kurz nach Redaktionsschluss unserer Sonderausgabe am Dienstag kam sie doch noch, die Antwort des Bundesforschungsministeriums auf unsere Fragen zur Fraunhofer-Affäre. Was sagt das Haus zu den Vorwürfen des Bundesrechnungshofs? Mehr zum Prüfbericht und zur Reaktion des Ministeriums erfahren Sie bei uns.
190 Einzelziele sind benannt in der Zukunftsstrategie Forschung und Innovation, die gestern durch das Kabinett verabschiedet wurde. Endlich! Das Papier, das durch Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) für die Ampel entworfen wurde, kommt spät und verfehlt sein Ziel. Eine Idee, gar eine Vision könne man der Strategie nicht entnehmen, schreibt Markus Weisskopf. Er hat die gesamte Strategie mit ihren sechs Missionen nicht nur kommentiert, sondern die Kerninhalte übersichtlich für Sie zusammengestellt.
Industrienahe Forschungseinrichtungen (IFE) beklagen, dass sie ihre führenden Mitarbeiter nur bedingt marktgerecht bezahlen können. Das liegt ausgerechnet an Politikern, die eigentlich den Transfer stärken wollen, berichtet Tim Gabel. Es dränge sich der Verdacht auf, dass die Bundesregierung beim Thema Besserstellungsverbot wohl Hintergedanken hat.
Und ein Hinweis in eigener Sache: Ab sofort gehört auch Anne Brüning zu unserem Redaktionsteam. Die Wissenschaftsjournalistin hat zuvor viele Jahre für die Berliner Zeitung gearbeitet und die Öffentlichkeitsarbeit der Leopoldina verstärkt. Wir freuen uns sehr!
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Schwerpunkt der Zukunftsstrategie Forschung und Innovation ist einerseits die Struktur des Wissenschaftssystems selbst, andererseits die Ausgestaltung der sechs Zukunftsmissionen, die bereits im Koalitionsvertrag verankert sind. Vorab beschäftigt sich das Papier mit den aktuellen Stärken und Schwächen des deutschen Wissenschafts- und Innovationssystems. Es folgt eine Beschreibung der Governance der Zukunftsstrategie selbst. Den Abschluss bildet die Wissenschaftskommunikation.
Vor allem in den Bereichen Strukturen und Missionen listet das BMBF viele Einzelziele und insbesondere Maßnahmen. Diese stehen allesamt unter einem Finanzierungsvorbehalt.
Die Strategie betrifft alle Ressorts, aber die Federführung liegt beim BMBF. Der erste Entwurf wurde am 24. Oktober 2022 vom BMBF öffentlich gemacht, zeitgleich mit dem Start eines Stakeholder-Prozesses. In dessen Rahmen konnten sich Wissenschaftsorganisationen, Hochschulen und Verbände einbringen. Die Statements haben wir hier für Sie verlinkt.
Das mit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft besetzte Forum #Zukunftsstrategie berät bei Umsetzung und Weiterentwicklung der Zukunftsstrategie. Missionsteams, in die auch andere Ministerien und Stakeholder einbezogen werden sollen, kümmern sich um die Umsetzung der Missionen.
“Deutschland war und ist ein Land des Fortschritts und der Innovation (..).” Aber: “Internationale Vergleiche zeigen, dass Deutschland in einigen Technologiefeldern nicht ohne Weiteres mit sehr innovationsstarken Ländern und Hochleistungsstandorten mithalten kann und im zukunftsweisenden Bereich der Spitzentechnologien und der Digitalisierung zurückliegt.” Der Innovationstransfer ist durch allzu viel Bürokratie begrenzt, Transfer bezieht sich meist auf technische Innovationen, soziale Neuerungen sind zu wenig im Blick.
Dieser erste Hauptteil der Zukunftsstrategie betrachtet die strukturellen Themen, die mit der Zukunftsstrategie angegangen werden sollen. Die folgende Grafik gibt einen Überblick zu den sechs dort benannten Bereichen:
Bereits im Koalitionsvertrag wurden die sechs Missionen vereinbart, die nun in der Zukunftsstrategie mit konkreteren Zielsetzungen und Maßnahmen hinterlegt sind.
Den Abschluss bildet ein kurzes Kapitel zur Wissenschaftskommunikation. Auch hier beschreibt das BMBF im Wesentlichen bereits bestehende Maßnahmen, wie zum Beispiel die #FactoryWisskomm oder die Aktivitäten rund um das Thema Citizen Science.
Seit Oktober 2022 wurden einige Punkte eingefügt, die Stakeholder vorgeschlagen haben. Auch in der Abstimmung mit den anderen Ministerien kam es zu Veränderungen. Einige Beispiele:
Im Kern einer neuen Strategie steht eine Idee – eine Vision, wo es hingehen soll. Daraus leiten sich strategische Ziele ab, die dabei helfen, der Vision ein Stück näherzukommen, sie zu verwirklichen. Dann folgen die Überführung in operative Zielsetzungen und exemplarische, priorisierte Maßnahmen.
In der Zukunftsstrategie Forschung und Innovation des BMBF kann man mit etwas gutem Willen die folgende Vision herausfiltern: Sicherstellung der Zukunftsfähigkeit des Innovationsstandortes Deutschland. Und da steckt eigentlich schon vieles von dem drin, was eben fehlt in diesem Papier. Nach vorne wird nicht gedacht. Man will “sicherstellen”.
Im Weiteren wird deutlich, dass es dem BMBF an politischem Gestaltungswillen mangelt. Strategische Ziele in den Missionen fehlen – vielleicht auch, um nicht beim BMWK oder BMG anzuecken. Aber eine pure Auflistung dessen, was man gerade fördert und auch in Zukunft weiter fördern möchte, ist noch keine Strategie.
190 Einzelziele sind benannt. Wenn sogar die allgemein nicht als zukunftsfähig angesehenen Flugtaxis als Forschungsobjekt mit aufgenommen sind, wurde offensichtlich nicht priorisiert, nicht ausgewählt.
Gerade angesichts der knapper werdenden Ressourcen – und hier ist nicht nur das Geld gemeint – ist eine Fokussierung notwendig. Und genau diese muss ein solches Papier leisten. Bettina Stark-Watzinger spricht im Vorwort von der Strategie als Kompass – dies hier ist aber einer, der in alle Richtungen gleichzeitig zeigt.
Es fehlt nicht nur die nötige Gewichtung der wichtigsten Forschungsthemen, auch strukturell greift das Papier zu kurz: Wofür steht eigentlich das BMBF? Was ist der USP des Hauses, wie grenzt es sich von anderen Ministerien ab? Was ist Sache einer europäischen Forschungsförderung und was muss national bearbeitet werden?
Interessant ist der Abschnitt zu agiler Forschungs- und Innovationspolitik. Man möchte “Förderung modernisieren und Rahmenbedingungen flexibilisieren”, etwa durch innovative Vergabeinstrumente, Förderung über Wettbewerbe oder die Vereinfachung von Rechtsvorgaben. Insbesondere die Vereinfachung der Verfahren, der Abbau der Förderbürokratie – auf Seiten des BMBF und der Geförderten – sollte ein Fokus für das Ministerium sein.
Hier kann – ganz ohne monetäre Investitionen – viel Energie freigesetzt werden. Nun werden vermehrt über Agenturen (Sprind, Dati) und Wettbewerbe Umwege gebaut, um nicht auf die klassische Schiene über Ausschreibungen der Projektträger zu gehen. Das erinnert an den Aufbau der Präsidialstrukturen in den Hochschulen. Auch dort wollte man damit die oft träge Univerwaltung umgehen. Mit dem Ergebnis, dass mit der Zeit auch die Präsidialstrukturen träge werden.
Keinen Gefallen hat man sich mit der Benennung von quantitativen Zielen getan. Viele dieser Zahlen werden kaum vom BMBF beeinflusst, oder zumindest nicht bis zum genannten Zieldatum 2025. Dass sich der Anteil der Professorinnen erhöht, ist wahrscheinlich, aber es liegt vermutlich nicht an den in der Zukunftsstrategie genannten Maßnahmen.
Viel Arbeit also für das Forum #Zukunftsstrategie mit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, die bei der Umsetzung und Weiterentwicklung der Zukunftsstrategie beraten sollen.
In einem Prüfbericht kritisiert der Bundesrechnungshof deutlich die Führungsspitze der Fraunhofer-Gesellschaft (FhG): Auf über sechzig Seiten verweisen die Prüfer aus Bonn auf deutliche Verstöße gegen rechtliche Vorgaben vor allem für Reisen, Dienstfahrzeuge, Bewirtungen und Veranstaltungen hin (wir berichteten). Gebuchte Hotels der Vorstände lagen etwa bis zu 450 Prozent über dem zulässigen Rahmen.
Deutliche Kritik übt der Rechnungshof dabei auch am Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Dieses habe über Jahre seine Kontrollfunktion vernachlässigt und den Rechnungshof jetzt in der Aufklärung der Affäre behindert. Die Herausgabe bestimmter Akten und der Zugriff auf elektronische Laufwerke für die Prüfung wurde verweigert, heißt es in dem Prüfbericht, der Table.Media vorliegt.
Selbstverständlich habe man den Bundesrechnungshof in seinen Prüftätigkeiten unterstützt, schreibt eine BMBF-Sprecherin nun an Table.Media, man habe alle angeforderten Unterlagen vorgelegt. Offenbar hat dies manchmal ein wenig länger gedauert, denn die Sprecherin ergänzt: “Dies war nicht immer zum gewünschten Zeitpunkt möglich.”
Das BMBF nehme seine Verantwortung als größter Zuwendungsgeber der FhG ernst, deshalb hat das BMBF bereits vor Fertigstellung des BRH-Berichts im Oktober 2021 damit begonnen, die Umsetzung zuwendungsrechtlicher Vorgaben in noch größerem Umfang zu prüfen als bisher und dabei auch den Vorstandsbereich einbezogen”, heißt es weiter. Zudem habe es im Oktober 2022 die Prüfung eines Teilwiderrufs der gewährten Zuwendungen an die FhG für die letzten Jahre eingeleitet.
Dem BMBF sind eine moderne Governance und tragfähige Compliance-Standards in von ihm geförderten Einrichtungen wichtig. Deshalb hat es die FhG bereits 2022 zu Verbesserungen des Compliance Management Systems aufgefordert. Was die jüngsten Erkenntnisse für die weitere Zeit von Fraunhofer-Präsident Reimund Neugebauer in seinem Amt bedeuten, kommentiert das Haus von Bettina Stark-Watzinger nicht. “Die Verantwortung für Personalangelegenheiten, welche den Vorstand der FhG betreffen, liegt nicht beim BMBF, sondern beim Senat der FhG.” nik
Eine harsche Praxis und fehlende Perspektiven beim Besserstellungsverbot (BV) für industrienahe Forschungseinrichtungen rufen die Zuse-Gemeinschaft, die DIHK und Ampelpolitiker aus den ostdeutschen Bundesländern auf den Plan. “Es gab in einigen IFE bereits Kündigungen von Spitzenpersonal und die Verunsicherung in der Belegschaft nimmt zu. Bei einem Verlust der Förderfähigkeit sind die Institute bestandsbedroht”, sagt Martin Bastian, Präsident der Zuse-Gemeinschaft, in der mit 78 Instituten der Großteil der IFE in Deutschland organisiert ist.
Vielleicht ist das sogar im Sinne der drei zuständigen Bundesministerien für Wirtschaft, Finanzen und Forschung, aus deren Umfeld man hört, dass sie von der Performance der Institute nicht in jedem Fall begeistert sind. Die zuständigen Ministerien kennen die Problematik jedenfalls schon lange, tun sich aber augenscheinlich schwer damit, den IFE eine verlässliche und langfristige Planung zu ermöglichen oder diese auch nur anzuschieben.
Im Gegenteil: Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) hatte im vergangenen Jahr angekündigt, dass IFE in diesem Jahr ihre Förderfähigkeit verlieren, wenn sie Angestellte besser bezahlen als nach TVöD vorgesehen und dafür bis zum 31. Dezember 2022 keine Ausnahmegenehmigung beim Bundesfinanzministerium (BMF) stellen. Viele Anträge wurden gestellt, bislang gibt es dazu keine Reaktion aus dem BMF.
Vielmehr habe das BMWK die Zuse-Gemeinschaft Anfang Februar informiert, dass die Übergangsfrist für Institute, die die erwähnten Ausnahmeanträge gestellt haben, bis zum 31. Dezember 2023 verlängert wurde. Eine langfristige, verlässliche Planung sei aber auch damit nicht möglich, sagt Martin Bastian. “Im Ergebnis ist es den IFE unmöglich, ihr hochqualifiziertes Personal zu halten oder gar neues zu gewinnen.”
Auch dem stellvertretenden DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks bereitet die Entwicklung Sorgen. “Mit der Deckelung von Forschergehältern auf das Niveau des öffentlichen Dienstes drohen geförderten Einrichtungen erhebliche Wettbewerbsnachteile”, warnt er. Dies gelte “für die privatwirtschaftlichen Forschungseinrichtungen selbst, für die mit ihnen verbundenen Betriebe aus dem Mittelstand und damit auch für den Forschungsstandort Deutschland insgesamt“.
Er verweist auf den DIHK-Innovationsreport, dem zufolge jedes fünfte Unternehmen Schwierigkeiten hat, geeignete Kooperationspartner in der Wissenschaft zu finden.
Bereits in der vergangenen Woche hatten die Sprecher der Landesgruppen-Ost der Ampelkoalition einen Brief an das BMWK, das BMBF und das BMF geschickt. Darin hatten sie auf die aus ihrer Sicht besonders prekäre Lage in den ostdeutschen Bundesländern hingewiesen. Hier sei die Wirtschaft noch kleinteiliger und die Unternehmen daher bei Innovationsaktivitäten auf externe Hilfe angewiesen.
Die Hintergründe:
Im Jahr 2021 veränderte das BMWK über die zuständigen Projektträger den Umgang mit dem Besserstellungsverbot. Nun wurden Tarifobergrenzen nach TVöD nicht mehr nur für die Projektbeteiligten, sondern für alle Beschäftigten – auch Geschäftsführer und Leitungspersonal – angewendet. “Uns hat das Thema Mitte 2021 erreicht, durch eine Anfrage des Projektträgers Euronorm im Zuge der Projektförderung”, sagt der Geschäftsführer der Zuse-Gemeinschaft, Klaus Jansen. Institute seien zur Offenlegung der Gehaltsstruktur aufgefordert worden.
Zu den genauen Gründen für die veränderte Praxis hält sich das BMWK bis heute bedeckt. Gegenüber Table.Media verweist ein Sprecher lediglich auf ein anderes Ressort: “Grundsätzliche Fragen des Besserstellungsverbots liegen in der Zuständigkeit des Bundesfinanzministeriums”. Eine Antwort vom BMF lag Table.Media bis Redaktionsschluss nicht vor.
Die Verantwortlichen der Zuse-Gemeinschaft sind ratlos, warum man sich in den beteiligten Ministerien überhaupt in eine derartige Zwickmühle gebracht hat. Zuse-Präsident Bastian sagt: “Das Besserstellungsverbot ist bis zu einem gewissen Grad auch Auslegungssache.” Zu den Positionen der Geschäftsführer und dem Leitungspersonal – die eher mit Geschäftsführern in der freien Wirtschaft vergleichbar seien und auch persönlich haften würden – gebe es gar keine vergleichbaren Tätigkeitsprofile im öffentlichen Dienst.
