Table.Briefing: Research

EU-Forschungspolitik: Die Agenda der neuen Legislatur + Tirana exklusiv: Bologna-Kommuniquè + Etatkürzungen in den Niederlanden

Liebe Leserin, lieber Leser,

politische Aussagen, seien sie privat oder dienstlich, sind sehr sorgsam zu wählen, mahnt die Berliner Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra. Der Rat der SPD-Politikerin richtete sich in diesem Fall an die Vertreterinnen und Vertreter der Berliner Hochschullandschaft, insbesondere aber an die Präsidentin der TU Berlin (TUB), Geraldine Rauch. Diese war in die Schlagzeilen geraten, weil sie auf der Plattform X antisemitische Tweets mit “Gefällt mir” markiert hatte, die die Situation in Gaza und Rafah aufgreifen.

Am Mittwochnachmittag erklärte Rauch, dass sie sich von Inhalten und Autoren der Tweets distanziere. Einen der Tweets habe sie wegen seines Textes geliked und das darunter gepostete Bild zum Zeitpunkt des Likes nicht genauer betrachtet. “Dies war ein Fehler, für den ich mich aufrichtig entschuldigen möchte, da dieses Bild Symbole nutzt und Gleichsetzungen verwendet, die ich mir nicht zu eigen mache und die ich entschieden ablehne.” Ob die Angelegenheit damit vom Tisch ist, wird sich zeigen. Die Mitglieder des TUB-Präsidiums hatten sich in einem eigenen Statement von Rauchs Handlung distanziert, von einem “inakzeptablen Fehler” ist die Rede.

25 Jahre nach dem Start des Bologna-Prozesses zur Vereinheitlichung von Studiengängen und -abschlüssen in Europa ist eines der Hauptziele in vielen Ländern der European Higher Education Area (EHEA) nicht vollständig erreicht. Viele EHEA-Länder verfehlen die Vorgabe der Bologna-Reform, nach denen mindestens 20 Prozent der Hochschulabsolventinnen und -absolventen studienbezogene Auslandserfahrung gesammelt haben sollten.

Auf der laufenden Ministerkonferenz der EHEA in Tirana wird gerade ein Kommuniqué erstellt, das am heutigen Donnerstag auch von Jakob von Weizsäcker unterzeichnet werden soll. Der saarländische Wissenschaftsminister ist als Vertreter Deutschlands vor Ort. In einem Entwurf des Kommuniqués, der Table.Briefings exklusiv vorliegt, wird neben alten Forderungen, wie dem weiteren Ausbau der Mobilität in Europa, auch eine Wertegemeinschaft beschworen. Mein Kollege Tim Gabel berichtet. 

Wir wünschen eine erhellende Lektüre,

Ihre
Anne Brüning
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Analyse

Europawahl: Was in der EU im Bereich Forschung und Innovation in der nächsten Legislatur ansteht

Noch bis 2027 läuft Horizon Europe, das aktuelle neunte Rahmenprogramm für Forschung und Innovation der EU, das ein Budget von 95 Milliarden Euro hat. Wie der Nachfolger heißen und wie groß sein Budget sein wird, wird die neue EU-Kommission vorschlagen. “Die wichtigste Voraussetzung dafür ist, dass der gesamte EU-Haushalt feststeht, der mehrjährige Finanzrahmen für den Zeitraum 2028 bis 2034. Der Vorschlag der EU-Kommission dazu soll Mitte 2025 vorliegen”, sagt Victoria Reichl, Leiterin des Brüsseler Büros der Kooperationsstelle EU der Wissenschaftsorganisationen (KoWi), einer Serviceplattform für die großen deutschen Wissenschaftsorganisationen.

Parallel dazu sei im nächsten Sommer der Kommissionsvorschlag für das zehnte Rahmenprogramm für Forschung und Innovation (FP10) zu erwarten, das ebenfalls von 2028 bis 2034 läuft. Mitglieder des EU-Parlaments sowie viele europäische Stakeholder-Verbände haben sich hinsichtlich des Budgets von FP10 bereits positioniert: Sie halten eine deutliche Erhöhung für erforderlich – auf 200 Milliarden Euro. Diese Verdopplung im Vergleich zu Horizon Europe hält Reichl jedoch für schwer realisierbar. Von den Mitgliedstaaten würden in ihren bisherigen Positionierungen zu FP10 derzeit bewusst noch keine Zahlen genannt oder konkrete budgetäre Forderungen gestellt, schließlich liege die politische Entscheidung über die Ausgestaltung des nächsten EU-Finanzrahmens in der Hand der europäischen Staats- und Regierungschefs.

Was sich für das neue Forschungsrahmenprogramm abzeichnet

Inhaltlich positionieren sich die Staaten derzeit aber sehr wohl schon zu FP10. Dänemark und Lettland haben das bereits recht früh getan und dabei unter anderem eine Debatte über die Auflösung des Europäischen Instituts für Innovation und Technologie (EIT) angestoßen, das ebenfalls zum Forschungsrahmenprogramm gehört und inhaltliche Überschneidungen mit dem European Innovation Council (EIC) aufweist.

Zu den Ländern, die früh Stellung zu FP10 bezogen haben, gehört auch Deutschland mit dem am vergangenen Donnerstag veröffentlichten Diskussionspapier des BMBF. Es plädiert unter anderem für eine Stärkung der europäischen Sicherheit, etwa durch komplementäre Förderung und Synergien zwischen ziviler und militärischer Forschung. Am gestrigen Mittwoch hat auch die DFG ein Positionspapier zu FP10 veröffentlicht.

Debatte über Dual Use in Europa

Der Umgang mit dem Dual Use-Potenzial von Forschung werde in der nächsten Legislaturperiode weiterhin ein wichtiges Thema sein, sagt Reichl. Die EU-Kommission hat dazu Anfang 2024 das Weißbuch “Optionen für eine verstärkte Unterstützung von Forschung und Entwicklung zu Technologien mit potenziell doppeltem Verwendungszweck” vorgelegt. Darin werden drei Wege aufgezeigt, wie sich die EU-Finanzierungsprogramme an die veränderten geopolitischen Bedingungen anpassen lassen.

Einer davon wäre, von dem bisher ausschließlich zivilen Charakter des Rahmenprogramms abzurücken. “Dies hätte natürlich Auswirkungen auf den Europäischen Verteidigungsfonds, der bisher ein separates spezifisches Programm in Horizon Europe ist”, sagt Reichl.

ERC: Maria Leptins erste Amtszeit endet im Herbst 2025

Grundlegende Änderungen hinsichtlich der Struktur des Rahmenprogramms zeichneten sich bisher nicht ab, eher eine grundsätzliche Kontinuität der Programme innerhalb der drei Säulen. “Absehbar ist aber eine Debatte über mehr Durchlässigkeit zwischen den Säulen”, sagt Reichl.

Vor allem die Förderung exzellenter Grundlagenforschung durch den European Research Council (ERC) in der ersten Säule steht aus ihrer Sicht fest, denn sie ist allgemein anerkannt und hochgeschätzt. Personell wird es interessant, wenn im Herbst 2025 die vierjährige erste Amtszeit der ERC-Präsidentin Maria Leptin endet, wobei eine zweite Amtszeit möglich wäre. 

Jenseits des FP10 sieht die Leiterin des Brüsseler KoWi-Büros einige weitere forschungspolitische Themen und Entscheidungen auf der Agenda der nächsten EU-Kommission:

  • Europäischer Forschungsraum: Anfang 2025 soll die neue Policy Agenda für die European Research Area (ERA) präsentiert werden. Sie definiert für die kommenden drei Jahre zentrale forschungspolitische Aktivitäten. “Die Kommission diskutiert dazu vorab mit den Mitgliedstaaten und Stakeholdern, welche Themen neu dazukommen und welche fortgesetzt werden”, erläutert Reichl. Zur aktuellen ERA Policy Agenda gehört beispielsweise die Reform der Forschungsbewertung (CoaARA).
  • Forschungsfreiheit: Dieses Thema steht auch auf der aktuellen ERA Policy Agenda. Das Parlament hat sich damit sehr ausführlich befasst, federführend war der CDU-Abgeordnete Christian Ehler. “Die Kommission will nun in einer Studie die Situation der Forschungsfreiheit – de jure und de facto – in den einzelnen Mitgliedstaaten und im Vergleich mit Drittstaaten untersuchen lassen. Danach wird vermutlich überlegt, ob man legislativ tätig werden will und kann, so wie das Europäische Parlament es bereits gefordert hatte”, sagt Reichl.
  • Forschungsinfrastrukturen: 2025 ist die nächste Roadmap des Europäischen Strategieforums für Forschungsinfrastrukturen (ESFRI) zu erwarten. Darin wird festgehalten, welche paneuropäischen Infrastrukturen gefördert werden. Das BMBF wird in Vorbereitung dazu noch im Sommer ein Priorisierungsverfahren auf nationaler Ebene für Forschungsinfrastrukturen (FIS) starten, damit die deutsche FIS-Roadmap mit dem ESFRI-Prozess synchronisiert werden kann.
  • Künstliche Intelligenz: Die EU hat Ende Mai endgültig den AI Act beschlossen. Allerdings wird die Entwicklung beziehungsweise Nutzung von KI-Technologien rein zu Forschungszwecken darin nicht geregelt. Es gibt jedoch bereits EU-Guidelines zum Einsatz von KI in der Forschung. “In Brüssel wird nun diskutiert, ob diese Richtlinien ausreichend sind”, sagt Reichl.

Werden die Generaldirektionen Forschung und Bildung weiter gemeinsam politisch geleitet?

Wichtig für die EU-Forschungspolitik werden auch der Zuschnitt und die Zuständigkeiten innerhalb der EU-Kommission. Nach den letzten Europawahlen im Jahr 2019 hat Mariya Gabriel als EU-Forschungskommissarin erstmals zwei Generaldirektionen geleitet: die für Forschung und Innovation sowie die für Bildung. Sowohl Gabriel als auch ihre Nachfolgerin Iliana Ivanova waren beziehungsweise sind dabei insgesamt sogar für fünf Bereiche zuständig: Innovation, Forschung, Kultur, Bildung und Jugend.

Weil forschungsrelevante EU-Programmlinien wie das EIT und die Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen auch zuvor in der Zuständigkeit der Generaldirektion Bildung waren, gebe es durchaus Argumente für diese Zusammenlegung, sagt Reichl. Insgesamt hatte man sich mehr Synergieeffekte zwischen den EU-Bildungs- und Forschungsprogrammen erhofft. Sie hört jedoch auch Kritik an der derzeitigen Kombination. Reichl: “Letztlich ist das eine politische Entscheidung, die die nächste EU-Kommission zu treffen hat.” Im Dezember soll das neue Kollegium der Kommissionsmitglieder vorgestellt werden. Dann steht auch fest, wer sich auf EU-Ebene um Forschungsbelange kümmern wird und was noch zu diesem Portfolio gehören wird.

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Ministerkonferenz in Tirana: Was sich die Bologna-Länder für die Zukunft vornehmen

25 Jahre nach dem Start des Bologna-Prozesses zur Vereinheitlichung von Studiengängen und -abschlüssen in Europa ist eines der Hauptziele in vielen Ländern der European Higher Education Area (EHEA) nicht vollständig erreicht. Trotz deutlicher Fortschritte verfehlen viele EHEA-Länder die Vorgabe der Bologna-Reform, nach denen mindestens 20 Prozent der Hochschulabsolventinnen und -absolventen studienbezogene Auslandserfahrung gesammelt haben sollten.

Ein aktueller Bericht der Europäischen Kommission weist aus, dass die meisten Bologna-Länder – darunter Deutschland – diese Messlatte reißen. Nach den aktuellen Zahlen aus dem Jahr 2020/21 haben bislang nur rund 17 Prozent der deutschen Studierenden mindestens drei Monate Auslandserfahrung gesammelt, in Frankreich liegt der Wert im gleichen Zeitraum immerhin bei 19 Prozent. Insgesamt erreichen nur vier der 29 Länder der EHEA überhaupt das 20-Prozent-Ziel. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sieht als Grund dafür die “unzureichende Studienfinanzierung“.

Bund und Länder setzen sich ambitionierte Mobilitätsziele

“Einen Auslandsaufenthalt muss man sich schlicht leisten können”, sagt GEW-Vize Andreas Keller im Gespräch mit Table.Briefings, “das können viele Studierende aber nicht.” In Deutschland müssten Bund und Länder die soziale Dimension des europäischen Hochschulraums ernst nehmen, BAföG und Mobilitätsstipendien ausbauen. Mit Blick auf die aktuell laufende Ministerkonferenz der EHEA in Tirana, forderte Keller aus der albanischen Hauptstadt, dass Deutschland das Kommuniqué ernst nimmt, das am heutigen Donnerstag auch von Jakob von Weizsäcker unterzeichnet werden soll. Der saarländische Wissenschaftsminister ist als Vertreter Deutschlands vor Ort.

