Table.Briefing: Research

Fraunhofer sitzt es aus + Kaschke fordert Roadmapping + UK bastelt an Horizon-Alternative

Liebe Leserin, lieber Leser,

Michael Kaschke, Präsident des Stifterverbandes, plant eine längere Tour durch die politischen Institutionen, um drängende gesellschaftliche Transformationsvorhaben endlich voranzubringen. Die Regierung agiere bei der Missionsorientierung inzwischen zwar recht modern, sagt er im Gespräch mit Anne Brüning, es gebe aber auch noch Strukturen die vor zehn, 15 oder 20 Jahren entstanden seien.

Die britische Wissenschaftsministerin Michelle Donelan hat EU-Kommissarin Mariya Gabriel getroffen. Dabei ging es natürlich um die Assoziierung des Vereinigten Königreichs zu Horizon Europe. Doch in London bleibt man vorsichtig: Sollten die Verhandlungen scheitern, wartet Plan B schon in der Schublade. Pioneer – Global Science for Global Good. Markus Weißkopf berichtet.

In unserem Standpunkt beschäftigt sich Otfried Jarren mit der Kritik an Wissenschaft und Medien für deren Beratung und Kommunikation in der Corona-Pandemie. Eine proaktive Entwicklung zukünftiger Beratungs- und Kommunikationsformen sei dringend erforderlich, sagt der Kommunikationswissenschaftler.

Was macht eine Allianz der Wissenschaftsorganisationen, wenn einem Mitglied der Gruppe grobes Fehlverhalten vorgeworfen wird, die Staatsanwaltschaft ermittelt und auch die Forschungsministerin deutliche Schritte fordert? Sie verlegt sich auf ausweichende Antworten, wie unsere Analyse zur Fraunhofer-Affäre zeigt.

Wir wünschen Ihnen eine gute Lektüre,

Wenn Ihnen der Research.Table gefällt, leiten Sie uns bitte weiter. Wenn Ihnen diese Mail weitergeleitet wurde:  Hier können Sie sich für den Research.Table kostenlos anmelden. 

Ihre
Nicola Kuhrt
Bild von Nicola  Kuhrt

Analyse

Fraunhofer-Affäre: Die Allianz scheut den Konflikt

“Er sitzt es aus”, sagen schulterzuckend Abgeordnete aus dem Forschungsausschuss. “Im Mai ist das Thema doch sowieso durch”. Ihren Namen nennen möchten sie nicht. Wer sich wundert, dass der Vorstand der Fraunhofer-Gesellschaft unter ihrem Präsidenten Reimund Neugebauer noch im Amt ist, erntet ausweichende bis resignierte Antworten. Trotz der deutlichen Vorwürfe der Steuergeldverschwendung und der Verstöße gegen Compliance-Standards. 

Auch die Allianz der Wissenschaftsorganisationen möchte sich nicht zu dem Skandal äußern – da müsse man schon die einzelnen zehn Mitglieder individuell anschreiben. Doch auch seitens der Organisationen kommt keine bis äußerst zarte Kritik. Man solle verstehen, dass “interne Angelegenheiten anderer Allianzorganisationen nicht kommentiert werden”, heißt es unisono. Es obliege dem BMBF und dem Senat der Fraunhofer-Gesellschaft, alle Vorgänge aufzuklären und die richtigen Schlüsse aus den Ergebnissen des Berichts zu ziehen. 

Angesichts der Vorfälle allein in der jüngsten Zeit eine erstaunlich schwache Reaktion: 

  • Am 7. Februar haben Prüfer des Bundesrechnungshofs in einem Bericht deutliche Kritik gegen den Vorstand der Fraunhofer-Gesellschaft erhoben. Auf rund 60 Seiten werden Verstöße gegen rechtliche Vorgaben vor allem für Reisen, Dienstfahrzeuge, Bewirtungen und Veranstaltungen durch den Vorstand der Fraunhofer-Gesellschaft beschrieben. Gebuchte Hotels der Vorstände lagen bis zu 450 Prozent über dem zulässigen Rahmen. 
  • Am 2. März hat Bettina Stark-Watzinger einen “schnellen Führungswechsel” bei der Fraunhofer-Gesellschaft gefordert. Es müsse jetzt darum gehen, dass sich die Verstöße nicht wiederholen und die Fraunhofer-Gesellschaft schnell zu einer modernen Governance und zu tragfähigen Compliance-Standards komme. “Sonst besteht die Gefahr, dass das Vertrauen in und das Ansehen der deutschen Forschung insgesamt beschädigt wird.”
  • Am 2. März gab es im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags einen Maßgabebeschluss. Darin wird die Fraunhofer-Gesellschaft deutlich kritisiert und das  BMBF zugleich zu konkreten Maßnahmen aufgefordert. Bis zum 1. September soll das Haus etwa die Einhaltung des Besserstellungsverbots und des Zuwendungsrechts bei der FhG durchsetzen sowie die internen und externen Kontrollmechanismen der Fraunhofer-Gesellschaft evaluieren und Anpassungen vornehmen.
  • Am 28. März hat die Staatsanwaltschaft München I gegenüber Table Media bestätigt, dass gegen die Fraunhofer-Gesellschaft nun Ermittlungen aufgenommen wurden. Nicht gegen konkrete Beschuldigte, sondern gegen Unbekannt – aber: man gehe “aufgrund der Ermittlungen im Vorprüfungsverfahren davon aus, dass ein hinreichender Verdacht besteht, dass  möglicherweise strafbare Handlungen begangen worden sein könnten”.

Wie Table.Media aus informierten Kreisen erfuhr, wird hinter den Kulissen der Allianz deutlich heftiger debattiert. Einige Mitglieder der Allianz fordern sehr wohl Reaktionen, doch die größeren Player in der Gruppe blockierten dies. Nicht wenige befürchten, dass der jetzige Vorstand der Fraunhofer-Gesellschaft durch seinen Einfluss auch die Kommission für die Vorstandswahl im Mai und damit die Zusammensetzung des neuen Vorstands beeinflussen wird.  

Einflussnahme auf Wahlkommission befürchtet

Somit wäre ein neuer Vorstand ein Gremium in Sinne des alten – und würde die notwendige Aufklärung im System möglicherweise verhindern. Von Reimund Neugebauer sind Ambitionen für einen Vorsitz in der Fraunhofer-Stiftung bekannt. Wirklich weg wäre er also auch nach der Wahl im Mai und der Amtsübergabe Ende September nicht.  

Das Bundesforschungsministerium, dessen Chefin doch eigentlich deutlich Veränderungen eingefordert hat – bleibt ebenfalls auffallend leise. Man nehme seine Verantwortung als einer der Zuwendungsgeber der Fraunhofer-Gesellschaft sehr ernst und prüfe aktuell mögliche Konsequenzen aus der Prüfung des Bundesrechnungshofs, erklärt uns eine Sprecherin. Für Personalangelegenheiten, welche den Vorstand der Fraunhofer-Gesellschaft betreffen, sei der Senat das zuständige Organ. Für den Senat spreche ausschließlich seine Vorsitzende.

  • Allianz der Wissenschaftsorganisationen
  • BMBF
  • Fraunhofer

“Defizite bei der Orchestrierung”

Michael Kaschke ist seit 2022 Präsident des Stifterverbandes. Der Physiker war von 2011 bis 2020 Vorstandsvorsitzender der Zeiss Gruppe, zuvor war er dort in der Forschung und Medizintechnik tätig.

Der Ruf nach mehr Entschlossenheit und Tempo bei Transformationsaufgaben in den Bereichen Nachhaltigkeit und Digitalisierung wird immer lauter. Zuletzt auf dem Forschungsgipfel von Stifterverband, Leopoldina, EFI und Volkswagenstiftung in Berlin. Die Appelle richteten sich vor allem an die Politik. Wichtige Vertreter fehlten jedoch. Allen voran Olaf Scholz, der absagte, weil er damit befasst war, den Koalitionsfrieden wieder herzustellen.

Michael Kaschke, Präsident des Stifterverbandes, hatte den Kanzler aufgefordert, wichtige Zukunftsmissionen stärker zentral und ressortübergreifend zu führen. Als Vorbild nannte er die USA, wo die Verantwortung für die Förderung der Chipindustrie ins Weiße Haus geholt wurde. Im Gespräch mit Table.Media nach dem Gipfel präzisiert er nun seine Forderungen: “Damit war nicht gemeint, alles zur Chefsache zu machen. Unser Vorschlag ist, dass das Kanzleramt bei ein oder zwei für Deutschland wirklich kritischen Missionen die Führung übernimmt.”

Impulse für die Organisation der Zukunftsmissionen

Laut Kaschke müsse das bedeuten, dass aus dem Kanzleramt die wichtigen Meilensteine überwacht werden und die wesentlichen Richtungsimpulse ausgehen. Von Enttäuschung über die Absage des Kanzlers will Kaschke nicht sprechen. Er habe mit Hubertus Heil ein Kabinettsmitglied als Vertretung geschickt, sagt Kaschke. Letztendlich komme es darauf an, gehört zu werden.

Für den Stifterverband sei ein Ziel des Forschungsgipfels, den Ministerien Impulse zu geben, wie man die Organisation – “wir sagen auch gern die Orchestrierung” – der Zukunftsmissionen anpassen könnte. Es gehe ihm dabei um die Methoden, “also weniger darum, was zu tun ist, sondern wie wir es angehen”. Dazu hatte der Stifterverband zusammen mit dem McKinsey Global Institute bereits im Vorfeld des Gipfels ein Papier mit einer “Beschleunigungsformel für Deutschland” erarbeitet.

Veraltete Strukturen, die vor 20 Jahren entstanden sind

Das Papier will “in die grundlegenden Konzepte eines erfolgreichen Roadmapping-Definitionsprozesses einführen”. Dabei setzt der Stifterverband vor allem auf Begriffe aus der modernen Unternehmensführung: Missionen, Governance, Roadmapping, Orchestrierung. Es sei für die Politik wichtig, “über den Gartenzaun zu schauen und von anderen zu lernen”, sagt Michael Kaschke dazu. Die Regierung agiere bei der Missionsorientierung inzwischen zwar recht modern, es gebe aber auch noch Strukturen die vor 10, 15 oder 20 Jahren entstanden seien.

“Diese passen nicht zu den modernen methodischen Werkzeugen, die erforderlich sind, um Missionen zu orchestrieren und zu führen. Da besteht Veränderungsbedarf, das kann ja auch nicht anders sein”, sagt Kaschke. Man wolle im Nachgang des Gipfels die Vorteile der konsequenten Anwendung von Roadmapping noch einmal gezielt herausarbeiten und erläutern und nehme dafür auch eine längere Tour durch die politischen Institutionen in Kauf, erklärt Kaschke.

Die Botschaften des Gipfels werden in die Ministerien getragen

“Wir wollen dafür sorgen, dass die Botschaften des Gipfels ankommen, das haben uns auch viele Teilnehmer des Gipfels so mitgegeben.” Mit dem Bundesgesundheitsministerium – das dem Gipfel ebenfalls ferngeblieben war – sei man schon in der Abstimmung, um über die beschleunigte Digitalisierung der Gesundheitswirtschaft zu sprechen. Im BMBF habe man regelmäßig Termine und im BMWK werde die Leopoldina, die bei der Energiewende die Federführung habe, ein entsprechendes Treffen organisieren, erläutert Kaschke.