Man hätte also – nach Einschätzung der Zuse-Gemeinschaft – die alte Praxis einfach weiterlaufen lassen können, bis die Bundesregierung eine langfristige Perspektive gefunden hat. Möglicherweise haben auch rechtliche Bedenken eine Rolle gespielt, aber auch dazu gibt es keine Antwort durch die zuständigen Ministerien. Eine langfristige Ausnahme der IFE aus dem Besserstellungsverbot wäre aber machbar:
Für den Entwurf des BHG ist das BMF zuständig, das WissFG liegt in der Hand des BMBF. Beide Ministerien haben sich auf die Anfrage von Table.Media nicht zu dem Sachverhalt geäußert. Auch die Verfasser des Brandbriefs aus den ostdeutschen Bundesländern haben bislang wohl keine konkrete Antwort. Auf Nachfrage sagte Mitunterzeichnerin Paula Piechotta (Grüne): “Als Parlamentarierinnen und Parlamentarier sind wir in einem gewinnbringenden Austausch zum Thema mit den zuständigen Häusern”.
Zu der Diagnose der Zukunftsstrategie, wonach “der Innovationstransfer durch allzu viel Bürokratie begrenzt” sei, passt das zögerliche Verhalten der Ressorts nicht. Es sei denn, das Ziel ist, bewusst eine Abwanderung von Fachkräften in die institutionelle Forschung zu forcieren. Zuse-Präsident Bastian fordert: “Die Politik muss die Voraussetzungen schaffen, damit wir unseren Mitarbeitern rechtssichere und rechtskonforme Arbeitsverträge anbieten können, die konkurrenzfähig sind. Zudem sollte die Ungleichbehandlung gegenüber anderen außeruniversitären Forschungsverbünden endlich beendet werden.”
Research.Table: Herr Klein, die Bundesforschungsministerin hat in dieser Woche Kiew besucht und deutsche Hilfen für den Bereich Bildung und Forschung zugesagt. Wie funktioniert Wissenschaft im Krieg?
Eduard Klein: Im Westen der Ukraine ist die Infrastruktur nahezu intakt, nur der Strom fällt immer wieder aus. Der Süden und der Osten sind viel stärker vom Krieg betroffen. Nach ukrainischen Angaben wurden 3000 Bildungs- und Forschungseinrichtungen – von Kitas bis zu Forschungsinstituten – zerstört, vor allem in den Regionen Charkiw und Donezk. Dort ist normale Lehre und Forschung nicht mehr möglich. Hinzu kommt, dass ungefähr ein Drittel der Bevölkerung auf der Flucht ist. Acht Millionen Menschen sind ins Ausland geflohen, rund fünf Millionen sind Binnenflüchtlinge. Das macht es schwer, den Alltag an Unis und Forschungsinstituten weiterzuführen. Da im Vorfeld die Corona-Pandemie einen Digitalisierungsschub ausgelöst hatte, liegt allerdings nicht alles brach. Viele Wissenschaftler nutzen die Möglichkeit, den Betrieb so gut es geht digital aufrecht zu halten.
Welche Schwerpunkte setzt die Ukraine aktuell in der Forschung?
Klein: Die Ukraine ist in den Naturwissenschaften, etwa Physik und Mathematik und auch in der Informatik stark. Das war auch schon in der Sowjetunion so. Sozialwissenschaftliche Fakultäten mit populären Fächern wie Jura oder Wirtschaftswissenschaften wurden hingegen erst in der Zeit nach 1991 aufgebaut und sind aus internationaler Perspektive eher schwach entwickelt. In Charkiw gibt es eine einzigartige Neutronenquelle, die aber mehrfach von der russischen Armee beschossen und beschädigt wurde. Große Forschungsinfrastrukturen hat die Ukraine ansonsten eher nicht. Es gibt aber fruchtbare Kooperationen mit europäischen Ländern. Aktuelle Potenziale liegen neben dem dynamischen IT-Bereich etwa in der Landwirtschaft und den Erneuerbaren Energien. Als Großproduzent von Bioprodukten und grünem Wasserstoff könnte die Ukraine zukünftig einen relevanten Beitrag für die EU leisten. Bei solchen Transformationsprozessen hilft die Kooperation mit und die Unterstützung aus EU-Ländern.
Wie kann die Unterstützung für Forschende aus der Ukraine aussehen, die geflohen sind?
Klein: Es wurde und wird schon sehr viel gemacht. In den Tagen und Wochen nach Kriegsbeginn ist die Homepage www.scienceforukraine.eu entstanden. Dort wurden in drei Monaten mehr als 2.600 verschiedene Angebote und Stellen für Forschende ausgeschrieben, mehr als 400 davon aus Deutschland. Die großen Forschungsförderer wie DFG, Alexander von Humboldt-Stiftung und die VolkswagenStiftung haben adhoc-Programme ins Leben gerufen. Die Frage ist, wie lange das trägt – das hängt stark vom weiteren Kriegsverlauf ab. Aktuell gehen wir davon aus, dass bis zu 750 Milliarden Euro für den Wiederaufbau und die notwendige Modernisierung der Ukraine gebraucht werden. Ein relevanter Teil davon sollte in den Bereich Bildung und Wissenschaft fließen. Da kann Deutschland substanziell helfen.
Welche konkrete Unterstützung für die Forschung vor Ort ist jetzt sinnvoll?
Klein: Deutschland kann in vielen Bereichen mit Knowhow aufwarten, das die Ukraine dringend zur Modernisierung braucht. Außenministerin Annalena Baerbock war bereits vor der Invasion in der Ukraine, um das Potenzial einer Kooperation im Bereich “grüner Wasserstoff” auszuloten. Es geht aber auch darum, die berufliche Ausbildung zu stärken, die in der Ukraine einen schweren Stand hat. Da könnten Unterstützung und Knowhow aus Deutschland helfen, das hier erfolgreiche Ausbildungsmodell in der Ukraine zu etablieren. Die Ministerin hat dafür in Kiew bereits die Gründung einer Ausbildungsallianz in Aussicht gestellt.
Sie halten den Kontakt zu Forschenden vor Ort. Welche persönlichen Eindrücke haben sich festgesetzt?
Klein: Das ist schwierig zu generalisieren. Alle meine Gesprächspartner sind direkt vom Kriegsgeschehen betroffen. Sie leiden unter der Kälte und Stromausfällen. Viele haben Verwandte, Freunde oder Bekannte verloren. Und doch sind nicht alle pessimistisch, sondern sie glauben an den Sieg der Ukraine und planen schon für die Zeit danach und den Wiederaufbau. Es gibt eine große Offenheit für mehr Modernisierung. Im Moment stehen allerdings die akuten Bedürfnisse im Kriegsalltag im Vordergrund. Wir bemühen uns gerade darum, Generatoren für einige Kooperationspartner aufzutreiben.
Dr. Eduard Klein ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen und Redakteur der Ukraine-Analysen. In seiner Promotion hat er sich unter anderem mit dem ukrainischen Hochschulsektor beschäftigt.
Es war eine kurze Mitteilung, die vergangene Woche auf der Website des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) erschien. Die dort angesiedelte Zentrale Kommission für Biologische Sicherheit, so heißt es in der Fachmeldung, könne angesichts “einer Vielzahl offener Positionen in der ZKBS” keine zügige Bearbeitung von Anträgen mehr gewährleisten. So schlicht die Nachricht ist, so schwerwiegend sind ihre Konsequenzen: Für weite Bereiche der deutschen Forschung könnte sie Stillstand bedeuten.
Betroffen sind alle Forschungsvorhaben mit gentechnischen Aspekten, außerdem die Inbetriebnahmen von Laboratorien und Produktionsanlagen, in denen gentechnisch veränderte Organismen erzeugt und vermehrt werden. Damit trifft die angekündigte Verzögerung große Teile der Lebenswissenschaften – insbesondere die Erforschung von Viren, für die gentechnische Methoden unverzichtbar sind.
Nach Informationen von Table.Media scheitert eine zügige Nachbesetzung der offenen Stellen unter den Sachverständigen in der ZKBS an politischem Gerangel. Auslöser sind die vakanten Positionen zweier sachkundiger Personen für Naturschutz, die neben anderen Interessenvertretern und zusätzlich zu den Fachexperten ebenfalls der ZKBS angehören.
Das BMBF ist nach Informationen von Table.Media klar gegen eine Berufung Thens. Das Bundesumweltministerium dagegen ist schon lange mit dem Gentechnik-Kritiker verbandelt – auch finanziell. Der Tierarzt hatte vom BMU auf einen eigenen Antrag hin im Jahr 2018 eine sechsstellige Summe für die Einrichtung einer Fachstelle für Gentechnik und Umwelt am Bundesamt für Naturschutz bewilligt bekommen. Diese wird bis heute von Thens Verein Testbiotech betrieben.
Unerklärlich ist aber vor allem, warum die weitaus wichtigeren Stellen im Sachverständigenausschuss unterdessen schlicht nicht besetzt werden – sodass die Kommission ihre Aufgabe schon jetzt nicht mehr wie vorgesehen erfüllen kann. “Das ist wirklich einmalig, so etwas hat während meiner Mitgliedschaft in der Kommission noch nicht gegeben”, sagt Uwe Sonnewald von der Universität Erlangen-Nürnberg.
Sonnewald sitzt seit 1996 als Sachverständiger für Genetik in der ZKBS, seine jüngste Berufung endete im Januar. Nach eigener Aussage würde Sonnewald weitermachen oder auch gern an eine Kollegin übergeben, er hat das Ehrenamt ja schon lange inne. “Aber dass stattdessen gar nichts passiert, ist völlig inakzeptabel”, sagt der Biochemiker. Man habe gerade in den vergangenen drei Jahren gesehen, wie bedeutend die Arbeit der ZKBS zur Bewältigung von Krisen sei. Ein Großteil der Forschungsvorhaben zur Corona-Pandemie sei von der ZKBS bearbeitet worden. “Dieses Gremium in so einer Phase jetzt an den Rand der Arbeitsfähigkeit zu bringen, ist unverständlich.”
Kritisch sieht die gegenwärtige Lage auch Sonnewalds Stellvertreter im Gremium, Uwe Völker von der Universitätsmedizin Greifswald. “Es muss dringend vermieden werden, dass die ZKBS zum Spielball politischer Konflikte wird”, sagt der Biologe. Die Kommission treffe sachbezogene Entscheidungen, diese müssten weiterhin ermöglicht werden.
Im zuständigen Ministerium lässt man die Kritik jedoch abperlen. Auf die Frage, warum es nicht zu Wiederberufungen komme, sagte eine Sprecherin des BMEL, die Bundesregierung bemühe sich, in der ZKBS “auch neue Anforderungen wie das Bundesgremienbesetzungsgesetz” zu berücksichtigen. Der Verweis auf eine angestrebte geschlechterparitätische Besetzung erklärt jedoch gerade nicht, warum etwa die Wiederberufung der Virologin und vormaligen ZKBS-Vorsitzenden Sigrun Smola vom Universitätsklinikum des Saarlandes Homburg weiter anhängig ist. Auch Smolas Berufung war im Januar ausgelaufen.
Von den fünf Sachverständigen-Positionen in der Virologie sind damit bereits zwei Stellen unbesetzt, denn auch die Wiederberufung von Edgar Maiß, einem Fachmann für Pflanzenviren, der bis 2022 an der Universität Hannover lehrte, ist anhängig. Ende März läuft außerdem die Berufung des Virologie-Sachverständigen Stefan Pöhlmann vom Deutschen Primatenzentrum in Göttingen aus.
Falls die Wiederbesetzung dieser und weiterer Positionen in der ZKBS nicht umgehend erfolgt, wird eine fehlende Geschlechterparität jedenfalls das geringste Problem für die Arbeit des Gremiums sein. Ende Juni enden vier weitere Berufungen, dann dünnt die Personaldecke des eigentlich 25-köpfigen Sachverständigengremiums auf 14 Fachleute aus. Die Positionen für Virologie wären – immerhin geschlechterparitätisch – mit nur noch zwei Personen besetzt. Der Virologe Thomas Vahlenkamp von der Universität Leipzig ist jedoch zugleich Vorsitzender der ZKBS und kann daher nur eingeschränkt Anträge bearbeiten.
Die Verzögerungen für die Forschung werden also zwangsläufig zunehmen. “Das wird den Forschungsstandort Deutschland nachhaltig schädigen”, sagt Uwe Sonnewald. Der Wissenschaftler sieht auch das Gremium selbst in Mitleidenschaft gezogen. “Wir haben durch unseren verstärkten Einsatz in der Pandemie dazu beigetragen, dass die Forschung zu Sars-CoV-2 vorangeht”, sagt Sonnewald. Die jetzige Hängepartie spiegele die geringe Wertschätzung dieser Arbeit durch die Ministerien wider.
Als Folge der Corona- und dann noch der Ukraine-Krise habe sich die Finanzlage der Schiller-Universität verschlechtert, berichtet Unipräsident Walter Rosenthal. Dies habe vielfältige Ursachen und hänge nicht nur mit den Energiekosten zusammen, sondern auch damit, “dass Thüringen als kleines Bundesland nicht auf Rosen gebettet ist und über weniger Mittel etwa im Investitionsbereich verfügt als große Bundesländer”.
Im letztem und in diesem Jahr sei eine Haushaltskürzung dazugekommen. Diese globale Minderausgabe, die auch von den Hochschulen eingefordert wird, treffe die Universität Jena besonders hart, weil aktuell sehr viel in Gebäude-Neubau und Infrastruktur zu investieren sei. “Rund 50 Millionen müssen in den kommenden fünf Jahren aus unserem regulären Budget – das ja in erster Linie für Forschung und Lehre gedacht ist – für das Bauen aufgebracht werden. Zusammen mit den steigenden Energiekosten, Gehaltssteigerung, einer enormen Steigerung der Familienzulage für Beamte, bringt uns das an den Rand dessen, was wir leisten können.”
So hat man sich in Jena aufs Sparen eingestellt und einige Investitionen verschoben. “Wir erleben in unserer widersprüchlichen Welt, dass gewisse Dinge auf hohem Niveau weitergehen – wir bauen derzeit für mehrere Hundertmillionen Euro -, und weitergehen müssen, aber dass im laufenden Geschäft gespart werden muss. Das ist schwer zu vermitteln.”
Leider müsse man dies in Kauf nehmen, wenn man die Universität strategisch weiterentwickeln will. “Wir bereiten uns sehr intensiv auf die kommenden Runde der Exzellenzstrategie vor. Dafür hat die Universität Jena für Thüringer Verhältnisse viel Geld bekommen.” Dieses Geld wolle er nicht zum Stopfen von Löchern einsetzen – “abgesehen davon, dass wir das auch gar nicht dürften”.
Kritik am deutschen Wissenschaftssystem übt Rosenthal eher dezent. In der Zeit, die er überblicke, habe Deutschland einen steilen Aufstieg in der Forschung genommen. Die Spitzenforschung ist international anerkannt. “Aber: Beim Übergang von der Forschung in die Anwendung, beim Transfer auch im breiten Sinne – in die Wirtschaft, die Verwaltung und in die Gesellschaft – ist noch eine Menge zu tun. Wir haben keine guten – keine professionellen Transferstrukturen.” Deswegen sei es eine wichtige Forderung, die zum Beispiel auch von der Hochschulrektorenkonferenz gestellt wird, diese professionellen Transferstrukturen aufzubauen.
