Montagabend, die Realität wartete vor dem Stadtschloss in Fulda. Genau zu Beginn der Jahreshauptversammlung der Hochschulrektorenkonferenz flankierten studentische Protestler den zentralen Eingang im Hof. Mitglieder der Initiative “Hochschulen für den Frieden” verteilten Flugblätter, zogen Präsidentinnen wie Politiker in Gespräche. “Nur eine friedensfähige Gesellschaft hat Zukunft”, erklärte einer der Studenten – auf die Frage, ob die Forderungen nach einem Friedensgebot und einem Nein zur Zivilklausel in der heutigen Zeit nicht naiv seien. Diesen Frieden hervorzubringen sei “die dringende Aufgabe der Zeit”, erklärte er weiter. “Gerade Bildung und Wissenschaft haben dafür eine zentrale Bedeutung.”
HRK-Präsident Walter Rosenthal sprach lange mit den Demonstranten, um später im Saal gleich bei der Debatte zu bleiben. Man habe es in diesem Jahr ein wenig anders machen wollen, die Podiumsdiskussion “Principiis obsta? – Zum Umgang mit illiberalen Tendenzen innerhalb und außerhalb der Hochschulen” stehe im Mittelpunkt des Abends. Julia von Blumenthal, Präsidentin der Humboldt-Universität Berlin, Nicole Deitelhoff vom Leibniz-Instituts für Friedens- und Konfliktforschung und der hessische Wissenschaftsminister Timon Gremmels (SPD) debattierten, moderiert durch Julika Griem, Direktorin des Kulturwissenschaftlichen Instituts in Essen. In Zeiten, in den sich Hochschulen insbesondere durch Populismus und Extremismus herausgefordert sehen: Welche Möglichkeiten bestehen, “adäquat mit Versuchen umzugehen, die unzulässig auf eine Beschränkung der Hochschulautonomie und der Wissenschaftsfreiheit abzielen?”
“Wissenschafts– und Meinungsfreiheit seien unverzichtbar und müssen nach innen und außen verteidigt werden”, sagte Walter Rosenthal noch zu Beginn. “Dabei dürfen wir unsere Werte auch dann nicht preisgeben, wenn wir sie gegen ihre Gegner verteidigen.” Es gehe um den regelhaften wissenschaftlichen Diskurs.
“Wissenschaft kann sich nicht mehr heraushalten”, sagt Nicole Deitelhoff. Die Institutionen, die man schützen wolle, müssen wandlungsfähig sein. Sie müssten auf die Herausforderungen der Gegenwart reagieren können. Doch wie weit soll diese Flexibilität gehen? Sie wolle es schaffen, dass die Hochschule Ort der Debatten bleibt, darin aber zur Versachlichung beitragen, erklärte Julia von Blumenthal. Dies sei der besondere Beitrag der Wissenschaft.
Aktuell wird an und um Hochschulen intensiv um den richtigen Umgang mit propalästinensischen Protesten gerungen, Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger für ihre Äußerungen in der Bild-Zeitung zunehmend kritisiert. Meine Kollegin Anne Brüning hat die Details.
Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre,
Die Leopoldina verlangt von der Bundesregierung in einem am Montag erschienenen Policy Paper einen “großen Wurf” bei ihren Plänen für ein Forschungsdatengesetz (FDG). An den Ende Februar vom BMBF veröffentlichten Eckpunkten seien zwar einige Neuerungen und Ideen zu begrüßen, sagte Regina T. Riphahn, Vizepräsidentin der Leopoldina und federführende Expertin Table.Briefings. “Viele Formulierungen sind aber noch nicht mutig genug, um die im internationalen Vergleich bestehende Rückständigkeit Deutschlands beim Forschungsdatenzugang tatsächlich anzugehen.”
Knackpunkt sei der grundlegende Gedanke des Eckpunktepapiers, dass man die Nutzung der Forschungsdaten im Rahmen der bestehenden Gesetzeslage verbessern will, sagte Riphahn. “Wenn wir eine spürbare Verbesserung erreichen möchten, müssen wir dringend Gesetze anpassen, damit Forschende endlich mit den Daten arbeiten können, die es in Deutschland gibt, und diese auch sinnvoll miteinander verknüpft werden können.”
Anders als in vielen anderen (Nachbar-)Ländern, sei in Deutschland bei der Datennutzung grundsätzlich alles verboten, was nicht explizit erlaubt ist. “Das bedeutet, dass wir in jedem Bereich, also etwa bei Bildungsthemen oder bei Wirtschafts- oder Sozialdaten ein Vorgehen wie im Gesundheitsbereich bräuchten.” Hier habe das Bundesgesundheitsministerium “im Gesundheitsdatennutzungsgesetz alles aufgelistet, was im Bereich der Nutzung von medizinischen Daten zu Forschungszwecken erlaubt sein soll”.
In der Breite sei dieses kleinteilige Vorgehen aber wenig aussichtsreich, weil Forschungsdaten aus vielen unterschiedlichen Bereichen benötigt werden. “Wir brauchen daher im Forschungsdatengesetz einen großen Wurf, der es Forschung prinzipiell erlaubt, Daten zu nutzen und damit die anderen Gesetze, natürlich im Rahmen des datenschutzrechtlich Erlaubten, überschreibt.” Dies würde auch unter der Einhaltung der DSGVO möglich sein und werde in anderen Ländern zum Teil schon lange so praktiziert.
Voraussetzung für eine mutige Gesetzgebung sei eine ressortübergreifende Zusammenarbeit und Abstimmung, sagt Regina T. Riphahn, die an der FAU Erlangen-Nürnberg den Lehrstuhl für Statistik und empirische Wirtschaftsforschung innehat. Die Sozial- und Wirtschaftswissenschaften in Deutschland könnten zu zahlreichen Themen aktuelle und evidenzbasierte Politikberatung anbieten. Die Verantwortung für die relevante Gesetzgebung zur Datenverfügbarkeit liege aber nicht nur beim BMBF, sondern auch in der Verantwortung von Wirtschafts- und Sozialministerium.
Auch das Bundesstatistikgesetz müsste angepasst werden, für das wiederum das Innenministerium verantwortlich sei. “In Deutschland gibt es eine restriktive Datenschutzkultur und auch das Bundesverfassungsgericht stellt höhere Hürden auf als in anderen Ländern. Man muss also Mut haben, hier politisch aktiv zu werden, denn es ist ein heikles Thema. Deswegen ist es wichtig, dass wir den gesellschaftlichen Nutzen von Evidenz betonen und aufzeigen, dass die Nichtverfügbarkeit von Forschungsdaten erhebliche Kosten für alle mit sich bringt.”
Wenn Forschende mit umfassenden Daten der öffentlichen Verwaltungen arbeiten könnten, wären Gesetze treffsicherer, Fördergelder könnten an der richtigen Stelle eingesetzt und politische Maßnahmen sinnvoll evaluiert werden. Bislang bleibe der Politik zum Beispiel in vielen Bereichen der Förderung nichts übrig, außer Geld nach dem Gießkannenprinzip auszugeben, auch an diejenigen, die es nicht brauchen. “Weil wir eben nicht genau wissen, wo der Bedarf ist.”
Ein Gutachten der Wirtschaftsweisen habe erst kürzlich darauf hingewiesen, dass allein mit den Mitnahmeeffekten bei den Corona-Hilfen die Hälfte des Budgets des Statistischen Bundesamts für die nächsten Jahre finanziert werden könnte. Viele gesundheits- und wirtschaftspolitische Entscheidungen in der Corona-Zeit seien auf Grundlage von Daten aus Großbritannien oder Israel getroffen worden, sagt Riphahn. Die derzeitige Gesetzeslage im Bereich der Forschungsdatennutzung würde “punktgenaue evidenzbasierte Lösungen für Deutschland verhindern”.