Der Stifterverbandspräsident ist sich sicher, dass eine “gute, strukturierte Roadmap, in der klar definiert wird, welche verschiedenen, sich ergänzenden oder auch alternativen Pfade man gehen möchte, welche Katalysatoren man im Blick haben muss und wie die verschiedenen Spieler orchestriert werden”, Geschwindigkeit bringe und den Umsetzungserfolg sichere. Vor allem bei der Orchestrierung sehe man aber noch Defizite in der Politik.

Gremien für Transformation “schärfen und ordnen”

“Orchestrierung heißt im Übrigen eben nicht nur, Vorgaben zu machen oder Verbote auszusprechen, sondern bedeutet, alle denkbaren Mitspieler zum Gesamtwerk beitragen zu lassen”, sagt Kaschke. Dadurch bewahre man sich auch die Offenheit, ungeplante, unerwartete, aber vielleicht entscheidende Beiträge geliefert zu bekommen und nicht nur bekannte Pfade zu gehen. Dazu brauche es vor allem auch die Wirtschaft und die Wissenschaft.

Auf die Nachfrage, ob genau diese Orchestrierung und die dazu gehörenden Überlegungen nicht in die Allianz für Transformation gehören, die im vergangenen Sommer vom Kanzleramt initiiert wurden, reagiert Kaschke zurückhaltend. Was das Ziel und die Aufgabenstellung der Allianz für Transformation sei, wisse er nicht genau. “Somit kann ich auch nicht sagen, ob der Stifterverband mit seinen Themen dort hingehört. Es wäre vermutlich auch keine schlechte Idee, wenn man mal die Mandate und Rollen all dieser Gremien, die es inzwischen zum Thema Transformation gibt, noch einmal schärft und ordnet.”

  • EFI
  • Stifterverband
  • Transformation

Wasserknappheit: Forscher fordern von Politik mehr Mut zu Innovationen

Kläranlagen – wie diese in Kleve – könnten helfen, Grundwasserspeicher aufzufüllen, die vielerorts immer leerer werden. Wissenschaftler fordern von der Politik mehr Mut zu innovativen Forschungsprojekten.

Wissenschaftler fordern die Bundesregierung auf, die Rahmenbedingungen für die Erforschung von Strategien und Methoden zur Bekämpfung der zunehmenden Trockenheit zu verbessern. Konkret soll untersucht werden, wie Grundwasserspeicher mit gereinigtem Abwasser – in Fachkreisen Klarwasser genannt – aufgefüllt werden könnten.

“Es gibt ausreichend Erfahrungen mit der Infiltration von Klarwasser”, sagt etwa Irina Engelhardt, Professorin für Hydrogeologie an der TU Berlin. Etliche Mittelmeeranrainer, Israel und Australien setzten bereits erfolgreich auf das Verfahren, um herrschender Wasserknappheit zu begegnen. “Wir sollten diesen Weg ebenfalls nutzen, wenn es die Qualität des Abwassers und die Eigenschaften des Untergrundes ermöglichen.”

Grundwasserpegel fallen, Wasserkrise verschärft sich

In vier der vergangenen fünf Jahre gab es laut Umweltbundesamt und DWD in Deutschland weniger Niederschläge als üblich. Vielerorts fallen die Grundwasserpegel, die natürlichen Speicher werden von Regen und Schmelzwasser nicht mehr ausreichend aufgefüllt, die Wasserkrise verschärft sich. Die Infiltration von Klarwasser könnte helfen: Anstatt das Abwasser über Flüsse zügig aus der Landschaft abfließen zu lassen, wird es bei dem Verfahren gezielt in den Untergrund geleitet, um die Grundwassermenge vor Ort zu erhöhen.

Das deutsche Wasserrecht gilt als eines der strengsten weltweit. Klarwasser ins Grundwasser zu bringen, ist bislang ausgeschlossen. Die rigiden Gesetze stammen aus einer Zeit, in der es an Wasser noch nicht mangelte. Fachleute fordern bei veränderten Bedingungen endlich ein Umdenken. Die Bundesregierung zeigt sich neuerdings offen für die Methode. Der Gedanke findet sich auch in der Nationalen Wasserstrategie wieder, die vom Bundeskabinett am 15. März beschlossen wurde.

Dort heißt es: “Eine Verwendung von aufbereitetem (kommunalem) Abwasser etwa für landwirtschaftliche Bewässerungszwecke, zur Grundwasseranreicherung oder als Brauchwasser für die private und gewerbliche Nutzung kann unter Umständen zu einer Schonung knapper Grund- und Oberflächenwasserressourcen und zur Vermeidung möglicher Nutzungskonflikte beitragen.”

Studien bislang nicht geplant, Detailfragen ungeklärt

Konkrete Projekte oder Forschungsvorhaben sind allerdings noch nicht angestoßen worden. Auf eine entsprechende Nachfrage von Table.Media antwortet eine Sprecherin des zuständigen Bundesumweltministeriums, es stehe eine “Potenzialanalyse für weitere Verwendungszwecke von aufbereitetem Abwasser abseits der landwirtschaftlichen Bewässerung” an. Diese Studie sei allerdings noch nicht näher geplant und auch anschließend müssten weitere Detailfragen hinsichtlich möglicher Schadstoffeinträge geklärt werden.

Die Zurückhaltung ist bemerkenswert, denn an Ideen für Forschungsprojekte mangelt es in Deutschland nicht. Wissenschaftlerin Irina Engelhardt denkt beispielhaft an ein Gebiet von knapp 1.000 Quadratkilometern östlich von Berlin. Dort beträgt das Defizit im zweiten Hauptgrundwasserleiter bereits 25 Millionen Kubikmeter und durch zahlreiche Wassernutzer (Industrie, Landwirtschaft, Tourismus) zählt das Gebiet zu einer Region mit erhöhtem Wasserstress.

Es fehlt an Genehmigungen und öffentlichen Mitteln

Eine gezielte Anreicherung mit gereinigtem Abwasser, eingeleitet über mehre “Schluckbrunnen”, könnte hier helfen. Zunächst, skizziert die Forscherin, müsste die Angebotsseite analysiert werden: Wo sind Kläranlagen, wie viel können diese liefern und in welcher Qualität, wie viel muss an der Oberfläche bleiben, um den Mindestabfluss in Flüssen zu gewährleisten? Viele weitere Fragen wären in solchen Forschungsprojekten zu klären.

Auch die Wolfsburger Entwässerungsbetriebe (WEB) möchten einen ähnlichen Weg gehen. “Wir haben 300 Hektar Wald, wo wir vor allem im Winter Klarwasser in speziellen Gräben versickern könnten”, sagt Marc Stüben von den WEB. Das Wasser bliebe in der Landschaft, als Reserve für Trockenzeiten. Doch es fehlt nicht nur an einer Genehmigung. “Wir sind durch Gebühren finanziert und dürfen diese nur für die gesetzlich festgeschriebenen Aufgaben einsetzen, eine Versickerung gehört bisher nicht dazu.” Daher versuchen die Entwässerungsbetriebe nun, gemeinsam mit Behörden, Forschung und möglichen Geldgebern ein Pilotprojekt zu starten, um endlich zu beginnen.

Beim Umweltbundesamt ist man skeptisch und zurückhaltend

Die Gefahr, dass bei der neuen Methode Schadstoffe in den Untergrund gelangen, ist für die Berliner Wissenschaftlerin Engelhardt kein Ausschlusskriterium für Forschungsprojekte. Sie verweist darauf, dass während der Passage des Wassers durch die Schichten das einstige Abwasser weiter gereinigt wird. “Schwermetalle und Kupfer binden sich gut an Tonminerale, Arzneimittel wie Antibiotika werden vor allem von Mikroorganismen abgebaut”, erläutert die Wissenschaftlerin. “Es gibt umfangreiche Forschungen, die uns sagen, welche Stoffe gut handhabbar sind und welche schwierig sein könnten – bei denen müssen wir besonders achtgeben.” Selbstverständlich müssten Messstellen eingerichtet werden.

Beim Umweltbundesamt bleibt man indes skeptisch. Bereits heute gebe es eine Anreicherung, indem Flusswasser – was oft geklärtes Abwasser enthält – als sogenanntes Uferfiltat für die Trinkwassergewinnung verwendet wird, sagt Jörg Rechenberg. Er ist Leiter des Fachgebiets “Übergreifende Angelegenheiten Wasser und Boden”. “Aber im Fluss gibt es einen Verdünnungseffekt, nutzt man explizit Abwasser, sind die Konzentrationen von Schadstoffen höher.”

Kein Handlungsdruck, nur “kleine” Forschungsprojekte angedacht

Seien diese erst einmal im Grundwasser, bedeute das erhebliche Probleme, denn eine Sanierung sei sehr aufwendig. Die im Ausland praktizierten Verfahren hält Rechenberg für nicht unmittelbar übertragbar. “Beispielsweise ist das begleitende Monitoring nicht so streng, wie wir es für notwendig halten.”

Zudem fehle bei einer alternativen Verwendung Klarwasser möglicherweise in den Oberflächengewässern, sagt der UBA-Experte. Vor allem im Sommer seien diese auf die Zugabe aus Klärwerken angewiesen, um einen Mindestabfluss – und damit die ökologischen Funktionen – zu erhalten. Rechenberg weist darauf hin, dass es noch weitere Optionen gebe, um die Wasserkrise zu bewältigen, etwa den Bedarf zu verringern oder Niederschlagswasser in der Region zu halten.

Die Grundwasseranreicherung mit Klarwasser hingegen sollte auf kleine, abgegrenzte Forschungsprojekte beschränkt bleiben. Darüber hinaus “sehen wir derzeit keinen Handlungsdruck“. Das könnte sich ändern, wenn Grenzwerte für die Reinigung kommunaler Abwässer verschärft werden, ergänzt Rechenberg. “Wenn mit der sogenannten vierten Reinigungsstufe auch Spurenstoffe im größeren Maßstab entfernt werden, wären wir eher bereit, eine solche Nutzung zu befürworten.” Ralf Nestler

  • Deutschland
  • Forschung
  • Klimawandel

Termine

19. April 2023, 9.30 Uhr, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal 4.300, Berlin oder Liveübertragung
Öffentliche Ausschussberatung 43. Sitzung des Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Mehr

19. April 2023, 13 Uhr, Liveübertragung
Bundestagssitzung Regierungsbefragung mit u.a. Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) Mehr

21. April 2023, 19:00 Uhr, BBAW, Einstein-Saal, Berlin
Podiumsdiskussion Den Fachleuten vertrauen? Über die Rolle von Expert:innen in der Demokratie Mehr

3. Mai 2023, 10:00-18:30 Uhr, Alte Münze, Berlin
Festival InnoNation Festival des Bundesverbands der Deutschen Industrie Mehr

3. Mai 2023, 18:00 Uhr, BBAW, Leibniz-Saal, Berlin
Podiumsgespräch, Reihe Geisteswissenschaften im Dialog Freiheit – wovon? wozu? Mehr

5. Mai 2023, 9:30-11:45 Uhr, Südwerk Bürgerzentrum Südstadt, Karlsruhe
Konferenz WissKon – NaWik-Konferenz für kommunizierende Forschende: Rücken- und Gegenwind für die Wissenschaftskommunikation Mehr

13. Mai 2023, 18.00-23:59 Uhr, BBAW, Einstein-Saal, Berlin
Salon Sophie Charlotte 2023 der BBAW Aufklärung 2.0 Mehr

News

Pioneer: Britischer Plan B zu Horizon Europe

Wichtigstes Anliegen beim Brüssel-Besuch der neuen britischen Wissenschafts- und Technologieministerin Michelle Donelan war die Assoziierung des Vereinigten Königreichs zu Horizon Europe. Allerdings möchte man in London auch für ein Scheitern der Verhandlungen gerüstet sein. Laut einer Mitteilung des britischen Ministeriums präferiert man die Anbindung an die EU auf der Grundlage “eines guten Deals für die britischen Forscher, Unternehmen und Steuerzahler”. Jedoch: “Wenn wir die Assoziierung nicht zu fairen und angemessenen Bedingungen erreichen können, werden wir Pioneer implementieren – unsere mutige, ehrgeizige Alternative.”  