Problematisch sei, dass viele Transferkosten überwiegend über Drittmittel finanziert, werden, also durch befristete Projektfinanzierung. Daraus folge eine hohe Personalfluktuation, die nicht mit hoher Professionalität vereinbar sei. “Daher ist es eine Aufgabe der Forschungspolitik, nachhaltige professionelle Strukturen zu schaffen.” Ob dies mit der von der Bundesregierung geplanten Deutschen Agentur für Transfer und Innovation (Dati) gelingen kann, bezweifelt Rosenthal.
Transfer sei letzten Endes immer auch eine Sache des Vertrauens. Es müsse eine Transferstelle geben, die das Vertrauen der wissenschaftlichen Community an einer Hochschule hat, sodass die Forschenden sich nicht gestört fühlen, wenn jemand ihnen über die Schulter schaut und fragt, ob man ein Forschungsprojekt in Richtung Anwendung weiterführen sollte. Aber das Personal in den Transfereinheiten muss sich auch in der Industrie auskennen und dort Kontakte haben. Da sei der öffentlich-rechtliche Rahmen manchmal eine Einschränkung. In einem privatrechtlichen Rahmen könnten Personen, die aus der Industrie kommen, konkurrenzfähige Gehälter gezahlt werden; außerdem sei eine Gewinnbeteiligung möglich.
Nicht nur die Problematik des Besserstellungsverbots macht Rosenthal zu schaffen, auch das Dati-Vorhaben sieht er skeptisch: “Die von der Bundesregierung geplante Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (DATI) soll ja den Transfer auf ein neues Niveau heben. Sollten die jetzt vorliegenden Pläne umgesetzt werden, habe ich doch erhebliche Zweifel, das dies gelingt. Denn DATI soll in erster Linie niederschwellig regionale Projekte fördern. Ich meine: Zuerst müssen professionelle Strukturen geschaffen werden, dann kommen die Projekte.
Es sei zudem ein Problem in Deutschland, dass ab dem Zeitpunkt der Verwertung von Forschungsergebnissen, etwa im Rahmen einer Ausgründung, die Hochschule Gründer privatwirtschaftlich behandelt und etwa Vollkosten für Personal, Labor- und Gerätenutzung verlangt. “Nachdem die Hochschule über Jahre in ein Projekt investiert und es dadurch ausgründungsreif gemacht hat, stellt sie, nachdem das Ziel erreicht ist, nur noch Forderungen, die auch erdrückend sein können.”
Es brauche andere Übergänge von der Forschung zur Ausgründung – etwa fließende Übergänge bei der Raum- und Gerätenutzung. Aber die scheiterten oft an den Rahmenbedingungen. Angeführt werde dann immer wieder das geltende Wettbewerbsrecht. Da müssten grundsätzliche Lösungen gefunden werden, findet Rosenthal. “In anderen EU-Ländern gilt ja auch das Wettbewerbsrecht, aber der Umgang damit scheint mir gelassener zu sein.”
Das ganze Interview lesen Sie in “Was jetzt, Forschung?”. Die Publikation enthält Impulse aus den Gesprächen u. a. mit Martina Brockmeier (Leibniz), Jan Wörner (Acatech), Heyo Kroemer (Charité), Rafael Laguna de la Vera (Sprind), Volker Meyer-Guckel (Stifterverband), Georg Schütte (VolkswagenStiftung), Otmar D. Wiestler (Helmholtz-Gemeinschaft) und Dorothea Wagner (Wissenschaftsrat). Den kostenlosen Reader erhalten Sie hier.
16. Februar 2023, 14:30-16:30 Uhr, Online
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Viele deutsche Universitäten investieren Millionenbeträge in die Anträge für die Exzellenzstrategie von Bund und Ländern. Der Druck ist hoch, mit den Clustern beginnt eine Weichenstellung für das nächste Jahrzehnt. Der Aufwand dahinter wird jedoch kaum thematisiert.
145 Konsortien wollen zum 31. Mai 2023 einen Vorantrag für ein Exzellenzcluster bei der DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft) einreichen. Von diesen werden am 1. Februar 2024 voraussichtlich 40 bis 50 ausgewählt, die gemeinsam mit den 57 bereits bestehenden Clustern einen Vollantrag bis August 2024 stellen dürfen.
Schlussendlich können vermutlich rund 70 Exzellenzcluster gefördert werden. Viele der Universitäten investieren Millionenbeträge in die Antragsstellung. Der Druck, mit zur Elite zu gehören, ist hoch. Die Attraktivität beim Top-Personal, aber auch für Studierende steigt mit dem Etikett der “Elite”. Neben den Fördermillionen sind das in Zeiten sinkender Studierendenzahlen und des Fachkräftemangels gewichtige Argumente für ein Engagement in der Exzellenzstrategie. Das Problem: Die Ressourcen, die in die Antragsstellungen fließen, fehlen an anderer Stelle.
Nach Informationen aus den Hochschulen wurde und wird kräftig in die Anträge für die Exzellenzcluster investiert. Wer nicht zum Zuge kommt – oder noch schlimmer – seine bestehenden Cluster nicht weiter bewilligt bekommt, droht den Anschluss zu verlieren. Denn die Cluster sind die Voraussetzung für den begehrten Titel der Exzellenzuniversität.
Rund 25 bis 50 Personenmonate kommen allein für die Antragstellung in der Skizzenphase bis Mai 2023 etwa durch Principal Investigators und Wissenschaftliche Mitarbeiter zusammen – so interne Schätzungen der Hochschulen. Für den Vollantrag entsteht dann nochmal die gleiche Anzahl Stunden. Dazu kommen die Stunden für Gremiensitzungen, interne Pitches und natürlich die Overheadkosten. Teilweise wird sogar im Vorfeld in Infrastruktur investiert.
Insgesamt liegen nach diesen Schätzungen, je nach Fach, die Vollkosten pro Erstantrag bei rund 300.000 bis 500.000 Euro und bei mehr als einer Million Euro für jeden Vollantrag. Unterm Strich dürften also rund 150 Millionen Euro in die Anträge für Exzellenzcluster investiert werden. Rund die Hälfte davon ohne Erfolg.
Ein Teil der Ausgaben zählt zu den berühmten “Eh da-Kosten”. Gerade in Zeiten des Sparzwangs ist aber auch die Belastung der bestehenden Infrastruktur ein beachtenswerter Aspekt: Wichtige Aufgaben bleiben im Rennen um den Titel liegen. Dringende Reformen, um langfristig effizienter zu arbeiten, werden nicht angegangen. Gerade jetzt, wo viele besondere Herausforderungen warten. Und: Es werden auch zusätzliche Mitarbeiter für die Erarbeitung der Anträge eingestellt. Diese Mittel fehlen an anderer Stelle – zum Beispiel in der Nachwuchsförderung.
Und nicht nur die Antragsstellung kostet Geld: Allein die Begutachtung der 145 Cluster-Anträge kostet eine Menge Forschungszeit exzellenter Wissenschaftler. Ganz abgesehen von den Management-Aufgaben, die bei der DFG anfallen.
Der Generalsekretär der Volkswagenstiftung, Georg Schütte, verweist auf die positiven Effekte einer Antragsstellung, die auch für die Nicht-Geförderten entstehen. Auf Ebene der Universitäten führten gerade die Exzellenzcluster zu einer “strategischen Priorisierung”. Die Hochschulen würden im positiven Sinne angeheizt. Auf Ebene der Projekte können auch die nicht direkt erfolgreichen Ideen oft recylced werden oder führten zu neuen Kooperationen an anderer Stelle. Letztlich, sagt Schütte, werde niemand zu einer Antragsstellung gezwungen. Universitäten müssten sich die Kostenrechnung anschauen und dann eine nüchterne Analyse durchführen. Hier allerdings liege auch eine Verantwortung für die Förderer: Sowohl Aufwand als auch Ertrag müssten transparent gemacht werden. “Bei der VolkswagenStiftung wird an diesem Thema gearbeitet.”
Den Aufwand höher und den Ertrag geringer macht die Dauer des gesamten Prozesses, die auch Schütte kritisch sieht: Die Antragsentwicklung beginnt 2021, die Förderung der Cluster 2026. Fünf Jahre Wartezeit sind für innovative Projekte einfach zu lang. So erklärte zuletzt Rafael Laguna de La Vera, das deutsche Wissenschaftssystem fördere aktuell leider “alte Wissenschaft”. mw
Die Hochschulen in Deutschland wollen nicht undankbar erscheinen: Die bisherigen Maßnahmen, mit denen die Folgen der steigenden Energiekosten und der Inflation abgefedert werden sollen, helfen, erklärten sie übereinstimmend im Forschungsausschuss. Aber sie reichen nicht aus. Die Hochschulen unterstützen daher einerseits die Forderung der CDU/CSU-Fraktion, in die Härtefallregelung der Energiepreisbremse aufgenommen zu werden. Darüber hinaus wünschen sie sich ein koordiniertes Vorgehen von Bund und Ländern, um gemeinsam verlässliche Lösungen zu erarbeiten.
“Wir bitten den Bund in enger Kooperation mit den Ländern tätig zu werden”, sagte Oliver Günther, Vizepräsident der Hochschulrektorenkonferenz und Präsident der Universität Potsdam, am Mittwoch bei der Anhörung im Bundestagsausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, zu der er und weitere Expertinnen und Experten als Sachverständige eingeladen waren. Er hoffe auf eine verstärkte Koordination, etwa im Rahmen eines vom BMBF initiierten Round Tables mit Vertreterinnen und Vertretern der 16 Bundesländer.
Eine solche Round-Table–Einladung von der Bundesforschungsministerin wünscht sich auch die Allianz führender Technischer Universitäten TU9, deren Präsidentin Tanja Brühl ebenfalls als Sachverständige vor dem Ausschuss sprach. Sie begrüßte zudem den im Dezember von der CDU/CSU-Fraktion eingebrachten Antrag, die Hochschulen analog zu den außeruniversitären Forschungseinrichtungen in die Härtefallregelung der Strom- und Gaspreisbremse aufzunehmen. Dies sei eine wichtige Rückfalloption für den Fall, dass die Sparbemühungen sowie die Energiepreisbremsen keine Entlastung bringen, sagte Brühl.
Sowohl Brühl als auch Günther wünschten sich mehr Transparenz und Einheitlichkeit bei der Unterstützung der Bundesländer. Denn die genaue Höhe der auf dieser Ebene angekündigten Entlastungen ist zum einen zumeist noch unklar. Zum anderen ist das Ausmaß der Unterstützung sehr uneinheitlich. “Das bringt Wettbewerbsverzerrungen mit sich”, warnte TU9-Präsidentin Brühl.
Auf die TU9, die besonders energieintensive Forschung betreiben, kämen durch die Preissteigerungen für das Jahr 2023 Mehrbelastungen zwischen drei und 15 Millionen Euro pro Universität zu, erläuterte Brühl. An allen TU9-Standorten seien die genauen Auswirkungen der Preisbremsen noch unklar, was an den individuellen Verträgen der Universitäten liege.
In der Anhörung wurde deutlich, dass die Energiepreiskrise die Hochschulen in einem besonders ungünstigen Moment trifft:
Tanja Brühl appellierte an den Ausschuss: “Wir brauchen Unterstützung, sonst ist unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit in Gefahr.” abg
Bei einem Besuch im Laserforschungszentrum der Universität München bekräftigte Bettina Stark-Watzinger ihren Entschluss, bei der künftigen Energieversorgung auch auf Kernfusion zu setzen. Der Durchbruch der Forscher in den USA “hat gezeigt, wie vielversprechend die Fusion ist”, sagte die FDP-Politikerin. Um den stark wachsenden Strombedarf zu decken, brauche es mehr Tempo bei der angewandten Forschung, “um schnellstmöglich den Weg zu einem Kraftwerk zu ebnen”.
Vor Ort war auch das Münchner Start-up-Unternehmen Marvel Fusion, das mit der Universität an der Kernfusion arbeitet und bis 2033 das erste Kraftwerk bauen will. Gespräche mit potenziellen Industriekunden liefen, erklärte Firmenchef Moritz von der Linden. Stark-Watzinger sagte, Start-ups wie Marvel Fusion spielten jetzt eine wichtige Rolle. CEO Von der Linden forderte Technologieoffenheit von der Politik. Man solle “nicht auf ein Pferd setzen, sondern auf das Rennen”, sagte er. Das Ziel sei, “dass wir bis 2045 einen signifikanten Beitrag zur Energieversorgung leisten können“.
Eine Herausforderung seien dabei aber die strengen Vorgaben für Geldanlagen zum Beispiel von Lebensversicherungen in Deutschland und Europa. Das hemme den Geldfluss in riskantere, aber zukunftsweisende Projekte, sagte die Ministerin. In den USA arbeiten 33 Unternehmen an der Kernfusion, in Europa nur drei. Während US-Firmen Milliarden an Risikokapital erhalten, konnte Marvel Fusion nur 60 Millionen Euro einsammeln, braucht aber zum Weitermachen rasch ein Vielfaches.
Kritik an der Neuausrichtung der Fusionsforschung in Deutschland und dem wissenschaftlichen Ansatz von Marvel Fusion hatten zuletzt Forscher des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP) geäußert. Dort beschäftigt man sich mit der magnetbasierten Kernfusion. Karl Lackner, Emeritus am IPP hatte im Modell von Marvel Fusion “intrinsische Widersprüche” entdeckt. Die Wissenschaftliche Direktorin des IPP, Sybille Günter, sieht zudem in dem gefeierten Experiment amerikanischer Forscher am NIF (National Ignition Facility) “keinen ganz so großen Durchbruch auf dem Weg zu einem Fusionskraftwerk”.
Bettina Stark-Watzinger hatte schon Ende des vergangenen Jahres ambitionierte Ziele in für ein Kernfusion-Start-up geäußert. Auf die Frage, wann zum ersten Mal Strom aus einem Fusionskraftwerk ins deutsche Stromnetz fließen wird, sagte sie Mitte Dezember – zur Überraschung vieler Expertinnen und Experten – im heute-journal: “Ich sag’ mal zehn Jahre, es kann auch etwas länger dauern, aber wir müssen uns ja Ambitionen setzen.”