Auf Anfrage von Table.Briefings verweist von Weizsäcker mit Blick auf das Mobilitätsziel auf die Einschränkungen der Covid-19 Pandemie und die Auswirkungen des Angriffskrieges gegen die Ukraine. Vor dem Hintergrund, dass sich virtuelle Lehrangebote dynamisch entwickelt hätten – die nicht mit in die Auswertung einfließen (Anm. d. Red.) -, “wurde das Ziel von 20 Prozent in Deutschland knapp verfehlt. Aber wir liegen mit 17 Prozent deutlich über dem EU-Durchschnitt”.

Länder des Bologna-Prozesses betonen fundamentale Grundwerte

Gemeinsames Ziel der EHEA-Staaten müsse weiter sein, die grenzüberschreitende Mobilität im Studium zu erhöhen. “Darum geht es auch bei der Aktualisierung der gemeinsamen Internationalisierungsstrategie von Bund und Ländern, die sich auf der Zielgeraden befindet”. Nach Informationen von Table.Briefings sehen Bund und Länder darin sogar ein Ziel von 33 Prozent internationaler Mobilität vor. Deutschland sei schon heute in der absoluten Spitzengruppe der beliebtesten Länder für internationale Studierende, sagt von Weizsäcker.

Mit Blick auf die Karriereperspektiven für Lehrende an Hochschulen, weist Andreas Keller darauf hin, dass es den europäischen Bildungsgewerkschaften gelungen sei, das Ziel attraktiver Beschäftigungsbedingungen in den Entwurf für das Tiranaer Kommuniqué aufzunehmen. Immer mehr Zeitverträge mit immer kürzeren Laufzeiten, lange und steinige Karrierewege – fast nirgendwo in Europa ist der Handlungsbedarf so groß wie in Deutschland. “Bund und Länder müssen auch diesen Teil der Verpflichtungen aus dem Kommuniqué beherzt angehen”, forderte der GEW-Hochschulexperte.

Wissenschaftsfreiheit soll in der EHEA messbar werden

In einem Entwurf des Tiranaer Kommuniqués, das Table.Briefings exklusiv vorliegt, wird neben alten Forderungen, wie dem weiteren Ausbau der Mobilität in Europa, auch eine Wertegemeinschaft beschworen. Angesichts der Zeitenwende und der globalen Krisen wollen die EHEA-Länder mit dem Abschlussdokument auch ihre fundamentalen Grundwerte stärker betonen, also etwa Wissenschaftsfreiheit, Hochschulautonomie, aber auch die Mitbestimmung von Studierenden und Beschäftigten.

“Neu ist zudem, dass für diese Grundwerte ein Kriterienrahmen entwickelt werden soll, der messbar macht, ob sie wirklich eingehalten werden”, sagt Andreas Keller. So ließe sich einordnen, wo die Länder stehen und wie die Implementierung vorangeht. “Wir werden in Zukunft sehr genau erfahren, wie es die einzelnen Länder mit der Wissenschaftsfreiheit und der Mitbestimmung halten.” Der Bologna-Prozess sei zwar grundsätzlich unverbindlich, aber durch eine quantitative Auswertung könne der Druck auf die einzelnen Staaten erhöht werden.

Solidarität mit Ukraine ebenfalls Teil des Abschlusspapiers

“Basis des Europäischen Hochschulraums sind unsere gemeinsamen, von allen Mitgliedsstaaten geteilten Werte”, sagt dazu Jakob von Weizsäcker. Mit Blick auf die Phase nach der letzten Konferenz der EHEA Minister in Rom im Jahr 2020, sei die Suspendierung Russlands und Belarus aus den Gremien des Europäischen Hochschulraums ein großer Einschnitt gewesen. In Folge des Angriffskrieges gegen die Ukraine aber ein folgerichtiger. “Wir stehen an der Seite der Ukraine und versichern den Menschen unsere Solidarität. Auch dies wird Gegenstand des Tiranaer Kommuniqués sein.”

Der Bologna-Prozess ist und bleibe ein Katalysator für die Schaffung eines attraktiven und die Mobilität fördernden Europäischen Hochschulraums, sagt von Weizsäcker. “25 Jahre Bologna steht für ein Europa, das zusammenwächst, für eine ganze Generation junger Studierender, deren akademischer und kultureller Horizont sich durch die internationale Erfahrung geweitet hat.” Der europäische Hochschulraum sei dabei eine “wissenschaftliche Schicksalsgemeinschaft”, die die drängenden Herausforderungen unserer Zeit wie Digitalisierung und Dekarbonisierung gemeinsam und als Wertegemeinschaft angehen müsse.

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Termine

30. Mai 2024, 19:00 Uhr, BBAW, Akademiegebäude am Gendarmenmarkt, Leibniz-Saal, Markgrafenstraße 38, 10117 Berlin
Gedenkveranstaltung Würdigung der Person und des Wirkens von Gert G. Wagner für Wissenschaft, Dateninfrastruktur, Politikberatung und Wissenstransfer – Evidence Based Policy Mehr

3. Juni 2024, 18:00 bis 19:45 Uhr, Leopoldina, Jägerberg 1, 06108 Halle (Saale)
Dialogveranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) Europas Populisten im Aufwind: Ökonomische Ursachen und demokratische Herausforderungen Mehr

5. bis 7. Juni 2024, Berlin und online
Veranstaltung zur (digitalen) Zukunft der akademischen Bildung. University Future Festival: “Tales of Tomorrow” Mehr

7. Juni 2024, 9:30 bis 18:00 Uhr, Vertretung des Landes Sachsen-Anhalt beim Bund, Luisenstraße 18, 10117 Berlin
Workshop der Leopoldina Überregulierung der Wissenschaft Mehr

15. Juni 2024, Konzerthaus Berlin am Gendarmenmarkt, 10117 Berlin
Leibniztag 2024 Festsitzung Mehr

News

Investitionen in KI: Warum der EU-Rechnungshof der Kommission ein schlechtes Zeugnis ausstellt

Der Europäische Rechnungshof stellt der Kommission ein ausreichendes bis mangelhaftes Zeugnis aus für ihre Leistungen beim Aufbau eines wettbewerbsfähigen Ökosystems für Künstliche Intelligenz. Trotz erheblicher Bemühungen und Investitionen könne die EU nicht mit führenden globalen Akteuren Schritt halten, urteilen die Prüfer in einem aktuellen Bericht. Sie kritisieren, dass die Maßnahmen der Kommission und der Mitgliedstaaten nur begrenzte Auswirkungen auf die Entwicklung des KI-Ökosystems hatten.

“Umfangreiche und zielgerichtete Investitionen in KI werden in den kommenden Jahren entscheidenden Einfluss auf das Wirtschaftswachstum in der EU haben”, sagt Mihails Kozlovs. Er ist das für die Prüfung zuständige Mitglied des Europäischen Rechnungshofs. Im Wettlauf um KI bestehe die Gefahr, dass der Gewinner am Ende alles bekomme. “Um die ehrgeizigen EU-Ziele zu erreichen, müssen die Europäische Kommission und die EU-Länder ihre Kräfte wirksamer bündeln, schneller handeln und das Potenzial der EU besser nutzen“, sagt Kozlovs. Nur dann könne diese große technologische Revolution erfolgreich gemeistert werden.

Europa hinkt bei KI-Investitionen hinterher

Seit 2018 verfolgt die EU ehrgeizige Pläne zur Förderung von KI-Technologien, um eine globale Führungsrolle zu übernehmen. Diese Pläne sollten die Investitionen in KI erhöhen und das Regelungsumfeld anpassen. Dennoch blieben die Investitionen hinter den Erwartungen zurück. Kommission und Mitgliedstaaten hätten ihre Maßnahmen nicht wirksam koordiniert, da der Kommission die erforderlichen Governance-Instrumente und aktuellen Zielvorgaben fehlten, heißt es im Bericht.

Ein bedeutendes Problem sind verzögerte Infrastrukturprojekte. Viele Projekte, die kleine und mittlere Unternehmen (KMU) unterstützen sollten, sind noch nicht voll einsatzfähig. “Die Umsetzung von Infrastruktur- und Kapitalunterstützung für KMU zur Einführung von KI-Technologien nahm Zeit in Anspruch, sodass zum Zeitpunkt der Prüfung noch keine nennenswerten Ergebnisse erzielt worden waren“, kritisieren die Prüfer.

Die Investitionslücke hat sich mehr als verdoppelt

Im Vergleich zu anderen Weltregionen hinkt Europa deutlich hinterher. “Die KI-Investitionen der EU stiegen im Zeitraum 2018-2020 zwar stetig an und übertrafen die KI-Ziele der EU, doch hat sich die Lücke zwischen den Vereinigten Staaten und der EU bei den Investitionen in KI zwischen 2018 und 2020 mehr als verdoppelt”, steht im Bericht. Konkret wuchs die Lücke auf 10,5 Milliarden Euro im Jahr 2020.

Der Rechnungshof kritisiert zudem die unzureichende Überwachung und Nutzung von Forschungsergebnissen. Demnach führte die Kommission nur teilweise Kontrollen durch, um sicherzustellen, dass die aus dem EU-Haushalt finanzierten Ergebnisse aus Forschung und Innovation (FuI) im Bereich KI vermarktet oder anderweitig genutzt werden.

Kommission soll die Maßnahmen besser evaluieren und koordinieren

Um diese Mängel zu beheben, empfiehlt der Rechnungshof der Kommission, das EU-Investitionsziel für KI neu zu bewerten und klare Vereinbarungen mit den Mitgliedstaaten zu treffen, wie diese zur Erreichung des Ziels beitragen können. Die Kommission solle evaluieren, ob spezielle Instrumente zur Kapitalunterstützung für innovative KMU erforderlich sind, und sicherstellen, dass die KI-Infrastruktur koordiniert zum Einsatz kommt.

Darüber hinaus fordern die Prüfer die Festlegung spezifischer Leistungsziele und Indikatoren sowie deren regelmäßige Überwachung. Die Kommission müsse verstärkte Maßnahmen ergreifen, um die Nutzung der Ergebnisse aus EU-finanzierter KI-Forschung zu fördern und die Ergebnisse nach Abschluss der Projekte systematisch zu überwachen.

Unter dem Strich heißt das, dass die EU ihre Strategien zur Förderung von KI-Technologien überdenken und effektiver umsetzen muss, um im globalen Wettbewerb erfolgreich zu sein. Der gerade beschlossene AI Act könne dazu beitragen, die EU als attraktiven Standort für KI-Entwicklung zu etablieren. Es sei aber noch zu früh, das zu bewerten, sagte Kozlovs. vis

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Niederlande: Warum die neue Regierung bei der Wissenschaft sparen will 

Das gemeinsame Regierungspapier mit dem Namen “Hoffnung, Mut und Stolz” der neuen niederländischen Koalition setzt auf Steuersenkungen, Investitionen in den Wohnungsbau und eine stärkere Unterstützung für Landwirte. Um diese zu finanzieren, sind laut verschiedenen Medienberichten folgende Kürzungen im Bereich Wissenschaft und Forschung geplant: 

  • Die letzten beiden Runden – zusammen im Wert von 6,8 Milliarden Euro – des 2021 ins Leben gerufenen Nationalen Wachstumsfonds sollen gestrichen werden. Das Fünfjahresprogramm förderte Innovation und Wirtschaftswachstum durch die Auszahlung von insgesamt 20 Milliarden Euro an Konsortien von Forschungsorganisationen und Unternehmen. In den ersten drei Runden des Fonds wurden unter anderem Projekte im Bereich Biotechnologie oder in der Bildung unterstützt. 
  • Die Vereinbarung beendet auch die sogenannten Sektorpläne, ein im Jahr 2023 ins Leben gerufenes Programm. Diese sah jährlich 215 Millionen Euro für die Reduzierung der akademischen Arbeitsbelastung, die Schaffung von Arbeitsplätzen an Universitäten und akademischen medizinischen Zentren sowie die Strukturierung der Arbeitsteilung zwischen Instituten vor.  
  • Die Parteien einigten sich darauf, jährlich 150 Millionen Euro aus einem 500-Millionen-Dollar-Fonds zur Förderung der Grundlagenforschung zu streichen

Dijkgraaf: “Treten auf die Bremse” 

Die beiden letzten Programme wurden von Robbert Dijkgraaf eingeführt, der 2022 Wissenschaftsminister wurde. Der Physiker und ehemalige Leiter des Institute for Advanced Study in Princeton genoss breite Unterstützung in der akademischen Community. “Es tut mir im Herzen weh zu sehen, dass viele dieser Investitionen nun zurückgenommen werden sollen”, sagte Dijkgraaf in einer Parlamentsdebatte am 21. Mai. “Es fühlt sich an, als wären wir an der Spitze des Pelotons und würden jetzt auf die Bremse treten.” 

