Table.Briefing: Research

Erste Konturen der Dati + Neuer MPG-Präsident auf Reisen + Haushalt: Wo das BMBF kürzen will

Liebe Leserin, lieber Leser,

seit 18 Monaten arbeitet das BMBF an einem Konzept für die Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (Dati). Am Freitag stellt das BMBF nun die Pilotförderrichtlinie vor. Damit sollen – noch bevor es mit der richtigen Dati losgeht – wichtige Erkenntnisse für deren Ausgestaltung gewonnen werden. Im exklusiven Interview mit Markus Weisskopf erläutert Mario Brandenburg die Details.

Bevor Patrick Cramer Präsident der Max-Planck-Gesellschaft wurde, hat er alle 85 Institute der MPG besucht, beziehungsweise eigentlich nur 84. Warum, das lesen Sie in meinem Interview mit dem renommierten Chemiker und Biowissenschaftler. Es geht um neue Freiheiten, interdisziplinäre Postdoc-Programme, KI und Klimawandel, den richtigen Umgang mit Machtmissbrauch in der Wissenschaft. Und seinen Wunsch in Richtung Berliner Politik.

Am Mittwoch hat das Kabinett den Haushalt 2024 beschlossen. Was drin steckt für die Forschung und wie die Community den Entwurf beurteilt, lesen Sie bei uns. Nur so viel: Das Parlament wird noch viel zu bereden haben.

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Nicola Kuhrt
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Analyse

Mario Brandenburg: “Freue mich, dass es losgeht!”

Mario Brandenburg, Parlamentarischer Staatssekretär im BMBF.

Herr Brandenburg, die Pilotförderrichtlinie der Deutschen Agentur für Transfer und Innovation (Dati) wird am Freitag bekannt gegeben. Was erwarten Sie sich davon?

Es geht jetzt darum, ein Startsignal zu senden. Der Öffentlichkeit zu zeigen, dass es losgeht. Und wir wollen natürlich lernen. Die Erfahrungen aus der Pilotförderrichtlinie sollen dann den Prozess der Dati-Entwicklung speisen.

Zwei Module soll es im Piloten geben, eines davon sind die InnovationSprints. Was können wir uns darunter vorstellen?

Mit den InnovationSprints wollen wir themen- und akteursoffen möglichst viele Personen im Innovationssystem erreichen. Dadurch, dass wir in einer ersten Stufe nur eine zwei- bis dreiseitige Projektskizze erwarten, halten wir die Hürden möglichst niedrig. In drei bis 18 Monaten können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dann in Einzelprojekten gemeinsam mit Anwendungspartnern wie Kommunen oder Unternehmen ihre Transferideen umsetzen.

Bis 2028 stehen 90 Millionen Euro zur Verfügung

Und wie funktioniert die Auswahl?

Ausgewählte Projekte werden in Pitches auf regionalen Meetings vorgestellt. Das ermöglicht einerseits eine Vernetzung mit anderen, ähnlichen Projekten. Andererseits sind diese Veranstaltungen auch ein Marketinginstrument für den DATIpilot und bringen hoffentlich viele andere auf gute Ideen. Und auch danach soll die Kommunikation der geförderten Projekte in die Community weitergehen, über gute Videos beispielsweise.

Die Förderung läuft also anders als gewöhnlich?

Mit dem Piloten sind wir zwar in der “klassischen Welt” der Projektförderung verhaftet. Aber wir wollen zumindest an einigen Stellen schon zeigen, wie das Neue, das wir mit Dati schaffen werden, aussehen kann. Dafür haben wir den Rahmen dessen, was geht, ausgeschöpft. Allein durch die Themenoffenheit erwarten wir uns viele spannende Themen.

Wie viel Geld wird für diese neue Förderung zur Verfügung stehen?

Insgesamt bis zu 90 Millionen Euro für beide Module bis 2028. Wobei auch klar ist, dass das ein Maximalbetrag ist, der zur Verfügung steht, wenn wir genügend wirklich gute Ideen bekommen. Nur weil das Geld da ist, müssen wir es nicht ausgeben. Die Dati muss auch für Exzellenz stehen.

Ausgründungen sind auch BMBF-Thema

Das zweite und etwas größere Modul der Förderrichtlinie soll Innovations-Communities in Regionen unterstützen. Was ist hier geplant?

Hier können regionale und überregionale Communities Förderung für immerhin vier Jahre beantragen. Da wollen wir sowohl bereits bestehende Communities in ihrer Weiterentwicklung fördern, als auch neue Vernetzungen ermöglichen.

Das hört sich fast so an, als ob das BMBF wieder eine größere Rolle auch in der Gründungsberatung und -förderung spielen möchte. Gerade jetzt, wo das BMWK seine Förderung für Gründungsberatung an den Hochschulen zurückfährt.

Die Systeme müssen ineinandergreifen. Die Dati wird vom BMBF verantwortet, aber soll im Bund Probleme lösen. Perspektivisch soll sie Dinge bündeln. Und ja, auch Gründungsberatung oder zumindest eine Vermittlung an die passende Stelle anbieten. Es wäre traumhaft, wenn die Communities am Ende noch Start-ups hervorbringen. Dann geht der Prozess jedoch freundschaftlich im BMWK weiter. Aber klar: Ausgründungen aus der Wissenschaft sind auch ein BMBF-Thema!

Ursprünglich sollte die Dati ja eine Förderung explizit für die HAWen ermöglichen – was ist daraus geworden?

Das BMBF strebt entgegen den bisherigen Planungen eine Weiterentwicklung des Programms “Forschung an Fachhochschulen” an. Dieses soll als Basis erhalten bleiben. Da erwarten wir auch einen Beitrag der Länder. Am Ende wollen wir einen guten Mix liefern aus Stabilität im System und der Dati als Experimentierfeld.

Akteursoffenheit in der Pilotphase

Und die Dati ist dann für alle da?

Wir sind jetzt im Pilot akteursoffen. Gerade bei den InnovationSprints wollen wir möglichst viele mit einbeziehen. Die Dati soll ja auch soziale Innovationen befördern. Und nicht jeder Social Entrepreneur ist Wissenschaftler. Bedingung ist aber, dass bei den Communities eine wissenschaftliche Einrichtung dabei sein muss. Und klar ist für uns auch, dass die HAWen bei der Dati eine herausgehobene Rolle haben. Über ihre Repräsentanz in den Auswahlgremien zum Beispiel.

Und der Pilot soll wegweisend für die eigentliche Dati sein?

Wir wollen jetzt selbst lernen. Erreichen wir die, die wir erreichen wollen? Was kommt bei den Sprints raus? Es wird eine Begleitforschung geben und wir wollen möglichst viele eigene Daten erheben. So, dass wir dann im Sinne eines ‘data based decision making’ für die eigentliche Dati die optimalen Entscheidungen treffen können. Dabei soll es im Sinne eines 360-Grad-Monitorings zum Beispiel auch Bewertungen durch Partner von Communities geben. Diese könnten auch in Förderentscheidungen einfließen.

Die Suche nach einer Geschäftsführung beginnt bald

Und wann geht es los mit der eigentlichen Dati?

Wir haben drei Säulen, die wir parallel entwickeln müssen. Die tatsächliche Dati-Gründung, da geht es um Menschen und Steine. Die Findungskommission wird bald ihren Job beginnen, um eine Geschäftsführung zu identifizieren. Dann geht es darum, die Community mitzunehmen. Das haben wir mit einem Stakeholderprozess gemacht und werden diesen fortsetzen. Und drittens braucht es ein politisches Commitment. Hier müssen wir aufpassen, dass diese Säulen sich gleichmäßig entwickeln und keine Schieflage entsteht.

Sie machen einen zufriedenen Eindruck ob der Pilotförderlinie. Wie muss die Dati in drei Jahren aussehen, damit Sie auch dann noch glücklich sind?

Ich freue mich tatsächlich über die aktuelle Konzeption und darauf, dass es losgeht. In drei Jahren möchte ich eine vitale und muntere kleine Agentur sehen. Mit einem guten digitalen Auftritt. Mit vielen Daten, von denen wir etwas lernen können. Und sie soll dazu beitragen, dass die Wissenschaft sich mit anderen Communities aus dem wirtschaftlichen, sozialen oder schulischen Bereich verbindet und noch vorhandene Grenzen überwindet.

Haushalt 2024: Kürzungen bei Bafög, KI und Quanten  

Das Kabinett hat am Mittwoch den Haushaltsentwurf für 2024 beschlossen. Geplant sind deutliche Kürzungen. Für Finanzminister Christian Lindner (FDP) werden damit “die finanzpolitischen Realitäten” anerkannt. Damit gehen auch die Finanzierungspläne für das BMBF in die Parlamentsabstimmung. So sieht es aus:

  • Für Bildung und Forschung sind im Jahr 2024 rund 20,3 Milliarden Euro eingeplant. Das sind 507 Millionen Euro weniger als in der mittelfristigen Finanzplanung aus 2022.  
  • Aufgestockt wird bei der Sprind. Die Agentur für Sprunginnovationen soll nun 190 Millionen Euro erhalten. Für die Dati sind jetzt 78,8 Millionen Euro eingeplant.  
  • Nicht gespart werden soll bei den Mitteln für die großen Forschungsorganisationen Fraunhofer-Gesellschaft, Max-Planck-Gesellschaft, Leibniz- und Helmholtz-Gemeinschaft (insgesamt 5,86 Milliarden Euro) und für die Deutsche Forschungsgemeinschaft (2,08 Milliarden Euro). 
  • Gespart wird besonders bei der Bildung – und hier beim Bafög. Für Studierende sind 1,37 Milliarden Euro vorgesehen, 440 Millionen Euro weniger als eigentlich veranschlagt.

Bewertung der BMBF-Planung noch unentschieden

Hat Ministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) die möglichen Mittel mit ihrem Parteikollegen aus dem Finanzministerium gut verhandelt? Hat sie trotz der enormen finanzpolitischen Herausforderungen durch Zeitenwende, Klimawandel, Digitalisierung und demografische Entwicklung alles herausgeholt? Hat sie klare politische Schwerpunkte gesetzt und dazu beigetragen, Deutschland auf all dies vorzubereiten? Die forschungspolitische Community zeigt sich ambivalent.   