Seither strebt Stark-Watzinger eine massive Steigerung der Forschungsmittel für die Kernfusion an. Und schon im Frühjahr soll eine siebenköpfige Expertengruppe nicht nur Vorschläge machen, sondern gleich ein Memorandum vorlegen, wie der Weg zum ersten deutschen Fusionskraftwerk geebnet werden kann. Die Leitung übertrug die Forschungsministerin dem Physiker und Laserexperten Constantin Häfner, Chef des Fraunhofer-Instituts für Lasertechnik in Aachen. tg
Bildung. Die SWK muss an Tabus rütteln: Mit ihrem Papier, wie die Schulminister auf den Lehrermangel reagieren können, provozierte die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) die Lehrer-Lobby. Die Entrüstung war groß. Jetzt legt der Bertelsmann-Forscher Dirk Zorn nach: “Die SWK rührt an keiner Stelle an wirklichen Tabus – außer bei der Arbeitsbelastung des Personals.” Mehr
Bildung. “Schule ist nicht mehr steuerbar”: Die ehemalige BMAS-Spitzenbeamtin Julia Borggräfe will die Steuerung des deutschen Bildungssystems neu organisieren. Im Interview fordert die Unternehmensberaterin einen radikalen Perspektivwechsel: Bund und Länder müssten endlich die Schulen als echte Organisationen begreifen – und stärken. Mehr
Europe. Eva Kaili machte katarische Staatsstiftung zum STOA-Berater: Im EU-Parlament war Eva Kaili für ein Panel zur wissenschaftlichen Vorausschau zuständig. Den Vorsitz nutzte sie für ihre eigene politische Arbeit. Und sie vergab Posten an ihre Schwester sowie an die quasi-staatliche Qatar Foundation. Auch ein Baron mit engen Kontakten zu autokratischen Königshäusern stand Kaili zur Seite. Mehr
Europe. EU-USA: Grüner Freihandel soll IRA-Streit entschärfen: Bundeswirtschaftsminister Habeck und sein französischer Kollege Le Maire haben in Washington mit der US-Regierung über Auswege aus dem IRA-Subventionsstreit gesprochen. Sie bieten engere Kooperation bei Green Tech und Lieferketten an. Denn die USA schwanken zwischen Protektionismus und Abhängigkeit. Mehr.
China. Forschung mit China: Kritik an Vorschlag zu Zentralregister: Die Debatte um Risiken bei Forschungskooperationen mit chinesischen Partnern wird im Kreis der China-Experten eingehend geführt. Die Idee eines möglichen Zentralregisters kommt dabei nicht bei allen gut an, da so Forschende zur Zielscheibe des chinesischen Staatsapparats werden könnten. Einig ist man sich jedoch an anderer Stelle. Mehr
SZ – Wie man Meetings besser aushält: Rund 65 Milliarden Euro gingen der deutschen Wirtschaft pro Jahr durch 4,7 Milliarden Stunden vergeudete Zeit in Meetings verloren, schätzt die Terminabsprache-Firma Doodle. Die Meeting-Forschung hat folgende Tipps: Alle Meetings streichen, die nur Infos vermitteln (lieber Mail schicken). Nie mehr als acht Menschen einladen (Zwei-Pizza-Regel von Jeff Bezos). Heterogene Teams sind innovativer. Zeitdruck in Meetings erhöht die Produktivität. Hybride Treffen sind ein kognitiver Overload. Wochenmeetings am besten dienstags oder mittwochs. Menschen sind mittags am produktivsten. Jammer-Zirkel unterbinden, Humor und Lachen nicht. Bei Videokonferenzen die Kameras anstellen. Das Meeting pünktlich beenden. Wenn niemand nach einem Meeting Hausaufgaben hat, war es überflüssig. Mehr
Zeit – Das Ende unserer Herrschaft: Uwe Jean Heuser hat mit Zukunftsforscher Jeremy Rifkin telefoniert, der ein 360 Seiten starkes Buch über das mögliche Gelingen der Klimawende geschrieben hat. Der US-Visionär, der bereits erfolgreich die Bedeutung der Gentechnik, des Internets und der Wasserstoffwirtschaft vorausgesagt hatte, sieht nun im Wirken der Generation Z eine mögliche Trendwende gekommen. Die jungen Menschen hätten die Abgrenzung durch ideologische, ökonomische oder religiöse Unterschiede hinter sich gelassen und eine gemeinsame Identität: Sie haben die Klassenzimmer verlassen und den Klimanotstand erklärt. Die Generation Z betrachte sich als gefährdete Spezies – und begreife den Menschen als Teil der Natur. Endlich, findet Rifkin. Mehr
Heise.de – Autonome Autos: Ethischer Algorithmus soll Risiko vor Unfällen abwägen: Eine deutsche Forschungsgruppe hat einen Algorithmus für autonome Autos entwickelt, der auf Basis von fünf Prinzipien das Risiko vor Unfällen minimieren soll: Das akzeptable Maximalrisiko eines Manövers, den besonderen Schutz der gegebenenfalls am schlimmsten Betroffenen, die Gleichbehandlung aller Menschen, die Minimierung des Gesamtrisikos und die Eigenverantwortung der Verkehrsteilnehmenden. Die genaue Gewichtung der Prinzipien müsse gesellschaftlich geklärt werden, fordern die drei. Experten sind skeptisch, ob damit Dilemmata aufgelöst werden können. Mehr
Riffreporter – Lithium für die Batteriefertigung: Gefragter Rohstoff aus dem heimischen Untergrund: Das für Batterien von Elektroautos und Solarspeicher benötigte Leichtmetall könnte auch in Deutschland gefördert werden. Es kommt etwa in Thermalwasser im Oberrheingraben und Teilen Norddeutschlands vor. Berechnungen zufolge ließen sich damit zwei bis 13 Prozent des heimischen Bedarfs decken. Europa könnte sich sogar zu rund 30 Prozent selbst mit Lithium versorgen. Mehr
Spiegel – Urteil zu Züchtungstechnik: Bestrahlung von Pflanzenzellen im Labor ist keine Gentechnik: Um neue Getreide- oder Gemüsesorten zu züchten, werden Zellen mitunter mit Chemikalien oder Strahlen behandelt. Bisher fällt diese Technik nicht unter das strenge EU-Recht zur Gentechnik. Der Europäische Gerichtshof urteilte nun, dass so entstandene Pflanzen auch weiter nicht als gentechnisch verändert reguliert werden sollten. Damit besteht etwa keine Kennzeichnungspflicht im Supermarkt. Mehr
Die Aufgabe von Claudia Labisch ist, niemanden zu vergessen. Als Leiterin des Europa-Büros der Leibniz-Gemeinschaft vertritt sie in Brüssel die Interessen von 97 eigenständigen, deutschen Leibniz-Forschungsinstituten. Nicht immer einfach, die größtmögliche Schnittmenge aller Institute zu finden, denn deren Forschungsgebiete reichen von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften hin zu den Geisteswissenschaften.
Ein zentrales Betätigungsfeld für Claudia Labisch sind die Förderprogramme der EU, vor allem die Begleitung des Forschungsrahmenprogramms Horizon Europe (Laufzeit 2021-2027, Budget: 95,5 Millionen Euro), die sie mit vier Mitarbeiterinnen organisiert. “Es läuft gerade die Konsultation der Europäischen Kommission zur Zwischenevaluation von Horizon Europe. Dafür erarbeiten wir unser Positionspapier zu Erfahrungen, Forderungen und Empfehlungen der Leibniz-Institute”, sagt Labisch.
Plant die EU-Kommission konkrete Gesetzesvorhaben, muss Labisch, ausgebildete Übersetzerin für Englisch und Französisch, immer im Blick haben, welchen Forschungsbereich und welche Institute diese betreffen könnte. Sie bemüht sich darum, die Interessen der verschiedenen Einrichtungen und Bereiche in die Gesetzgebungsverfahren einfließen zu lassen.
Dabei schließt sie auch Allianzen mit anderen europäischen Forschungsorganisationen, um so gemeinsame Positionen zu erarbeiten und zu vertreten.
Mit Sorge beobachtet sie, dass Krisen oft auch nachhaltig die politische Agenda im Bereich der Forschung bestimmen. So lasse der Krieg in der Ukraine auch die Forschung nicht unberührt. “Institute, die auf hohe Rechenleistungen oder sehr energieintensive Reinräume angewiesen sind, tragen schwer an den steigenden Strom- und Gaspreisen”, sagt Labisch. Dazu kämen noch steigende Personalkosten und die Inflation. “Die Grundfinanzierung vieler Projekte ist gefährdet und sie müssen im schlechtesten Fall eingestellt werden.”
Die Forschung nachhaltig beeinflusst habe auch die Wirtschaftskrise 2008. Der Fokus sei seitdem verstärkt auf Industrie- und Technologieförderung gelegt worden, denn es sollten schnell konkrete Ergebnisse geliefert werden, um die Wirtschaft wieder zu stärken. “Das geht bis heute zulasten der Lebens- oder Sozialwissenschaften und der erkenntnisorientierten Grundlagenforschung im Allgemeinen. Deren Ergebnisse sind oft nicht unmittelbar erkenn- oder verwertbar, sondern eher von langfristiger Bedeutung”, erklärt Labisch.
Dazu kommt: In der Zeit der multiplen Krisen sparen die Mitgliedsländer oftmals zuerst bei der Forschung. Das führe zum einen dazu, dass die Konkurrenz um EU-Gelder härter werde. “Zum anderen brauchen gerade junge EU-Forschungsinfrastrukturen, also über Landesgrenzen hinweg vernetzte Institute, genau jetzt finanzielle Zusagen der Mitgliedstaaten, sonst haben sie als europäisches Projekt keine Chance”, sagt Labisch.
Als Beispiele dieser Projekte nennt Labisch Sonnenteleskope, Windkanäle oder riesige Biodiversitätsdatenbanken, die mithilfe von EU-Geldern aufgebaut und europaweit zur Nutzung zur Verfügung gestellt werden. “Zukünftig wird es vermutlich schwer für die Mitgliedstaaten, neue Infrastrukturen aufzubauen, wenn das Geld knapp ist” sagt Labisch.
Neben der Interessensvertretung in der Brüsseler Politik, gehört es auch zu Labischs Aufgaben, den Leibniz-Instituten in Deutschland das “System Brüssel” zu erklären und strategisch beratend zur Seite zu stehen. “Das wird dann relevant, wenn die Institute EU-Fördergelder beantragen oder EU-Expertise am Forschungsstandort aufbauen wollen.” Lisa-Martina Klein
Tracy Kivell ist seit dem 1. Februar 2023 Direktorin am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und leitet dort die neue Abteilung für Menschliche Ursprünge. Die kanadische Paläoanthropologin forschte zuvor an der University of Kent in Großbritannien, wo sie eine Professur für Biologische Anthropologie innehat.
Michelle Donelan ist im Zuge einer Kabinettsumbildung seit dem 7. Februar 2023 neue britische Ministerin für Wissenschaft, Innovation und Technologie. Sie hat an der University of York Geschichte und Politik studiert und war zuvor Ministerin für Digitales, Kultur, Medien und Sport.
Volker Tolkmitt tritt am 15. Februar 2023 sein neues Amt als Rektor der Hochschule Mittweida an, wo er seit 2017 bereits Prorektor war und seit 2013 die Professur für Allgemeine Betriebswirtschaft, insb. Risiko- und Finanzmanagement innehat.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie uns gerne einen Hinweis für diese Rubrik an research@table.media!
Seit 2016 ringen fortschrittliche Teile der deutschen Forschungsszene um eine unabhängige Agentur für radikale Innovationen. Zu ihnen zählt Henning Kagermann, ehemaliger Acatech-Chef und seit vielen Jahren nicht nur Mahner für, sondern auch Treiber von technologischem Fortschritt. Natürlich auch Dietmar Harhoff, ehemaliger Chef der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) und Martin Stratmann, Max-Planck-Präsident, beides kühle Analytiker der deutschen Innovationsszene.
Sie alle einte der Wunsch, nicht nur tayloristisch eine “Lücke im Forschungssystem”, nämlich das Fehlen disruptiver Innovationen, zu schließen, sondern Deutschland wieder an die Spitze der Innovationsnationen zu bringen. Doch seit über sechs Jahren quält sich Deutschland, quälen sich insbesondere Deutschlands Politiker, mit dieser Agentur. Sie wurde zwar 2019 gegründet, aber sie war von Beginn an ein David, dessen Hände und Füße gefesselt waren und der trotzdem ohne Schleuder in den Kampf gegen die Goliaths dieser Welt geschickt wurde. Das legalistische Konstrukt war und ist so böse gestrickt, dass sich Innovatoren zuerst selbst enteignen müssen, um dann in einer staatsfinanzierten Forschungsgesellschaft Geld zu erhalten.
Als Staatssekretär kämpfte ich hartnäckig für die Unabhängigkeit der Agentur. Um was ging es dabei?
Dieses Ringen um Freiheit ist, wenn man es grundsätzlicher denkt, ein Ringen um exterritoriale Räume für Innovation in einer Deutschland AG der Forschung. Und diese Räume braucht es, um aus dem “Innovators Dilemma” auszubrechen, das der leider viel zu früh verstorbene Clayton Christensen beschrieben hat.
Danach werden erfolgsverwöhnte Institutionen immer inkrementeller statt radikaler in ihrer Innovationskraft. Es gelingt ihnen nicht, beides zu erhalten: “Strukturen der Neugierde und radikaler Veränderung” und solche der Effizienzoptimierung des Bestehenden. Diese sogenannte Ambidextrie (“Beidhändigkeit”) wurde bereits von zahlreichen Organisationswissenschaftlern (von J.G. March 1991 über M.L. Tushman und C.A. O’Reilly 1996 bis J. Birkinshaw, 2016) erforscht.
Dass dies über die Sprind hinaus auf weitere Teile des deutschen Forschungssystems übertragen werden kann, sieht der heutige Chef der Expertenkommission Forschung und Innovation, Uwe Cantner nicht. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Harhoff, der für dezentrale autonome Forschungsagenturen plädiert, glaubt Cantner an die Sisyphus-Arbeit der Reform der öffentlichen Verwaltung des Forschungssystems.
Da befindet er sich faktisch – ob auch subjektiv sei dahingestellt – in einer unheiligen Allianz. Forschungspolitikerinnen- und politiker, diskret voran SPD-Haushälterin Wiebke Esdar, versperren so zusammen mit bürokratischen Kräften im Finanzministerium Innovationsagenturen wie der Sprind die nötigen Freiheitsräume. Sie setzen lieber auf dosierte, inkrementelle und ministeriell beaufsichtigte Veränderungsschritte. In Wirklichkeit ist dies mikropolitisch gesteuerte Innovationsaktivität.
Ganz anders jüngst Großbritannien: Dort hat der britische Wissenschaftsminister George Freeman vergangene Woche die Gründung der Advanced Research and Invention Agency (Aria) als unabhängige staatliche Institution bekannt gegeben. Arias Budget beträgt 800 Millionen Pfund für vier Jahre, die recht frei ausgeben werden können. Der britische Staat vertraue auf die Experten der Agency, die über die Auswahl förderfähiger Projekte entscheiden, erklärte Freeman – eine Spitze gegen deutsche Innovationspolitik. Die bloße Ankündigung ist natürlich noch keine Realität, das wissen wir alle. Aber ein solcher Freiheitsgrad wurde in Deutschland nicht einmal angekündigt.
Darum: “Innovating Innovation”: Deutschland wird nur erfolgreich sein, wenn es als Antwort auf reformresistente staatliche Förderpolitik echte Freiheitsräume für Innovation schafft.
Exterritoriale Strukturen jenseits bisheriger Logik! Das beginnt mit Makerspaces an deutschen Schulen, geht über unabhängige Innovationsagenturen wie Sprind oder “Dati” bis hin zur Förderung von Deep-Tech-Regionen analog den britischen University Enterprise Zones wie in Cambridge und Manchester. So wie viele Firmen heute schon mit ihren Innovation Hubs experimentieren!
kurz nach Redaktionsschluss unserer Sonderausgabe am Dienstag kam sie doch noch, die Antwort des Bundesforschungsministeriums auf unsere Fragen zur Fraunhofer-Affäre. Was sagt das Haus zu den Vorwürfen des Bundesrechnungshofs? Mehr zum Prüfbericht und zur Reaktion des Ministeriums erfahren Sie bei uns.
