes Signal: Unsere Bildungseinrichtungen müssen über Lehre und Forschung hinausgehen. Laborexperimente müssen auch auf dem Markt erfolgreich sein. Andernfalls finanzieren wir alle nur ein gigantisches Wohltätigkeitsprogramm zur Ausbildung zukünftiger amerikanischer Talente.

Sachariewa muss ihre Kollegen im Kabinett mobilisieren

Wir wissen noch nicht, was uns erwartet, wenn Kommissarin Sachariewa ein Europäisches Innovationsgesetz vorstellt oder ihre geplante Start-up- und Scale-up-Strategie präsentiert.

Pessimisten sagen, dass sich ihr Fokus auf das Budget für Universitäten und Forschungseinrichtungen beschränken wird und Start-ups in Vergessenheit geraten. Ekatarina Sachariewa hat kaum Erfahrungen in ihren drei Aufgabenbereichen. Sogar das Europäische Parlament scheint kaum daran interessiert, die designierte Komissarin Sachariewa über Start-ups zu befragen; fast keine der ihr vorab gestellten Fragen beziehen sich darauf.

Optimisten wie ich hingegen finden es großartig, eine fähige Politikerin zu haben, die ihre Kollegen im Kabinett mobilisieren und für Start-ups in zahlreichen Sektoren eintreten kann. Hoffentlich gelingt es ihr, Europa davon zu überzeugen, dass Start-ups so entscheidend für unsere Zukunft sind, dass sogar Deutschland eines Tages das Amt der Innovationskommissarin übernehmen möchte. Das wäre ein starkes Signal.

Clark Parsons ist CEO des European Startup Network, einem Netzwerk europäischer Start-up-Verbände, und Managing Director der Innovate Europe Foundation. Die Stiftung setzt sich als Thinktank, Forum und Dialogpartner für die Anliegen des deutschen und europäischen Digital- und Innovations-Ökosystems ein.

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Heads

Lora Anne Viola – Sie erkundet die Schattenseiten von Global Governance 

Sieht die Demokratie in Gefahr: Lora Anne Viola, Professorin für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Außen- und Sicherheitspolitik Nordamerikas an der FU Berlin.

Kosmopolitismus ist für Lora Anne Viola mehr als nur Theorie. “Ich bin gebürtige New Yorkerin und adoptierte Berlinerin”, betont die Professorin für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Außen- und Sicherheitspolitik Nordamerikas. Ihre berufliche Wahlheimat fand sie treffenderweise an einem Institut, das nach dem US-Berliner schlechthin benannt wurde: dem John F. Kennedy-Institut für Nordamerikastudien an der Freien Universität (FU) Berlin. Dort forscht sie über internationale Institutionen

Die dritte Welle der Demokratisierung ebbt ab 

An der Krise, der Demokratien derzeit global ausgesetzt sind, weist Viola auf zwei Aspekte hin. Zum einen findet sie es bemerkenswert, dass das Ganze sich herumgesprochen hat. Es sei eine “gesamtgesellschaftliche Wahrnehmung”, dass wir einen krisenhaften Moment durchlaufen. In Verbindung damit erhielten Parteien in Europa und den USA Zuspruch, die für eine Politik stehen, die die “Unterminierung demokratischer Institutionen” aktiv zum Ziel hat. 

Der zweite Aspekt: Aus Sicht der Forschung liegt ein klarer Befund vor. Die sogenannte dritte Welle der Demokratisierung, die 1974 einsetzte, wirkt längst nicht mehr so unaufhaltsam wie noch einst. Dabei handele es sich um mehr als nur um eine gefühlte Wahrheit, denn: “Man kann bemessen, dass sich seit gut 15 Jahren einige Indikatoren der Demokratie großflächig verschlechtern.” Dieser Trend zeichne sich bemerkenswerterweise sowohl in den neuen als auch in den etablierten Demokratien ab. Die Metapher der “Welle” sei darum gut gewählt. “Das, was wir seit 1974 erlebt haben, ist letztlich ein Auf und Ab”, sagt Viola. 

Ambivalenz der Globalisierung 

Solche Entwicklungen kommen aber nicht von ungefähr. Es sei mit einzupreisen, dass die letzten 50 Jahre auch ganz klare Enttäuschungen hervorgebracht haben. “Die Globalisierung hat zwar durchaus zu mehr Reichtum geführt, dieser wurde aber unterschiedlich verteilt.” Ob die Globalisierung als Erfolgsgeschichte erscheint, hänge darum nicht zuletzt davon ab, ob sie aus der Perspektive eines Industriearbeiters oder eines Finanzanalysten erzählt wird. 

Die Demokratisierung habe “viele Versprechen gemacht, die dann gebrochen wurden”. Wo Gleichheit und soziale Mobilität beworben wurden, stünden am Ende teilweise materielle Nachteile und desillusionierte Unzufriedenheit. Damit einher gingen Ressentiments, die, um nur ein Beispiel zu nennen, die Präsidentschaftskampagne Trumps bestens zu mobilisieren und auszunutzen weiß. 

Eine der meistprämierten und -diskutierten Arbeiten Violas in diesem Kontext ist ihre Studie zur “Closure of the International System” von 2020. Sie widmet sich dem Problem, dass die Entwicklung hin zu stärkerer Inklusion in internationalen Institutionen mit anhaltenden Ungleichheiten einhergeht. Im Zuge der Dekolonisierung sind in die großen internationalen Institutionen Länder aus dem Globalen Süden mit dem Ziel eingetreten, sich für globale Umverteilung einzusetzen. Dort hätten sie aber nie “eine gleichwertige Stimme” erhalten. Daraus, dass “die Globalisierungsprozesse größtenteils aus dem Globalen Norden gesteuert worden sind”, folgten gravierende Konsequenzen für Länder aus dem Globalen Süden. Ein probates Mittel, wie sich diese Institutionen gerechter gestalten ließen, ist noch nicht gefunden worden - sie bleiben ein Designproblem

Wissenschaft sollte produktive Distanz halten 

Die gelungene Gestaltung des Austauschs zwischen Forschung und politischer Öffentlichkeit ist für Viola ein wichtiges Thema. Beim Exzellenzcluster “SCRIPTS - Contestations of the Liberal Script” der Berlin University Alliance, in dessen Vorstand sie sitzt, wurde hierfür eine eigene Infrastruktur aufgebaut, die sich um die Organisation öffentlicher Formate für Großpublikum kümmert, wie auch um Kooperationen mit dem Auswärtigen Amt und der US-Botschaft.  

Bei aller Kontaktfreudigkeit macht Viola aber auch darauf aufmerksam, dass bei solchen Vorhaben stets eine produktive Distanz geboten ist: “In der Wissenschaft haben wir Abstand, damit wir kritische Impulse geben können, das sollte nicht missverstanden werden.” Julius Schwarzwälder 

Über das Thema “Democracy under Attack” diskutiert Lora Anne Viola am 8. November 2024 um 14.00 Uhr beim Falling Walls Science Summit in Berlin. Der Roundtable, an dem unter anderem die Staatsministerin für Europa und Klima im Auswärtigen Amt, Anna Lührmann, und Petra Schleiter von der University of Oxford teilnehmen, wurde von der Berlin University Alliance organisiert. Das Programm des Summit finden Sie hier, weitere Porträts der Table.Briefings-Reihe “Breakthrough-Minds” lesen Sie hier. 

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Heads

Peter Bernshausen ist neuer Kanzler der TU Chemnitz. Der Verwaltungsfachmann war zuletzt als Leiter der Stabsstelle Budgetierung und Controlling sowie als Vertreter des Kanzlers der Philipps-Universität Marburg tätig. 

Aletta Bonn (UFZ), Jörg E. Drewes (TU München), Anna-Katharina Hornidge (IDOS, Bonn), Kai Maaz (DIPF), Karen Pittel (ifo), Hans-Otto Pörtner (Alfred-Wegener-Institut), Sabine Schlacke (Universität Greifswald, IfEUS), Claudia Traidl-Hoffmann (Universität Augsburg) und Joscha Wullweber (Universität Witten/Herdecke) wurden neu in den Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) berufen. 

Helge Braun, ehemaliger Kanzleramtsminister und Parlamentarischer Staatssekretär im BMBF, hat erklärt, in der kommenden Legislaturperiode nicht mehr für den Deutschen Bundestag kandidieren zu wollen.

