Table.Briefing: Research

+++ Spezial: Nach Rauswurf Dörings: Warum Stark-Watzinger nicht aus der Defensive kommt + Wer auf Sabine Döring folgen könnte +++

Liebe Leserin, lieber Leser,

der politische Schaden für Ministerin Stark-Watzinger ist trotz Entlassung der Staatssekretärin bereits enorm und wahrscheinlich nicht reparabel – wenn man liest und hört, wie Politiker und Wissenschaftler am Montag reagieren. Das BMBF hat durch diese Vorgänge an Vertrauen eingebüßt, heißt es. Das Statement von Ministerin Stark-Watzinger kommt zu spät, man hätte bereits letzte Woche beherzt kommunizieren müssen. Wir haben wichtige Einschätzungen für Sie zusammengestellt.

Mein Kollege Tim Gabel hat das unglückliche Jahr von Sabine Döring rekonstruiert, zudem schauen wir vorsichtig in die Zukunft: Was bedeutet das BMBF-Chaos für die angeschlagene Ampel? Was müsste Bettina Stark-Watzinger jetzt tun? Und: Markus Weisskopf fragt: Wer könnte Sabine Döring nachfolgen?

Wir wünschen Ihnen eine informative Lektüre,

Ihre
Nicola Kuhrt
Bild von Nicola  Kuhrt

Analyse

Sabine Döring muss gehen: Warum Bettina Stark-Watzinger weiterhin in der Kritik steht

175. Bundestagssitzung: Bettina Stark-Watzinger, FDP, schaut auf ihr Smartphone
Bettina Stark-Watzinger am vergangenen Donnerstag im Bundestag.

Ein Rauswurf – und kein Rücktritt: Sabine Döring wird in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Sonntagabend hatte sie zunächst selbst auf X getwittert: “Dieser Abschnitt meiner beruflichen Laufbahn findet ein jähes Ende“. Kurz darauf war der Post gelöscht, ein neuer besagte, sie habe einen Anruf bekommen – “muss den Tweet löschen”.  Eine offizielle Bestätigung für das Ende von Döring als Staatssekretärin im BMBF folgte dann eine Stunde später in einer Pressemitteilung – von der Ministerin selbst.

Döring-Rauswurf: “Eindruck, ein personeller Neuanfang sei nötig” 

“Die für die Hochschulabteilung fachlich zuständige Staatssekretärin Prof. Dr. Sabine Döring hat – wie schon öffentlich bekannt – den zugrundeliegenden Prüfauftrag veranlasst. Ebenfalls hat sie erklärt, dass sie sich bei ihrem Auftrag der rechtlichen Prüfung offenbar missverständlich ausgedrückt habe.”  

Nichtsdestotrotz sei der Eindruck erweckt worden, dass die Prüfung förderrechtlicher Konsequenzen auf der Basis eines von der Meinungsfreiheit gedeckten offenen Briefes im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) erwogen werde. “Das widerspricht den Prinzipien der Wissenschaftsfreiheit. Prüfungen förderrechtlicher Konsequenzen wegen von der Meinungsfreiheit gedeckten Äußerungen finden nicht statt.”

Der entstandene Eindruck sei geeignet, das Vertrauen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in das BMBF nachhaltig zu beschädigen, erklärt Stark-Watzinger. “Vor diesem Hintergrund und da ich im Prozess der Aufarbeitung zu der Überzeugung gelangt bin, dass ein personeller Neuanfang nötig ist, habe ich den Bundeskanzler darum gebeten, Staatssekretärin Prof. Dr. Sabine Döring in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen. Ich danke Sabine Döring für ihren Einsatz für Bildung, Wissenschaft und das BMBF.” 

Wird die Entlassung die Diskussionen um ihre Person beenden?

Die ursprüngliche Kritik an der Hausleitung des BMBF hatte sich an einer Äußerung Bettina Stark-Watzingers in der Bild-Zeitung entzündet. Am 9. Mai hatte sie in der Bild-Zeitung angezweifelt, ob die Professorinnen und Professoren, die den offenen Brief nach Räumung eines propalästinensischen Protestcamps unterzeichnet hatten, noch auf dem Boden des Grundgesetzes stünden. “Dieses Statement von Lehrenden an Berliner Universitäten macht fassungslos”, erklärte sie damals zudem. Statt sich klar gegen Israel- und Judenhass zu stellen, würden Uni-Besetzer zu Opfern gemacht und Gewalt verharmlost.

Zu der Kritik hieran erklärt Stark-Watzinger nun: “Eine Gruppe von Hochschullehrerinnen und -lehrern hatte sich im Mai dieses Jahres mit einem offenen Brief zu den Protestcamps an Hochschulen positioniert. Das ist ein legitimer Teil von Debatte und Meinungsfreiheit. Genauso selbstverständlich ist es, dem eine andere Meinung gegenüberzustellen. Denn Meinungsfreiheit ist kein Recht auf Zustimmung”.

Ihre Bemerkung aus dem Bild-Artikel, mit der Stark-Watzinger die Grundgesetztreue der Unterzeichner des offenen Briefs hinterfragte, wird in ihrem neuerlichen Statement mit keinem Wort erwähnt. Dabei scheint es doch genau diese Aussage zu sein, die nicht nur in der Wissenschaftscommunity, sondern auch in der Hausleitung des BMBF und für Sabine Döring zu folgenschweren Reaktion geführt hat.