190 Einzelziele sind benannt in der Zukunftsstrategie Forschung und Innovation, die gestern durch das Kabinett verabschiedet wurde. Endlich! Das Papier, das durch Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) für die Ampel entworfen wurde, kommt spät und verfehlt sein Ziel. Eine Idee, gar eine Vision könne man der Strategie nicht entnehmen, schreibt Markus Weisskopf. Er hat die gesamte Strategie mit ihren sechs Missionen nicht nur kommentiert, sondern die Kerninhalte übersichtlich für Sie zusammengestellt.
Industrienahe Forschungseinrichtungen (IFE) beklagen, dass sie ihre führenden Mitarbeiter nur bedingt marktgerecht bezahlen können. Das liegt ausgerechnet an Politikern, die eigentlich den Transfer stärken wollen, berichtet Tim Gabel. Es dränge sich der Verdacht auf, dass die Bundesregierung beim Thema Besserstellungsverbot wohl Hintergedanken hat.
Und ein Hinweis in eigener Sache: Ab sofort gehört auch Anne Brüning zu unserem Redaktionsteam. Die Wissenschaftsjournalistin hat zuvor viele Jahre für die Berliner Zeitung gearbeitet und die Öffentlichkeitsarbeit der Leopoldina verstärkt. Wir freuen uns sehr!
Wir wünschen Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre! Und, ganz wichtig: Wir freuen uns über Anregungen, Hinweise und Kritik: research@table.media
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Schwerpunkt der Zukunftsstrategie Forschung und Innovation ist einerseits die Struktur des Wissenschaftssystems selbst, andererseits die Ausgestaltung der sechs Zukunftsmissionen, die bereits im Koalitionsvertrag verankert sind. Vorab beschäftigt sich das Papier mit den aktuellen Stärken und Schwächen des deutschen Wissenschafts- und Innovationssystems. Es folgt eine Beschreibung der Governance der Zukunftsstrategie selbst. Den Abschluss bildet die Wissenschaftskommunikation.
Vor allem in den Bereichen Strukturen und Missionen listet das BMBF viele Einzelziele und insbesondere Maßnahmen. Diese stehen allesamt unter einem Finanzierungsvorbehalt.
Die Strategie betrifft alle Ressorts, aber die Federführung liegt beim BMBF. Der erste Entwurf wurde am 24. Oktober 2022 vom BMBF öffentlich gemacht, zeitgleich mit dem Start eines Stakeholder-Prozesses. In dessen Rahmen konnten sich Wissenschaftsorganisationen, Hochschulen und Verbände einbringen. Die Statements haben wir hier für Sie verlinkt.
Das mit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft besetzte Forum #Zukunftsstrategie berät bei Umsetzung und Weiterentwicklung der Zukunftsstrategie. Missionsteams, in die auch andere Ministerien und Stakeholder einbezogen werden sollen, kümmern sich um die Umsetzung der Missionen.
“Deutschland war und ist ein Land des Fortschritts und der Innovation (..).” Aber: “Internationale Vergleiche zeigen, dass Deutschland in einigen Technologiefeldern nicht ohne Weiteres mit sehr innovationsstarken Ländern und Hochleistungsstandorten mithalten kann und im zukunftsweisenden Bereich der Spitzentechnologien und der Digitalisierung zurückliegt.” Der Innovationstransfer ist durch allzu viel Bürokratie begrenzt, Transfer bezieht sich meist auf technische Innovationen, soziale Neuerungen sind zu wenig im Blick.
Dieser erste Hauptteil der Zukunftsstrategie betrachtet die strukturellen Themen, die mit der Zukunftsstrategie angegangen werden sollen. Die folgende Grafik gibt einen Überblick zu den sechs dort benannten Bereichen:
Bereits im Koalitionsvertrag wurden die sechs Missionen vereinbart, die nun in der Zukunftsstrategie mit konkreteren Zielsetzungen und Maßnahmen hinterlegt sind.
Den Abschluss bildet ein kurzes Kapitel zur Wissenschaftskommunikation. Auch hier beschreibt das BMBF im Wesentlichen bereits bestehende Maßnahmen, wie zum Beispiel die #FactoryWisskomm oder die Aktivitäten rund um das Thema Citizen Science.
Seit Oktober 2022 wurden einige Punkte eingefügt, die Stakeholder vorgeschlagen haben. Auch in der Abstimmung mit den anderen Ministerien kam es zu Veränderungen. Einige Beispiele:
Im Kern einer neuen Strategie steht eine Idee – eine Vision, wo es hingehen soll. Daraus leiten sich strategische Ziele ab, die dabei helfen, der Vision ein Stück näherzukommen, sie zu verwirklichen. Dann folgen die Überführung in operative Zielsetzungen und exemplarische, priorisierte Maßnahmen.
In der Zukunftsstrategie Forschung und Innovation des BMBF kann man mit etwas gutem Willen die folgende Vision herausfiltern: Sicherstellung der Zukunftsfähigkeit des Innovationsstandortes Deutschland. Und da steckt eigentlich schon vieles von dem drin, was eben fehlt in diesem Papier. Nach vorne wird nicht gedacht. Man will “sicherstellen”.
Im Weiteren wird deutlich, dass es dem BMBF an politischem Gestaltungswillen mangelt. Strategische Ziele in den Missionen fehlen – vielleicht auch, um nicht beim BMWK oder BMG anzuecken. Aber eine pure Auflistung dessen, was man gerade fördert und auch in Zukunft weiter fördern möchte, ist noch keine Strategie.
190 Einzelziele sind benannt. Wenn sogar die allgemein nicht als zukunftsfähig angesehenen Flugtaxis als Forschungsobjekt mit aufgenommen sind, wurde offensichtlich nicht priorisiert, nicht ausgewählt.
Gerade angesichts der knapper werdenden Ressourcen – und hier ist nicht nur das Geld gemeint – ist eine Fokussierung notwendig. Und genau diese muss ein solches Papier leisten. Bettina Stark-Watzinger spricht im Vorwort von der Strategie als Kompass – dies hier ist aber einer, der in alle Richtungen gleichzeitig zeigt.
Es fehlt nicht nur die nötige Gewichtung der wichtigsten Forschungsthemen, auch strukturell greift das Papier zu kurz: Wofür steht eigentlich das BMBF? Was ist der USP des Hauses, wie grenzt es sich von anderen Ministerien ab? Was ist Sache einer europäischen Forschungsförderung und was muss national bearbeitet werden?
Interessant ist der Abschnitt zu agiler Forschungs- und Innovationspolitik. Man möchte “Förderung modernisieren und Rahmenbedingungen flexibilisieren”, etwa durch innovative Vergabeinstrumente, Förderung über Wettbewerbe oder die Vereinfachung von Rechtsvorgaben. Insbesondere die Vereinfachung der Verfahren, der Abbau der Förderbürokratie – auf Seiten des BMBF und der Geförderten – sollte ein Fokus für das Ministerium sein.
Hier kann – ganz ohne monetäre Investitionen – viel Energie freigesetzt werden. Nun werden vermehrt über Agenturen (Sprind, Dati) und Wettbewerbe Umwege gebaut, um nicht auf die klassische Schiene über Ausschreibungen der Projektträger zu gehen. Das erinnert an den Aufbau der Präsidialstrukturen in den Hochschulen. Auch dort wollte man damit die oft träge Univerwaltung umgehen. Mit dem Ergebnis, dass mit der Zeit auch die Präsidialstrukturen träge werden.
Keinen Gefallen hat man sich mit der Benennung von quantitativen Zielen getan. Viele dieser Zahlen werden kaum vom BMBF beeinflusst, oder zumindest nicht bis zum genannten Zieldatum 2025. Dass sich der Anteil der Professorinnen erhöht, ist wahrscheinlich, aber es liegt vermutlich nicht an den in der Zukunftsstrategie genannten Maßnahmen.
Viel Arbeit also für das Forum #Zukunftsstrategie mit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, die bei der Umsetzung und Weiterentwicklung der Zukunftsstrategie beraten sollen.
In einem Prüfbericht kritisiert der Bundesrechnungshof deutlich die Führungsspitze der Fraunhofer-Gesellschaft (FhG): Auf über sechzig Seiten verweisen die Prüfer aus Bonn auf deutliche Verstöße gegen rechtliche Vorgaben vor allem für Reisen, Dienstfahrzeuge, Bewirtungen und Veranstaltungen hin (wir berichteten). Gebuchte Hotels der Vorstände lagen etwa bis zu 450 Prozent über dem zulässigen Rahmen.
Deutliche Kritik übt der Rechnungshof dabei auch am Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Dieses habe über Jahre seine Kontrollfunktion vernachlässigt und den Rechnungshof jetzt in der Aufklärung der Affäre behindert. Die Herausgabe bestimmter Akten und der Zugriff auf elektronische Laufwerke für die Prüfung wurde verweigert, heißt es in dem Prüfbericht, der Table.Media vorliegt.
Selbstverständlich habe man den Bundesrechnungshof in seinen Prüftätigkeiten unterstützt, schreibt eine BMBF-Sprecherin nun an Table.Media, man habe alle angeforderten Unterlagen vorgelegt. Offenbar hat dies manchmal ein wenig länger gedauert, denn die Sprecherin ergänzt: “Dies war nicht immer zum gewünschten Zeitpunkt möglich.”
Das BMBF nehme seine Verantwortung als größter Zuwendungsgeber der FhG ernst, deshalb hat das BMBF bereits vor Fertigstellung des BRH-Berichts im Oktober 2021 damit begonnen, die Umsetzung zuwendungsrechtlicher Vorgaben in noch größerem Umfang zu prüfen als bisher und dabei auch den Vorstandsbereich einbezogen”, heißt es weiter. Zudem habe es im Oktober 2022 die Prüfung eines Teilwiderrufs der gewährten Zuwendungen an die FhG für die letzten Jahre eingeleitet.
Dem BMBF sind eine moderne Governance und tragfähige Compliance-Standards in von ihm geförderten Einrichtungen wichtig. Deshalb hat es die FhG bereits 2022 zu Verbesserungen des Compliance Management Systems aufgefordert. Was die jüngsten Erkenntnisse für die weitere Zeit von Fraunhofer-Präsident Reimund Neugebauer in seinem Amt bedeuten, kommentiert das Haus von Bettina Stark-Watzinger nicht. “Die Verantwortung für Personalangelegenheiten, welche den Vorstand der FhG betreffen, liegt nicht beim BMBF, sondern beim Senat der FhG.” nik
Eine harsche Praxis und fehlende Perspektiven beim Besserstellungsverbot (BV) für industrienahe Forschungseinrichtungen rufen die Zuse-Gemeinschaft, die DIHK und Ampelpolitiker aus den ostdeutschen Bundesländern auf den Plan. “Es gab in einigen IFE bereits Kündigungen von Spitzenpersonal und die Verunsicherung in der Belegschaft nimmt zu. Bei einem Verlust der Förderfähigkeit sind die Institute bestandsbedroht”, sagt Martin Bastian, Präsident der Zuse-Gemeinschaft, in der mit 78 Instituten der Großteil der IFE in Deutschland organisiert ist.
Vielleicht ist das sogar im Sinne der drei zuständigen Bundesministerien für Wirtschaft, Finanzen und Forschung, aus deren Umfeld man hört, dass sie von der Performance der Institute nicht in jedem Fall begeistert sind. Die zuständigen Ministerien kennen die Problematik jedenfalls schon lange, tun sich aber augenscheinlich schwer damit, den IFE eine verlässliche und langfristige Planung zu ermöglichen oder diese auch nur anzuschieben.
Im Gegenteil: Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) hatte im vergangenen Jahr angekündigt, dass IFE in diesem Jahr ihre Förderfähigkeit verlieren, wenn sie Angestellte besser bezahlen als nach TVöD vorgesehen und dafür bis zum 31. Dezember 2022 keine Ausnahmegenehmigung beim Bundesfinanzministerium (BMF) stellen. Viele Anträge wurden gestellt, bislang gibt es dazu keine Reaktion aus dem BMF.
Vielmehr habe das BMWK die Zuse-Gemeinschaft Anfang Februar informiert, dass die Übergangsfrist für Institute, die die erwähnten Ausnahmeanträge gestellt haben, bis zum 31. Dezember 2023 verlängert wurde. Eine langfristige, verlässliche Planung sei aber auch damit nicht möglich, sagt Martin Bastian. “Im Ergebnis ist es den IFE unmöglich, ihr hochqualifiziertes Personal zu halten oder gar neues zu gewinnen.”
Auch dem stellvertretenden DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks bereitet die Entwicklung Sorgen. “Mit der Deckelung von Forschergehältern auf das Niveau des öffentlichen Dienstes drohen geförderten Einrichtungen erhebliche Wettbewerbsnachteile”, warnt er. Dies gelte “für die privatwirtschaftlichen Forschungseinrichtungen selbst, für die mit ihnen verbundenen Betriebe aus dem Mittelstand und damit auch für den Forschungsstandort Deutschland insgesamt“.
Er verweist auf den DIHK-Innovationsreport, dem zufolge jedes fünfte Unternehmen Schwierigkeiten hat, geeignete Kooperationspartner in der Wissenschaft zu finden.
Bereits in der vergangenen Woche hatten die Sprecher der Landesgruppen-Ost der Ampelkoalition einen Brief an das BMWK, das BMBF und das BMF geschickt. Darin hatten sie auf die aus ihrer Sicht besonders prekäre Lage in den ostdeutschen Bundesländern hingewiesen. Hier sei die Wirtschaft noch kleinteiliger und die Unternehmen daher bei Innovationsaktivitäten auf externe Hilfe angewiesen.
Die Hintergründe:
Im Jahr 2021 veränderte das BMWK über die zuständigen Projektträger den Umgang mit dem Besserstellungsverbot. Nun wurden Tarifobergrenzen nach TVöD nicht mehr nur für die Projektbeteiligten, sondern für alle Beschäftigten – auch Geschäftsführer und Leitungspersonal – angewendet. “Uns hat das Thema Mitte 2021 erreicht, durch eine Anfrage des Projektträgers Euronorm im Zuge der Projektförderung”, sagt der Geschäftsführer der Zuse-Gemeinschaft, Klaus Jansen. Institute seien zur Offenlegung der Gehaltsstruktur aufgefordert worden.
Zu den genauen Gründen für die veränderte Praxis hält sich das BMWK bis heute bedeckt. Gegenüber Table.Media verweist ein Sprecher lediglich auf ein anderes Ressort: “Grundsätzliche Fragen des Besserstellungsverbots liegen in der Zuständigkeit des Bundesfinanzministeriums”. Eine Antwort vom BMF lag Table.Media bis Redaktionsschluss nicht vor.