“Der Bundeshaushalt wird auch im BMBF auf die Zukunft ausgerichtet. Konsumtive Ausgaben würden jetzt nur dazu führen, dass sich in Zukunft hohe Zinsen in den Haushalt fressen. Stattdessen müssen wir also in die nächste Generation investieren und das kann der Bund am besten bei Forschung und Innovation”, sagt Stephan Seiter (FDP). “Die Ausgabenstruktur wird daher die Sicherung technologischer Souveränität und Investitionen in Zukunftsinnovationen abbilden müssen und das Ministerium muss sicherstellen, dass die Mittel effizienter eingesetzt werden als unter der Großen Koalition.” 

Kritik kommt etwa von Nina Stahr (Die Grünen). Der Regierungsentwurf zum Haushalt 2024 enthalte einige schmerzliche Kürzungen im Bildungs- und Forschungsetat. “Ganz besonders die krassen Kürzungen beim BAföG sind ein schlechtes Signal für die Bildungsgerechtigkeit”, sagt die Abgeordnete. In Zeiten der Klimakrise halte sie zudem die Kürzungen bei der Klimaforschung für einen kurzsichtigen Vorschlag.  

Positiv findet sie die Dynamisierung des Zukunftsvertrags Studium und Lehre, für die die Bündnisgrünen lange gekämpft hätten, und welche den Hochschulen auch in schwierigen Zeiten Planungssicherheit gibt.   

Kürzung beim Bafög falsches Signal 

Ähnlich sieht es in Sachen Bafög Holger Mann (SPD): Die drastische Kürzung sei das falsche Signal. Dennoch begrüße man angesichts des Gesamtrahmens, dass die Forschungsförderung in vielen Bereichen wie Klimaschutz und Technologien im Haushaltsentwurf 2024 auf konstantem Niveau gesichert wurde.  

Lob kommt von DFG-Präsidentin Katja Becker: “Die Deutsche Forschungsgemeinschaft begrüßt ausdrücklich, dass der Pakt für Forschung und Innovation fest im Haushalt verankert ist.” Gerade in Zeiten hoher Kostensteigerungen und Mehrfachbelastungen sei zumindest eine gewisse Planungssicherheit für die Wissenschaft essenziell. Doch gerade hier wird aus anderen Kreisen Kritik laut. Durch die garantierten Aufwüchse für die Großen seien rund die Hälfte des BMBF-Haushalts gebunden.

Rückfall in die “Förderpolitik der Nuller-Jahre”

Was Thomas Jarzombek (CDU) umtreibt, ist eine Kürzung von rund 25 Prozent der Mittel in den Bereichen KI und Quantencomputing. “Während die Ministerin stetig nur von Kernfusion redet, wird in diesen Titeln massiv gekürzt”, sagt der CDU-Politiker. Er befürworte die Erforschung der Kernfusion ausdrücklich, aber ausgerechnet der Bereich Quantencomputing habe sich in den letzten Jahren ausgesprochen gut entwickelt.

Man habe 2021 in einem neuen Programm, der Quantencomputing Initiative beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt statt herkömmlicher Projektförderung auf vorkommerzielle Beschaffung umgestellt. Gefördert wurde es durch das BMWK. Da die beteiligten Start-ups Aufträge statt komplizierter Fördergelder erhalten hätten, seien sehr schnell auch private Geldgeber dazu gekommen – der Erfolg des Münchner Unternehmen Planqc zeige eindrucksvoll, wie es funktioniert. 

 “Das ist ein Rückfall in die Förderpolitik der Nuller-Jahre“, kritisiert Jarzombek. Von insgesamt 740 Millionen Euro (Start September 2021) wurden in den ersten beiden Tranchen bereits 350 Millionen Euro verplant. Die noch freien 390 Millionen Euro seien nun einfach weg.  

BMBF-Haushalt: Wie es weiter geht  

“Jetzt ist das Parlament am Zug“, sagt Nina Stahr. “Wir werden den Entwurf der Bundesregierung über die Sommerpause intensiv prüfen, offene Fragen klären, und dann im parlamentarischen Verfahren noch deutliche Verbesserungen erreichen müssen, um den Bundeshaushalt 2024 zukunftsfest zu machen.”  
 
Dazu gehöre auch: “Wir müssen in der Koalition, insbesondere mit der FDP, noch einmal intensiv über den Abbau klimaschädlicher Subventionen und eine gerechtere Steuerpolitik diskutieren. Nur wenn wir hier vorankommen, können wir mittelfristig weitere Einsparungen bei Bildung und Forschung verhindern.” 

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Patrick Cramer: “Ich stehe für kritische Kontinuität”   

Patrick Cramer
Mit neuem Blick auf die Welt: Patrick Cramer, der neue Präsident der Max-Planck-Gesellschaft fordert mehr Freiheit für die Wissenschaft.

Zur Vorbereitung auf seine neue Aufgabe als Präsident der Max-Planck-Gesellschaft hat Patrick Cramer alle 85 Institute der Organisation besucht, genauer gesagt 84. Sein eigenes in Göttingen kannte er natürlich bereits. Diese Reise war “ein riesiges Privileg”, sagt er. Es war unglaublich, die vielen Kolleginnen und Kollegen kennenzulernen und diese Breite der Forschungsthemen zu erleben. Zu Beginn die Astrophysik, am anderen Ende des Spektrums die Kunstgeschichte, dazwischen die Naturwissenschaften, die Rechtswissenschaften sowie die Sozial- und Geisteswissenschaften.  

“Es war ein Erlebnis für mich, mein Blick auf die Welt hat sich dadurch verändert.” Er habe auch wissenschaftlich die Fach-Kulturen besser verstanden. Das sei wichtig für die wissenschaftspolitischen Diskussionen, zum Beispiel zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz, denn es sei doch so: ‘One size fits all’ funktioniert nicht. Wenn jemand als Juristin oder Jurist eine Professur anstrebt, müsse sie oder er ganz andere Qualifikationen vorweisen als jemand, der in der Theoretischen Physik tätig ist. 

Cramer folgt auf Martin Stratmann, der dieses Amt seit 2014 innehatte 

Mit dem Beginn seiner neuen Präsidentschaft hat Cramer sich einiges vorgenommen. Er stehe für kritische Kontinuität, sagt er. “Einerseits schaue ich bei jedem Vorgang, der mir jetzt begegnet, was gut lief und was nicht so gut. Was sind die Dinge, die uns wirklich auszeichnen und die es zu schützen gilt? Andererseits nehme ich die Dinge in den Blick, bei denen wir uns weiterentwickeln können oder Verbesserungsbedarf sehen. Die werde ich als Chefsache vorantreiben, Impulse geben.”  

Cramer will die Suche nach herausragenden Forscherpersönlichkeiten verstärken. Ein wichtiges erstes großes Thema ist für ihn, Menschen zu gewinnen, Menschen zu fördern und dem Fachkräftemangel zu begegnen. So habe er etwa vorgeschlagen, ein Programm für interdisziplinäre Postdoc-Projekte aufzulegen. “Die Idee ist, dass man sich als Postdoc nicht einfach nur bei Patrick Cramer bewirbt und bei seinem Labor, sondern in einem Max-Planck-Postdoc-Programm, in dem interdisziplinäre Projekte möglich werden, bei denen Institute zusammenarbeiten. Dadurch befinden sich die Postdocs in einem noch größeren, freieren Raum und können etwas für ihre Karriere tun.”  

Wichtigster Wunsch: Wieder mehr Freiheit zu haben 

Thematisch möchte Cramer große Felder angehen, etwa Fragen von Demokratie und Resilienz. Als zweiten Schwerpunkt nennt er die Künstliche Intelligenz. Wichtig seien auch Themen aus den Sozialwissenschaften. “Die werden ebenfalls durchdrungen von den neuen computerbasierten Methoden.”  

 Die Beziehung zum Bundesministerium für Bildung und Forschung sieht er als sehr gut an. Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger sei gerade erst in Göttingen zur Hauptversammlung der MPG gekommen. “Sie ist auf uns zugegangen und hat sich angehört, was ich zu sagen hatte, auch was mein Vorgänger gesagt hat. Es war eine hervorragende Veranstaltung, in der wir uns inhaltlich ausgetauscht haben.” Die Ministerin habe verlauten lassen, dass sie sich weiter dafür einsetzen wird, die Regulierung der Grünen Gentechnik auf EU-Ebene zu lockern. Dafür habe er ihr öffentlich gedankt und ihr einen wichtigen Wunsch mitgegeben.  

“Der wichtigste Wunsch ist eben nicht der nach mehr Geld, sondern der, wieder mehr Freiheit zu haben, keine Überregulierung. Es sollten alle neuen Gesetze daraufhin überprüft werden, ob diese für die Wissenschaft eine Überregulierung darstellen. “Das war mein wichtigster Punkt in Richtung des BMBF. Über das Geld müssen wir später sprechen, wenn wir wissen, wie sich die Dinge entwickeln.”  

“Wissenschaft lebt vom Wechsel des Umfelds” 

Cramer mahnt auch Flexibilität an, Stichwort Wissenschaftszeitvertragsgesetz. “Ich halte gar nichts von einem Modell, bei dem die Menschen praktisch in einer Institution bleiben. Wissenschaft lebt vom Wechsel des Umfelds.” Forscherinnen und Forscher müssten die Möglichkeit haben, mal ein Jahr im Ausland zu sein oder von der Uni zu Max-Planck zu gehen, von Max-Planck zurück zur Uni. Von Flexibilität und Mobilität habe er in seiner Laufbahn enorm profitiert.  

“Und das gilt auch für die Arbeitsverträge: Hier brauchen wir Mindestlaufzeiten und wir müssen sicherstellen können, dass die Zeit für eine wissenschaftliche Qualifizierung ausreicht.” Deswegen mache man sich dafür stark, dass man nicht nur die Doktoranden, die promovierende Phase, und die Postdoc-Phase definiert, sondern dass man auch die sogenannte R3-Phase definiert, wenn man schon das Gesetz ändert.  