Die fehlende Zugänglichkeit und Verknüpfbarkeit von Daten ist ein Standortnachteil nicht nur für die Wissenschaft, heißt es im Policy Paper. In dem Papier gibt die Leopoldina neben der Forderung nach umfassenden gesetzlichen und regulatorischen Anpassungen auch einige konkrete Empfehlungen für einen weitergehenden Entwurf. Das Papier erreicht das BMBF in der heißen Phase, denn der Referentenentwurf zum FDG ist nach Informationen von Table.Briefings auf der Zielgeraden und soll in den nächsten Wochen veröffentlicht werden. Die Leopoldina empfiehlt,
“Von dem, was wir im Wissenschaftssystem produzieren, versackt zu viel oder wird nicht nachverfolgt”, sagte Sabine Kunst Table.Briefings. Und auch an anderen Stellen wird häufig beklagt, dass exzellente Forschung in Deutschland sich nicht in Wertschöpfung übersetzt. Nach gut 20 Jahren hat sich die Third Mission nicht als gleichwertige Säule neben Forschung und Lehre an den Hochschulen etabliert.
“Wir müssten jedes Forschungsergebnis prüfen, ob darin nicht ein Goldnugget versteckt ist”, sagt Thomas Gazlig, Leiter des Geschäftsbereichs Charité BIH Innovation. Doch zu wenige Wissenschaftler in Deutschland denken bei ihrer Forschung die Verwertung mit. Sabine Kunst beklagt, man habe “das Knowhow verloren, wissenschaftliche Arbeit und Anwendung gekoppelt anzugehen”.
Gazlig macht klar, dass dafür die Anreize und die politischen Vorgaben fehlen. Es gebe wenige Technologietransferstellen, die auskömmlich und nachhaltig finanziert seien. Viele sind auf Drittmittelfinanzierung angewiesen und haben derzeit beispielsweise Probleme, den Stopp der Exist Potenziale-Förderung zu kompensieren. Ein hoher Braindrain ist die Folge, berichtet Christiane Bach-Kaienburg, Geschäftsführerin der Transferallianz.
Überdies gibt es auch zu wenig Zahlen, Daten, Fakten zu Input, Output und Impact. Niemand weiß, wie viele Mittel in Deutschland in den Technologietransfer in den Hochschulen investiert werden. Und auch was dabei herauskommt, bleibt unbekannt. Damit sei auch eine geringe Sichtbarkeit des Themas verbunden, meint Gazlig.
Das möchte die Transferallianz, der Deutsche Verband für Wissens- und Technologietransfer, nun zumindest in einem ersten Schritt angehen. In einer Umfrage, an der immerhin 81 Technologietransfereinrichtungen aus Forschungseinrichtungen und Hochschulen teilgenommen haben, werden wichtige Input- und Outputdaten erfasst. Die Zahlen stammen aus dem Berichtsjahr 2021 und wurden 2023 erhoben.
Jörn Krupa, Leiter des Arbeitskreises Indikatorik der Transferallianz und Co-Autor der Umfrage, wünscht sich für die Zukunft regelmäßige und umfangreichere Erhebungen. In anderen Ländern sei das schon lange Standard, in Deutschland werde es bisher unter anderem durch den Föderalismus und fehlende Anreize behindert. In Großbritannien oder in Skandinavien würde auch der Impact von Wissens- und Technologietransfer erfasst. Das sei natürlich schwierig, da die Wirkzeiträume oft sehr lang sind und auch andere Einflussfaktoren am Ende bestimmen, ob ein gesellschaftliches Problem gelöst werden konnte. Man müsse daher die Balance zwischen Aufwand und Nutzen für solche Impact-Untersuchungen im Blick behalten, meint Krupa, der den Bereich Transfer & Innovation am Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) leitet.
Letztlich seien diese Untersuchungen und Geschichten über den Erfolg des Technologietransfers jedoch wichtig, betont Thomas Gazlig. Sie könnten mehr Sichtbarkeit für das Thema bringen und auch die Wertschätzung innerhalb der eigenen Organisationen verändern. Dass Drittmittel aus der Industrie beispielsweise immer noch als weniger wertvoll wahrgenommen würden als beispielsweise DFG-Mittel, erschwere den Technologietransfer.
Darüber hinaus plädiert Gazlig für eine auf Deutschland angepasste Gewichtung der Indikatoren. Natürlich seien Start-ups wichtig. In Deutschland, mit einem technologieorientierten Mittelstand, seien jedoch Innovationen, die in bestehenden Unternehmen zum Beispiel durch Lizenzen aus Forschungsergebnissen wirken, mindestens ebenso relevant.
Um die Strukturen zu professionalisieren und die Potenziale der Forschungsergebnisse zu heben, sollten in Zukunft fünf Prozent des institutionellen Budgets in den Bereich Transfer und Innovation fließen, sagt Gazlig. Auf der Konferenz der Transferallianz vergangene Woche wurde auch ein Beitrag für Transfer in den Förderprogrammen diskutiert.
Dazu müsste die Politik dafür sorgen, dass Transfer und dessen Impact Teil der Bewertung der wissenschaftlichen Arbeit werden. Damit würden sich Ansehen und Mindset ändern. Ziel sei es, dass Wissenschaftler und deren Organisationen sich des Werts ihrer Ergebnisse bewusster werden und sich häufiger um deren Verwertung.
14. Mai 2024, 19:30 Uhr, Online
acatech am Dienstag Dual Use Mehr
15./16. Mai 2024, Katholische Akademie in Bayern, Mandlstraße 23, 80802 München
XVII. Hochschulsymposium der Schleyer-Stiftung in Kooperation mit Heinz Nixdorf Stiftung und TU München “Nachhaltigkeit in der Wissenschaft: Notwendigkeiten neuer Formen der Zusammenarbeit” Mehr
27./28. Mai 2024, Dresden/International Congress Center Conference
Konferenz “Building Bridges for a Net Zero Future” Mehr
28. Mai 2024, 18:00-20:00 Uhr, TU Berlin, Hauptgebäude, Straße des 17. Juni 135, Hörsaal 0107 (EG) und online
Veranstaltungsreihe über Grundfinanzierung statt Projektwettbewerb, u.a. von GEW und NGAWiss “Projektfinanzierung und/oder Wissenschaftsfreiheit?” Mehr
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3. Juni 2024, 18:00-19:45 Uhr, Leopoldina, Jägerberg 1, 06108 Halle (Saale)
Dialogveranstaltung Europas Populisten im Aufwind: Ökonomische Ursachen und demokratische Herausforderungen Mehr
An Hochschulen und in der Politik wird weiterhin um den richtigen Umgang mit propalästinensischen Protesten an Universitäten gerungen. Die Meinungen darüber, wie die Proteste einzuordnen sind und welche Rolle den Universitäten zukommt, gehen auseinander.
Akutes Beispiel dafür ist die Debatte über die rasche Auflösung eines propalästinensischen Protestcamps an der FU Berlin am vergangenen Dienstag. Lehrende von Berliner Hochschulen kritisierten in einem Offenen Brief das schnelle Eingreifen. “Unabhängig davon, ob wir mit den konkreten Forderungen des Protestcamps einverstanden sind, stellen wir uns vor unsere Studierenden und verteidigen ihr Recht auf friedlichen Protest, das auch die Besetzung von Uni-Gelände einschließt”, heißt es in der Stellungnahme, die mittlerweile mehr als 350 Unterzeichner hat.
Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger reagierte mit einem Statement in der Bild-Zeitung: Der Offene Brief mache sie “fassungslos”. Statt sich klar gegen Israel- und Judenhass zu stellen, würden Uni-Besetzer zu Opfern gemacht und Gewalt verharmlost, erklärte sie. Am Sonnabend brachte die Zeitung eine Fortsetzung, verurteilte die Unterzeichner unter dem Titel “Die UniversiTÄTER” als “Israel-Hasser” und zeigte zwölf von ihnen mit Fotos.
Diese anprangernde Art der Berichterstattung rief wiederum viel Empörung hervor und weckte Erinnerungen an die Bild-Schlagzeile “Die Lockdown-Macher” während der Pandemie. Die Leitung der FU teilte am Sonntag mit, sie verurteile entschieden die “Diffamierung von einzelnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unserer Universität durch die Bild-Zeitung”. Man prüfe medienrechtliche Schritte. Kritik wie die in Form des Briefes halte man nicht nur für zulässig und wichtig, man nehme sie auch ernst, hieß es am Montag. Jetzt erst recht setze man auf universitären Dialog.