Die neue Koalition will zudem das jüngste Wachstum bei den ausländischen Studierenden bremsen. Aktuell kommt etwa jeder vierte Bachelor- und Master-Student aus dem Ausland. Damit werde die Wohnungsnot verschärft und es gebe Beschwerden über die zweitklassige Stellung der Niederländer in der Hochschulbildung, argumentiert die neue Regierung. Die Koalition will mehr Kurse auf Niederländisch statt auf Englisch. Dazu sollen eine Obergrenze für die Zahl ausländischer Studierender und höhere Studiengebühren für Menschen von außerhalb der EU eingeführt werden.  

Universitäten befürchten Nachwuchsprobleme 

Diese Maßnahmen bedrohten “den internationalen Charakter” der niederländischen Hochschulbildung, betont Jouke de Vries, Interimsvorsitzender der Universitäten der Niederlande (UNL), in einer Erklärung. “Das hat erhebliche Konsequenzen für die Verfügbarkeit von Talenten für die Wissenschaft und den Arbeitsmarkt.”  

Zusammen mit den vorgesehenen Kürzungen der Budgets, reduzierten diese Maßnahmen die Fähigkeiten der Hochschulen, qualitativ hochwertige Lehre anzubieten sowie generell Forschung zu betreiben, sagte die UNL auf Anfrage von Table.Briefings. Mit diesen Einschnitten setze man die Zukunft der jungen Menschen in den Niederlanden aufs Spiel. Man wolle nun die Ausarbeitung der bisher vorhandenen Vereinbarung mit dem neuen Minister diskutieren. mw 

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Deutsch-französischer Ministerrat: Was Berlin und Paris für Forschung und Transfer fordern

Am Montag hatte Emmanuel Macron bei seinem Deutschlandbesuch noch eine Verdoppelung des EU-Budgets gefordert, in der gemeinsamen Erklärung zum deutsch-französischen Ministerrat am Dienstag auf Schloss Meseberg war davon keine Rede mehr: In dem siebenseitigen Papier “Agenda zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und des Wachstums in der Europäischen Union” verweisen Berlin und Paris lediglich auf den hohen Investitionsbedarf in den kommenden Jahren. Bei der Frage der Finanzierung bleibt die Erklärung jedoch vage. Von einer Budgeterhöhung ist in der Erklärung nichts zu lesen – die Bundesregierung bremst. “Europa darf nicht zurückfallen: Wir wollen ein starker Standort für Industrie und Technologie bleiben und bei den grünen und digitalen Technologien der Zukunft weltweit führend sein”, heißt es zu Beginn. Als weltweit stärkster gemeinsamer Markt werde man eine ehrgeizige, robuste, offene und nachhaltige Handelspolitik verfolgen.

Mit Blick auf den nächsten institutionellen Zyklus unterbreiten Scholz und Macron einen gemeinsamen Vorschlag, wie Europa wettbewerbsfähiger gemacht werden kann, auch um den grünen und den digitalen Wandel zum Erfolg zu machen.

Macron und Scholz fordern mehr private Investitionen

Der Green Deal und der Industrieplan zum Green Deal sollen etwa als Wachstumsagenda für Europa und insbesondere für einen erfolgreichen Umbau der industriellen Basis dienen. Frankreich und Deutschland fordern Brüssel zudem dazu auf, die chemische Industrie nicht mit neuen Umweltschutzauflagen zu belasten, die die Wettbewerbsfähigkeit des Sektors weiter einschränken könnten.

Einig sind sich Macron und Bundeskanzler Scholz – wie zuvor – dass ein Großteil der Investitionen von privater Seite kommen muss. Das Mittel dazu soll die Kapitalmarktunion sein, aber auch da gibt es in den Details nach wie vor Unstimmigkeiten zwischen Deutschland und Frankreich. Darüber hinaus “müssen wir sicherstellen, dass Europa angesichts neu entstehender Bedrohungen stark genug ist, auch mit Blick auf unsere Verteidigungssektoren, die hinreichend integriert sein müssen.” Insgesamt brauche die EU mehr Innovation, mehr Investitionen, fairere Wettbewerbsbedingungen und einen intelligenteren Regelungsrahmen.

Speziell für den Bereich Forschung und Transfer erklären Scholz und Macron:

  • Um die technologischen Fähigkeiten der EU zu stärken, sollen die Spitzenforschung, der Forschungstransfer und die diesbezügliche Industrialisierung auf europäischer Ebene gefördert werden.
  • Gefördert werden sollen Bereiche wie KI, Quanten, Biotechnologie, Raumfahrt, fortgeschrittene Materialien, Netto-Null-Technologien.
  • Aktive Partnerschaften mit der Industrie zur Verbesserung des Technologietransfers sollen gefördert werden.
  • Auf den durch den Europäischen Innovationsrat geschaffenen Grundlagen soll aufgebaut werden, diese sollen ausgebaut werden, insbesondere indem mehr Risiken eingegangen werden.
  • Die europäische Risikokapitalindustrie soll gefördert werden, um die Finanzierung europäischer Start-ups und expandierender Jungunternehmen (Scale-ups) zu stärken
  • Die Identifizierung von Technologien soll in den Blick rücken, bei denen die Entwicklung eines IPCEI relevant wäre, zum Beispiel im Gemeinsamen Europäischen Forum (JEF), und einen Mehrwert für das Innovationsökosystem der EU schaffen.
  • Der Gesundheits- und Pharmasektor müsse gefördert werden, auch durch einen ehrgeizigen Rechtsakt über kritische Arzneimittel, um “Abhängigkeiten anzugehen” und “Souveränität, Widerstandsfähigkeit und Fähigkeit zur Innovation und Produktion in der EU zu stärken”.
  • Die Kommission wird aufgefordert, den Binnenmarkt im Gesundheits- und Pharmasektor weiter zu stärken und gleichzeitig angemessene Anreize für die Förderung und den Schutz von Innovationen zu gewährleisten. jaa/luk/nik
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Forschungsbewertung: Warum die HRK zumindest ein bisschen mitreden will

Die HRK tritt der Nationalen Kontaktstelle der sogenannten Coalition for Advancing Research Assessment (CoARA) als Gast bei. Das hat die HRK-Mitgliederversammlung vergangene Woche auf ihrer Sitzung in Fulda beschlossen. Damit wolle man sich intensiver in eine Reform der Forschungsbewertung einbringen, schreibt die HRK in einer Mitteilung. Die HRK hat die CoARA-Vereinbarung bislang nicht unterzeichnet und ist somit auch kein Mitglied.  

Innerhalb der HRK werden die CoARA und die EU-Initiative zur Reform der Forschungsbewertung kontrovers diskutiert. Einigen Hochschulen fehle in der vorliegenden CoARA-Vereinbarung ein explizites Bekenntnis zu wissenschaftlicher Exzellenz, zu Leistung und Wettbewerb, sagte Georg Krausch, HRK-Vizepräsident für Forschung und wissenschaftliche Karrierewege. Zugleich würden jedoch Kernbefunde der Initiative geteilt – insbesondere die Kritik an einer teilweisen Dominanz quantitativer Bewertungsmetriken

Ittel: Gaststatus ist “notwendiges Signal”

Man erwartet bei der HRK, dass die CoARA-Reformbewegung die europäische, wie auch die deutsche Wissenschaftslandschaft absehbar prägen wird. Man wolle daher die Interessen der deutschen Hochschulen in die Diskussion einbringen, meint Angela Ittel, Leiterin der Arbeitsgruppe Forschungsbewertung der Mitgliedergruppe Universitäten in der HRK. “Ein Gaststatus für die HRK im German National Chapter ist dafür aktuell ein notwendiges Signal.” mw   

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Beratungsunternehmen: Deutsche Forschungszulage kann sich im internationalen Vergleich sehen lassen

Im Hinblick auf den Förderumfang und die Handhabbarkeit der Antragstellung ist Deutschland bei der steuerlichen Forschungsförderung inzwischen international “im gehobenen Mittelfeld angekommen”. Das ist das Ergebnis einer internationalen Bestandsaufnahme, die die Unternehmensberatung Ayming einmal jährlich im Bereich der steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung vornimmt. Gerade durch die Erhöhung des Förderumfangs durch das Wachstumschancengesetz Ende März sei die Förderung für viele Unternehmen attraktiver geworden, sagt Patrick Lerner, Deutschland-Chef von Ayming im Gespräch mit Table.Briefings.

Der persönliche Eindruck von Lerner: Die Forschungszulage in Deutschland gewinnt nach einer zweijährigen Anlaufphase bei Start-ups und Unternehmen immer mehr an Bekanntheit: “Anfänglich haben wir vor allem Educational Selling betrieben. Wir haben viel Aufklärungsarbeit geleistet und dabei mitgeholfen, das neue Fördermittel bekannt zu machen”, sagt Patrick Lerner. Inzwischen sei die Forschungszulage bei den meisten Unternehmen bekannt. Das deckt sich mit dem Ergebnis einer Evaluation des Förderinstruments durch das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im Frühjahr.

Missverständnisse, welche FuE-Vorhaben gefördert werden

Informationsbedarf gibt es aus Sicht von Lerner bei den beantragenden Unternehmen vor allem noch im Hinblick auf die für die Förderzulage geeignete Art der FuE-Projekte. “Es gibt durchaus noch das Missverständnis, dass die Forschungszulage nur bei Hightech-Projekten greift. Da können wir viele Kunden positiv überraschen, denn es ist eben die gesamte Bandbreite an FuE-Themen förderfähig”, sagt Lerner. Besonderes Interesse an der Forschungszulage gebe es aus der IT- und Software-Branche.

Mit Blick auf die europäischen Nachbarländer gebe es in der Ausgestaltung der Forschungszulage einige Unterschiede, Deutschland biete im Vergleich zu vielen Ländern aber durchaus eine “großzügige Forschungszulage” an. Belgien gewähre etwa eine Teilbefreiung von 80 Prozent der Lohnsteuer für bestimmte
FuE-Kosten, während die Schweiz eine Lohnsteuergutschrift von 32 Prozent und bis zu 350.000 Euro für förderfähige Ausgaben anbietet. In den Niederlanden können Unternehmen eine Lohnsteuergutschrift von bis zu 32 Prozent für FuE-Projekte beantragen.

Bislang kaum Prüfungen im Nachhinein

Auch mit Blick auf das Antragsverfahren gebe es kein Land, wo alles “vollkommen einfach und perfekt laufe”. In Großbritannien, wo man auf ein einstufiges Verfahren setzt, könne es im späteren Verlauf etwa immer wieder zu Nachprüfungen kommen. In Deutschland sei dies bislang nicht der Fall. “Wenn die Bescheinigungsstelle Forschungszulage einmal grünes Licht gegeben hat, dann gibt es auch kein Zurückrudern mehr.” Dem Benchmark-Bericht Aymings zufolge antwortet die BSFZ inzwischen innerhalb von drei Monaten. Anschließend muss die Zulage in einem zweiten Schritt beim zuständigen Finanzamt beantragt werden. Die Zeitspanne der Bearbeitung variiere hier je nach Finanzamt von einigen Tagen bis hin zu mehreren Monaten. tg

  • Forschungsförderung
  • Forschungszulage

Datipilot: 20 Innovationscommunities werden gefördert 

20 Innovationscommunities können im Rahmen des Datipilot-Programms in den kommenden vier Jahren ihr Innovationsthema mit ihren Partnern weiterentwickeln. Dafür erhalten sie je bis zu fünf Millionen Euro für vier Jahre. Ziel jeder Community ist es, Forschungs- und Transferaktivitäten zu diesem Thema strategisch auf- oder auszubauen und dafür erforderliche Partnerschaften zu etablieren. 

In einem dreistufigen Auswahlverfahren wurden zunächst über 480 eingereichte Skizzen bewertet. Danach begutachtete eine unabhängige Jury aus zwölf Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft die rund 80 vielversprechendsten Skizzen. Zum Abschluss wurden die rund 40 aussichtsreichsten Teams eingeladen, ihre Idee in Berlin zu präsentieren. Anschließend empfahl die Jury dem BMBF 20 Innovationscommunities zur Förderung. Damit konnten weniger als fünf Prozent der eingereichten Anträge gefördert werden. Die Ausschreibung des BMBF war Teil des Datipilot-Programms

HAWs und Unis gleich erfolgreich 

Bei rund 40 Prozent der ausgewählten Projekte geht es um soziale Innovationen. Je 35 Prozent der Sprecher der Communities kommen aus Universitäten und aus HAWs. Die erfolgreichsten Bundesländer – nach Sprechersitzen – sind Nordrhein-Westfalen (10), Schleswig-Holstein (8) und Baden-Württemberg (6). 