Herausforderungen nur mit Wissenschaft stemmbar 

Und noch ein Blick in die Zukunft – und in Richtung Berlin: “Es ist extrem wichtig, dass in Berlin das Thema Wissenschaft und Forschung wieder ganz oben auf die Agenda kommt.” Wir haben jetzt einen relativ neuen Bundestag. Nur sehr wenige der Abgeordneten haben einen naturwissenschaftlichen Hintergrund. Und wir haben in der Pandemie gesehen, wie wichtig Wissenschaft ist. Das gilt auch für die aktuellen Herausforderungen wie den Klimawandel und die Energietransformation. Ohne wissenschaftliche Erkenntnisse werden wir diese Herausforderungen nicht stemmen. Und deswegen ist es wichtig, dass Wissenschaft ganz oben auf der Agenda steht. 

Das ganze Interview mit Patrick Cramer lesen Sie hier: Der Chemiker und Biowissenschaftler spricht darin sehr ausführlich über die Pläne in seiner Amtszeit, das Wissenschaftszeitvertragsgesetz, den richtigen Umgang mit Machtmissbrauch in der Wissenschaft und was es braucht, um wissenschaftlich exzellent zu bleiben. Über seine Erfahrungen aus der Reise durch alle 85 MP-Institute schreibt er gerade ein Buch.  

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Termine

5.-7. Juli 2023, BBAW, Berlin
Internationale Konferenz des Imre Kertész Kolleg der Universität Jena. 1989 und die Zukunft Europas. Ambivalenzen und Herausforderungen demokratischer Transformation in Mittel- und Osteuropa Mehr

7. Juli 2023, 21:00 Uhr, Vortragssaal der Leopoldina, Jägerberg 1, 06108 Halle (Saale)
Unterhausdebatte Alles Wasserstoff! Oder was? Mehr

6.-8. September 2023, Magdeburg
Jahrestagung des Bundesverbands Hochschulkommunikation Wissenschaft, Kommunikation, Politik: Wie neutral dürfen wir noch sein? Mehr

11.-13. September 2023, Osnabrück
18. Jahrestagung der Gesellschaft für Hochschulforschung Das Zusammenspiel von Hochschulforschung und Hochschulentwicklung: Empirie, Transfer und Wirkungen Mehr

News

Grüne Gentechnik: EU-Kommission für deutliche Lockerungen

Mit ihrem Vorschlag für die künftige Regulierung gentechnisch veränderter Pflanzen ist die EU-Kommission weitgehend den Empfehlungen aus der Wissenschaft gefolgt. Viele genomeditierte Lebens- und Futtermittel sollen künftig einfacher erforscht und ohne spezielle Kennzeichnung verkauft werden können. Die EU-Kommission schlug am Mittwoch in Brüssel vor, entsprechende Züchtungen von den strengen Gentechnik-Regeln auszunehmen, wenn die neuen Pflanzen auch durch herkömmliche Züchtungsmethoden hätten entstehen können.

Für diese mit neuen Züchtungstechniken entstandenen Pflanzen gelten aber weiterhin dieselben Sicherheitsvorgaben wie für Züchtungen, die etwa durch Kreuzung und Auslese entstanden sind. Für weitgehendere Eingriffe in Pflanzen gelten auch in Zukunft die strengen EU-Gentechnik-Regeln, etwa, wenn artfremde Gene in eine Pflanze eingebracht werden oder wenn größere Genomabschnitte verändert werden.

Widerstandsfähigere Pflanzen, weniger Pestizide

Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger begrüßte den Vorschlag der EU-Kommission. Man reagiere damit auf die Entwicklung der Wissenschaft. “Auch EU-Kommissionsvize Frans Timmermans äußerte sich zufrieden: Durch den sicheren Einsatz der neuen Gentechnikverfahren hätten Landwirte Zugang zu widerstandsfähigeren Pflanzen, die etwa weniger Pestizide benötigten.”

Zahlreiche Forschende und führende wissenschaftliche Organisationen drängen auf eine Deregulierung und sehen darin kein erhöhtes Risiko für Menschen und Umwelt. In Deutschland haben sich beispielsweise Leopoldina, Akademienunion und DFG bereits 2019 in einer Stellungnahme für eine differenzierte Regulierung ausgesprochen und die Position Anfang dieses Jahres nochmal bekräftigt.

Der Verband Lebensmittel ohne Gentechnik macht sich derweil Sorgen um sein Geschäftsmodell: “Das ist ein Angriff auf die ,Ohne Gentechnik’- und die Bio-Wirtschaft, die zusammen allein in Deutschland für über 30 Milliarden Euro Umsatz stehen”, sagte Bernhard Stoll, Vorstandsmitgliedsmitglied des Verbandes.

Deregulierung würde Dominanz der Großkonzerne schwinden lassen

Kritiker befürchten zudem, dass Großkonzerne etwa über Patente noch mehr Einfluss auf Lebensmittel bekommen könnten. Matin Qaim von der Uni Bonn hält dem entgegen: “Die Dominanz weniger Großkonzerne im Bereich der Gentechnik kommt vor allem dadurch zustande, dass die Zulassungsverfahren so extrem langwierig und teuer sind.” Mit einer Deregulierung könnten auch kleine Firmen und öffentliche Einrichtungen wieder mitspielen, sagt der Professor für Agrarökonomie.

Die neuen Gentechnikverfahren sollen bei Öko-Lebensmitteln nicht eingesetzt werden dürfen. Um eine Koexistenz sicherzustellen, sollen die EU-Länder laut Kommission Maßnahmen beschließen, beispielsweise einen gewissen Abstand zwischen Feldern.

In der Bundesregierung ist nur die FDP klar für die Lockerung

Pflanzenforscher Nicolaus von Wirén sieht derweil eine zunehmende Offenheit gegenüber der Genomeditierung. Für Politiker werde es immer schwieriger, sich den wissenschaftlichen Sachverhalten zu verschließen und oft nur auf ideologisch geprägte Standpunkte zurückzuziehen, sagte er im Gespräch mit Table.Media.

Bevor die Vorschläge Realität werden können, müssen die EU-Staaten und das Europaparlament noch einen Kompromiss aushandeln. Aus den Ampel-Parteien waren bislang unterschiedliche Töne zu hören. Politikerinnen und Politiker der Grünen und SPD sehen Lockerungen kritisch, während sich Vertreterinnen und Vertreter der FDP eher die erwarteten Vorteile der lockereren Regeln betonen. abg mit dpa

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Leibniz-Institut für Sonnenphysik droht das Aus

Der Senat der Leibniz-Gemeinschaft empfiehlt Bund und Ländern, die gemeinsame Förderung des Leibniz-Instituts für Sonnenphysik (KIS) in Freiburg zu beenden. Die Entscheidung fiel nach der turnusmäßigen wissenschaftlichen Evaluierung, teilte die Leibniz-Gemeinschaft am Dienstagabend mit. Nun muss die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern (GWK) die Fördervoraussetzungen überprüfen. In der Regel folgt sie jedoch der Senatsempfehlung.

Das KIS betreibt astrophysikalische Grundlagenforschung mit dem Schwerpunkt Sonne. Es entwickelt und betreibt zusammen mit anderen Einrichtungen auch Beobachtungsinstrumente. Die Forschungs- und die Instrumentierungsabteilung hätten sich seit der letzten Evaluierung unterschiedlich entwickelt, heißt es in der Stellungnahme des Leibniz-Senats. Bemängelt wird das Fehlen einer übergreifenden Forschungs- und einer stringenten Personalstrategie. Das KIS erfülle nicht mehr die Anforderungen an ein Leibniz-Institut.

Übergreifende Forschungsstrategie fehlt

Wenn die GWK das Ausscheiden aus der gemeinsamen Förderung beschließt, scheidet das Institut aus der Leibniz-Gemeinschaft aus und fällt wieder in die alleinige Hoheit des Sitzlandes Baden-Württemberg. Wie das Land mit dem Institut umgeht, ist offen. Möglich sind Weiterbetrieb als Landes-Institut, Eingliederung in eine Universität, aber auch die Schließung.

Dass ein Leibniz-Institut keine Förderempfehlung erhält, kommt nicht oft vor. “In der Vergangenheit war es in den bisherigen drei Evaluierungszyklen aller Institute im Schnitt bei drei bis fünf Prozent der Evaluierungen so, dass eine Beendigung der Bund-Länderförderung empfohlen wurde”, sagt Leibniz-Sprecher Christoph Herbort-von Loeper. Die letzten Fälle seien das Leibniz-Institut für Nutztierbiologie in Dummerstorf (2020) und das Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik (2019) gewesen.

Vier von fünf evaluierten Instituten erhielten Förderempfehlung

Für vier weitere aktuell evaluierte Einrichtungen wurde empfohlen, die gemeinsame Förderung fortzusetzen:

  • Deutsches Institut für Erwachsenenbildung – Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen, Bonn (DIE)
  • Leibniz-Zentrum Allgemeine Sprachwissenschaft, Berlin (ZAS)
  • Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik, Frankfurt/Oder (IHP)
  • Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien, Halle/Saale (IAMO)

Zur Leibniz-Gemeinschaft gehören 97 eigenständige Forschungseinrichtungen. Beschäftigt sind dort rund 20.500 Personen, darunter 11.500 Wissenschaftler. Spätestens alle sieben Jahre werden die Einrichtungen durch den Leibniz-Senat evaluiert. abg

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Horizon Europe: UK macht wieder mit 

Nach Informationen von politico und des Daily Express haben Großbritannien und die Europäische Union einen vorläufigen Deal über den Wiedereintritt Großbritanniens in das Forschungsprogramm Horizon Europe erzielt. Nachdem Premier Rishi Sunak das Einigungspapier am Wochenende vorgelegt werden soll, ist die endgültige Bestätigung für den kommenden Dienstag geplant. Dann findet ein ohnehin geplantes Treffen von Sunak mit der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, im Rahmen des Nato-Gipfels statt. Offiziell wollte allerdings weder die britische Regierung noch die Kommission eine Einigung bestätigen.

Beitritt auch zum Copernicus-Programm

Gemäß den Aussagen eines britischen Regierungsbeamten wird Großbritannien auch dem Copernicus Earth Observation-Programm wieder beitreten, berichten politico und der Daily Express. Lediglich dem Atomforschungs- und -entwicklungsprogramm Euratom möchte man anscheinend von britischer Seite nicht wieder angehören. Ein Engagement werde von der britischen Regierung und dem britischen Nuklearsektor kritisch gesehen, da es dort ein “schlechtes Preis-Leistungs-Verhältnis” gebe. 