Die Verantwortlichen der Zuse-Gemeinschaft sind ratlos, warum man sich in den beteiligten Ministerien überhaupt in eine derartige Zwickmühle gebracht hat. Zuse-Präsident Bastian sagt: “Das Besserstellungsverbot ist bis zu einem gewissen Grad auch Auslegungssache.” Zu den Positionen der Geschäftsführer und dem Leitungspersonal – die eher mit Geschäftsführern in der freien Wirtschaft vergleichbar seien und auch persönlich haften würden – gebe es gar keine vergleichbaren Tätigkeitsprofile im öffentlichen Dienst.
Man hätte also – nach Einschätzung der Zuse-Gemeinschaft – die alte Praxis einfach weiterlaufen lassen können, bis die Bundesregierung eine langfristige Perspektive gefunden hat. Möglicherweise haben auch rechtliche Bedenken eine Rolle gespielt, aber auch dazu gibt es keine Antwort durch die zuständigen Ministerien. Eine langfristige Ausnahme der IFE aus dem Besserstellungsverbot wäre aber machbar:
Für den Entwurf des BHG ist das BMF zuständig, das WissFG liegt in der Hand des BMBF. Beide Ministerien haben sich auf die Anfrage von Table.Media nicht zu dem Sachverhalt geäußert. Auch die Verfasser des Brandbriefs aus den ostdeutschen Bundesländern haben bislang wohl keine konkrete Antwort. Auf Nachfrage sagte Mitunterzeichnerin Paula Piechotta (Grüne): “Als Parlamentarierinnen und Parlamentarier sind wir in einem gewinnbringenden Austausch zum Thema mit den zuständigen Häusern”.
Zu der Diagnose der Zukunftsstrategie, wonach “der Innovationstransfer durch allzu viel Bürokratie begrenzt” sei, passt das zögerliche Verhalten der Ressorts nicht. Es sei denn, das Ziel ist, bewusst eine Abwanderung von Fachkräften in die institutionelle Forschung zu forcieren. Zuse-Präsident Bastian fordert: “Die Politik muss die Voraussetzungen schaffen, damit wir unseren Mitarbeitern rechtssichere und rechtskonforme Arbeitsverträge anbieten können, die konkurrenzfähig sind. Zudem sollte die Ungleichbehandlung gegenüber anderen außeruniversitären Forschungsverbünden endlich beendet werden.”
Research.Table: Herr Klein, die Bundesforschungsministerin hat in dieser Woche Kiew besucht und deutsche Hilfen für den Bereich Bildung und Forschung zugesagt. Wie funktioniert Wissenschaft im Krieg?
Eduard Klein: Im Westen der Ukraine ist die Infrastruktur nahezu intakt, nur der Strom fällt immer wieder aus. Der Süden und der Osten sind viel stärker vom Krieg betroffen. Nach ukrainischen Angaben wurden 3000 Bildungs- und Forschungseinrichtungen – von Kitas bis zu Forschungsinstituten – zerstört, vor allem in den Regionen Charkiw und Donezk. Dort ist normale Lehre und Forschung nicht mehr möglich. Hinzu kommt, dass ungefähr ein Drittel der Bevölkerung auf der Flucht ist. Acht Millionen Menschen sind ins Ausland geflohen, rund fünf Millionen sind Binnenflüchtlinge. Das macht es schwer, den Alltag an Unis und Forschungsinstituten weiterzuführen. Da im Vorfeld die Corona-Pandemie einen Digitalisierungsschub ausgelöst hatte, liegt allerdings nicht alles brach. Viele Wissenschaftler nutzen die Möglichkeit, den Betrieb so gut es geht digital aufrecht zu halten.
Welche Schwerpunkte setzt die Ukraine aktuell in der Forschung?
Klein: Die Ukraine ist in den Naturwissenschaften, etwa Physik und Mathematik und auch in der Informatik stark. Das war auch schon in der Sowjetunion so. Sozialwissenschaftliche Fakultäten mit populären Fächern wie Jura oder Wirtschaftswissenschaften wurden hingegen erst in der Zeit nach 1991 aufgebaut und sind aus internationaler Perspektive eher schwach entwickelt. In Charkiw gibt es eine einzigartige Neutronenquelle, die aber mehrfach von der russischen Armee beschossen und beschädigt wurde. Große Forschungsinfrastrukturen hat die Ukraine ansonsten eher nicht. Es gibt aber fruchtbare Kooperationen mit europäischen Ländern. Aktuelle Potenziale liegen neben dem dynamischen IT-Bereich etwa in der Landwirtschaft und den Erneuerbaren Energien. Als Großproduzent von Bioprodukten und grünem Wasserstoff könnte die Ukraine zukünftig einen relevanten Beitrag für die EU leisten. Bei solchen Transformationsprozessen hilft die Kooperation mit und die Unterstützung aus EU-Ländern.
Wie kann die Unterstützung für Forschende aus der Ukraine aussehen, die geflohen sind?
Klein: Es wurde und wird schon sehr viel gemacht. In den Tagen und Wochen nach Kriegsbeginn ist die Homepage www.scienceforukraine.eu entstanden. Dort wurden in drei Monaten mehr als 2.600 verschiedene Angebote und Stellen für Forschende ausgeschrieben, mehr als 400 davon aus Deutschland. Die großen Forschungsförderer wie DFG, Alexander von Humboldt-Stiftung und die VolkswagenStiftung haben adhoc-Programme ins Leben gerufen. Die Frage ist, wie lange das trägt – das hängt stark vom weiteren Kriegsverlauf ab. Aktuell gehen wir davon aus, dass bis zu 750 Milliarden Euro für den Wiederaufbau und die notwendige Modernisierung der Ukraine gebraucht werden. Ein relevanter Teil davon sollte in den Bereich Bildung und Wissenschaft fließen. Da kann Deutschland substanziell helfen.
Welche konkrete Unterstützung für die Forschung vor Ort ist jetzt sinnvoll?
Klein: Deutschland kann in vielen Bereichen mit Knowhow aufwarten, das die Ukraine dringend zur Modernisierung braucht. Außenministerin Annalena Baerbock war bereits vor der Invasion in der Ukraine, um das Potenzial einer Kooperation im Bereich “grüner Wasserstoff” auszuloten. Es geht aber auch darum, die berufliche Ausbildung zu stärken, die in der Ukraine einen schweren Stand hat. Da könnten Unterstützung und Knowhow aus Deutschland helfen, das hier erfolgreiche Ausbildungsmodell in der Ukraine zu etablieren. Die Ministerin hat dafür in Kiew bereits die Gründung einer Ausbildungsallianz in Aussicht gestellt.
Sie halten den Kontakt zu Forschenden vor Ort. Welche persönlichen Eindrücke haben sich festgesetzt?
Klein: Das ist schwierig zu generalisieren. Alle meine Gesprächspartner sind direkt vom Kriegsgeschehen betroffen. Sie leiden unter der Kälte und Stromausfällen. Viele haben Verwandte, Freunde oder Bekannte verloren. Und doch sind nicht alle pessimistisch, sondern sie glauben an den Sieg der Ukraine und planen schon für die Zeit danach und den Wiederaufbau. Es gibt eine große Offenheit für mehr Modernisierung. Im Moment stehen allerdings die akuten Bedürfnisse im Kriegsalltag im Vordergrund. Wir bemühen uns gerade darum, Generatoren für einige Kooperationspartner aufzutreiben.
Dr. Eduard Klein ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen und Redakteur der Ukraine-Analysen. In seiner Promotion hat er sich unter anderem mit dem ukrainischen Hochschulsektor beschäftigt.
Es war eine kurze Mitteilung, die vergangene Woche auf der Website des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) erschien. Die dort angesiedelte Zentrale Kommission für Biologische Sicherheit, so heißt es in der Fachmeldung, könne angesichts “einer Vielzahl offener Positionen in der ZKBS” keine zügige Bearbeitung von Anträgen mehr gewährleisten. So schlicht die Nachricht ist, so schwerwiegend sind ihre Konsequenzen: Für weite Bereiche der deutschen Forschung könnte sie Stillstand bedeuten.
Betroffen sind alle Forschungsvorhaben mit gentechnischen Aspekten, außerdem die Inbetriebnahmen von Laboratorien und Produktionsanlagen, in denen gentechnisch veränderte Organismen erzeugt und vermehrt werden. Damit trifft die angekündigte Verzögerung große Teile der Lebenswissenschaften – insbesondere die Erforschung von Viren, für die gentechnische Methoden unverzichtbar sind.
Nach Informationen von Table.Media scheitert eine zügige Nachbesetzung der offenen Stellen unter den Sachverständigen in der ZKBS an politischem Gerangel. Auslöser sind die vakanten Positionen zweier sachkundiger Personen für Naturschutz, die neben anderen Interessenvertretern und zusätzlich zu den Fachexperten ebenfalls der ZKBS angehören.
Das BMBF ist nach Informationen von Table.Media klar gegen eine Berufung Thens. Das Bundesumweltministerium dagegen ist schon lange mit dem Gentechnik-Kritiker verbandelt – auch finanziell. Der Tierarzt hatte vom BMU auf einen eigenen Antrag hin im Jahr 2018 eine sechsstellige Summe für die Einrichtung einer Fachstelle für Gentechnik und Umwelt am Bundesamt für Naturschutz bewilligt bekommen. Diese wird bis heute von Thens Verein Testbiotech betrieben.
Unerklärlich ist aber vor allem, warum die weitaus wichtigeren Stellen im Sachverständigenausschuss unterdessen schlicht nicht besetzt werden – sodass die Kommission ihre Aufgabe schon jetzt nicht mehr wie vorgesehen erfüllen kann. “Das ist wirklich einmalig, so etwas hat während meiner Mitgliedschaft in der Kommission noch nicht gegeben”, sagt Uwe Sonnewald von der Universität Erlangen-Nürnberg.
Sonnewald sitzt seit 1996 als Sachverständiger für Genetik in der ZKBS, seine jüngste Berufung endete im Januar. Nach eigener Aussage würde Sonnewald weitermachen oder auch gern an eine Kollegin übergeben, er hat das Ehrenamt ja schon lange inne. “Aber dass stattdessen gar nichts passiert, ist völlig inakzeptabel”, sagt der Biochemiker. Man habe gerade in den vergangenen drei Jahren gesehen, wie bedeutend die Arbeit der ZKBS zur Bewältigung von Krisen sei. Ein Großteil der Forschungsvorhaben zur Corona-Pandemie sei von der ZKBS bearbeitet worden. “Dieses Gremium in so einer Phase jetzt an den Rand der Arbeitsfähigkeit zu bringen, ist unverständlich.”
Kritisch sieht die gegenwärtige Lage auch Sonnewalds Stellvertreter im Gremium, Uwe Völker von der Universitätsmedizin Greifswald. “Es muss dringend vermieden werden, dass die ZKBS zum Spielball politischer Konflikte wird”, sagt der Biologe. Die Kommission treffe sachbezogene Entscheidungen, diese müssten weiterhin ermöglicht werden.
Im zuständigen Ministerium lässt man die Kritik jedoch abperlen. Auf die Frage, warum es nicht zu Wiederberufungen komme, sagte eine Sprecherin des BMEL, die Bundesregierung bemühe sich, in der ZKBS “auch neue Anforderungen wie das Bundesgremienbesetzungsgesetz” zu berücksichtigen. Der Verweis auf eine angestrebte geschlechterparitätische Besetzung erklärt jedoch gerade nicht, warum etwa die Wiederberufung der Virologin und vormaligen ZKBS-Vorsitzenden Sigrun Smola vom Universitätsklinikum des Saarlandes Homburg weiter anhängig ist. Auch Smolas Berufung war im Januar ausgelaufen.
Von den fünf Sachverständigen-Positionen in der Virologie sind damit bereits zwei Stellen unbesetzt, denn auch die Wiederberufung von Edgar Maiß, einem Fachmann für Pflanzenviren, der bis 2022 an der Universität Hannover lehrte, ist anhängig. Ende März läuft außerdem die Berufung des Virologie-Sachverständigen Stefan Pöhlmann vom Deutschen Primatenzentrum in Göttingen aus.
Falls die Wiederbesetzung dieser und weiterer Positionen in der ZKBS nicht umgehend erfolgt, wird eine fehlende Geschlechterparität jedenfalls das geringste Problem für die Arbeit des Gremiums sein. Ende Juni enden vier weitere Berufungen, dann dünnt die Personaldecke des eigentlich 25-köpfigen Sachverständigengremiums auf 14 Fachleute aus. Die Positionen für Virologie wären – immerhin geschlechterparitätisch – mit nur noch zwei Personen besetzt. Der Virologe Thomas Vahlenkamp von der Universität Leipzig ist jedoch zugleich Vorsitzender der ZKBS und kann daher nur eingeschränkt Anträge bearbeiten.
Die Verzögerungen für die Forschung werden also zwangsläufig zunehmen. “Das wird den Forschungsstandort Deutschland nachhaltig schädigen”, sagt Uwe Sonnewald. Der Wissenschaftler sieht auch das Gremium selbst in Mitleidenschaft gezogen. “Wir haben durch unseren verstärkten Einsatz in der Pandemie dazu beigetragen, dass die Forschung zu Sars-CoV-2 vorangeht”, sagt Sonnewald. Die jetzige Hängepartie spiegele die geringe Wertschätzung dieser Arbeit durch die Ministerien wider.
Als Folge der Corona- und dann noch der Ukraine-Krise habe sich die Finanzlage der Schiller-Universität verschlechtert, berichtet Unipräsident Walter Rosenthal. Dies habe vielfältige Ursachen und hänge nicht nur mit den Energiekosten zusammen, sondern auch damit, “dass Thüringen als kleines Bundesland nicht auf Rosen gebettet ist und über weniger Mittel etwa im Investitionsbereich verfügt als große Bundesländer”.
Im letztem und in diesem Jahr sei eine Haushaltskürzung dazugekommen. Diese globale Minderausgabe, die auch von den Hochschulen eingefordert wird, treffe die Universität Jena besonders hart, weil aktuell sehr viel in Gebäude-Neubau und Infrastruktur zu investieren sei. “Rund 50 Millionen müssen in den kommenden fünf Jahren aus unserem regulären Budget – das ja in erster Linie für Forschung und Lehre gedacht ist – für das Bauen aufgebracht werden. Zusammen mit den steigenden Energiekosten, Gehaltssteigerung, einer enormen Steigerung der Familienzulage für Beamte, bringt uns das an den Rand dessen, was wir leisten können.”
So hat man sich in Jena aufs Sparen eingestellt und einige Investitionen verschoben. “Wir erleben in unserer widersprüchlichen Welt, dass gewisse Dinge auf hohem Niveau weitergehen – wir bauen derzeit für mehrere Hundertmillionen Euro -, und weitergehen müssen, aber dass im laufenden Geschäft gespart werden muss. Das ist schwer zu vermitteln.”
Leider müsse man dies in Kauf nehmen, wenn man die Universität strategisch weiterentwickeln will. “Wir bereiten uns sehr intensiv auf die kommenden Runde der Exzellenzstrategie vor. Dafür hat die Universität Jena für Thüringer Verhältnisse viel Geld bekommen.” Dieses Geld wolle er nicht zum Stopfen von Löchern einsetzen – “abgesehen davon, dass wir das auch gar nicht dürften”.