Martin Braun hat die Leitung des Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE in Kassel übernommen. Er folgt auf Reinhard Mackensen, der das Institut seit Februar 2022 kommissarisch geleitet hatte. Braun ist zugleich Professor für Nachhaltige elektrische Energiesysteme an der Universität Kassel. 

Heidrun Dorgeloh, Anglistin, und der Physiker Axel Görlitz sind seit dem 1. November neue Rektoratsmitglieder der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU). Gleichzeitig begann für Rektorin Anja Steinbeck ihre dritte Amtszeit. Als erste Frau steht sie seit zehn Jahren an der Spitze der Universität. 

Denise Hilfiker-Kleiner wird die neue Präsidentin der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Die Biologin tritt zum Jahreswechsel die Nachfolge von Michael Manns an, der in den Ruhestand gehen wird. Hilfiker-Kleiner ist derzeit Dekanin des Fachbereichs Medizin der Philipps-Universität in Marburg. 

Bärbel Kracke und Thomas Pertsch haben die Leitung von zwei neu strukturierten Vizepräsidien an der Friedrich-Schiller-Universität Jena übernommen. Die Pädagogische Psychologin ist neue Vizepräsidentin für Universitätsgemeinschaft und Engagement, der Physiker ist Vizepräsident für Forschung und Innovation. Sie folgen auf Uwe Cantner und Georg Pohnert. 

Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an research@table.media!

Best of Table.Media

Bildung.Table. Pant: Das Wissen über gelingende Transferprozesse in der Bildung fehlt. Fundierte Befunde zum Zustand des deutschen Bildungswesens und Empfehlungen, was zu tun ist, gibt es viele. Aber wie kommen gewonnene Erkenntnisse in die Schulpraxis? Bildungsforscher Hans Anand Pant hat zu diesem Thema ein Thesenpapier verfasst. Was er kritisiert – und welche Lösungswege er sieht. Mehr

Europe.Table. ECFR-Studie: Wie die EU in Krisensituationen schlagkräftiger werden soll. Die EU reagiert zu langsam und zu improvisiert auf Notlagen. Das sagen die ehemalige französische Europaministerin Laurence Boone und der ehemalige moldauische Vize-Premier Nicu Popescu. Sie fordern einen European Defence Production Act, um Prozesse in Krisenzeiten nach US-Vorbild zu beschleunigen. Mehr

ESG.Table. Dekarbonisierung: Warum Stadtwerke mit der Energiewende hadern. Sie sollen ihre Netzgebiete mit sauberem Strom und grüner Wärme beliefern. Doch Stadtwerken fehlt das Geld für die Dekarbonisierung. Es brauche bessere Förderung, staatliche Garantien und neue Wege, um Kapital zu hebeln, sagen Experten. Mehr

Table Forum Datengesellschaft. Warum wir eine Datengesellschaft werden müssen, um innovativ bleiben zu können und warum wir noch keine Datengesellschaft sind. Standpunkt von Uwe Cantner, Vorsitzender der Expertenkommission Forschung und Innovation der Bundesregierung (EFI), zum Spannungsverhältnis von Innovationsfähigkeit und Datengesellschaft. Mehr

Dessert

Schlechte Laune? Britische Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Spatzen im Alter kaum noch neue soziale Kontakte knüpfen.

Auch Spatzen können im Alter offenbar mürrischer werden. In diesem Lebensabschnitt sinke die Zahl ihrer Sozialkontakte, berichtet ein Forschungsteam im Fachjournal “Philosophical Transactions B” der britischen Royal Society. Während die Vögel in jungen Jahren für Erfolg im Leben freundlicher sein müssten, könnten sie im Alter evolutionär betrachtet nach Herzenslust granteln, mutmaßen die Forschenden. 

Für die Studie nutzten die Wissenschaftler Daten der winzigen Insel Lundy in Großbritannien. Dort wurde seit dem Jahr 2000 das Leben jedes Haussperlings vom Ei bis zum Tod erfasst. An videoüberwachten Futterstellen beobachteten die Wissenschaftler auch das soziale Verhalten der Vögel. Insgesamt wurden für die Studie mehr als 1.600 Beobachtungen von 615 maximal sieben Jahre alten Spatzen ausgewertet.  

Die Beobachtung: Mit fortschreitendem Alter nahm die Zahl der Freunde je Vogel ab. Das lag zum Teil daran, dass im Laufe der Zeit gleichaltrige Artgenossen wegstarben. Doch alte Vögel verloren nicht nur den Kontakt zu alten Freunden, sie knüpften auch weniger neue soziale Beziehungen

Keine evolutionären Nachteile durch Unfreundlichkeit im Alter 

Das Knüpfen von Freundschaften erhöhe den Bruterfolg und verschaffe jungen Vögeln einen evolutionären Vorteil, erklärte die Studienleiterin Julia Schroeder vom Imperial College London. “Aber wenn sie sich erst einmal fortgepflanzt haben, scheint es so, als ob Unfreundlichkeit keine evolutionären ,Kosten’ hat – es gibt keine Nachteile”, sagte Schroeder. 

Dieser evolutionäre Mechanismus könne auch beim Menschen zum Tragen kommen, vermuten die Wissenschaftler. Es gebe Belege dafür, dass soziale Netzwerke im frühen Erwachsenenalter einen Höhepunkt erreichen, danach folge eine Abnahme im späteren Leben. 

Gut belegt ist jedoch auch, dass neue Anregungen die geistige Fitness über die Lebensspanne erhalten können. Wir sollten uns also an den Spatzen kein Vorbild nehmen und den evolutionären Mechanismen ein Schnippchen schlagen. Markus Weisskopf mit dpa 

  • Wissenschaft

Research.Table Redaktion

RESEARCH.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    die Wissenschafts-Community und Regierungspartner hatten das BMBF mehrfach zur Eile gemahnt. Wenn das Forschungsdatengesetz noch in dieser Legislatur verabschiedet werden soll, müsse es noch 2024 ins Kabinett. Der Entwurf ist nun nahezu abgeschlossen, jedoch gibt es immer noch Differenzen zwischen den Ministerien. Das Arbeitsministerium befürchtet, dass ein erleichterter Zugang zu Forschungsdaten die Datenschutzbestimmungen untergraben könnte. Tim Gabel berichtet.

    Die lang erwartete Antisemitismusresolution steht kurz vor der Verabschiedung. Nach monatelangen Beratungen haben sich die Fraktionen auf einen gemeinsamen Text geeinigt. Aus der Wissenschaft hatte es konkrete Vorschläge zur Lösung kontroverser Punkte gegeben, die jedoch im endgültigen Dokument nicht einbezogen wurden. Meine Kollegin Anne Brüning berichtet, wie groß der Unmut ist, etwa, dass der beschriebene “inklusive Weg” keine Berücksichtigung fand. Ein Offener Brief, der am Wochenende veröffentlicht wurde, hat mittlerweile mehr als 2.200 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner gefunden. Weniger alarmiert zeigte sich die Hochschulrektorenkonferenz (HRK).

    Nicht viele Unterschriften, aber viele Fragen hat weiterhin die CDU-/CSU-Fraktion an Bettina Stark-Watzinger. Die Abgeordneten setzen ihre Bemühungen fort, die Umstände der Fördermittel-Affäre aufzuklären. In einer umfangreichen Kleinen Anfrage mit 135 Fragen fordert die CDU detaillierte Informationen zu den Führungsstrukturen, den Kommunikationsabläufen innerhalb des Ministeriums sowie zu möglichen Mängeln bei der Aktenführung. Besonderes Augenmerk legt der Fragenkatalog dabei auf die Abgrenzung zwischen dienstlicher und privater Kommunikation, insbesondere im Hinblick auf den Einsatz von verschlüsselten Nachrichtendiensten wie “Wire”.

    Ich wünsche Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre und einen guten Start in diesen Dienstag!

    Ihre
    Nicola Kuhrt
    Bild von Nicola  Kuhrt

    Analyse

    Fusionsenergie: Wie China bei der Kommerzialisierung den Westen überholen will

    Im globalen Rennen um die Entwicklung der Kernfusion macht ein kleines Start-up aus Shanghai von sich reden. Das Unternehmen Energy Singularity hat nach eigenen Angaben den Versuchsreaktor “Honghuang 70” (HH70), in nur zwei Jahren gebaut und im Sommer in Betrieb genommen. Nach Aussagen der Betreiber, will man mit dem HH70 schon besonderes erreicht haben: Demnach ist er der erste vollständig supraleitende Hochtemperatur-Tokamak, der erfolgreich Plasma erzeugt hat.