Nach dem Austritt aus der EU im Januar 2020 hatte Großbritannien alle drei Programme verlassen. Die Verhandlungen über einen Wiedereintritt als Drittstaat waren aufgrund des erbitterten Streits über die Handelsregeln in Nordirland ins Stocken geraten. 

Nachdem London und Brüssel das Windsor Framework-Abkommen geschlossen hatten, wurden die Verhandlungen im März wieder aufgenommen. Finanzielle Details der Vereinbarung wurden nicht bekannt gegeben, aber das britische Finanzministerium unterstützt angeblich den Vorschlag. 

Erleichterung bei der Forschungscommunity

Die britische Forschungscommunity zeigte sich am gestrigen Mittwoch erleichtert über die vermutliche Einigung. Sarah Main, Executive Director der Campaign for Science and Engineering (CaSE), sagte: “This is an encouraging development. If confirmed, this raises the promising prospect of a deal within days, which would be the best of news for UK science.” mw 

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Presseschau

Science The court’s color blindless scam. Das jüngste Urteil des Obersten Gerichtshofs der USA zu den Fördermaßnahmen im Rahmen der Affirmative Action gegen die Diskriminierung von Minderheiten sorgt für Aufsehen und hat Auswirkungen auf die Vielfalt im Hochschulwesen. Science-Chefredakteur Holden Thorpe kritisiert, dass sich viele Hochschulleitungen in republikanisch regierten Staaten kaum für die betroffenen Studierenden einsetzen. Mehr

Nature Why economic crashes boost globalization – and tear it apart. Harold James untersucht in seinem Buch “Seven Crashes: The Economic Crises That Shaped Globalization” sieben historische Krisen, darunter die Agrarkrise in Europa in den 1840er Jahren und die Weltwirtschaftskrise. Er zeigt auf, wie jede Krise die Wirtschaftsgeschichte geprägt und Veränderungen im Handel und in der Politik ausgelöst hat. James’ Buch liefert in den Augen von Marc Buchanan eine fesselnde Geschichte der Globalisierung und betont die Rolle von Krisen als Motor für transformative Veränderungen in der Weltwirtschaft. Mehr

Time – Controversial Gene-Editing Scientist Proposes New Experiment to Prevent Alzheimer’s. Der chinesische Wissenschaftler He Jiankui hat 2018 die Welt damit schockiert, dass er gentechnisch veränderte Babys geschaffen hat, um sie resistent gegen HIV zu machen. Er war 2019 zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Nun schlägt er vor, zu testen, ob eine bestimmte genetische Mutation Schutz gegen die häufigste Ursache von Demenz bietet. Mehr

Heads

Julia Wandt – Praktikerin im Rektorat

Hatte schon immer eine Leidenschaft für Kommunikation und Marketing: Julia Wandt ist Vorsitzende des Bundesverbands Hochschulkommunikation.

Die Erwartungen an Julia Wandt sind hoch. “Revolution” ist ein Wort, das im Zusammenhang mit ihrem Namen schon gefallen ist. Wer genau hinsieht, versteht warum: Seit Februar 2021 verantwortet Wandt im Rektorat der Universität Freiburg den Geschäftsbereich “Wissenschaftskommunikation und Strategie” – als Kommunikationsexpertin soll die 45-Jährige Synergien zwischen beiden Feldern intensivieren und verbessern.

Diese Art der Anerkennung für das Thema Wissenschaftskommunikation ist an deutschen Universitäten noch längst nicht der Regelfall. Die Tatsache, dass immer mehr Hochschulen bei der Verankerung von Wissenschaftskommunikation in der Universitätsleitung auf Personen aus der Praxis setzen, sagt Julia Wandt, deute allerdings auf eine positive Entwicklung hin.

Zwischen den Disziplinen

Das Thema Kommunikation treibt Wandt nicht erst seit gestern um. “Es war schon immer so, dass meine Interessenschwerpunkte in den Bereichen Kommunikationswissenschaft und Marketing lagen”, erzählt sie und verweist auf ihr interdisziplinäres Studium. Wandt hat Medien- und Kommunikationswissenschaft, Politikwissenschaft, Marketing sowie Bürgerliches Recht an der Universität Göttingen studiert. Dort war sie im Anschluss an ihr Studium an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät für Öffentlichkeitsarbeit und Marketing zuständig.

2010 ging es beruflich nach Süddeutschland: Wandt trat eine Stelle als Pressesprecherin der Universität Konstanz an, wenig später übernahm sie auch den Vorsitz des Bundesverbands Hochschulkommunikation. In dieser Funktion ist sie regelmäßig in Expertengruppen und -anhörungen im Deutschen Bundestag beteiligt. Was Wandt bei all diesen Tätigkeiten antreibt, ist die Möglichkeit, mitgestalten zu können: “Wissenschaftskommunikation ist ein Thema, das nie abgeschlossen ist”, sagt sie. “Man kann immer wieder ins Gespräch kommen.”

Kommunikation im Wandel

An der Freiburger Universität soll die Kommunikationsexpertin Impulse liefern, um den Dialog zwischen Universität und Gesellschaft zu verbessern. “Früher hat man als wissenschaftliche Einrichtung möglichst viel in die Gesellschaft gesendet”, sagt Wandt. Inzwischen sei aber klar, dass weniger mehr ist. Außerdem sei es nicht möglich, alle gesellschaftlichen Gruppen mit einer rein faktenbasierten Wissenschaftskommunikation zu erreichen. Eine weitere Veränderung: Wissenschaftskommunikation war noch nie so politisch wie heute, berichtet Wandt. Das berge Chancen, aber auch Risiken. “Im Idealfall sollte Wissenschaft die Grundlage für politische Entscheidungen sein, aber diese auf keinen Fall selbst treffen.”

Wandt weiß, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich zu Themen mit hoher gesellschaftlicher Relevanz äußern, inzwischen fast immer mit Pöbeleien und Drohmails rechnen müssen. Darauf hat der Bundesverband Hochschulkommunikation nun reagiert. In Kooperation mit der Initiative Wissenschaft im Dialog startet ab Frühjahr 2023 die neue SciComm-Support-Anlaufstelle, die Betroffene bei Angriffen und Konflikten unterstützt – mit eigener Webseite, einem Krisentelefon und konkreter Hilfe, wenn es um psychologische und juristische Fragen geht. Zielgruppe ist außer Forscherinnen und Forschern auch die Wissenschaftskommunikation. “Es ging uns darum, eine zentrale Anlaufstelle für alle Betroffenen zu schaffen”, betont Wandt. Langfristig brauche es in Deutschland dann aber vor allem mehr Anerkennungsmöglichkeiten für Menschen in der Wissenschaftskommunikation. Gabriele Voßkühler

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Personalien

Stephanie Heinecke ist neue Vizepräsidentin für Campusstudium und Qualitätsentwicklung der Hochschule Fresenius. Die Kommunikationswissenschaftlerin hat das Amt zum 1. Juli angetreten.

Christa Kühn ist neue Präsidentin des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI). Die Tierärztin leitete zuvor das Institut für Genombiologie am Forschungsinstitut für Nutztierbiologie (FBN) in Dummerstorf. Sie folgt auf Thomas C. Mettenleiter, der nach 27 Jahren als FLI-Präsident in den Ruhestand gegangen ist.

Ansgar Richter wird zum 1. Januar 2024 Vizepräsident Akademische Angelegenheiten der Frankfurt School of Finance & Management. Bereits im Dezember tritt er dort die Professur für Unternehmensstrategie, Organisation und Governance an. Der Wirtschaftswissenschaftler wechselt von der Rotterdam School of Management, Erasmus Universität, wo er seit 2019 Dekan ist.

Oliver Stegle und Hedda Wardemann sind vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in die europäische Wissenschaftsorganisation European Molecular Biology Organisation aufgenommen worden. Beide forschen am DKFZ, Stegle außerdem am EMBL Heidelberg und er ist Director von Ellis Life Heidelberg.

Edward Witten erhält den Hamburger Preis für Theoretische Physik. Witten ist emeritierter Professor am Institute for Advanced Study in Princeton, USA. Der Preis ist mit 137.036 Euro dotiert, eine Anspielung auf die Sommerfeldsche Feinstrukturkonstante, die in der Theoretischen Physik eine wichtige Rolle spielt. Der Preis wird von der Joachim Herz Stiftung gemeinsam mit der Universität Hamburg und dem Deutschen Elektronen-Synchrotron Desy verliehen.

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Dessert

Sprachlicher Fingerabdruck: Die Phonetik könnte helfen, Menschen anhand ihrer individuellen Verwendung von Füllwörtern wie “ähm” zu identifizieren.

Forschung hat ein unerschöpfliches Potenzial. Sie kann einzelne Leben retten – oder gar die ganze Welt. Manchmal trägt sie auch kuriose Früchte. “Jeder sagt anders ,ähm'”, meldete die Universität Trier am Dienstag und stellte die neuesten, im Fachjournal Languages veröffentlichten Erkenntnisse zum Häsitationsverhalten vor. Demnach ist sprachliches Verzögerungsverhalten, zu dem Füllwörter wie “äh”, “ähm” und “mh” gehören, aber auch sprachliche Pausen, das Wortwiederholungen und das Langziehen von Lauten, sehr individuell.

Ist das nur ein Fun Fact? Nein, es ist etwa für die Forensik relevant. Dieses neue Wissen könnte helfen, mutmaßliche Täterinnen oder Täter zu überführen, sagt Studienleiterin Angelika Braun, die an der Trierer Uni Professorin der Phonetik ist. “Sprechen funktioniert zwar nicht wie ein Fingerabdruck, aber Menschen haben dennoch individuelle sprachliche Merkmale und Muster, anhand derer sie sich identifizieren lassen.” Also ein Ähm-Fingerabdruck. Mmh, wir sind gespannt, was daraus wird. Anne Brüning

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Research.Table Redaktion

RESEARCH.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    seit 18 Monaten arbeitet das BMBF an einem Konzept für die Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (Dati). Am Freitag stellt das BMBF nun die Pilotförderrichtlinie vor. Damit sollen – noch bevor es mit der richtigen Dati losgeht – wichtige Erkenntnisse für deren Ausgestaltung gewonnen werden. Im exklusiven Interview mit Markus Weisskopf erläutert Mario Brandenburg die Details.