Pioneer soll 4 Pfeiler bekommen

Mit Pioneer – Global Science for Global Good möchte das Vereinigte Königreich seinen Anspruch untermauern, eine “science and technology superpower” zu sein. Entlang von vier Pfeilern würden- im Falle eines Scheiterns der Gespräche mit der EU – mit dem neuen Programm Förderrichtlinien etabliert:   

  • Talent: Hier möchte man Forschende aller Karrierestufen unterstützen und dabei nachhaltiger fördern als vergleichbare EU-Programme. 
  • Innovation: In diesem Bereich sollen unter anderem SRTI (Science, Research, Technology and Innovation) “Moonshot Programme” entwickelt und gefördert werden. 
  • Globale Zusammenarbeit: Der International Science Partnerships Fund (ISPF) soll erweitert, die Unterstützung der Third Country Participation in Horizon Europe ausgebaut werden. 
  • Investitionen in das F&E-System: Über Pioneer sollen große Forschungsinfrastrukturen gefördert werden, die sonst mit EU-Mitteln unterstützt würden. 

Das langfristig angelegte Pioneer-Programm würde nach einer Stakeholderbeteiligung bei Bedarf so schnell wie möglich eingerichtet. Zur Überbrückung besteht derzeit noch der Horizon Europe Guarantee Fund. Das von UK Research and Innovation bereitgestellte Bürgschaftssystem unterstützt Forscher und Innovatoren, die bei Horizon Europe erfolgreich waren, aber aufgrund der Verzögerungen bei der Assoziierung keine EU-Mittel erhalten können. 

Die Präferenz der Scientific Community: Horizon Europe

Die Scientific Community in Großbritannien ist sich trotz allem weitgehend einig, dass eine Assoziierung mit Horizon Europe die erste Wahl bleiben sollte. Julia Black, Präsidentin der British Academy, sagte“Für die British Academy und die gesamte Forschungsgemeinschaft hat die Assoziierung des Vereinigten Königreichs an Horizon Europe nach wie vor oberste Priorität.” Sir Adrian Smith, Präsident der Royal Society, unterstreicht ebenfalls seine Präferenz für eine Assoziierung, fügt jedoch hinzu: “Angesichts der Hürden, die einer Assoziierung im Wege stehen, war es seitens der Regierung klug und notwendig, einen Notfallplan für den Fall des Scheiterns der Gespräche in Betracht zu ziehen.” mw

  • EU
  • Forschungspolitik
  • Großbritannien

DFG fordert bessern Zugang zu öffentlichen Daten

Die Konsultation des Bundesforschungsministeriums zum geplanten Forschungsdatengesetz ist am Dienstag ausgelaufen. Das BMBF wollte Organisationen und Verbänden damit die Möglichkeit geben, ihre Bedarfe zu artikulieren, um sie im Gesetzgebungsprozess zu berücksichtigen. Unter anderem die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat diese Gelegenheit genutzt. In ihrer Stellungnahme diagnostiziert die DFG, dass es der Wissenschaft bisher an einem systematischen Zugang zu forschungsrelevanten Daten aus anderen Sektoren fehle.

Das Forschungsdatengesetz müsse konsequent als “Datenzugangsgesetz für die Forschung” konzipiert werden, fordert die Forschungsgemeinschaft. Insbesondere der Zugang zu Daten aus Ämtern und Behörden müsse zwingend verbessert werden. Die DFG fordert eine Konzentration auf Daten aus dem “öffentlichen Sektor”.

Union setzt Regierung mit Kleiner Anfrage unter Druck

Auch wenn für die Wissenschaft eine Verbesserung des Datenaustauschs mit der Wirtschaft ebenso relevant sei, würden sich beide Sektoren deutlich voneinander unterscheiden und es bedürfe daher spezifischer Regelungen. Mit Blick auf die Daten aus Wirtschaftsunternehmen gibt sich auch der Branchenverband Bitkom in seiner Stellungnahme zum Forschungsdatengesetz skeptisch. Ein Forschungsdatengesetz dürfe nicht “durch die Hintertür” einen Datenzugangsanspruch zwischen Unternehmen schaffen. Vor diesem Hintergrund sieht der Bitkom die Debatte um das verpflichtende Teilen von Daten für die Forschung gespalten und wünscht sich eine konstruktive Debatte.

Während das BMBF die Stellungnahmen der Konsultation zunächst auswerten und veröffentlichen will, drängt die Opposition auf schnelles Handeln. Die Unionsparteien fordern die Regierung in einer Kleinen Anfrage zum Forschungs- und Gesundheitsdatengesetz auf, einen klaren Plan für das Erscheinen der entsprechenden Gesetzesentwürfe und deren Verzahnung zu benennen. Zudem werden Fragen aufgeworfen, die die Regierung in den kommenden Wochen beschäftigen dürften. Unter anderem: wie stellt man die Vertraulichkeit von Daten sicher? Wie vermeidet man Doppelstrukturen an den Knotenpunkten? Oder: wie integriert sich Deutschland in den europäischen Datenraum? tg

  • BMBF
  • Daten
  • Forschung

Presseschau

Semafor – Science is broken. Viele wissenschaftliche Studien, insbesondere in der Medizin und den Sozialwissenschaften, sind fehlerhaft, können nicht reproduziert werden oder wurden gar bewusst gefälscht. Diese “Replikationskrise” hat die Grundlagen vieler Disziplinen, einschließlich der Psychologie und Biomedizin, erschüttert. Mehr Studien werden nun vorab registriert und Paper eher anhand ihrer methodischen Qualität und nicht aufgrund von aufsehenerregenden Ergebnissen publiziert. Doch noch sind viele Wissenschaftler resistent gegenüber den Veränderungen. Mehr.  

Spektrum – Kernfusion: Neue Technik könnte Fusionsreaktoren effizienter machen. Forschende des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik haben ein Verfahren entwickelt, um den Abstand des heißen Plasmas zur Gefäßwand in Fusionsreaktoren deutlich zu verringern. Dadurch könnten kleinere und günstigere Reaktoren zur Energieerzeugung gebaut werden. Mehr

The Economist – How the Human Genome Project revolutionised biology. Das Human Genome Project revolutionierte die Biologie, indem es die DNA-Sequenzierungstechnologie vorantrieb und die Molekulargenetik veränderte. Befürchtungen, dass genetische Informationen missbraucht werden könnten oder Menschen genetisch verbessert werden, sind so nicht eingetreten. Mehr

Standpunkt

Politikberatung dringend für die nächste Krise aufstellen

Der Kommunikationswissenschaftler Otfried Jarren von der Universität Zürich plädiert für eine Reflexion über Politikberatung und Wissenschaftskommunikation.

In der aktuellen Debatte um politische Maßnahmen in der Corona-Pandemie äußern sich nicht nur rechthaberische Populisten, die ohnehin von vornherein alles besser wussten. Auch vormalige und derzeitige Angehörige der Exekutive melden sich zu Wort. Letztere weisen auf Fehlentscheidungen hin oder kritisieren vereinzelt massive oder überzogene Eingriffe in die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger – Experten-, Journalismus- und Politikschelte wird laut. 

Policy-Science-Interfaces für die Zukunft schaffen 

Vereinzelt wird Aufarbeitung gefordert. Aber statt rasch einen gemischten Ausschuss zu etablieren, zusammengesetzt aus Vertretern von Wissenschaft, politikberatenden Institutionen und leitenden Beamten aus Bund und Ländern, wird an eine parlamentarische Enquete-Kommission gedacht. Wo blieben dann etwa die Länder oder die Medien?  

Eine Aufarbeitung des Vorgehens aller beteiligten Institutionen und Rollenträger im föderalen Staat würde Sinn machen. Mit einem Blick nach vorn: auf zukünftige Formen, mit denen sich Krisen bewältigen lassen. Zudem könnte die Leopoldina mit der Ausarbeitung von grundlegenden institutionellen und organisationalen Modellen für das Zusammenwirken von Wissenschaft und Politik, sogenannten Policy-Science-Interfaces, beauftragt werden.  

Gezielte Fragen könnten zu besseren Lösungen führen 

Doch zunächst ein Blick zurück: Ausgeh- und Parkbanksitzverbote gehörten ebenso zu den Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie wie Schulschließungen. Aus den unterschiedlichen Zuständigkeiten im föderalen Staat resultierte eine hohe Diversität bei den Maßnahmen. Es darf davon ausgegangen werden, dass diese Vielfalt auf landeseigenen Expertenempfehlungen basieren. Doch welche bundesweiten Fachorganisationen waren beteiligt, wie die Abstimmungsprozesse organisiert? 

Solche gezielten Fragen an die Vergangenheit könnten zu besseren Lösungen in der Zukunft führen: Wo soll welche Kompetenz strukturell angesiedelt sein, auf Stufe von Ressorts, was wird auf der Bundes-, was auf der Landesebene geregelt? Wie und durch wen sollen Beurteilungen und Befunde konsolidiert und wie können Empfehlungen für politische Entscheidungen vertieft beraten werden? Wo erfolgt das Monitoring von Maßnahmen, wo die Evaluation von Effekten? 

Undeutlich blieb auch, was ein politisch weisungsabhängiges Bundesinstitut wie das RKI darf. Kann eine Ressortforschungseinrichtung wissenschaftliche Erkenntnisse im eigenen Namen vorlegen? Sollte einem Amt im Krisenfall eine koordinierende, Befunde konsolidierende Funktion zukommen oder wäre hier an die interdisziplinär verfasste nationale Akademie zu denken? 

Kommunikation war nicht professionell organisiert 

Das politische Beratungs- und Entscheidungsgremium des Bundes und der Länder setzte sich aus Vertretern der Exekutive zusammen, eine parlamentarische (Mit-)Beratung gab es nicht. Dieses Gremium verfügte über keinen eigenen Stab, in dem Wissen erarbeitet, evaluiert und kontinuierlich bereitgestellt wurde. Mangels Stabs fehlte es an Sprechern, auch um das exekutive Spitzenpersonal (kommunikativ) zu entlasten.  