Ansage Stark-Watzingers “hat Richtung für das BMBF vorgegeben” 

Bettina Stark-Watzinger wird seit Bekanntwerden des Auftrags von allen Seiten aufgefordert, sich öffentlich zu erklären. In einem neuerlichen offenen Brief fordern Menschen aus der Wissenschaftsszene ihren Rücktritt. Stand Montagmittag gibt es bereits knapp 3.000 Unterzeichner.

“Bundesministerin Stark-Watzinger hat recht: Ein personeller Neuanfang im BMBF ist notwendig. Sie muss diesen Schritt jetzt selbst vollziehen”, schreibt Forschungspolitiker Thomas Jarzombek (CDU) auf X.  “Es war ihre Ansage, dass sich die Dozenten mit ihrem Brief nicht auf dem Boden des Grundgesetzes befänden. Damit hat sie die Richtung für das BMBF vorgegeben, die von den Beamten umgesetzt wurde. Dass sie dies mit keinem Wort einordnet, spricht Bände über die tatsächlichen Abläufe.”

Karin Prien: Politik zeigt sich von ihrer hässlichen Seite

In den sozialen Medien ist seit Sonntagabend viel davon die Rede, Sabine Döring sei ein “Bauernopfer” Stark-Watzingers. So sieht es auch Karin Prien (CDU), Ministerin für Bildung und Wissenschaft in Schleswig-Holstein. Sie schrieb heute Früh auf der Plattform X, es sei “beispielhaft mutig” von Sabine Döring gewesen, aus der Wissenschaft ins BMBF zu wechseln. “Mit dieser nächtlichen Posse, mit der @sabinedoering jetzt zum Bauernopfer gemacht wird, zeigt sich Politik von ihrer hässlichen Seite. Leider.”

Auch Peter Dabrock, ehemaliger Ethikrats-Vorsitzender, bedauert die Entlassung Dörings. “Ob die @BMBF_Bund-Ministerin damit den Kopf aus der Schlinge ziehen kann, ist zu bezweifeln”, schreibt er auf X. Vieles bleibe ungeklärt, “und die Letztverantwortung liegt bei der Ministerin”. 

BMBF-Eklat setzt auch Ampel unter Druck

Amrei Bahr, Juniorprofessorin an der Universität Stuttgart und #IchBinHanna-Mitinitiatorin, sieht die Ministerin ebenfalls weiterhin in der Verantwortung. “Stark-Watzinger ist Meisterin darin, ihre Verantwortung auf andere abzuwälzen. In Sachen #WissZeitVG ist sie unsichtbar, schickt Staatssekretär Brandenburg vor. Nun soll Staatssekretärin Döring Skandal um Wissenschaftsfreiheit ausbaden. Verantwortlich ist & bleibt bei beidem aber sie als Ministerin!”, schreibt sie bei Bluesky.

Etwas zurückhaltender äußert sich Kai Gehring, Vorsitzender des Forschungsausschusses im Bundestag. “Druck auf das BMBF kam zuvorderst aus der Wissenschaftscommunity, zugleich haben auch die regierungstragenden Fraktionen ihre Aufgabe erfüllt, die Regierung zu kontrollieren – demgemäß haben wir intern und extern Aufklärung und Transparenz eingefordert, um den entstandenen Anschein auszuräumen”.

Die BMBF-Leitung habe den Vorgang intern aufgearbeitet und ist dabei zu dem Entschluss gelangt, dass personelle Konsequenzen notwendig waren. “Entscheidend ist, dass die Ministerin unmissverständlich klargemacht hat, dass die Wissenschaftsfreiheit garantiert wird – nur so lässt sich verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen.” 

Statement Stark-Watzingers kommt viel zu spät

Was bedeutet die Erosion in der BMBF-Spitze? Der politische Schaden für Ministerin Stark-Watzinger ist trotz Entlassung der Staatssekretärin groß – die Reaktionen in der Wissenschaftscommunity sehen die Lage für Stark-Watzinger eigentlich als nicht reparabel. Das BMBF hat an Vertrauen eingebüßt – und das mitten im Wissenschaftsjahr der Freiheit. Das Statement von Ministerin Stark-Watzinger komme zu spät, sie hätte bereits in der vergangenen Woche beherzt kommunizieren müssen. 
 
So mancher erklärt, er habe zunehmend den Eindruck, dass die Ampel insgesamt doch noch vorzeitig kollabiert. Scholz stehe SPD-intern massiv unter Druck und es sei auch nicht erkennbar, wie sich SPD, Grüne und FDP auf den Bundeshaushalt einigen können.

“Vertrauen in die Ministerin nachhaltig beschädigt”

Die Ministerin selbst habe durch Ihr Interview mit der “Bild” der Diffamierungskampagne und der internen Prüfung Vorschub geleistet, sagt Ilyas Saliba, Non-Resident Fellow des Global Public Policy Institute in Berlin. Er hat sowohl den Brief der Hochschullehrenden unterzeichnet, der Auslöser des Eklats war, als auch den aktuellen offenen Brief. Auch Saliba sieht Sabine Döring als Bauernopfer. “Damit soll ein Schlussstrich unter die Angelegenheit gezogen werden. Doch das Vertrauen der Wissenschaft in die Ministerin und Ihr Amtsverständnis bleibt nachhaltig beschädigt. Transparenz und Vertrauensbildung sieht anders aus.” 

  • Antisemitismus
  • Bettina Stark-Watzinger
  • BMBF
  • Forschungspolitik
  • Universitäten

Nachfolge Döring: Wer kann das Vertrauen zurückgewinnen? 