    Bevor Patrick Cramer Präsident der Max-Planck-Gesellschaft wurde, hat er alle 85 Institute der MPG besucht, beziehungsweise eigentlich nur 84. Warum, das lesen Sie in meinem Interview mit dem renommierten Chemiker und Biowissenschaftler. Es geht um neue Freiheiten, interdisziplinäre Postdoc-Programme, KI und Klimawandel, den richtigen Umgang mit Machtmissbrauch in der Wissenschaft. Und seinen Wunsch in Richtung Berliner Politik.

    Am Mittwoch hat das Kabinett den Haushalt 2024 beschlossen. Was drin steckt für die Forschung und wie die Community den Entwurf beurteilt, lesen Sie bei uns. Nur so viel: Das Parlament wird noch viel zu bereden haben.

    Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre,

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    Ihre
    Nicola Kuhrt
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    Analyse

    Mario Brandenburg: “Freue mich, dass es losgeht!”

    Mario Brandenburg, Parlamentarischer Staatssekretär im BMBF.

    Herr Brandenburg, die Pilotförderrichtlinie der Deutschen Agentur für Transfer und Innovation (Dati) wird am Freitag bekannt gegeben. Was erwarten Sie sich davon?

    Es geht jetzt darum, ein Startsignal zu senden. Der Öffentlichkeit zu zeigen, dass es losgeht. Und wir wollen natürlich lernen. Die Erfahrungen aus der Pilotförderrichtlinie sollen dann den Prozess der Dati-Entwicklung speisen.

    Zwei Module soll es im Piloten geben, eines davon sind die InnovationSprints. Was können wir uns darunter vorstellen?

    Mit den InnovationSprints wollen wir themen- und akteursoffen möglichst viele Personen im Innovationssystem erreichen. Dadurch, dass wir in einer ersten Stufe nur eine zwei- bis dreiseitige Projektskizze erwarten, halten wir die Hürden möglichst niedrig. In drei bis 18 Monaten können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dann in Einzelprojekten gemeinsam mit Anwendungspartnern wie Kommunen oder Unternehmen ihre Transferideen umsetzen.

    Bis 2028 stehen 90 Millionen Euro zur Verfügung

    Und wie funktioniert die Auswahl?

    Ausgewählte Projekte werden in Pitches auf regionalen Meetings vorgestellt. Das ermöglicht einerseits eine Vernetzung mit anderen, ähnlichen Projekten. Andererseits sind diese Veranstaltungen auch ein Marketinginstrument für den DATIpilot und bringen hoffentlich viele andere auf gute Ideen. Und auch danach soll die Kommunikation der geförderten Projekte in die Community weitergehen, über gute Videos beispielsweise.

    Die Förderung läuft also anders als gewöhnlich?

    Mit dem Piloten sind wir zwar in der “klassischen Welt” der Projektförderung verhaftet. Aber wir wollen zumindest an einigen Stellen schon zeigen, wie das Neue, das wir mit Dati schaffen werden, aussehen kann. Dafür haben wir den Rahmen dessen, was geht, ausgeschöpft. Allein durch die Themenoffenheit erwarten wir uns viele spannende Themen.

    Wie viel Geld wird für diese neue Förderung zur Verfügung stehen?

    Insgesamt bis zu 90 Millionen Euro für beide Module bis 2028. Wobei auch klar ist, dass das ein Maximalbetrag ist, der zur Verfügung steht, wenn wir genügend wirklich gute Ideen bekommen. Nur weil das Geld da ist, müssen wir es nicht ausgeben. Die Dati muss auch für Exzellenz stehen.

    Ausgründungen sind auch BMBF-Thema

    Das zweite und etwas größere Modul der Förderrichtlinie soll Innovations-Communities in Regionen unterstützen. Was ist hier geplant?

    Hier können regionale und überregionale Communities Förderung für immerhin vier Jahre beantragen. Da wollen wir sowohl bereits bestehende Communities in ihrer Weiterentwicklung fördern, als auch neue Vernetzungen ermöglichen.

    Das hört sich fast so an, als ob das BMBF wieder eine größere Rolle auch in der Gründungsberatung und -förderung spielen möchte. Gerade jetzt, wo das BMWK seine Förderung für Gründungsberatung an den Hochschulen zurückfährt.

    Die Systeme müssen ineinandergreifen. Die Dati wird vom BMBF verantwortet, aber soll im Bund Probleme lösen. Perspektivisch soll sie Dinge bündeln. Und ja, auch Gründungsberatung oder zumindest eine Vermittlung an die passende Stelle anbieten. Es wäre traumhaft, wenn die Communities am Ende noch Start-ups hervorbringen. Dann geht der Prozess jedoch freundschaftlich im BMWK weiter. Aber klar: Ausgründungen aus der Wissenschaft sind auch ein BMBF-Thema!

    Ursprünglich sollte die Dati ja eine Förderung explizit für die HAWen ermöglichen – was ist daraus geworden?

    Das BMBF strebt entgegen den bisherigen Planungen eine Weiterentwicklung des Programms “Forschung an Fachhochschulen” an. Dieses soll als Basis erhalten bleiben. Da erwarten wir auch einen Beitrag der Länder. Am Ende wollen wir einen guten Mix liefern aus Stabilität im System und der Dati als Experimentierfeld.

    Akteursoffenheit in der Pilotphase

    Und die Dati ist dann für alle da?

    Wir sind jetzt im Pilot akteursoffen. Gerade bei den InnovationSprints wollen wir möglichst viele mit einbeziehen. Die Dati soll ja auch soziale Innovationen befördern. Und nicht jeder Social Entrepreneur ist Wissenschaftler. Bedingung ist aber, dass bei den Communities eine wissenschaftliche Einrichtung dabei sein muss. Und klar ist für uns auch, dass die HAWen bei der Dati eine herausgehobene Rolle haben. Über ihre Repräsentanz in den Auswahlgremien zum Beispiel.

    Und der Pilot soll wegweisend für die eigentliche Dati sein?

    Wir wollen jetzt selbst lernen. Erreichen wir die, die wir erreichen wollen? Was kommt bei den Sprints raus? Es wird eine Begleitforschung geben und wir wollen möglichst viele eigene Daten erheben. So, dass wir dann im Sinne eines ‘data based decision making’ für die eigentliche Dati die optimalen Entscheidungen treffen können. Dabei soll es im Sinne eines 360-Grad-Monitorings zum Beispiel auch Bewertungen durch Partner von Communities geben. Diese könnten auch in Förderentscheidungen einfließen.

    Die Suche nach einer Geschäftsführung beginnt bald

    Und wann geht es los mit der eigentlichen Dati?

    Wir haben drei Säulen, die wir parallel entwickeln müssen. Die tatsächliche Dati-Gründung, da geht es um Menschen und Steine. Die Findungskommission wird bald ihren Job beginnen, um eine Geschäftsführung zu identifizieren. Dann geht es darum, die Community mitzunehmen. Das haben wir mit einem Stakeholderprozess gemacht und werden diesen fortsetzen. Und drittens braucht es ein politisches Commitment. Hier müssen wir aufpassen, dass diese Säulen sich gleichmäßig entwickeln und keine Schieflage entsteht.

    Sie machen einen zufriedenen Eindruck ob der Pilotförderlinie. Wie muss die Dati in drei Jahren aussehen, damit Sie auch dann noch glücklich sind?

    Ich freue mich tatsächlich über die aktuelle Konzeption und darauf, dass es losgeht. In drei Jahren möchte ich eine vitale und muntere kleine Agentur sehen. Mit einem guten digitalen Auftritt. Mit vielen Daten, von denen wir etwas lernen können. Und sie soll dazu beitragen, dass die Wissenschaft sich mit anderen Communities aus dem wirtschaftlichen, sozialen oder schulischen Bereich verbindet und noch vorhandene Grenzen überwindet.

    Haushalt 2024: Kürzungen bei Bafög, KI und Quanten  

    Das Kabinett hat am Mittwoch den Haushaltsentwurf für 2024 beschlossen. Geplant sind deutliche Kürzungen. Für Finanzminister Christian Lindner (FDP) werden damit “die finanzpolitischen Realitäten” anerkannt. Damit gehen auch die Finanzierungspläne für das BMBF in die Parlamentsabstimmung. So sieht es aus:

    • Für Bildung und Forschung sind im Jahr 2024 rund 20,3 Milliarden Euro eingeplant. Das sind 507 Millionen Euro weniger als in der mittelfristigen Finanzplanung aus 2022.  
    • Aufgestockt wird bei der Sprind. Die Agentur für Sprunginnovationen soll nun 190 Millionen Euro erhalten. Für die Dati sind jetzt 78,8 Millionen Euro eingeplant.  
    • Nicht gespart werden soll bei den Mitteln für die großen Forschungsorganisationen Fraunhofer-Gesellschaft, Max-Planck-Gesellschaft, Leibniz- und Helmholtz-Gemeinschaft (insgesamt 5,86 Milliarden Euro) und für die Deutsche Forschungsgemeinschaft (2,08 Milliarden Euro). 
    • Gespart wird besonders bei der Bildung – und hier beim Bafög. Für Studierende sind 1,37 Milliarden Euro vorgesehen, 440 Millionen Euro weniger als eigentlich veranschlagt.

    Bewertung der BMBF-Planung noch unentschieden

    Hat Ministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) die möglichen Mittel mit ihrem Parteikollegen aus dem Finanzministerium gut verhandelt? Hat sie trotz der enormen finanzpolitischen Herausforderungen durch Zeitenwende, Klimawandel, Digitalisierung und demografische Entwicklung alles herausgeholt? Hat sie klare politische Schwerpunkte gesetzt und dazu beigetragen, Deutschland auf all dies vorzubereiten? Die forschungspolitische Community zeigt sich ambivalent.   