Die Dati selbst kommt nicht voran 

Für Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger zeigt das große Interesse an der Ausschreibung, dass man mit Datipilot auf dem richtigen Weg sei. Datipilot soll als Vorläuferprogramm zur Deutschen Agentur für Transfer und Innovation (Dati), Hinweise für deren Aufbau liefern. Das Konzept für die Agentur befindet sich offenbar immer noch in der Ressortabstimmung und konnte bislang nicht ins Kabinett eingebracht werden. Ob das Finanzvolumen der geplanten Agentur von etwaigen Einsparungen im Haushalt 2025 betroffen sein wird, bleibt unklar. mw 

  • BMBF
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Must Reads

Handelsblatt. Biontech-Chef Uğur Şahin macht Krebspatienten Hoffnung. Im Interview berichtet Uğur Şahin über die Arbeit an einem kombinierten Impfstoff gegen Grippe und Covid-19, der Ende 2025 auf den Markt kommen soll. Er glaubt, dass sich das Geschäft mit den Covid-19-Impfungen zukünftig im einstelligen Milliardenbereich einpendeln wird. Mit dem Geld will Biontech die Forschung im Onkologiebereich vorantreiben. Die Logik, die dahinter steckt, sei grundsätzlich die gleiche wie bei der Impfstofferforschung. Allerdings konzentriere man sich auf eine individuelle Krebstherapie. Damit wolle man Rückfall- und Sterberate deutlich reduzieren. Mit den Technologien von Biontech sei die Chance groß, dass man zahlreiche Krebsarten besser kontrollierbar machen könne und die Sterberaten sinken. “Trotzdem gibt es in der Biologie keine Garantie, dass das Neue funktioniert”, sagt Uğur Şahin. Mehr

heise online. Der “weiße Drache” fliegt: ESA-Mission Earthcare ins All gestartet. Der Start des Erdbeobachtungssatelliten “Earthcare” ist geglückt. Die Trägerrakete wurde am Mittwochmorgen um 0.20 Uhr (MESZ) im kalifornischen Vandenberg gezündet. Anschließend hob der Orbiter an Bord einer Falcon-9-Rakete des US-Raumfahrtkonzerns SpaceX ab. Um kurz nach 1.00 Uhr nahm das Kontrollzentrum in Darmstadt das Signal des europäisch-japanischen Orbiters auf – damit wird bei der Esa von einer Mission gesprochen. Der Satellit soll in einer Umlaufbahn in Höhe von rund 400 Kilometern global die Wechselwirkung von Wolken, Aerosolen und Sonneneinstrahlung auf die Atmosphäre untersuchen und so bessere Klimamodelle und Wettervorhersagen möglich machen. Erstmals soll nach Angaben von Esa-Experten damit ein 3D-Modell der Atmosphäre im gesamten Höhenprofil erstellt werden können. Mehr

Laborjournal. Schub für Transparenz und Offenheit. Datenbanken für Forschungsdaten wie Web of Science oder Scopus sind proprietär. In Deutschland haben sich nun einige Institutionen der Barcelona-Erklärung angeschlossen. Sie sehen eine transparente Bewertung von Forschungsleistungen nur dann gegeben, wenn Entscheidungsträger und Forschende auf öffentlich zugängliche Forschungsinformationen zugreifen können. Die Universität Bamberg und die TU Hamburg haben bereits eigene Forschungsinformationssysteme etabliert. Letztlich ist aber die Unterstützung und Beteiligung vieler Organisationen entscheidend, um den Wandel zu einer offenen digitalen Wissenschaftskultur voranzutreiben. Der Aufbau neuer Systeme ist kosten- und zeitintensiv. Mehr

ORF. Neuer Vertrag zum Schutz vor Biopiraterie. Ein neuer UNO-Vertrag soll Biopiraterie einen weiteren Riegel vorschieben. Nach mehr als 20 Jahren Verhandlungen beschlossen die Mitglieder der UNO-Organisation für geistiges Eigentum (WIPO) in der Nacht auf Freitag neue Regelungen für den Umgang mit traditionellem Wissen und genetischen Ressourcen. Der Vertrag regelt, dass Länder an Profiten beteiligt werden, wenn ihre Pflanzen und andere Organismen oder ihr teils Jahrtausende altes Wissen darüber von ausländischen Firmen genutzt werden, um Medikamente oder andere Produkte herzustellen. Mehr

Standpunkt

Wie kritische China-Kompetenz im politischen Berlin ignoriert wird

Von Andreas Fulda

Bereits auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2014 schrieb der damalige Bundespräsident Joachim Gauck den Deutschen ins Stammbuch: “Das Nachdenken über Existenzfragen gehört in die Mitte der Gesellschaft.” Knapp zehn Jahre später äußerte sich Gauck enttäuscht darüber, dass sein Appell für ein größeres sicherheitspolitisches Engagement Deutschlands weitgehend folgenlos verhallt sei.

In kaum einer Frage wird diese Fehlentwicklung deutlicher als in Deutschlands ungeklärtem Verhältnis zu China. Auch wenn nicht immer klar ist, was mit China-Kompetenz überhaupt gemeint ist, so besteht in Deutschland ein weitgehender Konsens, dass gute Kenntnisse zu Chinas Strategien und der politischen Logik der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) notwendig sind.

Leider werden solche Debatten im politischen Berlin seit Veröffentlichung der China-Strategie im Sommer letzten Jahres kaum noch geführt. Und ohne eine Thematisierung kann sich China-Expertise nicht in den politischen Prozess einbringen. Hier sind Führungspersonen in der Pflicht, in öffentlichen Debatten auch Widerspruch und Kritik am aktuellen politischen Kurs zuzulassen.

Systemische Unterschiede sollten klar benannt werden

Wie die langjährige Diskussion um die Rolle von Huawei und 5G gezeigt hat, lassen sich im 21. Jahrhundert Industriepolitik, Schutz kritischer Infrastruktur und Geopolitik nicht voneinander trennen. Systemische Unterschiede zwischen Demokratien und Autokratien sollten daher klar benannt und Risiken und Konflikte nicht aus taktischen Gründen heruntergespielt werden. Doch das geschieht zu selten.

Die jüngste China-Reise von Olaf Scholz hinterließ den Eindruck, dass der Bundeskanzler die im letzten Jahr verabschiedete China-Strategie bereits zu den Akten gelegt hat. Im Kanzleramt wird Scholz von Jens Plötner beraten. Während eines Vortrags im Juni 2022 bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) plädierte der frühere Diplomat dafür, die systematische Rivalität mit China “nicht überzubetonen”, da dies kooperative Ansätze im internationalen Umgang mit dem Land erschwere. Liegt hier der Hund begraben?

Kanzleramt lehnt Kurswechsel ab

Mit seinem Vortrag machte Plötner deutlich, dass das SPD-geführte Kanzleramt, im Gegensatz zum Auswärtigen Amt unter Annalena Baerbock, einen Kurswechsel in der deutschen Chinapolitik ablehnt. Damit wurde auch der Korridor zur Entwicklung einer kritischen China-Kompetenz innerhalb der Bundesregierung stark eingeschränkt. China-Experten müssen davon ausgehen, keine gern gesehene Gäste im politischen Berlin zu sein, sollten sie die systemische Rivalität zu stark betonen und sich zu kritisch äußern.

Welche negativen Auswirkungen die Unterbindung kritischer Debatten durch politische Entscheidungsträger auf die Entwicklung einer strategischen Kultur und Autokratie-Kompetenz hat, wird auch am Beispiel von Deutschlands gescheiterter Russland-Politik deutlich. Unbequeme Kritik wurde abgetan und Kritiker von zukünftigen Debatten ausgeschlossen. Warnende Stimmen der osteuropäischen und russischen Demokraten wurden ignoriert. Wiederholt sich dieses Muster jetzt in Bezug auf China?

“Um seinen Weg in schwierigen Zeiten zu finden, braucht Deutschland Ressourcen, vor allem geistige Ressourcen – Köpfe, Institutionen, Foren”, sagte Gauck zur Eröffnung der Münchner Sicherheitskonferenz in 2014. Zehn Jahre später wird deutlich, dass wir in unserer Debattenkultur leider kaum Fortschritte gemacht haben.

Auswirkungen für Europas langfristige Sicherheit

2018 veröffentlichte der langjährige Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, sein Buch “Welt in Gefahr”. Unerklärlicherweise ließ er darin China links liegen, vorgeblich “um genügend Raum für die Abhandlung der grundlegenden Fragen von Krieg und Frieden und globaler Ordnungspolitik” zu haben. Dabei erhielt er im selben Jahr den Transatlantic Partnership Award der US-Handelskammer. Als Preisträger hätte ihm doch klar sein müssen, dass der zunehmende Fokus der USA auf China auch Auswirkungen für Europas langfristige Sicherheit haben würde.

Ischinger war kurz vor der Asienreise des Bundeskanzlers selbst in China. Sein Ziel: die chinesische Führung, Russland zu einer Beteiligung an einer Friedenskonferenz zur Ukraine in der Schweiz im Juni 2024 zu gewinnen. Das widersprach seiner eigenen Bewertung aus dem September 2022, als er für eine realistische Einschätzung der Autokratie von Xi Jinping plädiert hatte. Diese implizierte, dass ein solches Bemühen um China auch in dieser Frage Wunschdenken bleiben würde.

Ignoranz und Realitätsverleugnung im politischen Berlin

Kritik an diesem Widerspruch begegnet Ischinger dünnhäutig. Er stellt die Kompetenz von China-Experten infrage und blockte kritische Nachfragen in sozialen Medien ab. Es sollte in Zukunft jedoch möglich sein, Kritik an dem strategischen Denken deutscher Entscheidungsträger äußern zu können, ohne ausgegrenzt zu werden.

In welche Situation uns Ignoranz und Realitätsverleugnung im politischen Berlin gebracht hat, lässt sich derzeit täglich aus den Nachrichten ablesen. Widerlegte Narrative (“Wandel durch Handel”) und gescheiterte strategische Ansätze (“gutgläubiger Dialog und Kooperation mit Diktaturen”) müssen in einer öffentlichen Debatte hinterfragt werden.

Andernfalls werden sich immer wieder überkommene Denkmuster, Konzepte und Strategien durchsetzen. Das hat die naive Reisediplomatie von Scholz in China gezeigt. Realistischere Ansätze wie das Mantra “Frieden durch Stärke”, gekoppelt mit einer Stärkung der industriellen Wettbewerbsfähigkeit und demokratischen Resilienz, wären dringend notwendig, damit sich Deutschland in Zukunft besser gegenüber der chinesischen Autokratie behaupten kann.

Andreas Fulda ist Politikwissenschaftler und China-Experte. Er lehrt als außerordentlicher Professor an der Universität Nottingham. Sein neuestes Buch “Germany and China: How Entanglement Undermines Freedom, Prosperity and Security” erscheint am 30. Mai bei Bloomsbury.

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Heads

Fiona Fox, Gründungsdirektorin des britischen Science Media Center, ist im aktuellen Sommersemester Gastprofessorin für Wissenschaftskommunikation an der Universität Heidelberg.

Dominik Groß, geschäftsführender Direktor des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der RWTH Aachen, ist vom Rektorat der Hochschule zum ersten Rektoratsbeauftragten gegen Antisemitismus ernannt worden. 

Peter Middendorf wurde vom Senat und Universitätsrat der Universität Stuttgart zum neuen Rektor gewählt. Er tritt zum 1. Oktober die Nachfolge von Wolfram Ressel an.

Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

Best of Table

China.Table. Deutsche Hochschulen: So überwacht die KP chinesische Studierende. Deutsche Hochschulen haben kaum Möglichkeiten, sich gegen die Beobachtung chinesischer Studierender durch KP-Stellen zu wehren. Sie bekommen von der Überwachung und gegenseitigen Denunzierung unter den Kommilitonen praktisch nichts mit. Mehr

Bildung.Table. Republica 2024: Was es für ein digitales Mindset an Schulen braucht. Von digitalem Empowerment, über die Europawahl bis hin zu Best Practices für die Schulen der Zukunft. Die Republica 2024 brachte viele spannende Menschen und Formate zusammen. Auch die Rahmenbedingungen für (digitale) Schulentwicklung standen im Fokus. Mehr

Climate.Table. Energieeffizienz: Deshalb könnte Deutschland seine 2030-Ziele verfehlen. Die derzeitigen politischen Maßnahmen reichen nicht aus, um die Effizienzziele der Bundesregierung bis 2030 zu erreichen. Das zeigt eine neue Analyse von DENEFF und Prognos. Die Effizienzziele sind jedoch eine wichtige Voraussetzung, um die Klimaziele zu schaffen. Mehr

Security.Table. Freiwilliger Wehrdienst: Pistorius hofft auf bis zu 10.000 Rekruten pro Jahrgang. Boris Pistorius will 10.000 junge Rekruten pro Jahrgang für die Bundeswehr gewinnen. Gelingen soll das mit einer Musterungspflicht und neuen Anreizen. Ob das allerdings ausreicht, um die Streitkräfte für die Herausforderungen der Zukunft zu wappnen, ist umstritten. Mehr

Research.Table Redaktion

RESEARCH.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    politische Aussagen, seien sie privat oder dienstlich, sind sehr sorgsam zu wählen, mahnt die Berliner Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra. Der Rat der SPD-Politikerin richtete sich in diesem Fall an die Vertreterinnen und Vertreter der Berliner Hochschullandschaft, insbesondere aber an die Präsidentin der TU Berlin (TUB), Geraldine Rauch. Diese war in die Schlagzeilen geraten, weil sie auf der Plattform X antisemitische Tweets mit “Gefällt mir” markiert hatte, die die Situation in Gaza und Rafah aufgreifen.