    Das Hauptproblem herkömmlicher Fusionsreaktoren, auch Tokamaks genannt, liegt darin, dass sie extrem starke Magnetfelder benötigen, um das Plasma zu kontrollieren. Diese Magnetfelder werden durch supraleitende Magnete erzeugt, die jedoch auf sehr niedrige Temperaturen gekühlt werden müssen. Die hohen Kühlkosten gelten als eine der größten Hürden auf dem Weg zur kommerziellen Nutzung. Energy Singularity setzt auf sogenannte Hochtemperatur-Supraleiter (HTS). Diese Materialien können bei wesentlich höheren Temperaturen arbeiten, was bedeutet, dass die Kühlsysteme weniger aufwändig und teuer sind. 

    Idee des chinesischen Start-ups stammt aus der USA

    Die Shanghaier sind nicht die ersten Forscher mit dieser Idee. Weltweit gibt es Dutzende Start-ups und staatliche Projekte, die sich mit der Kernfusion befassen. Energy Singularity erklärte so ganz offen gegenüber der Financial Times, dass ihr Ansatz von der US-Firma Commonwealth Fusion Systems (CFS) “inspiriert” sei. Auch CFS setzt auf HTS-Magnete und fortschrittliche Plasmatechnologie. Das Start-up arbeitet mit wissenschaftlichen Institutionen und Universitäten in China zusammen.

    Im Interview mit der US-Zeitschrift äußerte Ye Yuming, Chef und Mitbegründer von Energy Singularity, das Ziel, die Technologie bis 2035 kommerzialisieren zu wollen. Das gilt in der Experten-Community als äußert ambitioniert. Prognosen von Wissenschaftlern gehen davon aus, dass erste Versuchskraftwerke bis 2050 gebaut werden könnten. Deutsche Start-ups, die ebenfalls im globalen Wettbewerb um Investorengelder stehen, wollen schon Anfang der 2040er-Jahre erste Kraftwerke bauen. Der noch im Bau befindliche International Thermonuclear Experimental Reactor (ITER), in Frankreich soll – zum Vergleich – erst in den 2030er-Jahren erste Tests durchführen.

    US-Interessenverband warnt vor Chinas Ambitionen

    Immer mehr Experten sind inzwischen überzeugt, dass das Rennen um die Kernfusion hauptsächlich zwischen den USA und China entschieden wird, wobei einige China bereits im Vorteil sehen. In der US-Industrie wächst die Besorgnis, dass China sie im eigenen Spiel überholt, warnte kürzlich Andrew Holland, CEO der in Washington D.C. ansässigen Fusion Industry Association, gegenüber CNN. Laut Holland seien einige der Tokamaks der nächsten Generation, die China gebaut habe oder plane, im Wesentlichen “Kopien” von US-Designs und verwendeten ähnliche Komponenten wie die amerikanischen.

    Während in den USA die Tokamaks altern, baue China weiter aus. Ein weiteres Beispiel sei der staatlich finanzierte chinesische BEST-Tokamak, der laut Holland ebenfalls eine Kopie des von CFS entworfenen Tokamaks sei. Zudem verweist Holland auf den Bau eines 570 Millionen Dollar teuren Fusionsforschungsparks im Osten Chinas, der voraussichtlich im nächsten Jahr fertiggestellt werde. “Wir haben nichts Vergleichbares”, betont Holland. Es gebe “eine lange Geschichte” von China, amerikanische Technologien zu kopieren. “Sie sind schnelle Nachahmer und übernehmen dann die Führung.”

    Dominanz bei seltenen Erden und geringere Kosten helfen

    Tatsächlich haben beide Großmächte starke Argumente auf ihrer Seite. Laut Ye Yuming profitieren US-Firmen von einem “deutlich günstigeren” Finanzierungsumfeld. Doch in China habe Energy Singularity den Vorteil, auf starke Lieferketten für wichtige Rohstoffe zugreifen zu können. Etwa 95 Prozent der Materialien für ihren ersten Reaktor stammen aus inländischen Quellen, darunter auch seltene Erden, in deren Produktion China führend ist.

    Zudem seien die Kosten für Entwicklung, Betrieb und Personal in China günstiger. Laut Financial Times beschäftigt Energy Singularity derzeit etwa 135 Mitarbeiter und plant, in zukünftigen Finanzierungsrunden weitere 500 Millionen Dollar einzuwerben. Dieses Kapital soll die Entwicklung des nächsten Fusionsreaktors der neuen Generation, des HH170, unterstützen, der bis 2027 fertiggestellt werden soll. Das HH170-Projekt zielt darauf ab, einen Nettoenergiegewinn zu erreichen. Man will das CFS-Projekt der Amerikaner also einholen. mit Tim Gabel

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    Jan S. Hesthaven: Warum der neue KIT-Präsident auf Kooperation statt Konkurrenz setzt

    Der neue KIT-Präsident Jan S. Hesthaven.
    Der neue Präsident des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) setzt auf eine stärkere Internationalisierung der Forschungsuniversität und eine Bottom-up-Strategie.

    Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist eine Besonderheit in der deutschen Forschungslandschaft, denn darin haben sich das zur Helmholtz-Gemeinschaft gehörige Forschungszentrum Karlsruhe und die Universität Karlsruhe zusammengeschlossen. Das war 2009, den Anstoß gab die Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder, die Spitzenforschung an Universitäten stärken sollte.  

    Der neue Präsident des KIT, Jan S. Hesthaven, seit Oktober im Amt, sieht den Verschmelzungsprozess noch lange nicht abgeschlossen. “Wer beispielsweise bisher nur Großforschung gemacht hat, tut sich vielleicht nicht ganz leicht mit den Erfordernissen einer Universität”, sagt der Däne, der vorher in der Schweiz tätig war, im Gespräch mit Table.Briefings und nennt als ein Beispiel Lehrverpflichtungen. “Aber seit 2009 sind wir nun mal eine Forschungsuniversität, die beides verbinden soll.” Das sei ein Kulturwandel, “das braucht Zeit – mit ein, zwei Generationen ist durchaus zu rechnen”.  

    Stärkere Internationalisierung 

    An dem Posten als KIT-Präsident habe ihn das enorme Potenzial in Forschung, Lehre und Transfer, aber auch die Sonderstellung als Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft gereizt. “Wir sind das einzige Helmholtz-Zentrum dieser Art und auch weltweit gibt es, abgesehen vom MIT, von Berkeley und Johns Hopkins, nicht viel Vergleichbares.” 

    Am KIT möchte er “einen echten Kulturwandel” in Gang setzen. “Dazu gehört eine stärkere Internationalisierung mit neuen Kooperationen und neuen Köpfen aus dem Ausland. Eine Voraussetzung ist, dass wir konsequent zweisprachig werden.” Jede und jeder sollte Englisch oder Deutsch sprechen und die jeweils andere Sprache zumindest verstehen können. 

    Zu Hesthavens Plänen gehört außerdem, Spitzenforschung am KIT weiter zu stärken – durch neue Berufungen in Grundlagenfächern wie Mathematik und Informatik, aber auch beim Thema Energie und im Bereich der Batterieforschung. 

    Hoffnung auf erneuten Exzellenzuniversitäts-Titel  

    Er setzt darauf, dass das KIT, das seit 2019 wieder zur Liga der Exzellenzuniversitäten gehört, auch im aktuellen Exzellenzwettbewerb erneut erfolgreich sein wird. “Wir geben unser Bestes, um Exzellenzuni zu bleiben.” Aktuell seien mit einem neuen Vollantrag und zwei Fortsetzungsanträgen in der Förderlinie Exzellenzcluster noch alle Chancen offen. 

    Gleichwohl hat der Mathematiker, der von der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) nach Karlsruhe wechselte, an der deutschen Exzellenzstrategie einiges auszusetzen. “Die Antragstellung braucht unglaublich viel Zeit, sie bindet wertvolle Ressourcen und der finanzielle Vorteil ist auch im Erfolgsfall überschaubar”, sagt er.  

     Am KIT werde seit zwei Jahren intensiv an den Anträgen gearbeitet, anderen Unis werde es ähnlich gehen. Was ihm missfällt: “Der deutsche Wettbewerb ist sehr top-down organisiert. Ich bevorzuge Bottom-up-Strategien, weil sie den Universitäten Freiräume geben und die Eigenverantwortlichkeit stärken. Und weil sie auf Kooperation anstelle von noch mehr Konkurrenz setzen.” 