Zum Ende der Pandemie versah die damalige Bundeskanzlerin die Beratungsqualität mit keiner Note, sie sprach von “Öffnungsdiskussionsorgien”. Parteipolitisches Kalkül statt Evidenz? Mit dem Wechsel im Kanzleramt wurde sichtbar ein dann allerdings nicht öffentlich in Erscheinung tretender Krisenstab aufgebaut, mit General Carsten Breuer an der Spitze. Wurde dort mit der Entwicklung zukünftiger Führungsmodelle oder Krisenstäbe begonnen?  

Reflexion über Expertenauswahl benötigt 

Die Experten zu Beginn der Pandemie waren rar, die wenigen Akteure stark nachgefragt. Denn vor allem das Fernsehen wollte eine Sondersendung nach der anderen fahren. Dazu benötigt es Gesichter. Aufgrund des bekannten Wechsels zwischen den Sendern auf den Sondersendungen, deren Redaktionen unterschiedliche politische Farben haben, kamen unterschiedliche Experten zu Wort. Insgesamt blieb die Gruppe, die in Formaten wie Talkshows auftrat, relativ klein. 

Sie war zunächst auf forschende Mediziner beschränkt, dann kamen Kliniker hinzu, und sodann Sozial- und Geisteswissenschaftler. Denn man merkte: Es geht nicht nur um gesund oder krank, um verhindern und vermeiden, sondern sowohl um die Folgen der Erkrankung als auch um die Folgen, die aus den politischen und medizinischen Maßnahmen resultierten – jetzt, absehbar und in Zukunft. Covid ist noch vereinzelt Medienthema, die Aufarbeitung der Krisenbewältigung steht noch an.  

Politischer Journalismus hat eigene Regeln 

Wissenschaftler sprachen in den Medien zur Gesellschaft, aber sie sprachen für sich, argumentierten aus ihrer Fachperspektive. Zumindest versuchten sie dies, denn sie stießen zumeist nicht auf Wissenschafts-, sondern auf politische Journalisten, die mehrheitlich ohne fachwissenschaftliche Kompetenzen sind, und die haben einen politischen Blick auf die Dinge. Und es lag und liegt an den Experten, ob und wie sie sich darauf einlassen. Der Umgang mit Begrenztheit, Vorläufigkeit, Unsicherheit – das ist für die wissenschaftliche Arbeit von Bedeutung. Und das jeweils medial zu kommunizieren war und ist angezeigt. 

Das Nachdenken über Beratungsformen und Kommunikationsregeln in Krisenphasen ist jetzt die Aufgabe von Wissenschaft, Medien und Politik. 

  • Leopoldina
  • Wissenschaftskommunikation

Personalien

Antje Boetius ist in den Stiftungsrat der Einstein Stiftung berufen worden. Boetius ist Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) sowie Professorin an der Universität Bremen und Mitglied zahlreicher internationaler Institutionen. Als Meeresforscherin befasst sie sich vor allem mit den Folgen des Klimawandels für die Ozeane und Polarregionen.

Rachael McDermott ist neue Direktorin am MPI für Plasmaphysik. Dort wird die Physikerin eine experimentelle Abteilung leiten, die maßgeblich am Betrieb eines Fusionsexperiments nach dem Tokamak-Konzept arbeitet. McDermott leitete bisher die Gruppe “Aktive Spektroskopie” am IPP. Sie war zudem in führenden Positionen in der International Tokamak Physics Activity (ITPA) und der European Transport Taskforce (TTF) tätig.

Alexander Martin ist neuer Gründungsvizepräsident an der Technischen Universität Nürnberg für Forschung, Innovation und Entrepreneurship. Zuletzt leitete er den Lehrstuhl für Analytics & Mixed-Integer Optimization an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Bereits im Januar trat Isa Jahnke ihre Position als Gründungsvizepräsidentin für Studium, Lehre und Internationales an. Sie ergänzen das Team um Gründungspräsident Hans Jürgen Prömel.

Eduard Mühle nimmt seine Arbeit als neuer Präsident der Europa-Universität Viadrina auf. Er wechselt von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, wo er 2005 auf den Lehrstuhl für Geschichte Ostmittel- und Osteuropas berufen worden war, an die Europa-Universität Viadrina. Am Donnerstag, 27. April, um 13 Uhr, hält Mühle seine öffentliche Antrittsrede im Rahmen des Festaktes zur Einführung in das Amt.

Wolfram Windisch wird neuer Präsident der Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin. Die kommenden zwei Jahre wird der Chefarzt der Lungenklinik an den Kliniken der Stadt Köln und Inhaber des Lehrstuhls für Pneumologie an der Universität Witten/Herdecke die Fachgesellschaft führen.

Mehr von Table.Media

Bildung.Table: Bundesländer machen Geschäfte mit Altklausuren. Statt sie kostenlos ins Netz zu stellen, überlassen viele Bildungsministerien ihre Prüfungsaufgaben dem Stark-Verlag, von dem Eltern dann teure Übungshefte kaufen müssen. Wie die Länder daran mitverdienen und warum es das Bildungssystem ungerechter macht, hat Torben Bennink aufgeschrieben. Mehr

Bildung.Table: Bildungsanbieter schielen nach Afrika. Immer mehr Unternehmen sehen den afrikanischen Kontinent als neuen Markt. Die Klett-Gruppe ist noch zögerlich, doch manche EdTechs erzielen bereits Erfolge – obwohl es viele Stolperfallen gibt. Mehr

Climate.Table: So sollen Weltbank und IWF klimagerecht werden. Weltbank und Internationaler Währungsfonds sollen künftig besser auf die Klimakrise und andere Herausforderungen reagieren können. Doch wie ihre Reform konkret aussehen soll, ist umstritten. Mehr.

Africa.Table: Neue Dimension für Wetterbeobachtung. Eumetsat, der europäische Betreiber von Wettersatelliten, schickt gerade hochinnovative Satelliten in den Himmel. Damit lassen sich Klimawandel, die Ausdehnung der Wüste und selbst Fischschwärme besser beobachten. Mehr.

Berlin.Table: Lithium und Seltene Erden: BMWK schwärmt von Australien. Lithium und Seltene Erden sind selten und werden bislang fast zu 100 Prozent in China verarbeitet. Daraus ist eine gefährliche Abhängigkeit geworden. Jetzt will die Bundesregierung mithilfe von Australien gegensteuern. Staatssekretärin Franziska Brantner erklärt, warum das Land am anderen Ende der Welt so wertvoll ist. Mehr.

Sattelbergers Rigorosum

Zukunftsstrategie: Lahme Debatte zu kaltem Kaffee – statt heißer Strategie

Vor einigen Tagen hofften nicht wenige bei der D2030 auf eine kontroverse Debatte zur “Zukunftsstrategie” der Bundesregierung. Mit mir dabei waren Uwe Cantner, Chef der Expertenkommission Forschung und Innovation und Steffi Ober vom NABU. Natürlich bin ich zum Thema vorbelastet, hatte ich doch den ersten Strategieentwurf im BMBF noch selbst kritisch redigiert. Doch unsere Debatte blieb bei zentralen Punkten dünn wie Wassersuppe. 

Das Strategische an der Strategie fehlt 

Einig, wenn auch mit unterschiedlicher Tonalität, waren wir uns bei der Frage, was denn das eigentlich Strategische an dieser Strategie sei? Sie muss in den zermürbenden interministeriellen Abstimmungsrunden weichgekocht worden sein. Oder gar früher im BMBF? Schon im Ministerium war mir aufgefallen, dass Strategie-Guru Michael Porter (Harvard) nicht unbedingt zur Standardliteratur der Ministerialen gehört.

Komparative Wettbewerbspositionierung, SWOT-Analyse, Priorisierung der Challenges, Vernetzung mit anderen Teilstrategien: alles fehlt komplett. Professionelle Strategiearbeit ist in der Politik nicht gefragt, macht sie doch transparent und nachprüfbar. Egal ob es sich um die Startup-Strategie des Wirtschaftsministeriums, die KI-Strategie des Forschungsministeriums oder eben die Zukunftsstrategie der Bundesregierung handelt. 

Container statt Missionen 

Kernstück der Zukunftsstrategie sind die Missionen. Doch hier muss ich die Strategiepapier-Verfasser zumindest ein wenig in Schutz nehmen. Echte Missionen sind schon in der Hektik der Koalitionsverhandlungen Opfer fehlender Auseinandersetzung der Verhandlungspartner geworden. Jeder durfte seine Containerbegriffe ausspucken und wiederfinden.

Das hätte aber nicht daran hindern dürfen, im Nachhinein strategisch nachzuschärfen. Man muss sich nur John F. Kennedys berühmte Rede vom 25. Mai 1961 in Erinnerung rufen: “I believe that this nation should commit itself to achieving this goal, before this decade is out, of landing a man on the moon and returning him safely to the earth”. Dieser Satz erklärt großartig, was eine Mission ist.  

Bei schwerem Geschütz schwieg der EFI-Chef 

Zu meiner Kritik an der Expertenkommission Forschung und Innovation gab es das große Schweigen. Da hätte ich mir endlich mal eine streitbare Debatte gewünscht: etwa zum Vorwurf, dass die Kommission nicht gründlich genug alle Optionen auf den Tisch gelegt hat – zum Beispiel das Steuerungsmodell der US-Regierung. Stattdessen hat sie eine oberflächliche Benchmark mit Japan und Südkorea produziert und nicht adressiert, dass in Deutschland interessengeleitete Subventionsempfänger und nicht wie in den USA unabhängige Köpfe die Politikberater sind.

Konkret: die US-Regierung hat ein Office of Science and Technology mit Experten im Weißen Haus, deren Positionen bei jeder Wahl, jedem Regierungswechsel zur Verfügung stehen. Also keine deutschen Beamten. Und es gibt ein President Council on Science and Technology mit 30 unabhängigen (!) Wissenschaftlern, also nicht Chefs von Subventionsempfängern wie Fraunhofer und Co., sondern Nobelpreisträgern, MacArthur Genius Fellows und weiteren unabhängigen Köpfen. Und dann ist die Forschung über drei Ministerien (Health, Energy & Defense) mittels intelligenter Agenturmodelle (Arpa-Energy, DARPA, National Institute of Health) verteilt. Zu all diesen Punkten gab es nur Schweigen seitens Uwe Cantner.  

EFI-Kommission muss endlich Mut und Wumms aufbringen

Hat die EFI-Kommission jetzt schon der Mut verlassen?Scheut sie den Konflikt, auch mit ihrem früheren Chef Harhoff, der andere Positionen vertritt? oder hat sie handwerkliche Probleme?

Innovating Innovation: Eine gute EFI-Kommission muss alle, auch die unbequemen Optionen auf den Tisch legen, sie bewerten und dabei nicht die Faktoren Kompetenz und Führung verschweigen. Eine weich gekochte Kommission ist genauso unnötig wie eine Kalte-Kaffee-Strategie.