Kritik am deutschen Wissenschaftssystem übt Rosenthal eher dezent. In der Zeit, die er überblicke, habe Deutschland einen steilen Aufstieg in der Forschung genommen. Die Spitzenforschung ist international anerkannt. “Aber: Beim Übergang von der Forschung in die Anwendung, beim Transfer auch im breiten Sinne – in die Wirtschaft, die Verwaltung und in die Gesellschaft – ist noch eine Menge zu tun. Wir haben keine guten – keine professionellen Transferstrukturen.” Deswegen sei es eine wichtige Forderung, die zum Beispiel auch von der Hochschulrektorenkonferenz gestellt wird, diese professionellen Transferstrukturen aufzubauen.
Problematisch sei, dass viele Transferkosten überwiegend über Drittmittel finanziert, werden, also durch befristete Projektfinanzierung. Daraus folge eine hohe Personalfluktuation, die nicht mit hoher Professionalität vereinbar sei. “Daher ist es eine Aufgabe der Forschungspolitik, nachhaltige professionelle Strukturen zu schaffen.” Ob dies mit der von der Bundesregierung geplanten Deutschen Agentur für Transfer und Innovation (Dati) gelingen kann, bezweifelt Rosenthal.
Transfer sei letzten Endes immer auch eine Sache des Vertrauens. Es müsse eine Transferstelle geben, die das Vertrauen der wissenschaftlichen Community an einer Hochschule hat, sodass die Forschenden sich nicht gestört fühlen, wenn jemand ihnen über die Schulter schaut und fragt, ob man ein Forschungsprojekt in Richtung Anwendung weiterführen sollte. Aber das Personal in den Transfereinheiten muss sich auch in der Industrie auskennen und dort Kontakte haben. Da sei der öffentlich-rechtliche Rahmen manchmal eine Einschränkung. In einem privatrechtlichen Rahmen könnten Personen, die aus der Industrie kommen, konkurrenzfähige Gehälter gezahlt werden; außerdem sei eine Gewinnbeteiligung möglich.
Nicht nur die Problematik des Besserstellungsverbots macht Rosenthal zu schaffen, auch das Dati-Vorhaben sieht er skeptisch: “Die von der Bundesregierung geplante Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (DATI) soll ja den Transfer auf ein neues Niveau heben. Sollten die jetzt vorliegenden Pläne umgesetzt werden, habe ich doch erhebliche Zweifel, das dies gelingt. Denn DATI soll in erster Linie niederschwellig regionale Projekte fördern. Ich meine: Zuerst müssen professionelle Strukturen geschaffen werden, dann kommen die Projekte.
Es sei zudem ein Problem in Deutschland, dass ab dem Zeitpunkt der Verwertung von Forschungsergebnissen, etwa im Rahmen einer Ausgründung, die Hochschule Gründer privatwirtschaftlich behandelt und etwa Vollkosten für Personal, Labor- und Gerätenutzung verlangt. “Nachdem die Hochschule über Jahre in ein Projekt investiert und es dadurch ausgründungsreif gemacht hat, stellt sie, nachdem das Ziel erreicht ist, nur noch Forderungen, die auch erdrückend sein können.”
Es brauche andere Übergänge von der Forschung zur Ausgründung – etwa fließende Übergänge bei der Raum- und Gerätenutzung. Aber die scheiterten oft an den Rahmenbedingungen. Angeführt werde dann immer wieder das geltende Wettbewerbsrecht. Da müssten grundsätzliche Lösungen gefunden werden, findet Rosenthal. “In anderen EU-Ländern gilt ja auch das Wettbewerbsrecht, aber der Umgang damit scheint mir gelassener zu sein.”
Das ganze Interview lesen Sie in “Was jetzt, Forschung?”. Die Publikation enthält Impulse aus den Gesprächen u. a. mit Martina Brockmeier (Leibniz), Jan Wörner (Acatech), Heyo Kroemer (Charité), Rafael Laguna de la Vera (Sprind), Volker Meyer-Guckel (Stifterverband), Georg Schütte (VolkswagenStiftung), Otmar D. Wiestler (Helmholtz-Gemeinschaft) und Dorothea Wagner (Wissenschaftsrat). Den kostenlosen Reader erhalten Sie hier.
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Viele deutsche Universitäten investieren Millionenbeträge in die Anträge für die Exzellenzstrategie von Bund und Ländern. Der Druck ist hoch, mit den Clustern beginnt eine Weichenstellung für das nächste Jahrzehnt. Der Aufwand dahinter wird jedoch kaum thematisiert.
145 Konsortien wollen zum 31. Mai 2023 einen Vorantrag für ein Exzellenzcluster bei der DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft) einreichen. Von diesen werden am 1. Februar 2024 voraussichtlich 40 bis 50 ausgewählt, die gemeinsam mit den 57 bereits bestehenden Clustern einen Vollantrag bis August 2024 stellen dürfen.
Schlussendlich können vermutlich rund 70 Exzellenzcluster gefördert werden. Viele der Universitäten investieren Millionenbeträge in die Antragsstellung. Der Druck, mit zur Elite zu gehören, ist hoch. Die Attraktivität beim Top-Personal, aber auch für Studierende steigt mit dem Etikett der “Elite”. Neben den Fördermillionen sind das in Zeiten sinkender Studierendenzahlen und des Fachkräftemangels gewichtige Argumente für ein Engagement in der Exzellenzstrategie. Das Problem: Die Ressourcen, die in die Antragsstellungen fließen, fehlen an anderer Stelle.
Nach Informationen aus den Hochschulen wurde und wird kräftig in die Anträge für die Exzellenzcluster investiert. Wer nicht zum Zuge kommt – oder noch schlimmer – seine bestehenden Cluster nicht weiter bewilligt bekommt, droht den Anschluss zu verlieren. Denn die Cluster sind die Voraussetzung für den begehrten Titel der Exzellenzuniversität.
Rund 25 bis 50 Personenmonate kommen allein für die Antragstellung in der Skizzenphase bis Mai 2023 etwa durch Principal Investigators und Wissenschaftliche Mitarbeiter zusammen – so interne Schätzungen der Hochschulen. Für den Vollantrag entsteht dann nochmal die gleiche Anzahl Stunden. Dazu kommen die Stunden für Gremiensitzungen, interne Pitches und natürlich die Overheadkosten. Teilweise wird sogar im Vorfeld in Infrastruktur investiert.
Insgesamt liegen nach diesen Schätzungen, je nach Fach, die Vollkosten pro Erstantrag bei rund 300.000 bis 500.000 Euro und bei mehr als einer Million Euro für jeden Vollantrag. Unterm Strich dürften also rund 150 Millionen Euro in die Anträge für Exzellenzcluster investiert werden. Rund die Hälfte davon ohne Erfolg.
Ein Teil der Ausgaben zählt zu den berühmten “Eh da-Kosten”. Gerade in Zeiten des Sparzwangs ist aber auch die Belastung der bestehenden Infrastruktur ein beachtenswerter Aspekt: Wichtige Aufgaben bleiben im Rennen um den Titel liegen. Dringende Reformen, um langfristig effizienter zu arbeiten, werden nicht angegangen. Gerade jetzt, wo viele besondere Herausforderungen warten. Und: Es werden auch zusätzliche Mitarbeiter für die Erarbeitung der Anträge eingestellt. Diese Mittel fehlen an anderer Stelle – zum Beispiel in der Nachwuchsförderung.
Und nicht nur die Antragsstellung kostet Geld: Allein die Begutachtung der 145 Cluster-Anträge kostet eine Menge Forschungszeit exzellenter Wissenschaftler. Ganz abgesehen von den Management-Aufgaben, die bei der DFG anfallen.
Der Generalsekretär der Volkswagenstiftung, Georg Schütte, verweist auf die positiven Effekte einer Antragsstellung, die auch für die Nicht-Geförderten entstehen. Auf Ebene der Universitäten führten gerade die Exzellenzcluster zu einer “strategischen Priorisierung”. Die Hochschulen würden im positiven Sinne angeheizt. Auf Ebene der Projekte können auch die nicht direkt erfolgreichen Ideen oft recylced werden oder führten zu neuen Kooperationen an anderer Stelle. Letztlich, sagt Schütte, werde niemand zu einer Antragsstellung gezwungen. Universitäten müssten sich die Kostenrechnung anschauen und dann eine nüchterne Analyse durchführen. Hier allerdings liege auch eine Verantwortung für die Förderer: Sowohl Aufwand als auch Ertrag müssten transparent gemacht werden. “Bei der VolkswagenStiftung wird an diesem Thema gearbeitet.”
Den Aufwand höher und den Ertrag geringer macht die Dauer des gesamten Prozesses, die auch Schütte kritisch sieht: Die Antragsentwicklung beginnt 2021, die Förderung der Cluster 2026. Fünf Jahre Wartezeit sind für innovative Projekte einfach zu lang. So erklärte zuletzt Rafael Laguna de La Vera, das deutsche Wissenschaftssystem fördere aktuell leider “alte Wissenschaft”. mw
Die Hochschulen in Deutschland wollen nicht undankbar erscheinen: Die bisherigen Maßnahmen, mit denen die Folgen der steigenden Energiekosten und der Inflation abgefedert werden sollen, helfen, erklärten sie übereinstimmend im Forschungsausschuss. Aber sie reichen nicht aus. Die Hochschulen unterstützen daher einerseits die Forderung der CDU/CSU-Fraktion, in die Härtefallregelung der Energiepreisbremse aufgenommen zu werden. Darüber hinaus wünschen sie sich ein koordiniertes Vorgehen von Bund und Ländern, um gemeinsam verlässliche Lösungen zu erarbeiten.
“Wir bitten den Bund in enger Kooperation mit den Ländern tätig zu werden”, sagte Oliver Günther, Vizepräsident der Hochschulrektorenkonferenz und Präsident der Universität Potsdam, am Mittwoch bei der Anhörung im Bundestagsausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, zu der er und weitere Expertinnen und Experten als Sachverständige eingeladen waren. Er hoffe auf eine verstärkte Koordination, etwa im Rahmen eines vom BMBF initiierten Round Tables mit Vertreterinnen und Vertretern der 16 Bundesländer.
Eine solche Round-Table–Einladung von der Bundesforschungsministerin wünscht sich auch die Allianz führender Technischer Universitäten TU9, deren Präsidentin Tanja Brühl ebenfalls als Sachverständige vor dem Ausschuss sprach. Sie begrüßte zudem den im Dezember von der CDU/CSU-Fraktion eingebrachten Antrag, die Hochschulen analog zu den außeruniversitären Forschungseinrichtungen in die Härtefallregelung der Strom- und Gaspreisbremse aufzunehmen. Dies sei eine wichtige Rückfalloption für den Fall, dass die Sparbemühungen sowie die Energiepreisbremsen keine Entlastung bringen, sagte Brühl.
Sowohl Brühl als auch Günther wünschten sich mehr Transparenz und Einheitlichkeit bei der Unterstützung der Bundesländer. Denn die genaue Höhe der auf dieser Ebene angekündigten Entlastungen ist zum einen zumeist noch unklar. Zum anderen ist das Ausmaß der Unterstützung sehr uneinheitlich. “Das bringt Wettbewerbsverzerrungen mit sich”, warnte TU9-Präsidentin Brühl.
Auf die TU9, die besonders energieintensive Forschung betreiben, kämen durch die Preissteigerungen für das Jahr 2023 Mehrbelastungen zwischen drei und 15 Millionen Euro pro Universität zu, erläuterte Brühl. An allen TU9-Standorten seien die genauen Auswirkungen der Preisbremsen noch unklar, was an den individuellen Verträgen der Universitäten liege.
In der Anhörung wurde deutlich, dass die Energiepreiskrise die Hochschulen in einem besonders ungünstigen Moment trifft:
Tanja Brühl appellierte an den Ausschuss: “Wir brauchen Unterstützung, sonst ist unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit in Gefahr.” abg
Bei einem Besuch im Laserforschungszentrum der Universität München bekräftigte Bettina Stark-Watzinger ihren Entschluss, bei der künftigen Energieversorgung auch auf Kernfusion zu setzen. Der Durchbruch der Forscher in den USA “hat gezeigt, wie vielversprechend die Fusion ist”, sagte die FDP-Politikerin. Um den stark wachsenden Strombedarf zu decken, brauche es mehr Tempo bei der angewandten Forschung, “um schnellstmöglich den Weg zu einem Kraftwerk zu ebnen”.
Vor Ort war auch das Münchner Start-up-Unternehmen Marvel Fusion, das mit der Universität an der Kernfusion arbeitet und bis 2033 das erste Kraftwerk bauen will. Gespräche mit potenziellen Industriekunden liefen, erklärte Firmenchef Moritz von der Linden. Stark-Watzinger sagte, Start-ups wie Marvel Fusion spielten jetzt eine wichtige Rolle. CEO Von der Linden forderte Technologieoffenheit von der Politik. Man solle “nicht auf ein Pferd setzen, sondern auf das Rennen”, sagte er. Das Ziel sei, “dass wir bis 2045 einen signifikanten Beitrag zur Energieversorgung leisten können“.
Eine Herausforderung seien dabei aber die strengen Vorgaben für Geldanlagen zum Beispiel von Lebensversicherungen in Deutschland und Europa. Das hemme den Geldfluss in riskantere, aber zukunftsweisende Projekte, sagte die Ministerin. In den USA arbeiten 33 Unternehmen an der Kernfusion, in Europa nur drei. Während US-Firmen Milliarden an Risikokapital erhalten, konnte Marvel Fusion nur 60 Millionen Euro einsammeln, braucht aber zum Weitermachen rasch ein Vielfaches.
Kritik an der Neuausrichtung der Fusionsforschung in Deutschland und dem wissenschaftlichen Ansatz von Marvel Fusion hatten zuletzt Forscher des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP) geäußert. Dort beschäftigt man sich mit der magnetbasierten Kernfusion. Karl Lackner, Emeritus am IPP hatte im Modell von Marvel Fusion “intrinsische Widersprüche” entdeckt. Die Wissenschaftliche Direktorin des IPP, Sybille Günter, sieht zudem in dem gefeierten Experiment amerikanischer Forscher am NIF (National Ignition Facility) “keinen ganz so großen Durchbruch auf dem Weg zu einem Fusionskraftwerk”.
Bettina Stark-Watzinger hatte schon Ende des vergangenen Jahres ambitionierte Ziele in für ein Kernfusion-Start-up geäußert. Auf die Frage, wann zum ersten Mal Strom aus einem Fusionskraftwerk ins deutsche Stromnetz fließen wird, sagte sie Mitte Dezember – zur Überraschung vieler Expertinnen und Experten – im heute-journal: “Ich sag’ mal zehn Jahre, es kann auch etwas länger dauern, aber wir müssen uns ja Ambitionen setzen.”