Dienstsitz BMBF in Berlin.
Dienstsitz des BMBF in Berlin: Wer wird hier die Nachfolge von Sabine Döring antreten?

Zurzeit dreht sich die öffentliche Debatte vor allem um den Rauswurf Sabine Dörings. Doch dabei sollte nicht aus dem Blick geraten: Angesichts der aktuellen Herausforderungen und Unsicherheiten in Wissenschaft und Forschung braucht Bettina Stark-Watzinger schnell einen Ersatz für die in der Community und im Ministerium eher unbeliebte Staatssekretärin. Mit einer guten und vertrauenswürdigen Nachfolge könnte die ebenfalls umstrittene Ministerin auch ihre eigene Position stärken. 

Wichtig: Gute Netzwerke, gute Kommunikationsfähigkeit

Das Anforderungsprofil: Die Kandidatin oder der Kandidat sollte angesichts der noch verbleibenden kurzen Zeit ein gutes Netzwerk in der Wissenschaft bereits mitbringen, ebenso wie eine ausreichende Verwaltungserfahrung. Und in der aktuellen Lage würden auch gute Kommunikationsfähigkeiten nicht schaden. 

Belastungsfähig sollte die Person in jedem Fall sein. Denn auf der Zielgeraden der Legislatur warten noch einige wichtige Vorhaben. Das Wichtigste wäre kein politisches, denn zunächst ginge es wohl darum, Vertrauen in der Community wiederzugewinnen. Daneben stehen wichtige Strukturdiskussionen an: Wie werden die Hochschulen in Zukunft finanziert? Kann oder muss der Bund bei der Grundfinanzierung, aber auch beim Hochschulbau helfen? Wie können Drittmittel- und Grundfinanzierung besser austariert werden?  

Aktuell steht zudem die Diskussion um die Ausgestaltung der zweiten Hälfte des Pakts für Forschung und Innovation zur Debatte, der den außeruniversitären Organisationen jährlich drei Prozent mehr Mittel garantiert. Und: Die Wissenschaft verlangt nach Orientierung im Umgang mit autoritären Regimen – vor allem mit China. Da gilt es, gemeinsam mit den Hochschulen Leitlinien zu entwickeln und nicht mehr nur von der Seitenlinie Rügen und Ratschläge zu verteilen. Dann wäre da ja auch noch das WissZeitVG. Immerhin, das liegt federführend bei dem parlamentarischen Staatssekretär Jens Brandenburg. 

Nicht wieder nach Parteibuch besetzen

Die Anforderungen sind also hoch, die wartenden Aufgaben wichtig. Zu wichtig, um dieses Amt jetzt – wieder einmal – nach den Hauptkriterien Stark-Watzingers, FDP-nah und hessisch, zu besetzen, ist aus der Community zu hören. Einer vom Kaliber Enno Aufderheides wäre gut, heißt es. Der ehemalige AvH-Generalsekretär genießt großes Vertrauen der Forschungsgemeinschaft – aber vermutlich auch gerade seinen kürzlich begonnenen Ruhestand.

  • Bettina Stark-Watzinger
  • BMBF
  • Forschungspolitik
  • Vertrauen

Chronik

Sabine Döring: Wissenschaftlerin im Staatsapparat und kommunikativer Freigeist

Staatssekretärin Sabine Döring (Bundesministerium für Bildung und Forschung) spricht bei der Kultusministerkonferenz im Weltkulturerbe Völklinger Hütte.
BMBF-Staatssekretärin Sabine Döring bei ihrem letzten öffentlichen Auftritt im Amt bei der KMK am vergangenen Freitag.

In nicht einmal anderthalb Jahren als Staatssekretärin im BMBF hat die Philosophin Sabine Döring einige politische, aber vor allem auch kommunikative Spuren hinterlassen. Als Bettina Stark-Watzinger sie im Februar 2023 in ihr Amt befördert hatte und sie damit Kornelia Haugg nachfolgte, muss ihr klar gewesen sein, dass Döring auch in angespannten Debatten nicht mit ihrer Meinung hinter dem Berg hält.

Montagehalle-Tweet: BMBF-Hausleitung war not amused

In der Corona-Zeit hatte Döring, die vorher 15 Jahre als Professorin an der Universität Tübingen gearbeitet hatte, der NZZ ein Interview gegeben, in dem sie für mehr Meinungsfreiheit in der Krise plädierte. “Wir haben in der deutschen Öffentlichkeit einen diskursfeindlichen Hang zur Übersensibilität und zum Moralisieren”, sagte die Liberale damals. Ihren eigenen Kopf und die Vorliebe für schnelle Reaktionen in den sozialen Medien, bekam im BMBF als erstes Jens Brandenburg zu spüren.

Brandenburg musste im März 2023 auch aufgrund ihres Tweets das eigene Eckpunktepapier zur Reform des WissZeitVG bereits nach einem Wochenende wieder “in die Montagehalle” zurückziehen. Döring hatte bei X (ehemals Twitter) geschrieben: “Mein Fazit zu den Reaktionen auf den Vorschlag zum #WissZeitVG: Ein Kompromiss zwischen den verschiedenen Interessengruppen wird es nicht tun. Wir brauchen eine neue geteilte Vision.” Diese unabgesprochene Aufforderung zur Überarbeitung an ihren Kollegen hatte nach Informationen von Table.Briefings für Unmut in der Hausleitung gesorgt.