  • BMBF
  • EFI
  • Zukunftsstrategie

Research.Table Redaktion

RESEARCH.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    Michael Kaschke, Präsident des Stifterverbandes, plant eine längere Tour durch die politischen Institutionen, um drängende gesellschaftliche Transformationsvorhaben endlich voranzubringen. Die Regierung agiere bei der Missionsorientierung inzwischen zwar recht modern, sagt er im Gespräch mit Anne Brüning, es gebe aber auch noch Strukturen die vor zehn, 15 oder 20 Jahren entstanden seien.

    Die britische Wissenschaftsministerin Michelle Donelan hat EU-Kommissarin Mariya Gabriel getroffen. Dabei ging es natürlich um die Assoziierung des Vereinigten Königreichs zu Horizon Europe. Doch in London bleibt man vorsichtig: Sollten die Verhandlungen scheitern, wartet Plan B schon in der Schublade. Pioneer – Global Science for Global Good. Markus Weißkopf berichtet.

    In unserem Standpunkt beschäftigt sich Otfried Jarren mit der Kritik an Wissenschaft und Medien für deren Beratung und Kommunikation in der Corona-Pandemie. Eine proaktive Entwicklung zukünftiger Beratungs- und Kommunikationsformen sei dringend erforderlich, sagt der Kommunikationswissenschaftler.

    Was macht eine Allianz der Wissenschaftsorganisationen, wenn einem Mitglied der Gruppe grobes Fehlverhalten vorgeworfen wird, die Staatsanwaltschaft ermittelt und auch die Forschungsministerin deutliche Schritte fordert? Sie verlegt sich auf ausweichende Antworten, wie unsere Analyse zur Fraunhofer-Affäre zeigt.

    Wir wünschen Ihnen eine gute Lektüre,

    Wenn Ihnen der Research.Table gefällt, leiten Sie uns bitte weiter. Wenn Ihnen diese Mail weitergeleitet wurde:  Hier können Sie sich für den Research.Table kostenlos anmelden. 

    Ihre
    Nicola Kuhrt
    Bild von Nicola  Kuhrt

    Analyse

    Fraunhofer-Affäre: Die Allianz scheut den Konflikt

    “Er sitzt es aus”, sagen schulterzuckend Abgeordnete aus dem Forschungsausschuss. “Im Mai ist das Thema doch sowieso durch”. Ihren Namen nennen möchten sie nicht. Wer sich wundert, dass der Vorstand der Fraunhofer-Gesellschaft unter ihrem Präsidenten Reimund Neugebauer noch im Amt ist, erntet ausweichende bis resignierte Antworten. Trotz der deutlichen Vorwürfe der Steuergeldverschwendung und der Verstöße gegen Compliance-Standards. 

    Auch die Allianz der Wissenschaftsorganisationen möchte sich nicht zu dem Skandal äußern – da müsse man schon die einzelnen zehn Mitglieder individuell anschreiben. Doch auch seitens der Organisationen kommt keine bis äußerst zarte Kritik. Man solle verstehen, dass “interne Angelegenheiten anderer Allianzorganisationen nicht kommentiert werden”, heißt es unisono. Es obliege dem BMBF und dem Senat der Fraunhofer-Gesellschaft, alle Vorgänge aufzuklären und die richtigen Schlüsse aus den Ergebnissen des Berichts zu ziehen. 

    Angesichts der Vorfälle allein in der jüngsten Zeit eine erstaunlich schwache Reaktion: 

    • Am 7. Februar haben Prüfer des Bundesrechnungshofs in einem Bericht deutliche Kritik gegen den Vorstand der Fraunhofer-Gesellschaft erhoben. Auf rund 60 Seiten werden Verstöße gegen rechtliche Vorgaben vor allem für Reisen, Dienstfahrzeuge, Bewirtungen und Veranstaltungen durch den Vorstand der Fraunhofer-Gesellschaft beschrieben. Gebuchte Hotels der Vorstände lagen bis zu 450 Prozent über dem zulässigen Rahmen. 
    • Am 2. März hat Bettina Stark-Watzinger einen “schnellen Führungswechsel” bei der Fraunhofer-Gesellschaft gefordert. Es müsse jetzt darum gehen, dass sich die Verstöße nicht wiederholen und die Fraunhofer-Gesellschaft schnell zu einer modernen Governance und zu tragfähigen Compliance-Standards komme. “Sonst besteht die Gefahr, dass das Vertrauen in und das Ansehen der deutschen Forschung insgesamt beschädigt wird.”
    • Am 2. März gab es im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags einen Maßgabebeschluss. Darin wird die Fraunhofer-Gesellschaft deutlich kritisiert und das  BMBF zugleich zu konkreten Maßnahmen aufgefordert. Bis zum 1. September soll das Haus etwa die Einhaltung des Besserstellungsverbots und des Zuwendungsrechts bei der FhG durchsetzen sowie die internen und externen Kontrollmechanismen der Fraunhofer-Gesellschaft evaluieren und Anpassungen vornehmen.
    • Am 28. März hat die Staatsanwaltschaft München I gegenüber Table Media bestätigt, dass gegen die Fraunhofer-Gesellschaft nun Ermittlungen aufgenommen wurden. Nicht gegen konkrete Beschuldigte, sondern gegen Unbekannt – aber: man gehe “aufgrund der Ermittlungen im Vorprüfungsverfahren davon aus, dass ein hinreichender Verdacht besteht, dass  möglicherweise strafbare Handlungen begangen worden sein könnten”.

    Wie Table.Media aus informierten Kreisen erfuhr, wird hinter den Kulissen der Allianz deutlich heftiger debattiert. Einige Mitglieder der Allianz fordern sehr wohl Reaktionen, doch die größeren Player in der Gruppe blockierten dies. Nicht wenige befürchten, dass der jetzige Vorstand der Fraunhofer-Gesellschaft durch seinen Einfluss auch die Kommission für die Vorstandswahl im Mai und damit die Zusammensetzung des neuen Vorstands beeinflussen wird.  

    Einflussnahme auf Wahlkommission befürchtet

    Somit wäre ein neuer Vorstand ein Gremium in Sinne des alten – und würde die notwendige Aufklärung im System möglicherweise verhindern. Von Reimund Neugebauer sind Ambitionen für einen Vorsitz in der Fraunhofer-Stiftung bekannt. Wirklich weg wäre er also auch nach der Wahl im Mai und der Amtsübergabe Ende September nicht.  

    Das Bundesforschungsministerium, dessen Chefin doch eigentlich deutlich Veränderungen eingefordert hat – bleibt ebenfalls auffallend leise. Man nehme seine Verantwortung als einer der Zuwendungsgeber der Fraunhofer-Gesellschaft sehr ernst und prüfe aktuell mögliche Konsequenzen aus der Prüfung des Bundesrechnungshofs, erklärt uns eine Sprecherin. Für Personalangelegenheiten, welche den Vorstand der Fraunhofer-Gesellschaft betreffen, sei der Senat das zuständige Organ. Für den Senat spreche ausschließlich seine Vorsitzende.

    • Allianz der Wissenschaftsorganisationen
    • BMBF
    • Fraunhofer

    “Defizite bei der Orchestrierung”

    Michael Kaschke ist seit 2022 Präsident des Stifterverbandes. Der Physiker war von 2011 bis 2020 Vorstandsvorsitzender der Zeiss Gruppe, zuvor war er dort in der Forschung und Medizintechnik tätig.

    Der Ruf nach mehr Entschlossenheit und Tempo bei Transformationsaufgaben in den Bereichen Nachhaltigkeit und Digitalisierung wird immer lauter. Zuletzt auf dem Forschungsgipfel von Stifterverband, Leopoldina, EFI und Volkswagenstiftung in Berlin. Die Appelle richteten sich vor allem an die Politik. Wichtige Vertreter fehlten jedoch. Allen voran Olaf Scholz, der absagte, weil er damit befasst war, den Koalitionsfrieden wieder herzustellen.

    Michael Kaschke, Präsident des Stifterverbandes, hatte den Kanzler aufgefordert, wichtige Zukunftsmissionen stärker zentral und ressortübergreifend zu führen. Als Vorbild nannte er die USA, wo die Verantwortung für die Förderung der Chipindustrie ins Weiße Haus geholt wurde. Im Gespräch mit Table.Media nach dem Gipfel präzisiert er nun seine Forderungen: “Damit war nicht gemeint, alles zur Chefsache zu machen. Unser Vorschlag ist, dass das Kanzleramt bei ein oder zwei für Deutschland wirklich kritischen Missionen die Führung übernimmt.”

    Impulse für die Organisation der Zukunftsmissionen

    Laut Kaschke müsse das bedeuten, dass aus dem Kanzleramt die wichtigen Meilensteine überwacht werden und die wesentlichen Richtungsimpulse ausgehen. Von Enttäuschung über die Absage des Kanzlers will Kaschke nicht sprechen. Er habe mit Hubertus Heil ein Kabinettsmitglied als Vertretung geschickt, sagt Kaschke. Letztendlich komme es darauf an, gehört zu werden.

    Für den Stifterverband sei ein Ziel des Forschungsgipfels, den Ministerien Impulse zu geben, wie man die Organisation – “wir sagen auch gern die Orchestrierung” – der Zukunftsmissionen anpassen könnte. Es gehe ihm dabei um die Methoden, “also weniger darum, was zu tun ist, sondern wie wir es angehen”. Dazu hatte der Stifterverband zusammen mit dem McKinsey Global Institute bereits im Vorfeld des Gipfels ein Papier mit einer “Beschleunigungsformel für Deutschland” erarbeitet.

    Veraltete Strukturen, die vor 20 Jahren entstanden sind

    Das Papier will “in die grundlegenden Konzepte eines erfolgreichen Roadmapping-Definitionsprozesses einführen”. Dabei setzt der Stifterverband vor allem auf Begriffe aus der modernen Unternehmensführung: Missionen, Governance, Roadmapping, Orchestrierung. Es sei für die Politik wichtig, “über den Gartenzaun zu schauen und von anderen zu lernen”, sagt Michael Kaschke dazu. Die Regierung agiere bei der Missionsorientierung inzwischen zwar recht modern, es gebe aber auch noch Strukturen die vor 10, 15 oder 20 Jahren entstanden seien.

    “Diese passen nicht zu den modernen methodischen Werkzeugen, die erforderlich sind, um Missionen zu orchestrieren und zu führen. Da besteht Veränderungsbedarf, das kann ja auch nicht anders sein”, sagt Kaschke. Man wolle im Nachgang des Gipfels die Vorteile der konsequenten Anwendung von Roadmapping noch einmal gezielt herausarbeiten und erläutern und nehme dafür auch eine längere Tour durch die politischen Institutionen in Kauf, erklärt Kaschke.

    Die Botschaften des Gipfels werden in die Ministerien getragen

    “Wir wollen dafür sorgen, dass die Botschaften des Gipfels ankommen, das haben uns auch viele Teilnehmer des Gipfels so mitgegeben.” Mit dem Bundesgesundheitsministerium – das dem Gipfel ebenfalls ferngeblieben war – sei man schon in der Abstimmung, um über die beschleunigte Digitalisierung der Gesundheitswirtschaft zu sprechen. Im BMBF habe man regelmäßig Termine und im BMWK werde die Leopoldina, die bei der Energiewende die Federführung habe, ein entsprechendes Treffen organisieren, erläutert Kaschke.