Seither strebt Stark-Watzinger eine massive Steigerung der Forschungsmittel für die Kernfusion an. Und schon im Frühjahr soll eine siebenköpfige Expertengruppe nicht nur Vorschläge machen, sondern gleich ein Memorandum vorlegen, wie der Weg zum ersten deutschen Fusionskraftwerk geebnet werden kann. Die Leitung übertrug die Forschungsministerin dem Physiker und Laserexperten Constantin Häfner, Chef des Fraunhofer-Instituts für Lasertechnik in Aachen. tg
Bildung. Die SWK muss an Tabus rütteln: Mit ihrem Papier, wie die Schulminister auf den Lehrermangel reagieren können, provozierte die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) die Lehrer-Lobby. Die Entrüstung war groß. Jetzt legt der Bertelsmann-Forscher Dirk Zorn nach: “Die SWK rührt an keiner Stelle an wirklichen Tabus – außer bei der Arbeitsbelastung des Personals.” Mehr
Bildung. “Schule ist nicht mehr steuerbar”: Die ehemalige BMAS-Spitzenbeamtin Julia Borggräfe will die Steuerung des deutschen Bildungssystems neu organisieren. Im Interview fordert die Unternehmensberaterin einen radikalen Perspektivwechsel: Bund und Länder müssten endlich die Schulen als echte Organisationen begreifen – und stärken. Mehr
Europe. Eva Kaili machte katarische Staatsstiftung zum STOA-Berater: Im EU-Parlament war Eva Kaili für ein Panel zur wissenschaftlichen Vorausschau zuständig. Den Vorsitz nutzte sie für ihre eigene politische Arbeit. Und sie vergab Posten an ihre Schwester sowie an die quasi-staatliche Qatar Foundation. Auch ein Baron mit engen Kontakten zu autokratischen Königshäusern stand Kaili zur Seite. Mehr
Europe. EU-USA: Grüner Freihandel soll IRA-Streit entschärfen: Bundeswirtschaftsminister Habeck und sein französischer Kollege Le Maire haben in Washington mit der US-Regierung über Auswege aus dem IRA-Subventionsstreit gesprochen. Sie bieten engere Kooperation bei Green Tech und Lieferketten an. Denn die USA schwanken zwischen Protektionismus und Abhängigkeit. Mehr.
China. Forschung mit China: Kritik an Vorschlag zu Zentralregister: Die Debatte um Risiken bei Forschungskooperationen mit chinesischen Partnern wird im Kreis der China-Experten eingehend geführt. Die Idee eines möglichen Zentralregisters kommt dabei nicht bei allen gut an, da so Forschende zur Zielscheibe des chinesischen Staatsapparats werden könnten. Einig ist man sich jedoch an anderer Stelle. Mehr
SZ – Wie man Meetings besser aushält: Rund 65 Milliarden Euro gingen der deutschen Wirtschaft pro Jahr durch 4,7 Milliarden Stunden vergeudete Zeit in Meetings verloren, schätzt die Terminabsprache-Firma Doodle. Die Meeting-Forschung hat folgende Tipps: Alle Meetings streichen, die nur Infos vermitteln (lieber Mail schicken). Nie mehr als acht Menschen einladen (Zwei-Pizza-Regel von Jeff Bezos). Heterogene Teams sind innovativer. Zeitdruck in Meetings erhöht die Produktivität. Hybride Treffen sind ein kognitiver Overload. Wochenmeetings am besten dienstags oder mittwochs. Menschen sind mittags am produktivsten. Jammer-Zirkel unterbinden, Humor und Lachen nicht. Bei Videokonferenzen die Kameras anstellen. Das Meeting pünktlich beenden. Wenn niemand nach einem Meeting Hausaufgaben hat, war es überflüssig. Mehr
Zeit – Das Ende unserer Herrschaft: Uwe Jean Heuser hat mit Zukunftsforscher Jeremy Rifkin telefoniert, der ein 360 Seiten starkes Buch über das mögliche Gelingen der Klimawende geschrieben hat. Der US-Visionär, der bereits erfolgreich die Bedeutung der Gentechnik, des Internets und der Wasserstoffwirtschaft vorausgesagt hatte, sieht nun im Wirken der Generation Z eine mögliche Trendwende gekommen. Die jungen Menschen hätten die Abgrenzung durch ideologische, ökonomische oder religiöse Unterschiede hinter sich gelassen und eine gemeinsame Identität: Sie haben die Klassenzimmer verlassen und den Klimanotstand erklärt. Die Generation Z betrachte sich als gefährdete Spezies – und begreife den Menschen als Teil der Natur. Endlich, findet Rifkin. Mehr
Heise.de – Autonome Autos: Ethischer Algorithmus soll Risiko vor Unfällen abwägen: Eine deutsche Forschungsgruppe hat einen Algorithmus für autonome Autos entwickelt, der auf Basis von fünf Prinzipien das Risiko vor Unfällen minimieren soll: Das akzeptable Maximalrisiko eines Manövers, den besonderen Schutz der gegebenenfalls am schlimmsten Betroffenen, die Gleichbehandlung aller Menschen, die Minimierung des Gesamtrisikos und die Eigenverantwortung der Verkehrsteilnehmenden. Die genaue Gewichtung der Prinzipien müsse gesellschaftlich geklärt werden, fordern die drei. Experten sind skeptisch, ob damit Dilemmata aufgelöst werden können. Mehr
Riffreporter – Lithium für die Batteriefertigung: Gefragter Rohstoff aus dem heimischen Untergrund: Das für Batterien von Elektroautos und Solarspeicher benötigte Leichtmetall könnte auch in Deutschland gefördert werden. Es kommt etwa in Thermalwasser im Oberrheingraben und Teilen Norddeutschlands vor. Berechnungen zufolge ließen sich damit zwei bis 13 Prozent des heimischen Bedarfs decken. Europa könnte sich sogar zu rund 30 Prozent selbst mit Lithium versorgen. Mehr
Spiegel – Urteil zu Züchtungstechnik: Bestrahlung von Pflanzenzellen im Labor ist keine Gentechnik: Um neue Getreide- oder Gemüsesorten zu züchten, werden Zellen mitunter mit Chemikalien oder Strahlen behandelt. Bisher fällt diese Technik nicht unter das strenge EU-Recht zur Gentechnik. Der Europäische Gerichtshof urteilte nun, dass so entstandene Pflanzen auch weiter nicht als gentechnisch verändert reguliert werden sollten. Damit besteht etwa keine Kennzeichnungspflicht im Supermarkt. Mehr
Die Aufgabe von Claudia Labisch ist, niemanden zu vergessen. Als Leiterin des Europa-Büros der Leibniz-Gemeinschaft vertritt sie in Brüssel die Interessen von 97 eigenständigen, deutschen Leibniz-Forschungsinstituten. Nicht immer einfach, die größtmögliche Schnittmenge aller Institute zu finden, denn deren Forschungsgebiete reichen von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften hin zu den Geisteswissenschaften.
Ein zentrales Betätigungsfeld für Claudia Labisch sind die Förderprogramme der EU, vor allem die Begleitung des Forschungsrahmenprogramms Horizon Europe (Laufzeit 2021-2027, Budget: 95,5 Millionen Euro), die sie mit vier Mitarbeiterinnen organisiert. “Es läuft gerade die Konsultation der Europäischen Kommission zur Zwischenevaluation von Horizon Europe. Dafür erarbeiten wir unser Positionspapier zu Erfahrungen, Forderungen und Empfehlungen der Leibniz-Institute”, sagt Labisch.
Plant die EU-Kommission konkrete Gesetzesvorhaben, muss Labisch, ausgebildete Übersetzerin für Englisch und Französisch, immer im Blick haben, welchen Forschungsbereich und welche Institute diese betreffen könnte. Sie bemüht sich darum, die Interessen der verschiedenen Einrichtungen und Bereiche in die Gesetzgebungsverfahren einfließen zu lassen.
Dabei schließt sie auch Allianzen mit anderen europäischen Forschungsorganisationen, um so gemeinsame Positionen zu erarbeiten und zu vertreten.
Mit Sorge beobachtet sie, dass Krisen oft auch nachhaltig die politische Agenda im Bereich der Forschung bestimmen. So lasse der Krieg in der Ukraine auch die Forschung nicht unberührt. “Institute, die auf hohe Rechenleistungen oder sehr energieintensive Reinräume angewiesen sind, tragen schwer an den steigenden Strom- und Gaspreisen”, sagt Labisch. Dazu kämen noch steigende Personalkosten und die Inflation. “Die Grundfinanzierung vieler Projekte ist gefährdet und sie müssen im schlechtesten Fall eingestellt werden.”
Die Forschung nachhaltig beeinflusst habe auch die Wirtschaftskrise 2008. Der Fokus sei seitdem verstärkt auf Industrie- und Technologieförderung gelegt worden, denn es sollten schnell konkrete Ergebnisse geliefert werden, um die Wirtschaft wieder zu stärken. “Das geht bis heute zulasten der Lebens- oder Sozialwissenschaften und der erkenntnisorientierten Grundlagenforschung im Allgemeinen. Deren Ergebnisse sind oft nicht unmittelbar erkenn- oder verwertbar, sondern eher von langfristiger Bedeutung”, erklärt Labisch.
Dazu kommt: In der Zeit der multiplen Krisen sparen die Mitgliedsländer oftmals zuerst bei der Forschung. Das führe zum einen dazu, dass die Konkurrenz um EU-Gelder härter werde. “Zum anderen brauchen gerade junge EU-Forschungsinfrastrukturen, also über Landesgrenzen hinweg vernetzte Institute, genau jetzt finanzielle Zusagen der Mitgliedstaaten, sonst haben sie als europäisches Projekt keine Chance”, sagt Labisch.
Als Beispiele dieser Projekte nennt Labisch Sonnenteleskope, Windkanäle oder riesige Biodiversitätsdatenbanken, die mithilfe von EU-Geldern aufgebaut und europaweit zur Nutzung zur Verfügung gestellt werden. “Zukünftig wird es vermutlich schwer für die Mitgliedstaaten, neue Infrastrukturen aufzubauen, wenn das Geld knapp ist” sagt Labisch.
Neben der Interessensvertretung in der Brüsseler Politik, gehört es auch zu Labischs Aufgaben, den Leibniz-Instituten in Deutschland das “System Brüssel” zu erklären und strategisch beratend zur Seite zu stehen. “Das wird dann relevant, wenn die Institute EU-Fördergelder beantragen oder EU-Expertise am Forschungsstandort aufbauen wollen.” Lisa-Martina Klein
Tracy Kivell ist seit dem 1. Februar 2023 Direktorin am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und leitet dort die neue Abteilung für Menschliche Ursprünge. Die kanadische Paläoanthropologin forschte zuvor an der University of Kent in Großbritannien, wo sie eine Professur für Biologische Anthropologie innehat.
Michelle Donelan ist im Zuge einer Kabinettsumbildung seit dem 7. Februar 2023 neue britische Ministerin für Wissenschaft, Innovation und Technologie. Sie hat an der University of York Geschichte und Politik studiert und war zuvor Ministerin für Digitales, Kultur, Medien und Sport.
Volker Tolkmitt tritt am 15. Februar 2023 sein neues Amt als Rektor der Hochschule Mittweida an, wo er seit 2017 bereits Prorektor war und seit 2013 die Professur für Allgemeine Betriebswirtschaft, insb. Risiko- und Finanzmanagement innehat.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie uns gerne einen Hinweis für diese Rubrik an research@table.media!
Seit 2016 ringen fortschrittliche Teile der deutschen Forschungsszene um eine unabhängige Agentur für radikale Innovationen. Zu ihnen zählt Henning Kagermann, ehemaliger Acatech-Chef und seit vielen Jahren nicht nur Mahner für, sondern auch Treiber von technologischem Fortschritt. Natürlich auch Dietmar Harhoff, ehemaliger Chef der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) und Martin Stratmann, Max-Planck-Präsident, beides kühle Analytiker der deutschen Innovationsszene.
Sie alle einte der Wunsch, nicht nur tayloristisch eine “Lücke im Forschungssystem”, nämlich das Fehlen disruptiver Innovationen, zu schließen, sondern Deutschland wieder an die Spitze der Innovationsnationen zu bringen. Doch seit über sechs Jahren quält sich Deutschland, quälen sich insbesondere Deutschlands Politiker, mit dieser Agentur. Sie wurde zwar 2019 gegründet, aber sie war von Beginn an ein David, dessen Hände und Füße gefesselt waren und der trotzdem ohne Schleuder in den Kampf gegen die Goliaths dieser Welt geschickt wurde. Das legalistische Konstrukt war und ist so böse gestrickt, dass sich Innovatoren zuerst selbst enteignen müssen, um dann in einer staatsfinanzierten Forschungsgesellschaft Geld zu erhalten.
Als Staatssekretär kämpfte ich hartnäckig für die Unabhängigkeit der Agentur. Um was ging es dabei?
Dieses Ringen um Freiheit ist, wenn man es grundsätzlicher denkt, ein Ringen um exterritoriale Räume für Innovation in einer Deutschland AG der Forschung. Und diese Räume braucht es, um aus dem “Innovators Dilemma” auszubrechen, das der leider viel zu früh verstorbene Clayton Christensen beschrieben hat.
Danach werden erfolgsverwöhnte Institutionen immer inkrementeller statt radikaler in ihrer Innovationskraft. Es gelingt ihnen nicht, beides zu erhalten: “Strukturen der Neugierde und radikaler Veränderung” und solche der Effizienzoptimierung des Bestehenden. Diese sogenannte Ambidextrie (“Beidhändigkeit”) wurde bereits von zahlreichen Organisationswissenschaftlern (von J.G. March 1991 über M.L. Tushman und C.A. O’Reilly 1996 bis J. Birkinshaw, 2016) erforscht.
Dass dies über die Sprind hinaus auf weitere Teile des deutschen Forschungssystems übertragen werden kann, sieht der heutige Chef der Expertenkommission Forschung und Innovation, Uwe Cantner nicht. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Harhoff, der für dezentrale autonome Forschungsagenturen plädiert, glaubt Cantner an die Sisyphus-Arbeit der Reform der öffentlichen Verwaltung des Forschungssystems.
Da befindet er sich faktisch – ob auch subjektiv sei dahingestellt – in einer unheiligen Allianz. Forschungspolitikerinnen- und politiker, diskret voran SPD-Haushälterin Wiebke Esdar, versperren so zusammen mit bürokratischen Kräften im Finanzministerium Innovationsagenturen wie der Sprind die nötigen Freiheitsräume. Sie setzen lieber auf dosierte, inkrementelle und ministeriell beaufsichtigte Veränderungsschritte. In Wirklichkeit ist dies mikropolitisch gesteuerte Innovationsaktivität.
Ganz anders jüngst Großbritannien: Dort hat der britische Wissenschaftsminister George Freeman vergangene Woche die Gründung der Advanced Research and Invention Agency (Aria) als unabhängige staatliche Institution bekannt gegeben. Arias Budget beträgt 800 Millionen Pfund für vier Jahre, die recht frei ausgeben werden können. Der britische Staat vertraue auf die Experten der Agency, die über die Auswahl förderfähiger Projekte entscheiden, erklärte Freeman – eine Spitze gegen deutsche Innovationspolitik. Die bloße Ankündigung ist natürlich noch keine Realität, das wissen wir alle. Aber ein solcher Freiheitsgrad wurde in Deutschland nicht einmal angekündigt.
Darum: “Innovating Innovation”: Deutschland wird nur erfolgreich sein, wenn es als Antwort auf reformresistente staatliche Förderpolitik echte Freiheitsräume für Innovation schafft.
Exterritoriale Strukturen jenseits bisheriger Logik! Das beginnt mit Makerspaces an deutschen Schulen, geht über unabhängige Innovationsagenturen wie Sprind oder “Dati” bis hin zur Förderung von Deep-Tech-Regionen analog den britischen University Enterprise Zones wie in Cambridge und Manchester. So wie viele Firmen heute schon mit ihren Innovation Hubs experimentieren!