Kampf um den Freiheitsbegriff in den Medien

Im September 2023 antwortete sie in einem viel beachteten Gastbeitrag für die NZZ auf die Generalkritik am Wissenschaftssystem von Thomas Beschorner und verteidigte die Wissenschaftsfreiheit. Es sei zu kurz gesprungen, die Wissenschaft als “entkoppeltes System” zu begreifen, sie sei integraler Bestandteil der Gesellschaft, schrieb Döring dort. Spitzenforscher würden dorthin gehen, wo sie frei forschen können. In “Deutschland wie auch in der Schweiz ist die Wissenschaftsfreiheit als Grundrecht verankert, in der EU ist sie ein grundlegender Wert”.

Döring wehrte sich in dem Beitrag gegen den “Druck aus ganz verschiedenen Ecken”, Forschung aus politischen Gründen in eine Richtung zu drängen oder die Arbeit auf bestimmten Forschungsfeldern ganz zu unterbinden. Im März 2024 stellte sie sich dann Reportern der Zeit für ein Porträt zur Verfügung. Darin kritisierte sie einen aus ihrer Sicht falschen Freiheitsbegriff in der Gesellschaft. “Viele wollen nicht hören: Jetzt ist auch noch falsch, dass ich am Wochenende meinen Grill anwerfe oder mit dem Auto in die Stadt fahre.”

Vorrangige politische Aufgabe: Das Startchancen-Programm

Für Döring ist das zu wenig, um echte Freiheit zu begründen. Sobald nämlich das Verhalten des Einzelnen andere in Mitleidenschaft ziehe, also negative Effekte mit sich bringt, habe der Einzelne auch gegenüber der Gemeinschaft, der Polis, eine Verantwortung. “Wenn man Mills Traktat ,Über die Freiheit’ liest, merkt man: Der will die Freiheit von Sokrates und nicht die des SUV-Fahrers. Freiheit ist kein Freibrief.”

Mit Blick auf die Entscheidung der Bundesforschungsministerin, sie als Staatssekretärin zu berufen, sagte sie: “Es war mutig, eine Wissenschaftlerin zur Staatssekretärin zu machen.” Die vorrangige politische Aufgabe, die Döring zugetraut wurde, war die Mitarbeit am Startchancen-Programm. Vom kommenden Schuljahr an sollen 20 Milliarden Euro über zehn Jahre an rund 4.000 Brennpunktschulen verteilt werden, es ist eines der Vorzeige-Bildungsprojekte der Bundesregierung.

Vorbild Walter Scheel: Richtigkeit vor Popularität

Döring sagte, dass sie es als Aufgabe der Politik sehe, die richtigen Entscheidungen zu treffen und diese dann populär zu machen. Als ihr Vorbild nannte sie Walter Scheel: Die Richtigkeit habe klare Priorität gegenüber der Popularität. In der Politik sei man dazu verdammt, auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen, wenn es die richtigen sind, sagte sie. “Und das ist gerade in Zeiten wie heute schwierig.”

Seit dem Beginn der Debatte über die Beziehungen der Wissenschaft zu Israel und den zunehmenden pro-palästinensischen Protesten an Hochschulen, im April und Mai, schaltete Döring sich immer öfter in die Debatten auf X (vormals Twitter) dazu und verteidigte die Position der Hausleitung. Sie kündigte auf dem Medium auch an, sachlich klären zu lassen, ob die Autoren eines offenen Briefes gegen das polizeiliche Eingreifen bei Demonstrationen an Hochschulen, noch auf dem Boden des Grundgesetzes stehen würden. Diese Prüfung und alle Konsequenzen daraus beendeten schließlich am gestrigen Sonntag Dörings kurze Laufbahn als politische Beamtin.

Unklare Zukunft: Honorarprofessur in Tübingen bleibt erhalten

Unklar ist derweil noch, wie es beruflich für Sabine Döring weitergeht. Die Universität Tübingen, wo sie bis zu ihrem Wechsel ins BMBF den Lehrstuhl für Philosophie mit dem Schwerpunkt Praktische Philosophie (Ethik) innehatte und wo sie seither als Honorarprofessorin verzeichnet ist, gibt aus “personalrechtlichen und datenschutzrechtlichen Gründen” keine Auskunft. Auf alle Fälle werde Frau Döring ihre Honorarprofessur behalten, teilt ein Universitätssprecher auf Anfrage mit.

Auch der dbb Beamtenbund will zu dem Einzelfall nichts sagen und verweist nur auf die allgemeinen Regeln, die für politische Beamte gelten: “Politische Beamtinnen und Beamte können jederzeit ohne Angabe von Gründen in den einstweiligen Ruhestand versetzt, das heißt aus ihrem Amt abberufen werden. Der Grund ist, dass sie sich wegen ihrer Mittlerfunktion zwischen Verwaltung und Politik in ihrer Amtsführung in fortdauernder Übereinstimmung mit der Regierungspolitik halten müssen”, teilt ein Sprecher mit.

Döring könnte auch die Beamten-Laufbahn weiterführen

Für den einstweiligen Ruhestand gälten die Vorschriften über den Ruhestand. Der einstweilige Ruhestand ende bei erneuter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit, auch bei einem anderen Dienstherrn, wenn den Beamtinnen oder Beamten ein Amt verliehen wird, das derselben oder einer gleichwertigen Laufbahn angehört wie das frühere Amt und mit mindestens demselben Grundgehalt verbunden ist.