    Exzellenz nicht von oben verordnet, sondern als Bottom-up-Strategie  

    Als Beispiel nennt er die norwegische Exzellenzstrategie, die eine Förderung von Exzellenzzentren über zehn Jahre ermöglicht. Sie habe die Forschung im Land enorm vorangebracht. “Auch sie funktioniert bottom-up: beim Setzen der Themen, bei der Zusammenarbeit zwischen Institutionen – letztlich in ihrer ganzen Idee.” 

    Auch die Multidisciplinary University Research Initiatives (MURI) in den USA findet er zukunftsweisend. Es handele sich um “institutionenübergreifende fokussierte Forschungsinitiativen, die die Zusammenarbeit und Problemlösungen vorantreiben” – und ebenfalls bottom-up arbeiteten.  

    Er sei überzeugt, dass Kooperation erforderlich sei, um global erfolgreich zu sein. “Wir haben als KIT nicht die Ressourcen, die ein MIT, Stanford oder eine Peking University hat. Da können wir nur mithalten, wenn wir uns vernetzen und in eher kleinen, hochengagierten Gruppen institutionsübergreifend zusammenarbeiten.” 

    Typisch dänisch: flache Hierarchien und Eigenverantwortlichkeit 

    Hesthaven (Jahrgang 1965) hat Computational Physics studiert und an der Technischen Universität von Dänemark in Kopenhagen promoviert. Bevor er in die Schweiz an die EPFL ging, war er von 1995 bis 2013 an der Brown University, einer der ältesten und renommiertesten Universitäten der USA. Dort gründete er das Center for Computation and Visualization und war an der Entstehung des Institute for Computational and Experimental Research in Mathematics beteiligt.  

    Er bekennt sich zu seiner dänischen Art, die sehr direkt sei. Auch die Kultur flacher Hierarchien und stark auf Eigenverantwortlichkeit und die Entscheidungskompetenz vor Ort zu setzen, befürwortet er. Wie es ankam, als er in seiner Begrüßungsrede am KIT betonte, dass Titel für ihn nicht wichtig seien, wohl aber das, was ein Mensch mache, lesen Sie im kompletten Interview hier.

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    Termine

    6. November 2024, Berlin
    Akademientag der Union der Deutschen Akademien der Wissenschaften “In Städten gesund leben – gesund in Städten leben” Mehr

    7.-9. November 2024, Berlin
    Konferenz Falling Walls Science Summit 2024 Mehr

    8. November 2024, Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung, Berlin
    Diskussion Bedrohte Wissenschaft: Politische Einflussnahme Mehr

    29. November 2024, 19:00 Uhr, Nikolaisaal Potsdam, Wilhelm-Staab-Straße 10-11, 14467 Potsdam
    Einsteintag der BBAW “Konflikte lösen!” Mehr

    11.-12. Dezember, Berlin
    Forum Wissenschaftskommunikation Wissenschaftskommunikation für eine starke Demokratie und offene Gesellschaft Mehr

    12. Dezember 2024, 10:30 bis 18:00 Uhr. Vertretung des Landes Sachsen-Anhalt beim Bund, Luisenstraße 18, 10117 Berlin
    Symposium der Leopoldina 10 Jahre Politikevaluierung in der Bundesregierung – Wo stehen wir heute? Ein Blick aus Wissenschaft und Politik Mehr

    News

    Antisemitismusresolution: Das ist die Kritik aus der Wissenschaftscommunity

    Mehr als ein Jahr war der Text in Arbeit – und zwar hinter verschlossenen Türen. Am Freitag wurde bekannt, dass sich die Bundestagsfraktionen der Ampel-Parteien und der CDU/CSU auf eine Antisemitismusresolution geeinigt haben. Der Antrag mit dem Titel “Nie wieder ist jetzt: Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken” soll diese Woche im Bundestag eingebracht, beraten und abgestimmt werden. Zurzeit steht er für Donnerstag, 7. November, auf der Tagesordnung.

    “Mit dem Antrag setzen wir ein klares Zeichen, den Antisemitismus in unserem Land wirksam und nachhaltig zu bekämpfen”, teilten die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Dirk Wiese (SPD), Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen), Konstantin Kuhle (FDP) und Andrea Lindholz (CDU/CSU) am Sonnabend mit.

    Offener Brief für anderen Umgang mit dem Thema

    Der finale Text zeigt: Vorschläge aus der Wissenschaft, die umstrittene Punkte hätten entschärfen können, wurden nicht aufgegriffen. Am 23. Oktober hatte eine Gruppe um den Rechtswissenschaftler Ralf Michaels und den Soziologen Armin Nassehi alternative Formulierungen öffentlich gemacht (unser Bericht dazu hier). Sie sehen vor, sich nicht auf die IHRA-Arbeitsdefinition für Antisemitismus festzulegen und sich stattdessen an verschiedenen Definitionen zu orientieren.

    Um zu verhindern, dass der Staat antisemitische Projekte fördert, halten sie außerdem förderrechtliche Regelungen für den falschen Weg. Denn diese könnten in der Praxis zu einer Meinungsprüfung führen. Stattdessen plädieren sie für Eigenverantwortung der Institutionen.

    Wie groß der Unmut darüber ist, dass der von der Gruppe um Michaels und Nassehi beschriebene “inklusive Weg” keine Berücksichtigung fand, wird in einem Offenen Brief deutlich, der am Wochenende veröffentlicht wurde. Die mittlerweile mehr als 2.200 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner sprechen sich für eine öffentliche Debatte über das Thema aus und unterstützen die alternativen Vorschläge.

    Barbara Stollberg-Rilinger befürchtet vorauseilende Selbstzensur

    Unterzeichnet hat zum Beispiel Barbara Stollberg-Rilinger, Rektorin des Wissenschaftskollegs zu Berlin. Ihre aktuelle Sorge sei, dass der Antisemitismusvorwurf zunehmend instrumentalisiert wird, um Kritik an der israelischen Regierung zum Schweigen zu bringen, sagt sie auf Anfrage von Table.Briefings. “Wir erleben ja derzeit schon, dass etwa regierungskritische, linksliberale Jüdinnen und Juden als Antisemiten diffamiert und von Veranstaltungen wieder ausgeladen werden.”

    Zum anderen befürchte sie, dass langfristig der Einschränkung von Wissenschafts- und Kunstfreiheit Tür und Tor geöffnet werden. “Wir haben ja anlässlich des Fördergeldskandals im BMBF gerade erst erlebt, dass WissenschaftlerInnen mit Hilfe des drohenden Antisemitismusvorwurfs zu vorauseilender Selbstzensur bewegt werden sollen, wie es Staatssekretär Philippi intern mit wünschenswerter Deutlichkeit schriftlich geäußert hat”, sagt die Historikerin. “Man mag sich nicht ausmalen, was zukünftige Regierungen mit diesem Instrument anstellen können.”

    HRK sieht keine Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit

    Wenig alarmiert reagiert die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) auf den Resolutionstext: Forschungsförderung erfolge hierzulande wissenschaftsgeleitet, betont HRK-Präsident Walter Rosenthal. “In Wissenschaft gekleideter Rassismus oder Antisemitismus in einem Förderantrag, in der Methode oder Ergebnisdarstellung eines Forschungsprojekts ist strafrechtlich relevant und widerspricht den Regeln guter wissenschaftlicher Praxis.” Ein individuelles Bekenntnis oder eine entsprechende Klausel in Förderanträgen sei daher nicht erforderlich, sagt Rosenthal und verweist auf die entsprechenden Ausführungen der DFG sowie auf das Strafrecht.

    Auch die neuerliche Bezugnahme des Bundestags auf die “analytisch hilfreiche, aber explizit nicht rechtsverbindlich gedachte” IHRA-Arbeitsdefinition zur Identifizierung von Antisemitismus stelle keine Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit oder anderer Grundrechte dar, sagt der HRK-Präsident. Im politischen Raum drohe die Auseinandersetzung um die Aussage- und Geltungskraft der IHRA-Arbeitsdefinition und anderer Vorschläge zur Bestimmung von Antisemitismus mittlerweile oft zum Selbstzweck zu werden. Rosenthal: “Dies wird dem tieferen Sinn des Vorhabens dann nicht ausreichend gerecht.” abg

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    Studie: Schleppende Digitalisierung an Hochschulen, KI findet kaum Eingang in Curricula

    Fast alle Hochschulen (93,5 Prozent) verfügen über eine Strategie zur Digitalisierung in Studium und Lehre. Das zeigt der Monitor Digitalisierung 360° des Hochschulforums Digitalisierung. Jedoch berücksichtigen weniger als die Hälfte der Lehrenden diese Vorgaben und Leitlinien. Der Grund: Diese sind nicht bekannt oder es fehlen Zeit und Unterstützungsstrukturen für die Weiterentwicklung der Lehre. 