    Der Stifterverbandspräsident ist sich sicher, dass eine “gute, strukturierte Roadmap, in der klar definiert wird, welche verschiedenen, sich ergänzenden oder auch alternativen Pfade man gehen möchte, welche Katalysatoren man im Blick haben muss und wie die verschiedenen Spieler orchestriert werden”, Geschwindigkeit bringe und den Umsetzungserfolg sichere. Vor allem bei der Orchestrierung sehe man aber noch Defizite in der Politik.

    Gremien für Transformation “schärfen und ordnen”

    “Orchestrierung heißt im Übrigen eben nicht nur, Vorgaben zu machen oder Verbote auszusprechen, sondern bedeutet, alle denkbaren Mitspieler zum Gesamtwerk beitragen zu lassen”, sagt Kaschke. Dadurch bewahre man sich auch die Offenheit, ungeplante, unerwartete, aber vielleicht entscheidende Beiträge geliefert zu bekommen und nicht nur bekannte Pfade zu gehen. Dazu brauche es vor allem auch die Wirtschaft und die Wissenschaft.

    Auf die Nachfrage, ob genau diese Orchestrierung und die dazu gehörenden Überlegungen nicht in die Allianz für Transformation gehören, die im vergangenen Sommer vom Kanzleramt initiiert wurden, reagiert Kaschke zurückhaltend. Was das Ziel und die Aufgabenstellung der Allianz für Transformation sei, wisse er nicht genau. “Somit kann ich auch nicht sagen, ob der Stifterverband mit seinen Themen dort hingehört. Es wäre vermutlich auch keine schlechte Idee, wenn man mal die Mandate und Rollen all dieser Gremien, die es inzwischen zum Thema Transformation gibt, noch einmal schärft und ordnet.”

    • EFI
    • Stifterverband
    • Transformation

    Wasserknappheit: Forscher fordern von Politik mehr Mut zu Innovationen

    Kläranlagen – wie diese in Kleve – könnten helfen, Grundwasserspeicher aufzufüllen, die vielerorts immer leerer werden. Wissenschaftler fordern von der Politik mehr Mut zu innovativen Forschungsprojekten.

    Wissenschaftler fordern die Bundesregierung auf, die Rahmenbedingungen für die Erforschung von Strategien und Methoden zur Bekämpfung der zunehmenden Trockenheit zu verbessern. Konkret soll untersucht werden, wie Grundwasserspeicher mit gereinigtem Abwasser – in Fachkreisen Klarwasser genannt – aufgefüllt werden könnten.

    “Es gibt ausreichend Erfahrungen mit der Infiltration von Klarwasser”, sagt etwa Irina Engelhardt, Professorin für Hydrogeologie an der TU Berlin. Etliche Mittelmeeranrainer, Israel und Australien setzten bereits erfolgreich auf das Verfahren, um herrschender Wasserknappheit zu begegnen. “Wir sollten diesen Weg ebenfalls nutzen, wenn es die Qualität des Abwassers und die Eigenschaften des Untergrundes ermöglichen.”

    Grundwasserpegel fallen, Wasserkrise verschärft sich

    In vier der vergangenen fünf Jahre gab es laut Umweltbundesamt und DWD in Deutschland weniger Niederschläge als üblich. Vielerorts fallen die Grundwasserpegel, die natürlichen Speicher werden von Regen und Schmelzwasser nicht mehr ausreichend aufgefüllt, die Wasserkrise verschärft sich. Die Infiltration von Klarwasser könnte helfen: Anstatt das Abwasser über Flüsse zügig aus der Landschaft abfließen zu lassen, wird es bei dem Verfahren gezielt in den Untergrund geleitet, um die Grundwassermenge vor Ort zu erhöhen.

    Das deutsche Wasserrecht gilt als eines der strengsten weltweit. Klarwasser ins Grundwasser zu bringen, ist bislang ausgeschlossen. Die rigiden Gesetze stammen aus einer Zeit, in der es an Wasser noch nicht mangelte. Fachleute fordern bei veränderten Bedingungen endlich ein Umdenken. Die Bundesregierung zeigt sich neuerdings offen für die Methode. Der Gedanke findet sich auch in der Nationalen Wasserstrategie wieder, die vom Bundeskabinett am 15. März beschlossen wurde.

    Dort heißt es: “Eine Verwendung von aufbereitetem (kommunalem) Abwasser etwa für landwirtschaftliche Bewässerungszwecke, zur Grundwasseranreicherung oder als Brauchwasser für die private und gewerbliche Nutzung kann unter Umständen zu einer Schonung knapper Grund- und Oberflächenwasserressourcen und zur Vermeidung möglicher Nutzungskonflikte beitragen.”

    Studien bislang nicht geplant, Detailfragen ungeklärt

    Konkrete Projekte oder Forschungsvorhaben sind allerdings noch nicht angestoßen worden. Auf eine entsprechende Nachfrage von Table.Media antwortet eine Sprecherin des zuständigen Bundesumweltministeriums, es stehe eine “Potenzialanalyse für weitere Verwendungszwecke von aufbereitetem Abwasser abseits der landwirtschaftlichen Bewässerung” an. Diese Studie sei allerdings noch nicht näher geplant und auch anschließend müssten weitere Detailfragen hinsichtlich möglicher Schadstoffeinträge geklärt werden.

    Die Zurückhaltung ist bemerkenswert, denn an Ideen für Forschungsprojekte mangelt es in Deutschland nicht. Wissenschaftlerin Irina Engelhardt denkt beispielhaft an ein Gebiet von knapp 1.000 Quadratkilometern östlich von Berlin. Dort beträgt das Defizit im zweiten Hauptgrundwasserleiter bereits 25 Millionen Kubikmeter und durch zahlreiche Wassernutzer (Industrie, Landwirtschaft, Tourismus) zählt das Gebiet zu einer Region mit erhöhtem Wasserstress.

    Es fehlt an Genehmigungen und öffentlichen Mitteln

    Eine gezielte Anreicherung mit gereinigtem Abwasser, eingeleitet über mehre “Schluckbrunnen”, könnte hier helfen. Zunächst, skizziert die Forscherin, müsste die Angebotsseite analysiert werden: Wo sind Kläranlagen, wie viel können diese liefern und in welcher Qualität, wie viel muss an der Oberfläche bleiben, um den Mindestabfluss in Flüssen zu gewährleisten? Viele weitere Fragen wären in solchen Forschungsprojekten zu klären.

    Auch die Wolfsburger Entwässerungsbetriebe (WEB) möchten einen ähnlichen Weg gehen. “Wir haben 300 Hektar Wald, wo wir vor allem im Winter Klarwasser in speziellen Gräben versickern könnten”, sagt Marc Stüben von den WEB. Das Wasser bliebe in der Landschaft, als Reserve für Trockenzeiten. Doch es fehlt nicht nur an einer Genehmigung. “Wir sind durch Gebühren finanziert und dürfen diese nur für die gesetzlich festgeschriebenen Aufgaben einsetzen, eine Versickerung gehört bisher nicht dazu.” Daher versuchen die Entwässerungsbetriebe nun, gemeinsam mit Behörden, Forschung und möglichen Geldgebern ein Pilotprojekt zu starten, um endlich zu beginnen.

    Beim Umweltbundesamt ist man skeptisch und zurückhaltend

    Die Gefahr, dass bei der neuen Methode Schadstoffe in den Untergrund gelangen, ist für die Berliner Wissenschaftlerin Engelhardt kein Ausschlusskriterium für Forschungsprojekte. Sie verweist darauf, dass während der Passage des Wassers durch die Schichten das einstige Abwasser weiter gereinigt wird. “Schwermetalle und Kupfer binden sich gut an Tonminerale, Arzneimittel wie Antibiotika werden vor allem von Mikroorganismen abgebaut”, erläutert die Wissenschaftlerin. “Es gibt umfangreiche Forschungen, die uns sagen, welche Stoffe gut handhabbar sind und welche schwierig sein könnten – bei denen müssen wir besonders achtgeben.” Selbstverständlich müssten Messstellen eingerichtet werden.

    Beim Umweltbundesamt bleibt man indes skeptisch. Bereits heute gebe es eine Anreicherung, indem Flusswasser – was oft geklärtes Abwasser enthält – als sogenanntes Uferfiltat für die Trinkwassergewinnung verwendet wird, sagt Jörg Rechenberg. Er ist Leiter des Fachgebiets “Übergreifende Angelegenheiten Wasser und Boden”. “Aber im Fluss gibt es einen Verdünnungseffekt, nutzt man explizit Abwasser, sind die Konzentrationen von Schadstoffen höher.”

    Kein Handlungsdruck, nur “kleine” Forschungsprojekte angedacht

    Seien diese erst einmal im Grundwasser, bedeute das erhebliche Probleme, denn eine Sanierung sei sehr aufwendig. Die im Ausland praktizierten Verfahren hält Rechenberg für nicht unmittelbar übertragbar. “Beispielsweise ist das begleitende Monitoring nicht so streng, wie wir es für notwendig halten.”

    Zudem fehle bei einer alternativen Verwendung Klarwasser möglicherweise in den Oberflächengewässern, sagt der UBA-Experte. Vor allem im Sommer seien diese auf die Zugabe aus Klärwerken angewiesen, um einen Mindestabfluss – und damit die ökologischen Funktionen – zu erhalten. Rechenberg weist darauf hin, dass es noch weitere Optionen gebe, um die Wasserkrise zu bewältigen, etwa den Bedarf zu verringern oder Niederschlagswasser in der Region zu halten.

    Die Grundwasseranreicherung mit Klarwasser hingegen sollte auf kleine, abgegrenzte Forschungsprojekte beschränkt bleiben. Darüber hinaus “sehen wir derzeit keinen Handlungsdruck“. Das könnte sich ändern, wenn Grenzwerte für die Reinigung kommunaler Abwässer verschärft werden, ergänzt Rechenberg. “Wenn mit der sogenannten vierten Reinigungsstufe auch Spurenstoffe im größeren Maßstab entfernt werden, wären wir eher bereit, eine solche Nutzung zu befürworten.” Ralf Nestler

    • Deutschland
    • Forschung
    • Klimawandel

    Termine

    19. April 2023, 9.30 Uhr, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal 4.300, Berlin oder Liveübertragung
    Öffentliche Ausschussberatung 43. Sitzung des Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Mehr

    19. April 2023, 13 Uhr, Liveübertragung
    Bundestagssitzung Regierungsbefragung mit u.a. Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) Mehr

    21. April 2023, 19:00 Uhr, BBAW, Einstein-Saal, Berlin
    Podiumsdiskussion Den Fachleuten vertrauen? Über die Rolle von Expert:innen in der Demokratie Mehr

    3. Mai 2023, 10:00-18:30 Uhr, Alte Münze, Berlin
    Festival InnoNation Festival des Bundesverbands der Deutschen Industrie Mehr

    3. Mai 2023, 18:00 Uhr, BBAW, Leibniz-Saal, Berlin
    Podiumsgespräch, Reihe Geisteswissenschaften im Dialog Freiheit – wovon? wozu? Mehr

    5. Mai 2023, 9:30-11:45 Uhr, Südwerk Bürgerzentrum Südstadt, Karlsruhe
    Konferenz WissKon – NaWik-Konferenz für kommunizierende Forschende: Rücken- und Gegenwind für die Wissenschaftskommunikation Mehr

    13. Mai 2023, 18.00-23:59 Uhr, BBAW, Einstein-Saal, Berlin
    Salon Sophie Charlotte 2023 der BBAW Aufklärung 2.0 Mehr

    News

    Pioneer: Britischer Plan B zu Horizon Europe

    Wichtigstes Anliegen beim Brüssel-Besuch der neuen britischen Wissenschafts- und Technologieministerin Michelle Donelan war die Assoziierung des Vereinigten Königreichs zu Horizon Europe. Allerdings möchte man in London auch für ein Scheitern der Verhandlungen gerüstet sein. Laut einer Mitteilung des britischen Ministeriums präferiert man die Anbindung an die EU auf der Grundlage “eines guten Deals für die britischen Forscher, Unternehmen und Steuerzahler”. Jedoch: “Wenn wir die Assoziierung nicht zu fairen und angemessenen Bedingungen erreichen können, werden wir Pioneer implementieren – unsere mutige, ehrgeizige Alternative.”  