  • Bettina Stark-Watzinger
  • BMBF
  • Forschungspolitik
  • Jens Brandenburg

Research.Table Redaktion

RESEARCH.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    der politische Schaden für Ministerin Stark-Watzinger ist trotz Entlassung der Staatssekretärin bereits enorm und wahrscheinlich nicht reparabel – wenn man liest und hört, wie Politiker und Wissenschaftler am Montag reagieren. Das BMBF hat durch diese Vorgänge an Vertrauen eingebüßt, heißt es. Das Statement von Ministerin Stark-Watzinger kommt zu spät, man hätte bereits letzte Woche beherzt kommunizieren müssen. Wir haben wichtige Einschätzungen für Sie zusammengestellt.

    Mein Kollege Tim Gabel hat das unglückliche Jahr von Sabine Döring rekonstruiert, zudem schauen wir vorsichtig in die Zukunft: Was bedeutet das BMBF-Chaos für die angeschlagene Ampel? Was müsste Bettina Stark-Watzinger jetzt tun? Und: Markus Weisskopf fragt: Wer könnte Sabine Döring nachfolgen?

    Wir wünschen Ihnen eine informative Lektüre,

    Ihre
    Nicola Kuhrt
    Bild von Nicola  Kuhrt

    Analyse

    Sabine Döring muss gehen: Warum Bettina Stark-Watzinger weiterhin in der Kritik steht

    175. Bundestagssitzung: Bettina Stark-Watzinger, FDP, schaut auf ihr Smartphone
    Bettina Stark-Watzinger am vergangenen Donnerstag im Bundestag.

    Ein Rauswurf – und kein Rücktritt: Sabine Döring wird in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Sonntagabend hatte sie zunächst selbst auf X getwittert: “Dieser Abschnitt meiner beruflichen Laufbahn findet ein jähes Ende“. Kurz darauf war der Post gelöscht, ein neuer besagte, sie habe einen Anruf bekommen – “muss den Tweet löschen”.  Eine offizielle Bestätigung für das Ende von Döring als Staatssekretärin im BMBF folgte dann eine Stunde später in einer Pressemitteilung – von der Ministerin selbst.

    Döring-Rauswurf: “Eindruck, ein personeller Neuanfang sei nötig” 

    “Die für die Hochschulabteilung fachlich zuständige Staatssekretärin Prof. Dr. Sabine Döring hat – wie schon öffentlich bekannt – den zugrundeliegenden Prüfauftrag veranlasst. Ebenfalls hat sie erklärt, dass sie sich bei ihrem Auftrag der rechtlichen Prüfung offenbar missverständlich ausgedrückt habe.”  

    Nichtsdestotrotz sei der Eindruck erweckt worden, dass die Prüfung förderrechtlicher Konsequenzen auf der Basis eines von der Meinungsfreiheit gedeckten offenen Briefes im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) erwogen werde. “Das widerspricht den Prinzipien der Wissenschaftsfreiheit. Prüfungen förderrechtlicher Konsequenzen wegen von der Meinungsfreiheit gedeckten Äußerungen finden nicht statt.”

    Der entstandene Eindruck sei geeignet, das Vertrauen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in das BMBF nachhaltig zu beschädigen, erklärt Stark-Watzinger. “Vor diesem Hintergrund und da ich im Prozess der Aufarbeitung zu der Überzeugung gelangt bin, dass ein personeller Neuanfang nötig ist, habe ich den Bundeskanzler darum gebeten, Staatssekretärin Prof. Dr. Sabine Döring in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen. Ich danke Sabine Döring für ihren Einsatz für Bildung, Wissenschaft und das BMBF.” 

    Wird die Entlassung die Diskussionen um ihre Person beenden?

    Die ursprüngliche Kritik an der Hausleitung des BMBF hatte sich an einer Äußerung Bettina Stark-Watzingers in der Bild-Zeitung entzündet. Am 9. Mai hatte sie in der Bild-Zeitung angezweifelt, ob die Professorinnen und Professoren, die den offenen Brief nach Räumung eines propalästinensischen Protestcamps unterzeichnet hatten, noch auf dem Boden des Grundgesetzes stünden. “Dieses Statement von Lehrenden an Berliner Universitäten macht fassungslos”, erklärte sie damals zudem. Statt sich klar gegen Israel- und Judenhass zu stellen, würden Uni-Besetzer zu Opfern gemacht und Gewalt verharmlost.

    Zu der Kritik hieran erklärt Stark-Watzinger nun: “Eine Gruppe von Hochschullehrerinnen und -lehrern hatte sich im Mai dieses Jahres mit einem offenen Brief zu den Protestcamps an Hochschulen positioniert. Das ist ein legitimer Teil von Debatte und Meinungsfreiheit. Genauso selbstverständlich ist es, dem eine andere Meinung gegenüberzustellen. Denn Meinungsfreiheit ist kein Recht auf Zustimmung”.

    Ihre Bemerkung aus dem Bild-Artikel, mit der Stark-Watzinger die Grundgesetztreue der Unterzeichner des offenen Briefs hinterfragte, wird in ihrem neuerlichen Statement mit keinem Wort erwähnt. Dabei scheint es doch genau diese Aussage zu sein, die nicht nur in der Wissenschaftscommunity, sondern auch in der Hausleitung des BMBF und für Sabine Döring zu folgenschweren Reaktion geführt hat.

    Ansage Stark-Watzingers “hat Richtung für das BMBF vorgegeben” 

    Bettina Stark-Watzinger wird seit Bekanntwerden des Auftrags von allen Seiten aufgefordert, sich öffentlich zu erklären. In einem neuerlichen offenen Brief fordern Menschen aus der Wissenschaftsszene ihren Rücktritt. Stand Montagmittag gibt es bereits knapp 3.000 Unterzeichner.