    Probleme bestehen auch weiterhin bei der nachhaltigen Finanzierung von Digitalisierungsprojekten. Häufig werden diese zumindest teilweise aus Drittmitteln und damit befristet finanziert. Dementsprechend werden auch Stellen häufig nur befristet ausgeschrieben. 38,5 Prozent der Hochschulleitungen berichten, dass es unter diesen Bedingungen schwierig sei, IT-Fachkräfte zu finden.

    KI-Kompetenzen werden kaum vermittelt

    Eine konstruktive, chancenorientierte Perspektive auf Künstliche Intelligenz ist noch unterentwickelt. So geht es den Hochschulen zunächst vor allem darum, wissenschaftliches Fehlverhalten in Prüfungen zu vermeiden. Kompetenzen im Umgang mit KI werden nach Angaben der Studierenden dagegen nur in 15,5 Prozent der Lehrveranstaltungen vermittelt. mw

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    Forschungsdatengesetz: Ressortvorbehalt und Druck aus der Wissenschafts-Community

    Das Bundesforschungsministerium plant in Kürze den Gesetzesentwurf zum Forschungsdatengesetz veröffentlichen zu können. Nach Informationen von Table.Briefings befindet sich das Papier in den letzten Zügen der Ressortabstimmung. Das Arbeitsministerium hatte in den Abstimmungen einen Ressortvorbehalt eingelegt, mutmaßlich, weil mit dem einfacheren Zugang für Daten und deren besserer Auffindbarkeit für die Forschung neue Fragen für den Datenschutz einhergehen.

    Experten hatten gefordert, dass auch künftig gewährleistet sein müsse, dass sensible Daten aus den Bereichen Wohnen, Migration oder Arbeit und Arbeitslosigkeit angemessen geschützt werden. Nach den aktuellsten öffentlichen Informationen des BMBF soll das FDG noch in dieser Legislaturperiode in Kraft treten. Angestrebt ist eine Kabinettsbefassung des Gesetzentwurfs noch in diesem Jahr. Auf eine neuerliche Anfrage von Table.Briefings aus der vergangenen Woche liegt bislang keine Antwort des Ministeriums vor.

    Experten fordern Einbindung der Forschungsdatenzentren

    Die Inhalte des Gesetzesentwurfs kursieren sei Anfang Oktober in der Wissenschafts-Community. In der FAZ begrüßten Experten für Wirtschafts- und Finanzforschung Regina T. Riphahn, Kerstin Schneider und Andreas Peichl den Gesetzesentwurf als großen Fortschritt für Gesellschaft und Wissenschaft. “Die Forschungsdatenkultur würde datenschutzkonform so weiterentwickelt, wie es in unseren Nachbarländern seit Jahren üblich ist. Der Gesetzentwurf ist für deutsche Verhältnisse ambitioniert. Er muss es aber auch sein, denn die Mängel beim Datenzugang sind erheblich und müssen grundsätzlich angegangen werden”, schreiben die drei Wissenschaftler in ihrem Gastbeitrag.

    Die Autoren fordern gleichzeitig, dass das Gesetz bereichsübergreifend gültig sein müsse. “Sollten im Entwurf Bedenken einzelner Bereiche noch nicht abschließend ausgeräumt worden sein, müssen und können Lösungen gefunden werden, um das Vorhaben zum Erfolg zu führen”, heißt es. Offen bleiben mit dem Gesetzesentwurf bislang die Fragen der Finanzierung und der Einbindung weiterer Akteure – insbesondere der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) und der Forschungsdatenzentren (FDZ). Letztere seien mit ihrer Expertise für das neu einzurichtende Micro Data Center, das Deutsche Zentrum für Mikrodaten (DZM), unverzichtbar, schreiben Riphahn, Schneider und Peichl.

    Remotezugriff für Wissenschaftler soll möglich sein

    Kern des FDG soll die Regelung von Zugangsansprüchen für Forschende zu Daten der öffentlichen Hand wie Registerdaten, statistischen Daten und weiteren Daten sein. Um Daten aus verschiedenen Stellen zu beschaffen und sie für Forschungszwecke mithilfe von Identifikatoren rechtssicher zu verknüpfen, sieht das BMBF das Micro Data Center – auch als Deutsches Zentrum für Mikrodaten bezeichnet – vor. Das DMZ soll ein “One-Stop-Shop” für Forschende – inklusive technisch modernem Fernzugriff – werden. Die für den Aufbau notwendigen gesetzlichen Regelungen sollen Inhalt des FDG sein. tg

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    Fördermittelaffäre: Union stellt weitere Anfrage zu Führungs- und Kommunikationsstrukturen

    Die CDU/CSU-Fraktion fordert weitere Aufklärung in der sogenannten Fördermittelaffäre um Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP). In der 135 Fragen umfassenden Kleinen Anfrage zu “Führungs- und Kommunikationsstrukturen im Bundesministerium für Bildung und Forschung im Lichte der sogenannten Fördermittelaffäre”, schlägt die Fraktion zunächst einen weiten Bogen und erinnert an den Grundsatz der ordnungsgemäßen Aktenführung, dem nach dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Absatz 3 des Grundgesetzes (GG) jedes Verwaltungshandeln verpflichtet ist. So heißt es in dem Gesetz:

    • Die ordnungsgemäße Aktenführung stellt die Pflicht der Behörde zur Aktenmäßigkeit und Regelgebundenheit dar.
    • Das Prinzip der Aktenmäßigkeit besagt unter anderem, dass alle entscheidungsrelevanten Unterlagen und Bearbeitungsschritte eines Geschäftsvorfalls in der Akte zu führen (Prinzip der Schriftlichkeit) sowie vollständig, wahrheitsgemäß und nachvollziehbar zu dokumentieren sind. Und zwar unabhängig davon, ob eine Behörde als führendes Aktensystem noch papierbasiert oder elektronisch veraktet.

    Die Unions-Politiker fragen nach den Führungs- und Kommunikationsstrukturen im Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie nach möglichen Missständen bei der ordnungsgemäßen Aktenführung. Im Zuge der Sachverhaltsaufklärung der sogenannten Fördermittelaffäre seien “zunehmend die unter Bundesministerin Bettina Stark-Watzinger etablierten Führungs- und Kommunikationsstrukturen im BMBF in den Fokus” gerückt, welche die Kommunikation der Ministerin mit ihrem engsten Umfeld über den Messengerdienst “Wire” umfassen würden.

    Wie kann dienstliche Kommunikation als privat definiert werden?

    Es schließen sich Fragen nach Definitionen und der Abgrenzung von dienstlicher, persönlicher und privater Kommunikation an. So wollen die Abgeordneten erfahren, inwieweit Kommunikation über den Nachrichtendienst “Wire”, wenn sie dienstliche Inhalte umfasst, als private Kommunikation definiert werden kann. Erst am 24. Oktober hatte die CDU-Fraktion in der Kleinen Anfrage “Weitere Sachverhaltsaufklärung von Bundesministerin Bettina Stark-Watzinger zur sogenannten Fördermittelaffäre” weitere Aufklärung gefordert. In 65 Fragen ging es den Politikern darin ebenfalls um die ordnungsgemäße Dokumentation und Archivierung entscheidungsrelevanter Vorgänge im BMBF.