Kritik an der Berichterstattung kommt auch aus der SPD-Bundestagsfraktion: Gegen “die pauschale Verurteilung von Protestierenden als ,Mob’, ,UniversiTÄTER’ oder ,Israel-Hasser'”, sprachen sich am Montag SPD-Forschungspolitiker um MdB Ruppert Stüwe aus. Die “reißerische Auseinandersetzung und Berichterstattung der letzten Tage” trage nicht zu einer Deeskalation bei, heißt es auf der Plattform X. Sie vertiefe die Spaltung und verhindere jeden konstruktiven Diskurs. Die Solidarisierung mit protestierenden Studierenden könne und dürfe nicht automatisch gleichgesetzt werden mit dem “Tolerieren von Antisemitismus und Gewalt”.
Das Statement der SPD-Forschungspolitiker adressiert jedoch auch Bettina Stark-Watzinger: Es sei Aufgabe der Politik, Studierenden einen angstfreien Raum zu bieten und gleichzeitig Diskursfähigkeit und Meinungsvielfalt an unseren Hochschulen zu schützen. “Das wünschen wir uns auch von unseren Kolleg:innen, vor allem der Bundesbildungsministerin.”
Schon länger zeichnet sich bei diesem Thema eine gewisse Verstimmung zwischen der Bundesbildungsministerin und Hochschulleitungen ab. Stark-Watzinger hat in den vergangenen Monaten bei Vorfällen an Universitäten stets schnell reagiert, sich für hartes Durchgreifen ausgesprochen und zum Beispiel Hochschulleitungen aufgefordert, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen.
Damit suggerierte sie aber auch Versäumnisse oder Schwäche der Hochschulleitungen, was diese als nicht gerechtfertigt ansehen. “Anders, als manche öffentliche Politikeräußerung impliziert, handeln die Hochschulleitungen im Umgang mit Antisemitismus sehr konsequent”, betonte in der vergangenen Woche HRK-Präsident Walter Rosenthal auf Anfrage von Table.Briefings. abg
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) löst den seit 2013 bestehenden Beirat Junge Digitale Wirtschaft auf und setzt stattdessen ein neues Gremium ein. Im Rahmen eines Treffens mit dem Beirat hat Bundesminister Robert Habeck am Montag den Start-up Circle für seinen regelmäßigen Austausch mit Start-ups vorgestellt. Dieser werde künftig als kleiner, flexibler Kreis ohne formelle Vorgaben mindestens zweimal jährlich mit dem Minister zu wechselnden Start-up-Themen in den Dialog treten, teilte das BMWK mit.
Das deutsche und europäische Start-up-Ökosystem weiter zu stärken, sei nicht nur unverzichtbar für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft, sondern auch entscheidend für die ökologische und digitale Transformation, sagte Habeck. Dafür sei der direkte Draht zur Start-up-Szene enorm wichtig.
Zu jedem Treffen des Start-up Circle werde der Minister bis zu fünf Persönlichkeiten aus der Start-up-Szene einladen, die zu dem jeweiligen Thema eine besondere Expertise mitbringen. Zudem werde der oder die amtierende Vorstandsvorsitzende des Startup-Verbands – derzeit Verena Pausder – im Start-up Circle einen festen Platz bekommen. abg
Dem Europäischen Institut für Innovation und Technologie (EIT) in Budapest, einst als europäisches Gegenstück zum amerikanischen MIT gegründet, soll aufgelöst und in die konkurrierende Förderinstitution des Europäischen Innovationsrates (European Innovation Council) integriert werden. Das hat in der vergangenen Woche das Wissenschaftsministerium von Lettland gefordert, nachdem sich EU-Mitgliedsstaat Dänemark im Januar ähnlich geäußert hatte. Wenn am morgigen Mittwoch das EIT auf seiner Europatournee “Innoveit” in Berlin zu Gast ist, dürfte es auch um grundsätzliche Fragen gehen.
Der lettische Vorstoß, über den zuerst Table-Partner “Science Business” berichtet hatte, kommt nicht ganz überraschend. Denn in perspektivischer Vorbereitung des nächsten EU-Forschungsrahmenprogramms, das 2028 in Kraft treten soll, zeichnen sich die drohenden Finanznöte immer deutlicher ab. Bereits im Februar wurde das derzeitige Forschungsprogramm “Horizon Europe” kurzfristig um 2,1 Milliarden Euro beschnitten. Um Forschungsgelder für andere Aufgaben zu gewinnen, etwa die stärkere FuE-Förderung der osteuropäischen Länder, sollte die bisherige Struktur aufgegeben werden, schlägt Lettland vor.
Derzeit verfügt das EIT im Horizont-Programm 2021 bis 2027 über knapp drei Milliarden Euro; der EIC für seine Gründerförderung im gleichen Zeitraum über zehn Milliarden Euro. “Innovationsbezogene Aktivitäten sollten in den EIC integriert werden. Bildungsinitiativen könnten im Rahmen von Erasmus+ fortgeführt werden”, heißt es in dem Papier aus Riga. Die bestehenden “Knowledge and Innovation Communities” (KIC), die derzeit das Hauptgeschäft des EIT darstellen, “sollten im Einklang mit den verabschiedeten Zeitplänen für finanzielle Nachhaltigkeit und den erzielten Fortschritten bei der Gewinnung externer Finanzmittel schrittweise aufgelöst” werden. Tatsächlich ist bei einigen der Innovations-Netzwerke, so bei den Themen Energie und Medizin, die finanzielle Selbständigkeit in Reichweite.
EIT-Direktor Martin Kern hält von den Fusionsplänen verständlicherweise nicht viel. “Wir haben 15 Jahre lang extrem hart daran gearbeitet, unser Netzwerk aufzubauen, um Europas größtes Innovationsökosystem zu werden”, sagt er im Gespräch mit Table.Briefings. Jetzt seien Erfolge aus der Kooperation von Wissenschaft, Start-ups und etablierten Unternehmen zu erkennen. Mehr als 5.500 Gründerfirmen haben 71 Milliarden Euro an Risikokapital akquiriert. Die europäische Batteriehoffnung Northvolt aus Schweden, die gerade ein neues Werk in Schleswig-Holstein baut, entstand aus einer Förderung durch das KIC Energy.
Zudem seien beide Einrichtungen nicht passförmig, argumentiert Kern: “Das EIC bietet hauptsächlich finanzielle Unterstützung für risikoreiche und einflussreiche Start-ups und KMU, während das EIT-Modell auf der Schaffung von Innovationsökosystemen basiert, die gesellschaftliche Herausforderungen durch eine breite Palette von Aktivitäten angehen.” Dazu zählen für ihn die Technologie- und Unternehmerkompetenzen sowie Bildung für die Zukunft Innovatoren, Innovationsprojekte zur Schaffung technischer Lösungen und Aktivitäten zur Unternehmensgründung und -beschleunigung für Start-ups. Manfred Ronzheimer
Nach der Publikation der FES-Studie “Kommunen: Kernstück deutscher China-Politik” bricht zum wiederholten Male der Streit über den Umgang mit China los und viele stellen wieder die Frage: Darf man mit China zusammen arbeiten? Wie repressiv sind staatliche Akteure in der VR China und wie halten wir die akademische Freiheit offen? Als Paradebeispiel von Abhängigkeit und Einflussnahme werden die Konfuzius-Institute gerne genannt.
Benjamin Creutzfeldt plädiert als Geschäftsführer des Konfuzius-Instituts Leipzigs für einen Austausch mit China – “Cancel Culture” bringe nichts. Auch in der FES-Studie werden die Konfuzius-Institute als unterschätzte Chance hervorgehoben, die einen gesellschaftlichen Bedarf decken, der sonst nicht bedient wird. Denn China-Kompetenzen fallen ja nicht vom Himmel und müssen trainiert und erprobt werden. Und diese Funktion können an unseren Hochschulen die Konfuzius-Institute übernehmen.