    “Bundesministerin Stark-Watzinger hat recht: Ein personeller Neuanfang im BMBF ist notwendig. Sie muss diesen Schritt jetzt selbst vollziehen”, schreibt Forschungspolitiker Thomas Jarzombek (CDU) auf X.  “Es war ihre Ansage, dass sich die Dozenten mit ihrem Brief nicht auf dem Boden des Grundgesetzes befänden. Damit hat sie die Richtung für das BMBF vorgegeben, die von den Beamten umgesetzt wurde. Dass sie dies mit keinem Wort einordnet, spricht Bände über die tatsächlichen Abläufe.”

    Karin Prien: Politik zeigt sich von ihrer hässlichen Seite

    In den sozialen Medien ist seit Sonntagabend viel davon die Rede, Sabine Döring sei ein “Bauernopfer” Stark-Watzingers. So sieht es auch Karin Prien (CDU), Ministerin für Bildung und Wissenschaft in Schleswig-Holstein. Sie schrieb heute Früh auf der Plattform X, es sei “beispielhaft mutig” von Sabine Döring gewesen, aus der Wissenschaft ins BMBF zu wechseln. “Mit dieser nächtlichen Posse, mit der @sabinedoering jetzt zum Bauernopfer gemacht wird, zeigt sich Politik von ihrer hässlichen Seite. Leider.”

    Auch Peter Dabrock, ehemaliger Ethikrats-Vorsitzender, bedauert die Entlassung Dörings. “Ob die @BMBF_Bund-Ministerin damit den Kopf aus der Schlinge ziehen kann, ist zu bezweifeln”, schreibt er auf X. Vieles bleibe ungeklärt, “und die Letztverantwortung liegt bei der Ministerin”. 

    BMBF-Eklat setzt auch Ampel unter Druck

    Amrei Bahr, Juniorprofessorin an der Universität Stuttgart und #IchBinHanna-Mitinitiatorin, sieht die Ministerin ebenfalls weiterhin in der Verantwortung. “Stark-Watzinger ist Meisterin darin, ihre Verantwortung auf andere abzuwälzen. In Sachen #WissZeitVG ist sie unsichtbar, schickt Staatssekretär Brandenburg vor. Nun soll Staatssekretärin Döring Skandal um Wissenschaftsfreiheit ausbaden. Verantwortlich ist & bleibt bei beidem aber sie als Ministerin!”, schreibt sie bei Bluesky.

    Etwas zurückhaltender äußert sich Kai Gehring, Vorsitzender des Forschungsausschusses im Bundestag. “Druck auf das BMBF kam zuvorderst aus der Wissenschaftscommunity, zugleich haben auch die regierungstragenden Fraktionen ihre Aufgabe erfüllt, die Regierung zu kontrollieren – demgemäß haben wir intern und extern Aufklärung und Transparenz eingefordert, um den entstandenen Anschein auszuräumen”.

    Die BMBF-Leitung habe den Vorgang intern aufgearbeitet und ist dabei zu dem Entschluss gelangt, dass personelle Konsequenzen notwendig waren. “Entscheidend ist, dass die Ministerin unmissverständlich klargemacht hat, dass die Wissenschaftsfreiheit garantiert wird – nur so lässt sich verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen.” 

    Statement Stark-Watzingers kommt viel zu spät

    Was bedeutet die Erosion in der BMBF-Spitze? Der politische Schaden für Ministerin Stark-Watzinger ist trotz Entlassung der Staatssekretärin groß – die Reaktionen in der Wissenschaftscommunity sehen die Lage für Stark-Watzinger eigentlich als nicht reparabel. Das BMBF hat an Vertrauen eingebüßt – und das mitten im Wissenschaftsjahr der Freiheit. Das Statement von Ministerin Stark-Watzinger komme zu spät, sie hätte bereits in der vergangenen Woche beherzt kommunizieren müssen. 
     
    So mancher erklärt, er habe zunehmend den Eindruck, dass die Ampel insgesamt doch noch vorzeitig kollabiert. Scholz stehe SPD-intern massiv unter Druck und es sei auch nicht erkennbar, wie sich SPD, Grüne und FDP auf den Bundeshaushalt einigen können.

    “Vertrauen in die Ministerin nachhaltig beschädigt”

    Die Ministerin selbst habe durch Ihr Interview mit der “Bild” der Diffamierungskampagne und der internen Prüfung Vorschub geleistet, sagt Ilyas Saliba, Non-Resident Fellow des Global Public Policy Institute in Berlin. Er hat sowohl den Brief der Hochschullehrenden unterzeichnet, der Auslöser des Eklats war, als auch den aktuellen offenen Brief. Auch Saliba sieht Sabine Döring als Bauernopfer. “Damit soll ein Schlussstrich unter die Angelegenheit gezogen werden. Doch das Vertrauen der Wissenschaft in die Ministerin und Ihr Amtsverständnis bleibt nachhaltig beschädigt. Transparenz und Vertrauensbildung sieht anders aus.” 

    • Antisemitismus
    • Bettina Stark-Watzinger
    • BMBF
    • Forschungspolitik
    • Universitäten

    Nachfolge Döring: Wer kann das Vertrauen zurückgewinnen? 

    Dienstsitz BMBF in Berlin.
    Dienstsitz des BMBF in Berlin: Wer wird hier die Nachfolge von Sabine Döring antreten?