    “Wir haben alle Punkte aufgeschrieben, bei denen wir immer noch keine Antwort bekommen haben”, sagte dazu Thomas Jarzombek (CDU) auf Anfrage von Table.Briefings. Erst im Juli hatten die Abgeordneten im Zuge der Fördermittelaffäre eine Große und eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt. Zufrieden mit den Antworten des BMBF sind sie bislang bekanntlich nicht. Das zeigte sich unter anderem im September nach der zweiten Sondersitzung des Forschungsausschusses mit Bettina Stark-Watzingernik

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    Must Reads

    Leipziger Volkszeitung: Uni Leipzig stark in den sozialen Medien. Von allen Hochschulen Ostdeutschlands ist die Online-Präsenz der Uni Leipzig am erfolgreichsten. Mit durchschnittlich 42.200 Followern auf fünf Social-Media-Kanälen und insgesamt 36.809 Studierenden und Mitarbeitenden erreicht die Hochschule einen Pro-Kopf-Wert von 5,73. (“Studie zu Online-Präsenz der Hochschulen: Uni Leipzig mit bestem Wert in Ostdeutschland”)

    Humboldt-Stiftung: Europa könnte für chinesische Forscher attraktiver werden. Ein Sieg Trumps bei den US-Präsidentschaftswahlen könnte der europäischen Forschungslandschaft von Vorteil sein. Kommt es zur Neuauflage seiner harten China-Politik, die auch den Wissenschaftsbereich betrifft, könnte es für chinesische Wissenschaftler attraktiv sein, in Europa zu arbeiten. (“Am Scheideweg? US-Außen- und Wissenschaftspolitik nach den US-Wahlen”)

    Tagesanzeiger: Cern ohne Russen. Als Folge des Überfalls auf die Ukraine müssen russische Wissenschaftler das Kernforschungsinstitut bis Monatsende verlassen. Ohne ihre Expertise könnte es zu Verzögerungen in der Arbeit am CERN kommen. (“Ohne Russland könnte sich Forschung am Cern verzögern”)

    Deutschlandfunk: Russland bedroht die akademische Freiheit. Laut Walter Rosenthal von der Hochschulrektorenkonferenz befinden sich die russisch-deutschen Wissenschaftsbeziehungen auf einem Tiefpunkt. Russlands Einstufung der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde als extremistisch sei ein Verstoß gegen die akademische Freiheit. (“Die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit Russland ist gefährdet”)

    Watson: Protest gegen Mobbing an der ETH. Eine Gruppe von Wissenschaftlern und Studenten fordert die ETH Zürich in einer Petition auf, entschiedener gegen Mobbing, Diskriminierung und sexuelle Belästigung vorzugehen. Die Petition wurde von den Organisationen “Women in Natural Sciences”, “500 Women Scientists Zürich” und “Speak Up! in Academia” organisiert und fordert die ETH-Leitung auf, mehr Verantwortung zu übernehmen. (“Sie haben genug von den ständigen Skandalen an der ETH Zürich”)

    Deutschlandfunk: Astronomie-Zeitschrift feiert Jubiläum. Benjamin A. Gould gründete 1849 die erste Astronomie-Zeitschrift in den USA. Wegen des amerikanischen Bürgerkriegs wurde die Veröffentlichung 1861 eingestellt, aber 1885 wieder aufgenommen. (“Das deutsch-amerikanische Astronomie-Journal”)

    Standpunkt

    Die neue EU-Kommissarin für Start-ups: Aushängeschild oder Wegbereiterin?

    Von Clark Parsons
    Clark Parsons, CEO, European Startup Network and Managing Director, Innovate Europe Foundation
    Clark Parsons ist CEO des European Startup Network und Managing Director der Innovate Europe Foundation. Er setzt darauf, dass die kommende EU-Kommissarin für Start-ups ihre Kollegen mobilisiert.

    Heute beginnt eine Marathonwoche, die für Insider der Brüsseler Blase wie der Superbowl ist. Die designierten EU-Kommissare für die Kabinettsposten werden in einer siebentägigen Anhörungsserie, bei der täglich vier Nominierte Rede und Antwort stehen müssen, im Europäischen Parlament “gegrillt”.

    Für einige von uns ist eine Position, die viele Beobachter übersehen haben, besonders bemerkenswert: Die erfahrene bulgarische Politikerin Ekaterina Sachariewa ist als Kommissarin für Start-ups, Forschung und Innovation nominiert.

    Seit Langem gibt es EU-Kommissare für Forschung und Innovation; der Posten für Forschung, Wissenschaft und Innovation wurde 1967 eingeführt und war bis 1981 in Folge von drei Deutschen besetzt. 2019 wurde das Mandat geändert: “Wissenschaft” wurde gestrichen und durch drei neue Titel ersetzt: Kultur, Bildung und Jugend. Der Posten ging an die junge, engagierte Bulgarin Mariya Gabriel.

    Start-ups wollen mit am Tisch sitzen

    Doch es war eine Mammutaufgabe mit fünf Verantwortungsbereichen. Obwohl Kommissarin Gabriel allgemein für ihre Amtszeit gelobt wurde, wurde schnell klar, dass die Rolle sie zu sehr beanspruchte. Ihr vorzeitiger Rücktritt – um eine Führungsposition in ihrer nationalen Regierung anzutreten – ließ ihrer Nachfolgerin Iliana Ivanova nur ein Jahr, um einen Eindruck zu hinterlassen.

    Im Vorfeld des Nominierungsprozesses in diesem Herbst gab es unterschiedliche Erwartungen. Universitäten plädierten dafür, Bildung, Forschung und Innovation unter einer Kommissarin zu bündeln. Ebenso hofften Organisationen wie die meine darauf, dass Start-ups – jene innovativen, schnell wachsenden Unternehmen, die wirtschaftliches Wachstum antreiben und neue Industrien schaffen – endlich am Tisch sitzen würden. Befürworter einer stärkeren Ausrichtung auf europäische Technologieautonomie hatten ihre Hoffnungen auf die erfahrene Parlamentsabgeordnete Henna Virkkunen aus Finnland gesetzt, die Europa in technologischer Hinsicht wieder relevant machen könnte; würde sie ein Superministerium für Innovation erhalten?

    Von der Leyen überrascht mit ihrer Entscheidung

    Kommissionspräsidentin von der Leyen überraschte uns alle mit ihren Entscheidungen:

    1. Sie trennte Bildung von Forschung und Innovation und übertrug diesen Bereich einem Kommissar aus Rumänien.
    2. Sie schuf eine Vizepräsidentschaft für technologische Souveränität, Sicherheit und Demokratie für Henna Virkkunen, was viele erfreute.
    3. Sie übertrug die Aufgaben für Forschung und Innovation, einschließlich der Aufsicht über das riesige Horizon-Europe-R&D-Budget, Ekaterina Sachariewa, die als dritte bulgarische Kommissarin in Folge diesen Bereich übernimmt. Doch ein neuer Titel kam hinzu: Start-ups.

    Weltmeister der Erfindung

    Warum ist das wichtig? Ein altes Sprichwort besagt: “Erfindung bedeutet, Geld in Ideen umzuwandeln, während Innovation bedeutet, Ideen in Geld umzuwandeln.” Nach dieser Definition ist Europa Weltmeister in der Erfindung. Wir haben eine beeindruckende Landschaft an Universitäten und Forschungseinrichtungen, die weltweit führende Talente, Patente und bahnbrechende Ideen hervorbringen.

    Doch im Vergleich zu den USA sind wir schlecht darin, diese Ideen in Geld umzuwandeln. Forschungsprojekte werden oft nicht zu Unternehmen. Professoren oder Forscher sind selten vorbereitet oder motiviert, Unternehmer zu werden, und Universitäten stehen solchen Vorhaben oft feindlich gegenüber oder machen ihre geistigen Eigentumsrechte unmöglich zu lizenzieren. Unsere Top-Talente oder Start-ups zieht es oft ins Silicon Valley, wo Kapital leichter zu beschaffen ist.

    Europa muss wieder weltweit führende Tech-Unternehmen bauen

    Wer die Berichte von Enrico Letta oder Mario Draghi kennt, weiß, dass unsere strukturellen Defizite in Bezug auf Innovation und Wettbewerbsfähigkeit Europas geopolitische und wirtschaftliche Stärke erheblich geschwächt haben. Daher war es wenig überraschend, dass der Europäische Rat in einem achtseitigen Dokument die neue Kommission aufforderte, die “wirtschaftliche Verwertung” der europäischen Forschung zu steigern. Erstaunlicherweise ließ dieses Dokument jedoch ein Wort aus: “Start-ups.” Die erhoffte “Verwertung” wird offenbar wie durch Zauberhand eintreten.

    Deshalb ist es umso bedeutender, dass Präsidentin von der Leyen ausdrücklich den Bereich Start-ups in den Titel der neuen Kommissarin aufgenommen hat. Sie hat erneut signalisiert, dass sie weiß, was Europa heilen kann. Einfach ausgedrückt: Wenn Europa auf der globalen Bühne wieder relevant werden will, muss es seine Fähigkeit wiederentdecken, weltweit führende Unternehmen in neuen Technologiesektoren hervorzubringen – und das kann nur durch Europas Start-ups geschehen.