    Pioneer soll 4 Pfeiler bekommen

    Mit Pioneer – Global Science for Global Good möchte das Vereinigte Königreich seinen Anspruch untermauern, eine “science and technology superpower” zu sein. Entlang von vier Pfeilern würden- im Falle eines Scheiterns der Gespräche mit der EU – mit dem neuen Programm Förderrichtlinien etabliert:   

    • Talent: Hier möchte man Forschende aller Karrierestufen unterstützen und dabei nachhaltiger fördern als vergleichbare EU-Programme. 
    • Innovation: In diesem Bereich sollen unter anderem SRTI (Science, Research, Technology and Innovation) “Moonshot Programme” entwickelt und gefördert werden. 
    • Globale Zusammenarbeit: Der International Science Partnerships Fund (ISPF) soll erweitert, die Unterstützung der Third Country Participation in Horizon Europe ausgebaut werden. 
    • Investitionen in das F&E-System: Über Pioneer sollen große Forschungsinfrastrukturen gefördert werden, die sonst mit EU-Mitteln unterstützt würden. 

    Das langfristig angelegte Pioneer-Programm würde nach einer Stakeholderbeteiligung bei Bedarf so schnell wie möglich eingerichtet. Zur Überbrückung besteht derzeit noch der Horizon Europe Guarantee Fund. Das von UK Research and Innovation bereitgestellte Bürgschaftssystem unterstützt Forscher und Innovatoren, die bei Horizon Europe erfolgreich waren, aber aufgrund der Verzögerungen bei der Assoziierung keine EU-Mittel erhalten können. 

    Die Präferenz der Scientific Community: Horizon Europe

    Die Scientific Community in Großbritannien ist sich trotz allem weitgehend einig, dass eine Assoziierung mit Horizon Europe die erste Wahl bleiben sollte. Julia Black, Präsidentin der British Academy, sagte“Für die British Academy und die gesamte Forschungsgemeinschaft hat die Assoziierung des Vereinigten Königreichs an Horizon Europe nach wie vor oberste Priorität.” Sir Adrian Smith, Präsident der Royal Society, unterstreicht ebenfalls seine Präferenz für eine Assoziierung, fügt jedoch hinzu: “Angesichts der Hürden, die einer Assoziierung im Wege stehen, war es seitens der Regierung klug und notwendig, einen Notfallplan für den Fall des Scheiterns der Gespräche in Betracht zu ziehen.” mw

    • EU
    • Forschungspolitik
    • Großbritannien

    DFG fordert bessern Zugang zu öffentlichen Daten

    Die Konsultation des Bundesforschungsministeriums zum geplanten Forschungsdatengesetz ist am Dienstag ausgelaufen. Das BMBF wollte Organisationen und Verbänden damit die Möglichkeit geben, ihre Bedarfe zu artikulieren, um sie im Gesetzgebungsprozess zu berücksichtigen. Unter anderem die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat diese Gelegenheit genutzt. In ihrer Stellungnahme diagnostiziert die DFG, dass es der Wissenschaft bisher an einem systematischen Zugang zu forschungsrelevanten Daten aus anderen Sektoren fehle.

    Das Forschungsdatengesetz müsse konsequent als “Datenzugangsgesetz für die Forschung” konzipiert werden, fordert die Forschungsgemeinschaft. Insbesondere der Zugang zu Daten aus Ämtern und Behörden müsse zwingend verbessert werden. Die DFG fordert eine Konzentration auf Daten aus dem “öffentlichen Sektor”.

    Union setzt Regierung mit Kleiner Anfrage unter Druck

    Auch wenn für die Wissenschaft eine Verbesserung des Datenaustauschs mit der Wirtschaft ebenso relevant sei, würden sich beide Sektoren deutlich voneinander unterscheiden und es bedürfe daher spezifischer Regelungen. Mit Blick auf die Daten aus Wirtschaftsunternehmen gibt sich auch der Branchenverband Bitkom in seiner Stellungnahme zum Forschungsdatengesetz skeptisch. Ein Forschungsdatengesetz dürfe nicht “durch die Hintertür” einen Datenzugangsanspruch zwischen Unternehmen schaffen. Vor diesem Hintergrund sieht der Bitkom die Debatte um das verpflichtende Teilen von Daten für die Forschung gespalten und wünscht sich eine konstruktive Debatte.

    Während das BMBF die Stellungnahmen der Konsultation zunächst auswerten und veröffentlichen will, drängt die Opposition auf schnelles Handeln. Die Unionsparteien fordern die Regierung in einer Kleinen Anfrage zum Forschungs- und Gesundheitsdatengesetz auf, einen klaren Plan für das Erscheinen der entsprechenden Gesetzesentwürfe und deren Verzahnung zu benennen. Zudem werden Fragen aufgeworfen, die die Regierung in den kommenden Wochen beschäftigen dürften. Unter anderem: wie stellt man die Vertraulichkeit von Daten sicher? Wie vermeidet man Doppelstrukturen an den Knotenpunkten? Oder: wie integriert sich Deutschland in den europäischen Datenraum? tg

    • BMBF
    • Daten
    • Forschung

    Presseschau

    Semafor – Science is broken. Viele wissenschaftliche Studien, insbesondere in der Medizin und den Sozialwissenschaften, sind fehlerhaft, können nicht reproduziert werden oder wurden gar bewusst gefälscht. Diese “Replikationskrise” hat die Grundlagen vieler Disziplinen, einschließlich der Psychologie und Biomedizin, erschüttert. Mehr Studien werden nun vorab registriert und Paper eher anhand ihrer methodischen Qualität und nicht aufgrund von aufsehenerregenden Ergebnissen publiziert. Doch noch sind viele Wissenschaftler resistent gegenüber den Veränderungen. Mehr.  

    Spektrum – Kernfusion: Neue Technik könnte Fusionsreaktoren effizienter machen. Forschende des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik haben ein Verfahren entwickelt, um den Abstand des heißen Plasmas zur Gefäßwand in Fusionsreaktoren deutlich zu verringern. Dadurch könnten kleinere und günstigere Reaktoren zur Energieerzeugung gebaut werden. Mehr

    The Economist – How the Human Genome Project revolutionised biology. Das Human Genome Project revolutionierte die Biologie, indem es die DNA-Sequenzierungstechnologie vorantrieb und die Molekulargenetik veränderte. Befürchtungen, dass genetische Informationen missbraucht werden könnten oder Menschen genetisch verbessert werden, sind so nicht eingetreten. Mehr

    Standpunkt

    Politikberatung dringend für die nächste Krise aufstellen

    Der Kommunikationswissenschaftler Otfried Jarren von der Universität Zürich plädiert für eine Reflexion über Politikberatung und Wissenschaftskommunikation.

    In der aktuellen Debatte um politische Maßnahmen in der Corona-Pandemie äußern sich nicht nur rechthaberische Populisten, die ohnehin von vornherein alles besser wussten. Auch vormalige und derzeitige Angehörige der Exekutive melden sich zu Wort. Letztere weisen auf Fehlentscheidungen hin oder kritisieren vereinzelt massive oder überzogene Eingriffe in die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger – Experten-, Journalismus- und Politikschelte wird laut. 

    Policy-Science-Interfaces für die Zukunft schaffen 

    Vereinzelt wird Aufarbeitung gefordert. Aber statt rasch einen gemischten Ausschuss zu etablieren, zusammengesetzt aus Vertretern von Wissenschaft, politikberatenden Institutionen und leitenden Beamten aus Bund und Ländern, wird an eine parlamentarische Enquete-Kommission gedacht. Wo blieben dann etwa die Länder oder die Medien?  

    Eine Aufarbeitung des Vorgehens aller beteiligten Institutionen und Rollenträger im föderalen Staat würde Sinn machen. Mit einem Blick nach vorn: auf zukünftige Formen, mit denen sich Krisen bewältigen lassen. Zudem könnte die Leopoldina mit der Ausarbeitung von grundlegenden institutionellen und organisationalen Modellen für das Zusammenwirken von Wissenschaft und Politik, sogenannten Policy-Science-Interfaces, beauftragt werden.  

    Gezielte Fragen könnten zu besseren Lösungen führen 

    Doch zunächst ein Blick zurück: Ausgeh- und Parkbanksitzverbote gehörten ebenso zu den Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie wie Schulschließungen. Aus den unterschiedlichen Zuständigkeiten im föderalen Staat resultierte eine hohe Diversität bei den Maßnahmen. Es darf davon ausgegangen werden, dass diese Vielfalt auf landeseigenen Expertenempfehlungen basieren. Doch welche bundesweiten Fachorganisationen waren beteiligt, wie die Abstimmungsprozesse organisiert? 

    Solche gezielten Fragen an die Vergangenheit könnten zu besseren Lösungen in der Zukunft führen: Wo soll welche Kompetenz strukturell angesiedelt sein, auf Stufe von Ressorts, was wird auf der Bundes-, was auf der Landesebene geregelt? Wie und durch wen sollen Beurteilungen und Befunde konsolidiert und wie können Empfehlungen für politische Entscheidungen vertieft beraten werden? Wo erfolgt das Monitoring von Maßnahmen, wo die Evaluation von Effekten? 

    Undeutlich blieb auch, was ein politisch weisungsabhängiges Bundesinstitut wie das RKI darf. Kann eine Ressortforschungseinrichtung wissenschaftliche Erkenntnisse im eigenen Namen vorlegen? Sollte einem Amt im Krisenfall eine koordinierende, Befunde konsolidierende Funktion zukommen oder wäre hier an die interdisziplinär verfasste nationale Akademie zu denken? 

    Kommunikation war nicht professionell organisiert 

    Das politische Beratungs- und Entscheidungsgremium des Bundes und der Länder setzte sich aus Vertretern der Exekutive zusammen, eine parlamentarische (Mit-)Beratung gab es nicht. Dieses Gremium verfügte über keinen eigenen Stab, in dem Wissen erarbeitet, evaluiert und kontinuierlich bereitgestellt wurde. Mangels Stabs fehlte es an Sprechern, auch um das exekutive Spitzenpersonal (kommunikativ) zu entlasten.  