Wo sind denn unsere Trainingslager für Chinakompetenz? Für die “Vollsinologen” ist es das Studienfach und der Aufenthalt im chinesisch-sprachigen Ausland. Wir werden aber nun nicht Spitzenforschende aus den MINT-Fächern für einen mehrjährigen Aufenthalt in China gewinnen. Statt gleich in einem Hochtechnologiefeld eine Kooperation einzufädeln, bieten Konfuzius-Institute ein Trainingsfeld hier in Deutschland in unkritischen Bereichen:
Es geht “nur” um Spracherwerb, kulturelle Veranstaltungen, Austauschformate und Vortragsreihen. In den Instituten können wir uns auf deutschem Boden unter deutschem Recht ausprobieren und testen:
Die chinesischen Partner an den Konfuzius-Instituten, in der Regel renommierte Hochschulen, mit denen wir ja im Austausch sein wollen, können sich nicht einfach zurückziehen, wenn es schwierig wird. Die Entwicklungen an den Instituten Düsseldorf, Erfurt und Frankfurt/Main zeigen den Willen auf chinesischer Seite, möglichst kein Institut zu schließen. Sitzen wir nicht am längeren Hebel und können uns in Chinakompetenz üben?
Am Konfuzius-Institut Leipzig haben trotz Sanktionen Merics-Referenten vorgetragen. Im Chai-Filmfestival werden Dokumentarfilme mit sozialkritischen Inhalten gezeigt und auch eine Lesung zu Xi Jinping hat stattgefunden. Vieles ist möglich, ohne den Partner zu verärgern. Aber in jeder Partnerschaft gilt es Optionen auszuloten und Kompromisse, die für beide Seiten tragbar sind, auszuhandeln.
Selbstverständlich dürfen wir die bodenständige sinologische Ausbildung und Lehre nicht an die Konfuzius-Institute auslagern – dann sind wir in einer Abhängigkeit; sie sollten und dürfen nur Zusatz und institutionalisiertes Trainingslager sein!
Wenn wir es im Trainingslager “Konfuzius-Institut” nicht schaffen, eine Kooperation auf Augenhöhe und eine Strategie für die Bewahrung “unserer Werte” zu entwickeln – dann erst müsste als Quintessenz folgen: Keine Kooperationen und keinen Austausch an irgendeiner Hochschule mehr mit China!
Linus Schlüter ist Projektkoordinator zum Aufbau regionaler Chinakompetenz in Thüringen (ChinaKooP) und ehemals Geschäftsführer des Konfuzius-Instituts in Leipzig.
Jörg Bagdahn wurde als Sprecher der HRK-Mitgliedergruppe Hochschulen für Angewandte Wissenschaften/Fachhochschulen wiedergewählt. Der Präsident der Hochschule Anhalt in Köthen beginnt seine zweite Amtszeit in dieser Funktion im Dezember.
Melinda French Gates scheidet aus der Bill & Melinda Gates Foundation aus, die sie gemeinsam mit ihrem früheren Ehemann Bill Gates gegründet hat. Wie sie am Montag mitteilte, wird sie ein eigenes philanthropisches Projekt starten.
Rhonda McFleder, Juniorprofessorin für Translationale Medizin an der Neurologischen Klinik und Poliklinik am Uniklinikum Würzburg, und Damian Herz, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Sektion Bewegungsstörungen und Neuromodulation an der Klinik und Poliklinik für Neurologie der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, erhalten im Rahmen der Nachwuchsförderung für ihre Forschungsvorhaben jeweils 100.000 Euro von der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen.
Anette-Gabriele Ziegler hat die Paul-Langerhans-Medaille der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) erhalten. Die Direktorin des Instituts für Diabetesforschung am Helmholtz-Zentrum München und Wissenschaftlerin am Deutschen Zentrum für Diabetesforschung wird für ihre Erkenntnisse zur Prävention und auch zum ursächlichen Verständnis der Krankheitsentstehung des Typ-1-Diabetes ausgezeichnet.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
Bildung.Table. Die Fortsetzung des Digitalpaktes ist eine Schlüsselfrage für Deutschlands Zukunft. In einem gemeinsamen Beitrag fordern Christine Streichert-Clivot, amtierende KMK-Präsidentin, und die Ministerinnen Stefanie Hubig und Karin Prien, die Fortsetzung des Digitalpakts nicht aufs Spiel zu setzen. Der DigitalPakt 2.0 dürfe kein zweiter Aufguss sein/werden, er müsse das Geschaffene konsolidieren, erweitern und vertiefen. Dabei sind Bund, Länder und Kommunen in doppelter Hinsicht gemeinsam in der Pflicht. Mehr
Bildung.Table. ifo-Studie: Wie ungleich die Bildungschancen in den Ländern verteilt sind. Ob ein Kind nach der Grundschule aufs Gymnasium wechselt, hängt stark vom Bildungshintergrund und vom Einkommen der Eltern ab. Das ifo Institut hat nun erstmals die Bildungschancen in den einzelnen Bundesländern berechnet: Die Unterschiede sind groß, kein Land schneidet gut ab. Mehr
Europe.Table. Gerichtsverhandlung soll Zuständigkeit für “Pfizergate”-Prozess klären. Am Freitag, 17. Mai, wird ein belgisches Gericht in Lüttich über die Frage verhandeln, wer für den sogenannten Pfizergate-Prozess zuständig ist, in den die EU-Kommissionspräsidentin verwickelt ist. Dabei geht es um die Frage, welche Rolle von der Leyen bei der Bestellung von 1,8 Milliarden COVID-19-Impfdosen im Wert von 35 Milliarden Euro beim US-Pharmakonzern Pfizer gespielt hat und ob dabei womöglich europäisches oder belgisches Recht gebrochen wurde. Mehr
Europe.Table. Pia Ahrenkilde Hansen: So denkt die Generaldirektorin für Bildung. Als Studentin bekam sie einen ersten Eindruck davon, was kultureller Austausch bedeutet. Heute leitet die Dänin Pia Ahrenkilde Hansen die Generaldirektion für Bildung, Jugend, Kultur und Sport der EU. Damit verwaltet sie auch das mehr als 26 Milliarden Euro schwere Erasmus-Plus-Programm. Mehr
Security.Table. Sven Weizenegger: “Resilienz bildet sich erst im Krisenfall richtig aus”. Der Leiter des Cyber Innovation Hubs der Bundeswehr (CIHBw), fordert im Interview eine engere Zusammenarbeit zwischen Großkonzernen, Rüstungs-Start-Ups und der Truppe. Nur so verliere Deutschland bei Militärtechnologie nicht den Anschluss. Mehr
Die Wissenschaft bietet Antworten auf nahezu alle Fragen des Lebens, aber heute haben wir einen besonders dicken Fang aus dem Nachrichtensee der Forschungsergebnisse für Sie gefischt. Wer, wie der Autor dieser Zeilen, schon zur Herings- und Hornhechtzeit an dänischen Fjorden angeln war oder zur Hochzeit der Hechte Brandenburger Gewässer mit der Rute unsicher gemacht hat, hat sich vielleicht schon einmal diese Frage gestellt: Sind die Hobbyangler und Freizeit-Fischer, die Rutenschwinger und Rollendreher, eigentlich ein relevanter und messbarer Teil der Fischerei oder sind die paar Fische dann doch nur Pipifax gegen die Fangboote und Fischkutter auf Seen und Weltmeeren?
Ein internationales Forschungsteam, an dem auch Robert Arlinghaus vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin beteiligt war, wollte es genau wissen. Das Resultat: In vielen Regionen der Welt leistet Angeln tatsächlich einen wichtigen Beitrag zur eigenen Ernährung und liefert wichtige Proteine und Mikronährstoffe. Elf Prozent der weltweit konsumierten Süßwasserfische stammen aus der Freizeitfischerei. Die Forscher widerlegen damit nach eigenen Angaben “die gängige Annahme, dass die Freizeitfischerei weltweit nur eine geringe Rolle für die Ernährung der Bevölkerung spielt”, heißt es in der Mitteilung zur Studie. In Deutschland entnehmen die rund drei Millionen Anglerinnen und Angler etwa zehnmal mehr Fisch aus Binnengewässern als die Berufsfischerei.