    Am Mittwochnachmittag erklärte Rauch, dass sie sich von Inhalten und Autoren der Tweets distanziere. Einen der Tweets habe sie wegen seines Textes geliked und das darunter gepostete Bild zum Zeitpunkt des Likes nicht genauer betrachtet. “Dies war ein Fehler, für den ich mich aufrichtig entschuldigen möchte, da dieses Bild Symbole nutzt und Gleichsetzungen verwendet, die ich mir nicht zu eigen mache und die ich entschieden ablehne.” Ob die Angelegenheit damit vom Tisch ist, wird sich zeigen. Die Mitglieder des TUB-Präsidiums hatten sich in einem eigenen Statement von Rauchs Handlung distanziert, von einem “inakzeptablen Fehler” ist die Rede.

    25 Jahre nach dem Start des Bologna-Prozesses zur Vereinheitlichung von Studiengängen und -abschlüssen in Europa ist eines der Hauptziele in vielen Ländern der European Higher Education Area (EHEA) nicht vollständig erreicht. Viele EHEA-Länder verfehlen die Vorgabe der Bologna-Reform, nach denen mindestens 20 Prozent der Hochschulabsolventinnen und -absolventen studienbezogene Auslandserfahrung gesammelt haben sollten.

    Auf der laufenden Ministerkonferenz der EHEA in Tirana wird gerade ein Kommuniqué erstellt, das am heutigen Donnerstag auch von Jakob von Weizsäcker unterzeichnet werden soll. Der saarländische Wissenschaftsminister ist als Vertreter Deutschlands vor Ort. In einem Entwurf des Kommuniqués, der Table.Briefings exklusiv vorliegt, wird neben alten Forderungen, wie dem weiteren Ausbau der Mobilität in Europa, auch eine Wertegemeinschaft beschworen. Mein Kollege Tim Gabel berichtet. 

    Wir wünschen eine erhellende Lektüre,

    Ihre
    Anne Brüning
    Bild von Anne  Brüning

    Analyse

    Europawahl: Was in der EU im Bereich Forschung und Innovation in der nächsten Legislatur ansteht

    Noch bis 2027 läuft Horizon Europe, das aktuelle neunte Rahmenprogramm für Forschung und Innovation der EU, das ein Budget von 95 Milliarden Euro hat. Wie der Nachfolger heißen und wie groß sein Budget sein wird, wird die neue EU-Kommission vorschlagen. “Die wichtigste Voraussetzung dafür ist, dass der gesamte EU-Haushalt feststeht, der mehrjährige Finanzrahmen für den Zeitraum 2028 bis 2034. Der Vorschlag der EU-Kommission dazu soll Mitte 2025 vorliegen”, sagt Victoria Reichl, Leiterin des Brüsseler Büros der Kooperationsstelle EU der Wissenschaftsorganisationen (KoWi), einer Serviceplattform für die großen deutschen Wissenschaftsorganisationen.

    Parallel dazu sei im nächsten Sommer der Kommissionsvorschlag für das zehnte Rahmenprogramm für Forschung und Innovation (FP10) zu erwarten, das ebenfalls von 2028 bis 2034 läuft. Mitglieder des EU-Parlaments sowie viele europäische Stakeholder-Verbände haben sich hinsichtlich des Budgets von FP10 bereits positioniert: Sie halten eine deutliche Erhöhung für erforderlich – auf 200 Milliarden Euro. Diese Verdopplung im Vergleich zu Horizon Europe hält Reichl jedoch für schwer realisierbar. Von den Mitgliedstaaten würden in ihren bisherigen Positionierungen zu FP10 derzeit bewusst noch keine Zahlen genannt oder konkrete budgetäre Forderungen gestellt, schließlich liege die politische Entscheidung über die Ausgestaltung des nächsten EU-Finanzrahmens in der Hand der europäischen Staats- und Regierungschefs.

    Was sich für das neue Forschungsrahmenprogramm abzeichnet

    Inhaltlich positionieren sich die Staaten derzeit aber sehr wohl schon zu FP10. Dänemark und Lettland haben das bereits recht früh getan und dabei unter anderem eine Debatte über die Auflösung des Europäischen Instituts für Innovation und Technologie (EIT) angestoßen, das ebenfalls zum Forschungsrahmenprogramm gehört und inhaltliche Überschneidungen mit dem European Innovation Council (EIC) aufweist.

    Zu den Ländern, die früh Stellung zu FP10 bezogen haben, gehört auch Deutschland mit dem am vergangenen Donnerstag veröffentlichten Diskussionspapier des BMBF. Es plädiert unter anderem für eine Stärkung der europäischen Sicherheit, etwa durch komplementäre Förderung und Synergien zwischen ziviler und militärischer Forschung. Am gestrigen Mittwoch hat auch die DFG ein Positionspapier zu FP10 veröffentlicht.

    Debatte über Dual Use in Europa

    Der Umgang mit dem Dual Use-Potenzial von Forschung werde in der nächsten Legislaturperiode weiterhin ein wichtiges Thema sein, sagt Reichl. Die EU-Kommission hat dazu Anfang 2024 das Weißbuch “Optionen für eine verstärkte Unterstützung von Forschung und Entwicklung zu Technologien mit potenziell doppeltem Verwendungszweck” vorgelegt. Darin werden drei Wege aufgezeigt, wie sich die EU-Finanzierungsprogramme an die veränderten geopolitischen Bedingungen anpassen lassen.

    Einer davon wäre, von dem bisher ausschließlich zivilen Charakter des Rahmenprogramms abzurücken. “Dies hätte natürlich Auswirkungen auf den Europäischen Verteidigungsfonds, der bisher ein separates spezifisches Programm in Horizon Europe ist”, sagt Reichl.

    ERC: Maria Leptins erste Amtszeit endet im Herbst 2025

    Grundlegende Änderungen hinsichtlich der Struktur des Rahmenprogramms zeichneten sich bisher nicht ab, eher eine grundsätzliche Kontinuität der Programme innerhalb der drei Säulen. “Absehbar ist aber eine Debatte über mehr Durchlässigkeit zwischen den Säulen”, sagt Reichl.

    Vor allem die Förderung exzellenter Grundlagenforschung durch den European Research Council (ERC) in der ersten Säule steht aus ihrer Sicht fest, denn sie ist allgemein anerkannt und hochgeschätzt. Personell wird es interessant, wenn im Herbst 2025 die vierjährige erste Amtszeit der ERC-Präsidentin Maria Leptin endet, wobei eine zweite Amtszeit möglich wäre. 

    Jenseits des FP10 sieht die Leiterin des Brüsseler KoWi-Büros einige weitere forschungspolitische Themen und Entscheidungen auf der Agenda der nächsten EU-Kommission:

    • Europäischer Forschungsraum: Anfang 2025 soll die neue Policy Agenda für die European Research Area (ERA) präsentiert werden. Sie definiert für die kommenden drei Jahre zentrale forschungspolitische Aktivitäten. “Die Kommission diskutiert dazu vorab mit den Mitgliedstaaten und Stakeholdern, welche Themen neu dazukommen und welche fortgesetzt werden”, erläutert Reichl. Zur aktuellen ERA Policy Agenda gehört beispielsweise die Reform der Forschungsbewertung (CoaARA).
    • Forschungsfreiheit: Dieses Thema steht auch auf der aktuellen ERA Policy Agenda. Das Parlament hat sich damit sehr ausführlich befasst, federführend war der CDU-Abgeordnete Christian Ehler. “Die Kommission will nun in einer Studie die Situation der Forschungsfreiheit – de jure und de facto – in den einzelnen Mitgliedstaaten und im Vergleich mit Drittstaaten untersuchen lassen. Danach wird vermutlich überlegt, ob man legislativ tätig werden will und kann, so wie das Europäische Parlament es bereits gefordert hatte”, sagt Reichl.
    • Forschungsinfrastrukturen: 2025 ist die nächste Roadmap des Europäischen Strategieforums für Forschungsinfrastrukturen (ESFRI) zu erwarten. Darin wird festgehalten, welche paneuropäischen Infrastrukturen gefördert werden. Das BMBF wird in Vorbereitung dazu noch im Sommer ein Priorisierungsverfahren auf nationaler Ebene für Forschungsinfrastrukturen (FIS) starten, damit die deutsche FIS-Roadmap mit dem ESFRI-Prozess synchronisiert werden kann.
    • Künstliche Intelligenz: Die EU hat Ende Mai endgültig den AI Act beschlossen. Allerdings wird die Entwicklung beziehungsweise Nutzung von KI-Technologien rein zu Forschungszwecken darin nicht geregelt. Es gibt jedoch bereits EU-Guidelines zum Einsatz von KI in der Forschung. “In Brüssel wird nun diskutiert, ob diese Richtlinien ausreichend sind”, sagt Reichl.

    Werden die Generaldirektionen Forschung und Bildung weiter gemeinsam politisch geleitet?

    Wichtig für die EU-Forschungspolitik werden auch der Zuschnitt und die Zuständigkeiten innerhalb der EU-Kommission. Nach den letzten Europawahlen im Jahr 2019 hat Mariya Gabriel als EU-Forschungskommissarin erstmals zwei Generaldirektionen geleitet: die für Forschung und Innovation sowie die für Bildung. Sowohl Gabriel als auch ihre Nachfolgerin Iliana Ivanova waren beziehungsweise sind dabei insgesamt sogar für fünf Bereiche zuständig: Innovation, Forschung, Kultur, Bildung und Jugend.

    Weil forschungsrelevante EU-Programmlinien wie das EIT und die Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen auch zuvor in der Zuständigkeit der Generaldirektion Bildung waren, gebe es durchaus Argumente für diese Zusammenlegung, sagt Reichl. Insgesamt hatte man sich mehr Synergieeffekte zwischen den EU-Bildungs- und Forschungsprogrammen erhofft. Sie hört jedoch auch Kritik an der derzeitigen Kombination. Reichl: “Letztlich ist das eine politische Entscheidung, die die nächste EU-Kommission zu treffen hat.” Im Dezember soll das neue Kollegium der Kommissionsmitglieder vorgestellt werden. Dann steht auch fest, wer sich auf EU-Ebene um Forschungsbelange kümmern wird und was noch zu diesem Portfolio gehören wird.

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    Ministerkonferenz in Tirana: Was sich die Bologna-Länder für die Zukunft vornehmen

    25 Jahre nach dem Start des Bologna-Prozesses zur Vereinheitlichung von Studiengängen und -abschlüssen in Europa ist eines der Hauptziele in vielen Ländern der European Higher Education Area (EHEA) nicht vollständig erreicht. Trotz deutlicher Fortschritte verfehlen viele EHEA-Länder die Vorgabe der Bologna-Reform, nach denen mindestens 20 Prozent der Hochschulabsolventinnen und -absolventen studienbezogene Auslandserfahrung gesammelt haben sollten.

    Ein aktueller Bericht der Europäischen Kommission weist aus, dass die meisten Bologna-Länder – darunter Deutschland – diese Messlatte reißen. Nach den aktuellen Zahlen aus dem Jahr 2020/21 haben bislang nur rund 17 Prozent der deutschen Studierenden mindestens drei Monate Auslandserfahrung gesammelt, in Frankreich liegt der Wert im gleichen Zeitraum immerhin bei 19 Prozent. Insgesamt erreichen nur vier der 29 Länder der EHEA überhaupt das 20-Prozent-Ziel. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sieht als Grund dafür die “unzureichende Studienfinanzierung“.

    Bund und Länder setzen sich ambitionierte Mobilitätsziele

    “Einen Auslandsaufenthalt muss man sich schlicht leisten können”, sagt GEW-Vize Andreas Keller im Gespräch mit Table.Briefings, “das können viele Studierende aber nicht.” In Deutschland müssten Bund und Länder die soziale Dimension des europäischen Hochschulraums ernst nehmen, BAföG und Mobilitätsstipendien ausbauen. Mit Blick auf die aktuell laufende Ministerkonferenz der EHEA in Tirana, forderte Keller aus der albanischen Hauptstadt, dass Deutschland das Kommuniqué ernst nimmt, das am heutigen Donnerstag auch von Jakob von Weizsäcker unterzeichnet werden soll. Der saarländische Wissenschaftsminister ist als Vertreter Deutschlands vor Ort.