    “Der Bundeshaushalt wird auch im BMBF auf die Zukunft ausgerichtet. Konsumtive Ausgaben würden jetzt nur dazu führen, dass sich in Zukunft hohe Zinsen in den Haushalt fressen. Stattdessen müssen wir also in die nächste Generation investieren und das kann der Bund am besten bei Forschung und Innovation”, sagt Stephan Seiter (FDP). “Die Ausgabenstruktur wird daher die Sicherung technologischer Souveränität und Investitionen in Zukunftsinnovationen abbilden müssen und das Ministerium muss sicherstellen, dass die Mittel effizienter eingesetzt werden als unter der Großen Koalition.” 

    Kritik kommt etwa von Nina Stahr (Die Grünen). Der Regierungsentwurf zum Haushalt 2024 enthalte einige schmerzliche Kürzungen im Bildungs- und Forschungsetat. “Ganz besonders die krassen Kürzungen beim BAföG sind ein schlechtes Signal für die Bildungsgerechtigkeit”, sagt die Abgeordnete. In Zeiten der Klimakrise halte sie zudem die Kürzungen bei der Klimaforschung für einen kurzsichtigen Vorschlag.  

    Positiv findet sie die Dynamisierung des Zukunftsvertrags Studium und Lehre, für die die Bündnisgrünen lange gekämpft hätten, und welche den Hochschulen auch in schwierigen Zeiten Planungssicherheit gibt.   

    Kürzung beim Bafög falsches Signal 

    Ähnlich sieht es in Sachen Bafög Holger Mann (SPD): Die drastische Kürzung sei das falsche Signal. Dennoch begrüße man angesichts des Gesamtrahmens, dass die Forschungsförderung in vielen Bereichen wie Klimaschutz und Technologien im Haushaltsentwurf 2024 auf konstantem Niveau gesichert wurde.  

    Lob kommt von DFG-Präsidentin Katja Becker: “Die Deutsche Forschungsgemeinschaft begrüßt ausdrücklich, dass der Pakt für Forschung und Innovation fest im Haushalt verankert ist.” Gerade in Zeiten hoher Kostensteigerungen und Mehrfachbelastungen sei zumindest eine gewisse Planungssicherheit für die Wissenschaft essenziell. Doch gerade hier wird aus anderen Kreisen Kritik laut. Durch die garantierten Aufwüchse für die Großen seien rund die Hälfte des BMBF-Haushalts gebunden.

    Rückfall in die “Förderpolitik der Nuller-Jahre”

    Was Thomas Jarzombek (CDU) umtreibt, ist eine Kürzung von rund 25 Prozent der Mittel in den Bereichen KI und Quantencomputing. “Während die Ministerin stetig nur von Kernfusion redet, wird in diesen Titeln massiv gekürzt”, sagt der CDU-Politiker. Er befürworte die Erforschung der Kernfusion ausdrücklich, aber ausgerechnet der Bereich Quantencomputing habe sich in den letzten Jahren ausgesprochen gut entwickelt.

    Man habe 2021 in einem neuen Programm, der Quantencomputing Initiative beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt statt herkömmlicher Projektförderung auf vorkommerzielle Beschaffung umgestellt. Gefördert wurde es durch das BMWK. Da die beteiligten Start-ups Aufträge statt komplizierter Fördergelder erhalten hätten, seien sehr schnell auch private Geldgeber dazu gekommen – der Erfolg des Münchner Unternehmen Planqc zeige eindrucksvoll, wie es funktioniert. 

     “Das ist ein Rückfall in die Förderpolitik der Nuller-Jahre“, kritisiert Jarzombek. Von insgesamt 740 Millionen Euro (Start September 2021) wurden in den ersten beiden Tranchen bereits 350 Millionen Euro verplant. Die noch freien 390 Millionen Euro seien nun einfach weg.  

    BMBF-Haushalt: Wie es weiter geht  

    “Jetzt ist das Parlament am Zug“, sagt Nina Stahr. “Wir werden den Entwurf der Bundesregierung über die Sommerpause intensiv prüfen, offene Fragen klären, und dann im parlamentarischen Verfahren noch deutliche Verbesserungen erreichen müssen, um den Bundeshaushalt 2024 zukunftsfest zu machen.”  
     
    Dazu gehöre auch: “Wir müssen in der Koalition, insbesondere mit der FDP, noch einmal intensiv über den Abbau klimaschädlicher Subventionen und eine gerechtere Steuerpolitik diskutieren. Nur wenn wir hier vorankommen, können wir mittelfristig weitere Einsparungen bei Bildung und Forschung verhindern.” 

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    Patrick Cramer: “Ich stehe für kritische Kontinuität”   

    Patrick Cramer
    Mit neuem Blick auf die Welt: Patrick Cramer, der neue Präsident der Max-Planck-Gesellschaft fordert mehr Freiheit für die Wissenschaft.

    Zur Vorbereitung auf seine neue Aufgabe als Präsident der Max-Planck-Gesellschaft hat Patrick Cramer alle 85 Institute der Organisation besucht, genauer gesagt 84. Sein eigenes in Göttingen kannte er natürlich bereits. Diese Reise war “ein riesiges Privileg”, sagt er. Es war unglaublich, die vielen Kolleginnen und Kollegen kennenzulernen und diese Breite der Forschungsthemen zu erleben. Zu Beginn die Astrophysik, am anderen Ende des Spektrums die Kunstgeschichte, dazwischen die Naturwissenschaften, die Rechtswissenschaften sowie die Sozial- und Geisteswissenschaften.  

    “Es war ein Erlebnis für mich, mein Blick auf die Welt hat sich dadurch verändert.” Er habe auch wissenschaftlich die Fach-Kulturen besser verstanden. Das sei wichtig für die wissenschaftspolitischen Diskussionen, zum Beispiel zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz, denn es sei doch so: ‘One size fits all’ funktioniert nicht. Wenn jemand als Juristin oder Jurist eine Professur anstrebt, müsse sie oder er ganz andere Qualifikationen vorweisen als jemand, der in der Theoretischen Physik tätig ist. 

    Cramer folgt auf Martin Stratmann, der dieses Amt seit 2014 innehatte 

    Mit dem Beginn seiner neuen Präsidentschaft hat Cramer sich einiges vorgenommen. Er stehe für kritische Kontinuität, sagt er. “Einerseits schaue ich bei jedem Vorgang, der mir jetzt begegnet, was gut lief und was nicht so gut. Was sind die Dinge, die uns wirklich auszeichnen und die es zu schützen gilt? Andererseits nehme ich die Dinge in den Blick, bei denen wir uns weiterentwickeln können oder Verbesserungsbedarf sehen. Die werde ich als Chefsache vorantreiben, Impulse geben.”  

    Cramer will die Suche nach herausragenden Forscherpersönlichkeiten verstärken. Ein wichtiges erstes großes Thema ist für ihn, Menschen zu gewinnen, Menschen zu fördern und dem Fachkräftemangel zu begegnen. So habe er etwa vorgeschlagen, ein Programm für interdisziplinäre Postdoc-Projekte aufzulegen. “Die Idee ist, dass man sich als Postdoc nicht einfach nur bei Patrick Cramer bewirbt und bei seinem Labor, sondern in einem Max-Planck-Postdoc-Programm, in dem interdisziplinäre Projekte möglich werden, bei denen Institute zusammenarbeiten. Dadurch befinden sich die Postdocs in einem noch größeren, freieren Raum und können etwas für ihre Karriere tun.”  

    Wichtigster Wunsch: Wieder mehr Freiheit zu haben 

    Thematisch möchte Cramer große Felder angehen, etwa Fragen von Demokratie und Resilienz. Als zweiten Schwerpunkt nennt er die Künstliche Intelligenz. Wichtig seien auch Themen aus den Sozialwissenschaften. “Die werden ebenfalls durchdrungen von den neuen computerbasierten Methoden.”  

     Die Beziehung zum Bundesministerium für Bildung und Forschung sieht er als sehr gut an. Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger sei gerade erst in Göttingen zur Hauptversammlung der MPG gekommen. “Sie ist auf uns zugegangen und hat sich angehört, was ich zu sagen hatte, auch was mein Vorgänger gesagt hat. Es war eine hervorragende Veranstaltung, in der wir uns inhaltlich ausgetauscht haben.” Die Ministerin habe verlauten lassen, dass sie sich weiter dafür einsetzen wird, die Regulierung der Grünen Gentechnik auf EU-Ebene zu lockern. Dafür habe er ihr öffentlich gedankt und ihr einen wichtigen Wunsch mitgegeben.  

    “Der wichtigste Wunsch ist eben nicht der nach mehr Geld, sondern der, wieder mehr Freiheit zu haben, keine Überregulierung. Es sollten alle neuen Gesetze daraufhin überprüft werden, ob diese für die Wissenschaft eine Überregulierung darstellen. “Das war mein wichtigster Punkt in Richtung des BMBF. Über das Geld müssen wir später sprechen, wenn wir wissen, wie sich die Dinge entwickeln.”  

    “Wissenschaft lebt vom Wechsel des Umfelds” 

    Cramer mahnt auch Flexibilität an, Stichwort Wissenschaftszeitvertragsgesetz. “Ich halte gar nichts von einem Modell, bei dem die Menschen praktisch in einer Institution bleiben. Wissenschaft lebt vom Wechsel des Umfelds.” Forscherinnen und Forscher müssten die Möglichkeit haben, mal ein Jahr im Ausland zu sein oder von der Uni zu Max-Planck zu gehen, von Max-Planck zurück zur Uni. Von Flexibilität und Mobilität habe er in seiner Laufbahn enorm profitiert.  

    “Und das gilt auch für die Arbeitsverträge: Hier brauchen wir Mindestlaufzeiten und wir müssen sicherstellen können, dass die Zeit für eine wissenschaftliche Qualifizierung ausreicht.” Deswegen mache man sich dafür stark, dass man nicht nur die Doktoranden, die promovierende Phase, und die Postdoc-Phase definiert, sondern dass man auch die sogenannte R3-Phase definiert, wenn man schon das Gesetz ändert.  

    Herausforderungen nur mit Wissenschaft stemmbar 

    Und noch ein Blick in die Zukunft – und in Richtung Berlin: “Es ist extrem wichtig, dass in Berlin das Thema Wissenschaft und Forschung wieder ganz oben auf die Agenda kommt.” Wir haben jetzt einen relativ neuen Bundestag. Nur sehr wenige der Abgeordneten haben einen naturwissenschaftlichen Hintergrund. Und wir haben in der Pandemie gesehen, wie wichtig Wissenschaft ist. Das gilt auch für die aktuellen Herausforderungen wie den Klimawandel und die Energietransformation. Ohne wissenschaftliche Erkenntnisse werden wir diese Herausforderungen nicht stemmen. Und deswegen ist es wichtig, dass Wissenschaft ganz oben auf der Agenda steht. 