Damit sind die Hobbyangler längst auch ein Wirtschaftsfaktor: “In Deutschland werden über 50.000 Arbeitsplätze vom Angeln unterhalten“, sagt Arlinghaus. Die Forschenden ermittelten auch den Gesamtkonsumwert von Süßwasserfischen, die durch Freizeitfischerei gefangen werden, auf der Grundlage vergleichbarer Angebote zu lokalen Marktpreisen. Dieser betrug weltweit 9,95 Milliarden US-Dollar pro Jahr. In Deutschland allein lag der Marktwert der geangelten Fische bei über 100 Millionen US-Dollar jährlich. “Die soziale, wirtschaftliche und psychologische Bedeutung des Angelns geht aber über den Marktwert deutlich hinaus”, sagt Arlinghaus. Unser Fazit, quasi als ,Catch of the day’: Angeln ist gut zur Erholung, für den eigenen B12- und Jod-Haushalt und schafft auch noch Arbeitsplätze. Probieren Sie es aus, Petri Heil! Tim Gabel
Montagabend, die Realität wartete vor dem Stadtschloss in Fulda. Genau zu Beginn der Jahreshauptversammlung der Hochschulrektorenkonferenz flankierten studentische Protestler den zentralen Eingang im Hof. Mitglieder der Initiative “Hochschulen für den Frieden” verteilten Flugblätter, zogen Präsidentinnen wie Politiker in Gespräche. “Nur eine friedensfähige Gesellschaft hat Zukunft”, erklärte einer der Studenten – auf die Frage, ob die Forderungen nach einem Friedensgebot und einem Nein zur Zivilklausel in der heutigen Zeit nicht naiv seien. Diesen Frieden hervorzubringen sei “die dringende Aufgabe der Zeit”, erklärte er weiter. “Gerade Bildung und Wissenschaft haben dafür eine zentrale Bedeutung.”
HRK-Präsident Walter Rosenthal sprach lange mit den Demonstranten, um später im Saal gleich bei der Debatte zu bleiben. Man habe es in diesem Jahr ein wenig anders machen wollen, die Podiumsdiskussion “Principiis obsta? – Zum Umgang mit illiberalen Tendenzen innerhalb und außerhalb der Hochschulen” stehe im Mittelpunkt des Abends. Julia von Blumenthal, Präsidentin der Humboldt-Universität Berlin, Nicole Deitelhoff vom Leibniz-Instituts für Friedens- und Konfliktforschung und der hessische Wissenschaftsminister Timon Gremmels (SPD) debattierten, moderiert durch Julika Griem, Direktorin des Kulturwissenschaftlichen Instituts in Essen. In Zeiten, in den sich Hochschulen insbesondere durch Populismus und Extremismus herausgefordert sehen: Welche Möglichkeiten bestehen, “adäquat mit Versuchen umzugehen, die unzulässig auf eine Beschränkung der Hochschulautonomie und der Wissenschaftsfreiheit abzielen?”
“Wissenschafts– und Meinungsfreiheit seien unverzichtbar und müssen nach innen und außen verteidigt werden”, sagte Walter Rosenthal noch zu Beginn. “Dabei dürfen wir unsere Werte auch dann nicht preisgeben, wenn wir sie gegen ihre Gegner verteidigen.” Es gehe um den regelhaften wissenschaftlichen Diskurs.
“Wissenschaft kann sich nicht mehr heraushalten”, sagt Nicole Deitelhoff. Die Institutionen, die man schützen wolle, müssen wandlungsfähig sein. Sie müssten auf die Herausforderungen der Gegenwart reagieren können. Doch wie weit soll diese Flexibilität gehen? Sie wolle es schaffen, dass die Hochschule Ort der Debatten bleibt, darin aber zur Versachlichung beitragen, erklärte Julia von Blumenthal. Dies sei der besondere Beitrag der Wissenschaft.
Aktuell wird an und um Hochschulen intensiv um den richtigen Umgang mit propalästinensischen Protesten gerungen, Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger für ihre Äußerungen in der Bild-Zeitung zunehmend kritisiert. Meine Kollegin Anne Brüning hat die Details.
Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre,
Die Leopoldina verlangt von der Bundesregierung in einem am Montag erschienenen Policy Paper einen “großen Wurf” bei ihren Plänen für ein Forschungsdatengesetz (FDG). An den Ende Februar vom BMBF veröffentlichten Eckpunkten seien zwar einige Neuerungen und Ideen zu begrüßen, sagte Regina T. Riphahn, Vizepräsidentin der Leopoldina und federführende Expertin Table.Briefings. “Viele Formulierungen sind aber noch nicht mutig genug, um die im internationalen Vergleich bestehende Rückständigkeit Deutschlands beim Forschungsdatenzugang tatsächlich anzugehen.”
Knackpunkt sei der grundlegende Gedanke des Eckpunktepapiers, dass man die Nutzung der Forschungsdaten im Rahmen der bestehenden Gesetzeslage verbessern will, sagte Riphahn. “Wenn wir eine spürbare Verbesserung erreichen möchten, müssen wir dringend Gesetze anpassen, damit Forschende endlich mit den Daten arbeiten können, die es in Deutschland gibt, und diese auch sinnvoll miteinander verknüpft werden können.”
Anders als in vielen anderen (Nachbar-)Ländern, sei in Deutschland bei der Datennutzung grundsätzlich alles verboten, was nicht explizit erlaubt ist. “Das bedeutet, dass wir in jedem Bereich, also etwa bei Bildungsthemen oder bei Wirtschafts- oder Sozialdaten ein Vorgehen wie im Gesundheitsbereich bräuchten.” Hier habe das Bundesgesundheitsministerium “im Gesundheitsdatennutzungsgesetz alles aufgelistet, was im Bereich der Nutzung von medizinischen Daten zu Forschungszwecken erlaubt sein soll”.
In der Breite sei dieses kleinteilige Vorgehen aber wenig aussichtsreich, weil Forschungsdaten aus vielen unterschiedlichen Bereichen benötigt werden. “Wir brauchen daher im Forschungsdatengesetz einen großen Wurf, der es Forschung prinzipiell erlaubt, Daten zu nutzen und damit die anderen Gesetze, natürlich im Rahmen des datenschutzrechtlich Erlaubten, überschreibt.” Dies würde auch unter der Einhaltung der DSGVO möglich sein und werde in anderen Ländern zum Teil schon lange so praktiziert.
Voraussetzung für eine mutige Gesetzgebung sei eine ressortübergreifende Zusammenarbeit und Abstimmung, sagt Regina T. Riphahn, die an der FAU Erlangen-Nürnberg den Lehrstuhl für Statistik und empirische Wirtschaftsforschung innehat. Die Sozial- und Wirtschaftswissenschaften in Deutschland könnten zu zahlreichen Themen aktuelle und evidenzbasierte Politikberatung anbieten. Die Verantwortung für die relevante Gesetzgebung zur Datenverfügbarkeit liege aber nicht nur beim BMBF, sondern auch in der Verantwortung von Wirtschafts- und Sozialministerium.
Auch das Bundesstatistikgesetz müsste angepasst werden, für das wiederum das Innenministerium verantwortlich sei. “In Deutschland gibt es eine restriktive Datenschutzkultur und auch das Bundesverfassungsgericht stellt höhere Hürden auf als in anderen Ländern. Man muss also Mut haben, hier politisch aktiv zu werden, denn es ist ein heikles Thema. Deswegen ist es wichtig, dass wir den gesellschaftlichen Nutzen von Evidenz betonen und aufzeigen, dass die Nichtverfügbarkeit von Forschungsdaten erhebliche Kosten für alle mit sich bringt.”
Wenn Forschende mit umfassenden Daten der öffentlichen Verwaltungen arbeiten könnten, wären Gesetze treffsicherer, Fördergelder könnten an der richtigen Stelle eingesetzt und politische Maßnahmen sinnvoll evaluiert werden. Bislang bleibe der Politik zum Beispiel in vielen Bereichen der Förderung nichts übrig, außer Geld nach dem Gießkannenprinzip auszugeben, auch an diejenigen, die es nicht brauchen. “Weil wir eben nicht genau wissen, wo der Bedarf ist.”
Ein Gutachten der Wirtschaftsweisen habe erst kürzlich darauf hingewiesen, dass allein mit den Mitnahmeeffekten bei den Corona-Hilfen die Hälfte des Budgets des Statistischen Bundesamts für die nächsten Jahre finanziert werden könnte. Viele gesundheits- und wirtschaftspolitische Entscheidungen in der Corona-Zeit seien auf Grundlage von Daten aus Großbritannien oder Israel getroffen worden, sagt Riphahn. Die derzeitige Gesetzeslage im Bereich der Forschungsdatennutzung würde “punktgenaue evidenzbasierte Lösungen für Deutschland verhindern”.