    Auf Anfrage von Table.Briefings verweist von Weizsäcker mit Blick auf das Mobilitätsziel auf die Einschränkungen der Covid-19 Pandemie und die Auswirkungen des Angriffskrieges gegen die Ukraine. Vor dem Hintergrund, dass sich virtuelle Lehrangebote dynamisch entwickelt hätten – die nicht mit in die Auswertung einfließen (Anm. d. Red.) -, “wurde das Ziel von 20 Prozent in Deutschland knapp verfehlt. Aber wir liegen mit 17 Prozent deutlich über dem EU-Durchschnitt”.

    Länder des Bologna-Prozesses betonen fundamentale Grundwerte

    Gemeinsames Ziel der EHEA-Staaten müsse weiter sein, die grenzüberschreitende Mobilität im Studium zu erhöhen. “Darum geht es auch bei der Aktualisierung der gemeinsamen Internationalisierungsstrategie von Bund und Ländern, die sich auf der Zielgeraden befindet”. Nach Informationen von Table.Briefings sehen Bund und Länder darin sogar ein Ziel von 33 Prozent internationaler Mobilität vor. Deutschland sei schon heute in der absoluten Spitzengruppe der beliebtesten Länder für internationale Studierende, sagt von Weizsäcker.

    Mit Blick auf die Karriereperspektiven für Lehrende an Hochschulen, weist Andreas Keller darauf hin, dass es den europäischen Bildungsgewerkschaften gelungen sei, das Ziel attraktiver Beschäftigungsbedingungen in den Entwurf für das Tiranaer Kommuniqué aufzunehmen. Immer mehr Zeitverträge mit immer kürzeren Laufzeiten, lange und steinige Karrierewege – fast nirgendwo in Europa ist der Handlungsbedarf so groß wie in Deutschland. “Bund und Länder müssen auch diesen Teil der Verpflichtungen aus dem Kommuniqué beherzt angehen”, forderte der GEW-Hochschulexperte.

    Wissenschaftsfreiheit soll in der EHEA messbar werden

    In einem Entwurf des Tiranaer Kommuniqués, das Table.Briefings exklusiv vorliegt, wird neben alten Forderungen, wie dem weiteren Ausbau der Mobilität in Europa, auch eine Wertegemeinschaft beschworen. Angesichts der Zeitenwende und der globalen Krisen wollen die EHEA-Länder mit dem Abschlussdokument auch ihre fundamentalen Grundwerte stärker betonen, also etwa Wissenschaftsfreiheit, Hochschulautonomie, aber auch die Mitbestimmung von Studierenden und Beschäftigten.

    “Neu ist zudem, dass für diese Grundwerte ein Kriterienrahmen entwickelt werden soll, der messbar macht, ob sie wirklich eingehalten werden”, sagt Andreas Keller. So ließe sich einordnen, wo die Länder stehen und wie die Implementierung vorangeht. “Wir werden in Zukunft sehr genau erfahren, wie es die einzelnen Länder mit der Wissenschaftsfreiheit und der Mitbestimmung halten.” Der Bologna-Prozess sei zwar grundsätzlich unverbindlich, aber durch eine quantitative Auswertung könne der Druck auf die einzelnen Staaten erhöht werden.

    Solidarität mit Ukraine ebenfalls Teil des Abschlusspapiers

    “Basis des Europäischen Hochschulraums sind unsere gemeinsamen, von allen Mitgliedsstaaten geteilten Werte”, sagt dazu Jakob von Weizsäcker. Mit Blick auf die Phase nach der letzten Konferenz der EHEA Minister in Rom im Jahr 2020, sei die Suspendierung Russlands und Belarus aus den Gremien des Europäischen Hochschulraums ein großer Einschnitt gewesen. In Folge des Angriffskrieges gegen die Ukraine aber ein folgerichtiger. “Wir stehen an der Seite der Ukraine und versichern den Menschen unsere Solidarität. Auch dies wird Gegenstand des Tiranaer Kommuniqués sein.”

    Der Bologna-Prozess ist und bleibe ein Katalysator für die Schaffung eines attraktiven und die Mobilität fördernden Europäischen Hochschulraums, sagt von Weizsäcker. “25 Jahre Bologna steht für ein Europa, das zusammenwächst, für eine ganze Generation junger Studierender, deren akademischer und kultureller Horizont sich durch die internationale Erfahrung geweitet hat.” Der europäische Hochschulraum sei dabei eine “wissenschaftliche Schicksalsgemeinschaft”, die die drängenden Herausforderungen unserer Zeit wie Digitalisierung und Dekarbonisierung gemeinsam und als Wertegemeinschaft angehen müsse.

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    Termine

    30. Mai 2024, 19:00 Uhr, BBAW, Akademiegebäude am Gendarmenmarkt, Leibniz-Saal, Markgrafenstraße 38, 10117 Berlin
    Gedenkveranstaltung Würdigung der Person und des Wirkens von Gert G. Wagner für Wissenschaft, Dateninfrastruktur, Politikberatung und Wissenstransfer – Evidence Based Policy Mehr

    3. Juni 2024, 18:00 bis 19:45 Uhr, Leopoldina, Jägerberg 1, 06108 Halle (Saale)
    Dialogveranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) Europas Populisten im Aufwind: Ökonomische Ursachen und demokratische Herausforderungen Mehr

    5. bis 7. Juni 2024, Berlin und online
    Veranstaltung zur (digitalen) Zukunft der akademischen Bildung. University Future Festival: “Tales of Tomorrow” Mehr

    7. Juni 2024, 9:30 bis 18:00 Uhr, Vertretung des Landes Sachsen-Anhalt beim Bund, Luisenstraße 18, 10117 Berlin
    Workshop der Leopoldina Überregulierung der Wissenschaft Mehr

    15. Juni 2024, Konzerthaus Berlin am Gendarmenmarkt, 10117 Berlin
    Leibniztag 2024 Festsitzung Mehr

    News

    Investitionen in KI: Warum der EU-Rechnungshof der Kommission ein schlechtes Zeugnis ausstellt

    Der Europäische Rechnungshof stellt der Kommission ein ausreichendes bis mangelhaftes Zeugnis aus für ihre Leistungen beim Aufbau eines wettbewerbsfähigen Ökosystems für Künstliche Intelligenz. Trotz erheblicher Bemühungen und Investitionen könne die EU nicht mit führenden globalen Akteuren Schritt halten, urteilen die Prüfer in einem aktuellen Bericht. Sie kritisieren, dass die Maßnahmen der Kommission und der Mitgliedstaaten nur begrenzte Auswirkungen auf die Entwicklung des KI-Ökosystems hatten.

    “Umfangreiche und zielgerichtete Investitionen in KI werden in den kommenden Jahren entscheidenden Einfluss auf das Wirtschaftswachstum in der EU haben”, sagt Mihails Kozlovs. Er ist das für die Prüfung zuständige Mitglied des Europäischen Rechnungshofs. Im Wettlauf um KI bestehe die Gefahr, dass der Gewinner am Ende alles bekomme. “Um die ehrgeizigen EU-Ziele zu erreichen, müssen die Europäische Kommission und die EU-Länder ihre Kräfte wirksamer bündeln, schneller handeln und das Potenzial der EU besser nutzen“, sagt Kozlovs. Nur dann könne diese große technologische Revolution erfolgreich gemeistert werden.

    Europa hinkt bei KI-Investitionen hinterher

    Seit 2018 verfolgt die EU ehrgeizige Pläne zur Förderung von KI-Technologien, um eine globale Führungsrolle zu übernehmen. Diese Pläne sollten die Investitionen in KI erhöhen und das Regelungsumfeld anpassen. Dennoch blieben die Investitionen hinter den Erwartungen zurück. Kommission und Mitgliedstaaten hätten ihre Maßnahmen nicht wirksam koordiniert, da der Kommission die erforderlichen Governance-Instrumente und aktuellen Zielvorgaben fehlten, heißt es im Bericht.

    Ein bedeutendes Problem sind verzögerte Infrastrukturprojekte. Viele Projekte, die kleine und mittlere Unternehmen (KMU) unterstützen sollten, sind noch nicht voll einsatzfähig. “Die Umsetzung von Infrastruktur- und Kapitalunterstützung für KMU zur Einführung von KI-Technologien nahm Zeit in Anspruch, sodass zum Zeitpunkt der Prüfung noch keine nennenswerten Ergebnisse erzielt worden waren“, kritisieren die Prüfer.

    Die Investitionslücke hat sich mehr als verdoppelt

    Im Vergleich zu anderen Weltregionen hinkt Europa deutlich hinterher. “Die KI-Investitionen der EU stiegen im Zeitraum 2018-2020 zwar stetig an und übertrafen die KI-Ziele der EU, doch hat sich die Lücke zwischen den Vereinigten Staaten und der EU bei den Investitionen in KI zwischen 2018 und 2020 mehr als verdoppelt”, steht im Bericht. Konkret wuchs die Lücke auf 10,5 Milliarden Euro im Jahr 2020.

    Der Rechnungshof kritisiert zudem die unzureichende Überwachung und Nutzung von Forschungsergebnissen. Demnach führte die Kommission nur teilweise Kontrollen durch, um sicherzustellen, dass die aus dem EU-Haushalt finanzierten Ergebnisse aus Forschung und Innovation (FuI) im Bereich KI vermarktet oder anderweitig genutzt werden.

    Kommission soll die Maßnahmen besser evaluieren und koordinieren

    Um diese Mängel zu beheben, empfiehlt der Rechnungshof der Kommission, das EU-Investitionsziel für KI neu zu bewerten und klare Vereinbarungen mit den Mitgliedstaaten zu treffen, wie diese zur Erreichung des Ziels beitragen können. Die Kommission solle evaluieren, ob spezielle Instrumente zur Kapitalunterstützung für innovative KMU erforderlich sind, und sicherstellen, dass die KI-Infrastruktur koordiniert zum Einsatz kommt.

    Darüber hinaus fordern die Prüfer die Festlegung spezifischer Leistungsziele und Indikatoren sowie deren regelmäßige Überwachung. Die Kommission müsse verstärkte Maßnahmen ergreifen, um die Nutzung der Ergebnisse aus EU-finanzierter KI-Forschung zu fördern und die Ergebnisse nach Abschluss der Projekte systematisch zu überwachen.

    Unter dem Strich heißt das, dass die EU ihre Strategien zur Förderung von KI-Technologien überdenken und effektiver umsetzen muss, um im globalen Wettbewerb erfolgreich zu sein. Der gerade beschlossene AI Act könne dazu beitragen, die EU als attraktiven Standort für KI-Entwicklung zu etablieren. Es sei aber noch zu früh, das zu bewerten, sagte Kozlovs. vis

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    Niederlande: Warum die neue Regierung bei der Wissenschaft sparen will 

    Das gemeinsame Regierungspapier mit dem Namen “Hoffnung, Mut und Stolz” der neuen niederländischen Koalition setzt auf Steuersenkungen, Investitionen in den Wohnungsbau und eine stärkere Unterstützung für Landwirte. Um diese zu finanzieren, sind laut verschiedenen Medienberichten folgende Kürzungen im Bereich Wissenschaft und Forschung geplant: 

    • Die letzten beiden Runden – zusammen im Wert von 6,8 Milliarden Euro – des 2021 ins Leben gerufenen Nationalen Wachstumsfonds sollen gestrichen werden. Das Fünfjahresprogramm förderte Innovation und Wirtschaftswachstum durch die Auszahlung von insgesamt 20 Milliarden Euro an Konsortien von Forschungsorganisationen und Unternehmen. In den ersten drei Runden des Fonds wurden unter anderem Projekte im Bereich Biotechnologie oder in der Bildung unterstützt. 
    • Die Vereinbarung beendet auch die sogenannten Sektorpläne, ein im Jahr 2023 ins Leben gerufenes Programm. Diese sah jährlich 215 Millionen Euro für die Reduzierung der akademischen Arbeitsbelastung, die Schaffung von Arbeitsplätzen an Universitäten und akademischen medizinischen Zentren sowie die Strukturierung der Arbeitsteilung zwischen Instituten vor.  
    • Die Parteien einigten sich darauf, jährlich 150 Millionen Euro aus einem 500-Millionen-Dollar-Fonds zur Förderung der Grundlagenforschung zu streichen

    Dijkgraaf: “Treten auf die Bremse” 

    Die beiden letzten Programme wurden von Robbert Dijkgraaf eingeführt, der 2022 Wissenschaftsminister wurde. Der Physiker und ehemalige Leiter des Institute for Advanced Study in Princeton genoss breite Unterstützung in der akademischen Community. “Es tut mir im Herzen weh zu sehen, dass viele dieser Investitionen nun zurückgenommen werden sollen”, sagte Dijkgraaf in einer Parlamentsdebatte am 21. Mai. “Es fühlt sich an, als wären wir an der Spitze des Pelotons und würden jetzt auf die Bremse treten.” 