    Das ganze Interview mit Patrick Cramer lesen Sie hier: Der Chemiker und Biowissenschaftler spricht darin sehr ausführlich über die Pläne in seiner Amtszeit, das Wissenschaftszeitvertragsgesetz, den richtigen Umgang mit Machtmissbrauch in der Wissenschaft und was es braucht, um wissenschaftlich exzellent zu bleiben. Über seine Erfahrungen aus der Reise durch alle 85 MP-Institute schreibt er gerade ein Buch.  

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    Termine

    5.-7. Juli 2023, BBAW, Berlin
    Internationale Konferenz des Imre Kertész Kolleg der Universität Jena. 1989 und die Zukunft Europas. Ambivalenzen und Herausforderungen demokratischer Transformation in Mittel- und Osteuropa Mehr

    7. Juli 2023, 21:00 Uhr, Vortragssaal der Leopoldina, Jägerberg 1, 06108 Halle (Saale)
    Unterhausdebatte Alles Wasserstoff! Oder was? Mehr

    6.-8. September 2023, Magdeburg
    Jahrestagung des Bundesverbands Hochschulkommunikation Wissenschaft, Kommunikation, Politik: Wie neutral dürfen wir noch sein? Mehr

    11.-13. September 2023, Osnabrück
    18. Jahrestagung der Gesellschaft für Hochschulforschung Das Zusammenspiel von Hochschulforschung und Hochschulentwicklung: Empirie, Transfer und Wirkungen Mehr

    News

    Grüne Gentechnik: EU-Kommission für deutliche Lockerungen

    Mit ihrem Vorschlag für die künftige Regulierung gentechnisch veränderter Pflanzen ist die EU-Kommission weitgehend den Empfehlungen aus der Wissenschaft gefolgt. Viele genomeditierte Lebens- und Futtermittel sollen künftig einfacher erforscht und ohne spezielle Kennzeichnung verkauft werden können. Die EU-Kommission schlug am Mittwoch in Brüssel vor, entsprechende Züchtungen von den strengen Gentechnik-Regeln auszunehmen, wenn die neuen Pflanzen auch durch herkömmliche Züchtungsmethoden hätten entstehen können.

    Für diese mit neuen Züchtungstechniken entstandenen Pflanzen gelten aber weiterhin dieselben Sicherheitsvorgaben wie für Züchtungen, die etwa durch Kreuzung und Auslese entstanden sind. Für weitgehendere Eingriffe in Pflanzen gelten auch in Zukunft die strengen EU-Gentechnik-Regeln, etwa, wenn artfremde Gene in eine Pflanze eingebracht werden oder wenn größere Genomabschnitte verändert werden.

    Widerstandsfähigere Pflanzen, weniger Pestizide

    Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger begrüßte den Vorschlag der EU-Kommission. Man reagiere damit auf die Entwicklung der Wissenschaft. “Auch EU-Kommissionsvize Frans Timmermans äußerte sich zufrieden: Durch den sicheren Einsatz der neuen Gentechnikverfahren hätten Landwirte Zugang zu widerstandsfähigeren Pflanzen, die etwa weniger Pestizide benötigten.”

    Zahlreiche Forschende und führende wissenschaftliche Organisationen drängen auf eine Deregulierung und sehen darin kein erhöhtes Risiko für Menschen und Umwelt. In Deutschland haben sich beispielsweise Leopoldina, Akademienunion und DFG bereits 2019 in einer Stellungnahme für eine differenzierte Regulierung ausgesprochen und die Position Anfang dieses Jahres nochmal bekräftigt.

    Der Verband Lebensmittel ohne Gentechnik macht sich derweil Sorgen um sein Geschäftsmodell: “Das ist ein Angriff auf die ,Ohne Gentechnik’- und die Bio-Wirtschaft, die zusammen allein in Deutschland für über 30 Milliarden Euro Umsatz stehen”, sagte Bernhard Stoll, Vorstandsmitgliedsmitglied des Verbandes.

    Deregulierung würde Dominanz der Großkonzerne schwinden lassen

    Kritiker befürchten zudem, dass Großkonzerne etwa über Patente noch mehr Einfluss auf Lebensmittel bekommen könnten. Matin Qaim von der Uni Bonn hält dem entgegen: “Die Dominanz weniger Großkonzerne im Bereich der Gentechnik kommt vor allem dadurch zustande, dass die Zulassungsverfahren so extrem langwierig und teuer sind.” Mit einer Deregulierung könnten auch kleine Firmen und öffentliche Einrichtungen wieder mitspielen, sagt der Professor für Agrarökonomie.

    Die neuen Gentechnikverfahren sollen bei Öko-Lebensmitteln nicht eingesetzt werden dürfen. Um eine Koexistenz sicherzustellen, sollen die EU-Länder laut Kommission Maßnahmen beschließen, beispielsweise einen gewissen Abstand zwischen Feldern.

    In der Bundesregierung ist nur die FDP klar für die Lockerung

    Pflanzenforscher Nicolaus von Wirén sieht derweil eine zunehmende Offenheit gegenüber der Genomeditierung. Für Politiker werde es immer schwieriger, sich den wissenschaftlichen Sachverhalten zu verschließen und oft nur auf ideologisch geprägte Standpunkte zurückzuziehen, sagte er im Gespräch mit Table.Media.

    Bevor die Vorschläge Realität werden können, müssen die EU-Staaten und das Europaparlament noch einen Kompromiss aushandeln. Aus den Ampel-Parteien waren bislang unterschiedliche Töne zu hören. Politikerinnen und Politiker der Grünen und SPD sehen Lockerungen kritisch, während sich Vertreterinnen und Vertreter der FDP eher die erwarteten Vorteile der lockereren Regeln betonen. abg mit dpa

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    Leibniz-Institut für Sonnenphysik droht das Aus

    Der Senat der Leibniz-Gemeinschaft empfiehlt Bund und Ländern, die gemeinsame Förderung des Leibniz-Instituts für Sonnenphysik (KIS) in Freiburg zu beenden. Die Entscheidung fiel nach der turnusmäßigen wissenschaftlichen Evaluierung, teilte die Leibniz-Gemeinschaft am Dienstagabend mit. Nun muss die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern (GWK) die Fördervoraussetzungen überprüfen. In der Regel folgt sie jedoch der Senatsempfehlung.

    Das KIS betreibt astrophysikalische Grundlagenforschung mit dem Schwerpunkt Sonne. Es entwickelt und betreibt zusammen mit anderen Einrichtungen auch Beobachtungsinstrumente. Die Forschungs- und die Instrumentierungsabteilung hätten sich seit der letzten Evaluierung unterschiedlich entwickelt, heißt es in der Stellungnahme des Leibniz-Senats. Bemängelt wird das Fehlen einer übergreifenden Forschungs- und einer stringenten Personalstrategie. Das KIS erfülle nicht mehr die Anforderungen an ein Leibniz-Institut.

    Übergreifende Forschungsstrategie fehlt

    Wenn die GWK das Ausscheiden aus der gemeinsamen Förderung beschließt, scheidet das Institut aus der Leibniz-Gemeinschaft aus und fällt wieder in die alleinige Hoheit des Sitzlandes Baden-Württemberg. Wie das Land mit dem Institut umgeht, ist offen. Möglich sind Weiterbetrieb als Landes-Institut, Eingliederung in eine Universität, aber auch die Schließung.

    Dass ein Leibniz-Institut keine Förderempfehlung erhält, kommt nicht oft vor. “In der Vergangenheit war es in den bisherigen drei Evaluierungszyklen aller Institute im Schnitt bei drei bis fünf Prozent der Evaluierungen so, dass eine Beendigung der Bund-Länderförderung empfohlen wurde”, sagt Leibniz-Sprecher Christoph Herbort-von Loeper. Die letzten Fälle seien das Leibniz-Institut für Nutztierbiologie in Dummerstorf (2020) und das Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik (2019) gewesen.

    Vier von fünf evaluierten Instituten erhielten Förderempfehlung

    Für vier weitere aktuell evaluierte Einrichtungen wurde empfohlen, die gemeinsame Förderung fortzusetzen:

    • Deutsches Institut für Erwachsenenbildung – Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen, Bonn (DIE)
    • Leibniz-Zentrum Allgemeine Sprachwissenschaft, Berlin (ZAS)
    • Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik, Frankfurt/Oder (IHP)
    • Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien, Halle/Saale (IAMO)

    Zur Leibniz-Gemeinschaft gehören 97 eigenständige Forschungseinrichtungen. Beschäftigt sind dort rund 20.500 Personen, darunter 11.500 Wissenschaftler. Spätestens alle sieben Jahre werden die Einrichtungen durch den Leibniz-Senat evaluiert. abg

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    Horizon Europe: UK macht wieder mit 

    Nach Informationen von politico und des Daily Express haben Großbritannien und die Europäische Union einen vorläufigen Deal über den Wiedereintritt Großbritanniens in das Forschungsprogramm Horizon Europe erzielt. Nachdem Premier Rishi Sunak das Einigungspapier am Wochenende vorgelegt werden soll, ist die endgültige Bestätigung für den kommenden Dienstag geplant. Dann findet ein ohnehin geplantes Treffen von Sunak mit der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, im Rahmen des Nato-Gipfels statt. Offiziell wollte allerdings weder die britische Regierung noch die Kommission eine Einigung bestätigen.

    Beitritt auch zum Copernicus-Programm

    Gemäß den Aussagen eines britischen Regierungsbeamten wird Großbritannien auch dem Copernicus Earth Observation-Programm wieder beitreten, berichten politico und der Daily Express. Lediglich dem Atomforschungs- und -entwicklungsprogramm Euratom möchte man anscheinend von britischer Seite nicht wieder angehören. Ein Engagement werde von der britischen Regierung und dem britischen Nuklearsektor kritisch gesehen, da es dort ein “schlechtes Preis-Leistungs-Verhältnis” gebe. 