Die fehlende Zugänglichkeit und Verknüpfbarkeit von Daten ist ein Standortnachteil nicht nur für die Wissenschaft, heißt es im Policy Paper. In dem Papier gibt die Leopoldina neben der Forderung nach umfassenden gesetzlichen und regulatorischen Anpassungen auch einige konkrete Empfehlungen für einen weitergehenden Entwurf. Das Papier erreicht das BMBF in der heißen Phase, denn der Referentenentwurf zum FDG ist nach Informationen von Table.Briefings auf der Zielgeraden und soll in den nächsten Wochen veröffentlicht werden. Die Leopoldina empfiehlt,
“Von dem, was wir im Wissenschaftssystem produzieren, versackt zu viel oder wird nicht nachverfolgt”, sagte Sabine Kunst Table.Briefings. Und auch an anderen Stellen wird häufig beklagt, dass exzellente Forschung in Deutschland sich nicht in Wertschöpfung übersetzt. Nach gut 20 Jahren hat sich die Third Mission nicht als gleichwertige Säule neben Forschung und Lehre an den Hochschulen etabliert.
“Wir müssten jedes Forschungsergebnis prüfen, ob darin nicht ein Goldnugget versteckt ist”, sagt Thomas Gazlig, Leiter des Geschäftsbereichs Charité BIH Innovation. Doch zu wenige Wissenschaftler in Deutschland denken bei ihrer Forschung die Verwertung mit. Sabine Kunst beklagt, man habe “das Knowhow verloren, wissenschaftliche Arbeit und Anwendung gekoppelt anzugehen”.
Gazlig macht klar, dass dafür die Anreize und die politischen Vorgaben fehlen. Es gebe wenige Technologietransferstellen, die auskömmlich und nachhaltig finanziert seien. Viele sind auf Drittmittelfinanzierung angewiesen und haben derzeit beispielsweise Probleme, den Stopp der Exist Potenziale-Förderung zu kompensieren. Ein hoher Braindrain ist die Folge, berichtet Christiane Bach-Kaienburg, Geschäftsführerin der Transferallianz.
Überdies gibt es auch zu wenig Zahlen, Daten, Fakten zu Input, Output und Impact. Niemand weiß, wie viele Mittel in Deutschland in den Technologietransfer in den Hochschulen investiert werden. Und auch was dabei herauskommt, bleibt unbekannt. Damit sei auch eine geringe Sichtbarkeit des Themas verbunden, meint Gazlig.
Das möchte die Transferallianz, der Deutsche Verband für Wissens- und Technologietransfer, nun zumindest in einem ersten Schritt angehen. In einer Umfrage, an der immerhin 81 Technologietransfereinrichtungen aus Forschungseinrichtungen und Hochschulen teilgenommen haben, werden wichtige Input- und Outputdaten erfasst. Die Zahlen stammen aus dem Berichtsjahr 2021 und wurden 2023 erhoben.
Jörn Krupa, Leiter des Arbeitskreises Indikatorik der Transferallianz und Co-Autor der Umfrage, wünscht sich für die Zukunft regelmäßige und umfangreichere Erhebungen. In anderen Ländern sei das schon lange Standard, in Deutschland werde es bisher unter anderem durch den Föderalismus und fehlende Anreize behindert. In Großbritannien oder in Skandinavien würde auch der Impact von Wissens- und Technologietransfer erfasst. Das sei natürlich schwierig, da die Wirkzeiträume oft sehr lang sind und auch andere Einflussfaktoren am Ende bestimmen, ob ein gesellschaftliches Problem gelöst werden konnte. Man müsse daher die Balance zwischen Aufwand und Nutzen für solche Impact-Untersuchungen im Blick behalten, meint Krupa, der den Bereich Transfer & Innovation am Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) leitet.
Letztlich seien diese Untersuchungen und Geschichten über den Erfolg des Technologietransfers jedoch wichtig, betont Thomas Gazlig. Sie könnten mehr Sichtbarkeit für das Thema bringen und auch die Wertschätzung innerhalb der eigenen Organisationen verändern. Dass Drittmittel aus der Industrie beispielsweise immer noch als weniger wertvoll wahrgenommen würden als beispielsweise DFG-Mittel, erschwere den Technologietransfer.
Darüber hinaus plädiert Gazlig für eine auf Deutschland angepasste Gewichtung der Indikatoren. Natürlich seien Start-ups wichtig. In Deutschland, mit einem technologieorientierten Mittelstand, seien jedoch Innovationen, die in bestehenden Unternehmen zum Beispiel durch Lizenzen aus Forschungsergebnissen wirken, mindestens ebenso relevant.
Um die Strukturen zu professionalisieren und die Potenziale der Forschungsergebnisse zu heben, sollten in Zukunft fünf Prozent des institutionellen Budgets in den Bereich Transfer und Innovation fließen, sagt Gazlig. Auf der Konferenz der Transferallianz vergangene Woche wurde auch ein Beitrag für Transfer in den Förderprogrammen diskutiert.
Dazu müsste die Politik dafür sorgen, dass Transfer und dessen Impact Teil der Bewertung der wissenschaftlichen Arbeit werden. Damit würden sich Ansehen und Mindset ändern. Ziel sei es, dass Wissenschaftler und deren Organisationen sich des Werts ihrer Ergebnisse bewusster werden und sich häufiger um deren Verwertung.
14. Mai 2024, 19:30 Uhr, Online
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An Hochschulen und in der Politik wird weiterhin um den richtigen Umgang mit propalästinensischen Protesten an Universitäten gerungen. Die Meinungen darüber, wie die Proteste einzuordnen sind und welche Rolle den Universitäten zukommt, gehen auseinander.
Akutes Beispiel dafür ist die Debatte über die rasche Auflösung eines propalästinensischen Protestcamps an der FU Berlin am vergangenen Dienstag. Lehrende von Berliner Hochschulen kritisierten in einem Offenen Brief das schnelle Eingreifen. “Unabhängig davon, ob wir mit den konkreten Forderungen des Protestcamps einverstanden sind, stellen wir uns vor unsere Studierenden und verteidigen ihr Recht auf friedlichen Protest, das auch die Besetzung von Uni-Gelände einschließt”, heißt es in der Stellungnahme, die mittlerweile mehr als 350 Unterzeichner hat.
Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger reagierte mit einem Statement in der Bild-Zeitung: Der Offene Brief mache sie “fassungslos”. Statt sich klar gegen Israel- und Judenhass zu stellen, würden Uni-Besetzer zu Opfern gemacht und Gewalt verharmlost, erklärte sie. Am Sonnabend brachte die Zeitung eine Fortsetzung, verurteilte die Unterzeichner unter dem Titel “Die UniversiTÄTER” als “Israel-Hasser” und zeigte zwölf von ihnen mit Fotos.
Diese anprangernde Art der Berichterstattung rief wiederum viel Empörung hervor und weckte Erinnerungen an die Bild-Schlagzeile “Die Lockdown-Macher” während der Pandemie. Die Leitung der FU teilte am Sonntag mit, sie verurteile entschieden die “Diffamierung von einzelnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unserer Universität durch die Bild-Zeitung”. Man prüfe medienrechtliche Schritte. Kritik wie die in Form des Briefes halte man nicht nur für zulässig und wichtig, man nehme sie auch ernst, hieß es am Montag. Jetzt erst recht setze man auf universitären Dialog.
Kritik an der Berichterstattung kommt auch aus der SPD-Bundestagsfraktion: Gegen “die pauschale Verurteilung von Protestierenden als ,Mob’, ,UniversiTÄTER’ oder ,Israel-Hasser'”, sprachen sich am Montag SPD-Forschungspolitiker um MdB Ruppert Stüwe aus. Die “reißerische Auseinandersetzung und Berichterstattung der letzten Tage” trage nicht zu einer Deeskalation bei, heißt es auf der Plattform X. Sie vertiefe die Spaltung und verhindere jeden konstruktiven Diskurs. Die Solidarisierung mit protestierenden Studierenden könne und dürfe nicht automatisch gleichgesetzt werden mit dem “Tolerieren von Antisemitismus und Gewalt”.