    Die neue Koalition will zudem das jüngste Wachstum bei den ausländischen Studierenden bremsen. Aktuell kommt etwa jeder vierte Bachelor- und Master-Student aus dem Ausland. Damit werde die Wohnungsnot verschärft und es gebe Beschwerden über die zweitklassige Stellung der Niederländer in der Hochschulbildung, argumentiert die neue Regierung. Die Koalition will mehr Kurse auf Niederländisch statt auf Englisch. Dazu sollen eine Obergrenze für die Zahl ausländischer Studierender und höhere Studiengebühren für Menschen von außerhalb der EU eingeführt werden.  

    Universitäten befürchten Nachwuchsprobleme 

    Diese Maßnahmen bedrohten “den internationalen Charakter” der niederländischen Hochschulbildung, betont Jouke de Vries, Interimsvorsitzender der Universitäten der Niederlande (UNL), in einer Erklärung. “Das hat erhebliche Konsequenzen für die Verfügbarkeit von Talenten für die Wissenschaft und den Arbeitsmarkt.”  

    Zusammen mit den vorgesehenen Kürzungen der Budgets, reduzierten diese Maßnahmen die Fähigkeiten der Hochschulen, qualitativ hochwertige Lehre anzubieten sowie generell Forschung zu betreiben, sagte die UNL auf Anfrage von Table.Briefings. Mit diesen Einschnitten setze man die Zukunft der jungen Menschen in den Niederlanden aufs Spiel. Man wolle nun die Ausarbeitung der bisher vorhandenen Vereinbarung mit dem neuen Minister diskutieren. mw 

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    Deutsch-französischer Ministerrat: Was Berlin und Paris für Forschung und Transfer fordern

    Am Montag hatte Emmanuel Macron bei seinem Deutschlandbesuch noch eine Verdoppelung des EU-Budgets gefordert, in der gemeinsamen Erklärung zum deutsch-französischen Ministerrat am Dienstag auf Schloss Meseberg war davon keine Rede mehr: In dem siebenseitigen Papier “Agenda zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und des Wachstums in der Europäischen Union” verweisen Berlin und Paris lediglich auf den hohen Investitionsbedarf in den kommenden Jahren. Bei der Frage der Finanzierung bleibt die Erklärung jedoch vage. Von einer Budgeterhöhung ist in der Erklärung nichts zu lesen – die Bundesregierung bremst. “Europa darf nicht zurückfallen: Wir wollen ein starker Standort für Industrie und Technologie bleiben und bei den grünen und digitalen Technologien der Zukunft weltweit führend sein”, heißt es zu Beginn. Als weltweit stärkster gemeinsamer Markt werde man eine ehrgeizige, robuste, offene und nachhaltige Handelspolitik verfolgen.

    Mit Blick auf den nächsten institutionellen Zyklus unterbreiten Scholz und Macron einen gemeinsamen Vorschlag, wie Europa wettbewerbsfähiger gemacht werden kann, auch um den grünen und den digitalen Wandel zum Erfolg zu machen.

    Macron und Scholz fordern mehr private Investitionen

    Der Green Deal und der Industrieplan zum Green Deal sollen etwa als Wachstumsagenda für Europa und insbesondere für einen erfolgreichen Umbau der industriellen Basis dienen. Frankreich und Deutschland fordern Brüssel zudem dazu auf, die chemische Industrie nicht mit neuen Umweltschutzauflagen zu belasten, die die Wettbewerbsfähigkeit des Sektors weiter einschränken könnten.

    Einig sind sich Macron und Bundeskanzler Scholz – wie zuvor – dass ein Großteil der Investitionen von privater Seite kommen muss. Das Mittel dazu soll die Kapitalmarktunion sein, aber auch da gibt es in den Details nach wie vor Unstimmigkeiten zwischen Deutschland und Frankreich. Darüber hinaus “müssen wir sicherstellen, dass Europa angesichts neu entstehender Bedrohungen stark genug ist, auch mit Blick auf unsere Verteidigungssektoren, die hinreichend integriert sein müssen.” Insgesamt brauche die EU mehr Innovation, mehr Investitionen, fairere Wettbewerbsbedingungen und einen intelligenteren Regelungsrahmen.

    Speziell für den Bereich Forschung und Transfer erklären Scholz und Macron:

    • Um die technologischen Fähigkeiten der EU zu stärken, sollen die Spitzenforschung, der Forschungstransfer und die diesbezügliche Industrialisierung auf europäischer Ebene gefördert werden.
    • Gefördert werden sollen Bereiche wie KI, Quanten, Biotechnologie, Raumfahrt, fortgeschrittene Materialien, Netto-Null-Technologien.
    • Aktive Partnerschaften mit der Industrie zur Verbesserung des Technologietransfers sollen gefördert werden.
    • Auf den durch den Europäischen Innovationsrat geschaffenen Grundlagen soll aufgebaut werden, diese sollen ausgebaut werden, insbesondere indem mehr Risiken eingegangen werden.
    • Die europäische Risikokapitalindustrie soll gefördert werden, um die Finanzierung europäischer Start-ups und expandierender Jungunternehmen (Scale-ups) zu stärken
    • Die Identifizierung von Technologien soll in den Blick rücken, bei denen die Entwicklung eines IPCEI relevant wäre, zum Beispiel im Gemeinsamen Europäischen Forum (JEF), und einen Mehrwert für das Innovationsökosystem der EU schaffen.
    • Der Gesundheits- und Pharmasektor müsse gefördert werden, auch durch einen ehrgeizigen Rechtsakt über kritische Arzneimittel, um “Abhängigkeiten anzugehen” und “Souveränität, Widerstandsfähigkeit und Fähigkeit zur Innovation und Produktion in der EU zu stärken”.
    • Die Kommission wird aufgefordert, den Binnenmarkt im Gesundheits- und Pharmasektor weiter zu stärken und gleichzeitig angemessene Anreize für die Förderung und den Schutz von Innovationen zu gewährleisten. jaa/luk/nik
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    Forschungsbewertung: Warum die HRK zumindest ein bisschen mitreden will

    Die HRK tritt der Nationalen Kontaktstelle der sogenannten Coalition for Advancing Research Assessment (CoARA) als Gast bei. Das hat die HRK-Mitgliederversammlung vergangene Woche auf ihrer Sitzung in Fulda beschlossen. Damit wolle man sich intensiver in eine Reform der Forschungsbewertung einbringen, schreibt die HRK in einer Mitteilung. Die HRK hat die CoARA-Vereinbarung bislang nicht unterzeichnet und ist somit auch kein Mitglied.  

    Innerhalb der HRK werden die CoARA und die EU-Initiative zur Reform der Forschungsbewertung kontrovers diskutiert. Einigen Hochschulen fehle in der vorliegenden CoARA-Vereinbarung ein explizites Bekenntnis zu wissenschaftlicher Exzellenz, zu Leistung und Wettbewerb, sagte Georg Krausch, HRK-Vizepräsident für Forschung und wissenschaftliche Karrierewege. Zugleich würden jedoch Kernbefunde der Initiative geteilt – insbesondere die Kritik an einer teilweisen Dominanz quantitativer Bewertungsmetriken

    Ittel: Gaststatus ist “notwendiges Signal”

    Man erwartet bei der HRK, dass die CoARA-Reformbewegung die europäische, wie auch die deutsche Wissenschaftslandschaft absehbar prägen wird. Man wolle daher die Interessen der deutschen Hochschulen in die Diskussion einbringen, meint Angela Ittel, Leiterin der Arbeitsgruppe Forschungsbewertung der Mitgliedergruppe Universitäten in der HRK. “Ein Gaststatus für die HRK im German National Chapter ist dafür aktuell ein notwendiges Signal.” mw   

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    Beratungsunternehmen: Deutsche Forschungszulage kann sich im internationalen Vergleich sehen lassen

    Im Hinblick auf den Förderumfang und die Handhabbarkeit der Antragstellung ist Deutschland bei der steuerlichen Forschungsförderung inzwischen international “im gehobenen Mittelfeld angekommen”. Das ist das Ergebnis einer internationalen Bestandsaufnahme, die die Unternehmensberatung Ayming einmal jährlich im Bereich der steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung vornimmt. Gerade durch die Erhöhung des Förderumfangs durch das Wachstumschancengesetz Ende März sei die Förderung für viele Unternehmen attraktiver geworden, sagt Patrick Lerner, Deutschland-Chef von Ayming im Gespräch mit Table.Briefings.

    Der persönliche Eindruck von Lerner: Die Forschungszulage in Deutschland gewinnt nach einer zweijährigen Anlaufphase bei Start-ups und Unternehmen immer mehr an Bekanntheit: “Anfänglich haben wir vor allem Educational Selling betrieben. Wir haben viel Aufklärungsarbeit geleistet und dabei mitgeholfen, das neue Fördermittel bekannt zu machen”, sagt Patrick Lerner. Inzwischen sei die Forschungszulage bei den meisten Unternehmen bekannt. Das deckt sich mit dem Ergebnis einer Evaluation des Förderinstruments durch das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im Frühjahr.

    Missverständnisse, welche FuE-Vorhaben gefördert werden

    Informationsbedarf gibt es aus Sicht von Lerner bei den beantragenden Unternehmen vor allem noch im Hinblick auf die für die Förderzulage geeignete Art der FuE-Projekte. “Es gibt durchaus noch das Missverständnis, dass die Forschungszulage nur bei Hightech-Projekten greift. Da können wir viele Kunden positiv überraschen, denn es ist eben die gesamte Bandbreite an FuE-Themen förderfähig”, sagt Lerner. Besonderes Interesse an der Forschungszulage gebe es aus der IT- und Software-Branche.

    Mit Blick auf die europäischen Nachbarländer gebe es in der Ausgestaltung der Forschungszulage einige Unterschiede, Deutschland biete im Vergleich zu vielen Ländern aber durchaus eine “großzügige Forschungszulage” an. Belgien gewähre etwa eine Teilbefreiung von 80 Prozent der Lohnsteuer für bestimmte
    FuE-Kosten, während die Schweiz eine Lohnsteuergutschrift von 32 Prozent und bis zu 350.000 Euro für förderfähige Ausgaben anbietet. In den Niederlanden können Unternehmen eine Lohnsteuergutschrift von bis zu 32 Prozent für FuE-Projekte beantragen.

    Bislang kaum Prüfungen im Nachhinein

    Auch mit Blick auf das Antragsverfahren gebe es kein Land, wo alles “vollkommen einfach und perfekt laufe”. In Großbritannien, wo man auf ein einstufiges Verfahren setzt, könne es im späteren Verlauf etwa immer wieder zu Nachprüfungen kommen. In Deutschland sei dies bislang nicht der Fall. “Wenn die Bescheinigungsstelle Forschungszulage einmal grünes Licht gegeben hat, dann gibt es auch kein Zurückrudern mehr.” Dem Benchmark-Bericht Aymings zufolge antwortet die BSFZ inzwischen innerhalb von drei Monaten. Anschließend muss die Zulage in einem zweiten Schritt beim zuständigen Finanzamt beantragt werden. Die Zeitspanne der Bearbeitung variiere hier je nach Finanzamt von einigen Tagen bis hin zu mehreren Monaten. tg

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    • Forschungszulage

    Datipilot: 20 Innovationscommunities werden gefördert 

    20 Innovationscommunities können im Rahmen des Datipilot-Programms in den kommenden vier Jahren ihr Innovationsthema mit ihren Partnern weiterentwickeln. Dafür erhalten sie je bis zu fünf Millionen Euro für vier Jahre. Ziel jeder Community ist es, Forschungs- und Transferaktivitäten zu diesem Thema strategisch auf- oder auszubauen und dafür erforderliche Partnerschaften zu etablieren. 

    In einem dreistufigen Auswahlverfahren wurden zunächst über 480 eingereichte Skizzen bewertet. Danach begutachtete eine unabhängige Jury aus zwölf Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft die rund 80 vielversprechendsten Skizzen. Zum Abschluss wurden die rund 40 aussichtsreichsten Teams eingeladen, ihre Idee in Berlin zu präsentieren. Anschließend empfahl die Jury dem BMBF 20 Innovationscommunities zur Förderung. Damit konnten weniger als fünf Prozent der eingereichten Anträge gefördert werden. Die Ausschreibung des BMBF war Teil des Datipilot-Programms

    HAWs und Unis gleich erfolgreich 

    Bei rund 40 Prozent der ausgewählten Projekte geht es um soziale Innovationen. Je 35 Prozent der Sprecher der Communities kommen aus Universitäten und aus HAWs. Die erfolgreichsten Bundesländer – nach Sprechersitzen – sind Nordrhein-Westfalen (10), Schleswig-Holstein (8) und Baden-Württemberg (6). 