    Zum Ende der Pandemie versah die damalige Bundeskanzlerin die Beratungsqualität mit keiner Note, sie sprach von “Öffnungsdiskussionsorgien”. Parteipolitisches Kalkül statt Evidenz? Mit dem Wechsel im Kanzleramt wurde sichtbar ein dann allerdings nicht öffentlich in Erscheinung tretender Krisenstab aufgebaut, mit General Carsten Breuer an der Spitze. Wurde dort mit der Entwicklung zukünftiger Führungsmodelle oder Krisenstäbe begonnen?  

    Reflexion über Expertenauswahl benötigt 

    Die Experten zu Beginn der Pandemie waren rar, die wenigen Akteure stark nachgefragt. Denn vor allem das Fernsehen wollte eine Sondersendung nach der anderen fahren. Dazu benötigt es Gesichter. Aufgrund des bekannten Wechsels zwischen den Sendern auf den Sondersendungen, deren Redaktionen unterschiedliche politische Farben haben, kamen unterschiedliche Experten zu Wort. Insgesamt blieb die Gruppe, die in Formaten wie Talkshows auftrat, relativ klein. 

    Sie war zunächst auf forschende Mediziner beschränkt, dann kamen Kliniker hinzu, und sodann Sozial- und Geisteswissenschaftler. Denn man merkte: Es geht nicht nur um gesund oder krank, um verhindern und vermeiden, sondern sowohl um die Folgen der Erkrankung als auch um die Folgen, die aus den politischen und medizinischen Maßnahmen resultierten – jetzt, absehbar und in Zukunft. Covid ist noch vereinzelt Medienthema, die Aufarbeitung der Krisenbewältigung steht noch an.  

    Politischer Journalismus hat eigene Regeln 

    Wissenschaftler sprachen in den Medien zur Gesellschaft, aber sie sprachen für sich, argumentierten aus ihrer Fachperspektive. Zumindest versuchten sie dies, denn sie stießen zumeist nicht auf Wissenschafts-, sondern auf politische Journalisten, die mehrheitlich ohne fachwissenschaftliche Kompetenzen sind, und die haben einen politischen Blick auf die Dinge. Und es lag und liegt an den Experten, ob und wie sie sich darauf einlassen. Der Umgang mit Begrenztheit, Vorläufigkeit, Unsicherheit – das ist für die wissenschaftliche Arbeit von Bedeutung. Und das jeweils medial zu kommunizieren war und ist angezeigt. 

    Das Nachdenken über Beratungsformen und Kommunikationsregeln in Krisenphasen ist jetzt die Aufgabe von Wissenschaft, Medien und Politik. 

    • Leopoldina
    • Wissenschaftskommunikation

    Personalien

    Antje Boetius ist in den Stiftungsrat der Einstein Stiftung berufen worden. Boetius ist Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) sowie Professorin an der Universität Bremen und Mitglied zahlreicher internationaler Institutionen. Als Meeresforscherin befasst sie sich vor allem mit den Folgen des Klimawandels für die Ozeane und Polarregionen.

    Rachael McDermott ist neue Direktorin am MPI für Plasmaphysik. Dort wird die Physikerin eine experimentelle Abteilung leiten, die maßgeblich am Betrieb eines Fusionsexperiments nach dem Tokamak-Konzept arbeitet. McDermott leitete bisher die Gruppe “Aktive Spektroskopie” am IPP. Sie war zudem in führenden Positionen in der International Tokamak Physics Activity (ITPA) und der European Transport Taskforce (TTF) tätig.

    Alexander Martin ist neuer Gründungsvizepräsident an der Technischen Universität Nürnberg für Forschung, Innovation und Entrepreneurship. Zuletzt leitete er den Lehrstuhl für Analytics & Mixed-Integer Optimization an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Bereits im Januar trat Isa Jahnke ihre Position als Gründungsvizepräsidentin für Studium, Lehre und Internationales an. Sie ergänzen das Team um Gründungspräsident Hans Jürgen Prömel.

    Eduard Mühle nimmt seine Arbeit als neuer Präsident der Europa-Universität Viadrina auf. Er wechselt von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, wo er 2005 auf den Lehrstuhl für Geschichte Ostmittel- und Osteuropas berufen worden war, an die Europa-Universität Viadrina. Am Donnerstag, 27. April, um 13 Uhr, hält Mühle seine öffentliche Antrittsrede im Rahmen des Festaktes zur Einführung in das Amt.

    Wolfram Windisch wird neuer Präsident der Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin. Die kommenden zwei Jahre wird der Chefarzt der Lungenklinik an den Kliniken der Stadt Köln und Inhaber des Lehrstuhls für Pneumologie an der Universität Witten/Herdecke die Fachgesellschaft führen.

    Mehr von Table.Media

    Bildung.Table: Bundesländer machen Geschäfte mit Altklausuren. Statt sie kostenlos ins Netz zu stellen, überlassen viele Bildungsministerien ihre Prüfungsaufgaben dem Stark-Verlag, von dem Eltern dann teure Übungshefte kaufen müssen. Wie die Länder daran mitverdienen und warum es das Bildungssystem ungerechter macht, hat Torben Bennink aufgeschrieben. Mehr

    Bildung.Table: Bildungsanbieter schielen nach Afrika. Immer mehr Unternehmen sehen den afrikanischen Kontinent als neuen Markt. Die Klett-Gruppe ist noch zögerlich, doch manche EdTechs erzielen bereits Erfolge – obwohl es viele Stolperfallen gibt. Mehr

    Climate.Table: So sollen Weltbank und IWF klimagerecht werden. Weltbank und Internationaler Währungsfonds sollen künftig besser auf die Klimakrise und andere Herausforderungen reagieren können. Doch wie ihre Reform konkret aussehen soll, ist umstritten. Mehr.

    Africa.Table: Neue Dimension für Wetterbeobachtung. Eumetsat, der europäische Betreiber von Wettersatelliten, schickt gerade hochinnovative Satelliten in den Himmel. Damit lassen sich Klimawandel, die Ausdehnung der Wüste und selbst Fischschwärme besser beobachten. Mehr.

    Berlin.Table: Lithium und Seltene Erden: BMWK schwärmt von Australien. Lithium und Seltene Erden sind selten und werden bislang fast zu 100 Prozent in China verarbeitet. Daraus ist eine gefährliche Abhängigkeit geworden. Jetzt will die Bundesregierung mithilfe von Australien gegensteuern. Staatssekretärin Franziska Brantner erklärt, warum das Land am anderen Ende der Welt so wertvoll ist. Mehr.

    Sattelbergers Rigorosum

    Zukunftsstrategie: Lahme Debatte zu kaltem Kaffee – statt heißer Strategie

    Vor einigen Tagen hofften nicht wenige bei der D2030 auf eine kontroverse Debatte zur “Zukunftsstrategie” der Bundesregierung. Mit mir dabei waren Uwe Cantner, Chef der Expertenkommission Forschung und Innovation und Steffi Ober vom NABU. Natürlich bin ich zum Thema vorbelastet, hatte ich doch den ersten Strategieentwurf im BMBF noch selbst kritisch redigiert. Doch unsere Debatte blieb bei zentralen Punkten dünn wie Wassersuppe. 

    Das Strategische an der Strategie fehlt 

    Einig, wenn auch mit unterschiedlicher Tonalität, waren wir uns bei der Frage, was denn das eigentlich Strategische an dieser Strategie sei? Sie muss in den zermürbenden interministeriellen Abstimmungsrunden weichgekocht worden sein. Oder gar früher im BMBF? Schon im Ministerium war mir aufgefallen, dass Strategie-Guru Michael Porter (Harvard) nicht unbedingt zur Standardliteratur der Ministerialen gehört.

    Komparative Wettbewerbspositionierung, SWOT-Analyse, Priorisierung der Challenges, Vernetzung mit anderen Teilstrategien: alles fehlt komplett. Professionelle Strategiearbeit ist in der Politik nicht gefragt, macht sie doch transparent und nachprüfbar. Egal ob es sich um die Startup-Strategie des Wirtschaftsministeriums, die KI-Strategie des Forschungsministeriums oder eben die Zukunftsstrategie der Bundesregierung handelt. 

    Container statt Missionen 

    Kernstück der Zukunftsstrategie sind die Missionen. Doch hier muss ich die Strategiepapier-Verfasser zumindest ein wenig in Schutz nehmen. Echte Missionen sind schon in der Hektik der Koalitionsverhandlungen Opfer fehlender Auseinandersetzung der Verhandlungspartner geworden. Jeder durfte seine Containerbegriffe ausspucken und wiederfinden.

    Das hätte aber nicht daran hindern dürfen, im Nachhinein strategisch nachzuschärfen. Man muss sich nur John F. Kennedys berühmte Rede vom 25. Mai 1961 in Erinnerung rufen: “I believe that this nation should commit itself to achieving this goal, before this decade is out, of landing a man on the moon and returning him safely to the earth”. Dieser Satz erklärt großartig, was eine Mission ist.  

    Bei schwerem Geschütz schwieg der EFI-Chef 

    Zu meiner Kritik an der Expertenkommission Forschung und Innovation gab es das große Schweigen. Da hätte ich mir endlich mal eine streitbare Debatte gewünscht: etwa zum Vorwurf, dass die Kommission nicht gründlich genug alle Optionen auf den Tisch gelegt hat – zum Beispiel das Steuerungsmodell der US-Regierung. Stattdessen hat sie eine oberflächliche Benchmark mit Japan und Südkorea produziert und nicht adressiert, dass in Deutschland interessengeleitete Subventionsempfänger und nicht wie in den USA unabhängige Köpfe die Politikberater sind.

    Konkret: die US-Regierung hat ein Office of Science and Technology mit Experten im Weißen Haus, deren Positionen bei jeder Wahl, jedem Regierungswechsel zur Verfügung stehen. Also keine deutschen Beamten. Und es gibt ein President Council on Science and Technology mit 30 unabhängigen (!) Wissenschaftlern, also nicht Chefs von Subventionsempfängern wie Fraunhofer und Co., sondern Nobelpreisträgern, MacArthur Genius Fellows und weiteren unabhängigen Köpfen. Und dann ist die Forschung über drei Ministerien (Health, Energy & Defense) mittels intelligenter Agenturmodelle (Arpa-Energy, DARPA, National Institute of Health) verteilt. Zu all diesen Punkten gab es nur Schweigen seitens Uwe Cantner.  

    EFI-Kommission muss endlich Mut und Wumms aufbringen

    Hat die EFI-Kommission jetzt schon der Mut verlassen?Scheut sie den Konflikt, auch mit ihrem früheren Chef Harhoff, der andere Positionen vertritt? oder hat sie handwerkliche Probleme?

    Innovating Innovation: Eine gute EFI-Kommission muss alle, auch die unbequemen Optionen auf den Tisch legen, sie bewerten und dabei nicht die Faktoren Kompetenz und Führung verschweigen. Eine weich gekochte Kommission ist genauso unnötig wie eine Kalte-Kaffee-Strategie.

    • BMBF
    • EFI
    • Zukunftsstrategie

    Research.Table Redaktion

    RESEARCH.TABLE REDAKTION

    Licenses:

      Jetzt kostenlos anmelden und sofort weiterlesen

      Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

      Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

      Anmelden und weiterlesen