Das Statement der SPD-Forschungspolitiker adressiert jedoch auch Bettina Stark-Watzinger: Es sei Aufgabe der Politik, Studierenden einen angstfreien Raum zu bieten und gleichzeitig Diskursfähigkeit und Meinungsvielfalt an unseren Hochschulen zu schützen. “Das wünschen wir uns auch von unseren Kolleg:innen, vor allem der Bundesbildungsministerin.”
Schon länger zeichnet sich bei diesem Thema eine gewisse Verstimmung zwischen der Bundesbildungsministerin und Hochschulleitungen ab. Stark-Watzinger hat in den vergangenen Monaten bei Vorfällen an Universitäten stets schnell reagiert, sich für hartes Durchgreifen ausgesprochen und zum Beispiel Hochschulleitungen aufgefordert, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen.
Damit suggerierte sie aber auch Versäumnisse oder Schwäche der Hochschulleitungen, was diese als nicht gerechtfertigt ansehen. “Anders, als manche öffentliche Politikeräußerung impliziert, handeln die Hochschulleitungen im Umgang mit Antisemitismus sehr konsequent”, betonte in der vergangenen Woche HRK-Präsident Walter Rosenthal auf Anfrage von Table.Briefings. abg
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) löst den seit 2013 bestehenden Beirat Junge Digitale Wirtschaft auf und setzt stattdessen ein neues Gremium ein. Im Rahmen eines Treffens mit dem Beirat hat Bundesminister Robert Habeck am Montag den Start-up Circle für seinen regelmäßigen Austausch mit Start-ups vorgestellt. Dieser werde künftig als kleiner, flexibler Kreis ohne formelle Vorgaben mindestens zweimal jährlich mit dem Minister zu wechselnden Start-up-Themen in den Dialog treten, teilte das BMWK mit.
Das deutsche und europäische Start-up-Ökosystem weiter zu stärken, sei nicht nur unverzichtbar für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft, sondern auch entscheidend für die ökologische und digitale Transformation, sagte Habeck. Dafür sei der direkte Draht zur Start-up-Szene enorm wichtig.
Zu jedem Treffen des Start-up Circle werde der Minister bis zu fünf Persönlichkeiten aus der Start-up-Szene einladen, die zu dem jeweiligen Thema eine besondere Expertise mitbringen. Zudem werde der oder die amtierende Vorstandsvorsitzende des Startup-Verbands – derzeit Verena Pausder – im Start-up Circle einen festen Platz bekommen. abg
Dem Europäischen Institut für Innovation und Technologie (EIT) in Budapest, einst als europäisches Gegenstück zum amerikanischen MIT gegründet, soll aufgelöst und in die konkurrierende Förderinstitution des Europäischen Innovationsrates (European Innovation Council) integriert werden. Das hat in der vergangenen Woche das Wissenschaftsministerium von Lettland gefordert, nachdem sich EU-Mitgliedsstaat Dänemark im Januar ähnlich geäußert hatte. Wenn am morgigen Mittwoch das EIT auf seiner Europatournee “Innoveit” in Berlin zu Gast ist, dürfte es auch um grundsätzliche Fragen gehen.
Der lettische Vorstoß, über den zuerst Table-Partner “Science Business” berichtet hatte, kommt nicht ganz überraschend. Denn in perspektivischer Vorbereitung des nächsten EU-Forschungsrahmenprogramms, das 2028 in Kraft treten soll, zeichnen sich die drohenden Finanznöte immer deutlicher ab. Bereits im Februar wurde das derzeitige Forschungsprogramm “Horizon Europe” kurzfristig um 2,1 Milliarden Euro beschnitten. Um Forschungsgelder für andere Aufgaben zu gewinnen, etwa die stärkere FuE-Förderung der osteuropäischen Länder, sollte die bisherige Struktur aufgegeben werden, schlägt Lettland vor.
Derzeit verfügt das EIT im Horizont-Programm 2021 bis 2027 über knapp drei Milliarden Euro; der EIC für seine Gründerförderung im gleichen Zeitraum über zehn Milliarden Euro. “Innovationsbezogene Aktivitäten sollten in den EIC integriert werden. Bildungsinitiativen könnten im Rahmen von Erasmus+ fortgeführt werden”, heißt es in dem Papier aus Riga. Die bestehenden “Knowledge and Innovation Communities” (KIC), die derzeit das Hauptgeschäft des EIT darstellen, “sollten im Einklang mit den verabschiedeten Zeitplänen für finanzielle Nachhaltigkeit und den erzielten Fortschritten bei der Gewinnung externer Finanzmittel schrittweise aufgelöst” werden. Tatsächlich ist bei einigen der Innovations-Netzwerke, so bei den Themen Energie und Medizin, die finanzielle Selbständigkeit in Reichweite.
EIT-Direktor Martin Kern hält von den Fusionsplänen verständlicherweise nicht viel. “Wir haben 15 Jahre lang extrem hart daran gearbeitet, unser Netzwerk aufzubauen, um Europas größtes Innovationsökosystem zu werden”, sagt er im Gespräch mit Table.Briefings. Jetzt seien Erfolge aus der Kooperation von Wissenschaft, Start-ups und etablierten Unternehmen zu erkennen. Mehr als 5.500 Gründerfirmen haben 71 Milliarden Euro an Risikokapital akquiriert. Die europäische Batteriehoffnung Northvolt aus Schweden, die gerade ein neues Werk in Schleswig-Holstein baut, entstand aus einer Förderung durch das KIC Energy.
Zudem seien beide Einrichtungen nicht passförmig, argumentiert Kern: “Das EIC bietet hauptsächlich finanzielle Unterstützung für risikoreiche und einflussreiche Start-ups und KMU, während das EIT-Modell auf der Schaffung von Innovationsökosystemen basiert, die gesellschaftliche Herausforderungen durch eine breite Palette von Aktivitäten angehen.” Dazu zählen für ihn die Technologie- und Unternehmerkompetenzen sowie Bildung für die Zukunft Innovatoren, Innovationsprojekte zur Schaffung technischer Lösungen und Aktivitäten zur Unternehmensgründung und -beschleunigung für Start-ups. Manfred Ronzheimer
Nach der Publikation der FES-Studie “Kommunen: Kernstück deutscher China-Politik” bricht zum wiederholten Male der Streit über den Umgang mit China los und viele stellen wieder die Frage: Darf man mit China zusammen arbeiten? Wie repressiv sind staatliche Akteure in der VR China und wie halten wir die akademische Freiheit offen? Als Paradebeispiel von Abhängigkeit und Einflussnahme werden die Konfuzius-Institute gerne genannt.
Benjamin Creutzfeldt plädiert als Geschäftsführer des Konfuzius-Instituts Leipzigs für einen Austausch mit China – “Cancel Culture” bringe nichts. Auch in der FES-Studie werden die Konfuzius-Institute als unterschätzte Chance hervorgehoben, die einen gesellschaftlichen Bedarf decken, der sonst nicht bedient wird. Denn China-Kompetenzen fallen ja nicht vom Himmel und müssen trainiert und erprobt werden. Und diese Funktion können an unseren Hochschulen die Konfuzius-Institute übernehmen.
Wo sind denn unsere Trainingslager für Chinakompetenz? Für die “Vollsinologen” ist es das Studienfach und der Aufenthalt im chinesisch-sprachigen Ausland. Wir werden aber nun nicht Spitzenforschende aus den MINT-Fächern für einen mehrjährigen Aufenthalt in China gewinnen. Statt gleich in einem Hochtechnologiefeld eine Kooperation einzufädeln, bieten Konfuzius-Institute ein Trainingsfeld hier in Deutschland in unkritischen Bereichen:
Es geht “nur” um Spracherwerb, kulturelle Veranstaltungen, Austauschformate und Vortragsreihen. In den Instituten können wir uns auf deutschem Boden unter deutschem Recht ausprobieren und testen:
Die chinesischen Partner an den Konfuzius-Instituten, in der Regel renommierte Hochschulen, mit denen wir ja im Austausch sein wollen, können sich nicht einfach zurückziehen, wenn es schwierig wird. Die Entwicklungen an den Instituten Düsseldorf, Erfurt und Frankfurt/Main zeigen den Willen auf chinesischer Seite, möglichst kein Institut zu schließen. Sitzen wir nicht am längeren Hebel und können uns in Chinakompetenz üben?