    Nach dem Austritt aus der EU im Januar 2020 hatte Großbritannien alle drei Programme verlassen. Die Verhandlungen über einen Wiedereintritt als Drittstaat waren aufgrund des erbitterten Streits über die Handelsregeln in Nordirland ins Stocken geraten. 

    Nachdem London und Brüssel das Windsor Framework-Abkommen geschlossen hatten, wurden die Verhandlungen im März wieder aufgenommen. Finanzielle Details der Vereinbarung wurden nicht bekannt gegeben, aber das britische Finanzministerium unterstützt angeblich den Vorschlag. 

    Erleichterung bei der Forschungscommunity

    Die britische Forschungscommunity zeigte sich am gestrigen Mittwoch erleichtert über die vermutliche Einigung. Sarah Main, Executive Director der Campaign for Science and Engineering (CaSE), sagte: “This is an encouraging development. If confirmed, this raises the promising prospect of a deal within days, which would be the best of news for UK science.” mw 

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    Presseschau

    Science The court’s color blindless scam. Das jüngste Urteil des Obersten Gerichtshofs der USA zu den Fördermaßnahmen im Rahmen der Affirmative Action gegen die Diskriminierung von Minderheiten sorgt für Aufsehen und hat Auswirkungen auf die Vielfalt im Hochschulwesen. Science-Chefredakteur Holden Thorpe kritisiert, dass sich viele Hochschulleitungen in republikanisch regierten Staaten kaum für die betroffenen Studierenden einsetzen. Mehr

    Nature Why economic crashes boost globalization – and tear it apart. Harold James untersucht in seinem Buch “Seven Crashes: The Economic Crises That Shaped Globalization” sieben historische Krisen, darunter die Agrarkrise in Europa in den 1840er Jahren und die Weltwirtschaftskrise. Er zeigt auf, wie jede Krise die Wirtschaftsgeschichte geprägt und Veränderungen im Handel und in der Politik ausgelöst hat. James’ Buch liefert in den Augen von Marc Buchanan eine fesselnde Geschichte der Globalisierung und betont die Rolle von Krisen als Motor für transformative Veränderungen in der Weltwirtschaft. Mehr

    Time – Controversial Gene-Editing Scientist Proposes New Experiment to Prevent Alzheimer’s. Der chinesische Wissenschaftler He Jiankui hat 2018 die Welt damit schockiert, dass er gentechnisch veränderte Babys geschaffen hat, um sie resistent gegen HIV zu machen. Er war 2019 zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Nun schlägt er vor, zu testen, ob eine bestimmte genetische Mutation Schutz gegen die häufigste Ursache von Demenz bietet. Mehr

    Heads

    Julia Wandt – Praktikerin im Rektorat

    Hatte schon immer eine Leidenschaft für Kommunikation und Marketing: Julia Wandt ist Vorsitzende des Bundesverbands Hochschulkommunikation.

    Die Erwartungen an Julia Wandt sind hoch. “Revolution” ist ein Wort, das im Zusammenhang mit ihrem Namen schon gefallen ist. Wer genau hinsieht, versteht warum: Seit Februar 2021 verantwortet Wandt im Rektorat der Universität Freiburg den Geschäftsbereich “Wissenschaftskommunikation und Strategie” – als Kommunikationsexpertin soll die 45-Jährige Synergien zwischen beiden Feldern intensivieren und verbessern.

    Diese Art der Anerkennung für das Thema Wissenschaftskommunikation ist an deutschen Universitäten noch längst nicht der Regelfall. Die Tatsache, dass immer mehr Hochschulen bei der Verankerung von Wissenschaftskommunikation in der Universitätsleitung auf Personen aus der Praxis setzen, sagt Julia Wandt, deute allerdings auf eine positive Entwicklung hin.

    Zwischen den Disziplinen

    Das Thema Kommunikation treibt Wandt nicht erst seit gestern um. “Es war schon immer so, dass meine Interessenschwerpunkte in den Bereichen Kommunikationswissenschaft und Marketing lagen”, erzählt sie und verweist auf ihr interdisziplinäres Studium. Wandt hat Medien- und Kommunikationswissenschaft, Politikwissenschaft, Marketing sowie Bürgerliches Recht an der Universität Göttingen studiert. Dort war sie im Anschluss an ihr Studium an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät für Öffentlichkeitsarbeit und Marketing zuständig.

    2010 ging es beruflich nach Süddeutschland: Wandt trat eine Stelle als Pressesprecherin der Universität Konstanz an, wenig später übernahm sie auch den Vorsitz des Bundesverbands Hochschulkommunikation. In dieser Funktion ist sie regelmäßig in Expertengruppen und -anhörungen im Deutschen Bundestag beteiligt. Was Wandt bei all diesen Tätigkeiten antreibt, ist die Möglichkeit, mitgestalten zu können: “Wissenschaftskommunikation ist ein Thema, das nie abgeschlossen ist”, sagt sie. “Man kann immer wieder ins Gespräch kommen.”

    Kommunikation im Wandel

    An der Freiburger Universität soll die Kommunikationsexpertin Impulse liefern, um den Dialog zwischen Universität und Gesellschaft zu verbessern. “Früher hat man als wissenschaftliche Einrichtung möglichst viel in die Gesellschaft gesendet”, sagt Wandt. Inzwischen sei aber klar, dass weniger mehr ist. Außerdem sei es nicht möglich, alle gesellschaftlichen Gruppen mit einer rein faktenbasierten Wissenschaftskommunikation zu erreichen. Eine weitere Veränderung: Wissenschaftskommunikation war noch nie so politisch wie heute, berichtet Wandt. Das berge Chancen, aber auch Risiken. “Im Idealfall sollte Wissenschaft die Grundlage für politische Entscheidungen sein, aber diese auf keinen Fall selbst treffen.”

    Wandt weiß, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich zu Themen mit hoher gesellschaftlicher Relevanz äußern, inzwischen fast immer mit Pöbeleien und Drohmails rechnen müssen. Darauf hat der Bundesverband Hochschulkommunikation nun reagiert. In Kooperation mit der Initiative Wissenschaft im Dialog startet ab Frühjahr 2023 die neue SciComm-Support-Anlaufstelle, die Betroffene bei Angriffen und Konflikten unterstützt – mit eigener Webseite, einem Krisentelefon und konkreter Hilfe, wenn es um psychologische und juristische Fragen geht. Zielgruppe ist außer Forscherinnen und Forschern auch die Wissenschaftskommunikation. “Es ging uns darum, eine zentrale Anlaufstelle für alle Betroffenen zu schaffen”, betont Wandt. Langfristig brauche es in Deutschland dann aber vor allem mehr Anerkennungsmöglichkeiten für Menschen in der Wissenschaftskommunikation. Gabriele Voßkühler

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    Personalien

    Stephanie Heinecke ist neue Vizepräsidentin für Campusstudium und Qualitätsentwicklung der Hochschule Fresenius. Die Kommunikationswissenschaftlerin hat das Amt zum 1. Juli angetreten.

    Christa Kühn ist neue Präsidentin des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI). Die Tierärztin leitete zuvor das Institut für Genombiologie am Forschungsinstitut für Nutztierbiologie (FBN) in Dummerstorf. Sie folgt auf Thomas C. Mettenleiter, der nach 27 Jahren als FLI-Präsident in den Ruhestand gegangen ist.

    Ansgar Richter wird zum 1. Januar 2024 Vizepräsident Akademische Angelegenheiten der Frankfurt School of Finance & Management. Bereits im Dezember tritt er dort die Professur für Unternehmensstrategie, Organisation und Governance an. Der Wirtschaftswissenschaftler wechselt von der Rotterdam School of Management, Erasmus Universität, wo er seit 2019 Dekan ist.

    Oliver Stegle und Hedda Wardemann sind vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in die europäische Wissenschaftsorganisation European Molecular Biology Organisation aufgenommen worden. Beide forschen am DKFZ, Stegle außerdem am EMBL Heidelberg und er ist Director von Ellis Life Heidelberg.

    Edward Witten erhält den Hamburger Preis für Theoretische Physik. Witten ist emeritierter Professor am Institute for Advanced Study in Princeton, USA. Der Preis ist mit 137.036 Euro dotiert, eine Anspielung auf die Sommerfeldsche Feinstrukturkonstante, die in der Theoretischen Physik eine wichtige Rolle spielt. Der Preis wird von der Joachim Herz Stiftung gemeinsam mit der Universität Hamburg und dem Deutschen Elektronen-Synchrotron Desy verliehen.

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    China.Table. Export von Industriemetallen wird eingeschränkt. Gallium und Germanium sind ausgerechnet für Auto-Chips wichtig. Nun will China den Export dieser Metalle einschränken. Die europäische Industrie gerät damit erneut zwischen die Fronten des Handelskriegs zwischen China und den USA. Mehr

    Dessert

    Sprachlicher Fingerabdruck: Die Phonetik könnte helfen, Menschen anhand ihrer individuellen Verwendung von Füllwörtern wie “ähm” zu identifizieren.

    Forschung hat ein unerschöpfliches Potenzial. Sie kann einzelne Leben retten – oder gar die ganze Welt. Manchmal trägt sie auch kuriose Früchte. “Jeder sagt anders ,ähm'”, meldete die Universität Trier am Dienstag und stellte die neuesten, im Fachjournal Languages veröffentlichten Erkenntnisse zum Häsitationsverhalten vor. Demnach ist sprachliches Verzögerungsverhalten, zu dem Füllwörter wie “äh”, “ähm” und “mh” gehören, aber auch sprachliche Pausen, das Wortwiederholungen und das Langziehen von Lauten, sehr individuell.

    Ist das nur ein Fun Fact? Nein, es ist etwa für die Forensik relevant. Dieses neue Wissen könnte helfen, mutmaßliche Täterinnen oder Täter zu überführen, sagt Studienleiterin Angelika Braun, die an der Trierer Uni Professorin der Phonetik ist. “Sprechen funktioniert zwar nicht wie ein Fingerabdruck, aber Menschen haben dennoch individuelle sprachliche Merkmale und Muster, anhand derer sie sich identifizieren lassen.” Also ein Ähm-Fingerabdruck. Mmh, wir sind gespannt, was daraus wird. Anne Brüning

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