    Die Dati selbst kommt nicht voran 

    Für Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger zeigt das große Interesse an der Ausschreibung, dass man mit Datipilot auf dem richtigen Weg sei. Datipilot soll als Vorläuferprogramm zur Deutschen Agentur für Transfer und Innovation (Dati), Hinweise für deren Aufbau liefern. Das Konzept für die Agentur befindet sich offenbar immer noch in der Ressortabstimmung und konnte bislang nicht ins Kabinett eingebracht werden. Ob das Finanzvolumen der geplanten Agentur von etwaigen Einsparungen im Haushalt 2025 betroffen sein wird, bleibt unklar. mw 

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    Must Reads

    Handelsblatt. Biontech-Chef Uğur Şahin macht Krebspatienten Hoffnung. Im Interview berichtet Uğur Şahin über die Arbeit an einem kombinierten Impfstoff gegen Grippe und Covid-19, der Ende 2025 auf den Markt kommen soll. Er glaubt, dass sich das Geschäft mit den Covid-19-Impfungen zukünftig im einstelligen Milliardenbereich einpendeln wird. Mit dem Geld will Biontech die Forschung im Onkologiebereich vorantreiben. Die Logik, die dahinter steckt, sei grundsätzlich die gleiche wie bei der Impfstofferforschung. Allerdings konzentriere man sich auf eine individuelle Krebstherapie. Damit wolle man Rückfall- und Sterberate deutlich reduzieren. Mit den Technologien von Biontech sei die Chance groß, dass man zahlreiche Krebsarten besser kontrollierbar machen könne und die Sterberaten sinken. “Trotzdem gibt es in der Biologie keine Garantie, dass das Neue funktioniert”, sagt Uğur Şahin. Mehr

    heise online. Der “weiße Drache” fliegt: ESA-Mission Earthcare ins All gestartet. Der Start des Erdbeobachtungssatelliten “Earthcare” ist geglückt. Die Trägerrakete wurde am Mittwochmorgen um 0.20 Uhr (MESZ) im kalifornischen Vandenberg gezündet. Anschließend hob der Orbiter an Bord einer Falcon-9-Rakete des US-Raumfahrtkonzerns SpaceX ab. Um kurz nach 1.00 Uhr nahm das Kontrollzentrum in Darmstadt das Signal des europäisch-japanischen Orbiters auf – damit wird bei der Esa von einer Mission gesprochen. Der Satellit soll in einer Umlaufbahn in Höhe von rund 400 Kilometern global die Wechselwirkung von Wolken, Aerosolen und Sonneneinstrahlung auf die Atmosphäre untersuchen und so bessere Klimamodelle und Wettervorhersagen möglich machen. Erstmals soll nach Angaben von Esa-Experten damit ein 3D-Modell der Atmosphäre im gesamten Höhenprofil erstellt werden können. Mehr

    Laborjournal. Schub für Transparenz und Offenheit. Datenbanken für Forschungsdaten wie Web of Science oder Scopus sind proprietär. In Deutschland haben sich nun einige Institutionen der Barcelona-Erklärung angeschlossen. Sie sehen eine transparente Bewertung von Forschungsleistungen nur dann gegeben, wenn Entscheidungsträger und Forschende auf öffentlich zugängliche Forschungsinformationen zugreifen können. Die Universität Bamberg und die TU Hamburg haben bereits eigene Forschungsinformationssysteme etabliert. Letztlich ist aber die Unterstützung und Beteiligung vieler Organisationen entscheidend, um den Wandel zu einer offenen digitalen Wissenschaftskultur voranzutreiben. Der Aufbau neuer Systeme ist kosten- und zeitintensiv. Mehr

    ORF. Neuer Vertrag zum Schutz vor Biopiraterie. Ein neuer UNO-Vertrag soll Biopiraterie einen weiteren Riegel vorschieben. Nach mehr als 20 Jahren Verhandlungen beschlossen die Mitglieder der UNO-Organisation für geistiges Eigentum (WIPO) in der Nacht auf Freitag neue Regelungen für den Umgang mit traditionellem Wissen und genetischen Ressourcen. Der Vertrag regelt, dass Länder an Profiten beteiligt werden, wenn ihre Pflanzen und andere Organismen oder ihr teils Jahrtausende altes Wissen darüber von ausländischen Firmen genutzt werden, um Medikamente oder andere Produkte herzustellen. Mehr

    Standpunkt

    Wie kritische China-Kompetenz im politischen Berlin ignoriert wird

    Von Andreas Fulda

    Bereits auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2014 schrieb der damalige Bundespräsident Joachim Gauck den Deutschen ins Stammbuch: “Das Nachdenken über Existenzfragen gehört in die Mitte der Gesellschaft.” Knapp zehn Jahre später äußerte sich Gauck enttäuscht darüber, dass sein Appell für ein größeres sicherheitspolitisches Engagement Deutschlands weitgehend folgenlos verhallt sei.

    In kaum einer Frage wird diese Fehlentwicklung deutlicher als in Deutschlands ungeklärtem Verhältnis zu China. Auch wenn nicht immer klar ist, was mit China-Kompetenz überhaupt gemeint ist, so besteht in Deutschland ein weitgehender Konsens, dass gute Kenntnisse zu Chinas Strategien und der politischen Logik der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) notwendig sind.

    Leider werden solche Debatten im politischen Berlin seit Veröffentlichung der China-Strategie im Sommer letzten Jahres kaum noch geführt. Und ohne eine Thematisierung kann sich China-Expertise nicht in den politischen Prozess einbringen. Hier sind Führungspersonen in der Pflicht, in öffentlichen Debatten auch Widerspruch und Kritik am aktuellen politischen Kurs zuzulassen.

    Systemische Unterschiede sollten klar benannt werden

    Wie die langjährige Diskussion um die Rolle von Huawei und 5G gezeigt hat, lassen sich im 21. Jahrhundert Industriepolitik, Schutz kritischer Infrastruktur und Geopolitik nicht voneinander trennen. Systemische Unterschiede zwischen Demokratien und Autokratien sollten daher klar benannt und Risiken und Konflikte nicht aus taktischen Gründen heruntergespielt werden. Doch das geschieht zu selten.

    Die jüngste China-Reise von Olaf Scholz hinterließ den Eindruck, dass der Bundeskanzler die im letzten Jahr verabschiedete China-Strategie bereits zu den Akten gelegt hat. Im Kanzleramt wird Scholz von Jens Plötner beraten. Während eines Vortrags im Juni 2022 bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) plädierte der frühere Diplomat dafür, die systematische Rivalität mit China “nicht überzubetonen”, da dies kooperative Ansätze im internationalen Umgang mit dem Land erschwere. Liegt hier der Hund begraben?

    Kanzleramt lehnt Kurswechsel ab

    Mit seinem Vortrag machte Plötner deutlich, dass das SPD-geführte Kanzleramt, im Gegensatz zum Auswärtigen Amt unter Annalena Baerbock, einen Kurswechsel in der deutschen Chinapolitik ablehnt. Damit wurde auch der Korridor zur Entwicklung einer kritischen China-Kompetenz innerhalb der Bundesregierung stark eingeschränkt. China-Experten müssen davon ausgehen, keine gern gesehene Gäste im politischen Berlin zu sein, sollten sie die systemische Rivalität zu stark betonen und sich zu kritisch äußern.

    Welche negativen Auswirkungen die Unterbindung kritischer Debatten durch politische Entscheidungsträger auf die Entwicklung einer strategischen Kultur und Autokratie-Kompetenz hat, wird auch am Beispiel von Deutschlands gescheiterter Russland-Politik deutlich. Unbequeme Kritik wurde abgetan und Kritiker von zukünftigen Debatten ausgeschlossen. Warnende Stimmen der osteuropäischen und russischen Demokraten wurden ignoriert. Wiederholt sich dieses Muster jetzt in Bezug auf China?

    “Um seinen Weg in schwierigen Zeiten zu finden, braucht Deutschland Ressourcen, vor allem geistige Ressourcen – Köpfe, Institutionen, Foren”, sagte Gauck zur Eröffnung der Münchner Sicherheitskonferenz in 2014. Zehn Jahre später wird deutlich, dass wir in unserer Debattenkultur leider kaum Fortschritte gemacht haben.

    Auswirkungen für Europas langfristige Sicherheit

    2018 veröffentlichte der langjährige Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, sein Buch “Welt in Gefahr”. Unerklärlicherweise ließ er darin China links liegen, vorgeblich “um genügend Raum für die Abhandlung der grundlegenden Fragen von Krieg und Frieden und globaler Ordnungspolitik” zu haben. Dabei erhielt er im selben Jahr den Transatlantic Partnership Award der US-Handelskammer. Als Preisträger hätte ihm doch klar sein müssen, dass der zunehmende Fokus der USA auf China auch Auswirkungen für Europas langfristige Sicherheit haben würde.

    Ischinger war kurz vor der Asienreise des Bundeskanzlers selbst in China. Sein Ziel: die chinesische Führung, Russland zu einer Beteiligung an einer Friedenskonferenz zur Ukraine in der Schweiz im Juni 2024 zu gewinnen. Das widersprach seiner eigenen Bewertung aus dem September 2022, als er für eine realistische Einschätzung der Autokratie von Xi Jinping plädiert hatte. Diese implizierte, dass ein solches Bemühen um China auch in dieser Frage Wunschdenken bleiben würde.

    Ignoranz und Realitätsverleugnung im politischen Berlin

    Kritik an diesem Widerspruch begegnet Ischinger dünnhäutig. Er stellt die Kompetenz von China-Experten infrage und blockte kritische Nachfragen in sozialen Medien ab. Es sollte in Zukunft jedoch möglich sein, Kritik an dem strategischen Denken deutscher Entscheidungsträger äußern zu können, ohne ausgegrenzt zu werden.

    In welche Situation uns Ignoranz und Realitätsverleugnung im politischen Berlin gebracht hat, lässt sich derzeit täglich aus den Nachrichten ablesen. Widerlegte Narrative (“Wandel durch Handel”) und gescheiterte strategische Ansätze (“gutgläubiger Dialog und Kooperation mit Diktaturen”) müssen in einer öffentlichen Debatte hinterfragt werden.

    Andernfalls werden sich immer wieder überkommene Denkmuster, Konzepte und Strategien durchsetzen. Das hat die naive Reisediplomatie von Scholz in China gezeigt. Realistischere Ansätze wie das Mantra “Frieden durch Stärke”, gekoppelt mit einer Stärkung der industriellen Wettbewerbsfähigkeit und demokratischen Resilienz, wären dringend notwendig, damit sich Deutschland in Zukunft besser gegenüber der chinesischen Autokratie behaupten kann.

    Andreas Fulda ist Politikwissenschaftler und China-Experte. Er lehrt als außerordentlicher Professor an der Universität Nottingham. Sein neuestes Buch “Germany and China: How Entanglement Undermines Freedom, Prosperity and Security” erscheint am 30. Mai bei Bloomsbury.

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    Heads

    Fiona Fox, Gründungsdirektorin des britischen Science Media Center, ist im aktuellen Sommersemester Gastprofessorin für Wissenschaftskommunikation an der Universität Heidelberg.

    Dominik Groß, geschäftsführender Direktor des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der RWTH Aachen, ist vom Rektorat der Hochschule zum ersten Rektoratsbeauftragten gegen Antisemitismus ernannt worden. 

    Peter Middendorf wurde vom Senat und Universitätsrat der Universität Stuttgart zum neuen Rektor gewählt. Er tritt zum 1. Oktober die Nachfolge von Wolfram Ressel an.

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    China.Table. Deutsche Hochschulen: So überwacht die KP chinesische Studierende. Deutsche Hochschulen haben kaum Möglichkeiten, sich gegen die Beobachtung chinesischer Studierender durch KP-Stellen zu wehren. Sie bekommen von der Überwachung und gegenseitigen Denunzierung unter den Kommilitonen praktisch nichts mit. Mehr

    Bildung.Table. Republica 2024: Was es für ein digitales Mindset an Schulen braucht. Von digitalem Empowerment, über die Europawahl bis hin zu Best Practices für die Schulen der Zukunft. Die Republica 2024 brachte viele spannende Menschen und Formate zusammen. Auch die Rahmenbedingungen für (digitale) Schulentwicklung standen im Fokus. Mehr

    Climate.Table. Energieeffizienz: Deshalb könnte Deutschland seine 2030-Ziele verfehlen. Die derzeitigen politischen Maßnahmen reichen nicht aus, um die Effizienzziele der Bundesregierung bis 2030 zu erreichen. Das zeigt eine neue Analyse von DENEFF und Prognos. Die Effizienzziele sind jedoch eine wichtige Voraussetzung, um die Klimaziele zu schaffen. Mehr

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