Am Konfuzius-Institut Leipzig haben trotz Sanktionen Merics-Referenten vorgetragen. Im Chai-Filmfestival werden Dokumentarfilme mit sozialkritischen Inhalten gezeigt und auch eine Lesung zu Xi Jinping hat stattgefunden. Vieles ist möglich, ohne den Partner zu verärgern. Aber in jeder Partnerschaft gilt es Optionen auszuloten und Kompromisse, die für beide Seiten tragbar sind, auszuhandeln.
Selbstverständlich dürfen wir die bodenständige sinologische Ausbildung und Lehre nicht an die Konfuzius-Institute auslagern – dann sind wir in einer Abhängigkeit; sie sollten und dürfen nur Zusatz und institutionalisiertes Trainingslager sein!
Wenn wir es im Trainingslager “Konfuzius-Institut” nicht schaffen, eine Kooperation auf Augenhöhe und eine Strategie für die Bewahrung “unserer Werte” zu entwickeln – dann erst müsste als Quintessenz folgen: Keine Kooperationen und keinen Austausch an irgendeiner Hochschule mehr mit China!
Linus Schlüter ist Projektkoordinator zum Aufbau regionaler Chinakompetenz in Thüringen (ChinaKooP) und ehemals Geschäftsführer des Konfuzius-Instituts in Leipzig.
Jörg Bagdahn wurde als Sprecher der HRK-Mitgliedergruppe Hochschulen für Angewandte Wissenschaften/Fachhochschulen wiedergewählt. Der Präsident der Hochschule Anhalt in Köthen beginnt seine zweite Amtszeit in dieser Funktion im Dezember.
Melinda French Gates scheidet aus der Bill & Melinda Gates Foundation aus, die sie gemeinsam mit ihrem früheren Ehemann Bill Gates gegründet hat. Wie sie am Montag mitteilte, wird sie ein eigenes philanthropisches Projekt starten.
Rhonda McFleder, Juniorprofessorin für Translationale Medizin an der Neurologischen Klinik und Poliklinik am Uniklinikum Würzburg, und Damian Herz, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Sektion Bewegungsstörungen und Neuromodulation an der Klinik und Poliklinik für Neurologie der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, erhalten im Rahmen der Nachwuchsförderung für ihre Forschungsvorhaben jeweils 100.000 Euro von der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen.
Anette-Gabriele Ziegler hat die Paul-Langerhans-Medaille der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) erhalten. Die Direktorin des Instituts für Diabetesforschung am Helmholtz-Zentrum München und Wissenschaftlerin am Deutschen Zentrum für Diabetesforschung wird für ihre Erkenntnisse zur Prävention und auch zum ursächlichen Verständnis der Krankheitsentstehung des Typ-1-Diabetes ausgezeichnet.
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Bildung.Table. Die Fortsetzung des Digitalpaktes ist eine Schlüsselfrage für Deutschlands Zukunft. In einem gemeinsamen Beitrag fordern Christine Streichert-Clivot, amtierende KMK-Präsidentin, und die Ministerinnen Stefanie Hubig und Karin Prien, die Fortsetzung des Digitalpakts nicht aufs Spiel zu setzen. Der DigitalPakt 2.0 dürfe kein zweiter Aufguss sein/werden, er müsse das Geschaffene konsolidieren, erweitern und vertiefen. Dabei sind Bund, Länder und Kommunen in doppelter Hinsicht gemeinsam in der Pflicht. Mehr
Bildung.Table. ifo-Studie: Wie ungleich die Bildungschancen in den Ländern verteilt sind. Ob ein Kind nach der Grundschule aufs Gymnasium wechselt, hängt stark vom Bildungshintergrund und vom Einkommen der Eltern ab. Das ifo Institut hat nun erstmals die Bildungschancen in den einzelnen Bundesländern berechnet: Die Unterschiede sind groß, kein Land schneidet gut ab. Mehr
Europe.Table. Gerichtsverhandlung soll Zuständigkeit für “Pfizergate”-Prozess klären. Am Freitag, 17. Mai, wird ein belgisches Gericht in Lüttich über die Frage verhandeln, wer für den sogenannten Pfizergate-Prozess zuständig ist, in den die EU-Kommissionspräsidentin verwickelt ist. Dabei geht es um die Frage, welche Rolle von der Leyen bei der Bestellung von 1,8 Milliarden COVID-19-Impfdosen im Wert von 35 Milliarden Euro beim US-Pharmakonzern Pfizer gespielt hat und ob dabei womöglich europäisches oder belgisches Recht gebrochen wurde. Mehr
Europe.Table. Pia Ahrenkilde Hansen: So denkt die Generaldirektorin für Bildung. Als Studentin bekam sie einen ersten Eindruck davon, was kultureller Austausch bedeutet. Heute leitet die Dänin Pia Ahrenkilde Hansen die Generaldirektion für Bildung, Jugend, Kultur und Sport der EU. Damit verwaltet sie auch das mehr als 26 Milliarden Euro schwere Erasmus-Plus-Programm. Mehr
Security.Table. Sven Weizenegger: “Resilienz bildet sich erst im Krisenfall richtig aus”. Der Leiter des Cyber Innovation Hubs der Bundeswehr (CIHBw), fordert im Interview eine engere Zusammenarbeit zwischen Großkonzernen, Rüstungs-Start-Ups und der Truppe. Nur so verliere Deutschland bei Militärtechnologie nicht den Anschluss. Mehr
Die Wissenschaft bietet Antworten auf nahezu alle Fragen des Lebens, aber heute haben wir einen besonders dicken Fang aus dem Nachrichtensee der Forschungsergebnisse für Sie gefischt. Wer, wie der Autor dieser Zeilen, schon zur Herings- und Hornhechtzeit an dänischen Fjorden angeln war oder zur Hochzeit der Hechte Brandenburger Gewässer mit der Rute unsicher gemacht hat, hat sich vielleicht schon einmal diese Frage gestellt: Sind die Hobbyangler und Freizeit-Fischer, die Rutenschwinger und Rollendreher, eigentlich ein relevanter und messbarer Teil der Fischerei oder sind die paar Fische dann doch nur Pipifax gegen die Fangboote und Fischkutter auf Seen und Weltmeeren?
Ein internationales Forschungsteam, an dem auch Robert Arlinghaus vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin beteiligt war, wollte es genau wissen. Das Resultat: In vielen Regionen der Welt leistet Angeln tatsächlich einen wichtigen Beitrag zur eigenen Ernährung und liefert wichtige Proteine und Mikronährstoffe. Elf Prozent der weltweit konsumierten Süßwasserfische stammen aus der Freizeitfischerei. Die Forscher widerlegen damit nach eigenen Angaben “die gängige Annahme, dass die Freizeitfischerei weltweit nur eine geringe Rolle für die Ernährung der Bevölkerung spielt”, heißt es in der Mitteilung zur Studie. In Deutschland entnehmen die rund drei Millionen Anglerinnen und Angler etwa zehnmal mehr Fisch aus Binnengewässern als die Berufsfischerei.
Damit sind die Hobbyangler längst auch ein Wirtschaftsfaktor: “In Deutschland werden über 50.000 Arbeitsplätze vom Angeln unterhalten“, sagt Arlinghaus. Die Forschenden ermittelten auch den Gesamtkonsumwert von Süßwasserfischen, die durch Freizeitfischerei gefangen werden, auf der Grundlage vergleichbarer Angebote zu lokalen Marktpreisen. Dieser betrug weltweit 9,95 Milliarden US-Dollar pro Jahr. In Deutschland allein lag der Marktwert der geangelten Fische bei über 100 Millionen US-Dollar jährlich. “Die soziale, wirtschaftliche und psychologische Bedeutung des Angelns geht aber über den Marktwert deutlich hinaus”, sagt Arlinghaus. Unser Fazit, quasi als ,Catch of the day’: Angeln ist gut zur Erholung, für den eigenen B12- und Jod-Haushalt und schafft auch noch Arbeitsplätze. Probieren Sie es aus, Petri Heil! Tim Gabel