    Zurzeit dreht sich die öffentliche Debatte vor allem um den Rauswurf Sabine Dörings. Doch dabei sollte nicht aus dem Blick geraten: Angesichts der aktuellen Herausforderungen und Unsicherheiten in Wissenschaft und Forschung braucht Bettina Stark-Watzinger schnell einen Ersatz für die in der Community und im Ministerium eher unbeliebte Staatssekretärin. Mit einer guten und vertrauenswürdigen Nachfolge könnte die ebenfalls umstrittene Ministerin auch ihre eigene Position stärken. 

    Wichtig: Gute Netzwerke, gute Kommunikationsfähigkeit

    Das Anforderungsprofil: Die Kandidatin oder der Kandidat sollte angesichts der noch verbleibenden kurzen Zeit ein gutes Netzwerk in der Wissenschaft bereits mitbringen, ebenso wie eine ausreichende Verwaltungserfahrung. Und in der aktuellen Lage würden auch gute Kommunikationsfähigkeiten nicht schaden. 

    Belastungsfähig sollte die Person in jedem Fall sein. Denn auf der Zielgeraden der Legislatur warten noch einige wichtige Vorhaben. Das Wichtigste wäre kein politisches, denn zunächst ginge es wohl darum, Vertrauen in der Community wiederzugewinnen. Daneben stehen wichtige Strukturdiskussionen an: Wie werden die Hochschulen in Zukunft finanziert? Kann oder muss der Bund bei der Grundfinanzierung, aber auch beim Hochschulbau helfen? Wie können Drittmittel- und Grundfinanzierung besser austariert werden?  

    Aktuell steht zudem die Diskussion um die Ausgestaltung der zweiten Hälfte des Pakts für Forschung und Innovation zur Debatte, der den außeruniversitären Organisationen jährlich drei Prozent mehr Mittel garantiert. Und: Die Wissenschaft verlangt nach Orientierung im Umgang mit autoritären Regimen – vor allem mit China. Da gilt es, gemeinsam mit den Hochschulen Leitlinien zu entwickeln und nicht mehr nur von der Seitenlinie Rügen und Ratschläge zu verteilen. Dann wäre da ja auch noch das WissZeitVG. Immerhin, das liegt federführend bei dem parlamentarischen Staatssekretär Jens Brandenburg. 

    Nicht wieder nach Parteibuch besetzen

    Die Anforderungen sind also hoch, die wartenden Aufgaben wichtig. Zu wichtig, um dieses Amt jetzt – wieder einmal – nach den Hauptkriterien Stark-Watzingers, FDP-nah und hessisch, zu besetzen, ist aus der Community zu hören. Einer vom Kaliber Enno Aufderheides wäre gut, heißt es. Der ehemalige AvH-Generalsekretär genießt großes Vertrauen der Forschungsgemeinschaft – aber vermutlich auch gerade seinen kürzlich begonnenen Ruhestand.

    • Bettina Stark-Watzinger
    • BMBF
    • Forschungspolitik
    • Vertrauen

    Chronik

    Sabine Döring: Wissenschaftlerin im Staatsapparat und kommunikativer Freigeist

    Staatssekretärin Sabine Döring (Bundesministerium für Bildung und Forschung) spricht bei der Kultusministerkonferenz im Weltkulturerbe Völklinger Hütte.
    BMBF-Staatssekretärin Sabine Döring bei ihrem letzten öffentlichen Auftritt im Amt bei der KMK am vergangenen Freitag.

    In nicht einmal anderthalb Jahren als Staatssekretärin im BMBF hat die Philosophin Sabine Döring einige politische, aber vor allem auch kommunikative Spuren hinterlassen. Als Bettina Stark-Watzinger sie im Februar 2023 in ihr Amt befördert hatte und sie damit Kornelia Haugg nachfolgte, muss ihr klar gewesen sein, dass Döring auch in angespannten Debatten nicht mit ihrer Meinung hinter dem Berg hält.

    Montagehalle-Tweet: BMBF-Hausleitung war not amused

    In der Corona-Zeit hatte Döring, die vorher 15 Jahre als Professorin an der Universität Tübingen gearbeitet hatte, der NZZ ein Interview gegeben, in dem sie für mehr Meinungsfreiheit in der Krise plädierte. “Wir haben in der deutschen Öffentlichkeit einen diskursfeindlichen Hang zur Übersensibilität und zum Moralisieren”, sagte die Liberale damals. Ihren eigenen Kopf und die Vorliebe für schnelle Reaktionen in den sozialen Medien, bekam im BMBF als erstes Jens Brandenburg zu spüren.

    Brandenburg musste im März 2023 auch aufgrund ihres Tweets das eigene Eckpunktepapier zur Reform des WissZeitVG bereits nach einem Wochenende wieder “in die Montagehalle” zurückziehen. Döring hatte bei X (ehemals Twitter) geschrieben: “Mein Fazit zu den Reaktionen auf den Vorschlag zum #WissZeitVG: Ein Kompromiss zwischen den verschiedenen Interessengruppen wird es nicht tun. Wir brauchen eine neue geteilte Vision.” Diese unabgesprochene Aufforderung zur Überarbeitung an ihren Kollegen hatte nach Informationen von Table.Briefings für Unmut in der Hausleitung gesorgt.