    Start-ups: fehlendes Bindeglied zwischen Ideen und Innovation

    Glücklicherweise hat Europa im letzten Jahrzehnt ein florierendes und dynamisches Netzwerk an Start-up-Ökosystemen aufgebaut, das von Tausenden von Start-ups in Bereichen wie KI, Klima- und Energietechnologie, Fintech, Deep Tech und vielen weiteren getragen wird. Unterstützt werden sie von fast 1.000 EU-basierten Risikokapitalfonds und einer Generation erfolgreicher Gründer, die die nächste Welle fördern und in sie reinvestieren. Mein Verband zählt inzwischen mehr als drei Dutzend Mitgliederorganisationen für Start-ups.

    Und Deutschland kann sich freuen: Im dritten Quartal 2024 erhielten deutsche Start-ups laut Dealroom 2,7 Milliarden US-Dollar an Risikokapitalinvestitionen, womit Deutschland europaweit auf Platz zwei und vor Frankreich steht. Deutschland ist eine “Start-up-Nation wider Willen”. In den letzten zwei Monaten veranstaltete die Bundesregierung sowohl einen (ersten!) Start-up-Gipfel als auch einen (17.) Digital/IT-Gipfel, und beide Veranstaltungen – plötzlich vollgepackt mit Start-ups – zeigten, dass immer mehr deutsche Führungskräfte erkennen, dass Start-ups das fehlende Bindeglied zwischen Ideen und Innovation sind.

    Was fehlt: Kapitalmarktunion und ein echter Binnenmarkt

    Von der Bundesregierung bis zur EU-Kommission ist die Botschaft angekommen. Aber es gibt noch viel zu tun. Ganz oben auf der Agenda stehen zwei zentrale Probleme, deren Lösung die europäische Start-up-Landschaft erheblich verbessern würde:

    • Das Fehlen einer Kapitalmarktunion bedeutet, dass Kapital, insbesondere in Wachstumsphasen oder bei einem geplanten Börsengang, viel schwerer zu beschaffen ist.
    • Der “Binnenmarkt” existiert für Start-ups, die schnell in ganz Europa expandieren wollen, nur in sehr eingeschränkter Form. Anstatt 27 Unternehmen gründen zu müssen (ein bürokratischer Albtraum), ist sich jeder einig, dass ein “28. Regime” notwendig ist. Unsere Start-ups sollten sich so schnell ausbreiten können wie junge US-Unternehmen auf ihrem eigenen Kontinent.

    Beide Themen stehen seit Langem auf der EU-Agenda, aber ihre Lösung ist nach wie vor der schnellste Weg, um Europa wettbewerbsfähig zu machen. Ironischerweise sind die beiden Kommissare, die sich vermutlich am ehesten mit diesen wichtigen Problemen befassen werden, NICHT die Start-up-Kommissarin.

    • Die Kapitalmarktunion wird von der portugiesischen designierten Finanzkommissarin Maria Luis Albuquerque angegangen.
    • Das “28. Regime” wird voraussichtlich in die Zuständigkeit des irischen designierten Justizkommissars Michael McGrath fallen.

    Zum Glück hat die designierte Kommissarin Sachariewa bereits zugesagt, eng mit diesen beiden anderen Kommissaren zusammenzuarbeiten.

    Bildungsinstitutionen müssen über Lehre und Forschung hinausgehen

    Ist ihre Rolle also nur die einer Cheerleaderin? Nein. Die Ernennung einer Start-up-Kommissarin bedeutet, dass erstmals jemand im Kabinett für diesen entscheidenden Teil der Wirtschaft einsteht und auch daran gemessen wird, wie gut sich das europäische Start-up-Ökosystem entwickelt. Viele Länder, darunter Deutschland, haben Beamte, die für Start-ups zuständig sind (wie die Start-up-Beauftragte Anna Christmann). Aber stellen Sie sich eine Welt vor, in der jede nationale Regierung jemanden auf Kabinettsebene dafür verantwortlich hätte; hier hat Präsidentin von der Leyen ein großartiges Beispiel gesetzt.

    Die Kombination von Start-ups, Innovation und Forschung sendet ebenfalls ein starkes Signal: Unsere Bildungseinrichtungen müssen über Lehre und Forschung hinausgehen. Laborexperimente müssen auch auf dem Markt erfolgreich sein. Andernfalls finanzieren wir alle nur ein gigantisches Wohltätigkeitsprogramm zur Ausbildung zukünftiger amerikanischer Talente.

    Sachariewa muss ihre Kollegen im Kabinett mobilisieren

    Wir wissen noch nicht, was uns erwartet, wenn Kommissarin Sachariewa ein Europäisches Innovationsgesetz vorstellt oder ihre geplante Start-up- und Scale-up-Strategie präsentiert.

    Pessimisten sagen, dass sich ihr Fokus auf das Budget für Universitäten und Forschungseinrichtungen beschränken wird und Start-ups in Vergessenheit geraten. Ekatarina Sachariewa hat kaum Erfahrungen in ihren drei Aufgabenbereichen. Sogar das Europäische Parlament scheint kaum daran interessiert, die designierte Komissarin Sachariewa über Start-ups zu befragen; fast keine der ihr vorab gestellten Fragen beziehen sich darauf.

    Optimisten wie ich hingegen finden es großartig, eine fähige Politikerin zu haben, die ihre Kollegen im Kabinett mobilisieren und für Start-ups in zahlreichen Sektoren eintreten kann. Hoffentlich gelingt es ihr, Europa davon zu überzeugen, dass Start-ups so entscheidend für unsere Zukunft sind, dass sogar Deutschland eines Tages das Amt der Innovationskommissarin übernehmen möchte. Das wäre ein starkes Signal.

    Clark Parsons ist CEO des European Startup Network, einem Netzwerk europäischer Start-up-Verbände, und Managing Director der Innovate Europe Foundation. Die Stiftung setzt sich als Thinktank, Forum und Dialogpartner für die Anliegen des deutschen und europäischen Digital- und Innovations-Ökosystems ein.

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    Heads

    Lora Anne Viola – Sie erkundet die Schattenseiten von Global Governance 

    Sieht die Demokratie in Gefahr: Lora Anne Viola, Professorin für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Außen- und Sicherheitspolitik Nordamerikas an der FU Berlin.

    Kosmopolitismus ist für Lora Anne Viola mehr als nur Theorie. “Ich bin gebürtige New Yorkerin und adoptierte Berlinerin”, betont die Professorin für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Außen- und Sicherheitspolitik Nordamerikas. Ihre berufliche Wahlheimat fand sie treffenderweise an einem Institut, das nach dem US-Berliner schlechthin benannt wurde: dem John F. Kennedy-Institut für Nordamerikastudien an der Freien Universität (FU) Berlin. Dort forscht sie über internationale Institutionen

    Die dritte Welle der Demokratisierung ebbt ab 

    An der Krise, der Demokratien derzeit global ausgesetzt sind, weist Viola auf zwei Aspekte hin. Zum einen findet sie es bemerkenswert, dass das Ganze sich herumgesprochen hat. Es sei eine “gesamtgesellschaftliche Wahrnehmung”, dass wir einen krisenhaften Moment durchlaufen. In Verbindung damit erhielten Parteien in Europa und den USA Zuspruch, die für eine Politik stehen, die die “Unterminierung demokratischer Institutionen” aktiv zum Ziel hat. 

    Der zweite Aspekt: Aus Sicht der Forschung liegt ein klarer Befund vor. Die sogenannte dritte Welle der Demokratisierung, die 1974 einsetzte, wirkt längst nicht mehr so unaufhaltsam wie noch einst. Dabei handele es sich um mehr als nur um eine gefühlte Wahrheit, denn: “Man kann bemessen, dass sich seit gut 15 Jahren einige Indikatoren der Demokratie großflächig verschlechtern.” Dieser Trend zeichne sich bemerkenswerterweise sowohl in den neuen als auch in den etablierten Demokratien ab. Die Metapher der “Welle” sei darum gut gewählt. “Das, was wir seit 1974 erlebt haben, ist letztlich ein Auf und Ab”, sagt Viola. 

    Ambivalenz der Globalisierung 

    Solche Entwicklungen kommen aber nicht von ungefähr. Es sei mit einzupreisen, dass die letzten 50 Jahre auch ganz klare Enttäuschungen hervorgebracht haben. “Die Globalisierung hat zwar durchaus zu mehr Reichtum geführt, dieser wurde aber unterschiedlich verteilt.” Ob die Globalisierung als Erfolgsgeschichte erscheint, hänge darum nicht zuletzt davon ab, ob sie aus der Perspektive eines Industriearbeiters oder eines Finanzanalysten erzählt wird. 