    Kampf um den Freiheitsbegriff in den Medien

    Im September 2023 antwortete sie in einem viel beachteten Gastbeitrag für die NZZ auf die Generalkritik am Wissenschaftssystem von Thomas Beschorner und verteidigte die Wissenschaftsfreiheit. Es sei zu kurz gesprungen, die Wissenschaft als “entkoppeltes System” zu begreifen, sie sei integraler Bestandteil der Gesellschaft, schrieb Döring dort. Spitzenforscher würden dorthin gehen, wo sie frei forschen können. In “Deutschland wie auch in der Schweiz ist die Wissenschaftsfreiheit als Grundrecht verankert, in der EU ist sie ein grundlegender Wert”.

    Döring wehrte sich in dem Beitrag gegen den “Druck aus ganz verschiedenen Ecken”, Forschung aus politischen Gründen in eine Richtung zu drängen oder die Arbeit auf bestimmten Forschungsfeldern ganz zu unterbinden. Im März 2024 stellte sie sich dann Reportern der Zeit für ein Porträt zur Verfügung. Darin kritisierte sie einen aus ihrer Sicht falschen Freiheitsbegriff in der Gesellschaft. “Viele wollen nicht hören: Jetzt ist auch noch falsch, dass ich am Wochenende meinen Grill anwerfe oder mit dem Auto in die Stadt fahre.”

    Vorrangige politische Aufgabe: Das Startchancen-Programm

    Für Döring ist das zu wenig, um echte Freiheit zu begründen. Sobald nämlich das Verhalten des Einzelnen andere in Mitleidenschaft ziehe, also negative Effekte mit sich bringt, habe der Einzelne auch gegenüber der Gemeinschaft, der Polis, eine Verantwortung. “Wenn man Mills Traktat ,Über die Freiheit’ liest, merkt man: Der will die Freiheit von Sokrates und nicht die des SUV-Fahrers. Freiheit ist kein Freibrief.”

    Mit Blick auf die Entscheidung der Bundesforschungsministerin, sie als Staatssekretärin zu berufen, sagte sie: “Es war mutig, eine Wissenschaftlerin zur Staatssekretärin zu machen.” Die vorrangige politische Aufgabe, die Döring zugetraut wurde, war die Mitarbeit am Startchancen-Programm. Vom kommenden Schuljahr an sollen 20 Milliarden Euro über zehn Jahre an rund 4.000 Brennpunktschulen verteilt werden, es ist eines der Vorzeige-Bildungsprojekte der Bundesregierung.

    Vorbild Walter Scheel: Richtigkeit vor Popularität

    Döring sagte, dass sie es als Aufgabe der Politik sehe, die richtigen Entscheidungen zu treffen und diese dann populär zu machen. Als ihr Vorbild nannte sie Walter Scheel: Die Richtigkeit habe klare Priorität gegenüber der Popularität. In der Politik sei man dazu verdammt, auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen, wenn es die richtigen sind, sagte sie. “Und das ist gerade in Zeiten wie heute schwierig.”

    Seit dem Beginn der Debatte über die Beziehungen der Wissenschaft zu Israel und den zunehmenden pro-palästinensischen Protesten an Hochschulen, im April und Mai, schaltete Döring sich immer öfter in die Debatten auf X (vormals Twitter) dazu und verteidigte die Position der Hausleitung. Sie kündigte auf dem Medium auch an, sachlich klären zu lassen, ob die Autoren eines offenen Briefes gegen das polizeiliche Eingreifen bei Demonstrationen an Hochschulen, noch auf dem Boden des Grundgesetzes stehen würden. Diese Prüfung und alle Konsequenzen daraus beendeten schließlich am gestrigen Sonntag Dörings kurze Laufbahn als politische Beamtin.

    Unklare Zukunft: Honorarprofessur in Tübingen bleibt erhalten

    Unklar ist derweil noch, wie es beruflich für Sabine Döring weitergeht. Die Universität Tübingen, wo sie bis zu ihrem Wechsel ins BMBF den Lehrstuhl für Philosophie mit dem Schwerpunkt Praktische Philosophie (Ethik) innehatte und wo sie seither als Honorarprofessorin verzeichnet ist, gibt aus “personalrechtlichen und datenschutzrechtlichen Gründen” keine Auskunft. Auf alle Fälle werde Frau Döring ihre Honorarprofessur behalten, teilt ein Universitätssprecher auf Anfrage mit.

    Auch der dbb Beamtenbund will zu dem Einzelfall nichts sagen und verweist nur auf die allgemeinen Regeln, die für politische Beamte gelten: “Politische Beamtinnen und Beamte können jederzeit ohne Angabe von Gründen in den einstweiligen Ruhestand versetzt, das heißt aus ihrem Amt abberufen werden. Der Grund ist, dass sie sich wegen ihrer Mittlerfunktion zwischen Verwaltung und Politik in ihrer Amtsführung in fortdauernder Übereinstimmung mit der Regierungspolitik halten müssen”, teilt ein Sprecher mit.

    Döring könnte auch die Beamten-Laufbahn weiterführen

    Für den einstweiligen Ruhestand gälten die Vorschriften über den Ruhestand. Der einstweilige Ruhestand ende bei erneuter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit, auch bei einem anderen Dienstherrn, wenn den Beamtinnen oder Beamten ein Amt verliehen wird, das derselben oder einer gleichwertigen Laufbahn angehört wie das frühere Amt und mit mindestens demselben Grundgehalt verbunden ist.

    • Bettina Stark-Watzinger
    • BMBF
    • Forschungspolitik
    • Jens Brandenburg

    Research.Table Redaktion

    RESEARCH.TABLE REDAKTION

    Licenses:

      Jetzt kostenlos anmelden und sofort weiterlesen

      Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

      Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

      Anmelden und weiterlesen