    Die Demokratisierung habe “viele Versprechen gemacht, die dann gebrochen wurden”. Wo Gleichheit und soziale Mobilität beworben wurden, stünden am Ende teilweise materielle Nachteile und desillusionierte Unzufriedenheit. Damit einher gingen Ressentiments, die, um nur ein Beispiel zu nennen, die Präsidentschaftskampagne Trumps bestens zu mobilisieren und auszunutzen weiß. 

    Eine der meistprämierten und -diskutierten Arbeiten Violas in diesem Kontext ist ihre Studie zur “Closure of the International System” von 2020. Sie widmet sich dem Problem, dass die Entwicklung hin zu stärkerer Inklusion in internationalen Institutionen mit anhaltenden Ungleichheiten einhergeht. Im Zuge der Dekolonisierung sind in die großen internationalen Institutionen Länder aus dem Globalen Süden mit dem Ziel eingetreten, sich für globale Umverteilung einzusetzen. Dort hätten sie aber nie “eine gleichwertige Stimme” erhalten. Daraus, dass “die Globalisierungsprozesse größtenteils aus dem Globalen Norden gesteuert worden sind”, folgten gravierende Konsequenzen für Länder aus dem Globalen Süden. Ein probates Mittel, wie sich diese Institutionen gerechter gestalten ließen, ist noch nicht gefunden worden - sie bleiben ein Designproblem

    Wissenschaft sollte produktive Distanz halten 

    Die gelungene Gestaltung des Austauschs zwischen Forschung und politischer Öffentlichkeit ist für Viola ein wichtiges Thema. Beim Exzellenzcluster “SCRIPTS - Contestations of the Liberal Script” der Berlin University Alliance, in dessen Vorstand sie sitzt, wurde hierfür eine eigene Infrastruktur aufgebaut, die sich um die Organisation öffentlicher Formate für Großpublikum kümmert, wie auch um Kooperationen mit dem Auswärtigen Amt und der US-Botschaft.  

    Bei aller Kontaktfreudigkeit macht Viola aber auch darauf aufmerksam, dass bei solchen Vorhaben stets eine produktive Distanz geboten ist: “In der Wissenschaft haben wir Abstand, damit wir kritische Impulse geben können, das sollte nicht missverstanden werden.” Julius Schwarzwälder 

    Über das Thema “Democracy under Attack” diskutiert Lora Anne Viola am 8. November 2024 um 14.00 Uhr beim Falling Walls Science Summit in Berlin. Der Roundtable, an dem unter anderem die Staatsministerin für Europa und Klima im Auswärtigen Amt, Anna Lührmann, und Petra Schleiter von der University of Oxford teilnehmen, wurde von der Berlin University Alliance organisiert. Das Programm des Summit finden Sie hier, weitere Porträts der Table.Briefings-Reihe “Breakthrough-Minds” lesen Sie hier. 

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    Peter Bernshausen ist neuer Kanzler der TU Chemnitz. Der Verwaltungsfachmann war zuletzt als Leiter der Stabsstelle Budgetierung und Controlling sowie als Vertreter des Kanzlers der Philipps-Universität Marburg tätig. 

    Aletta Bonn (UFZ), Jörg E. Drewes (TU München), Anna-Katharina Hornidge (IDOS, Bonn), Kai Maaz (DIPF), Karen Pittel (ifo), Hans-Otto Pörtner (Alfred-Wegener-Institut), Sabine Schlacke (Universität Greifswald, IfEUS), Claudia Traidl-Hoffmann (Universität Augsburg) und Joscha Wullweber (Universität Witten/Herdecke) wurden neu in den Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) berufen. 

    Helge Braun, ehemaliger Kanzleramtsminister und Parlamentarischer Staatssekretär im BMBF, hat erklärt, in der kommenden Legislaturperiode nicht mehr für den Deutschen Bundestag kandidieren zu wollen.

    Martin Braun hat die Leitung des Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE in Kassel übernommen. Er folgt auf Reinhard Mackensen, der das Institut seit Februar 2022 kommissarisch geleitet hatte. Braun ist zugleich Professor für Nachhaltige elektrische Energiesysteme an der Universität Kassel. 

    Heidrun Dorgeloh, Anglistin, und der Physiker Axel Görlitz sind seit dem 1. November neue Rektoratsmitglieder der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU). Gleichzeitig begann für Rektorin Anja Steinbeck ihre dritte Amtszeit. Als erste Frau steht sie seit zehn Jahren an der Spitze der Universität. 

    Denise Hilfiker-Kleiner wird die neue Präsidentin der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Die Biologin tritt zum Jahreswechsel die Nachfolge von Michael Manns an, der in den Ruhestand gehen wird. Hilfiker-Kleiner ist derzeit Dekanin des Fachbereichs Medizin der Philipps-Universität in Marburg. 

    Bärbel Kracke und Thomas Pertsch haben die Leitung von zwei neu strukturierten Vizepräsidien an der Friedrich-Schiller-Universität Jena übernommen. Die Pädagogische Psychologin ist neue Vizepräsidentin für Universitätsgemeinschaft und Engagement, der Physiker ist Vizepräsident für Forschung und Innovation. Sie folgen auf Uwe Cantner und Georg Pohnert. 

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    Bildung.Table. Pant: Das Wissen über gelingende Transferprozesse in der Bildung fehlt. Fundierte Befunde zum Zustand des deutschen Bildungswesens und Empfehlungen, was zu tun ist, gibt es viele. Aber wie kommen gewonnene Erkenntnisse in die Schulpraxis? Bildungsforscher Hans Anand Pant hat zu diesem Thema ein Thesenpapier verfasst. Was er kritisiert – und welche Lösungswege er sieht. Mehr

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    Table Forum Datengesellschaft. Warum wir eine Datengesellschaft werden müssen, um innovativ bleiben zu können und warum wir noch keine Datengesellschaft sind. Standpunkt von Uwe Cantner, Vorsitzender der Expertenkommission Forschung und Innovation der Bundesregierung (EFI), zum Spannungsverhältnis von Innovationsfähigkeit und Datengesellschaft. Mehr

    Dessert

    Schlechte Laune? Britische Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Spatzen im Alter kaum noch neue soziale Kontakte knüpfen.

    Auch Spatzen können im Alter offenbar mürrischer werden. In diesem Lebensabschnitt sinke die Zahl ihrer Sozialkontakte, berichtet ein Forschungsteam im Fachjournal “Philosophical Transactions B” der britischen Royal Society. Während die Vögel in jungen Jahren für Erfolg im Leben freundlicher sein müssten, könnten sie im Alter evolutionär betrachtet nach Herzenslust granteln, mutmaßen die Forschenden. 

    Für die Studie nutzten die Wissenschaftler Daten der winzigen Insel Lundy in Großbritannien. Dort wurde seit dem Jahr 2000 das Leben jedes Haussperlings vom Ei bis zum Tod erfasst. An videoüberwachten Futterstellen beobachteten die Wissenschaftler auch das soziale Verhalten der Vögel. Insgesamt wurden für die Studie mehr als 1.600 Beobachtungen von 615 maximal sieben Jahre alten Spatzen ausgewertet.  

    Die Beobachtung: Mit fortschreitendem Alter nahm die Zahl der Freunde je Vogel ab. Das lag zum Teil daran, dass im Laufe der Zeit gleichaltrige Artgenossen wegstarben. Doch alte Vögel verloren nicht nur den Kontakt zu alten Freunden, sie knüpften auch weniger neue soziale Beziehungen

    Keine evolutionären Nachteile durch Unfreundlichkeit im Alter 

    Das Knüpfen von Freundschaften erhöhe den Bruterfolg und verschaffe jungen Vögeln einen evolutionären Vorteil, erklärte die Studienleiterin Julia Schroeder vom Imperial College London. “Aber wenn sie sich erst einmal fortgepflanzt haben, scheint es so, als ob Unfreundlichkeit keine evolutionären ,Kosten’ hat – es gibt keine Nachteile”, sagte Schroeder. 

    Dieser evolutionäre Mechanismus könne auch beim Menschen zum Tragen kommen, vermuten die Wissenschaftler. Es gebe Belege dafür, dass soziale Netzwerke im frühen Erwachsenenalter einen Höhepunkt erreichen, danach folge eine Abnahme im späteren Leben. 

    Gut belegt ist jedoch auch, dass neue Anregungen die geistige Fitness über die Lebensspanne erhalten können. Wir sollten uns also an den Spatzen kein Vorbild nehmen und den evolutionären Mechanismen ein Schnippchen schlagen. Markus Weisskopf mit dpa 

    • Wissenschaft

    Research.Table Redaktion

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